25. Rahja 1011 BF
Ich habe mich noch gar nicht wirklich von diesen finsteren Gedanken erholt, die ich in Narenas Kopf gesehen habe, aber ich muss mit jemandem darüber sprechen. Die Stadt der Toten im Totenmoor, ich sollte mit Golgarah darüber reden, vielleicht weiß sie ja etwas. Das Gespräch gestaltet sich nicht gerade einfach, aber daran bin ich ja schon gewöhnt. Nachdem ich Golgarah alles über meine Eindrücke erzählt habe und sie frage, was mit der Stadt der Toten ist, malt sie mir eine Skizze in die Erde. Irgendetwas ist letztes Jahr mit der Stadt der Toten geschehen, was genau, kann sie mir frühestens am Tag des Schweigens erzählen, dem Tag, an dem Golgarah wie ein Wasserfall redet.
Vielleicht weiß Wulfen ja etwas, immerhin ist er Praiosakoluth und Gelehrter, mit den ganzen Büchern, die er besitzt. Ich beschließe, ihn aufzusuchen und finde ihn am Bett seiner Frau sitzend, wo auch sonst. Er kümmert sie wie immer rührend um seine Frau, die ihn weiter mit Flüchen überschüttet. Um in Ruhe mit mir reden zu können, legt er ihr den Knebel an und ich frage ihn, ob er weiß, was mit der Stadt der Toten letztes Jahr passiert ist. Er erzählt mir, dass die Stadt der Toten als Bollwerk gegen die Widersacherin des Boron gegründet wurde un dass sie 1010 BF von den Anhängern des Namenlosen geschändet wurde. Die Boronkirche hat die Stadt zwar wieder eingesegnet, es wurden jedoch Geheimgänge gefunden, von denen niemand weiß, wohin sie führen oder was sie verbergen. Die Anhänger des Namenlosen wurden allesamt vernichtet.
Ich frage Wulfen weiter, ob er sich rein zufällig mit fremden Sprachen und Schriften auskennt und er bejaht dies, also zeige ich ihm die Zeichen, die ich von Meljow und Libussa abgemalt habe und sagt mir, dass es sich um eine alte Magiergeheimsprache namens Zhayad handelt. Libussa hat, laut seiner Aussage, einen Schutzzauber gegen die Widersacherin Borons an die Wände unseres Wagens gezeichnet - er wagt es noch nicht einmal, den Namen dieser Dämonin auszusprechen - und die Zeichen auf Meljows Körper sagen einzig den Namen ebenjener.
Könnte das erklären, weshalb Narena und Libussa sich so spinnefeind sind? Offenbar hatte Narena Kontakt zu Pardona, der Anhängerin des Namenlosen und Libussa war wohl eher in den Fängen dieser Dämonin. Dass die sich nicht leiden können, ist, denke ich, nahezu jedem bekannt. Darüber sollte ich mir wohl bei Gelegenheit weitere Gedanken machen.
Mit dem Notizbuch in der Hand gehe ich auf unser Zimmer und lege mich schlafen.
26. Rahja 1011 BF
Ich habe Albträume, sehe immer wieder das Totenmoor und jene Elfe. Ich war schon lange nicht mehr so froh, aufzuwachen. Hoffentlich gehen diese Träume bald vorüber.
Nadira bittet mich, mit Thulvje zu reden, da Tsadan beschlossen hat, dass alle in der Burg ihre Waffen abgeben sollen während der Namenlosen Tage, einzig Goswyns Männer sollen bewaffnet bleiben. Das soll Blutvergießen vermeiden und da Nadira denkt, dass ich am Besten mit Thulvje auskomme, hat sie mich gebeten, mit ihm darüber zu reden. Rondrasil wird den Burgfried bewachen, in dem die Waffen weggesperrt werden sollen, die Männer Goswyns sollen im Lager die Geheimtür und das Tor bewachen.
Nachdem ich mich dazu bereit erklärt habe, mit Thulvje darüber zu reden, bietet mir Nadira an, so lange mein Haus nicht gebaut ist, ein Zimmer in der Burg für meine Patienten, die ich haben werde, zur Verfügung zu stellen und ich danke ihr dafür. So weit hatte ich noch gar nicht gedacht, aber sicher, ein Haus bauen kostet auch Zeit.
Nach diesem Gespräch mache ich mich daran, Thulvje zu suchen und ich finde ihn auf dem südlichen Burgfried, wie er mit der ungeladenen Armbrust auf die Menschen vor der Burg zielt. Auf meine Frage, was er da mache, antwortet er mir ruhig und gelassen, dass er Zielübungen mache, immerhin muss er ja in Übung bleiben. Ich habe das Gefühl, dass er sich mit Wonne in seinem Wahn suhlt. Er scheint das Gefühl der Macht zu genießen, einer der Wenigen zu sein, der den anderen gefährlich werden kann. Weiter sagt er mir, dass es viel zu ruhig wäre, er sich nach Abwechslung sehnt, es mal wieder gefährlich werden könnte. Ich greife das Gespräch auf und investiere gleich etwas mehr Zeit hinein um einen ersten Zugang zu ihm zu finden.
Im weiteren Verlauf unseres Gesprächs komme ich auf mein Anliegen zurück, weshalb ich eigentlich hergekommen bin und ich kommte mit Thulvje überein, dass er mir die Armbrust überlassen wird, seine Dolche aber behalten wird. Ich nehme ihm das Versprechen ab, dass er sich zwar verteidigen dürfe, aber niemanden aktiv angreifen darf und er stimmt nach einiger Zeit zu. Auf meine Frage, warum ich die Armbrust zu Rondrasil bringen soll, meint er nur, sollte sie beschädigt oder vernichtet werden, dann läge das somit in meiner Verantwortung und von mir könne er Schadenersatz fordern, ein Geweihter hätte ja kein Geld.
Mit der Armbrust begebe ich mich zu Rondrasil, der wieder einmal vor der offenen Geheimtür steht und ins Dunkle starrt. Er trauert sehr um Rondriane, der Verlust macht ihm ziemlich zu schaffen, aber seine Trauer ist normal. Er erzählt mir, dass er und Rondriane sich schon länger nahe standen. Schweigend höre ich ihm zu, versuche ihm so etwas Trost zu spenden, bevor ich mich dann leise entferne.
Ich beschließe, mich heute noch mit Narena zu unterhalten, dank der Halskrause sollte dies eigentlich gefahrlos möglich sein und nach ihren anfänglichen Flüchen und Drohungen schaffe ich es tatsächlich, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Dabei fällt mir auf, dass sie bei gewissen Themen ganz plötzlich die Zähne so fest zusammen beißt, dass sogar ihr Zahnfleisch anfängt zu bluten. Weder zur Stadt der Toten noch zu ihrer Schwangerschaft macht sie irgendwelche Angaben, dazu schweigt sie vehement. Ich frage sie, ob sie damit einverstanden wäre, dass ich einen Ruhe Körper auf sie wirke um das Kind noch vor den Namenlosen Tagen zu holen und mit einem Nicken gibt sie mir zu verstehen, dass sie es zulassen wird. Jedoch nur ein Nicken, über ihre Lippen kommt wieder kein Wort. Als ich mich daran mache, alles vorzubereiten, ruft sie mir noch hinterher, dass er es nicht zulassen wird. Aber auf meine Frage, wen sie meint, schweigt sie wieder.
Grübelnd wende ich mich wieder meinen Notizen zu und überlege, wie ich ihre Sprachblockade überwinden kann oder was sie verursacht hat.
27. Rahja 1011 BF
Ich habe die gleichen Albträume wie letzte Nacht. Ich befürchte, dass mich diese Bilder noch eine ganze Weile verfolgen werden.
Als ich Wulfen heute aufsuche um ihm mitzuteilen, dass ich das Kind heute holen will, sehe ich, wie Narena ihn wieder mit Drohungen und Flüchen überschüttet. Auf meine Frage, wie er das Ganze so gelassen hinnehmen kann, hebt er sein Hemd und ein schwarz-rotes Mal wird sichtbar, von dem sich ein Streifen in Richtung seines Herzens zieht. Er sagt, dass Narena ihm dies angetan hat, dass sie ihn getötet hat und dass er sich bereits damit abgefunden hat. Narena speit derweil die Worte "er hat die Saat gepflanzt" in seine Richtung aus.
Auf meinen Plan, das Kind heute zu holen, reagiert Wulfen geradezu ängstlich, er sorgt sich so rührend um seine Frau, ich bewundere, dass er trotz der widrigen Umstände immer noch mit ihr zusammen ist. Er bittet mich, das Kind nicht zu holen, der Ilmenblatttee hätte doch bis jetzt so gut seine Dienste getan, er wird es sicher noch eine weitere Woche tun. Ich zögere anfangs, gebe dann aber seinem Flehen nach, nicht ohne ihn nochmal auf die Risiken hinzuweisen. Er sagt mir, dass er die volle Verantwortung übernehmen wird, sollte der Plan doch nicht funktionieren.
Wenn ich schon hier bin, nutze ich die Gelegenheit, mich gleich nochmal mit Narena zu unterhalten, als ich den Zauber schwarz-rot erwähne, beißt sie wieder sehr fest die Zähne zusammen und ich bekomme kein Wort aus ihr heraus. Einzig den Hass auf Wulfen lässt sie mich sehr deutlich spüren.
Auch mit Laske habe ich ein sehr erhellendes Gespräch, wenngleich er weiterhin davon überzeugt ist, ein Werwolf zu sein.
28. Rahja 1011 BF
Dass ich wieder die gleichen Albträume hatte, wie die letzten beiden Nächte, brauche ich wahrscheinlich gar nicht mehr erwähnen.
Heute abend soll das Tor der Burg fertig repariert sein, ich bekomme erzählt, dass Ifrundoch sehr fleißig beim Holz fällen und vor allem beim Transport des selbigen geholfen hat.
Heute spreche ich mit Gari und Thulvje, ich darf meine Arbeit trotz der turbulenten Zeiten, die wir hinter uns haben und die vor allem noch vor uns stehen, nicht vernachlässigen.
Desweiteren fällt mir auf, dass Libussa immer aktiver wird, sie geht ein paar Schritte vollkommen aus eigenem Antrieb. dabei fällt mir auf, dass sie, bevor sie aktiv wird, eine Geste mit ihren Händen macht, als würde sie einen Fensterladen öffnen und wenn sie diesen imaginären Fensterladen wieder schließt, wird sie wieder genauso inaktiv wie davor. Dies passiert immer häufiger zu bestimmten Zeiten, einmal am vormittag, ungefähr zur zehnten Morgenstunde bis mittags und dann noch einmal abends um die siebte Abendstunde. Ich sollte das unbedingt weiter beobachten. Warum tut sie das? Wegen der Nähe des Totenmoores, in dem sie gefunden wurde? Aber warum hat sie das dann nicht bereits auf der Reise gemacht, als wir viel näher am Moor waren?
29. Rahja 1011 BF
Albträume. Schon wieder. Die Bilder wiederholen sich immer wieder, ich kann nichts neues in ihnen entdecken.
Als ich aus dem Zimmer von Narena komme, ich habe beschlossen, vorerst jeden Tag mit ihr zu sprechen, damit ich einschätzen kann, womit ich es zu tun habe, sehe ich, wie Pjerow vor der Tür unseres Zimmers steht, in dem Gari sich beinahe schon drohend in den Türrahmen gestellt hat. Auf meinen fragenden Blick erklärt er mir, dass er mich fragen wollte, ob ich ihm etwas von dem Ilmenblattsud geben könnte, den ich habe, weil er einen Beruhigungsschnaps brauen möchte. Er erklärt mir ausschweifend, dass es doch sicherlich in meinem Sinne wäre, die Menschen zu beruhigen, bevor eine Situation eskalieren und in Gewalt ausarten kann. Ein wenig skeptisch bin ich zwar noch, aber nun gut, ich denke von zehn Einheiten kann ich mich sicherlich trennen. Ich habe noch genug Absud da für Narena, selbst wenn ich feststellen muss, dass sowohl Wulfen als auch die anderen, die sich ab und an um Narena kümmern, ihr immer etwas mehr einflößen als mir lieb ist. Aber um ihre Ilmenblattsucht, die sie vielleicht entwickelt hat, werde ich mich später kümmern. Jetzt ist erstmal wichtig, dass das Kind sich noch eine Woche Zeit lässt.
Thulvje langweilt sich direkt, weil es hier so ruhig ist, wie er sagt.
30. Rahja 1011 BF
Heute werde ich aus meinen Albträumen geweckt, weil Pjerow und Vito beide schlimmen Durchfall haben. Ulmjescha, der ich direkt dankbar bin, dass sie mich geweckt hat, führt mich zu den beiden und als ich sie frage, was sie gestern gemacht haben, erzählen sie mir, dass Onkel Doram sie mit in den Wald genommen hat und dass sie dort so schöne bunte Beeren gegessen haben. Eine ernste Vergiftung besteht bei den Beiden Peraine sei Dank nicht, sie sollen lediglich viel trinken und ich erzähle ihnen, dass sie Zauberzwieback essen sollen, der sorgt dafür, dass das Bauchweh weggehen wird. Dass es sich um ganz normalen Zwieback handelt, erkläre ich vor dem Zimmer nur Ulmjescha, die mich schalkhaft anzwinkert ob meiner kleinen Flunkerei.
Gähnend gehe ich zurück auf unser Zimmer, mittlerweile ist der morgen angebrochen und dort angekommen stelle ich fest, dass Gari und Laske noch schlafen, aber Libussa fehlt. Während ich die beiden wecke, um sie zu fragen, wo Libussa sein könnte, höre ich, wie Ifrundoch nach mir ruft und auf dem Flur sehe ich, wie er Libussa über seinen Schultern trägt, ähnlich einem erlegten Wild. Er bringt sie ins Zimmer und legt sie dort aufs Bett, doch Libussa steht wieder auf und geht raus. Ich beschließe, ihr zu folgen, um herauszufinden, was sie antreibt, was sie macht. In der Küche angekommen treffe ich auf einen schimpfenden Pjerow, der mir mitteilt, dass Libussa ganz automatisch mit einem Fleischerbeil Fleisch zerhackt hat, aus dem Fleischsaft hat sie Runen in Zhayad auf die Teller gemalt. Noch während Pjerow darüber flucht, dass er das Fleisch vernichten müsse, weil es sicherlich dämonisch sei, führe ich Libussa zurück in unser Zimmer und bevor sie wieder aufsteht, mache ich mit ihren Händen die Geste, um Fensterläden zu schließen und sie bleibt ruhig auf dem Bett sitzen.
Mit einem der Teller gehe ich zu Wulfen, der mir die Zeichen übersetzt. Er sagt mir, dass es sich wieder um Zhayad handelt und dass die Buchstaben RHS auf den Teller gemalt worden sind. Auf meinen fragenden Blick erklärt er mir, dass man im Zhayad nur Konsonanten schreibt, die Vokale werden weggelassen und üblicherweise kürzt man die Worte auf drei Buchstaben ab. Das kann so gut wie alles bedeuten, aber vielleicht bekomme ich ja noch eine zündende Idee im Laufe des Tages.
Nachmittags, den Vormittag hab ich mit Gari und Laske zugebracht, versuche ich bei Libussa nochmal herauszufinden, was sie bewegt. Nach ihrer typischen Fensterladen öffnen Geste, die ich mit ihr ausführe, steht sie wieder auf und geht in die Küche. Pjerow hat mittlerweile das ganze Fleisch entsorgt und, zum ersten Mal überhaupt, sehe ich, wie sich Libussa suchend umblickt. Als ich sie anspreche, kommt jedoch keine Reaktion, weshalb ich sie aufs Zimmer zurückbringe und die Läden wieder schließe.
Ich unterhalte mich mit Nadira, die den Trubel am morgen mitbekommen hat und frage sie, ob sie eine Idee hat, was RHS bedeuten könnte und nach einigem überlegen meint sie zu mir, dass es einen Dämon gibt, dem der 3. Namenlose Tag gewidmet ist, der Rahastes heißt, der krabbelnde Schrecken. Stimmt, während der Magierkriege wurde Rahastes beschworen um die Ernte der Gegenseite zu vernichten, jedoch wurde er mit jedem Saatkorn, das er verschlungen hat, stärker, so dass er am Ende nicht mehr gebannt werden konnte. Es heißt auch, dass Rahastes dem Fleisch mehr zugetan sein soll. Bleibt die Frage, ob die Runen von Libussa eine Anrufung von Rahastes oder ein Schutz vor ihm sein sollen.
Um dies herauszufinden, wollen Nadira und ich Libussa nochmal etwas Fleisch geben, doch Pjerow sträubt sich dagegen. Er will mit diesem dämonischen Gehabe nichts zu tun haben, wie er sagt und erst, wenn ich das Einverständnis von einem Geweihten habe, will er mir etwas Fleisch geben. Ich bitte Golgarah und Wulfen um Unterstützung, die mir diese auch zusagen und bekomme schließlich doch noch Fleisch und Fleischerbeil von Pjerow.
Ich öffne die Fensterläden bei Libussa und sie schaut suchend durch das Zimmer. Als sie das Fleisch und das Fleischerbeil entdeckt, drückt sie das Fleisch, malt mit dem austretenden Saft RHS auf den Teller, zerhackt das Fleisch und legt es auf die vorher gezeichneten Runen.
Nadira bricht plötzlich zusammen, sie blutet aus Mund, Augen, Ohren und Nase und übergibt sich danach schwallartig. Ein Schwarm Fliegen strömt aus ihrem Mund, der von Golgarah mit der Schaufel zerschlagen wird. Während Wulfen sich bei diesem Anblick einnässt und Libussa zurück weicht, wirke ich einen Balsam auf Nadira. Diese erzählt mir danach, dass sie einen Blick in die Gedanken Libussas gewirkt hat und dass sie eine Gestalt im wabernden Nebel gesehen hat, die immer wieder in abertausende Käfer zerfallen ist, bevor sie aus den Gedanken herausgeschleudert wurde.
Als ich den Namen Rahastes laut ausspreche, spüre ich einen Stich in meinem Kopf und ein paar Fliegen steigen im Zimmer auf. Diesmal übergibt Libussa sich auf das Bett in einem Schwall aus Blut und Maden. Ich sollte diesen Namen besser nicht mehr laut aussprechen, aber wir scheinen auf der richtigen Spur zu sein.
Beim Abendessen wird mir erzählt, dass Doram von Pjerow gebeten wurde, die Küche zu reinigen und was auch immer Doram gemacht hat, die Suppe, die Pjerow heute gekocht hat, schmeckt besonders hervorragend. Alle wollen noch einen Nachschlag und selbst Libussa isst heute alleine, nachdem ich die Läden geöffnet habe. Allerdings isst sie selbst dann weiter, als ihre Schüssel bereits leer ist. Irgendetwas daran beunruhigt mich, ich kann es aber nicht in Worte fassen.
Nach dem Abendessen versammeln wir alle uns vor der Burg zum Reinigungsritual. Tsadan hat dafür extra einen künstlichen Teich neben dem Fluß anlegen lassen, der vom Fluß gespeist wird. Rondrasil führt mit einer Predigt durch das Ritual und alle, angefangen mit Tsadan und Nadira, danach wir Freien, meine Patienten, die Leibeigenen und zum Schluss die Geweihten, tauchen im Teich unter. Danach fühle ich mich sehr erfrischt und so richtig sauber.
Abends wird das Tor der Vorburg fest verschlossen und Goswyns Leute beziehen ihren Posten. Der Himmel hat sich verdächtig schnell zugezogen, nach Einbruch der Dämmerung bricht ein starker Regenguss über uns herein und ich bin froh, dass wir ein Dach über dem Kopf haben.
1. Tag des Namenlosen 1011 BF - Isyahadin
Nachts zur dritten Stunde werde ich von Tsadan geweckt, wieder dieser Albtraum, der nicht zu Ende geträumt werden wird und dankbar folge ich ihm ins Trophäenzimmer, in dem auch die anderen bereits auf uns warten. Tsadan teilt uns mit, dass am Tor jemand um Einlass bittet, ein norbardischer Kesselflicker soll es wohl sein, der aus Trautmans Hus gejagt worden sein soll. Alle diskutieren, ob dies eine so gute Idee wäre und wie wir uns vor Täuschungen bewahren sollen und während die Diskussion immer hitziger wird, mache ich den Vorschlag, dass wir alle zum Tor gehen sollen und hinterher gucken, ob wir alle das Gleiche gesehen haben. Denn als wir alle diese Illusionen vom Totenmoor gesehen haben, hat jeder von uns etwas anderes gesehen. Dieser Vorschlag wird einstimmig angenommen und wir begeben uns gemeinsam zum Tor.
Vor dem Tor steht ein schief gewachsener, buckliger alter Mann, über dessem linken Auge eine frische, bereits blutige Binde ist. Er stellt sich uns als Jorum vor und die Mehrheit von uns entscheidet, dass wir ihm Zuflucht gewähren werden, unter der Vorraussetzung, dass er sich nur in der Vorburg aufhalten darf. Während er dankbar in den Stall humpelt, prasseln Fragen der anderen auf ihn ein, warum er sich zu solch einer gottlosen Zeit alleine draußen rumtreibt. Er antwortet, dass er, so wie er aussieht, aus Trautmans Hus verjagt worden ist, denn niemand will einen Kesselflicker lange in seiner Nähe haben. Ich kümmere mich zwischenzeitlich um sein Auge und als wir zurück zu unseren Schlafgemächern gehen, teilt mir Nadira mit, dass Jorum uns etwas verschweigen würde, sie wisse nur noch nicht, was.
Ich habe mich zu früh gefreut, denn als ich mich wieder ins Bett lege, träume ich wieder den gleichen verdammten Albtraum, wie die Nächte zuvor. Als ich endlich wieder aufwache, herrscht draußen ein sehr dichter Nebel und mir fällt auf, dass Libussa weg ist. Im Westflügel ist sie nicht, also beschließe ich, noch immer im Nachthemd, auf den Innenhof hinaus zu gehen und während ich mich langsam vorantaste, dieser Nebel ist wirklich dicht, kracht hinter mir Doram gegen die Wand. Er rappelt sich auf und bedroht mich mit seinem Dolch. Offenbar hält er mich für eine Frau mit Schwert, denn er ruft mir zu, dass ich selbiges senken solle, sonst sähe er sich dazu gezwungen, mich anzugreifen. Ich rede auf ihn ein und weiche zurück, der erste Tag des Namenlosen fängt ja gut an. Er rennt auf mich zu und drückt mich gegen die Wand, ich bekomme kaum noch Luft. Ganz plötzlich ändert sich die Stimmung Dorams, er blickt hinter mir in den Nebel, sieht dort Feinde und wuchtet mich über seine Schultern, während er von einer Eishexe und dem mit dem Hammer stammelt. Dann ruft er etwas von "Selwina, du lebst ja noch" und geht einen Schritt vor, während er mich auf den Boden gleiten lässt. Er geht weiter vor, weicht einem Schlag aus, den nur er sehen kann und schreit "Du wirst sie nicht töten! Rimadael und Alakaia, nicht schon wieder!" während er im Nebel verschwindet. Ich kann nur noch Kampfgeräusche hören, allerdings nur von ihm.
Plötzlich bekomme ich einen heftigen Schlag ins Gesicht, kann aber nur Nebel sehen. Doram rennt auf mich zu und zieht mich mit sich in den Nebel. Er stammelt "Sie haben Selwina getötet, die Eishexe, Statuen aus Eis" und weiteres wirres Zeug, das er an den Nebel richtet. Ich spüre wie etwas, der Nebel, meinen Fuß festhält. Ab meiner Hüfte abwärts kann ich nichts mehr erkennen, nur noch dichten, wabernden Nebel. Doram, der mich nicht weiter mit sich ziehen kann, stürzt sich mit dem Dolch zu Boden, während ich von dieser Kraft ebenfalls zu Boden gerissen werde. Ich werde nach hinten gezogen, Doram hält sich an meinen Füßen fest und wird ebenfalls mitgezogen, wir werden Stufen hochgezerrt, ich höre das reißen von Stoff, werde in die Luft geschleudert und lande auf dem Boden, vor den Gemächern des Bronnjaren. Mein Nachthemd ist kurz über dem Knie zur Gänze abgerissen und wir sind beide klatschnass.
Mit einem Kampfschrei stürzt sich Doram wieder in den Nebel und als er kurz darauf zurück kommt, weint er bitterlich, jedoch nur kurz. Er schüttelt den Kopf, asl würde er seine Trauer abschütteln und lächelt wieder wie eh und je. Als er beginnt zu lächeln, lichtet sich sogar der Nebel im Hof ganz kurz. Er meint zu mir, dass er nicht weiß, was ich gehört habe, aber dass das unter uns bleiben solle. Ich erkenne, dass sein Lächeln nur eine Maske ist, die er sich scheinbar aufsetzen kann, wann immer er es will. Offenbar hat er einige Übung darin.
Um die zehnte Morgenstunde sind wir endlich wieder innerhalb der Mauern der Burg und auf unserem Zimmer sehe ich, wie Gari gerade dabei ist, Libussa loszumachen, die gefesselt auf dem Bett liegt. Als ich Gari fragend ansehe, die im Übrigen mich mit einem ähnlich fragenden Blick mustert, immerhin biete ich, durchnässt, mit zerrissenem Nachthemd, sicher einen ebenso verwirrenden Anblick, meint sie, dass Ifrundoch sie gerade hier abgeliefert hätte, zusammen mit Pjerow, der verlangt habe, dass sie gefesselt werden soll. Sie weiß nur, dass Libussa Wulfen angegriffen haben soll.
Ich gehe rüber in das Zimmer von Narena und Wulfen und sehe dort auch Nadira, die mir erzählt, was vorgefallen ist, während ich weg war. Libussa hat sich offenbar aus der Küche ein Fleischerbeil geholt und als Pjerow aufgefallen ist, dass das Beil fehlt, hat er auf der Suche danach bzw. nach dem Dieb die Schreie aus diesem Zimmer gehört. Als er zusammen mit Ifrundoch und Nadira hier eintraf, sahen sie, dass Libussa mit einem Beil Wulfen attackierte, der sich schützend über seine Frau gelegt hat, die wohl das eigentliche Ziel gewesen war. Ohne die Hilfe Nadiras wäre Wulfen sicherlich verblutet, stelle ich fest, als ich die beiden Verbände an seinen Unterarmen begutachte und ich mache mich sofort daran, einen Balsam zu wirken. Jetzt im Moment wirkt Wulfen recht ruhig auf mich, was mir Nadira damit erklärt, dass er von Pjerow einen Ilmenschnaps bekommen hat.
Ich sollte mich anziehen. Und mich erholen. Dieser Nebel, der mich schlägt, das kann nur eine Illusion gewesen sein.
Um die erste Nachmittagsstunde herum höre ich plötzlich einen Schrei aus Richtung der Vorburg. Pjerow und Ifrundoch eilen sofort dorthin. Ich gehe vor zum Speisesaal und zur Tür und höre noch, wie sie rufen, dass wohl mehrere hundert Sumpfranzen vor dem Tor seien, die Stöcke und Steine gegen das Tor werfen würden. Ich höre jedoch nichts dergleichen.
Als ich die Tür öffne, ist der Innenhof plötzlich wieder mit dichtem Nebel gefüllt, obwohl der Blick aus dem Fenster strahlenden Sonnenschein gezeigt hat. Das zeigt mir, dass dieser Nebel nur eine Illusion sein kann und mit den Worten "das ist nur eine Illusion" trete ich auf den Innenhof heraus. Allerdings werde ich sofort von einer unsichtbaren Kraft ins Gesicht geschlagen, als ich noch keine zwei Schritte weit gegangen bin.
Auf einmal steht Nadira vor mir und als ich ihr erzähle, dass ich gerade vom Nebel geschlagen worden bin, schaut sie mich ungläubig an und schüttelt den Kopf. Als wäre ich ein kleines Kind, nimmt sie mich bei der Hand und nimmt mich erst mit ins Trophäenzimmer um dort einen Bogen zu holen und dann auf die Zinnen der Vorburg, von der Doram und Pjerow in den Nebel schießen. Angeblich seien dort hunderte Sumpfranzen, wie mir Nadira mitteilt, aber ich sehe nur wabernden Nebel. Doram murmelt immer wieder etwas von Eishexe und der mit dem Hammer und schießt einen Pfeil nach dem anderen ab. Dabei hat er einen ähnlichen Blick, wie ihn Laske bei Vollmond hat.
Nachdem Nadira und ich dort oben nichts ausrichten können, bin ich heilfroh, dass sie mich zur Burg zurück begleitet und dort angekommen, auf dem Rückweg ist nichts passiert, gehe ich auf mein Zimmer, lege mich hin und die anderen lassen mich, den Göttern sei Dank, schlafen.
Als ich wieder aufgewacht bin, sagt mir Gari, dass wohl immer mal wieder kleinere Angriffe der Sumpfranzen stattfinden würden, ich erkenne weiter nur dichten Nebel draußen.
Als ich bei Libussa die Läden öffne, ich will herausfinden, was sie tut, tastet sie suchend im Zimmer umher und schiebt dann eine Kommode vor die Tür. Dann blickt sie nach Süden, bevor sie wieder im Zimmer umherwandert, auf der Suche nach etwas, mit dem sie sich wehren kann. Wehren wovor? Vor dem Totenmoor?
Ich schiebe die Kommode weg, nachdem Libussa wieder ruhig ist und suche Wulfen auf, aber ihm scheint es gut zu gehen. Als ich wieder auf den Flur trete und die Tür hinter mir schließe, stehe ich plötzlich im Totenmoor. Aber ich bin nicht ich, ich bin viel größer und ich höre Sumpfranzen, die immer näher kommen. Ich laufe weg und stehe plötzlich in der Stadt der Toten vor einer Gruft. Die Tür ist mit einem Schloss gesichert, dahinter kann ich Särge erkennen. Neben der Tür liegt ein großer Stein, mit dem ich das Schloß zerstöre. In der Gruft öffne ich einen Sarg, nehme die Leiche heraus und zerstückele sie. Danach zünde ich die Leichenteile an, weil es so bitterkalt ist, ich durchnässt bin und sonst erfrieren würde. Eine Stimme flüstert "Zeit der Sünden" und ich stehe wieder in der Burg auf dem Flur.
2. Tag des Namenlosen 1011 BF - Aphestadil
Mitternacht - ich gehe, immer noch verwirrt, zurück und auf unser Zimmer, Gari und Laske schlafen tief und fest, aber Libussa ist sehr lebhaft, wuselt im Zimmer herum. Sie geht an die Truhe Garis, zieht sich ein Kleid von ihr an und geht dann zur Küche. An der Tür ist ein Vorhängeschloss, offenbar will Pjerow vermeiden, dass sie nochmal ein Beil stiehlt. Libussa rüttelt an dem Schloss und dreht sich dann zu mir um. Sie sieht mir direkt in die Augen und mit den Worten "Lager! Sofort!" lässt sich an der Tür zu Boden gleiten und setzt sich hin.
Ich renne ins Lager und sehe dort Rondrasil, der mit aller Kraft versucht aufzustehen und sich verzweifelt an seinem Rondrakamm abstützt. Die Geheimtür ist offen, ein Skellt mit einem verrosteten Rondrakamm schlurft klappernd auf Rondrasil zu und ich höre, dass noch mehr Skelette die Treppe hochschlurfen. Ich schreie laut hinter mir in den Gang um Hilfe und beschließe dann verzweifelt, dass ich versuchen sollte, die Tür zum Geheimgang zu schließen, damit nicht noch mehr Skelette ins Lager kommen können. Wenn ich schnell genug bin, erwischt mich das Skelett vielleicht nicht. Meine Hoffnung wird von einem wuchtigen Hieb zunichte gemacht, den mir das Skelett mit seinem Rondrakamm quer über meinen Bauch zukommen lässt. Ich werde förmlich nach hinten geschleudert, der Schmerz raubt mir kurzzeitig den Atem. Kaum bekomme ich wieder Luft, höre ich Pjerow, der mir zuruft, dass ich zur Seite gehen solle, was ich auch tue. Direkt danach rumpelt ein großes Fass an mir vorbei, welches das Skelett an der Wand zermalmt, zumindest die untere Hälfte. Ich nutze die Gelegenheit um die Geheimtür zu schließen, bevor ich mich danach an die Wand sinken lasse und Pjerow und Banja neben Rondrasil sehe. Hinter der Wand höre ich das Kratzen unzähliger knöcherner Finger. Banja und Pjerow lassen keine Sekunde vergehen und fangen damit an, schwere Sachen vor die Tür zu rücken.
Golgarah, die ebenfalls gekommen ist und sich um die obere Hälfte des Skeletts gekümmert hat, teilt uns mit, dass sie jetzt Wache halten wird und Pjerow bringt mich zu Nadira, die mich zu Bruder Aahren begleitet. Wenn er so versessen darauf ist, dass er besser heilen könne als ich, kann er seine Fähigkeiten jetzt unter Beweis stellen. Er bittet mich, mich auf sein Bett zu legen und mich frei zu machen, allerdings ist das auch das Einzige, das noch halbwegs professionell von ihm war, denn der Verband, den er mir anlegt, ist es keineswegs. Daher bitte ich Nadira, die mich zurück auf mein Zimmer bringt, mir zu helfen, was diese dann auch tut. Mit ihrem Speichel! Interessant. Hätte ich nicht die Wirkung sofort gesehen, ich hätte es nicht geglaubt. Just als Nadira mich wieder verbunden hat, um den Schein zu wahren, wie sie sagt, zerren Pjerow und Banja recht erbost Libussa ins Zimmer. Die hatte ich ja ganz vergessen.
Ich komme nicht zur Ruhe, denn aus dem Zimmer Narenas und Wulfens höre ich ein Wimmern und drinnen liegt Wulfen, schwerst verletzt, er hat eine große Beule am Kopf, beide Knie sind zertrümmert. Er sagt, er sei von hinten niedergeschlagen worden. Es wirkt, als wäre etwas Großes mehrmals auf ihm herum getrampelt und, was ich jetzt erst erschreckt feststelle, Narena ist weg! Es liegt noch die eiserne Halskrause im Bett, aber sie ist weg. Da Wulfen zwar schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt ist, hieven Pjerow und ich ihn nur ins Bett und ich beginne sofort, nach Narena zu suchen und dabei alle vor ihr zu warnen.
Im Lager sehe ich, wie Rondrasil keuchend am Boden liegt, aber es ist keine Verletzung, auch keine Krankheit. Ich rufe um Hilfe und lasse Bruder Aahren kommen, der schlaftrunken erklärt, er hätte die blaue Keuche. Das ist doch ein Witz. Noch während ich mich über ihn aufrege, lässt er in einem Nebensatz das Wort Gift fallen und tatsächlich, Rondrasil wurde vergiftet. Auf meine Frage, ob er irgendetwas zu sich genommen hätte, dessen Herkunft er nicht genau kennt, meint er, dass ihm gestern zum Abendessen ein Leibeigener das Essen gebracht hat. Laut seiner Beschreibung hatte er kurze dunkle Haare und viele Sommersprossen. Wir haben keinen solchen Leibeigenen! Es gelingt mir, Rondrasil zu heilen und gemeinsam beschließen wir, die Leibeigenen vor Narena zu warnen und ich bitte ihn, mir unauffällig mitzuteilen, sollte der betreffende Leibeigene, der ihm das Essen gebracht hat, darunter sein.
Wir eilen von Zimmer zu Zimmer und vor Tsadans Gemächern angekommen treffen wir auf Pjerow, der uns mitteilt, dass er einen sehr betrunkenen Thulvje getroffen hat, welcher ihm gesagt hat, dass er Narena in Tsadans Gemächer hat gehen sehen. Rondrasil tritt die Tür ein und wir sehen, wie Narena Tsadans Kopf im Bad im Badezuber unter Wasser drückt. Ich renne Narena um und versuche, ihr den Mund mit meiner Hand zuzuhalten. Sie versucht mich in die Hand zu beißen, bevor wir sie dann knebeln können. Kaum ist das geschehen, wird ihr Körper mit einem Mal ganz schlaff.
Tsadan erzählt, dass Narena ihn dazu zwingen wollte, ihr ein Schwert in den Bauch zu rammen, weil sie es nicht mehr könne. Während Tsadan dies erzählt, sehe ich, wie Narena weint, während sie auf ihr Zimmer zurück gebracht wird. Dort angekommen wird sie wieder ans Bett gefesselt und geknebelt und Gari kann gerade noch verhindern, dass Libussa mit einem Stuhl auf sie losgeht.
Narena teilt mir mit, dass sie sich selbst nicht mehr verletzen kann und nicht weiß, warum das auf einmal so ist, sie versteht es selbst nicht. Wulfen bittet mich derweil, dass ich ihm seinen Heiltrank geben soll, den er noch habe, was ich dann auch tue.
Faszinierenderweise stelle ich fest, dass die Trägheit des zweiten Tages keine Auswirkungen auf Gari, Libussa und mich zu haben scheint. Auch der Norbarde wirkt völlig unbeeindruckt, im Gegenteil, er isst und isst und isst. Ich setze mich zu ihm und unterhalte mich ein wenig mit ihm, weiß ich doch ganz gut, wie es ist, wenn man ausgestoßen und gemieden wird. Auf meine Frage, warum er keinen norbardischen Akzent habe, antwortet er mir, dass er von Händlern großgezogen worden ist, die keine Norbarden waren und dass er verstoßen wurde, als sich sein Körperwuchs bemerkbar machte. Danach sei er 5 Jahre lang umher gezogen, war im Svelttal, bis die Stadt dort an den Namenlosen gefallen ist. Mir fällt auf, dass er sehr galante Manieren hat, sowohl zu Beginn, als ich mich zu ihm setzte als auch jetzt, als ich aufstehe, rückt er mir beide Male den Stuhl zurecht. Ein sehr interessanter Zeitgenosse.
Als ich gehe, tritt Ifrundoch an mich heran und bittet mich, einen Traum von ihm, den er heute Nacht hatte, zu deuten. Er sagt, dass er einen bärtigen mann mit nur einem Auge und ohne Schatten gesehen habe, einen Kampf von Männern in goldener Rüstung vor einem großen Tor, der einzige Ausweg sei ein Loch gewesen, das zum Totenmoor geführt hat, die Goldenen kämpfen gegen Leute in zerrissener Kleidung, alles wird von purpurnen Flammen beschienen.
Ich beschließe, da er die Stadt der Toten erwähnt, Golgarah um Rat zu fragen und als ich ihr Ifrundochs und meinen Traum schildere, fängt sie auf einmal an zu reden und sagt, dass es sich in unseren Träumen um das handele, was vor einem Jahr geschehen sei. Während sie spricht, verstummt selbst das Kratzen hinter der Wand.
Der bärtige Mann, den Ifrundoch gesehen hat, gleicht jenem Mann aus dem Blick in Narenas Gedanken. Was hat das zu bedeuten?
3. Tag des Namenlosen 1011 BF - Rahastes
Um die vierte Morgenstunde werde ich von einem lauten brummen und summen wach, überall sind Fliegen, Käfer und anderes krabbelndes Getier zu sehen, die durch die Luft schwirren, aber erstaunlich viele dieser Insekten kleben an dem Stück Fleisch, welches Libussa mit RHS gekennzeichnet hatte. Es war also doch ein Schutzzauber. Ich nehme den Teller und gehe damit in den Lagerraum, in dem Golgarah versucht, mit ihrer Schaufel das Krabbelgetier zu erschlagen, doch sobald ich eintrete, fliegt alles auf meinen Teller.
Ob ich das, was Libussa getan hat, wiederholen könnte? Ich zeichne die gleichen Runen auf das Fleisch, wie Libussa es vor einigen Tagen getan hat und tatsächlich, eine Insekten lassen sich sofort darauf nieder, also fahre ich mit der Arbeit fort, während Nadira die Teller in der gesamten Burg verteilt, bis alles einigermaßen fliegenfrei ist.
Als ich aus dem Lagerraum der Küche Geschrei höre und dem nachgehe, sehe ich, wie Pjerow sich mit Doram prügelt, welcher alles erdenkliche in sich hinein stopft, auch Ifrundoch und einige der Leibeigenen fressen förmlich, bis sie kurz davor sind zu platzen und, wie mir scheint, darüber hinaus. Das wird sicherlich das Werk Rahastes sein.
Und wieder fehlt ein Fleischerbeil und auch Libussa. Sofort eile ich zu Wulfen und Narena, doch bei denen ist alles in Ordnung. Auch Gari und Tsadan essen, wenngleich ein wenig gesitteter und Thulvje liegt stockbetrunken im Salon, seine Nahrung ist wohl der Alkohol.
Ich setze meine Suche fort, was hat Libussa mit dem Beil vor? Als ich an ein weiteres Zimmer der Leibeigenen klopfe und eintrete, sehe ich auf einmal eine graue Masse, die ständig die Form wechselt und Pitjow würgt. Als mich dieses Ding erblickt - kann es denn überhaupt blicken - lässt es von Pitjow ab, der schwer atmend auf den Boden sinkt, und kommt auf mich zu. Ich stelle mich drohend in den Weg, doch diese Masse drückt mich beiseite, während ich spüre, wie ein paar Finger über mein Gesicht streifen.
Kurz darauf höre ich Geschrei aus dem Kinderzimmer und ich renne dorthin, ich sehe gerade noch, wie ich - ich?! - versuche, eine Kommode vor die Tür zu schieben, bevor ich aus dem Zimmer flüchte. Ich renne mir hinterher in den Hof und höre plötzlich ein lautes Klatschen, als Libussa das Fleischerbeil in den Kopf dieser Kreatur sausen lässt. Noch während sie zu Boden sinkt, sehe ich den Kesselflicker, den Mann mit den Sommersprossen, Rondrasil, Tsadan, Goswyn, mich, Wulfen und weitere unbekannte Gesichter. Dieses Wesen ändert seine Gestalt! Und mit seinem Tod zerfließt es in eine graue stinkende Pampe in zerschlissener Kleidung. Ich schließe bei Libussa die Fensterläden, damit sie nicht noch jemanden verletzt oder in diese Pampe steigt, die gerade den Stiel des Fleischerbeils zersetzt. Um die Kinder, die äußerst neugierig in der Tür stehen, abzulenken, trage ich ihnen auf, etwas zu malen, nur eines schicke ich Rondrasil holen.
Dieser teilt mir dann auch mit, dass die Praioskirche 15 Batzen Belohnung auf das Töten solcher Gestaltwandler ausgesetzt hat und dass er mein Zeuge wäre. Seine Aussage ist auch das Einzige, das noch übrig ist, denn die Masse wird bereits von abertausenden Insekten gefressen.
Als Rondrasil gegangen ist, öffne ich Libussas Fensterläden, ihr Blick ist so klar wie noch nie, als sie mir sagt "er ist nah, er kommt" und "er kommt um das Versprechen einzulösen", dabei deutet sie auf das Zimmer von Wulfen und Narena "heute abend ist es so weit, der Namenlose kriegt einen neuen Sohn", dann steht sie auf um in die Küche zu gehen, davon halte ich sie ab und beim Läden schließen trübt auch ihr Blick wieder ein.
Ich suche umgehen Narena und Wulfen auf, doch bei den beiden ist alles unauffällig. Noch. Am frühen Abend werde ich dann doch in das Zimmer der beiden gerufen, die Wehen bei Narena haben eingesetzt. Ich lasse auch nach Golgarah und Rondrasil rufen, die nach Möglichkeit einen Geburtssegen auf das Kind sprechen sollen, jedes bisschen göttliche Unterstützung, das wir bekommen können, ist wichtig.
Nach einer gewissen Zeit und keinem erkennbaren Voranschreiten der Geburt erkenne ich, dass das Kind zu groß ist, es wird nicht auf natürlichem Wege geboren werden können. Ich erkläre Narena, dass sie jetzt den Ruhe Körper auf sich zulassen muss, damit ich das Kind aus ihrem Bauch holen kann und bereitwillig lässt sie dies auch geschehen. Mit geübten Bewegungen schneide ich, wie damals bei Winja, horizontal, jedoch verletze ich dieses Mal eine Arterie und hellrotes Blut sprudelt mir entgegen, aber ich kann die Blutung, Peraine sei Dank, stillen. Ich arbeite konzentriert weiter und versuche das Kampfgeschrei, das ich von draußen hören kann, zu ignorieren. Die Schreie kommen aus dem Innenhof und aus nördlicher Richtung höre ich plötzlich, wie jemand "Untote!" ruft und ich merke, dass Golgarah und Rondrasil nach draußen eilen. Ich versuche dennoch, mich nicht davon beirren zu lassen und es gelingt mir, das Kind zu holen. Es ist erstaunlich groß, wirkt gar nicht wie ein Neugeborenes, viel mehr wie ein bereits drei Monde zählender Säugling, doch darüber mache ich mir später Gedanken, jetzt gilt es, das Leben der Mutter zu retten. Ich drücke das Baby Wulfen in die Hand und beginne Narena zuzunähen.
Ich spüre noch einen dumpfen Schlag auf meinen Hinterkopf, bevor ich das Bewusstsein verliere. Um mich herum ist es dunkel und bitterkalt, ich kann schreiende Sumpfranzen hören und Wulfen. Er sagt, dass wir die nasse Kleidung ausziehen sollen und ein Feuer entzünden sollen, dann würde uns schon wieder warm werden. Nachdem wir aus Leichenteilen ein Feuer entzündet und uns entkleidet haben, habe ich Sex mit ihm und in meinem Kopf höre ich eine Stimme "will im Schlafe nicht mehr leben".
Ich komme zu mir und sehe, wie Nadira über mich gebeugt ist, offenbar hat sie mich gerade geheilt. So schnell es mein schmerzender Kopf zulässt, richte ich mich auf und sehe Gari in einer Ecke liegen, auch sie ist schwer verletzt, offenbar wurde sie aufs Stärkste verprügelt, aber sie hat sich gewehrt. In ihrer Hand hält sie fest umklammert eins meiner Skalpelle und an ihm klebt Blut. Es ist nicht ihr Blut. Sie muss den Angreifer, Wulfen, verletzt haben.
Ich bin noch gar nicht wieder richtig auf den Beinen, da kommen bereits Pjerow, Ifrundoch und Doram auf mich zu, sie haben versucht, Wulfen zu verfolgen, sich dann aber nicht getraut, der Blutspur ins neblige Totenmoor zu folgen. Jedoch sagen sie, dass Jorum, der Kesselflicker, die Verfolgung aufgenommen zu haben scheint. Ich weiß nicht, ob mich das beruhigen oder beunruhigen sollte.
Ich träume. Ich stehe in einer Grabkammer, zusammen mit Wulfen. Aus der Ferne höre ich einen Gesang "Namenloses Rufen Singen". Ich will umkehren, aber Wulfen besteht darauf, dass wir weiter gehen.
4. Tag des Namenlosen 1011 BF - Madarestra
Ich wache schweißgebadet auf.
Nachdem ich mich etwas frisch gemacht habe, suche ich Narena auf. Körperlich geht es ihr ziemlich gut, aber sie beschimpft mich, warum ich das Kind des Namenlosen geholt habe. Dann hält sie überrascht inne und prüft ihre Zähne. Sie ist selbst erstaunt darüber, dass sie auf einmal darüber sprechen kann aber klärt mich dann geringschätzig darüber auf, was vorgefallen ist. Das Kind wurde an den Namenlosen Tagen gezeugt und kam jetzt, einen Götterlauf später, ebenfalls an den Namenlosen Tagen auf die Welt. Das erklärt die Größe des Säuglings. Sie sieht mich giftig an und wirft mir vor, dass ich ihre Hinweise nicht verstanden habe, die sie versucht hat, mir zu geben. Wulfen hat sie daran gehindert, offen darüber zu sprechen. Als ich ihr entgegne, dass ich kein Kind auf einen bloßen Verdacht hin töten könne, ich komme schließlich aus der Halle des Lebens zu Norburg, da lacht sie nur verächtlich und nennt mich eine verkappte Tsageweihte, die, die man belächelt.
Wenn ich nur ihre Andeutungen besser verstanden hätte.
Betrübt beschließe ich, mich erst einmal ein wenig auf andere Gedanken zu bringen, ein Gespräch mit Rondrasil wird mir vielleicht etwas Abhilfe verschaffen. Er kann mir sicher erklären, was gestern vorgefallen ist. Als ich das Lager betrete, sehe ich, dass die Geheimtür offen ist. Noch ist kein Skelett zu sehen, aber ich höre bereits das beunruhigend vertraut gewordene klappern und eile so schnell mich meine Füße tragen können zur Tür, um sie zu schließen.
Dann suche ich Golgarah und Rondrasil, die beiden wollten die Tür doch eigentlich bewachen. Auf meinem Weg zum Speisesaal, vielleicht wollten die beiden kurz eine Kleinigkeit essen, gehe ich bei Libussa vorbei und öffne ihre Fensterläden. Sie schaut immer wieder zwischen dem Lager und dem Totenmoor hin und her und wirkt mehr als unruhig. Ihre Unruhe überträgt sich auf mich, ich schließe ihre Läden wieder und rufe Rondrasil, der mir auch entgegen kommt.
Ich berichte ihm von der offenen Geheimtür und Libussas Verhalten und gemeinsam beschließen wir, der Sache auf den Grund zu gehen. Nebenbei frage ich ihn, was gestern vorgefallen sei und er erzählt mir, dass sich im Innenhof ein großes Monster aus Schmutz gebildet hat, welches in die Burg eindringen wollte, jedoch von Rondrasil, Pjerow und Doram daran gehindert werden konnte. Gleichzeitig kamen etliche Sumpfranzen durch das von dem Monster in Brand gesteckte Burgtor herein und es entbrannte ein heftiger Kampf.
Während seiner Erzählungen sind wir im Lager angekommen und öffnen die Geheimtür, Rondrasil allzeit bereit, zu töten, was ihm entgegen kommt. Vorsichtig gehen wir die Stufen herunter, umgehen die Fallen und er tötet ein Skelett, als wir im ehemaligen Altarraum ankommen. Und was wir dort zu sehen bekommen, wirkt reichlich grotesk. Auf dem Altar liegt Doram und auf ihm sietzt ein gehäuteter humanoider Kadaver, offenbar weiblich mit verunstaltem Gesicht. Ich spreche Doram an und frage ihn, was in der Götter Namen er dort tun würde und als würde er es erst jetzt erkennen, fängt er ganz plötzlich an zu schreien. Die Gestalt auf ihm zischt noch "Dann stirbst du eben unbefriedigt." bevor sie zu einem Brei zerfließt und sich mit dem Moorwasser um uns herum vermischt.
Als wäre dies ein Zeichen gewesen, vielleicht war es das ja, erheben sich um uns herum die Untoten und schlurfen auf uns zu. Wir haben es Rondrasil zu verdanken, dass wir noch leben, denn der packt uns beide beherzt und rennt mit uns unter seinen Armen die Stufen hoch. Wir lehnen uns an die Tür, damit sie auch ja sicher zu ist und Doram, der jetzt erst bemerkt, wie blutverschmiert er ist, flüchtet mit den Worten "Das ist nie passiert!" in den Baderaum um sich zu säubern. Auch Rondrasil entfernt sich, nur ich beginne, alles, was ich auch nur halbwegs bewegen kann, vor die Tür zu schieben und höre erst auf, als nichts mehr dort steht, wo es vorher stand.
Als ich in den Speisesaal komme, sehe ich, wie sich alle der Wolllust hingeben, eine regelrechte Orgie. Ich sehe, wie Golgarah wütend zwischen den vereinigten Leibern umher geht und sie auseinander reißt, Bruder Aahren steht nur stammelnd da und meint, dass dürfen sie doch nicht. Ich weiß, dass ich körperlich nicht viel ausrichten kann, aber ich kann wenigstens verhindern, dass aus diesen Vereinigungen etwas hervorgeht, also gehe ich auf mein Zimmer, raffe sämtliches Rahjalieb, welches ich mitgenommen habe zusammen und koche einen Tee. Mit einem großen Kessel und einem kleinen Becherchen in der Hand gehe ich so von Frau zu Frau, flöße ihr den Tee ein und lasse sie dann treiben, was sie tun wollen. Das schlechte Gewissen wird von alleine kommen.
Einzig Nadira öffnet mir nicht die Tür, selbst als ich Eier erwähne, in der Hoffnung, dass sie mir öffnet um mich zum schweigen zu bringen, geschieht nichts. Ich hoffe nur, dass Tsadan sie nicht schwängert. Nicht heute, ich wüsste nicht, wie ich mit diesem Kind umgehen würde.
Als ich mich umdrehe, komme ich an einer Waschschüssel vorbei und blicke hinein, doch ich sehe dort nicht mein Spiegelbild sonder das einer schwarzgesichtigen Frau mit weißen, leeren Augen, die den Mund zu einem spöttischen Grinsen verzogen hat. Ich frage Narena, ob sie weiß, wer das sein könnte und sie erklärt mir, dass ich gerade in das Angesicht der Tagesherrscherin geblickt hätte.
Mittlerweile ist es abend und auf dem Flur höre ich eine laute Diskussion. Rondrasil versucht Thulvje dazu zu bringen, ihn ins Totenmoor zu begleiten, er will, er muss Wulfen zur Strecke bringen und nur Thulvje kann seine Spur aufnehmen. Zeitgleich sehe ich ich, ich war bis jetzt bei Narena, wie Pjerow scheinbar mich sucht und in unser Zimmer gehen will. Doch er kommt nicht weit, eine aufgebrachte Gari bedroht ihn mit einem Skalpell und verkündet lautstark, dass kein Mann dieses Zimmer betreten wird, sonst wäre dies sein Todesurteil. Ich eile zu den beiden und kann Gari beruhigen. Auch sehe ich, dass Laske im Zimmer ist, aber ihm geht es gut. In den Augen Garis ist Laske entweder kein Mann oder er stellt keine Gefahr dar. Ich weiß, dass sie ihn vielmehr beschützen wird.
Nach einer gewissen Weile des diskutierens mit Thulvje und Rondrasil, auch Ifrundoch, Doram und Nadira sind neben Pjerow und mir anwesend, beschließen wir, dass es in der Tat das Beste wäre, wenn wir die Verfolgung Wulfens aufnähmen. Sicher, nachts, während der Namenlosen Tage ins Totenmoor zu gehen gleicht einem aussichtslosen Unterfangen, aber wir haben keine andere Wahl.
Wir machen uns auf den Weg und können im Moor immer wieder in einiger Entfernung wandelnde Gestalten ausmachen, aber sie bleiben auf Distanz. Im Westen geht die Sonne in einem blutroten Ball unter und um die elfte Abendstunde erreichen wir einen Steinkreis, der aus fünf unterschiedlichen Steinmonolithen besteht. Ringsherum brennen purpurne Fackeln, die die Szenerie erleuchten.
Mitten in dem Steinkreis steht Wulfen. Er hält etwas hoch, das wie organisches Gewebe aussieht, sowie einen Dolch, mit dem er erst Richtung Himmel deutet und dann Richtung Boden. Danach sticht er in dieses Gewebe und es zerfällt zu Staub. Er nimmt das Kind hoch, doch bevor er mehr tun kann, sehe ich, wie ein Pfeil, abgeschossen von Doram, das Kind durchbohrt. Wulfen lässt das Kind fallen und die anderen rennen los. Ich tue es ihnen gleich, während ich höre, wie Wulfen uns ein "Ihr!" entgegen schleudert. Aus den Augenwinkeln erkenne ich noch den Kesselflicker, der sich von hinten an Wulfen heranschleichen will, immerhin haben wir ja gerade seine volle Aufmerksamkeit. Es wird sich jetzt also zeigen, auf wessen Seite er steht. Hoffentlich auf unserer.
Wulfen brüllt gerade "Vater, vernichte sie!" und ein Loch reißt auf im Himmel und gibt den Blick auf wabernde Schwärze frei. Gleichzeitig beginnt Wulfen zu wachsen, an die drei Schritt zählt er bereits und auch seine Stärke wird wohl zugenommen haben. Ich sehe, wie Ifrundoch sich an einem der Monolithen zu schaffen macht und als ich erkenne, dass er versucht, den Stein umzuwerfen, beschließe ich, ihm dabei zu helfen. Auch Nadira wirft sich mit aller Kraft gegen den Stein, doch das Ding rührt sich nicht. Mir kommt der Gedanke, meinen Stab als Hebel einzusetzen und gemeinsam gelingt es uns endlich, den ersten Stein zu Fall zu bringen.
Unter dem Stein schwirren abertausende Insekten auf und wir hören ein Röcheln von Wulfen. Ich sehe, wie Pjerow, Rondrasil und Thulvje im Kampfgetümmel mit Wulfen sind, Doram schießt immer noch mit seinem Bogen, möge Ifirn ihm das Auge verleihen, niemanden von unseren Leuten zu treffen. Doch Rondrasil wird von Wulfen schwer getroffen, ich muss ihn da raus holen.
Ich lasse meinen Stab bei Ifrundoch und Nadira, sie brauchen ihn nötiger und mit ungeahnten Kräften ziehe ich den vollgerüsteten Rondrasil von Wulfen weg, an eine etwas ruhigere Stelle. Es gelingt mir jedoch nicht gleich, ihn zu heilen, aber ich lasse nicht zu, dass ihm das gleiche Schicksal wie Rondriane zustößt und als Ifrundoch und Nadira den zweiten Stein zu Fall bringen, schaffe ich es, Rondrasil wieder zu stärken. Wulfen ächzt wieder, scheinbar schwächt es ihn enorm, wenn die Steine umfallen und ich sehe, wie eine Schar Insekten sich auf einen der Untoten, die mittlerweile näher geokmmen sind, legt und wie dieser dann in sich zusammen fällt.
Der dritte Monolith fällt und das Loch im Himmel schließt sich augenblicklich. Als der vierte Stein gerade fällt, versetzt Pjerow Wulfen den Todesstoß und dieser schrumpft auf Normalgröße zurück. Ich höre in meinem Kopf eine Stimme, die, wie mir die anderen mitteilen, alle hören konnten, welche sagt "Das Fleisch für mich" und abertausende Käfer lassen sich auf Wulfens Leiche und der des Kindes nieder und beginnen, sie zu verzehren.
5. Tag des Namenlosen 1011 BF - Shihayazad
Erschöpft aber lebend machen wir uns auf den Heimweg. Wir erreichen die Burg am späten Nachmittag und uns wird mitgeteilt, dass während unserer Abwesenheit nichts passiert ist. Absolut gar nichts. Ich vergewissere mich mit eigenen Augen, dass alle Menschen am Leben, wohlauf und gesund sind und falle ins Bett.
Ich träume. Ich bin wieder diese Frau, ich erkenne mich mittlerweile als Narena. Ich nehme mit meinem Mann, Wulfen, am 30. Rahja 1010 BF am Reinigunsfest teil und sehe, wie sich eine junge Frau aus dem Dorf stiehlt Ich teile dies Wulfen mit und er sagt mir, dass wir ihr folgen müssen. Wir folgen ihr ins Totenmoor und verlieren dort ihre Spur, werden aber von Sumpfranzen angegriffen. Während wir vor ihnen flüchten, landen wir in der Stadt der Toten, brechen das Schloß einer Gruft auf und bringen uns dort in Sicherheit. Es ist bitterkalt, wir sind komplett durchgefroren und durchnässt bis auf die Haut, weshalb wir die Leichen zerstückeln und verbrennen. Am vierten Tag des Namenlosen werde ich von Wulfen verführt und geschwängert, als ich einen Singsang aus dem inneren der Gruft höre. Ich bin eine ausgebildete Kampfmagierin, daher ist es ein leichtes für uns, die magischen Fallen zu entschärfen oder zu umgehen. Im Inneren angekommen treffen wir auf einen Beschwörungszirkel, die ein Tor in die Domäne des Namenlosen öffnen wollen. Wulfen stimmt in den Singsang mit ein, er teilt mir jedoch vorher mit, dass auch er an den Namenlosen Tagen gezeugt und geboren worden ist. Das Tor öffnet sich, aber es kommen auch einige Bannstrahler, die diesem unheiligen Treiben ein Ende setzen wollen. Der Anführer des Zirkels springt in das Tor hinein, bevor es sich schließen kann und Wulfen springt hinterher. Ich fliehe von der ganzen Szenerie zurück ins Totenmoor und blicke dabei in Thargunitots Schlund. Ich kann die Bilder gar nicht richtig erfassen, meine Erinnerungen verwischen. Ich wache später auf, weil Wulfen mich gefunden hat. Er bringt mich in sein Haus in Bjaldorn, fesselt mich ans Bett und gibt mir Ilmenblatttee, meine Blicke trüben ein.
01. Praios 1012 BF
Ich wache auf.