01. Praios 1012 BF
Wir haben die Namenlosen Tage überlebt. Alle bis auf Wulfen und das Baby sind wohlauf, ein wenig durcheinander und verwirrt, aber wohlauf. Das waren die schlimmsten Namenlosen Tage, die ich bis jetzt in meinem Leben erlebt habe, aber das ist sicherlich nicht nur der Nähe zum Totenmoor zuzuschreiben. Wie oft wird schon versucht, einen Nachfolger des Namenlosen zu zeugen?
Tsadan hat eine Stadtratssitzung einberufen. Wir sind zwar noch nicht mal eine vollwertige Siedlung, aber ich denke, es kann nicht schaden, uns zu organisieren, wir müssen den Aufbau vorantreiben, es gibt viel zu tun.
Es wird immer deutlicher, dass Bruder Aahren mich nicht leiden kann, heute in der Sitzung hat er dies auch wieder sehr explizit zum Ausdruck gebracht. Sehr schade, ich habe ihm doch nichts getan, aber nun gut, vielleicht ist er auch nur aufgewühlt von den letzten Tagen. Er ist zumindest mehr als erbost darüber, dass so viele der Unzucht anheim gefallen sind, aber nun gut, immerhin konnten daraus keine Kinder entstehen. Pedder hat berichtet, dass die Leibeigenen gerne mein Peraines Heimstatt zuerst bauen möchten, das ist sehr lieb von ihnen, aber ich habe abgelehnt. Es gibt wichtigere Projekte und ich kann derweil in der Burg zwei, drei Zimmer belegen, das reicht mir vorerst.
Ifrundoch spricht sich dafür aus, dass wir zuerst ein Lagerhaus bauen sollten und dieser Vorschlag findet allgemeine Zustimmung. So können wir verhindern, dass die Vorräte, die wir anzusammeln gedenken, gleich wieder verderben. Bruder Aahren hätte zwar lieber einen Perainetempel, aber auch er fügt sich der Notwendigkeit eines Lagerhauses. Pedder gibt bekannt, dass Rowinja und Albin alt genug sind, um eine Ausbildung zu beginnen und fragt, welche sie bekommen sollen, so sie eine bekommen sollen. Rowinja wollte ja, wie Meljow, ihr Vater, Jäger werden, aber was Albin interessiert, weiß niemand. Ich sollte ihn nachher mal fragen.
Bruder Aahren hat sich ziemlich auf diese Idee mit dem täglichen Bußgötterdienst versteift, ihn scheint das Ganze äußerst stark mitzunehmen. Tsadan scheint auch langsam die Geduld mit ihm zu verlieren, aber letztenendes einigen sie sich darauf, dass morgen ein Götterdienst stattfinden soll, bei dem sämtliche Geweihten eine Predigt halten werden und ab übermorgen sollen alle mit der Arbeit anfangen, insbesondere jetzt mit dem bewässern der Felder, es wird von Tag zu Tag heißer.
Nadira hat uns vorgerechnet, dass, wenn wir sowieso alle außerhalb der Burg beschäftigt sein werden, eine kleine Gruppe von Menschen ausreichen sollte, um den nötigsten Betrieb in der Burg aufrecht zu erhalten. So bleiben mehr Arbeitskräfte für die restlichen Aufgaben.
Ifrundoch erklärt sich bereit, die kleine Rowinja zu einer Jägerin auszubilden, ich bin schon sehr gespannt, wie sie sich schlagen wird, ich glaube, Ifrundoch ist ein strenger Lehrmeister.
Im Anschluss an die Sitzung gehe ich zu Albin, besser gesagt Pedder bringt ihn zu mir und verpasst ihm gleich eine schallende Ohrfeige, weil er sich mir gegenüber, seiner Meinung nach, nicht angemessen genug verhalten hat. Ich schicke Pedder hinaus und gebe Albin erstmal ein kaltes Tuch, damit er seine Wange kühlen kann. Danach setzen wir uns mit etwas zu trinken an den Tisch und ich suche das Gespräch mit dem Jungen. Er wirkt mehr als ängstlich und eingeschüchtert und erzählt mir, dass er wohl früher schon viel geschlagen worden ist, dass er als Bastard des Bronnjaren - Gerbalds Vater - beschimpft wurde. Weiter sagt er mir, dass er einen Beruf erlernen möchte, in dem er nicht mehr geschlagen wird und ob er nicht Magier werden kann. Ich muss ihm diese Hoffnung leider nehmen, da er keinerlei magische Begabung besitzt, aber nach einer Weile finden wir heraus, dass Albin sich auch gerne mit Tieren beschäftigen würde. Also nehme ich ihn bei der Hand und wir suchen Fello, den Viehzüchter.
Ich bitte Fello, sich doch Albins anzunehmen und ihm die grundlegenden Dinge über Viehzucht beizubringen und dieser nimmt den Jungen gleich mit in den Stall und meint, nach fünf Namenlosen Tagen müsste hier mal wieder kräftig ausgemistet werden. Albin verzieht kurz das Gesicht, packt dann aber eifrig mit an. Später am Abend sehe ich, wie Fello ihm mit den Worten "Das hast du dir verdient" einen Humpen Bier überreicht. Ich schmunzle leicht in mich hinein. Fello kommt von außerhalb, ich glaube, er und Albin könnten sich gut verstehen.
Ich sollte noch einen Wochenplan erstellen mit festen Zeiten, zu denen ich die Leibeigenen behandeln werde und zu denen ich meine Therapiesitzungen abhalten werde, damit jeder weiß, wo er mich finden kann und wann ich gestört werden kann und wann besser nicht. Ab jetzt beginnt der Alltag.
02. Praios 1012 BF
Heute ist der große Götterdienst angedacht und alle außer Ifrundoch haben sich versammelt. Bruder Aahren hält eine flammende Rede und stellt uns seine Forderungen vor, wie diejenigen, die gesündigt haben, sich von der Sünde reinwaschen können. Sie sollen jeden Monat eine dem entsprechenden Gott gnädige Aufgabe erfüllen. Manche klingen nicht schlecht, aber bei einigen kann ich nur mit dem Kopf schütteln, ich bin gespannt, wo das noch hinführen wird.
Die Aufgaben sind folgende: Praios - jeder soll die ganze Zeit die Wahrheit sagen, jede Lüge sofort zur Anzeige bringen; Rondra - jeder Sünder soll einen Kampf mit einem anderen Sünder bis aufs erste Blut bestreiten; Efferd - im Gebirge soll ein Teich sein, in dem jeder Sünder von Sonnenauf- bis untergang bis zum Hals stehen soll; Travia - nach dem Einfahren der Ernte soll ein Festmahl zubereitet werden und es sollen viele Gäste, insbesondere andere Leibeigene eingeladen werden, die mit dem Festmahl verköstigt werden sollen; Boron - zur Erinnerung an die Verstorbenen sollen schwimmende Laternen den Fluß hinab schwimmen (ein Vorschlag von Golgarah, wie Bruder Aahren verächtlich mitteilt); Hesinde - die Holzvorräte sollen zur Hälfte zum Hesindetempel in Norburg gebracht werden, damit die dort lebenden Schlangen es schön warm haben; Firun - eine große Jagd wird veranstaltet werden, bei der jeder mitjagen soll; Tsa - im unterirdischen Tsatempel sollen sich alle an einem Mosaik beteiligen; Phex - der zwölfte Teil sämtlichen Hab und Guts soll an den Phextempel in Festum gespendet werden; Peraine - ein jeder soll beim vorbereiten der Äcker mithelfen; Ingerimm - ein jeder soll in einem Handwerk seiner Wahl ein Stück anfertigen, welches dem Ingerimmtempel in Notmark gespendet wird; Rahja - sieben Tage lang soll sämtliche Arbeit ruhen und der Göttin gehuldigt werden.
Ich bin gespannt, wie sich das alles entwickeln wird. Nach Bruder Aahren ist Doram an der Reihe und er gibt vor allen Leuten zu, dass auch er gesündigt hat und dass wir jetzt am Besten alle sofort zur Buße mit der Bewässerung der Felder anfangen sollen. Damit bringt er Rondrasil und Golgarah zwar um ihre Predigten, aber offenbar scheint ihm niemand böse zu sein, denn jeder nimmt sich einen Eimer und läuft los zu den Feldern. Ich bekomme noch mit, wie Rondrasil zu Golgarah sagt, dass es ihn sehr interessiert hätte, was sie gepredigt hätte. Die Stimmung allgemein scheint sich ein wenig aufzulockern.
Gegen Abend sind wir alle ziemlich erschöpft, aber dennoch recht zufrieden. Ich habe darum gebeten, dass wir uns alle nicht überanstrengen, immerhin beginnen ab morgen die richtig schweren Arbeiten und nachdem Tsadan dieser Bitte nachgekommen ist, bleibt sogar die Zeit für ein Abendessen, bevor wir alle in unsere Betten fallen.
03. Praios - 06. Praios 1012 BF
Der Alltag kehrt ein, Pitjow hat damit begonnen, das Lagerhaus zu bauen und ich fange mit meinem Therapieplan an. Zwischendrin schaffe ich es sogar, einmal Kräuter sammeln zu gehen. Der Wald wirkt so friedlich und ich kehre mit einigen Anwendungen der unterschiedlichsten Heilkräuter zur Burg zurück. Einzig meinen Rahjalieb-Vorrat muss ich käuflich wieder aufstocken.
07. Praios 1012 BF
Ich sitze gerade mit Thulvje zusammen, als mir einfällt, dass Tsadan für heute ja wieder eine Sitzung anberaumt hat. Mist, warum muss die ausgerechnet um zehn Uhr beginnen? Es ist halb elf und Thulvje scheint gerade beschlossen zu haben, dass er für heute fertig sei. Diesmal widerspreche ich ihm nicht und eile zur Stadtratssitzung.
Nachdem ich mich für mein zuspätkommen entschuldigt habe und darum bitte, die nächste Sitzung erst um elf beginnen zu lassen, frage ich, was ich verpasst habe.
Tsadan erbittet von uns allen einen Bericht, was wir die letzten Tage gemacht haben und fasst mir kurz zusammen, was er schon weiß. Laut Pedder ist das Lagerhaus, welches Pitjow gebaut hat, ein wenig zugig, immerhin ist der Zimmermann im Bau von Möbeln etwas erfahrener als im Bau von Häusern. Wir sollten uns für die weiteren Häuser vielleicht nach geeigneten Handwerkern umsehen. Bruder Aahren findet, dass er zu wenig Leute zum bewässern der Felder hat und die Gesandte der Goblins bietet uns an, dass wir mit ihrem Stamm Essen handeln können, wenn wir ihnen auch Holzhäuser bauen würden. Weiter äußert Tsadan seine Besorgnis darüber, ob meine Patienten gefährlich sein könnten und sofort mischt sich Bruder Aahren ein, der meint, dass Narena bei den Marbiden besser aufgehoben wäre. Dafür erntet er nicht nur von mir einen bösen Blick, auch Golgarah funkelt zu ihm hinüber.
Zwischen Rondrasil und Aahren entbrennt eine hitzige Diskussion, in der Bruder Aahren dem Rondrageweihten vorwirft, nicht objektiv genug zu sein im Bezug auf meine Patienten. Auch mir wirft er vor, dass ich nicht sehen würde, mit wem wir es zu tun haben. Noch während ich mich rechtfertige, dass ich keinen meiner Patienten freiwillig den Marbiden überlassen würde, fällt mir ein, dass ich ganz vergessen habe, mich um Rondrasils Arm zu kümmern. Ich entschuldige mich bei ihm und beginne sofort, einen Balsam zu wirken. Immerhin will er so schnell wie möglich aufbrechen nach Norburg und ich bitte ihn, für mich doch ein paar Briefe mitzunehmen, was er mir auch bereitwillig verspricht.
Noch während wir besprechen, wie wir weiter vorgehen sollen, welche Städte und Siedlungen wir zuerst aufsuchen sollen, bitte ich Bruder Aahren, sich nach der Sitzung auf ein Gespräch mit mir zu treffen. Ich möchte ihn fragen, was er gegen mich hat. Im weiteren Verlauf der Sitzung beschließen wir, dass wir morgen bereits aufbrechen wollen und dass Bruder Aahren mit fünf Leibeigenen einen Feldweg beginnen wird, damit die Leute sich zukünftig leichter und schneller nach Moorwacht finden können. Auch sind wir uns alle einig, dass die anderen vorerst mit bewässern und Holz schlagen weitermachen sollen und keine weiterne Gebäude anfangen sollen. Ein Lagerhaus darf zugig sein, eine Kate aber besser nicht. Wir sollten also noch ein paar Handwerker und vielleicht Baumeister auftreiben, die uns beim Bau helfen können.
Nach der Sitzung frage ich Bruder Aahren direkt, ob und was er gegen mich hat, warum er mir so feindselig gegenüber tritt und ob ich ihn auf irgendeine Art und Weise verletzt habe. Er verneint dies, teilt mir jedoch sehr deutlich mit, dass er etwas gegen das Gut Nuppenkehmen und die dortige Arbeit hat. Und da ich ebenfalls dort arbeite, gearbeitet habe, ja sogar einige meiner Patienten mitgebracht habe, macht sich dies bei ihm bemerkbar. Er fragt mich, ob mir Dorm, der Schlitzer bekannt sei, der ebenfalls mal im Gut Nuppenkehmen behandelt worden ist, dann aber als geheilt entlassen worden ist und wieder gemordet habe. Er wirft mir vor, dass ich für die Gefahren, die von meinen Patienten ausgehen, blind sei, dass ich nachlässig handeln würde und dass er mir daher nicht anders begegnen könne. Seine offenen Worte beeindrucken mich. Ich bedanke mich daher bei ihm dafür und weiß jetzt wenigstens, warum er mir gegenüber so ist, wie er eben ist. Dem sollte ich wohl am Besten mit Professionialität gegenüber treten. Sicher, jeder Mensch kann Fehler machen, auch ich bin davor nicht gefeit, aber ich werde mein Bestes geben, dass von meinen Patienten keine Gefahr ausgeht.