09./10. Ingerimm 1011 BF
So viel zum Thema ruhige Nacht; ich werde nachts geweckt, weil Tineke wohl versucht hat, dem Wirt Pjerow Schnaps zu stehlen. Dabei wurde sie von Banja gebissen und Pjerow scheint sie verprügelt zu haben. Allerdings hat sie auch ein Feilchen, das schon erblüht ist, das ist definitiv älter als von dieser Nacht. Ich frage Tineke, wer ihr das Feilchen verpasst hat und sie behauptet steif und fest, dass das Pjerow gewesen wäre, das kann aber nicht sein. Misstrauisch wirke ich einen Blick in die Gedanken und kann einen Blick auf ein Gesicht erhaschen, es ist nicht Pjerow, das Gesicht hat tiefliegende Augen, eine Knollennase, er kommt mir bekannt vor, ich muss die Augen offenhalten und gucken, wer das ist.
Ich spreche mit dem Bronnjaren und äußere ihm gegenüber meinen Verdacht, dass Tineke dazu gezwungen wurde, den Schnaps zu stehlen. Ihre Wunde am Arm heile ich daher nur profan, damit ich einen Grund habe, sie vorerst bei mir zu behalten. Mit dem Bronnjaren mache ich aus, dass sie vorerst unter meiner Obhut bleiben wird. Zusammen mit Tineke und Libussa schlafe ich im Wagen, Gari, Laske und Golgarah nächtigen im Zelt.
10. Ingerimm 1011 BF
In der früh wache ich auf, weil ein gewisser Tumult entstanden ist; Meljow, der Jäger ist nicht vom Kundschaften zurück gekommen. Ifrunndoch nutzt die Gelegenheit und teilt mir mit, dass er vorausgehen wird und den gesamten Weg auskundschaften wird, er will ihn mit Steinpyramiden markieren, dies würde uns einiges an Zeit sparen. Er bittet mich, dem Bronnjaren dies mitzuteilen, was ich auch umgehend tue.
Während ein Teil der Leibeigenen damit anfängt, den kaputten Wagen zu entladen, damit das Rad ausgetauscht werden kann, sollen die anderen zu den beiden abgestürzten Wagen gehen um zu retten, was noch zu retten ist. Doran und Thulvje machen sich in der Zwischenzeit auf die Suche nach Meljow.
Ich bleibe mit den Alten und Kindern, den Schwangeren und Tineke im Lager zurück, beim Tragen wäre ich keine große Hilfe, vielleicht kann ich mir hier ein wenig nützlich machen. Noch während ich diesen Gedanken denke, bekommt Jucho, der beim Wagen abladen war, einen Hammer auf den Kopf, Peraine sei Dank hat er nur eine kleine Beule und es ist nichts ernsteres passiert.
Zur zweiten Nachmittagsstunde kehren Doran und Thulvje zurück, Thulvje trägt den nackten Meljow auf dem Rücken. Seine Arme hat er sich bis zu den Sehnen hinunter aufgekratzt, der ganze Körper ist voller Schnitte, sein Blick ist apathisch, es kommt keinerlei Reaktion von ihm. Seine Arme kann ich magisch heilen und die Schnitte verbinde ich profan. Vorher fällt mir jedoch auf, dass die Schnitte aussehen, als wäre es eine Art Schrift, also beschließe ich, sie abzumalen. Während ich zeichne, wird das Papier spröde und die Tinte klumpig, es wirkt beinahe so, als würden Papier und Tinte sehr schnell altern. Meljow hustet lauter Maden aus während ich schreibe, ich fürchte, es steht sehr schlecht um ihn. Ob ihm das Gleiche passiert ist wie Libussa?
Abends zur Essensausgabe entsteht ein Tumult, ich komme dazu, als Pjerow sich gerade mit Arlin prügelt. Arlin! Sein Gesicht habe ich in Tinekes Gedanken gesehen! Er wollte offenbar mehr Essen haben und hat von Banja einen großen Kochtopf auf den Kopf bekommen, sein Schädel ist wie ein Ei gebrochen, ich wende daher Magie an, jedoch nur so viel, dass er nicht sterben wird.
Als ich mich umdrehe, steht Nadira in der Menge, aber niemand scheint sich darüber zu wundern. Sie erzählt, dass sie eine Woche nach uns aufgebrochen sei und uns, da sie alleine unterwegs war, eingeholt habe. Ich schmunzle ein wenig in mich hinein, weiß ich doch sehr genau, wie sie gereist ist. Doran und ich beginnen, sie von beiden Seiten mit Informationen einzudecken, hierbei erfahre ich auch, dass er und Thulvje bei der Suche nach Meljow durch einen dichten Nebel gewandert sind, der wie eine Wand den Wind zum verstummen gebracht hat. Auch ich erzähle ihr, was sie in den zwei Wochen verpasst hat, inklusive dem Buch des Nivesen, welches ich ihr gebe, damit sie es ebenfalls lesen kann. Ich muss den Bronnjaren unbedingt noch darüber informieren.
Wir beschließen, dass auch Nadira ein Auge auf Tineke haben wird und dass sie in ihrem Zelt schlafen wird.
Arlin wird vom Bronnjaren an ein Wagenrad gebunden und mit der Peitsche ausgepeitscht. Ich habe ihn doch gerade erst wieder einigermaßen zusammenflicken können und jetzt bringt er ihn wieder an den Rand auf Borons Türschwelle. Ich verbinde die Wunde im Gesicht profan, bin jedoch aufgrund meiner Erkenntnisse nicht ganz bei der Sache und der Verband wirkt etwas zu locker.
Nachts werde ich von einer Frauenstimme geweckt. "Sie kommt, sie ist hier, sie tritt in unsere Welt ein!" Als ich hochschrecke, erkenne ich nicht nur, dass Libussa diejenige ist, die diese Worte ausspricht, ich erkenne auch, dass sich Meljow über seine Brust kratzt. Und, bei den Göttern, zwei Hände scheinen sich von innen heraus gegen seinen Bauch zu pressen. Ich öffne die Wagentür und schreie laut um Hilfe, Nadira, deren Zelt dem Wagen am nächsten steht, eilt zu mir, während ich Meljow aus dem Wagen schleife. Ich muss seinen Bauch öffnen, dafür brauche ich Platz. Noch bevor ich dazu komme, Meljow auf dem Boden abzulegen, platzt sein Bauch auf und ein kleines, etwa acht Götterläufe zählendes Mädchen klettert aus seinem Bauch hervor. Es hat schwarzes Haar, blaue, tote Augen und stinkt modrig. Noch während ich ungläubig versuche, meine Gedanken zu sammeln, springt mir dieses Wesen ins Gesicht und beißt mir ein tiefes Loch in meine rechte Wange. Nadira versucht mir zu helfen und sticht mit einem Kurzschwert auf das Ding ein, dieses dreht sich um und stößt seine beiden Hände, Klauen in ihren Bauch, ihr Kleid färbt sich sofort rot. Ich schlage mit meinem Stab auf dieses Ding ein und sofort wendet es sich wieder mir zu und verbeißt sich in meinen Stab. Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, wie Golgarah mit einer Schaufel den Schädel von Meljow spaltet und dann beginnt, die Gliedmaßen abzutrennen. Pjerow, vom Geschrei geweckt, eilt herbei und gibt dem Wesen den tödlichen Stoß, es zerfällt umgehend zu Staub und Asche.
Was bei den Göttern war das? Golgarah hebt sofort ein Grab für Meljow aus und auch die übrig gebliebene Asche von dem Ding gibt sie mit hinein. Bruder Aahren heilt unsere Wunden bzw. er versucht es, mein Loch in der Wange bleibt, ich muss gar fürchterlich aussehen, aber das ist jetzt nebensächlich.
Nachdem Golgarah sich vergewissert hat, dass kein weiteres Unheil droht, legen wir uns alle wieder hin.
11. Ingerimm 1011 BF
Der morgen ist windstill und sehr neblig, ich beschließe, während der Fahrt in der Kutsche zu schlafen, meine Kräfte zu sammeln, auch meine Wange heilt etwas zu, aber es wird sehr wahrscheinlich eine kreisrunde, etwa drei Finger im Durchmesser zählende Narbe zurückbleiben. Abends heile ich die Narbe von Nadira, sie hat so ein schönes Gesicht und sie stand mir bei, das bin ich ihr schuldig. Doran und Thulvje haben tagsüber Jadgglück gehabt und auch Nadira hat Salat und Tomaten gefunden, heute bekommen alle sehr reichlich und gut zu essen.
Rajan, der Sohn von Meljow kommt zu mir, er will wissen, wo sein Papa ist, der habe noch gelebt, als die Borongeweihte ihn vergraben hat. Ich versuche ihm zu erklären, dass das nicht mehr sein Papa war, dass ein Parasit sich seines Körpers bemächtigt hat. Er weint herzzereißend an meiner Schulter und während er schluchzt, weht ein Wind durch meine Haare, ich erkenne jedoch, dass es um mich herum vollkommen windstill ist. Auch Nadira, die neben uns sitzt, kommt dies merkwürdig vor und nachdem sie uns leicht abwesend angeblickt hat, teilt sie mir mit, dass Rajan offenbar magisch begabt sei.
Ein magisch begabtes Kind hier bei uns, ich muss sofort mit seiner Mutter, Frinja,, sprechen. Ich finde sie neben Winja sitzend, die beiden scheinen sich recht angeregt zu unterhalten. Ich bemerke erfreut, dass Winja sich zu öffnen scheint, wieder ein wenig soziale Interaktion zeigt, jedoch verstummen beide, als ich zu ihnen komme. Ich spreche Frinja darauf an, dass ihr Sohn offenbar magisch begabt ist und dass er am Besten in einer Akademie aufgehoben wäre und sie meint zu mir, wenn der Bronnjar nichts dagegen habe, würde sie ihn mit Freuden in die Halle des Lebens zu Norburg geben. Ich bitte Frinja, sich weiterhin mit Winja zu beschäftigen, damit diese nicht in eine tiefere Depression verfällt. Sie verspricht mir, dies zu tun. Aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie Nadiras Katze bei den beiden ist, sich streicheln lässt. Ich gehe zu Gerbald und bitte ihn darum, den kleinen Jungen, wenn wir angekommen sind, auf den Weg zur Akademie schicken zu dürfen um ihn zum Magier ausbilden zu lassen, er stimmt mir zu und während ich zum Wagen zurück gehe, nehme ich mir vor, den Kleinen bereits im Vorfeld etwas auf sein neues Leben vorzubereiten, ich sollte ihm lesen und schreiben beibringen.
12. Ingerimm 1011 BF
Nadira und ich versuchen herauszufinden, wer Tineke all das angetan hat, aber sie schweigt weiter, weshalb der Bronnjar mich bittet, doch nochmal einen Blick in ihre Gedanken zu werfen, während er ihr Fragen stellt. Entsetzt muss ich sehen, wie Arlin sie brutal vergewaltigt und ihr mit den Worten "Das war nur ein Vorgeschmack von dem, was auf dich zukommt, wenn du mir jetzt keinen Schnaps besorgst!" noch mehrmals ins Gesicht schlägt. Durch einen Tränenschleier erkenne ich nur verschwommen, dass noch mehr Leute um die beiden herum stehen. Weiter sehe ich Arlin, wie er Tineke ins Gesicht tritt und ihr das Essen wegnimmt, es folgt eine sehr rasche Wiederholung von Gesichtern, die ich nicht genau erkennen kann, einzig das von Arlin kehrt immer wieder. Auf die Frage, vor wem Tineke Angst hat, sehe ich das Gesicht von Arlin, aber auch den Bronnjaren, wie er eine Peitsche über seinem Kopf schwingt. Tineke zittert und weint hemmungslos, ich muss mich stark beherrschen, nicht auch zu weinen. Während Nadira und der Bronnjar den Wagen verlassen, flüstere ich Tineke zu, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen wird, dass ich ihr verspreche, dafür zu sorgen. Vor dem Wagen teile ich Nadira und Gerbald mit, was ich gesehen habe, ich wende all meine Kraft auf, damit mir meine Stimme nicht versagt dabei.
Am Rand bekomme ich mit, wie Gerbald sich mit den Geweihten bespricht und wie Bruder Aahren dann drei ganze Stunden lang mit Arlin verschwindet. Nach dieser Zeit kommt er recht zerknirscht wieder und teilt uns mit, dass Arlin keinerlei Reue zeigt. Gerbald teilt allen Anwesenden mit, dass er mich dazu angewiesen hat, in Tinekes Gedanken zu blicken um den wahren Täter dieser Straftat zu finden und dass er immer die Wahrheit erfahren wird. Davor hat er mein Einverständnis eingeholt, da die Leibeigenen jetzt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch mehr Angst vor mir haben werden und mich meiden werden. Aber das bin ich ja bereits gewöhnt, dass die Gespräche verstummen, sobald ich in der Nähe bin, deshalb stimme ich zu. Aufgrund der Taten, die Arlin verbrochen hat, wird er zum Tode verurteilt und aufgeknüpft. Ich beobachte währenddessen die Gesichter der anderen Leibeigenen, kann aber keinen Hinweis entdecken, wer noch beteiligt sein könnte. Ich hoffe nur, dass ihnen das eine Lehre sein wird.
Nach dem Strafgericht brechen wir auf, es ist schon spät, aber es war notwendig. Gegen Abend, als wir unser Lager aufschlagen, fängt es an, sehr stark zu regnen und ich schnappe auf, dass es wohl die nächsten Tage weiter regnen wird. Hoffentlcih wird wenigstens die Nacht ruhig.
13. Ingerimm 1011 BF
Es regnet den ganzen Tag, unsere Wägen müssen wir schieben, der Boden weicht mehr und mehr auf, einzig der Wagen der Akademie kommt dank seiner Kufen gut voran. Durch den steten Regen erhöht sich die Gefahr, dass das Totenmoor sich ausbreitet und uns einholt, daher sind alle mit Eifer dabei und helfen aus Leibeskräften mit.
Abends bekomme ich mit, wie Jucho Pitjow, dem Zimmermann, einen Faustschlag mitten ins Gesicht gibt. Auf Nachfrage des Bronnjaren gibt Jucho zu, dass er angefangen hat, aber nur, weil Pitjow behauptet habe, dass wir lügen würden, dass ich lügen würde und gar nicht in die Gedanken sehen könne, er wollte mich nur verteidigen. Der Bronnjar sinnt nach einer Idee, wie er den Leibeigenen klar machen kann, dass ich tatsächlich in die Gedanken blicken kann und kommt auf die Idee, dass ich morgen meine Fähigkeiten präsentieren solle und zwar sollen die Leibeigenen Larjan morgen früh mitteilen, woran er denken soll und ich sage dann, was ich in seinen Gedanken erblickt habe. Na ob das funktioniert, aber Pitjow meint, dass er es dann anerkennen würde und dass er glaubt, dass die anderen ebenso denken werden.
14. Ingerimm 1011 BF
Morgens haben sich bereits alle Leibeigenen voller Neugier versammelt, einzig Larjan sieht sehr verängstigt aus und bittet mich, ihn nicht in eine Kröte zu verwandeln. Ob ich ihm sagen sollte, dass ich zu so etwas gar nicht fähig bin? Nun gut, ich konzentriere mich und werfe einen Blick in seine Gedanken, dabei erblicke ich eine Kuh in rosa Tütü, die auf Boreas sitzt, eine Peitsche über ihrem Kopf schwingt und "muuuh, muuuh" schreit, die Leibeigenen drumherum werden als Esel dargestellt, die eine Kutsche ziehen. Während ich erzähle, was ich sehe, zittert Larjan und sagt immer wieder, dass die anderem ihm gesagt haben, dass er an diese Szene denken solle, er würde so etwas nicht machen. Aber jetzt glauben mir die Leibeigenen immerhin, dass ich durchaus dazu in der Lage bin, in die Gedanken zu blicken.
Zufrieden ob dieser Entwicklung gibt der Bronnjar den Befehl, zusammenzupacken, uns steht ein Gewaltmarsch bevor, wir müssen so viel Strecke wie nur irgendmöglich zurücklegen. Wir geben alle unsere letzten Kraftreserven, einige der Leibeigenen kollabieren dabei und ich lasse sie in unserem Wagen mitfahren, damit sie wieder einigermaßen zu Kräften kommen. Wir schaffen es dadurch aber, ein ganzes Stück zurückzulegen und das Gebirge zu erklimmen, hier sollten wir vor dem Totenmoor einigermaßen sicher sein. Alle fallen dort zu Boden, wo sie stehen und ich beginne, ein Zelt nach dem anderen aufzubauen und die Leibeigenen hinein zu schaffen, denn es regnet noch immer und ist recht kalt geworden.
Nachts werde ich geweckt, Winja steht vor mir, ihre Wehen haben einesetzt. Ich wecke Gari, damit diese mir zur Hand gehen kann, wir brauchen heißes Wasser und da wir kein Feuerholz haben, bitte ich sie, Pjerow zu fragen, ob wir in seinen Wagen dürfen. Dort gibt es ein Kohlebecken und ich stelle erleichtert fest, dass offenbar Banja sehr begeistert davon zu sein scheint, sie macht sofort ihre Pritsche leer und ich schleppe Winja hinüber.
Irgendwie will die Geburt jedoch nicht so recht voran gehen und ich fühle, dass das Baby sich gedreht hat, es sitzt quer im Bauch, so wird es nicht durch den Geburtskanal passen. Wenn ich das Leben der beiden retten will, muss ich das Baby aus dem Bauch herausschneiden. Ich wirke daher einen Ruhe Körper auf Winja, damit diese keine Schmerzen hat und ihre Wunden auch gleich wieder geheilt werden und beginne mit der Operation. Kurz bevor ich schneiden will, erinnere ich mich daran, dass ich an der Statue, die in unserer Akademie steht, erst vor kurzem gesehen habe, dass ein horizontaler Schnitt wesentlich besser ist als ein vertikaler, also setze ich das Skalpell knapp unterhalb des Bauchnabels an und beginne zu schneiden. Pjerow hat sich verzogen, ich glaube, dieser Anblick ist ihm zu viel. Mir gelingt es, das Baby, es ist ein Junge, um zwei Uhr morgens auf die Welt zu bringen und er beginnt auch gleich lauthals zu schreien, ein gutes Zeichen. Ich drücke ihn Banja in die Arme und beginne, Winja wieder zuzunähen. Alles gelingt ohne Probleme und ich erkenne, dass sich die innere Wunde durch den Ruhe Körper bereits zu verschließen beginnt.
Golgarah wirkt einen Geburtssegen auf den Kleinen, ich spüre die Anwesenheit aller Götter in dem kleinen Wagen und nachdem ich mich vergewissert habe, dass es Winja und dem Baby gut geht, lege auch ich mich wieder schlafen.
15. Ingerimm 1011 BF
Heute wird beschlossen, dass wir uns alle ausruhen werden, wir müssen unsere Kräfte wieder sammeln, ich nehme mir vor, erst noch ein wenig mehr zu schlafen und dann in meinem Buch zu lesen. Dabei bessere ich im Buch auch gleich den Teil aus, in dem beschrieben wird, dass man das Baby mit einem vertikalen Schnitt holen soll, der horizontale ist sehr viel besser. Bei Gelegenheit muss ich Mendilion davon unterrichten. Wie es ihm wohl geht? Und was Rik macht? Sicher hält er Tanile gut auf Trab.
Ich stelle fest, dass Winja seit der Geburt von ihrem Sohn, sie hat ihn Woltan genannt, in Erinnerung an seinen Vater, regelrecht aufblüht, ihre Augen strahlen und sie kümmert sich liebevoll um ihn. Auch Doran zeigt sie, wie er ein Baby wickeln muss und er wird sogleich mit eingespannt. Ich schmunzle ein wenig und freue mich, dass es ihr wieder besser zu gehen scheint. Auch mir gegenüber verhält sie sich nicht mehr so abwesend, sie bedankt sich mehrmals, dass ich ihr Leben und das ihres Sohnes gerettet habe.
Die beiden Zwillinge kommen im Laufe des Tages auf mich zu, sie wirken etwas verängstigt, da sie gehört haben, dass sich das Baby von Winja gedreht hatte und fragen mich, ob das bei ihnen auch passieren kann. Ich versuche ihnen die Angst zu nehmen und erkläre ihnen anhand meiner Bücher genau, wie so eine Schwangerschaft abläuft, wie die Geburt vonstatten geht und wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich bei den beiden die Babys auch drehen würden. Offenbar habe ich den Beiden alles gut genug erklärt, denn sichtlich erleichtert verlassen sie mich wieder.
Der restliche Tag verläuft ruhig, auch Tineke scheint nicht mehr gemieden zu werden. Sicher, voll integriert ist sie nach wie vor nicht, aber niemand nimmt ihr mehr das Essen weg und Jucho, den ich gebeten habe, sich mit seiner Familie ebenfalls ein wenig um sie zu kümmern, kommt dieser Bitte auch nach, so dass sie nicht mehr so abgesondert von den anderen ist.
Nadira teilt mir abends mit, dass ihr nachts jemand Blumen vor das Zelt gelegt hat und dass sie glaubt, dass Tsadan ihr heimlicher Verehrer ist. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt.
16. Ingerimm
Heute Nacht hat es begonnen zu stürmen und die Temperatur ist rapide abgesunken, es ist sehr kalt. Nadira und Tsadan erklären sich bereit, den Weg auszukundschaften, immerhin steht uns ein Abstieg bevor. Ich glaube, Tsadan freut sich sicherlich über die Zweisamkeit. Nach zwei Stunden kehrt Nadira alleine zurück und teilt uns mit, dass ein großer Felsbrocken den Weg blockiert und dass Tsadan unten warten würde, dass er eingeschlafen sei. Sie wolle wieder voraus gehen und Tsadan wecken, während die anderen beginnen, den Felsbrocken aus dem Weg zu räumen.
Nachdem das Hindernis beseitigt wurde, beginnen wir, je zwei Wagen auf einmal langsam den Weg herunter zu geleiten. Leider stürzen dabei ein Wasserwagen und ein Tierfutterwagen ab. Einem der Wagen, die mit Nahrung beladen sind, bricht auf halber Strecke das Hinterrad und Jucho, der Unglücksvogel, schafft es nicht, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, so dass der Wagen, welcher ins Schlingern geraten ist, ihm aufs Bein fällt und dieses komplett abquetscht. Ein amputiertes Bein wieder anwachsen zu lassen kostet mich so enorm viel Kraft, Kraft, die ich im Moment gar nicht besitze, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich dazu überhaupt in der Lage bin. Mir gelingt es jedoch, die Blutung zu stillen und die Wunden zu verschließen. Ab jetzt fährt Jucho vorerst in unserem Wagen mit, bis ich weiß, wie es mit ihm weiter geht.
Abends, als wir unser Lager aufgeschlagen haben, nimmt Thulvje Laske mit, übermorgen ist Vollmond, und er sondert sich mit ihm vom Rest der Gruppe ab. Ich bete zu den Göttern, dass alles gut gehen wird. Ich glaube, wenn die Leibeigenen mitbekommen, was Laske einmal im Monat umtreibt, dass sie aus Angst vor ihm den Kontakt meiden würden und er fühlt sich doch so wohl unter ihnen.
17. Ingerimm 1011 BF
Die Reise heute verläuft ruhig, Jucho kämpft mit Phantomschmerzen, er meint, sein Fuß täte weh, der ist jedoch gar nicht mehr da. Ich lese in meinen Büchern, dass eine Heilung von amputierten Gliedmaßen tatsächlich äußerst komplex und Kraftintensiv ist und da die Verletzung von Jucho nicht lebensgefährlich ist, beschließe ich, dass wir es mit einem Ersatz aus Holz oder dergleichen versuchen sollten.
Bei meiner täglichen Runde zu Winja und den Schwangeren bemerke ich, wie liebevoll Dulgjew den Bauch von Paisuma streichelt und ich frage ihn, ob er wissen möchte, was da genau bei seiner Mama passiert. Mit großen Augen hört er mir zu, wie ich ihm kindgerecht erkläre, was mit seiner Mutter gerade passiert und versuche, ihm das mit einem Vergleich von Fröschen und Kaulquappen begreiflich zu machen. Ich verspreche ihm, wenn wir einen Teich finden, zu zeigen, wie das genau funktioniert.
18. Ingerimm 1011 BF
Als ich heute den Wagen verlasse, steht Gari vor mir mit geröteten Wangen. Noch bevor ich sie fragen kann, was los ist, gratuliert sie mir ganz herzlich zum Tsatag und schenkt mir eine Magierrobe aus weißem Pelz, die sie noch in Norburg für mich hat anfertigen lassen. Von Laske überreicht sie mir eine Flasche mit bläulicher Flüssigkeit, sie sagt, dass er Blaubeersaft aus selbst gepflückten Blaubeeren enthält, Auch Golgarah schenkt mir eine kleine Flasche und teilt mir mit, dass es sich um Boronienwein handelt. Ich bin gerührt, ich hätte selbst gar nicht mehr daran gedacht, dass ich wieder einen Götterlauf älter geworden bin.
Die Reise selbst verläuft wieder recht ruhig, auch Jucho geht es etwas besser, so dass ich zum lesen komme. Ich weiß nicht, wie er es erfahren hat, aber abends gibt Pjerow anlässlich des heutigen Tages für jeden einen Schnaps aus und als ich zum Wagen zurückkehre, sehe ich, dass die Kinder ihn mit Blumen geschmückt haben. Von Gerbald bekomme ich ein Glas Honig geschenkt. Erfüllt von soviel Warmherzigkeit werde ich heute sicherlich gut schlafen.
18./19. Ingerimm 1011 BF
Spät in der Nacht, besser gesagt früh am morgen kommt Nadira zurück und nachdem sie gefragt hat, wo Tsadan sei und man ihr mitteilt, dass dieser nicht im Lager wäre, erklärt sie, dass dieser ihr wohl nachgegangen sei und sich offenbar verlaufen hat im Wald. Gerbald macht sich sofort mit Pjerow und Doran auf den Weg um Tsadan zu suchen und sie haben ihn scheinbar auch recht zügig gefunden. Mir wird mitgeteilt, dass Tsadan offenbar auf Laske und Thulvje getroffen ist und von ersterem gebissen worden ist. Die Verletzung selbst ist nicht weiter schlimm, aber Nadira bietet Tsadan an, dass dieser in ihrem Zelt schlafen dürfe, wenn er das wolle und selbstredend hat er nichts dagegen. Dass Tineke dabei jedoch anwesend ist, damit hat er vermutlich nicht gerechnet.
Die Reise selbst verläuft wieder recht ruhig und abends, gegen Mitternacht kehren auch Laske und Thulvje wieder ins Lager zurück. Thulvje hat wieder dieses Funkeln in den Augen und noch während ich ihn fragend ansehe, erklärt er mir, dass er Spuren von einem Werwolf entdeckt hätte, dass er ihn gar gesehen haben will. Er wird das Biest jagen, erklärt er mir, während er seine Waffen packt und noch bevor ich groß etwas erwidern kann, stapft er in Richtung Totenmoor davon. Ich hoffe nur, dass er auf sich aufpassen wird, denn ganz unbesorgt bin ich nicht.