und so begann erneut der Herr Praios sein Licht auf das Antlitz Deres zu richten. Die Nächtigung in dem Schneeloch auf dem Gipfel war unbehaglich, meine Glieder, Zehen und Finger steiff gefroren. So standen wir nun dort und suchten nach der sagenumwobenen Grotte Keranvor. Da wir ohne echten Hinweis auf dessen genauen Eingang kamen, blieb uns nichts anderes übrig, als zu suchen. Eine Suche an einem der drei Hörner erbrachte nichts, ausser, dass Herr Schahin seine Künste in der Besteigung einer Felswand zeigte und bis auf den Gipfel des Horns hochstieg. Bei Rondra, was ist der Bursche eigentlich? Krieger oder Fassadeneinsteiger? Ach was rede ich, er hat seinen Wert doch bereits bewiesen und ich bin nur neidisch, weil ich des Kletterns nicht mächtig bin.

In der Zwischenzeit suchte ich die Wand und das umliegende Schneefeld ab, jedoch ohne echte Hinweise zu entdecken. Die hochgelehrte Dame Jurga tat etwas, was man am Besten mit "mit dem Schnee reden" bezeichnet. Doch der Schnee sagte Ihr, dass in den letzten Tagen hier kein Mensch durch das Schneefeld gegangen war. Während Herr Schahin sich wieder an den Abstieg machte, befragte Jurga dann den Wind, welcher, und ich schwöre bei den Zwölfen dass ich es mit eigenen Augen sah, den Eingang zur Grotte in der Mitte des Schneefeldes wies. Während Jurga, Fringlas und Canku sich anseilten und sogleich aufmachten, beschloss ich zu warten. Der Instinkt eines echten Kriegers täuscht sich selten, so auch hier nicht. Kaum waren die Gefährten etwa vierzig Schritt über das Schneefeld gegangen, als Fringlas in eine Felsspalte fiel und Canku gleich mitzog. Jurga versuchte verzweifelt irgendwie Halt zu finden und drohte, ebenfalls vom schieren Gewicht in die Spalte gezogen zu werden. Ich hatte in weiser Voraussicht mich meiner Ausrüstung entledigt und eilte so schnell es ging mit den Schneeschuhen zum Ort des Geschehens. Es gelang mit auch rechtzeitig und mit vereinten Kräften mit Jurga zusammen die anderen Beiden wieder hochzuziehen.

Auch wenn die hochgelehrten Damen und Herren mich oft hinter dem Rücken belächeln, so gibt es Momente, in denen Kraft und Geschick das Leben retten. Peraine sei Dank war niemand verletzt, so dass wir nun den Eingang der Grotte erreichten. Dieser war jedoch verschlossen mit einer Steinplatte zwischen drei Dohlen, welche in den Stein gemeisselte löwenähnliche Figuren zeigte, die man getrost als Greifen erkennen konnte. Es war weder ein Hebel, noch ein Schlüsselloch oder irgendeine Art von Schliessmechanik zu erkennen. Es verging eine gefühlte Ewigkeit, als Jurga zum dritten Male die Hilfe der Magie bemühte und uns tatsächlich einen Durchgang durch die Steinplatte schuf.

Wir kamen in eine Art Vorkammer, von der vier mit verschiedenen Farben markierte Portale weiterführten. Kaum hatten wir die Kammer betreten, als wie von Geisteshand am Boden eine leuchtende Schrift zu lesen war: "Wähle klug den Weg, denn du hast nur einen Versuch. Nur ein Weg sagt die Wahrheit" und über den vier Portalen war jeweils zu lesen:

schwarzes Portal -> "der richtige Weg ist nicht hinter mir"
grünes Portal -> "der richtige Weg ist hinter mir"
graues Portal -> "der richtige Weg liegt hinter rot oder schwarz"
rotes Portal -> "der richtige Weg liegt hinter grau oder grün"

Bei der Herrin Hesinde, was habe ich Schwertmeister Adersin oft für seine intellektuellen Unterrichtsstunden gescholten, in denen er uns immer und immer wieder mit dieser Art von Rätselei neckte. Ich sah ihn in diesem Augenglick direkt vor mir: "Anjon Belletor von Gareth, merke Dir dies, ein wahrer Schwertmeister führt nicht nur eine scharfe Klinge aus Stahl, auch sein Verstand ist scharf wie die Klinge selbst". 

Des Rätsels Lösung liegt in dem, was auf dem Boden steht "Nur ein Weg spricht die Wahrheit". Folglich sagen die restlichen drei Wege nicht die Wahrheit und deren Aussagen sind in Ihrer Bedeutung umzukehren.

Nehmen wir an, der Grüne spricht wahr, die anderen falsch, dann ergibt sich folgendes Bild:

schwarzes Portal -> "der richtige Weg ist nicht hinter mir" -> negiert -> schwarz
grünes Portal -> "der richtige Weg ist hinter mir" -> Aussage nicht negiert, da Annahme wahr -> grün
graues Portal -> "der richtige Weg liegt hinter rot oder schwarz" -> Aussage negiert -> grün oder grau
rotes Portal -> "der richtige Weg liegt hinter grau oder grün" -> Aussage negiert -> schwarz oder rot

Dies ergibt keinen Sinn, da die resultierenden Aussagen nicht eindeutig sind, somit war die ursprüngliche Annahme "Grün spricht war" nicht richtig. Jetzt nehmen wir an, Grau spricht wahr:

schwarzes Portal -> "der richtige Weg ist nicht hinter mir" -> Aussage negiert -> schwarz 
grünes Portal -> "der richtige Weg ist hinter mir" -> Aussage negiert -> schwarz oder grün oder rot
graues Portal -> "der richtige Weg liegt hinter rot oder schwarz" -> Aussage nicht negiert -> rot oder schwarz
rotes Portal -> "der richtige Weg liegt hinter grau oder grün" -> Aussage negiert -> schwarz oder rot

Dier ergibt die richtige Lösung, da alle Aussagen nun ein gemeinsames Portal, das schwarze Portal, beinhalten. Somit ist die ursprüngliche Annahme "Grau spricht wahr" auch korrekt. Doch ist somit Grau das richtige Portal, dass betreten werden muss? Nein, es ist nicht nach dem Portal gefragt, dass die Wahrheit sagt, sondern nach dem resultierenden Weg und somit das schwarze Portal. Ich ging als erster durch und tatsächlich, ich hatte Recht. Bei der Herrin Hesinde, ich werde bei meiner Rückkehr nach Gareth als erstes Meister Adersin für sein hartes Training der Schärfe des Geistes danken. Was uns wohl in der Grotte erwarten wird?