29. Efferd 1012 BF
Heute ist die Stadtratssitzung und endlich erfahren wir anderen, wie es um unsere Freunde steht. Trautmans Hus wurde überrannt, die Bjaldorner konnten den Angrief Uriels zwar zurückschlagen, sind aber nicht gänzlich unbeschadet davon gekommen. Brandthusen wird, wie Nadira es schon gesagt hat, von den Notmärkern belagert und Fedoran scheint sich ebenfall in deren Gewalt zu befinden. Die Soldaten, die uns angegriffen haben, waren nur ein kleiner Teil von Uriels Streitmacht, der einen Abstecher zu uns gemacht hat.
Wir besprechen, wie es weiter gehen soll und einigens uns darauf, dass Pjerow und Nadira nach Bjaldorn gehen werden, um dort um Hilfe zu bitten. Bei der Gelegenheit werden sie auch gleich gucken, ob sie Narenas Stab ausfindig machen können und wir anderen, etliche Leibeigene haben sich laut Goswyn freiwillig gemeldet, ziehen in den Krieg. Wir wollen Mikhail helfen, damit er Brandthusen halten kann. Die erbeuteten Waffen und Rüstungen sollen jetzt uns dienen, damit wir nicht gänzlich ohne Mittel da stehen. Einzig, wer die ganze Angelegenheit anführen soll, ist zu Beginn der Sitzung noch unklar, aber letztlich entscheidet sich die Mehrheit für Goswyn und Rondrasil, der ebenfalls zur Wahl stand, gibt bekannt, dass er sich seinen Befehlen unterordnen wird. Ein wenig tut er mir schon leid, da ich weiß, wie fähig er als Kämpfer ist. Ich weiß aber auch, und dass obwohl ich wenig Ahnung von Kriegen habe, dass ein ehrenhafter Kampf gegen Uriel wohl kaum möglich sein wird.
Meine Bedenken bezüglich der Sicherheit Moorwachts weiß Goswyn zu zerstreuen, da Shakra im Namen der Goblins angeboten hat, dass etwa 50 Goblinkrieger das Dorf beschützen werden, während wir weg sind und auch die Geweihten, die hier bleiben, werden sich an der Verteidigung beteiligen.
Nachdem dieses Thema besprochen wurde, meldet sich Jaminka, die mit Nadira zurückgekommen ist, zu Wort. Sie bietet uns an, dass sie ihre Schwesternschaft um Hilfe bitten wird, verknüpft dies jedoch mit einigen Bedingungen. Wir sollen sie morgen auf ein Fest, auf das Hexenfest begleiten und Fürsprache für sie halten, damit sie Ballkönigin werden kann. Wir, das sind Nadira, Ifrundoch, Pjerow, Doram und ich. Auf einem Hexenfest. Ich kann zwar nicht versprechen, dass ich Stimmen für sie sammeln werde, will jedoch dennoch die Gelegenheit nutzen und um Hilfe für Brandthusen bitten. Und ich gebe zu, ein klein wenig neugierig bin ich schon auch, wie es auf einem Hexenfest so zugeht.
Bevor ich mich meinen Gedanken hingeben kann, fragt Tsadan, ob es noch etwas zu besprechen gibt und nachdem die Ernte mittlerweile eingefahren worden ist, erzähle ich den Anwesenden von dem Verhalten Woltans und frage, welche Strafe er bekommen soll. Immerhin hat er den Traviabund gebrochen und Albin Gewalt angedroht. Es wird ein wenig diskutiert, da es offenbar keine festgelegte Strafe für solch ein Vergehen gibt und letztlich entscheiden sich alle, dass Woltan in Dorams Obhut übergeben werden soll. Der kennt sich, laut Aussage einiger, ja in Liebesdingen aus. Woltan bekommt alle Annehmlichkeiten aberkannt, er bleibt für mindestens ein Jahr und einen Tag ein Leibeigener und muss sich beweisen und erst, wenn er sich in Dorams Augen dafür tauglich gezeigt hat, darf er wieder in die Gemeinschaft integriert werden und sich seine neuen Rechte erarbeiten. Ich bin gespannt, ob das gut geht, aber eine bessere Lösung fällt mir im Moment auch nicht ein.
Nach Beendigung der Stadtratssitzung kehre ich ins Storchenhaus zurück und beginne mit der Therapie Laskes. Er hat weiter diese wahnsinnige Verlustangst, dass er, wenn er geheilt ist, nicht mehr bei uns bleiben darf und vorerst muss es mein Ziel sein, ihm diese Angst zu nehmen, sonst komme ich nicht an ihn heran. Während meiner Mittagspause kann ich beobachten, wie Rondrasil mit Woltan und Doram kämpft, besser gesagt müssen Doram und Woltan kräftig einstecken, während Rondrasil keinerlei Schaden zu nehmen scheint. Dieser Mann kann einfach kämpfen, das muss man ihm lassen.
Abends, ich habe gerade die Therapiesitzung mit Gari beendet, kommt Ifrundoch zu mir, im Arm trägt er Rowinja, die einen offenen Bruch in ihrem Bein hat. Auf meine Frage, was passiert sei, antwortet Ifrundoch mir, dass Rowinja unbedingt mit in den Krieg ziehen will, er es ihr aber verbieten wollte. Und da sie nicht gehört habe, hat er ihr gesagt, dass sie ihn dazu erst besiegen muss. Wer kann denn ahnen, dass Ifrundoch sich so hart zur Wehr setzt. Nun, wie dem auch sei, nachdem ich mittels Magie ihr Bein wieder gerichtet habe, fragt Rowinja mich trotzig, ob ich ihr denn nicht erlauben könne, in den Krieg zu ziehen. Ich weiß, dass auch Albin mitkommt, dass die beiden keine Kinder mehr sind. Zwar noch nicht ganz erwachsen, aber eben doch dazu in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen und so nehme ich Rowinja das Versprechen ab, dass sie ganz genau auf Ifrundoch hören soll, das tun soll, was er sagt und dass sie nicht übermütig werden darf, sich nicht unnötig in Gefahr begeben soll. Mehr kann ich bei diesem kleinen Sturkopf eh nicht ausrichten.
Heute ist der letzte Abend, bevor es morgen zum Hexenfest geht. Ich sollte noch etwas an meiner Thesis für den Tsaschnitt arbeiten. Ich frage mich nur, warum hat Jaminka nach einer Kutsche verlangt, möglichst ganz aus Holz, ohne Eisen oder Leder?
30. Efferd 1012 BF
Jaminka holt uns früh ab, sehr früh, die fünfte Morgenstunde hat gerade erst begonnen. Wie gut, dass ich meist eh recht früh auf bin. Auf dem Dorfplatz steht ein Wagen, aber es sind keine Pferde eingespannt, dennoch weist uns Jaminka an, aufzusitzen, was wir dann auch tun. Und wie auch immer sie es macht, der Wagen beginnt zu rollen, wird immer schneller und hebt ganz plötzlich vom Boden ab. Wir fliegen! Ich kann mich gar nicht satt sehen an diesem Ausblick, die anderen wirken weniger begeistert, aber das ist mir im Moment egal. Aus dieser Perspektive werde ich Dere so schnell nicht wieder sehen, vermute ich, daher versuche ich alles in mich aufzunehmen, damit ich mich möglichst lange daran erinnern werde.
Gegen die fünfte Abendstunde lässt Jaminka den Wagen landen und gibt mir ein rotes, enganliegendes und ziemlich tief ausgeschnittenes Kleid, das ich anziehen soll. Auch Nadira hat sich umgezogen und sieht umwerfend aus. Pjerow und Ifrundoch bekommen von Jaminka eine Art Pagenkleidung überreicht, edel, aber dennoch wirken beide darin ein wenig fehl am Platz, vor allem unser großer Hüne. Einzig Doram muss sich nicht umziehen, auch wenn er seit der Reise nach Bjaldorn keinen Ornat mehr trägt. Ich sollte ihn bei Gelegenheit danach fragen, was damit passiert ist. Noch während ich diesem Gedanken nachhänge, bekomme ich mit, wie Jaminka Ifrundoch rasiert. Dieser Anblick ist ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich, aber scheinbar gibt es feste Regeln auf einem Hexenfest.
Nachdem wir uns alle umgezogen und aufgehübscht haben, fliegen wir noch etwa 30 Minuten weiter, bevor wir auf einer schneefreien Lichtung landen. Es ist erstaunlich warm und hier wachsen auf Schritt und Tritt jede Menge Pflanzen und Kräuter. Nadira teilt mir mit, dass die Pflanzen, die hier wachsen, viel potenter sind in ihrer Wirkung, dass sie doppelt so gut, oder auch doppelt so schlecht wirken und ich beginne, in Anbetracht des bevorstehenden Krieges, Wirselkraut und Einbeeren zu sammeln.
Es muss ungefähr eine Stunde vergangen sein, die ich hin und her geflitzt bin, immer wieder die Arme voller Heilkräuter, als ich bemerke, dass sich nach und nach andere Frauen, andere Hexen einfinden. Sie kommen wie wir in Kutschen, auf Besen und Kampfstäben, auf so ziemlich allem, was aus Holz ist. Die Vertrautentiere fliegen entweder selbst, sitzen auf den Schultern ihrer Herrinnen oder werden in Taschen befördert, schlängeln sich um die Leibesmitte der Hexe und dergleichen mehr. Ich bin fasziniert von dem Schauspiel, eine Hexe bringt sogar ein paar Spielleute mit, ebenfalls in Pagenkleidung, die sogleich zu spielen beginnen. Die jungen, gut aussehenden Männer scheinen unter einem Einflusszauber zu stehen, denn sie spielen, ohne ihre Umgebung auch nur wahr zu nehmen. Wie gut, dass man mich nicht beeinflusst hat.
Jaminka teilt uns noch einmal mit, dass wir die anderen Hexen davon überzeugen sollen, dass sie zur Ballkönigin gewählt wird, denn dann kann sie ihrer Schwesternschaft befehlen, uns bei Brandthusen zu helfen. Weiter erzählt sie uns, dass sonst immer Glorana gewählt worden ist, dass diese jedoch auszog gegen Pardona, bei der Erwähung dieses Namens bemerke ich, wie Doram reagiert und dass sie sehr wahrscheinlich heute gar nicht auftauchen würde, sie wäre schon sehr lange überfällig. Nun, wir werden ja sehen, ich werde zwar um Hilfe bitten, aber nicht darum, dass Jaminka gewählt wird, will sie doch ihre Position danach nutzen, um einen Halbgott zu binden und das kann ich nicht gutheißen.
Wir beschließen, uns aufzuteilen, immerhin können wir so mit mehreren Hexen gleichzeitig sprechen und als ich Bisminka entdecke, gehe ich zu ihr. Ich unterhalte mich mit ihr darüber, wer denn alles zur Wahl stünde und was mir im Gedächtnis geblieben ist, ist dass die Hexen die Wahl haben zwischen kaltblütig, größenwahnsinnig, unzuverlässig, unberechenbar, aber zuverlässig und sehr alt und prestigeorientiert. Klingt für mich jetzt alles nicht wirklich prickelnd und ich muss gestehen, dass ich froh bin, nicht wählen zu müssen.
Noch während ich darüber nachdenke, entsteht ein Tumult und ich erkenne, dass Doram eine Hexe mit einem seiner Ifirngeweihten Pfeile angegriffen hat. Es dampft, die Hexe scheint mit Dämonen im Bunde zu sein, aber bevor die Situation weiter eskalieren kann, werden die beiden von anderen Hexen getrennt. Jaminka stellt sich zwischen die beiden und Bisminka erzählt mir, dass die angegriffene Hexe eine Anhängerin Gloranas ist und wie aufs Stichwort erscheint plötzlich eine wunderschöne Frau, die mir Bisminka mit "Das ist Glorana, immer für einen Auftritt gut." beschreibt.
Die Situation scheint sich etwas zu entspannen und ich schleiche neugierig um einen großen Kessel umher, in den allerlei Zutaten gegeben werden. Die Hexen, die gerade umrühren, erklären mir, dass sie hier ihre halbjährliche Flugsalbe kochen und dass ich gerne, wenn ich will, mitkochen dürfe. Ich sehe, dass viele Eulenfedern und Fledermausblut hineingegeben werde, kann aber auch erkennen, dass manche Hexen einfach nur hinein spucken oder dergleichen. Mir wird erklärt, dass nicht die Zutat selbst das magissche an der Flugsalbe sei, sondern die Kraft, die jede Schwester in sie hineinfließen lasse und so beteilige auch ich mich daran. Eine Flugsalbe, ich hauche vorsichtig meinen Atem in den Topf und lasse meine Kraft fließen. Ich gebe zu, es macht mir richtig Spaß in diesem riesigen Topf zu rühren, aber ich bin nicht des Spaßes wegen hier.
Am Rand des Fests sehe ich drei Hexen beisammen sitzen, eine jede mit einer Kröte vor sich. Neugierig nähere ich mich den dreien und stelle erstaunt fest, dass sie ihr Aussehen ändern. Immer eine von ihnen ist jung, die nächste wunderschön und eine sehr alt, aber niemals verharren sie lange mit diesem Aussehen. Sie stellen sich mir als Schwestern der Erde vor, erzählen, dass sie sich auf Heilung verstehen und ich frage sie, ob sie uns in Brandthusen helfen können, Leben zu retten. Sie teilen mir mit, dass sie zwar nicht kämpfen werden, mir jedoch etwas geben können, das mir helfen soll und mit diesen Worten drücken sie mir eine Eichel in die Hand. Ich soll sie dort, wo ich heilen muss, in die Erde graben. Dankend nehme ich dieses Geschenk an und unterhalte mich noch ein wenig mit den dreien. Ich darf sogar eine ihrer Kröten anfassen. Ich dachte immer, dass sie sich kalt und schleimig anfühlen würden, aber da habe ich mich gewaltig getäuscht, ganz warm und trocken fassen sie sich an. Sehr faszinierend.
Ich beschließe, die drei wieder in Ruhe zu lassen, ich muss noch mehr Hilfe auftreiben. Während ich mich umsehe, erkenne ich Pjerow, der mit Glorana tanzt und Ifrundoch, der sich im rahjagefälligen Liebesspiel mit einer Hexe befindet. Rahjagefällig, vielleicht eher levthangefällig, wer weiß das schon. Abseits sehe ich eine nivesische Hexe, die ganz allein und verloren da steht und beschließe, ihr etwas Gesellschaft zu leisten. Sie stellt sich mir als Savolina vor und erzählt, dass sie aus einem Dorf nördlich von Paavi kommt. Sie sei auf der Jagd gewesen und bei ihrer Rückkehr war plötzlich niemand mehr da, das ganze Dorf war wie ausgestorben. Ich erzähle ihr von dem Buch des Nivesen, das ich habe und frage sie, ob sie uns in Brandthusen helfen könne. Sie meint, vielleicht waren die Notmärker es auch, die ihr Dorf ausgelöscht haben und sie würde uns helfen unter der Bedingung, dass sie einen der Notmärker befragen dürfe. Das lässt sich sicherlich einrichten.
Während wir zu meiner Gruppe schlendern, fällt mir ihr schwarzer Gürtel auf, halt nein, das ist kein Gürtel sondern eine Schlange. Belscha heißt sie, wie mir Savolina mitteilt, eine hochgiftige schwarze Pechnatter, die aber niemanden einfach so angreift, wie sie mir versichert. Das beruhigt mich, immerhin habe ich ihr angeboten, in Peraines Heimstatt unterzukommen.
Ich sehe Doram, der unbeholfen mit einer sehr kleinen Hexe tanzt und nachdem Pjerow nicht mehr da ist, beschließe ich, Glorana um Hilfe für Brandthusen zu bitten. Diese sagt mir, dass sie helfen würde, wenn wir im Gegenzug 1000 Soldaten für sie stellen, damit sie gen Norden ziehen kann. Woher sollen wir denn so viele Soldaten herkriegen. Ich gehe zu Nadira, vielleicht weiß sie ja, wie viele Menschen wir entbehren können, doch diese teilt mir mit, dass sie Glorana umbringen wollen, weil uns dann die Eulenhexen helfen würden. Ich hoffe, dass ich mich verhört habe und sage ihr, dass ich damit nichts zu tun haben will.
Die Stunde der Wahl ist inzwischen näher gerückt und auch wenn ich nicht direkt Stimmen für Jaminka gesammelt habe, so gewinnt sie dennoch mit einem großen Vorsprung und so teilt uns Jaminka mit, dass uns neben Savolina 26 Hexen bei der Schlacht um Brandthusen helfen werden. Bei der Schlacht, ziehe ich tatsächlich in eine Schlacht?
01. Travia 1012 BF
Eine der Hexen kommt zu mir und drückt mir ein kleines Tiegelchen mit Salbe in die Hand und sagt, jede, die ihre Kraft hat fließen lassen, bekommt etwas Flugsalbe. Ich habe Flugsalbe bekommen! Noch bevor ich mir Gedanken machen kann, wie diese anzuwenden sei, teilt uns Jaminka mit, dass sie vergessen habe, für den Wagen ausreichend Salbe zu nehmen und wenn wir wieder nach Hause kommen wollten, müssten wir unsere Tiegelchen zusammentun. Bereitwillig gebe ich meinen Schatz wieder her, immerhin, ich hatte ganze fünf Minuten lang eine Flugsalbe und im Eiltempo geht es wieder zurück nach Moorwacht.
Um vier Uhr früh sind wir gestartet und um elf sind wir endlich wieder zu Hause, am Ifirnschrein. Ich ziehe mich hinter dem Wagen um und bevor wir uns von Jaminka verabschieden, bekommen Savolina und ich jeweils noch ein Brett des Wagens, immerhin muss Savolina ja in sechs Monaten wieder zum Hexenfest kommen und auch mir stünde ein Anteil zu, teilt mir Jaminka mit. Mit meinem Brett unter dem Arm gehen wir zurück nach Moorwacht, wo Goswyn bereits alle aufstellen lässt. Insgesamt haben sich 42 Menschen freiwillig gemeldet. Leibeigene, Söldner, Geweihte, Savolina und auch Narena wird uns beistehen.
Ich lasse meinen Blick noch einmal über unsere Siedlung schweifen, nachdem ich mich von allen verabschiedet habe und zur Mittagszeit ziehen wir los Richtung Trautmans Hus.
02. und 03. Travia 1012 BF
Da wir zu Fuß reisen, kommen wir nur langsam voran. Die Stimmung ist angespannt, aber nicht gänzlich hoffnungslos. Mögen die Götter unser Vorhaben gutheißen und uns helfen.
04. Travia 1012 BF
Gegen mittag erreichen wir die Überreste von Trautmans Hus, nahezu jedes Haus ist niedergebrannt, etwa sechzig Menschen, alle Bewohner dieses kleinen Ortes, sind tot. Grausam ermordet. Sie liegen bestimmt schon einen Monat hier und Golgarah, die mit einem Wagen mitgekommen ist, fängt an, die ersten Toten auf selbigen zu laden. Sie wird noch sehr viel Arbeit vor sich haben.
Hier trennen sich unsere Wege. Golgarah bleibt hier, Pjerow und Nadira reisen zusammen mit Hecker nach Bjaldorn und der Rest von uns reist weiter Richtung Brandthusen.
05. Travia 1012 BF
Unsere Reise verläuft ereignislos.
06. Travia 1012 BF
Doram, Ifrundoch, unsere beiden Jäger sowie Kantalla und Rowinja sollen den Weg vor uns ausspähen, damit wir nicht in eine Falle der Notmärker laufen. Dabei sieht Doram, wie sich eine Person mehr schlecht als recht versteckt und stellt ihn. Es ist ein junger Mann aus Fedoran, der uns, als sie zurück kommen, erzählt, dass die Notmärker ihr Dorf eingenommen haben. Die Frauen und Kinder seien in einer Scheune eingesperrt worden und den Männern droht man damit, dass sie alle getötet werden, sollten sie die Notmärker nicht bedienen oder aber ein Heer an Fedoran vorbeiziehen.
Zeitgleich finden Ifrundoch und Kantalla eine Markierung in den Bäumen, der sie folgen. Diese führt zu einem leeren Zeltlager, in welchem sie fünf Notmärker Rüstungen finden, sowie ein versiegeltes Pergament. Die vier Späher beschließen, des Nächtens noch einmal loszuziehen, da sie in dem Lager eine Spur ausmachen konnten, welche zeigt, dass fünf Menschen fluchtartig das Lager verlassen haben. An einer Stelle sieht man Kampfspuren und dann nur noch vier Menschen weitereilen. Weiter im Wald sind es dann nur noch drei, danach zwei. Als die vier zurückkehren, sind sie merklich still und auch, wenn sie mir erzählen, dass sie Leichen in den Bäumen hängend gefunden hätten, so halten sie mich dennoch davon ab, mir das Ganze näher anzusehen. Wer auch immer dies getan hat, ist womöglich noch da draußen.
In unserem Lager wird beschlossen, dass Ifrundoch, Doram, Kantalla und Narena sich die Scheune einmal näher ansehen wollen, um die Geschichte zu überprüfen. Narena soll einen Silentium wirken, damit die anderen drei die Wachen bei den Frauen und Kindern ausschalten können. Ich verstecke mich in der Nähe des Eingangs zum Dorf, um im Notfall schnell helfen zu können, bekomme aber lediglich den Tumult mit, der plötzlich entsteht. Es gelingt den anderen jedoch schnell, die verbliebenen Notmärker zu erledigen, da die Fedoraner selbst mit allem, was sie haben, angreifen, sobald sie sehen, dass ihre Frauen und Kinder nicht mehr in Gefahr sind. Einzig ein kleines Mädchen wird von einem Armbrustbolzen regelrecht an die Wand genagelt und stirbt.
Aus Dankbarkeit beschließen etwa 30 Männer und Frauen aus Fedoran, sich uns anzuschließen und Mikhail zu helfen, morgen früh brechen wir auf.
07. Travia 1012 BF
Wir brechen sehr früh auf, mittlerweile ist unsere Zahl auf 73 Menschen angewachsen und es dauert nicht lange, bis die Späher uns berichten, dass wir das Schlachtfeld erreicht haben. Die Felder um Brandthusen sind niedergebrannt und etwa 200 Notmärker samt schwerem Belagerungsgerät haben sich um das Dorf verteilt. Die großen Geräte sehen aus, wie die Armbrust von Pjerow, nur hundertmal größer.
Wir beginnen, uns aufzuteilen und gemeinsam mit Karjeschka, Verosja, Uglinde, Quindan und Zarja bilde ich das Lazarett nahe der Waldgrenze, jedoch noch im Wald, damit die Angreifer uns nicht so leicht sehen. Dort, wo wir uns niederlassen, grabe ich die Eichel ein und ich kann förmlich zusehen, wie sich ein kleiner Schößling zeigt, der stetig zu wachsen beginnt.
Zeitgleich werden Rondrasil, Doram, Woltan und die beiden Jäger auf eine Alveransmission geschickt, sie sollen auf der anderen Seite Brandthusens das Belagerungsgerät ausschalten. Ich bete zu den Göttern, dass sie es schaffen werden. Die Gruppen verteilen sich und ehe ich mich versehe, brennt irgendwo ein Zelt und die Schlacht beginnt.
Ich sehe, wie Albin, der in der Gruppe in meiner Nähe kämpft, plötzlich Angst bekommt und umkehrt, um zu fliehen. Doch Arifa, die Tochter Goswyns dreht sich nur kurz um und jagt ihm einen Bolzen in den Rücken. Ich verstehe nicht, warum sie unsere eigenen Leute angreift und eile zu Albin, um ihn von dem Schlachtfeld zu ziehen. Als ich ihn magisch heile, merke ich, dass mir das viel leichter von der Hand geht als sonst, ich sehe aber auch, wie von dem kleinen Eichenbaum, er misst bereits einen Schritt Höhe, ein paar Blätter fallen.
Ab jetzt werden mir förmlich jede Minute verletzte Moorwachter, Brandthusener oder Fedoraner gebracht, die fünf Leute, die mit mir im Lazarett arbeiten, leisten Großes, rennen immer wieder aufs Schlachtfeld und ich heile ein ums andere Mal, verbinde profan und bemühe mich, so effizient und effektiv wie möglich zu sein.
Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, wie plötzlich eine Schar laut kreischender Hexen über das Schlachtfeld fliegt. Auch wenn einige der Notmärker Angst bekommen, sind doch manche von ihnen noch geistesgegenwärtig genug, um mit ihren Armbrüsten zu schießen und es fallen auch insgesamt neun Hexen zu Boden. Aber in Brandthusen hat man unser Eingreifen bemerkt, denn eine gewaltige Explosion erschüttert plötzlich die Stadtmauer und aus dem Loch, welches entstanden ist, strömen Brandthusener und stehen uns bei.
Ich kann es selbst kaum glauben, aber unsere Verluste halten sich erstaunlich gering, wenn man die Übermacht der Notmärker bedenkt. Savolina läuft über das Schlachtfeld, um einen Notmärker zu finden, den sie befragen kann, aber leider haben die anderen ganze Arbeit geleistet, es lebt kein Einziger mehr. Entschuldigend blicke ich sie an, hatte ich ihr doch versprochen, dass sie jemanden befragen kann, aber sie gibt mir zu verstehen, dass dies nicht meine Schuld war.
08. - 10. Travia 1012 BF
Wir versuchen, die Verletzten weiterhin so gut es geht zu heilen und nachdem Späher, die nach Persanzig geschickt wurden, zurückgekommen sind und uns mitteilen, dass Persanzig selbst in Ruhe gelassen worden ist, treten wir die Heimreise an.
05. Travia 1012 BF
Pjerow, Nadira und Hecker geraten in einen Sturm, der den Wagen beinahe zum kippen bringt. Es gelingt ihnen jedoch, am frühen Abend Bjaldorn zu erreichen. Die Palisade weist große Löcher auf, die Leibeigenen sind jedoch schon wieder dabei, diese zu reparieren. Einzig der Tatsache, dass Nadira in der Burg aufgewachsen ist, verdanken die drei es, dass sie von der Stadtwache eingelassen werden. Teilweise sind Häuser abgebrannt, aber der Großteil steht noch. Vor der Palisade lagern Söldnergruppen aus Paavi, auch innerhalb Bjaldorns sind sie vermehrt auszumachen. Die drei kehren in der Taverne Nordlicht ein und erfahren dort vom Wirt, dass der Weiße wohl zwei Paktierer wider Firun gefangen hat und dass selbige in den Kerker der Burg gebracht worden sind.
06. Travia 1012 BF
Nadira und Pjerow besprechen ihr Vorgehen, bevor sie in die Burg gehen, um bei Trautmann III vorzusprechen. Die Verhandlungen gestalten sich zäh, aber letztlich handeln sie aus, dass Trautmann uns hilft, sofern Pjerow und Nadira aus einem Notmärker Informanten Informationen herausbekommen. Dieser soll seine Informationen Trautmann selbst angeboten haben, nachdem er ursprünglich in Uriels Diensten hier war. Die beiden sagen zu und werden in den Kerker geleitet, wo sie auf einen Halbelfen treffen, einen Firunakoluthen, der bereitwillig alles erzählen will, sofern er nur aus dem Kerker dürfe.
Warum auch immer sich das Ganze so kompliziert gestaltet, können die beiden nicht ergründen, sie handeln aber mit Trautmann aus, dass sie eine fingierte Entführung vortäuschen wollen, um Tradjeff in Sicherheit zu wiegen und so an die Informationen zu kommen. Auf dem Weg nach draußen können sie noch mit anhören, wie ein bunt gekleideter Mann vergeblich bei Trautmann um ein Winterlager für sich und seine Gruppe bittet. Da Moorwacht jeden Mann gebrauchen kann, bieten sie ihm an, doch dort über den Winter zu bleiben und es stellt sich heraus, dass dieser Mann Mitglied einer Schaustellertruppe ist und nur zu gerne nach Moorwacht kommen will.
Anschließend gehen sie zu Pjerows Onkel, um Informationen über das ehemalige Haus von Narena und Wulfen zu sammeln. Es wird beschlossen, dass Salima sich das Haus von innen näher ansehen soll und nachdem diese Nadira mitgeteilt hat, dass im Boden des ersten Stockes Magie spürbar ist, brechen die beiden am hellichten Tag in das Haus ein und finden tatsächlich Narenas Kampfstab.
Abends sind alle drei von den Schaustellern eingeladen worden und es wird kräftig gefeiert und getrunken in der Bärenhöhle.
07. Travia 1012 BF
Am nächsten Morgen wachen Pjerow und Nadira reichlich verkatert auf, aber gerade noch rechtzeitig, um nicht zu spät zu dem fingierten Überfall zu kommen. Die drei schauspielern sehr überzeugend und in einer Kiste bringen sie den Halbelfen zurück nach Bjaldorn, in den Laden von Pjerows Onkel. Dort angekommen erfahren sie, dass der gesamte Krieg eine Farce sei, dass die Leute aus den Dörfern einfach so verschwinden, es in den Wäldern einige Leichen gibt, aber bei weitem nicht alle, die verschwunden sind, werden wieder aufgefunden. Dies geschah laut seiner Aussage in Paavi und Umgebung.
Nachdem Uriel Tradjeff erst losgeschickt hat, wollte er dann aber auf einmal keine Informationen mehr von ihm haben, weshalb er sich dazu entschloss, das, was er weiß, Trautmann anzubieten, welcher ihn jedoch umgehend in den Kerker geworfen habe. Angeblich steckt Uriel jedoch nicht hinter den verschwundenen Leuten, sondern Elfen, Dunkelelfen sollen es sein, die die Menschen töten. Sie wären böse, sehr sehr böse. Nadira und Pjerow beschließen, den Akoluthen nach Moorwacht einzuladen, bevor sie mittags aufbrechen zu dem Holzfällerlager, welches sie Trautmann versprochen haben, zu untersuchen, da dort sowohl die Holzfäller als auch mehrere Söldner verschwunden seien, die nach ihnen gesucht hätten.
Gegen mittag brechen Pjerow, Nadira, Hecker und Tradjeff auf und kommen zur sechsten Abendstunde am Holzfällerlager an. Dort ist alles menschenleer, es gibt jedoch keinerlei Kampfspuren. Auf der Wiese finden sie ein Schwert liegen, etwas weiter eine Hellebarde. An einen Baum gelehnt sieht Pjerow eine Gestalt und trotz eines etwas mulmigen Bauchgefühls geht er auf sie zu. Plötzlich wird er von der Birke angegriffen, welche graue, tote Augen hat und einen säurehaltigen Speichel absondert. Können Waldschrate besessen sein?
Es entbrennt ein Kampf, den erst Tradjeff mit einer Öllampe und Feuer entscheiden kann. Kurz darauf hören sie zwei Elfen miteinander plaudern und als Pjerow sich umdreht, sieht er zwei schneeweiße Elfen in schwarzer Rüstung. Vom Waldrand her nehmen alle eine Bewegung wahr und sehen die Holzfäller und die Söldner. Alle tot und doch nicht tot, wie sie sich aufstellen, aber noch nicht näher kommen.
Die vier beschließen zu fliehen, aufgrund des Nebels, der sich inzwischen ausgebreitet hat, flieht Hecker jedoch in die falsche Richtung. Pjerow wird bei seiner Flucht von einem Pfeil aus Eis in den Rücken getroffen und während er tödlich verletzt niedersinkt, sieht er nur noch, wie Nadira sich auf ihren Kampfstab schwingt und davon fliegt und Tradjeff, der in einem wahnwitzigen Tempo davon sprintet. Plötzlich jedoch ist Hecker wieder an Pjerows Seite und flößt ihm einen Heiltrank ein, schultert ihn und flieht ebenfalls durch den Nebel, durch die Nacht.
08. Travia 1012 BF
Nadira, die Pjerow tot glaubt, beschließt, zu ihrem Zirkel zu fliegen, nur um dort alle drei Hexen wie in Trance vorzufinden. Auf dem Weg aus der Hütte wird sie von Debrah angegriffen, kann diese jedoch abwehren, was auch die Trance der drei anderen beendet.
Auf dem Heimweg entdeckt sie vor den Toren Bjaldorns den frierenden und erschöpften Tradjeff und geht mit ihm in den Laden von Pjerows Onkel, in dem sie erstaunt feststellt, dass Pjerow doch noch lebt, er wurde vor einer Stunde von Hecker vollkommen erschöpft hergebracht und ein billiger Heiler hat ihn stümperhaft verbunden.
Nadira beschließt, mittels Hexenspeichel zu helfen, bevor sie am nächsten Tag die Heimreise antreten wollen.
16. Travia 1012 BF
Pjerow, Nadira, Hecker und Tradjeff erreichen gemeinsam mit der Gauklertruppe Moorwacht und während Nadira Tsadan über alles in Kenntnis setzt, quartiert Pjerow die anderen in der Taverne ein.
18. Travia 1012 BF
Endlich wieder zu Hause. Wir bemerken den Tumult in der Taverne und als wir diese betreten, sehen wir, dass dort eine Bühne aufgebaut worden ist, auf der gerade ein dämonisch aussehendes Wesen mit Tentakeln zu brennen beginnt. Doram stürzt sofort hin und greift dieses Wesen an, doch das löst sich nur in Rauch auf. Er ist, wie uns mitgeteilt wird, gerade mitten in eine Vorstellung geplatzt. Um die Stimmung aufzulockern, gibt Pjerow uns allen ein Freibier aus und die Wiedersehensfreude ist groß. Jetzt erfahre ich auch, was die anderen in Bjaldorn erlebt haben, ich werde diese Notizen später noch einfügen.
Albin sitzt etwas abseits, offenbar nehmen ihm die anderen übel, dass er Angst bekommen hat. Ich will mich gerade zu ihm setzen, da erregt ein "Magister extraordinarius major" meine Aufmerksamkeit. Diesen Titel gibt es doch gar nicht und wo ist sein Magiersiegel? Ich stelle fest, dass es sich um einen Scharlatan handeln muss und beschließe, diesem Mann zwar höflich zu begegnen, ihn aber nicht weiter ernst zu nehmen. Ich lasse meinen Blick über die mir inzwischen lieb und teuer gewordenen Menschen gleiten, während ich am Tresen sitze und diese Zeilen hier schreibe.
19. Travia 1012 BF
Heute wurde die Palisade fertiggestellt und 15 der Minenarbeiter haben sich danach entschlossen, bei uns zu bleiben und die Arbeit in der Mine so schnell wie möglich wieder aufzunehmen.
Ich gehe in den Wald und stoße dort auf Ifrundoch, der mich bittet, dass ich ihn auf seiner Geistreise begleite und auch wenn ich mir darunter jetzt noch nicht wirklich viel vorstellen kann, so sage ich ihm meine Unterstützung zu. Eigentlich bin ich hierher gekommen, um fliegen zu üben. Ich habe ja schließlich ein mit Flugsalbe behandeltes Brett von der Kutsche Jaminkas. Dass im Wald zu üben keine gute Idee war, merke ich spätestens dann, als ich mit voller Wucht in etwa drei Schritt Höhe gegen eine Eiche krache und unsanft zu Boden falle. Vielleicht sollte ich ja doch auf freiem Feld üben. Die Felder kommen mir in den Sinn, die sind jetzt abgeerntet und kein Hindernis weit und breit.
So recht will das mit dem Fliegen jedoch nicht klappen, ich hebe zwar ab und komme auch etwa 20 Schritt weit, dann falle ich jedoch unsanft vom Brett. Immerhin komme ich ein wenig vorwärts, nachdem ich festgestellt habe, dass sitzen die bessere Alternative zum stehen ist. Und es ist zwar stockend und holprig, aber ich komme bis kurz vor Trautmanns Hus und dort sehe ich in das irritierte Gesicht von Golgarah, die immer noch damit beschäftigt ist, die Verstorbenen zu unserem Boronanger zu bringen. Dankbar steige ich zu ihr auf den Wagen und wir fahren zurück nach Moorwacht. Es ist mittlerweile ja doch schon recht spät geworden.
In Moorwacht angekommen, fragt mich Nadira, wo ich gewesen sein und als ich ihr von meinen Flugübungen berichte, erklärt sie sich dazu bereit, mir morgen etwas fundiertere Übungen zu zeigen. Ich bin noch gar nicht richtig in Peraines Heimstatt angekommen, da ruft mich Ifrundoch um Hilfe und vor der Tür liegt ein stark blutendes Einhorn. Ein leibhaftiges und tatsächliches Einhorn vor meiner Tür. Es hat silbernes Blut, fällt mir auf, während ich sämtliche Energie, die mir nach meinen Flugübungen noch geblieben ist, in einen Balsam stecke und gleichzeitig zu Peraine bete, dass es ausreicht. Das tut es leider nicht, aber mir fällt ein, dass mir Thezzmar nach der Schlacht einen Astraltrank geschenkt hat und genau den verwende ich jetzt, um einen weiteren Balsam zu wirken.
Um uns herum hat sich eine Traube Schaulustiger gebildet, sicher, ein Einhorn sieht man wahrlich nicht alle Tage, manche werden vielleicht nie in ihrem Leben eins zu Gesicht bekommen. Dennoch versuche ich, die Leute dazu zu bewegen, dass sie nach Hause gehen oder in die Taverne und Pjerow greift mir helfend unter die Arme indem er den Leuten Freibier und eine kostenlose Vorführung der Schausteller verspricht. Bevor alle gehen, besprechen wir uns noch, auch Doram ist mittlerweile anwesend, denn irgendjemand muss das Einhorn so schwer verletzt haben, irgendwo lauert Böses.
Nadira beschließt, dass die Kinder mit Gari heute in der Burg bleiben sollen, dort ist es am sichersten und um eine Panik zu vermeiden, will Pjerow versuchen, die anderen Leute so lang wie möglich in der Taverne zu behalten und auch Doram schickt sich an, die Umgebung zu erkunden. Zeitgleich beschließen Ifrundoch und ich, dass das Einhorn ins Haus muss, dort wäre es allemal sicherer als hier draußen und gemeinsam gelingt es uns, das Tier hineinzutragen.
Mir fällt auf, dass Libussa richtig unruhig, geradezu aktiv wird, als sie das Einhorn sieht und sie lässt sich durch nichts aus dem Raum bewegen, aber nun gut, auch ich werde die Nacht heute hier unten verbringen. Ich sollte noch sämtliche Türen und Fenster kontrollieren und als ich in den Keller gehe, sehe ich, wie die Tür nach draußen offen steht. Die war doch vorhin noch zu. Beunruhigt alarmiere ich Ifrundoch, der auch sogleich in den Keller eilt und dort von einer unsichtbaren Kraft angegriffen wird. Im Vorfeld höre ich noch einige elfische Worte. Kann es sein, dass diese beiden Elfen, die Pjerow beinahe getötet haben, ihm hierher gefolgt sind?
Keine Zeit, darüber nachzudenken, ich rufe um Hilfe und eile nach oben, an mir vorbei rennen Nadira und Narena hinunter in den Keller. Ich will Mehl holen, irgendwie muss das unsichtbare Wesen sichtbar gemacht werden. Als ich wieder unten bin, sehe ich, dass die Kellertür zu ist, ich schleudere das Mehl in den Raum und bemerke ein Flammenschwert, welches Narena herbeigezaubert hat. Direkt danach sehe ich, wie der Brustkorb Narenas aufgerissen wird und sie etwas festzuhalten scheint, sie greift vor ihre Brust ins Leere und wirkt äußerst konzentriert. Ifrundoch nutzt diese Gelegenheit und greift an und Nadira spuckt. Sie spuckt tatsächlich giftgrüne Galle, jedoch bekommt auch Narena einiges ab, bevor der Angreifer von Ifrundoch festgehalten wird.
Ich ziehe Narena mit einer mir bis dahin unbekannten Stärke nach oben und versuche, die Galle von ihr abzuwaschen, ich bin so erschöpft und dennoch verbinde ich sie profan, versuche so gut ich kann zu helfen, aber es reicht nicht. Narena stirbt, wenn ich nicht gleich etwas unternehme. Mit einem inneren Aufschrei biete ich sämtliche Kräfte auf, die ich sammeln kann und es gelingt mir, Narena von Borons Schwelle zu reißen, doch zu welchem Preis? Erschöpft sinke ich neben ihr und dem Einhorn auf den Boden, aber mir bleibt keine Zeit auszuruhen.
Nadira ruft nach mir, Ifrundoch sei gestorben und wanke langsam nach unten. Er ist nicht tot, auch wenn er kaum atmet, kein Herzschlag zu spüren ist, aber er lebt. Ich erinnere mich an einen Zauber, von dem Thezzmar mir erzählt hat und wenn Ifrundoch sich in einen Bären verwandeln kann, dann kann er vielleicht auch den Bärenruhe Winterschlaf. Er schläft einfach nur. Und das muss ich auch dringend tun, schlafen.
Doram hat mittlerweile, aufgeschreckt durch den Lärm, Bruder Aahren geholt und die beiden beten zu Peraine, auch wenn die beiden mir anfangs nicht glauben wollen, dass Ifrundoch nicht tot ist. Sie behaupten, ich hätte einen Schock, aber woher wollen die das wissen? Mir geht es gut, sehr gut. Erst jetzt fällt mir auf, dass mich alle etwas sonderbar anschauen und auf meine Nachfrage erklären sie mir, dass ich zwei weiße Haarsträhnen bekommen habe. Zwei dicke Strähnen, die sämtliche Farbe verloren haben. Ob das mit der Rettung Narenas zu tun hat?
Wie dem auch sei, im Keller schläft Ifrundoch, eine tote weiße Elfe in schwarzer Rüstung zerfällt mehr und mehr zu Staub und hier in der Stube liegen ein krankes Einhorn und eine fast tote Narena, der die Haare büschelweise ausgefallen sind und die ich kaum wiedererkenne. Wo sind wir hier nur gelandet? Ich kuschel mich an das Einhorn und höre dem beruhigenden Herzschlag zu, welcher mich in einen tiefen, traumlosen Schlaf schickt.
20. Travia 1012 BF
Am nächsten Morgen erfahre ich, dass Doram und Kantalla den zweiten Elfen, er hat die Elfin wohl in meinem Keller eingesperrt, in unserem Lagerhaus gestellt haben und mit der Hilfe Pjerows konnten sie ihn besiegen. Die Leiche haben sie verbrannt. Ich erfahre auch, dass das Einhorn Funkenhuf heißt. Es bedankt sich bei mir für seine Rettung und bestätigt mir, dass Ifrundoch heute abend wieder aufwachen wird.
Narena ist sehr verstört über ihr neues Aussehen, aber auch meine Veränderungen nimmt sie zur Kenntnis. Ich muss ihr doch irgendwie helfen können, aber wie? Vielleicht weiß ja Funkenhuf etwas darüber oder Thezzmar. Mendilion sprach einmal darüber, dass man Zauber auch abwandeln kann, vielleicht fällt uns ja etwas ein, aber nicht jetzt, jetzt heißt es, das Dorf sichern, wer weiß, ob nicht noch mehr Elfen kommen.
Eine eilig einberufene Sondersitzung wird abgehalten, in der ich erneut erkläre, dass Ifrundoch nur schläft, dass er heute abend wieder aufwachen wird und Nadira teilt mit, dass wir bis zum Frühling Hütten bauen müssen, weil die Schwesternschaft der Töchter der Erde nach Moorwacht ziehen werden. Ich freue mich über diese Information, ich bin mir sicher, dass ich noch viel von ihnen lernen kann und wer weiß, vielleicht haben sie ja noch so eine Eichel für mich, die ich nah an Peraines Heimstatt pflanzen könnte.
Ich sollte Recht behalten, abends wacht Ifrundoch auf und wird von mir versorgt, da er zwar geschlafen hat, aber nicht regeneriert. Aber so hatte ich die Gelegenheit, zwischenzeitlich zu Kräften zu kommen, ich sollte diese Idee im Hinterkopf behalten.
29. Travia 1012 BF
Heute verlässt uns Funkenhuf. Seine Wunden sind gänzlich verheilt und wehmütig blicke ich zu ihm hinauf. Er bemerkt, dass es mir nicht leicht fällt, ihn gehen zu lassen und verspricht mir, dass ich ihn jederzeit im Wald besuchen könne, was ich freudig zur Kenntnis nehme. Als Funkenhuf weg ist, verfällt Libussa wieder in ihr übliches lethargisches Muster, aber immerhin können wir sie jetzt wieder zum Abort und in ihr Zimmer bewegen.
Heute werden auch diverse Wagen beladen mit Essen und Vorräten, die wir nach Fedoran und Brandthusen bringen. Immerhin wurde deren gesamte Ernte vernichtet.
03. Boron 1012 BF
Heute ist der Tag der Toten und damit auch das Laternenfest, dass Golgarah angeregt hat. Ich höre bereits früh ihre Stimme, wie sie den Kindern und allen anderen Anwesenden erklärt, dass sie Laternen basteln sollen und auf Zettel die Namen derer schreiben sollen, derer sie gedenken wollen, die sie vermissen. Diese Laternen sollen abends dann in den Fluss gesetzt werden und während ich noch jede Menge Namen auf meine Liste schreibe, Jucho, der bei dem Angriff um die Felder ums Leben kam, das ungeborene Kind Karjschekas, Paisuma und Tineke und noch viele mehr, höre ich ein Klopfen an der Tür.
Es ist Ifrundoch, der mir mitteilt, dass es so weit sei, die Geistreise müsse jetzt sofort durchgeführt werden. Er holt auch Doram, Pjerow und Nadira, die ihn ebenfalls begleiten sollen und nachdem ich einiges eingepackt habe, man weiß ja nie, was man auf so einer Reise so braucht, gehen wir zum Boronanger. Dort wartet Kantalla auf uns, sie hat ein kleines Feuer entfacht, um das wir uns niederlassen. Sie teilt uns mit, dass wir mit unseren Gedanken einen Gegenstand formen können, den wir wollen und einen, den wir brauchen. Nur zwei Gegenstände? Wie soll das reichen? Weiter erzählt sie, dass wir mit unserem Leben zaubern können, dass alles mit der Energie aus unserem Leben, unserer astralen Energie, geschehen wird.
Wir trinken alle einen sonderbaren Trank und schlafen ein. Doch kurz darauf wachen wir auf. Ich entschließe mich dazu, einen gefüllten Wasserschlauch und die Kette mit dem Bärenreißzahn zu formen. Ifrundoch ist in ein Bärenfell gehüllt, Doram trägt ein Schwanenornat, komplett mit Flügeln, Nadira trägt ein weißes Katzenfell und Pjerow das eines Firnluchses. Ich sehe an mir herunter, ich bin in ein Rehfell gekleidet und stelle fest, dass ich ziemlich flink bin. Auch Nadira und Pjerow betrachten ihre Krallen, die sie ausfahren können und Doram kann sogar fliegen.
Ich blicke mich um, wir stehen an einem relativ hell erleuchteten Ort, um uns herum wabert grauener Nebel, über uns fliegen Spinnennetze wie Wolken hinweg und in der Ferne leuchtet etwas Schwarzes. Ja, das Schwarze leuchtet förmlich aus der sonstigen uns umgebenden Dunkelheit heraus. Überall stehen seltsame Gewächse, die an Boronräder erinnern.
Wir beschließen, in die Richtung des schwarzen Leuchtens zu gehen, es wird sehr trübe, man sieht kaum die eigenen Hand vor Augen. Wir waten durch brackiges Wasser und erreichen etwas trockene Erde, auf der überall Fackeln im Boden stecken. Wir hören ein kreischen und jammern, ein wimmern und flehen und die Geräusche kommen aus der Richtung vor uns, wo wir schemenhaft eine grotesk schiefe Burg im Nebel ausmachen können, die im Totenmoor zu stehen scheint. Sind wir tatsächlich so weit gelaufen oder ist Entfernung auf einer Geistreise relativ?
Wir gehen weiter, wieder durch den Sumpf und mir fällt auf, dass ich bei weitem nicht so tief einsinke, wie die anderen, besser gesagt, wir sinken alle gleich tief ein, bis zu unseren Knien, ganz gleich, ob der Unterschenkel Ifrundochs fast einen Schritt misst und meiner nur einen halben. Plötzlich stehen wir an einem kleinen Wäldchen und auf den Bäumen sitzen knöcherne Krähen, teilweise noch mit verwesendem Fleisch an ihnen. Es sind sehr sehr viele tote Krähen, weshalb wir beschließen, das Wäldchen zu umgehen.
Wir kommen an einen Knochenhaufen aus den unterschiedlichsten Knochen, Gerippe von Tieren und Menschen, selbst Drachenknochen kann ich erkennen und obenauf steht die Burg. Wir klettern den Knochenberg hoch und stehen vor einer gewaltigen Burg, von dessem Turm das schwarze Licht herab leuchtet. Die Wand muss mindestens 500 Schritt messen und ich merke, dass Pjerow ein Seil mit Haken dabei hat und die Länge reicht doch tatsächlich aus. Doram fliegt die Wand einfach hoch, Nadira, Pjerow und Ifrundoch klettern hoch, ich werde kurzerhand am Seil festgebunden und hochgezogen. Ein wenig erniedrigend vielleicht, aber immerhin sicherer, als wieder runter zu fallen. Ich muss unbedingt klettern lernen.
Oben angekommen bietet sich uns ein grausames Bild. Dort stehen lauter Kessel mit milchiger Flüssigkeit, in welche Menschen von Skeletten getaucht werden. Die Menschen verlieren daraufhin ihr Fleisch und neue Skelette steigen aus den Kesseln. Wir eilen zwischen den Kesseln hindurch, zu einem Turm auf der anderen Seite und werden, den Göttern sei Dank, nicht beachtet. Am Turm angekommen steigen wir eine nahezu endlos wirkende Wendeltreppe empor.
Plötzlich stehen wir in einem großen Raum, der Spinnennetze als Dach hat, in den Netzen hängen zappelnde Leute. Ein Netz mündet in tiefster Schwärze, besser gesagt, die Schwärze wird von dem Netz begrenzt. Dahinter erkenne ich Legionen von Untoten und etwas großes Schwarzes, etwas Fliegendes. Das Netz scheint über diesen Riss gespannt zu sein, kann aber nicht dagegen ankommen, der Riss drückt das Netz immer weiter auf.
Ifrundoch versucht mit seiner Axt das Netz, besser eins der sieben stützenden Seile zu kappen, kommt aber nicht wirklich vorwärts. Doram fliegt derweil hoch zu den Kokons und beginnt, diese zu öffnen und die darin befindlichen Menschen rauszuziehen. Ich sehe, dass die Kokons Stück für Stück in Richtung der Schwärze wandeln, wo sie von dem großen, schwarzen, ich erkenne jetzt, dass es ein Rabe ist, einzeln abgepickt werden und im Nichts verschwinden.
Während mich dieser Anblick in seinen Bann zieht, ich befinde mich in einem Kokon und drifte auf die andere Seite,bleiben die anderen nicht untätig. Ich werde aus meinem Bann gerüttelt und sehe, wie erst Paisuma neben mir auf den Boden aufprallt und kurz danach Wulfen. Mit letzterem macht Ifrundoch kurzen Prozess, er wirft ihn einfach den Turm hinunter. Paisuma schreit laut, ihr Kopf ist unnatürlich nach hinten verdreht.
Ich sehe, wie die Schwanenfeder, die Nadira mit dabei hat, einen der sieben Stränge zerstört und wie der Riss daraufhin kleiner wird. Auch Ifrundoch gelingt es endlich, einen Strang zu kappen. Sein Bärenfall zerstört ein weiteres Seil und plötzlich fallen Knochen auf uns herab, die sich zu einer großen Spinne zusammensetzen. Pjerow drückt mir seinen Dolch in die Hand, bevor er gemeinsam mit Nadira das Netz raufklettert, um die oberen Halteseile zu zerstören. Neben mir fällt ein Teil Libussas nieder, ein Stück ihrer Seele?
Noch bevor ich mir darüber weitere Gedanken machen kann, greift uns die Spinne an und ich wehre mich mit dem Dolch, so gut es mir möglich ist. Ich versuche ebenfalls, einen Verwandlung beenden zu wirken, was zur Folge hat, dass die Spinne ein paar Knochenteile verliert, bevor sie mich rammt. Neben mir fällt Jucho zu Boden.
Der große Rabe drückt gegen das Netz, versucht, auf unsere Seite zu kommen und wir alle intensivieren unsere Bemühungen. Einzig Doram ist zu sehr von den Kokons abgelenkt und wird von dem Schnabel regelrecht gepfählt, bevor er in einer Wolke zerplatzt. Kurz darauf ist es Pjerow und Nadira gelungen, die restlichen Seile zu kappen und der Riss schließt sich zu einem kleinen, schmalen Spalt.
Ifrundoch und ich haben in der Zwischenzeit die Spinne getötet, noch einmal, doch die Knochen setzen sich zu einem Skorpion zusammen, welcher jedoch mit der Zerstörung des Netzes zu Staub zerfällt.
Wir öffnen alle nahezu gleichzeitig die Augen und sind wieder im Moor, von der Burg ist nur noch eine fast versunkene Ruine übrig, der Himmel ist nachtschwarz und wir gehen den gleichen Weg zurück, den wir gekommen sind. Ich hoffe nur, dass Doram nur hier in der Geisterwelt gestorben ist und dass es ihm gut geht.
Wir sehen ein kleines Licht vor uns, welches von einer kleinen Laterne in Rabenform kommt, die einen Fluss entlang gleitet. Golgarahs Laterne. Wir folgen dem Fluss und sehen überall die verschiedensten Laternen, das Lichterfest hat begonnen und führt uns direkt zurück zu der Lichtung, auf der wir gestartet sind.
Wir haben die Lichtung noch kaum richtig betreten, da schlagen wir alle unsere Augen auf, wir liegen um das kleine Feuer auf dem Boronanger, aus Dorams Mund fließt eine brackige Flüssigkeit, ich lege ihn in eine stabile Seitenlage, bis er zu husten anfängt und alles ausspuckt. Es ist spät in der Nacht, als wir zurück gehen.
Ich betrete Peraines Heimstatt und Libussa steht vor mir. Sie fragt mich, wo sie hier sei, wer ich bin und was überhaupt los ist. Überrascht über diese Wesensänderung erkläre ich ihr, dass sie schon seit Jahren Patientin von uns ist, wer ich überhaupt bin und dass sie damals am Rande des Totenmoores gefunden worden ist. Sie sagt mir, dass sie Shafira ay Castellani heißt und wir verbringen die ganze restliche Nacht damit, uns zu unterhalten.
Dieser Tag der Toten hat es wahrlich in sich gehabt.