Tagebuch von Sighelm zu Schneehag
Sighelm zu Schneehag - Turniererei und Gefangenschaft

Der weitere Weg führte Sighelm zunächst durch Andergast, wo er einen Brief an seine Mutter aufsetzen ließ, und schließlich nach Andrafall, in dem ein großes Turnier zu Ehren der Vermählung irgendeines hinterwäldlerischen Landadeligen stattfinden sollte. Zwar hielt Sighelm nicht viel von Hochzeiten, es sei denn sie dientem einem politischen Zweck, aber die Aussicht als ruhmreicher Lanzenstecher in die Annalen des Königreichs einzugehen reizte ihn doch sehr! Am Turnierplatz angekommen ließ er sich sogleich für „sämtliche sich für meinen Stand gebührende Waffengattungen“ einschreiben, und fluchte lautstark und vehement, als man ihn außer für das Gestech, den Schild- und den Zweihändigen Kampf auch für das Bogenschießen einschreiben wollte: „mit dahergelaufenen Bauernlümmeln soll ich mich messen? Bei Rondra, der Bogen ist eine Jagdwaffe, und keine Waffe für einen verbrieften Krieger!“

Bei dieser Gelegenheit, und weil er gezwungen war sein Lager außerhalb der herrschaftlichen Burg zu beziehen, machten er und Firunfried die Bekanntschaft des norbardischen Schaukämpfers Wasilij des Herausragenden, der soeben seiner Gauklertruppe abhanden gekommen war, oder von jener verstoßen wurde – hierzu gab es widersprüchliche Angaben. Zwar war dieser ein gar nervtötender Zeitgenosse der jedem Rockzipfel nachstellte, er sollte sich aber im Verlauf der kommenden Wochen und Monate noch als wertvoller Kampfgefährte herausstellen („Ihr besitzt zwar nicht Titel, nicht Stand, noch Ehre oder Geld, aber Mut habt ihr wohl, Wasilij“)

Im Kampf mit Schild und Schwert und im Kampf mit dem Zweihänder war Sighelm kein Glück beschieden und somit ruhten alle seine Hoffnungen auf der Königsdisziplin: dem Kampfe zu Hufe und zur Lanze. Hier zeigte sich in der Tat schnell seine profunde Ausbildung in einer treffsicheren Gestechsspitze und gekonnter Reiterei. Drei Gegner schickte er in den Staub, darunter einen entfernten Verwandten des Oswald von Eichelbrünn, dem er sogleich auf trug diesem seine Grüße zu entrichten: „Berichtet eurem Vetter von der Lanze, die euch getroffen hat und warnt ihn vor, dass diese bald ihn ereilen wird!“ Im Finale der Tjoste musste er sich dennoch im dritten Ritt dem Prinzen des Königreichs höchstselbst geschlagen geben – einem Mann von großer Ehre und Würde, denn wie sonst hätte er es zum Trohnerben bringen sollen und den Weidener aus dem Sattel stoßen können?

Als der Festakt mit Ausrufung der Turniersieger seinem Höhepunkt zustrebte begab es sich, dass den Herrschaften ein wertvolles Familienschmuckstück verlustig ging. Flux wurden die Gauklertruppe des Diebstahls verdächtigt, was an sich ja einleuchtend schien, handelt es sich bei solcherlei Geschmeiss schließlich um vogelfreie Nichtsnutze. Es stellte sich jedoch heraus, dass ein gewaltiger Draconis Arbor für den Diebstahl verantwortlich war und dem tapferen Krieger gelang es diesen schließlich in blutiger Schlacht zu unterjochen. Den Todesstoß freilich ließ er – bescheiden wie er war – sein Gesinde ausführen. Beim abendlichen Festbankett zu seinen Ehren ließ er sich natürlich gebührend als Drachentöter feiern und überlegte bereits, wie er diese Heldentat für alle sichtbar in sein Wappen (schräg geteilt drei silberne Ifirnssterne auf Blau links unten, Schwert über Schild in Silber auf Grün rechts oben) integrieren könne, als abermals ein abscheuliches Verbrechen bekannt wurde: die Entführung irgendeines Leibeigenen oder gar eines dieser Gaukler – so genau hatte er nicht zugehört. Fest stand jedoch, dass es der von ihm geleistete Eid des Schutzes der Schwachen von ihm verlangte erneut tätig zu werden, zumal angeblich vermaledayte Schwarzpelze in der Gegend gesichtet wurden! Nach einer wilden Verfolgungsjagd gelangte die Gruppe – der muskelbepackte Druido inkognito und der Schaukämpfer, welcher sich nun Wasilij der Unvergleichliche nannte, schlossen sich ihm an – an eine Burg, wie er sie seit seiner Ankunft in Andergast nicht mehr gesehen hatte; sie war aus Stein erbaut! Da allerdings ein halber Heerwurm Orken mittlerweile an ihren Versen haftete, beschloss Sighelm den Rückzug seiner Gefährten und des armen Tropfes zu decken und heldenhaft als letzter in der ehernen Festung Zuflucht zu suchen. Die Stimmung in der Burg Dragenstein, so wurde diese nämlich genannt, war, vermutlich der anhaltenden Orkenbedrohung wegen – die wahren Hintergründe sollten ihm erst viel viel später klar werden - nicht die Beste, nichtsdestoweniger wollte man sich ein anständiges Abendmahl gönnen und die Nacht hier verbringen. Des Nachts, kurz vor der Boronsstunde überbrachte eine Zofe die Warnung schleunigst von diesem Orte zu verschwinden, da er verflucht sei. Sighelm hingegen weigerte sich den engen Geheimgang in die Sicherheit zu benutzen: „Ich kann doch meine Aurora nicht diesen Abdeckern überlassen!“ So begab es sich, dass Sighelm zwei lange Tage und Nächte auf Burg Dragenstein gefangen war und trübsinnig mehr als einmal das in Balhio so beliebte Lied Reite Weidener, Reite! anstimmte.

 

Als es seinen Gefährten, die versprochen hatten ihn baldigst aus seiner misslichen Lage zu befreien, mit Unterstützung eines Adeptus minor der Großen Grauen Gilde des Geistes, Answin von Riva, und einer albernischen Knappin, Maerthe Hjaldegarth ni Bennain von Hohelucht – Edle einer unbedeutenden Nebenlinie des Hohen Hauses ui Bennain – endlich gelang abermals in die Burg vorzudringen, und sie gemeinsam dem schwarzmagischen Treiben des Hofmagus Einhalt gebieten konnten, war der Götterlauf bereits von Praios zu Efferd gewechselt. Sighelm konnte dies selbstverständlich nicht sogleich als Tatsache begreifen, wunderte sich aber über das miese andergaster Wetter im Hochsommer. Nachdem er einfühlsam von Wasilij dem Besonderen auf das aktuelle Datum hingewiesen wurde, schwor er blutige Rache zu nehmen an solcherlei und sämtlichen schwarzmagischen Unzuchten die ihm „zwei Monde meines Lebens geklaut haben!“

 

Dieser Eintrag wurde am 30.04.2013 (00:04) verfasst und 802 mal aufgerufen.
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