Wir eilten weiter und die Göttin stellte unsere Willenskraft alsbald auf eine harte Probe. Der Weg ging nach unten auf ein weitläufiges Hochplateau, auf dem das Lämmerfest der umliegenden Ferkina-Stämme statt fand. Doch bei den Göttern, was für ein Anblick. Überall lagen zwischen den vielen Zelten der einzelnen Stämme regungslose Körper in ihrem Erbrochenen oder krümmten sich noch lebende Körper unter Schmerzen. Überall lag Borons Geruch in der Luft, doch gleichzeitig das vielstimmige Wehklagen der noch Lebenden. Davon gab es einige und insbesondere die, die uns Fremde erblickten, kamen zorn- und hasserfüllt mit gezücktem Speer auf uns zu. Rondra sagt, zeige niemals Schwäche, auch nicht vor einer Übermacht. Waq'ran versuchte zwar, die Ferkinas zu beruhigen und redete unaufhörlich auf diese ein, doch hatte er sichtlich Mühe, sich Gehör zu verschaffen. Ich trat zehn Schritt in Richtung der anrückende Menge, zog langsam meinen Rondra-Kamm aus der Rückenscheide und steckte die Klinge vor mir in den Boden. Vielleicht konnte man die Angelegenheit mit einem Zweikampf regeln, falls die Meute auf Blut aus war. Doch dazu sollte es nicht kommen, denn die gelehrte Dame Yunasia machte erneut Eindruck als Sabu Ras'Ragh. Wahrlich, es scheint selbst bei dem Volke der Ferkina so etwas wie einen tief verwurzelten Glauben zu geben, denn man sah und konnte hautnah erleben, was Prophezeiungen für eine Macht gaben. In diesem Fall zu unseren Gunsten, denn die Meute hielt ein und es kam zu keiner Auseinandersetzung. Für wahr, ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, an diesem Ort der vielen Tode noch mehr Blut zu vergiessen, selbst wenn es in einem ehrenhaften Zweikampf wäre. Was war nun geschehen? Wir verbrachten die nächste Stunde damit, dies herauszufinden.
Die andere Gruppe war bereits hier gewesen und muss Gift in das Essen gemischt haben. Faramut meinte, die Anzeichen, vor allem das ständige Jucken derjenigen, welche das Gift überlebt haben, deute auf ein Gift namens "Kukris" hin. Leider kannte er sicht nicht gut genug damit aus, um zu wissen, was hierfür ein Gegenmittel ist. Diese götterlästerlichen Frevler haben es gewagt, Leben zu nehmen, zu denen sie nicht befugt waren. Nur Tod kann für Leben bezahlen. Und dies war das Todesurteil für diese Frevler. Der Einsatz von Gift zur Tötung ist ein unsühnbares Verbrechen. Auch der Häuptling der Ben'Ragda war übel zugerichtet, wir suchten ihn in seinem Zelt auf. Er erzählte uns, dass sie den Schamanen entführt haben, um zu dem geheimen Platz zu kommen, den wir suchen. Nur der Schamane wisse den genauen Weg. So machten wir uns auf, diese Frevler zu finden und ihrer gerechten Strafe zu überführen. Wir kamen an diesem Tag auch noch bis zum Anfang eines labyrintartigen Aufstiegs, an dessen Ende wir diesen Platz vermuteten, zumindest deuteten die Spuren der anderen Gruppe darauf hin. Die Last des Tages, die Bilder der vielen Toten und Verwundeten, der Geruch des Todes, all das lastete schwer auf mir und ich konnte lange nicht einschlafen. Als ich geweckte wurde, wusste ich sofort das etwas nicht stimmte. Diese Affenchimäre war in der Nähe des Lagers und hatte Argaal mit Steinen beworfen. Leider war das Vieh zu schwer zu sehen und zu schnell, als das wir es stellen konnten, trotz einiger Bemühungen. Doch schien es auch die Lust an uns zu verlieren, als wir einfach nicht mehr auf dieses Vieh reagierten. Ein Hieb mit der Klinge würde diese götterlästerliche Existens zweiteilen, und allein der Gedanke daran lies eine Vorfreude in mir aufsteigen. Am nächsten Tag ging es dann den Irrweg rauf, wobei Argaal keine Mühe hatte, den Spuren zu folgen. Fühlte sich die andere Gruppe schon zu sicher? Uns sollte es nur Recht sein. Nach einiger Zeit kamen wir an eine Stelle, die von einem Steinschlag fast unpassierbar geworden war. Waq'rahn klettterte vor und wollte uns dann ein Seil hinunterlassen, als er plötzlich vor Schmerzen aufschrie. Das Vieh war wieder da und hieb seine Klauen in ihn hinein. Ein gut geworfener Speer von Argaal erledigte auch dieses Problem und das Vieh verschwand wieder. Waq'rahn hatte schmerzhafte Schnitte und Kratzer an den Wangen, aber Rondra sei Dank wurde keines seiner Augen verletzt. So überwanden wir auch den Steinschlag. Wiederum nach einiger Zeit entlang des Wegs entdeckten wir die am Boden liegende Gestalt eines Ben'Ragda. Es war der Schamane. Neben ihm das abgestochene Affenvieh, in dem noch der Steindolch steckte. Der Schamane war bereits an der Schwelle des Todes und konnte nicht mehr gerettet werden. Er verlangte lediglich, dass wir alles tun sollten, damit das Heiligtum wieder versiegelt wird. Das war kein gutes Zeichen, denn meiner Erfahrung nach sind Siegel nicht ohne Grund angebracht. Meist will man damit verhindern, dass irgendetwas nach draussen gelangt, was besser drinnen bleiben sollte. Jetzt war höchste Eile geboten.
Wir kamen dann am Ende des Weges nach oben an. Dort war ein Tor in den Berg hinein und schon von weitem sah man, dass es geöffnet wurde. Wir waren also zu spät. Doch vielleicht konnten wir noch Schlimmerers gerade noch rechtzeitig verhindern. Ich bete um den Beistand der Göttin, Yunasia beschwor ein magisches Feuerwesen, dann machten wir uns kampfbereit und traten durch das Tor. Die Wahl der Waffen fiel auf meine beiden geweihten Breitschwerter, Sturmbringer und Blitzgewitter. Für den Kampf in beengteren Umgebungen eigneten sich Langwaffen nicht gut, da man oftmals den Platz nicht hatte, um auszuholen oder dabei Gefahr lief, Gefährten zu verletzen. Ausserdem hatte ich viel Mühe und Training in das gleichzeitige Führen zweier Einhandwaffen im Kampf gesteckt, jetzt also sollte es sich lohnen. Wir kamen in einen Raum, in dem an einer Ecke etwa ein Dutzend urnenartige Gefäße standen. Doch hatten wir keine Zeit, uns darum zu kümmern, denn aus zwei Gängen, die von diesem Raum wegführten, kamen Ferkina-Krieger angestapft. Bereits der Gang verriet dem geübten Blick, dass es sich hier um widernatürlich belebte Kreaturen handelte, gemeinhin bekannt als "Untote". Der erste Anblick einer solchen Kreatur hatte schon manch tapferen Recken das Blut in den Adern gefrieren lassen, ich hatte jedoch schon ein paar Mal gegen diese Wesenheiten gekämpft und somit war ich den teils ekelerregenden Ablick von verdorrtem Fleisch gewohnt. Rondra sei Dank ward keiner der Gefährten eingeschüchtert und wir stellten uns diesen Kreaturen. Beim Kampf gegen Untote galt es zu berücksichtigen, dass diese nicht durch Wunden oder schwere Treffer beinträchtigt wurden, jedoch generell etwas langsamer, träger und reaktionsärmer waren, als menschliche Gegner. Ein probates Heilmittel war das Abtrennen des Kopfes vom Hals mit einem gezielten Schlag oder wuchtig geführte Schläge ohne den Einsatz filigraner Klingenfinten. Doch was war das? Hörte ich da Stimmen in meinem Kopf? Ein echsisches oder schlangenartiges Gezische? Bildete ich mir das nur ein oder war das Geschupptes Zauberwerk? Der Kampf verlief kurz, die untoten Ferkinas hatten unseren Klingen und dem Feuerwesen nichts entgegen zu setzten, obwohl mein Gegner einen unerwartet geschickten ersten Stich in Richtung meines Herzens ansetzte, den ich nur mit Mühe parieren konnte. Nicht auszudenken, was passiert wären, wenn mich dieser erwischte. Hier zeigte sich die Überlegenheit des gleichzeigten Führens von zwei Einhandwaffen in beengten Umgebungen, dass einem geschickten und geübtem Kämpfer ermöglichte, durch korrekte Positionierung der Klingen kaum zu parierende Hiebe, Hauen und Stiche auszuführen. Letzteres, die Stiche, waren gegen Untote wirkungslos, weshalb ich micht auf wuchtige Hiebe und Hauen beschränkte. Auch schien das Tragen von leichten Rüstzeugs diesem Kampfstil angemessen zu sein, denn das schwere Kettenzeug, das ich sonst trug, machte mich doch trotz all dem Schutz, den ich nicht missen möchte, etwas langsamer. Die Köpfe der Untoten waren kaum durchtrennt, schon ging es in den nächsten Gang weiter, der tiefer in das Innere hineinführte. Dort kamen wir in eine Art Rondell. An den Seitenwänden waren Sarkophage angebracht und in der Mitte stand die Statue eines Kriegers der Geschuppten. Schon wieder diese Stimmen. Sie riefen mir Beleidigungen und Provokationen zu. Als wir das Rondell näher in Augenschein nahmen, waren Sie alle anwesend. Das, was vorher die andere Gruppe war und jetzt durch etwas anderes Besessen war. Man erkannte es an den toten Augen und den abgehakten Bewegungen. Der Krieger mit dem Sklaventod, die Glatzköpfige mit dem Schwert, die andere Frau mit einem Messer und der Magier. Wie es der Zufall wollte, stellte sich Faramut dem Krieger, während die beiden Frauen auf mich los gingen. Argaal war seinen Speer mit einer äußerst geschickten Wurf in den Magier, so daß dieser auf der Stelle zu Boden sackte. Der Kampf gegen die beiden besessenen Frauen war ebenfalls eine rasche Angelegenheit. Ich musste mich gegen die beiden gleichzeitig erwehren. Es widersprebt mir zwar, aber wenn ich von mehreren Gegnern gleichzeitig angegriffen werde, haben meine Gegner das Recht auf einen Zweikampf nach den Regeln verwirkt. Ich war von dieser Wendung etwas abgelenkt und so gingen die ersten Hiebe in das Feuerwesen. Doch dann war der Kampf rasch vorbei, hatten die Frauen nichts gegen meine wuchtigen Hiebe entgegenzusetzen. Die Glatzköpfige brach mit mehreren Wunden zusammen, kurz darauf die andere mit einem schweren Bauchtreffer, der ihre Eingeweide heraustreten lies. Ich positionierte mich über die beiden und wollte gerade die Köpfe vom Hals trennen, als Argaal mir einen Warnschrei zukommen lies, denn ich Rondra sei Dank inmitten des Kampflärms wahrnahm. Die Klinge stoppte um Haaresbreite vor dem Hals. Was auch immer der Goblin damit bezweckte, ich vertraute seinem Instinkt und hatte auch keine Zeit, dies zu hinterfragen, denn das Feuerwesen hatte in der Zwischenzeit einen Flächenbrand im Rondell gelegt, der sich von seinem Entstehungszentraum aus ausbreitete. Rasch steckte ich die Schwerter ein und schaffte die Leichname ausser Reichweite der Flammen. Wenn Argaal nicht wollte, dass der Kopf von Hals getrennt wurde, dann war es sicherlich noch weniger gut, die Flammen würden die Körper beschädigen. Faramut war in der Zwischenzeit mit dem Krieger fertig, als noch weitere Ferkina-Untote aus einem weiteren Gang kamen. Auch diese konnten wir beseitigen. Dann sahen wir uns ein wenig um, und konnten das Geheimnis des Ferkina-Heiligtums lüften. Es war eine Ruhestätte oder ehere ein Gefängnis einer Armee von Achatz-Kriegern, die nur darauf warteten, wieder zum Leben erweckt zu werden. Diese Tölpel hätten letzteres beinahe bewerkstelligt. Wir nahmen Waffen, den Ritualdolch des Magiers und dessen Gildensiegel, sowie die Urnen mit nach draussen. Es galt, die Höhle so schnell wie möglich zu versiegeln. Dazu führte ich vor dem Eingang das Ritual des Blutopfers durch und konnte die beiden Stehlen wieder in ihre ursprüngliche Position bringen. Es gelang, Blitze schossen und der Eingang wuchs mit einem Steinwall zu. Möge Rondra dafür sorgen, dass dieser für immer versiegelt bleibt. Das war gerade noch rechtzeitig gelungen. Erschöpft aber befriedigt betrachtete ich das Werk. Eine Untersuchung der Urnen ergab, dass diese Schriftstücke, Zeichnungen und dergleichen enthielten, die der These von G'Hilatan Recht gaben. Dieses Schriftwerk nahmen wir auch mit.
Die nächsten Tage verbrachte ich noch bei den Ferkinas, um ihnen zu helfen, die Toten zu bestatten, die Verletzten zu versorgen und mich etwas mit ihrer Sprache zu beschäftigen. Die Ben'Ragda waren dem nicht abgeneigt und ich muss abschliessend sagen, dass sich mein Bild von den Ferkinas doch geändert hat. Vorher hatte ich sie nur als Barbaren und Wilde wahrgenommen, die wehrlose Händler überfielen. Doch nun muss ich sagen, dass die meisten von Ihnen doch einem Ehrenkodex folgten, so befremdlich dieser auch für uns Aussenwelter sein mag. Nach etwas mehr als einer Woche brachen wir dann wieder auf und verliesen das Thalus-Massiv. Yunasia und Argaal hatten kein Bestreben, nach Thalusa oder unserem Auftraggeber in Mirham zurückzukehren und machten sich auf in Richtung Punin. Wir verabredeten uns dort, denn Faramut und ich wollten unseren Auftrag noch zu Ende bringen. Für Sultan Dolgoruk fertigte ich einen Bericht der Geschehnisse an, ich hatte ihm mein Ehernwort gegeben. Auch wenn ich die Methoden des Sultans als äußerst fragwürdig erachte, Ehrenwort war Ehrenwort, jedoch legte ich keinen Wert auf einen persönliche Unterredung und so lies ich mir lediglich den Empfang am Sultanspalast quittieren und Faramut und ich machten uns rasch Richtung Mirham auf. Die Reise verlief ereignislos und so wurden wir bei Severin und G'Hilatan in Mirham vorstellig. Diese unterrichteten wir wahrheitsgemäß über die Geschnisse und übergaben alle gefundenen Schriftstücke, sowie den Ritualdolch und das Akademiesiegel. Beide konnten wir davon überzeugen, dass weitere Expeditionen zur Erkundung dieses Ferkina-Heiligtums zu unterlassen seinen, da man manche Dinge besser auf sich beruhen lässt. Meinen Vortrag über das frevelhafte Vorgehen der anderen Gruppe, insbesondere dem Einsatz von Giften und unehrenhaften Mittel nahmen beide zur Kenntnis, jedoch schien es sie wenig zu bekümmern. Wenigstens haben beide eingesehen, das nächste Mal mehr Sorgfalt bei der Auswahl des Personals walten zu lassen. G'Hilatan war zufrieden mit dem Ergebnis und legte nochmal 20 Dublonen als Entschädigung drauf. Ausserdem händigte er mein Blutopfer wieder aus als Zeichen, dass er mein Versprechen der ordentlichen Expedtitionsdurchführung als erfüllt an sah. Wir verabschiedeten uns aus der Akademie. Faramut wollte nicht mehr mit nach Punin, so zahlte ich ihm seinen Anteil aus und musste alleine reisen. In Punin traf ich mich mit Yunasia und Argaal, zahlte auch diese aus und holte zusammen mit Argaal unsere Gegenstände aus dem Rondra-Tempel. Schwertschwester Eslamida hatte sorgfältig darauf aufgepasst und auch ihr erzählte ich die Geschehnisse in aller Ausführlichkeit, nachdem ich mich von Argaal und Yunasia verabschiedet hatte. Ich blieb noch eine Tage in Punin, um der Göttin meine Opfergaben der erbeuteten Tiertrophäen und Waffen der besiegten Gegner darzubringen und mit Eslamida ein paar rituelle Zweikämpfe zu bestreiten. Bei Rondra, diese Frau hat auch in Ihrem Alter nichts von ihrem Geschick mit dem Rondra-Kamm eingebüßt. Dann reiste ich zurück nach Thorwal, nicht ohne jedoch bei der Metropolitin meiner Senne in Havena vorstellig zu werden. Auch sie setzte ich über die Geschehnisse um Schloss Strobanoff und den Ben'Ragda in Kenntnis. Es tat wir weh, die nun fast siebzig Sommer zählende Rudraige so zu sehen, war sie doch immer wie eine Mutter zu mir gewesen. Schriftliche Berichte über meine Erkenntnisse gingen auch an den Orden zur Wahrung in Rhodenstein. Von Havena aus nahm ich das nächste Schiff nach Thorwal.
Isleif Aknasson von Thorwal, Schwertbruder, Prätor des Rondra Tempels zu Thorwal