25. Praios 1015 BF
Ein halbes Jahr ist vergangen, seit wir aus Fedoran zurück gekommen sind, die Zeit vergeht so rasend schnell. Ifrundoch hat von seiner Reise in seine Heimat einen Jungen mitgebracht, den er wohl zu einem Mann ausbilden soll, wie er sagt. Seine Haut ist ziemlich schuppig, es scheint ihn aber nicht groß zu beeinträchtigen und ich denke, wenn er Hilfe braucht, wird er schon zu mir kommen. So wie es jeder hier in Moorwacht tut.
Der Tag fing recht ruhig an, doch nach einer Weile vernehme ich aufgeregte Stimmen in der Nähe und als ich dem nachgehe, kann auch ich sehen, wie sich eine Gestalt unserer Siedlung nähert und zwar vom Gebirge aus kommend. So weit ich das sehen kann, ist sie hochgewachsen, hat eine Glatze, ist ansonsten jedoch stark behaart, die Augenbrauen zusammengewachsen.
Pjerow, Ifrundoch, Hecker, Thulvje, Rowinja, Brinjidan, Molagh, so heißt der Junge, den Ifrundoch mitgebracht hat, und ich gehen gemeinsam mit Kantalla und Rondrasil zur Brücke, auf die der Fremde zusteuert. Es kostet mich ein wenig Mühe, Thulvje davon abzuhalten, dem jungen Mann, er wirkt noch sehr sehr jung auf mich, keinen Bolzen in die Brust zu schießen, wirkt er durch seine Körperbehaarung doch recht wild. Die Tatsache, dass er nur einen Streifenschurz trägt, an dem eine Schwanenfeder befestigt ist, trägt ebenfalls nicht dazu bei, dass er ruhig bleibt.
Auf die Ansprache Pjerows und Ifrundochs reagiert er kaum und nur durch Zufall finden wir heraus, dass Danjuk, wie er sich dann vorstellt, nur Nujuka spricht und versteht. Wie gut, dass ich mich schon während meiner Ausbildung und auch jetzt sehr für die verschiedenen Sprachen interessiert habe, denn so ist es mir jetzt möglich, zwischen den Anwesenden zu übersetzen. Auch Kantalla spricht Nujuka, wie ich jetzt feststelle.
Danjuk erzählt, dass er schon geraume Zeit alleine durch das eisige Land gezogen sei, sein Volk habe ihn weggeschickt. Auch erzählt er, dass er auf dem Weg hierher drei Shakagra begegnet sei und einer Frau, die seiner Beschreibung nach nur Ilonen Schwanendottir sein kann, die ihm geholfen habe. Sie soll ihm auch gesagt haben, dass er hier ein Dorf finden würde, dem er helfen müsse. Ich weiß zwar nicht, was sie damit meint, aber bislang lag sie noch immer richtig, auch wenn mir diese Erkenntnis nach wie vor zu schaffen macht, hat sie doch vorausgesagt, dass ich einen meiner Schützlinge verlieren werde an die Dunkelheit.
Wie dem auch sei, Danjuk riecht ein wenig streng, kein Wunder, wenn er so lange unterwegs war. Deshalb biete ich ihm an, dass er in Peraines Heimstatt ein Bad nehmen könne und nehme ihn kurzerhand einfach mit. Er scheint eine unerklärliche Angst vor Feuer zu haben, anders kann ich mir seine Reaktion auf Rik und den brennenden Kamin nicht erklären und die Tatsache, dass er in das Stück Seife, welches ich ihm gebe, hineinbeißt, zeugt auch nicht gerade davon, dass er viel unter zivilisierten Menschen gelebt hat. Beim Bad erzählt er mir, dass sein Volk ihn verstoßen hat, weil er ein paar seiner Kameraden umgebracht hat, ohne es zu wollen. Er schildert mir, wie er sich dabei gefühlt hat, dass das anfing, als er verletzt wurde und mich erinnern diese Symptome verdächtig an den Rausch, in den Brack gerät, wenn er kämpft, weshalb ich Danjuk nach seinem Bad mit zu ihm nehme. Dadurch stellen wir fest, dass Danjuk ebenfalls in einen Blutrausch verfällt und deshalb verstoßen wurde.
Zurück bei den anderen erzählt uns Ifrundoch, dass seine Schamanen ihm eine Weissagung erzählt haben, nach der in ein paar Jahren ein Diener der nachtschwarzen Spinne erscheinen soll, welcher ein Heer Untoter anführen würde. Noch ehe ich mir darüber groß Gedanken machen kann, werde ich in Peraines Heimstatt gerufen.
Tindal, der angehende Adept, der mir von der Akademie zur Seite gestellt wurde, um hier noch etwas Praxis zu bekommen, bevor er die Prüfung ein drittes und damit letztes Mal ablegt, hat versucht, einen Balsam zu wirken und dabei hat sich die Wirkung umgekehrt, weshalb er jetzt eine klaffende Wunde in der Brust hat, die ich ihm heilen muss. Der Junge hat sehr mit seinem Rückschlag zu kämpfen und ich nehme mir vor, mit ihm die ganzen Zauber, die eine heilende Komponente haben, denn nur dann tritt dieses Problem bei ihm auf, noch einmal intensiv zu üben.
Während ich gedanklich den Wochenplan ein wenig umstrukturiere, damit ich die Übungen mit Tindal einbauen kann, kommt Ifrundoch mit Rowinja zu mir und bittet mich um meine Hilfe, da Rowinja alleine das Totenmoor besiegen will, welches ihren Vater getötet hat. Sie sagt, dass die Zwölfe schwach seien und lässt sich auch von mir keines besseren belehren. In diesem Punkt muss ich Bruder Aahren Recht geben, Ifrundoch kann einem Kind den wahren Zwölfgötterglauben nicht näherbringen, weshalb wir uns an Rondrasil wenden, der dem Mädchen sogleich eine Standpauke hält und sie dazu verpflichtet, sich in Zukunft regelmäßig für Unterricht in Zwölfgötterkunde bei ihm einzufinden.
26. Praios 1015 BF
Boronian, der Al'Anfanger Magus hält mich, den Göttern sei Dank, nicht so sehr auf Trab, wie ich anfangs befürchtet hatte. Er schläft recht lange und erst am frühen Abend möchte er meine Gesellschaft haben, weshalb es mir gelingt, den Tagesablauf nahezu normal abzuhalten, wie wir alle es gewöhnt sind. Ich bin schon gespannt auf das Fest, welches er ausrichten möchte, so nach und nach kommen hier nämlich jede Menge Wagen, Bedienstete und Waren an und allerlei Interessantes wird in die Taverne Sumpfloch geschleppt.
05. Rondra 1015 BF
Heute findet die große Feier zu Boronians Abschied statt. Pjerow und Banja sind da, ebenso wie Hecker und Brinjidan, auch Ifrundoch, Danjuk, Kantalla, die Geweihten Brudher Aahren, Rondrasil, Tsacharan, Golgarah, sowie Firnja, Gari, Thulvje, Narena, Tanile, Daj, Molagh und Rowinja, Goswyn und seine Tochter Arifa, Laske, die Gaukler Kollerovs, sämtliche von Heckers Basen und ich wurden eingeladen.
Die Frau, die sich bereits zu Boronians Ankunft in seiner Begleitung befand und meistens voll verschleiert unter die Menschen gegangen ist, tritt heute ohne Schleier auf. Sie ist wunderschön und tanzt auf dem Tisch, ohne Rücksicht darauf, ob sie in die Nahrungsmittel tritt oder nicht.
Es werden reichlich exotische Speisen und Getränke aufgetischt, die Speisen probiere ich, den Alkohol jedoch lehne ich dankend ab. Ich muss einen klaren Kopf behalten, man weiß ja nie, was uns noch erwartet.
Nachdem die Frau getanzt hat, reißt der Mann mit der bronzefarbenen Haut Witze, die Stimmung wirkt gelöst und locker, es wird viel gelacht, noch mehr gegessen und getrunken. Den Hund am Spieß bringe ich nicht über mich zu essen, aber die Efferdfrüchte, die man von der Frau herunter essen soll, schmecken sehr gut, wie alles andere im Übrigen auch.
Ich weiß nicht, ob es an der Wärme in der Taverne liegt, schließlich stehen hier dutzende Kohlebecken, oder ob etwas in dem Essen war, aber nach und nach scheint uns allen, mich eingeschlossen, ziemlich warm zu werden. Die Stimmung wird noch gelöster, die Kleidungsstücke fallen und nach und nach entstehen Techtelmechtel und eine wahre Orgie entspinnt sich. Noch ehe ich mich versehe, steht Rondrasil plötzlich vor mir, hebt mich spielend leicht hoch und geht mit mir auf dem Arm aus dem Schankraum.
06. Rahja 1015 BF
Als ich in meinem Bett erwache, merke ich, dass ich nicht alleine bin. Rondrasil liegt neben mir und die Spuren sind eindeutig. Ich stehe leise auf und ziehe mich an, um unten am Tisch Narena sitzend zu sehen, die sich einen Rahjalieb-Tee gekocht hat. Auch ich mache mir einen solchen und suche dann Gari auf, um ihr ebenfalls einen anzubieten. Doch diese lehnt den Tee ab, selbst nachdem ich ihr erklärt habe, wozu er dient. Sie meint, wenn sie von Boronian schwanger geworden ist, dann ist das eben so.
Als ich zurück in Peraines Heimstatt komme, steht Rondrasil da und fragt mich, wie wir jetzt, nach dieser Nacht, verfahren sollen. Er will wissen, ob das Ganze für mich eine einmalige Sache war, oder ob ich mir mehr vorstellen kann. Ich muss zugeben, dass ich mich schon seit geraumer Zeit mehr zu ihm hingezogen gefühlt habe, als es sich vielleicht geziemt hätte, aber jetzt von ihm zu hören, dass er sich mehr vorstellen kann, lässt mein Herz gleich ein wenig schneller schlagen.
(Meine Mutter wird Augen machen, wenn sie das hört.)
Von Boronian und seinen Leuten fehlt jede Spur, sie sind offenbar noch in der Nacht, nach der Orgie, mit Sack und Pack sang- und klanglos abgereist. Aber etwas anderes hätte ich auch gar nicht erwartet.
07. Rondra 1015 BF
Ich mag viel zu tun haben, aber die Zeit, um mit Rondrasil ein wenig im Wald spazieren zu gehen, nehme ich mir jetzt einfach. Dieses kribbeln, das ich verspüre, wenn ich ihn sehe, fühlt sich sehr angenehm an.
Als wir zurück nach Moorwacht kommen, ist alles in Aufregung. Iber von der Mine ist zu uns gekommen, er sagt, er sei durchgerannt und berichtet, dass in der Mine drei Leute ermordet worden seien, dass der Minenvorstand aber nicht wolle, dass jemand Bescheid sagt. Er sagt, dass vor sieben Tagen alles angefangen habe, ein Wachtposten sei plötzlich verschwunden. Vor drei Tagen fand man dann ganz unten in den Gängen nur noch einen Arm an einer Spitzhacke von einem der Minenarbeiter und vorgestern wurde ein Trupp ausgesandt, der dem Ganzen auf die Spur gehen sollte, der jedoch nichts gefunden hat, doch während dieser in den Gängen war, ist oben im Lager der Koch verschwunden.
In Pjerows Taverne, in der wir uns mittlerweile eingefunden haben, beratschlagen wir, was wir tun können und beschließen, gleich morgen früh aufzubrechen und den Dingen auf den Grund zu gehen.
08. Rondra 1015 BF
In aller früh finden wir uns auf dem Dorfplatz ein, wir, das sind Ifrundoch, Danjuk, Pjerow, Narena, Rondrasil, Hecker, Molagh und ich. Pjerow steuert den Wagen, während ich beschlossen habe, auf Smirnoff zu reiten, ein wenig Praxis kann nie schaden und auch Rondrasil ist mit seinem Pferd unterwegs. So gelingt es uns, gegen mittag die Mine zu erreichen.
Barum, der Minenvorsteher empfängt uns recht unwirsch und will anfänglich nichts von irgendwelchen Morden oder verschwundenen Leuten wissen, auch der neue Koch, der offenbar noch schlechter kochen kann als ich, will nichts davon gehört haben. Alle sprechen sie nur von einer Meuterei und dass die drei Männer weggelaufen wären.
Hecker und Pjerow bitten Barum in seiner Hütte zu einem Gespräch und kurz darauf kommt Barum rausgerannt, sich die blutende Nase halten. Besser gesagt, das, was davon noch übrig ist, in seiner Hand hält er ein abgeschnittenes Stück seiner Nase und auf Nachfragen erfahre ich, dass Hecker ihn so zum Reden gebracht hat. Wie konnte Pjerow das nur zulassen? Ich bin mir sicher, Hecker hat ihn mit dieser Aktion überrumpelt.
Barum erzählt auf jeden Fall, dass Iber norbardische Artefakte gefunden habe und dass die anderen Minenarbeiter ihm Geld gezahlt hätten, damit er ihnen zeigt, wo er diese Artefakte gefunden hat. Weiter erzählt er, dass es einen Dieb gibt, der Ibers Geld klauen wollte und dass diesem zwei Finger abgeschnitten worden sind als Bestrafung. Etwas argwöhnisch bitte ich darum, mir diesen Mann und dessen Hand einmal ansehen zu dürfen und die brandige Wunde, die sich mir bietet, zu behandeln.
Nachdem wir uns besprochen haben, erhärtet sich der Verdacht, dass Iber das hinter der Mine gelegene Norbardengrab geschändet und geplündert hat und Rondrasil macht sich sogleich auf den Rückweg, um diesen festzusetzen. Grabschändung ist ein Götterfrevel!
Wir beschließen in der Zwischenzeit, uns die Mine selbst anzusehen. Die Gänge sind schmal, niedrig und eng und außer mir haben alle ihre Schwierigkeiten, gut voranzukommen. Als ich hinter mir, ich gehe direkt hinter dem Minenarbeiter Talin, Tumult höre und mich umdrehe, sehe ich, dass Ifrundoch feststeckt. Ich sehe jedoch auch, dass Danjuk, der direkt hinter mir war, sich in einen Wolf verwandelt hat. Noch ein Tierkrieger?
Erstaunlicherweise bringt mich diese Verwandlung kaum aus der Ruhe, ich habe in den letzten Monaten so viele Dinge gesehen, mit Talin verhält es sich jedoch anders, denn dieser ergreift panisch schreiend die Flucht. Danjuk in seiner Wolfsgestalt eilt hinterher und ich renne ihm nach. Hinter mir höre ich noch Thulvje fluchen, ich hoffe nur, dass die anderen erkennen, dass Danjuk kein Werwolf ist und dass sie Thulvje zurückhalten.
Wir eilen in einen Raum, in dem Talin vor Angst schlotternd in einer Ecke kauert, in der Hand eine Spitzhacke haltend, neben ihm liegt der Rest eines Armes. Die Haut am Arm ist fransig, der Knochen wirkt abgenagt und nachdem es mir gelungen ist, Talin etwas zu beruhigen, fällt Pjerow und mir ein kleines Loch etwas weiter hinten in der Höhlenwand auf, es scheint eine Art Tunnel zu sein.
Plötzlich hören wir einen leisen Schrei aus dem Tunnel kommend und Pjerow, welcher hochgeklettert war und ich, Ifrundoch hat mich mühelos hochgehoben, ich komme mir manchmal vor wie ein Stück Gepäck, das man weiterreicht, ich muss klettern lernen, eilen, so schnell es die Enge des Tunnels erlaubt, dem Schrei entgegen.
Pjerow, der vor mir gegangen, besser gekrochen ist, schießt auf etwas, das sich außerhalb meiner Sicht befindet, mit seiner Armbrust und als er mich vorbeilässt, erkenne ich einen toten Minenarbeiter und daneben eine tote Kreatur, die menschliche Züge aufweist. Ich denke anfangs an einen Wühlschrat, aber Narena und Ifrundoch, die anderen sind mittlerweile durch den normalen Gang nachgekommen, sagen, dass es sich um einen Ghul handelt.
Nachdem ich beschlossen habe, den Ghul zu sezieren, irgendwie müssen wir seine Schwachstellen herausfinden, übergeben sich erstmal ein paar meiner Begleiter ob des Gestanks. Die Lunge ist klein und verkümmert, der Magen ist zum bersten gefüllt und als ich ihn öffne, erkenne ich, dass er mit etwa zwei kompletten Menschenleichen gefüllt ist, eine davon trägt noch immer die Lederrüstung. Hier also ist die verschwunde Wache. Es sind aber drei Menschen verschwunden, wo ist die dritte Leiche? Es muss noch mindestens einen weiteren Ghul geben und Ghule tauchen immer dort auf, wo sie Zugang zu Leichen haben. Die Grabschändung.
Mittlerweile ist es spät geworden und wir beschließen, gleich morgen früh das Norbardengrab aufzusuchen. Da Ghule nicht ungefährlich sind, halten wir abwechselnd Wache. Spät nachts kommt Rondrasil zurück, er muss sein Pferd ordentlich angetrieben haben. Er erzählt mir, dass Iber, kurz nachdem wir aufgebrochen waren, abgehauen ist, dass er ihn jedoch einholen und einfangen konnte und dass er jetzt erstmal eingesperrt worden sei, bis wir zurück sind.
09. Rondra 1015 BF
Als wir am Norbardengrab ankommen, sehen wir, dass der große Verschlussstein gesplittert ist, jemand, vermutlich Iber, hat ihn zerstört, um ins Innere zu gelangen. Drinnen sehen wir bereits in der ersten Kammer ein Ausmaß der Verwüstung, welches nur von Ghulen stammen kann. Auch die Überreste Swoboscheks sehen wir, er ist die frischeste Leiche gewesen, jetzt sind nur noch ein paar Knochen, abgenagte Knochen, von ihm übrig. Sämtliche Leichen wurden geschändet, die Gräber geplündert und als ich mich dem Wagen in der Mitte der Kammer nähere, hören wir verdächtige Geräusche aus ihm kommend, weshalb Pjerow seine Armbrust auf die Tür richtet, bevor ich selbige öffne. Aus ihr heraus kommt ein Ghul, den Pjerow mit einem gezielten Kopfschuss niederstreckt.
Die Geräusche haben jedoch weitere dieser Kreaturen angelockt und aus Löchern in der Decke über uns kommen acht weitere Ghule, die sich vor uns zu Boden fallen lassen. Es entbrennt ein Kampf, den wir jedoch für uns entscheiden können. Nachdem wir diese und die zweite Ebene gesäubert haben, gehen wir auf die dritte von vier Ebenen, auch hier bietet sich uns ein Bild der Verwüstung. Aus Richtung der vierten Ebene hören wir ein lautes Kreischen aus vielen Kehlen und vorsichtig nähern wir uns der Treppe, die dort hinunter führt.
Wir können sehr viele Ghule sehen, die sich dem Zelt nähern, hineingehen mit Knochen und anderen Leichenteilen und leer wieder herauskommen. Narena zündet mittels einem Zauber das Zelt an und unter lautem Geschrei kommt ein etwa vier Schritt großer, sehr dicker Ghul heraus und bewegt sich in unsere Richtung. Ich weiß nicht, wie die anderen es geschafft haben, aber es ist ihnen gelungen, diesen Ghul, war es eine Art Königin (?) zu töten und mit einem Mal fallen auch die anderen, kleineren Ghule von Krämpfen geschüttelt zu Boden und können so relativ leicht getötet werden.
Nachdem wir uns einigermaßen gesammelt haben, treten wir die Heimreise an und informieren umgehend die Norbarden darüber, was mit ihrem Grab geschehen ist. Diese brechen sofort auf, um das Grab neu zu versiegeln und die entstandenen Schäden zu beseitigen.
Iber wird, nachdem Golgarah das volle Ausmaß seiner Taten erfahren hat, von ihr lebendig begraben. Eine Strafe, die jeden Grabschänder trifft. War es das wirklich wert?
10. Rondra 1015 BF
Rondrasil und ich werden durch die Wachen am Brückentor geweckt, die einen lauten Tumult verursachen. Als wir nachsehen gehen, sehen wir, dass die Wachen der Nachtschicht tot vor dem Tor liegen. Offenbar wurden sie von den Stichen unzähliger Hornissen getötet, das lassen zumindest die Leichen sowie die toten Insekten, die darum liegen, vermuten. Auch Stockschläge kann ich an den Leichen der beiden Wachen ausmachen. Das Tor steht weit offen und oben auf der Palisade finden wir etwas Jutestoff und Stroh.
Pjerow, der von dem Lärm angelockt, dazu gekommen ist, erzählt uns von einer Vogelscheuche, die die Kinder im Wald gebaut haben und dass diese aus eben jenem Jutestoff gewesen sein soll. Wir gehen umgehend zum Waisenhaus zu Gari und reden mit den Kindern und diese erzählen uns, dass sie von einer Frau geträumt haben, die ihnen gesagt haben soll, dass sie diese Vogelscheuche bauen sollten. Die Beschreibung der Frau passt genau auf Debrah Ni'Taima und offenbar wird der kleine Pjerow von ihr beherrscht, denn wenn er sich ihren Anweisungen widersetzen wollte, hat sie ihm im Traum wehgetan und er ist mit Verletzungen aufgewacht.
Klein-Pjerow erzählt, dass die Frau ihm gesagt hat, dass Gari schwanger ist und dass sie nach Süden ziehen würde. Das wollten die Kinder nicht und die Frau habe ihnen versprochen, wenn sie tun, was sie sagt, würde Gari bleiben. Sie hat unter anderem nach einem Buch verlangt, welches die Kinder ihr zu der Vogelscheuche legen sollten und zwar die Praiosfibel von Wulfen. Mir wird regelrecht schlecht, als ich das höre und es kostet mich all meine Kraft, die Kinder nicht zu sehr zu schimpfen, sie wussten es ja nicht besser.
Sie erzählen weiter, dass sie von jedem im Dorf persönliche Dinge in und an der Vogelscheuche anbringen sollten. Das erklärt die verschwundenen Dinge und Pjerow sagt, dass er die offensichtlichen Gegenstände mitgenommen und zurück gegeben habe. Offenbar will die Scheuche jetzt ihre verlorenen Sachen zurückholen. Auch ein Hornissennest soll in der Vogelscheuche sein, das würde die toten Insekten bei den Wachen erklären.
Nichts Gutes ahnend eilen wir aus dem Waisenhaus hinaus. Ich bin so sehr erzürnt, dass mir beinahe entgangen ist, wie Garis Augen zu strahlen angefangen haben, als sie hörte, dass sie sehr wahrscheinlich schwanger ist. Pjerow und Ifrundoch beschließen zu der Lichtung zu gehen, an der die Vogelscheuche gestanden hat und erzählen mir später, dass sie dort lediglich von Tentakeln angegriffen worden sind. Dieser dämonische Zauber beweist eindeutig, wer hier am Werk ist.
In der Zwischenzeit durchsuchen Brinjidan, Hecker und Danjuk die Hexensiedlung, denn dorthin vermuten sie, könnte die Vogelscheuche gegangen sein. Es gelingt ihnen auch, diese in einem der Häuser ausfindig zu machen und als Danjuk angreift und der Vogelscheuche einen Schlag versetzt, wird plötzlich eine blutende Gari aus dem Waisenhaus getragen, mit einer Wunde am Kopf, die plötzlich erschienen ist. Auch hat sie Hornissen erbrochen, wie mir Rondrasil mitteilt. Mir schwant übles, ich muss die drei aufhalten, bevor sie die Scheuche weiter angreifen. Ich rufe Rondrasil zu, er solle Gari in Peraines Heimstatt bringen, während ich zur Hexensiedlung laufe, so schnell mich meine Beine tragen können.
Ich gehe den Kampfgeräuschen nach und finde die drei in der Hütte, wie sie in einen Kampf mit der Vogelscheuche verwickelt sind. Um Schlimmeres zu verhindern, renne ich in das Kampfgetümmel hinein und versuche, die Vogelscheuche mit meiner Wucht umzurennen, was mir jedoch nicht ganz gelingt. Meine Rufe, dass wir der Scheuche nichts tun dürfen, weil sonst alle, deren Gegenstände sie noch in und an sich hat, ebenfalls verletzt würden, kommen nicht bei Danjuk an, dieser scheint sich in einer Art Wahn zu befinden. Der Blutrausch!
Das Ignorantia-Stirnband scheint bei der Scheuche nicht zu funktionieren, denn sie schlägt nach mir, während ich verzweifelt versuche, die Gegenstände von ihr zu entfernen. Zwischenzeitlich schlägt auf einmal Hecker Brinjidan nieder, es wirkt so, als hätte er keinerlei Kontrolle über sich und auch Danjuk wird niedergestreckt. Die Vogelscheuche steht auf und verlässt das Haus, Hecker fällt benommen zu Boden und es kostet mich einiges an Kraft, Brinjidan und Danjuk von Borons Schwelle zurückzuholen. Wie gut, dass ich mit meinen gerade sehr mitgenommenen Händen keine kunstvollen Fingerübungen ausführen muss, um einen Balsam zu wirken.
Danjuk ist gerade dem Tode entronnen und springt bereits wieder auf, um sich Pjerow und Ifrundoch, die zurückgekehrt sind, anzuschließen. Die drei gehen zur Taverne, aus der Banja gerade mit ihrem Lieblingstrinkbecher flieht, den die Scheuche haben will, weshalb diese sie auf den Dorfplatz hinaus verfolgt. Pjerow und Ifrundoch schnappen sich ein Seil, mit welchem es ihnen gelingt, die Vogelscheuche zu fesseln. Kurz danach erstarrt Pjerow und kann sich nicht mehr rühren und aus dem Bauch der Scheuche schwärmen hunderte Hornissen aus, die Ifrundoch verfolgen. Ich kann beobachten, wie Ifrundoch sich mit einem Sprung in den Teich retten will, jedoch scheint er unglücklich zu stolpern und, bei den Zwölfen, er bleibt kopfüber im Schlamm stecken. Sein Kilt breitet sich wie eine Blume im Wasser aus und ich mag mir den Schmerz gar nicht ausmalen, den er verspüren muss, als ihn eine Hornisse in seine edelsten Teile sticht.
(Wäre die Situation nicht so ernst, man könnte beinahe ein klein wenig darüber schmunzeln.)
Danjuk hat in der Zwischenzeit von allem unbeirrt damit weitergemacht, die ganzen Gegenstände aus der Scheuche zu entfernen, die er erreichen kann, auch Pjerow kann sich wieder bewegen und will mithelfen, wird jedoch von den Hornissen in den Fluss gejagt. Danjuk hat die Vogelscheuche mittlerweile komplett in ihre Einzeltele zerlegt und prügelt wie wild darauf ein. Pjerow, der triefend nass zurückgekommen ist, schießt mit einem seiner Rabenbolzen auf die Scheuche und endlich hört dieses verfluchte Ding auf, sich wieder zusammensetzen zu wollen und auch die Hornissen fallen tot zu Boden.
Was war das nur und vor allem, warum? Dieser ganze Aufwand um an die Praiosfibel zu gelangen? Ich hätte dieses elendige Buch verbrennen sollen.
Ifrundoch hat zwischenzeitlich einen Ruhe Körper auf sich gewirkt, wie mir Tindal in Peraines Heimstatt mitteilt.
11. Rondra 1015 BF
In der früh wird der kleine Pjerow zu mir gebracht, sein Körper ist mit Wunden übersät. Er weint und sagt mir, dass die Frau in seinen Träumen böse auf ihn ist, dass er seine Aufgabe nicht erfüllt hat und dass sie ihn jetzt dafür bestrafen wird. Ich überlege, wie ich diese Beherrschung auf ihn unterbinden kann und frage Golgarah, ob ich etwas Erde vom Boronanger haben kann, damit ich diese unter Pjerows Bett legen kann. Der Kleine weigert sich jedoch, überhaupt ins Bett zu gehen, hat Angst, dass er wieder träumen wird, dass er wieder verletzt wird. Ich kann ihn verstehen.
Ich hoffe nur, dass ich ihm helfen kann, es muss doch eine Möglichkeit geben.
17. Rondra 1015 BF
Ich erneuere täglich die Graberde unter Pjerows Bett, was zumindest eine gewisse Linderung darstellt. Auch habe ich angefangen, ihn zu therapieren, ich weiß noch von Jaschwinia, wie wichtig es ist, möglichst früh damit zu beginnen, Ängste auszumerzen.
Heute kam Thulvje auf mich zu mit der Bitte, ob ich ihm sein Feuermal entfernen könnte. Auf meine Frage, warum er das wolle, hat er unverblümt zugegeben, dass ich ihm ein neues Gesicht geben solle, damit er nach Norburg gehen könne, um an der Einweihung des Marbidenklosters teilzunehmen. Er würde so oder so hingehen, er müsse sich mit eigenen Augen davon überzeugen, ob die Marbiden mit Werwölfen im Bunde sind oder nicht, nur wenn ich ihm helfen würde, könne er vielleicht unerkannt dorthin gelangen, schließlich habe er in Norburg Hausverbot.
Ich erbitte mir Bedenkzeit, immerhin würde ich ihm so helfen, gegen eine Anordnung Isidors zu verstoßen. Nach langem hin und her überlegen komme ich jedoch zu dem Schluss, dass es seiner Heilung zuträglicher ist, wenn ich ihm helfe und unter der Bedingung, dass er nur in meiner Begleitung nach Norburg gehen darf, mir nicht von der Seite weichen darf und dass er ab jetzt zweimal die Woche zur Therapie kommt, willige ich ein.