wir entdeckten nach einiger Zeit des Wanderns einen auffällig beschnitzten Pfahl mit dem Schädelknochen eines Tieres am oberen Ende im Boden stecken. Auf der anderen Seite war ursprünglich auch einer, doch dieser wurde am unteren Ende gefällt und lag achtlos am Boden. Bei den Schnitzereien handelte sich um das Werk von Menschenhand, so dass wir vermuteten, die Pfähle markierten den Pilgerweg zum Ras'Ragh Heiligtum. So folgten wir dem Weg. Argaal entdeckte auch Spuren der anderen Gruppe, die ebenfalls diese Richtigung gegangen waren.
Der Weg begann, sich in das Gebirge des Thalus hochzuschlängeln und so wanderten wir Stunde um Stunde. Als es auf den Abend zuging, kamen wir an eine gute Stelle für das Nachtlager. Als ich aus Gewohnheit die Umgebung etwas näher untersuchte, stieg mir ein süßlicher Geruch in die Nase, den ich nur zu gut kannte. Dem Verwesungsgeruch folgend, musste etwas in einem in der Nähe befindlichen Kakteen-Feld sein. Argaal wurde hineingeschickt und tatsächlich fand sich dort in dem Feld die Überreste einer Ziege. Darauf konnte ich mir nun keinen Reim machen. Die Nacht verlief ereignislos, doch kaum war das Nachtlager abgebaut, hörten wir es schon. Der Ruf von Khoramsbestien drang aus drei verschiedenen Richtungen an mein Ohr und in dem Moment war mir auch klar, was es mit der Ziege auf sich hatte. Die andere Gruppe hatte dies bewerkstelligt, um uns einen unfreundlichen Besuch dieser gefählichen Aasfresser zu arangieren.
Leider schafften wir es nicht rechtzeitig, uns davon zu machen und so sahen wir uns zwei dieser Viecher gegenüber. Während Argaal sich um eines kümmerte, nahm ich mir die andere vor. Ein Biss von diesen Tieren war nicht nur unangenehm, sondern auch sehr gefährlich, entzündete sich die Wunde doch oftmals zu einem tödlichen Wundbrand. Um den Reichweitenvorteil auf meiner Seite zu haben, zog ich den Rondrakamm aus der Rückenscheide und stellte mich der Bestie. Das heilige Stahl der Göttin soll nicht mit diesem Blut besuhlt werden, so wandt ich eine jüngst erlernte neue Schlagtechnik an. Ich drehte die Klinge und schlug mit der flachen Seite zu, in der Hoffnung, dem Tier so mit einem Schlag das Bewuststein zu rauben. Jedoch befand sich hinter mit noch kampfunerfahrene Yunasia und beim Ausholen streifte meine Klinge sie. Damit hatte ich nicht gerechnet und der Schlag ging daneben. Rondra sei Dank verfehlte mich das Gebiss der Bestie und ich holte zu einem weiteren Schlag aus. Dieser traf auch den Kopf der Bestie, doch ward jene zäher, als ich dachte. Es schüttelte sich ein paar Mal und setzte dann wieder zum Angriff an, zu dem es aber nicht mehr kam, da von hintern Argaal angerannt kam und der Bestie mit dem Speer einen tödlichen Stich versetzte.
Auch wenn es sich nicht im geringsten um ein rondragefälliges Duell handelte, so sties mir der Angriff von hinten sauer auf. Ich konnte mich jedoch beherrschen und bemühte mich sogar, die Dinge aus seiner Sicht zu sehen. Als Jäger und Goblin hatte er richtig gehandelt und ich konnte von ihm beim besten Willen kein Verständnis für den Ehrbegriff als solches erwarten. Dennoch werde ich mit ihm zu einem geeignetem Zeitpunkt darüber reden müssen, das diese Art von Angriffen in einem Duell zu ehren der Leuin auf keinen Fall geduldet werden. Oh Wächterin auf Alverans Zinnen, ich danke Dir für das Maß an Geduld und Selbstbeherrschung, dass Du mir mit deinen Prüfungen mittlerweile zueigen getan hast. Zu Ehren der Leuin brach ich einen Zahn der besiegten Bestie heraus und würde diesen bei meinem nächsten Tempelbesuch als Opfer darbringen.
Der Weg wurde dann weiter beschritten. Zwar hatte die Herrin Peraine ein gutes Wetter geschickt, doch wurde es merklich kühler, je höher wir hinaufkamen. In Verbindung mit der Praiosscheibe eine gefährliche Kombination, so dass wir sehr auf unsere Gesundheit durch Einsatz von Praiosmilch, Kopftuch und regelmäßigen kleinen Schlücken aus den Wasserschleuchen achten mussten. Plötzlich vernahmen wir das entfernte Erklingen von Trommeln, das uns fortan auf unserem Weg begleitete. Mal lauter, mal leiser nahmen wir es wahr, aber es lies sich weder eine Richtung noch eine Entfernung einschätzen. Das waren die Ferkinas, ohne Zweifel.
Dann kamen wir an eine Stelle, an der eine Hängebrücke über eine Schlucht führte. Jedoch waren die Halteseile der Brücke auf der anderen Seite gekappt und die Brücke hing in die etwa 60 Schritt tiefe Schlucht hinein. Nach einigen Bemühungen schafften wir es, ein mit einem Kletterhaken verknotetes Seil über die Pfähle und Ösen auf der anderen Seite an der Brücke so zu platzieren, da ich die Brücke durch Umlenkung der Kraft hochziehen konnte. Die Brücke war sehr schwer und so musste ich um die Hilfe der Unbesiegten bitten, welche mir auch gewährt wurde. Mit göttlicher Kraft zog ich die Brücke hoch und wir konnten sie fest machen. Natürlich war klar, dass es die andere Gruppe war, deren Methoden immer skrupelloser wurden.
Nach einigen Stunden kamen wir an eine Felswand und Yunasia hatte dort rasch einen Durchgang entdeckt. Es ging in ein Höhle und nach einiger Zeit erreichten wir einen Raum, in dem eine etwa zweieinhalb Schritt hohe Statue des sechsgehörnten Ras'Ragh stand. Nach einer genauen Betrachtung stellte ich fest, dass die ganze Statue mit einer Flüssigkeit beschmiert worden war, die sich als Blut identifzieren lies. War hier etwa ein unheiliges Ritual mit Blutmagie gewirkt worden? Es lies sich jedoch kein Leichnam finden. In dem Papyrus ward von diesem Ort geschrieben, dass man sich in Richtung des Geburtssterns wenden solle, was so viel bedeutete, wie gen firun. So verliesen wir diese Höhle und Kultstätte und kamen beim Höhlenausgang in ein geschütztes Tal, das von einer brackigen Sumpflandschaft im Talkessel und einigen Pinienwäldern darüber durchsetzt war. Einige Rinder graßten dort unten. Am Ende des Höhlenausgangs sahen wir wieder die bekannten Pfähle, doch diesesmal lagen dort zahlreiche Tieropfer, teils nur wenige Tage alt.
Wir gingen den einzigen Weg entlang, als mir eine Art Insel in Mitten des Talkessels unter mit auffiel. Da lagen die sterblichen Knochen-Überreste von jeder Menge an Tierkadavern. Aus der Entfernung betrachtet schätze ich es auf Büffel-Größe. Argaal entdeckte auch noch eine Art Umzäunung dieser Insel, bestehend aus senkrecht in den Boden getriebene Knochen. Das musste ich mir unbedingt aus der Nähe anschauen. Doch es war Zeit, ein Nachtlager aufzuschlagen. Argaal fand einen guten Platz und kaum war ich mit dem Aufbau des Zeltes beschäftigt, da vernahm ich es schon aus einiger Entfernung. Das unverkennbare Schnauen eines Büffels, kurz bevor er die Hörner senkte. Ich lies alles liegen und rannte in die Richtung des Geräusches und sah einen schwarzen Büffel, der gerade Argaal aufs Korn nahm. Das Ziehen des Rondrakamms aus der Rückenscheide schien den Büffel zu verwirren, so dass er mich als neues Ziel auserkoren hatte. Der Kampf war schnell entschieden, denn ein Wuchtschlag durchtrennte ein Bein des Büffels. Somit was das Thema Verpflegung auch erledigt und wir schnitten uns genug Fleisch aus dem Tier, um uns durch den Winter damit bringen zu können. Die Hörner wanderten wiederum als Trophäe für die Leuin in meinen Rucksack.
Ich untersuchte den Kadaver, da es mich interessierte, was die Aggression des Tiers geweckt hatte, fand allerdings keine Wunde oder ähnliches. Jedoch sah ich, nachdem ich einen Blick abwärts geworfen hatte, dass dort eine Herde mit Jungtieren grasste und der Büffel uns deswegen vertreiben wollte. So mussten wir den Lagerplatz räumen und Argaal suchte einen Neuen. Dieser kam mir von Anfang an sehr seltsam vor, denn er lag auf der den Sumpf zugewandten Seite und ward auch noch abschüssig, so wie nur über ein Geröllfeld zu erreichen. Nachdem ich mich weigerte, diesen zu nehmen, fanden wir dann noch einen geschützten Platz auf der anderen Seite des Weges in die Hänge hinein.
Am nächsten Tag ging es dann weiter und nach einiger Zeit kamen wir an eine Stelle, an der wieder eine kleinere Ras'Ragh Statue stand. Als wir uns gerade die Statue anschauten, wurde Yunasia von einem Tannenzapfen getroffen und gleichzeitig ertönte in etwa zwanzig Schritt Entfernung eine Art von Kriegsgeschrei. Dieses kam von einem Jungen, den ich auf etwa zwölf Sommer schätzte. Dieser schwang eine Steinschleuder und hatte einen Speer dabei und war in eine Art Fellumhang gehüllt. Eindeutig ein Ferkina. Dann ging alles sehr rasch, der Junge schoss einen Stein auf Yunasia, diese wurde davon getroffen und konterte ihrerseits mit einem Ingifaxius-Zauber, der den Jungen in der Rippengegend erwischte. Daraufhin wollte der Junge wohl zum Angriff mit dem Speer übergehen, bei Rondra, Mut hatte der Bengel. Doch er schien zu überlegen und in Yunasia irgendetwas zu erkennen, was er mit seinem höchst unverständlichen Gebrabbel nach "Sabu Ras'Ragh" bezeichnete. Dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte, denn er ging vor Yunasia auf die Knie und huldigte ihr, wie es manche Götzenanbeter tun.
Yunasia konnte ein paar Brocken der Ferkina-Sprache und so bestätigte sich die Vermutung rasch, dass er sie für die Tochter von Ras'Ragh hielt. Ich gab ihm über Gesten zu verstehen, dass er künftig die Schleuder-Angriffe unterlassen soll, was er auch verstand. Seinen Mut belohnte ich jedoch mit einem der Wurfdolche, die ich in Talussa erstanden und mitterweile auf Hochglanz poliert hatte. Wag'Rhan, so hies der Bengel, gab uns aufgeregt zu verstehen, dass wir ihm folgen sollten und er führte uns in Richtung eines höhergelegenen Höhleneingangs, wahrscheinlich zu seiner Sippe. Die ganze Zeit war er sehr aufgeregt und brabbelte immer "Sabu Ras'Ragh" vor sich. Doch es sollte noch besser kommen. Wir erreichten unbehelligt die Höhle und wurden auf dem Weg dorthin von einigen weiteren Kindern begleitet, die alle ebenfalls in das "Sabu Ras'Ragh" einfielen. Besonders angetan waren Sie natürlich von meinen Metall-Waffen und suchten eine kurze Berührung zu erhaschen. Ich kramte ein Stück Fleisch aus meinem Rucksack hervor und warf es den Kindern zu, worüber sich ein regelrechter Kampf entfachte, so dass ich mich entschloss, noch mehr Fleisch zu verteilen. Es schien allerdings gut bei den Kindern anzukommen.
Um es abzukürzen, Wag'Rhan stellte uns dem Ferkina-Stamm vor, welcher sich in dem oberen Bereich der Wohnhöhle aufhielt, und bei Ankunft bereits vor uns auf den Knien warteten und der Magierin hudligten. Es fiel auf, dass nur Kinder, Heranwachsende, Frauen oder Alte anwesend waren. Der Älteste der Ferkina, ein Mann mit mindestens sechzig Sommern hatte hier das Sagen und begrüßte unserer jüngst zu einem Götzen erhobene Yunasia ebenfalls mit Ehrfurcht und Demut. Wie man sich manchmal doch irren konnte, hatte ich mich doch auf die übliche gewalttätige Begegnung mit den Ferkina-Räubern eingestellt. Yunasia erklärte Argaal und mich zu ihren Leibwächtern, somit war auch unser Status geregelt. Nachdem der Alte mit Yunasia in einem eigenen Raum in der Höhle verschwunden war, um ihr etwas zu zeigen, wurde ein Fest abgehalten, bei dem Yunasia auf dem Sitz des Häuptlings platz nehmen durfte und wir zu ihren Füßen links uns rechts. Verschiedenste Speisen wurden hereingebracht, wobei das Ritual so aussah, dass erst Yunasia probieren musste und wenn es ihr schmeckte, dann wurde es auch allen anderen kredenzt. Da gab es fettiges Fleisch, eine Art Joghurt, das sich im nachhinein als Bluteintopf mit Fleischstücken herausstelle, abgeschnittene Geschlechtsteile von Ziegen, einen schweren Wein und diverses Anderes. Ich nahm auch etwas Fleisch, doch hielt ich mich von dem Wein und allem anderen fern.
Dann begann eine Art von Kräftemessen, denn einer der Jungkrieger forderte mich zu einem waffenlosen Zweikampf heraus. Dieser schien mir bereits von dem Wein berauscht zu sein, jedoch durfte man hier keine Schwäche zeigen. Nachdem ich Waffen und Rüstung abgelegt hatte, ging ich die Hammerfaust-Grundstellung. Der Kampf war schnell vorbei, denn bereits mein zweiter Schlag traf und es war ein Schmetterschlag. Mein Gegner konnte sich gerade noch bei Bewußtsein halten, doch der Kampf war entschieden. Dann wurde Argaal gefordert von einem Jungen. Ich wusste nicht, wie gut Argaal ohne Waffen kämpfen konnte, doch meinte ich, dass er nicht besonders geübt darin war. Jedoch dauerte auch dieser Kampf nicht lange, denn der Junge wollte Argaal Sand in die Augen werfen, was vom dem ganzen Stamm als unehrenhaft bewertet wurde. Erstaunlich, es schien fast so, als ob diese Wilden ebenfalls eine Art von "Ehrbegriff" kannten.
Das Fest ging noch eine Weile, dann wurde mir als Preis für meinen Sieg die Frau meines Kampfgegners gereicht und zwar von ihm selbst. Zu meinem Erstauen tat es die Frau auch freiwillig, oder sie konnte sich zumindest so gut verstellen, dass es nicht auffiel. Puh, das Mädchen war eine rassige und so nahm dieser Abend eine unverhoffte Wendung. Am nächsten Morgen brachen wir dann auf, denn Häuptling, Schamane und die Krieger waren zu einem Ritualplatz aufgebrochen, zu dem uns nun Wag'Rhan führen sollte. Dies tat er auch, aber kurz vor Erreichen des Platzes, begann, das Unheil seinen Lauf zu nehmen.
Wir entdeckten einen der Ferkina-Krieger des Stammes, schwerst verletzt durch eine tiefe Schnittwunde entlang des Rückens und in einem geistig verwirrten Zustand. Die letzten Worte des Kriegers waren, dass Weißnasen die ganzen Krieger vergiftet hätten, und er hätte versucht zu fliehen wurde allerdings von einem der Weißnasen verfolgt und in den Rücken geschlagen. Dies deckte sich auch mit den Kampfspuren, die ich bei der Szenerie entdeckt hatte. Bei Rondra, was für ein Frevel. Feinde zu vergiften und ihnen in den Rücken zu schlagen war das Unerhafteste und Götterlästerlichste, was es gab. Damit hatte die andere Gruppe ihr eigenes Todesurteil unterschrieben. Jetzt verstand ich, warum mich die Leuin auf diese Mission geschickt hatte. Und ich werde ihren Namen verkünden und ihr Urteil mit dem blanken Stahl fällen.
Isleif Aknasson von Thorwal, Schwertbruder, Prätor des Rondra Tempels zu Thorwal