Während der Besorgungen für das Spiegelgefängnis ging nach meinen Sachen schauen, die ich vor der Schlacht in dem Stadthaus des Magister Curtius gelagert hatte. Und fast wie befürchtet, fand ich das Haus niedergebrannt und noch glimmend vor. Während der Schlacht war wohl auch hier einiges runtergekommen und hatte das Haus und auch die dort noch immer zu findende Kinderbande der Schornsteingeister getroffen. Viele hatten so wie die alte Vettel, die das Haus bewirtschaftete, das Inferno aber überlebt. Unter den noch Lebenden war auch das Mädchen Alina, das in ihrer Bande nun verstärkt angefeindet wurde – und die mich in ihrer Einsamkeit und der Ablehnung durch ihre Nächsten stark an mich selber zu Kindertagen erinnerte.Ähnlich wie ich auf Hof, in Wald und Dorf gemieden, geschnitten und verfolgt worden war, erging es nun Alina. An diese Zeit konnte ich mich noch recht genau erinnern, auch wenn der Rest meiner Kindertage eher im Nebel des Vergessens verschwunden waren. Ich wollte dem Mädchen diese Dinge so schnell es ging ersparen und gleichzeitig ihre Seele retten. Mir war nur zu bewußt wie weit sind mein Gleichgewicht ins Dunkel verschoben hatte und ich hoffe, dass ich mit dieser Tat es wieder einen Fingerbreit in Richtung Gleichgewicht bringen kann. So war ich mir sicher, dass ich nicht nur alle Kinder unterbringen, sondern auch für Alinas ordentliche Ausbildung sorgen würde. Und wenn ich das selbst übernehmen müsste!
Dies war umso dringender, als dass das Kind während der Schlacht unter den Einfluss eines Azzitai geraten war und sein ungeformter und schwacher Geist hatte dem Einfluss des Dämons nichts entgegen zu setzen. So setzte das Kind, als es erschreckt war, sein eigenes Blut ein um Feuerzauber zu wirken. Das würde nicht lange gut gehen und so legte ich das kleine Ding mittels eines SOMNIGRAVUS schlafen – das kostete mich zwar gute Teile meiner noch verbliebenen astralen Kräfte, die ohne Schlaf nicht wiederkommen würden, das war mir aber einerlei. Ich hatte das Kind beruhigt und ihm das Versprechen gegeben es meinem Meister vorzustellen. Sein schwacher Geist sorgte dafür, dass es aber erst viele Stunden wieder erwachen würde. Dann würde ich es Meister Puschinske vorstellen und hoffte, dass er Alina als Schülerin annehmen würde, denn Potential hatte sie sonst hätte der Azzitai sie bereits erledigt. Und tatsächlich nahm ich sie am folgenden Tag mit in die Akademie und suchte einen Lehrmeister für sie. In dieser Zeit freundeten wir uns zunehmend an und ich musste mich mit einigen Kindereien deswegen auseinander setzen. Ich glaube nicht, dass ich als kleiner Junge jemals so viel und ausdauernd gefragt hatte.
Während der folgenden Tage suchten wir noch nach dem Auge des Morgens, allein es war uns jemand zuvor gekommen und hatte es aus der Neuen Residenz geborgen. Zum Glück wohl kein Dämonenscherge, sondern einfache Plünderer, trotzdem nicht leicht zu finden. Auch die zweite Komponente, zu deren Bergung und Meister Melvin aussandte, war nicht leicht zu finden. Das geheime Reichssiegel war bei seinem Träger nicht aufzufinden – im Gegenteil, der Träger, ein Praiospriester (!), war erschlagen und ausgeraubt. Das war dann zu viel des Zufalls, hier suchte jemand das gleiche wie wir. Und legte dann am Mordort gleich eine Fährte zu einem der Hochadligen des Reiches, dem Grafen von Eslamsbad. Der konnte uns aber von seiner Unschuld überzeugen. Auch das geheime Reichssiegel fand sich dann, der Priester hatte es wahrhaft gut versteckt und erst Nuri fand es. Das war dann ein weiterer Schritt auf seinem Weg zu den Zwölfen.
Der letzte aber fand an jenem Tag statt, an dem ich zum zweiten Mal direkt in die Niederhölle in Agrimoths Domäne blicken musste. Zwischenzeitlich war Leonardo mit dem Spiegelgefängnis gut vorangekommen und das war kein Deut zu früh, denn wie von mir bereits befürchtet sprengte der Splitter, dieses Stück Unstruktur, die maximal entgegengesetzte Bannkraft der Priaotischen Bannlade. Und so brachten wir das inzwischen mehr als armlange Ding unter höchster Eile und den Gesängen der Sonnenlegionäre in die Akademie. Beim Transport war nur der Convocatus Primus der weissen Gilde Foslarin und ich in der Lage unseren Geist erfolgreich gegen den Einfluss des Agrimoths zu verteidigen. In der Akademie stelle ich dann fest, dass das Gefängnis noch nicht magisch aufgeladen war. Und das tat höchste Not. So wandte ich mich an die anwesenden überlebenden Magier, ob mich einer unterstützen könnte und tatsächlich geschah dies – mittels eines REVERSALIS REHCSIGAM BUAR erhielt ich viel astrale Kraft. Irgendwann muss ich diesen Magister nochmal aufsuchen und nach diesen beiden Thesen fragen...
Die Kraft nutzte ich um das Spiegelgefängnis mittels APPLICATUS roh aufzuladen und dann hob der Novadi quasi mit bloßen Händen den Zacken der Dämonenkrone aus der Lade und schob ihn in das Spiegelgefängnis – Mut hat er, muss ich immer wieder konstatieren, aber seine Geisteskräfte...
Für einige Augenblicke schien alles zu funktionieren und ich wollte schon dem neben seinem Werk stehenden Leonardo gratulieren und mich dann schnellstens um den Novadi kümmern, als der Splitter ein Eigenleben entwickelte und innerhalb kürzester Zeit einen Mahlstrom in das Draussen erschaffte. Die Kraft des Mahlstroms erfasste das gesamte Spiegelgefängnis und auch Leonardo. Ich versuchte das alte Genie noch an seiner rechten Hand festzuhalten, aber es war bereits zu spät. Zum zweiten Mal blickte ich durch eine Pforte des Grauens direkt in die agrimothische Niederhölle und neben dem Splitter wurde auch Leonardo eingesogen. Als die Pforte sich schloss, wurde Leonardos Arm am Unterarm abgerissen und blieb in meiner Hand und auf Dere zurück.
Um Nuri stand es da gleichzeitig sehr schlecht und er wäre ohne einen weiteren meiner Heiltränke, sicherlich von uns gegangen. Allein seine Hände wären so steif gefroren, dass sie eigentlich amputiert werden müssten. So war es ein großes Wunder der Herrin Peraine, getan durch ihren höchsten Diener in Gareth, die den Streiter Nuri rettete und den handlosen Bettler Nuri verhinderte. So viele Wunder hat sicherlich noch kein ungläubiger Novadi empfangen und dass dies so ablief, weckte in mir schon den Verdacht, dass der tapfere Nuri Sahin eigentlich bereits ein Streiter der Zwölfe wäre.
Zwei Tage später wurde dies dann auch ordentlich vollzogen. Nuri Sahin, Greifenreiter, wurde in die Gemeinschaft der Zwölfgöttergläubigen aufgenommen und im Tempel des Herrn Praios getauft. Eine bewegende Zeremonie muss ich zugeben...