Die Entscheidung kam relativ spontan, nachdem wir zurück in Gareth waren und dort ein paar Tage verbracht hatten. Auf der Anderen Seite war es eigentlich nur logisch nach dem, was ich in den letzten Wochen gesehen hatte. Das Elend im verheerten Gareth traf mich tief. Aber die Begegnung mit den Flüchtlingen in Ebershag erinnerte mich daran, warum ich eigentlich vor all den Jahren losgezogen war. Um den Menschen zu helfen, die wie ich aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Und was war seitdem passiert? Außer, dass ich eine Zeit lang in den Grenzlanden Schwarztobriens gegen die Invasoren gefochten und vor vielen Jahren die kaiserlichen Zwillinge aus dem Tal der Finsternis gerettet hatte, hat mein Weg mich immer weiter weg von daheim geführt. Gerasim, das Bornland, Kunchom, die Khom, das Südmeer, Maraskan, das Eherne Schwert, ja selbst andere Welten... alles, während die Tobrier sich weiter gegen den Feind stemmten. Und jetzt? Jetzt war ich so nah an daheim, wie schon seit langem nicht mehr. Was also lag näher, als daheim, oder zumindest in dem was noch von Tobrien noch übrig ist, nach dem rechten zu sehen? Kunchom musste wohl noch ein paar Wochen warten. Und eine Rechnung hatte ich in der Gegend ja auch noch offen... Burg Tobelstein und sein vermaledeites Dämonenanbeterpeack würden gar nicht mal so weit von unserer Reiseroute entfernt liegen. Vielleicht ergäbe sich ja ein Besuch bei der Dame Tyakramane? Ich hatte mir zwar geschworen mit einem Trupp Bannstrahler wieder zu kommen, aber die waren wohl derzeit kaum in der Lage zu so einer Unternehmung... also doch selbst regeln das Ganze.
Ich lies über die örtliche Niederlassung der Grauen Stäbe eine kurze Nachricht nach Kunchom gehen, das sich meine Rückkehr verzögern würde, das war ich den übrigen Magistern schuldig. Hoffentlich trägt mir Khadil das nicht nach, aber vor den Zwischenprüfungen der Studiosi sollte ich es auf jeden Fall schaffen. Yunasia erbot sich mich weiter zu begleiten, worauf ich gern einging. Eine so feurige Magierin an der Seite zu haben kann im tobrischen nicht schaden. Und sollte ich tatsächlich eine Burg einnehmen müssen, dann wäre Sie mit ihren Feuergeistern die vielleicht wertvollste Unterstützung, die ich mir wünschen konnte. Am letzten Abend in Gareth trafen wir in einer Taverne eine Medica namens Yazinda, die Junasia zu kennen schien. Die Dame hatte wohl genug von Gareth gesehen, und bat, sich uns anschließen zu dürfen. Da ichkeine Gründe wußte die dagegen gesprochen hätten, stimmte ich zu. Ich holte die verwahrten Sachen in Gareth aus der Unterbringung, dann machten wir uns auf.
Eigentlich wäre der Seeweg über Perricum und Vallusa der schnellste, aber ich hatte keine Lust auf eine Seefahrt. Ich zog den, wenn auch etwas längeren und beschwerlicheren, Landweg vor. Mit Yunasia als Fußgängerin würde sich das aber ziehen, obwohl es die meiste Zeit auf der Reichsstraße gehen würde. Aber für 700 Meilen würden wir wohl trotzdem um die 2 Wochen brauchen. Allein mit dem Pferd wäre ich da deutlich schneller gewesen, aber sei es drum. Gen Firun zogen wir, bis nach Wehrheim. Ich war entsetzt, was aus dem stählernen Herz des Reichs geworden war. Ruinen überall, und Vaganten die einen längeren Aufenthalt nicht geraten erscheinen liesen. Auch hier müsste man einmal ordentlich aufräumen, und das so nah beim Herz des Reichs. Entsetzlich! Hier sah ich, was Gareth geblüht hätte. Und ich war froh, das meine Freunde es verhindert hatten. So war wenigstens noch etwas übrig von der Stadt, die so lange meine Heimat gewesen war...
Weiter ging es nach Baliho. Dieser Teil der Reise war eher langweilig, aber wir nutzten die Zeit. Yunasia bat mich, sie zu unterrichten, und ich willigte ein. Übung an Schülern hatte ich in Kunchom in der letzten Zeit ja genug gehabt. Wir einigten uns nach einigen Anläufen darauf, dass ich sie in der Kunst der astralen Translokation des eigenen Leibes, vulgo Transversalis, unterrichten würde. Ich warnte sie zwar eindringlich vor den Gefahren der Anwendung, insbesondere an Orten mit geschwächter Astralstruktur, aber das schreckte dieses heißblütige Mädchen nicht ab. Es war erfrischend, jemand mit diesem Enthusiasmus der Jugend an seiner Seite zu haben. So verbrachten wir die Abende, zumeist in einer Herberge, damit, über die Matrix dieser komplexen Formel, seine Ansätze und Theorien zu disputieren, auch wenn ich es lieber gesehen hätte, sie hätte sich von mir in die Geheimnisse des Zauberklinge einweisen lassen. Damit hätte sie noch viel eher eine Hilfe für ihre Gefährten beim vertreiben von Dämonen sein können. Aber diese Thesis hatte ich selbst ja erst nach vielen Jahren erlernt und zu schätzen gelernt. Yunasia mochte hier auch noch ein paar Jahre Zeit haben.
Weiter nach Baliho ging es auf der Reichsstraße und noch bis Braunsfurten, wo wir uns der schwarzen Sichel zuwanten um über den Steig hinüber nach Tobrien zu ziehen. Auf diesem Streckenabschnitt lies ich Yunasia die ersten praktischen Übungen durchführen, aber sie war eine gelehrige Schülerin, die schnell verstand worauf es ankam. Ich war mir sicher, dass sie die Grundlagen des Zaubers verstanden hätte, bis wir in Perainefurten ankamen. Der Rest war reine Übungssache. In Kleinwardstein auf der anderen Seite der Berge sah ich das erste mal seit langem wieder die Spuren der Invasion der Verdammten. Und mir wurde bewusst, dass ich in diesen Landen vorsichtig sein musste. Ich wusste nicht einmal, wo genau derzeit die Grenze verlief. Und auf der anderen Seite war es nicht nur einfach gefährlich. Nein, dort würde man sich, so unwahrscheinlich das nach all den Jahren auch war, vielleicht doch an mich erinnern. Immerhin war ich Grenzkämpfer und hatte den Truppen Borbarads mehr als einmal die Stirn geboten und später Galotta die kaiserlichen Zwillinge entrissen. Ich mag jetzt einige Jahre älter sein, mehr Narben und nicht mehr das junge Gesicht von damals tragen, aber wer weiß schon, was der Zufall für ein Spiel treibt? Ob die Steckbriefe auf meinen Kopf wohl immer noch angeschlagen waren? Oder waren sie mittlerweile genauso verrottet wie das Land auf der anderen Seite, nachdem ich so lange nicht mehr hier war? Ich weiß es nicht, aber vorsicht ist besser als nachsicht. Von kleinwardstein aus wäre es nur ein Katzensprung hinüber zur Burg Tobelstein, quasi in die Nachbarbaronie und auf die andere Seite der Grenze. Es juckte mich gewaltig in den Fingern, auch diesen kurzen Abstecher noch zu machen, aber damit würde ich, ohne triftigen Grund, Yunasia unnötig in Gefahr bringen. So eine Sache sollte man sorgfältig planen, nicht einfach mal kurz nachsehen gehen. Aber wer weiß, vielleicht fanden sich ja ein paar Kämpfer und ein Geweihter die mich demnächst kurz begleiten wollten?
Das Elend meiner Landsleute, selbst hier, dauerte mich. Der ganze Weg weiter nach Perainefurten war eine Mahnung dafür, das wir in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen durften. Flüchtlinge, überlaufene Dörfer, entwurzelte Menschen. All das hatte ich lange nicht mehr gesehen, aber genau deswegen war ich ja nun hier. Um zu sehen, wie es derzeit aussah. Und es gefiel mir nicht. Fast wünschte ich mir, es würde ein neuer Feldzug zur Rückeroberung Tobriens stattfinden, dem ich mich gerade anschließen könnte. Aber dafür war das Reichsheer in den letzten Jahren einfach zu sehr geschwächt worden. Ach, wäre doch nur die Kaiserin hier mit ihrem Tross. Hier könnte sie den Menschen mindestens ebenso viel Hoffnung spenden wie vor kurzem unten in Ebershag.
Kurz vor Perainefurten kamen wir auch durch meine ehemalige Heimat. Abseits der Straße besuchten wir kurz die Ruinen von Perainengrund, diesem damals schon winzigen Weiler außerhalb Perainefurtens, der die Invasion im Gegensatz zur Stadt nicht überstanden hatte. Fast hoffte ich, die Freunde meiner Jugend wäre jetzt, wo das Land einigermaßen befriedet war, wieder zurück gekommen und hätten das Dorf wieder aufgebaut. Aber die meisten waren ja damals noch bei der Flucht, beim letzten Wiederstand oder danach bei unserem verzweifelten Versuch Rache zu nehmen in Borons Hallen eingegangen. So erinnerten nur noch ein paar abgebrannte Grundmauern und überwucherte Wände an den Ort, an dem ich meine Kindheit verbracht hatte bevor wir nach Weiden ins Exil geflohen waren. Auch der Turm meines alten Magisters Tybaldius war kaum mehr als ein stumpfer Zahn aus grauem Stein, der noch ein Stockwerk hoch in den Himmer ragte. Wir verbrachten zwei Stunden an diesem für mich mit Erinnerungen behafteten Ort, bevor wir schließlich unseren Weg nach Perainefurten zu Ende brachten. Aber was ich jetzt schon wußte war, dass es hier noch genug zu tun Gäbe, wenn ich irgendwann aus meiner Verpflichtung an der Akademie zu Kunchom entlassen werden würde. Vielleicht konnte ich Kadil überreden meine Verpflichtungen gegen die Gabe eines seltenen Artefaktes aufzulösen? Dann wüsste ich auf jeden Fall etwas mit meiner Zeit anzufangen...