Tagebuch von Isidra Kowaljewa
Diarium der adepta minora Isidra Kowaljewa (7. Rahja 1019 BF)

07. Rahja 1019 BF

Nicht einmal unseren Jahrestag gestern haben wir uns frei genommen, die Vorbereitungen müssen voran kommen, wir müssen Moorwacht weiter befestigen, die Leute trainieren, ich muss Tiana therapieren, an dem Zauber arbeiten und Tränke brauen.

Wir sind beide von fünf Uhr früh bis spät abends auf den Beinen, meist kommt Rondrasil erst gegen Mitternacht völlig erschöpft zu mir ins Bett. Aber ich bete zu den Göttern, dass sich unsere Vorbereitungen bezahlt machen werden, dass wir irgendwann friedlich hier leben können, eine Familie gründen können.

20. Rahja 1019 BF

Cidris hat uns heute mitgeteilt, dass er einen Brief aus Festum erhalten habe, von Vito. Er sagt, dass er umgehend zu ihm reisen müsse, dass er eine wichtige Zeugenaussage vor Gericht abgeben müsse und dass dies keinerlei Aufschub dulden würde.

Ausgerechnet jetzt.

Nach dieser schlechten Nachricht kommt Nadira zu mir mit der Liste in der Hand. Sie sagt, dass Cidris bei seiner überstürzten Abreise sämtliche Notizen mitgenommen habe und dass sie deswegen von Tsadan damit beauftragt worden sei, noch einmal zu prüfen, wer alles mit nach Bjaldorn kommen soll und wer nicht.

Nachdem sowohl Thindal als auch Tanile mitgehen wollen, ich auf alle Fälle an Rondrasils Seite kämpfen will, wir aber Peraines Heimstatt nicht alleine lassen können, entscheidet Nadira, dass wir auslosen sollen, wer hier bleibt. Das Los fällt auf Tanile, die diese Entscheidung zwar ein wenig geknickt hinnimmt, mir aber dennoch verspricht, die Therapie von Tiana fortzuführen, so gut es ihr möglich ist.

Nadira teilt uns in einer Sitzung, die sie kurzfristig einberufen hat, allen auch ihre restliche Entscheidung mit. Neben Papa und Tanile bleiben von der Liste auch Thulvje, Banja und Gari hier. Golgarah stand nie drauf, da sie den Boronanger beschützen muss, das Totenmoor brandet stärker denn je gegen die kleine Hecke.

Als sie von Kolkja und Rik anfängt, entbrennt erneut eine Diskussion, die dazu führt, dass wir alle abstimmen, ob beide mit uns kommen werden oder ob beide in Moorwacht bleiben werden. Die Mehrheit entscheidet sich dafür, dass Rik und Kolkja in Moorwacht bleiben werden.

25. Rahja 1019 BF

Es ist später Nachmittag, als die Tür von Peraines Heimstatt aufgestoßen wird. Ich höre Nadira rufen und komme aus meinem Arbeitszimmer runter in die Stube. Dort sehe ich Nadira, neben der eine Nivesin steht. Sie sieht beinahe aus wie Danjuk, nur weiblich. Auch ihr fehlt sämtliche Kopfbehaarung, allerdings trägt sie den Ornat der Rondrakirche und bevor Nadira sie mir vorstellen kann, blafft mich Hauka Wölfintochter, wie ich danach von Nadira erfahre, an, wo Rondrasil sei.

Auf meine Erwiderung, dass er um diese Uhrzeit sicherlich gerade mit der Ausbildung der Moorwachter beschäftig sei, dreht sie auf dem Absatz um und verlässt Peraines Heimstatt wieder.

Nadira wirft mir einen hilflosen Blick zu und ich beschließe gemeinsam mit ihr Hauka hinterher zu gehen. Bei Rondrasil angekommen schnauzt diese ihn vor allen Anwesenden an, was ihm einfalle die Akademie in Norburg unter den Schutz der Rondrakirche zu stellen, woraufhin er nur entgegnet, dass er als ranghöchster Rondrageweihter in Norburg damals jedes Recht dazu hatte und dass sie dies natürlich jederzeit widerrufen könne.

Dies scheint sie nur noch mehr zu erzürnen, sie lässt uns alle stehen und läuft zügigen Schrittes zurück zur Burg. Rondrasil, der unsere fragenden Blicke bemerkt hat, stellt lakonisch fest, dass Hauka im Moment richtig gut gelaunt zu sein scheint, was ich mit einem irritierten Blick quittiere. Ich möchte nicht wissen, wie diese Frau sich verhält, wenn sie schlechte Laune hat.

Nadira erzählt mir, dass die beiden Rondrageweihten, neben  Hauka ist auch Brin von Rhodenstein, ein sehr gutaussehender und galanter Rondrageweihter, angereist, mit etwa 200 Leuten hier sind. Menschen aus Brandthusen, selbst die zehn Norbarden von Mikhails Leibgarde befinden sich unter ihnen und sind vorerst in der Garnison untergebracht.

Nadira erzählt weiter, dass laut Brin sich niemand außer Mikhail an das alte Bündnis halten würden (ich hatte also Recht mit dem Bündnis) und dass Hauka deswegen etwas verstimmt sei. Weiter soll er erzählt haben, dass Hauka ständig von Himmelswölfen reden würde, vielleicht sollte Danjuk sich mal mit ihr unterhalten.

Für morgen sechs Uhr haben die Rondrageweihten die Auswahl der Moorwachter vorgesehen, die sie mit nach Bjaldorn nehmen wollen. Wie gut, dass wir sowieso recht früh auf sind, wenigstens das bedeutet für uns dann keine anderen Umstände.

26. Rahja 1019 BF

Als ich frühmorgens aufwache, fällt mir auf, dass ich heute scheinbar nicht geträumt habe. Dies beunruhigt mich, habe ich mich doch sehr daran gewöhnt, dass ich Nacht für Nacht Träume habe.

Als ich in das Zimmer von Kolkja gehe, finde ich es leer vor und auch in den anderen Räumen ist er nicht. Einer vagen Ahnung folgend gehe ich zu der kleinen Tür, die in der Palisade hinter Peraines Heimstatt ist, durch die ich direkten Zugang zum Fluss habe und finde diese offen vor. Auf der anderen Flussseite muss jemand die Uferböschung wieder hoch geklettert sein, wenn ich mich nicht irre.

Ich teile Rondrasil mit, dass Kolkja weggelaufen sei und dass ich glaube, dass er in den Wald gegangen ist, ich ihn suchen gehe, denn weit dürfte er nicht gekommen sein, er kann kaum auf sich selbst aufpassen.

Während ich laut nach ihm rufe, kommen mir Ifrundoch und Danjuk entgegen, die von meinem Geschrei, wie sie sagen, alarmiert worden seien. Sie weisen mich an, sie zu der Stelle zu führen, wo ich die Spuren Kolkjas gefunden habe und nehmen von dort seine Fährte auf. Diese führt durch den Wald direkt ins Gebirge, Richtung Efferdsee.

Wir marschieren ihm hinterher, finden am See selbst aber nur Krox. Als ich ihn frage, wo Kolkja sei, sieht er in Richtung Moorwacht, die Spuren jedoch führen nur noch tiefer ins Gebirge. Krox kommentiert dies mit „dummes Tier“. Wir lassen uns davon jedoch nicht abhalten und folgen weiter den Spuren, bis wir an einen Einsturz kommen, der frisch zu sein scheint.

Mittlerweile ist es dunkel geworden und wir beschließen, dass wir hier rasten sollten. Ich habe nicht gedacht, dass wir so lange unterwegs sein werden, weshalb ich nichts mitgenommen habe, kein Zelt, keinen Schlafsack.

Rondrasil wird sich sicherlich auch bereits große Sorgen um mich machen. Aber mit Ifrundoch und Danjuk an meiner Seite dürfte mir so schnell eigentlich nichts passieren.

Ich habe mich gerade hingelegt, als ich vor mir Kolkja stehen sehe. Neben mir steht Danjuk, offenbar befinden wir uns in einem Traum, die Umgebung wirkt verzerrt, schemenhaft.

Kolkja teilt uns mit, dass wir umkehren sollen, dass der Rabe der Dunkelheit ihn suchen würde. Ich vermute, er meint Nirraven? Er sagt weiter, wenn er in Moorwacht bliebe, dann würde der Rabe auf seiner Suche uns holen und das wolle er verhindern. Er sagt weiter, dass er dorthin ginge, wo er gebraucht würde, scheint Bjaldorn damit zu meinen, denn dort würde Nirraven nicht hin können.

Bevor ich groß protestieren kann, dass Kolkja umkehren soll, dass wir ihn beschützen werden, werde ich von Ifrundoch geweckt, der mich hochgehoben hat und mich kräftig schüttelt. Als ich mich umblicke, erkenne ich kriechenden Nebel, aus dem sich immer wieder Gesichter und Fratzen formen. (Ich war noch nie so froh, dass Ifrundoch so groß ist und mich gerade hochgehoben hat.)

Kurze Zeit darauf wird auch Danjuk von Ifrundoch geweckt und teilt uns mit, dass Kolkja ihn noch gefragt habe, ob er diese Beeren, die er ihm gezeigt hat, essen könne und ob er ihn, wenn er sich nicht sicher sei, wieder fragen könne.

27. Rahja 1019 BF

Abends erreichen wir endlich wieder Moorwacht. Ich hätte nicht gedacht, dass uns die Suche nach Kolkja ganze zwei Tage kosten würde, Rondrasil muss sich furchtbare Sorgen um mich machen.

Als ich ihn in Peraines Heimstatt antreffe, hat er eine Decke um sich gewickelt, ist aber sichtlich froh, dass ich wohlauf bin. Mit zerknirschten Zähnen teilt er mir mit, dass er mich gestern suchen gegangen sei, nachdem ich nicht zurückgekommen bin und dass er sich dann verlaufen habe und heute Morgen von Funkenhuf zurückgebracht worden sei. Jetzt wäre er das Gespräch aller Leute hier in Moorwacht.

Ich nehme ihn tröstend in den Arm, rufe ihm ins Gedächtnis, dass auch ich in der Wildnis schon so manche Dinge begangen und erlebt habe, die für reichlich Gesprächsstoff gesorgt haben, was ihn wenigstens ein bisschen aufmuntert.

Im Anschluss daran erzählt er mir, dass gestern der Appell von Hauka war, dass sie an jedem Moorwachter etwas auszusetzen hatte und dass es dann zu einem Streit zwischen Nadira und ihr gekommen sei. Hauka hat sich vehement geweigert, dass Finger und Shakra mitkommen, sie hat gesagt, dass Goblins für sie nur besseres Wild wären, dass sie sie erschlagen würde, sobald sie aus Moorwacht draußen wären.

Nadira habe daraufhin gesagt, dass sie, sollten die beiden hierbleiben, keine zwei anderen Freiwilligen bekäme, woraufhin es zu einem Duell aufs erste Blut gekommen sei, das Nadira kläglich verloren habe.

Ich stelle fest, die Heermeisterin der Rondrakirche ist keine besonders umgängliche Person. Ich bin froh, dass ich nicht direkt mit ihr zu tun habe, auch wenn mir Rondrasil gerade leid tut, da er ihr zu Gehorsam verpflichtet ist.

28. Rahja 1019 BF

Mir wird zugetragen, dass Ifrundoch und Danjuk sich mit Hauka duelliert haben. Danjuk soll sie dabei sogar geschlagen haben, was laut Rondrasil erst ein einziges Mal vorgekommen sei. Aber Ifrundoch hat gegen sie verloren.

30. Rahja 1019 BF

Wir sind gerade zurück vom Reinigungsritual, da wird mir Laske in Peraines Heimstatt gebracht. Er hat einen Sack über dem Kopf, beide Arme wurden ihm ausgekugelt, ein Bein ist gebrochen, das andere ist am Knie verdreht worden. Alles in allem wurde er furchtbar zugerichtet, kann mir jedoch nicht sagen, wer das gewesen sei.

Ich brauche zwei Heiltränke plus einen aufgestuften Balsam, um ihn wieder genesen zu lassen. Aber so kurz vor den unheiligen Tagen will ich nicht, dass er sich mit Verletzungen plagen muss. Ich gebe ihm jedoch mit auf den Weg, dass er demnächst vorerst in der Gesellschaft Thulvjes bleiben solle. Wer auch immer es auf Laske abgesehen haben mag, ich hoffe, dass Thulvje ihn abschrecken kann.

01. Praios 10120 BF

Es geht los.

Auf dem Marktplatz haben sich die Söldner und Norbarden versammelt. Die Freiwilligen und die Rekrutierten. Ich nutze den Appell, um mich noch fix von Thulvje und den anderen zu verabschieden.

In der Hütte von Laske und Thulvje muss ich jedoch mit Schrecken feststellen, dass Laske gefesselt und geknebelt kopfüber von einem Balken baumelt. Dies muss Thulvjes Werk sein. Umgehend gehe ich zu Marktplatz und bitte Nadira, die mir über den Weg läuft, mir zu helfen.

Gemeinsam holen wir Laske herunter und nachdem ich mich vergewissert habe, dass ihm nichts ernsthaft fehlt, gehe ich zurück zum Marktplatz um Thulvje zur Rede zu stellen. Ich komme gerade in dem Moment an, in dem Hauka Laskes Namen aufruft und sehe, wie Thulvje sich stattdessen meldet.

Auf meine Frage, was das solle, antwortet er mir, dass er Laske davor bewahren würde, etwas Dummes zu tun und dass ich ihm helfen könne mit dieser Farce. Weiteres würde er mir abends näher erläutern, denn jetzt würde ich nur den Appell stören. Mit diesen Worten scheucht er mich regelrecht weg.

Hauka treibt uns zu einem schnellen Aufbruch an, weshalb es tatsächlich Abend wird, bevor ich Thulvje erneut zur Rede stellen kann. Nachdem ich Smirnoff abgesattelt und versorgt habe, gehe ich zu ihm und er erklärt mir, dass ich doch diesen Zauber könne, mit dem ich ihn sicherlich wie Laske aussehen lassen könnte. Als ich dies verweigere, meint er, dass er auch noch einen weiteren Plan hätte.

Laske sei mein Schutzbefohlener gewesen und er würde dann eben einfach mit Rondrasil und mir in einem Zelt schlafen, damit niemandem auffällt, dass er gar nicht Laske ist. Ich sage ihm, dass er dies mit Rondrasil selbst klären solle, in der Hoffnung, dass dieser ihn zur Vernunft bringen kann, jedoch kommt der nur nach einer längeren Diskussion zu mir und teilt mir zerknirscht mit, dass wir ab jetzt zu dritt im Zelt schlafen würden.

Einerseits kann ich Thulvjes Entscheidung verstehen. Er ist ein fähiger Kämpfer, Laske nicht, aber andererseits, ach, ich weiß auch nicht.

05. Praios 1020 BF

Heute haben wir Trautmanns Hus erreicht und es haben sich weitere fünfzig Leute uns angeschlossen. Mittlerweile zählen wir an die 600 Menschen. Söldner, Norbarden, Leibeigene, ich.

Mögen die Götter unser Vorhaben gutheißen.

08. Praios 1020 BF

Wir sind in Bjaldorn angekommen. Ein junger Mann, etwa 16 Götterläufe zählend, begrüßt uns. Nadira sagt, dass es sich um Fjadir, den Sohn Trautmanns handele. Er weist uns an, dass die Kämpfer ihre Zelte rund um den Firuntempel aufschlagen können, dort, wo auch die anderen bereits ihre Lager aufgebaut haben, während die Anführer in der Bjallaburg willkommen geheißen würden.

Als wir auf den Marktplatz treten, erkenne ich in ihm den Platz aus Algundes Vision wieder. Ab jetzt werde ich Rondrasil keine Sekunde mehr alleine lassen.

In der Bjallaburg angekommen, machen wir uns alle etwas frisch, bevor wir uns mit Trautmann treffen. Dieser erzählt uns, dass in der Entfernung von etwa einer Woche ein Schneesturm toben würde, der sich nicht bewegen würde. Dass der Schneesturm nicht natürlichen Ursprungs ist, erklärt sich nicht nur aus der Jahreszeit, schließlich haben wir Hochsommer, sondern auch daraus, dass Ilonen, die ebenfalls anwesend ist, nicht in ihn hineinsehen kann.

Weiter erzählt man uns, dass die Rose im Firuntempel nur mehr drei Blütenblätter besitzt und dass Ilonen sich, mithilfe der Rose von Nadira, selbst opfern würde, um den Tempel neu zu weihen, wenn dies notwendig wird.

Wir besprechen weiter, dass Bjaldorn befestigt werden muss, so lange wir noch die Zeit dafür haben. Wenn die Späher uns mitteilen, dass der Schneesturm sich bewegt, dann wird Trautmann seinen Sohn und andere Boten ausschicken, die um Hilfe ersuchen und mitteilen, dass die Schlacht beginnt.

Die Schwachen und Kinder sollen während des Angriffs in die Burg gebracht werden, je zehn Söldner aus Brandthusen, Bjaldorn und Moorwacht sollen dort die Bewachung übernehmen. Thulvje und Albin sollen sie dabei unterstützen. Albin deshalb, weil Brack sich nur mit dieser Option einverstanden erklärt, nachdem wir Albin nicht an der Front haben wollen, Brack ihn aber nicht alleine lassen will.

Trandjeff soll als Bote für Trautmann fungieren, Bruder Aahren geht mit Woltan ins Lazarett, ein Haus, welches extra für diese Zwecke bereits geräumt worden ist. Hecker und Pjerow werden die Mauer bemannen, Molagh, Rowinja und Ifrundoch in zweiter Reihe an der Front warten. Ich werde mit Rondrasil ebenfalls an der Front bereitstehen, wenn es losgeht, denn nur so kann ich reagieren, sollte sich Algundes Vision bewahrheiten.

Als Trautmann von den Waldschraten erzählt, die den Wald östlich von Bjaldorn bewachen, fragt Ifrundoch, warum diese nicht helfen würden, woraufhin Trautmann erwidert, dass diese ihren Wald noch nie verlassen hätten und dass seine Familie bereits ein Bündnis mit ihnen hätte, weshalb es ihm verwehrt sei, ein weiteres zu schmieden. Jedoch könne Ifrundoch, wenn er das wolle, Anfang Rondra gerne mit der nächsten Schnapslieferung mitgehen und die Schrate um Hilfe bitten. Trautmann würde ihn dafür mit sämtlichen Vollmachten ausstatten, die notwendig wären, um sich die Unterstützung zu sichern.

Nachdem ich nicht wirklich viel beitragen kann, ich kann weder die Mauern befestigen, noch werde ich jetzt noch großartig besser werden, was das Kämpfen angeht, beschließe ich, neben dem Training weiter an meinem Zauber zu arbeiten.

30. Praios 1020 BF

Algundes Vision rückt immer näher. Die Kuppel des Firuntempels wurde zerstört. Mehr als 120 Söldner sind dabei gestorben. Aber der Reihe nach.

Der Himmel begann sich zu verdunkeln, die Luft wurde stickig, es stank nach Schwefel. Über der Stadt haben sich dunkle Wolken zusammengebraut aus deren Mitte sich ein Gesicht geformt hat. Wenn mich nicht alles täuscht, handelte es sich um einen Dämon aus Nagrachs Domäne. Einen siebengehörnten Dämon, der eigentlich Stürme über das Land bringt.

Das Gesicht, besser die Fratze, öffnete seinen Mund, aus dem es rot glühte, ein rot glühender Strahl heiße Lava ergoss sich über der Kuppel des Firuntempels, das Eis begann zu zischen und zerbarst schlussendlich in abertausende Teile. An die hundert Söldner sind direkt dabei gestorben. Weitere 24 sind im Lazarett gestorben.

Einzig Danjuk ist es zu verdanken, dass nicht noch mehr Opfer zu beklagen sind. Trotz seiner großen Angst vor Feuer ist er mutig in die Flammen gerannt und hat etliche Verletzte geborgen. Die Wolken haben sich kurz nach dem Lavastrom wieder verzogen.

Die Moral ist dementsprechend auf einen Tiefpunkt gesunken, Ilonen wird von den anderen dafür verantwortlich gemacht. Besser gesagt hätte sie sie beschützen sollen, es wird sogar mit Obst nach ihr geworfen, aber sie erträgt es stoisch, erwidert lediglich, dass die Leute Angst haben.

Ich kann sie verstehen. Sehr gut sogar. Ich habe auch Angst.

Um die Moral wieder anzuheben soll am 03. Rondra, dem Tag des Schwertfestes eine Parade stattfinden. Warum ausgerechnet eine Parade, das verstehe ich nicht so ganz, aber nun gut, wir werden sehen, ob das klappt.

Morgen wird Ifrundoch die Lieferung in den Wald begleiten, versuchen, die Schrate auf unsere Seite zu bekommen.

01. Rondra 1020 BF

Gegen Nachmittag kommt Ifrundoch zurück, in seiner Begleitung ein leibhaftiger Schrat. Er stimmt nach einigen Verhandlungen zu, dass er und seine 49 Kameraden uns helfen werden, wenn sie dafür im Gegenzug pro Schrat und Tag ein 50 Liter Fass mit Kräuterschnaps bekommen.

Ifrundoch bittet den Schrat, wenn er schon einmal hier ist, den anderen zu sagen, dass die Schrate uns unterstützen werden und prompt läuft dieser durch Bjaldorn und sagt zu jedem, der nicht sofort vor ihm davon läuft „Wir helfen euch!“.

Im Anschluss kann ich nicht mehr an mich halten und beginne, einige Fragen zu stellen, unter anderem, wie die Schrate sich vermehren und dergleichen mehr. Der Schrat wusste doch tatsächlich nicht, dass es noch andere Wälder neben diesem hier gibt. Auch erzählt er, dass sie auch einmal ein Einhorn hatten, als ich von Funkenhuf erzähle, dass sie dieses jedoch getötet hätten, weil es an ihre Schnapsvorräte wollte.

Vermehren geht bei Schraten nur, wenn einer stirbt. Dann bildet er quasi den Nährboden für einen neuen Schrat und in dem Wald neben Bjaldorn wird es auch immer nur fünfzig Schrate geben, denn für mehr wäre der Wald zu klein.

Ob es in unserem Wald auch Schrate gibt? Vielleicht weiß Funkenhuf das ja.

03. Rondra 1020 BF

Heute ist die Parade und allen scheint es zu gefallen, dass wir durch Bjaldorn marschieren. Auch ich marschiere mit, an der Seite Rondrasils. Dieser geht, zusammen mit Hauka und Brin, an der Spitze des Zugs, weshalb auch ich zwangsläufig ganz vorne mitgehe, aber ich hätte nicht gedacht, dass diese Parade, so ironisch sie mir im Vorfeld erschienen ist, doch die Moral so erheblich wiederherstellen konnte.

01. Efferd 1020 BF

Heute ist der erste Schnee gefallen. Ilonen erzählt eher beiläufig, dass Nirraven am fünften Tag des Namenlosen auf Dere gekommen sei, in den Leib des Sultans al Wenisch gefahren wäre.

Nirraven. Hier. Kolkja hatte offenbar Recht. Kolkja. Wo er wohl gerade ist?

15. Efferd 1020 BF

Heute erreichte mich ein Bote aus Brandthusen mit einer Depesche und einem Paket. Thezmar hat mir seine Unterlagen, seinen Teil für den neuen Zauber geschickt. Ihm ist es tatsächlich gelungen von dem Fulminictus das Merkmal Schaden zu entfernen, die Welle des Schmerzes umzuwandeln und in meine Thesis zu integrieren.

In dem beigelegten Brief bedankt er sich bei mir für die gute Zusammenarbeit und teilt mir mit, sollte er den Krieg nicht überleben, dann wolle er zumindest, dass seine Arbeit nicht umsonst gewesen wäre.

An seiner Stelle hätte ich vermutlich dasselbe getan. Wenn ich doch nur auch schon fertig wäre. Ich bete dafür, dass er, nein, dass alle in Brandthusen wohlauf sein werden, wenn wir aus Bjaldorn zurückkehren.

28. Travia 1020 BF

Gegen Abend kommen die Späher zurück nach Bjaldorn, melden uns, dass der Schneesturm sich in Bewegung gesetzt hat, dass er morgen oder spätestens übermorgen die Stadt erreicht haben wird.

Ilonen ruft sämtliche Geweihte in den Tempel für ein Gebet.

29. Travia 1020 BF

Es muss um die dritte Nachmittagsstunde sein und es  wird dunkel, die Praiosscheibe geht unter.

Es geht also los.

Mögen die Götter uns beistehen.

30. Travia 1020 BF

Nur eine dünne Wand aus Eis hält sie davon ab uns zu töten. Nadira, mit durchschnittener Kehle. Rowinja, deren Arm nur noch an den Sehnen hängt. Iwan Wjobschkoda, dessen Augen fehlen. Und dennoch kratzen sie beständig an dieser dünnen Wand aus Eis. Sie und noch an die tausend weitere Untote.

Wir haben die Schlacht verloren. Bjaldorn ist gefallen. Trautmann ist tot. Ilonens Leiche liegt hinter mir. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch wir sterben werden.

Als gestern, ist es tatsächlich noch keine acht Stunden her? Als gestern die Praiosscheibe sank, sind Kantalla und Danjuk zu den Schraten geeilt, um ihnen mitzuteilen, wann sie angreifen sollen.

Es ist eiskalt geworden, gelegentlich zuckten Blitze durch die Nacht, welche die grausame Szenerie beleuchtet haben. Ich stand neben Rondrasil, als wir die Trommeln hörten. Kurz darauf brach die Mauer und eine steinerne Schlange, eine schwarze Schlange, an die 150 Schritt lang, bahnte sich unbarmherzig ihren Weg. Sie schrammte am Firuntempel vorbei und zog einen Bogen auf die Bjallaburg zu.

Durch die Schneise, welche die Schlange in die Mauer geschlagen hatte, folgten zuerst einige Leibeigene, die jedoch von Ogern verfolgt worden sind. Während Rondrasil, Hauka und die anderen gegen diese Kreaturen kämpften, konnte ich auf den Mauern Werwölfe erkennen, die von außen hochgesprungen sein mussten. Angeführt von Fiebling Sorenas!

Dieser ließ ein wildes Brüllen hören, als er Nadira ansichtig wurde, welche in Richtung dieser steinernen Schlange flog. Hinter ihm erkenne ich die Schrate, welche aus dem Wald kommend Uriels Truppen in die Flanke gefallen sind.

Noch während die Schrate sich durch die Massen pflügen, ich kann Fjarninger erkennen, Oger und Orks, fangen sie auf einmal wie wild an zu schreien, bleiben stehen, beginnen zu welken. Zeitgleich höre ich aus Richtung des Waldes Holz brechen, sehe einen Arkhobal hervorbrechen. Dieser scheint den Wald der Schrate korrumpiert zu haben, denn plötzlich wenden sie sich gegen uns, unsere Truppen.

Vom Marktplatz und von der Burg hören wir die Alarmglocken. Wir hatten den Großteil unserer Truppen im nördlichen Stadtteil Bjaldorns beim Firuntempel postiert, da wir den Angriff von dort vermuteten, doch jetzt eilen Rondrasil, Ifrundoch, Ilonen und auch ich zum Marktplatz, während Pjerow mit Hecker zur Burg eilt.

Es herrscht ein heilloses Durcheinander, alles geschieht so schnell. Die Einheit, die wir am Südtor postiert hatten, ist weg. Durch das offene Tor stürmen Fjarninger, Orks und Kriegsoger auf uns zu. Auch die Hexe Alwinja erkenne ich.

Ich wirke einen Blitz auf die Kriegsoger, um Rondrasil und Ifrundoch zu ermöglichen, diese auszuschalten und versuche mir im Anschluss einen Überblick zu verschaffen. Dabei sehe ich nach hinten, wo Ilonen steht und erkenne mit Schrecken, wie aus dem nichts ein dämonisches Pferd auftaucht, mit Gerbald als Reiter. Dieser hält das verfluchte Schwert in Händen, welches Doram damals verloren hat. Jenes Schwert, in dem der Fluch Kantallas steckt.

Ich will Ilonen warnen, bemerke jedoch, dass sich auch bei Rondrasil etwas tut. Die Vision! Vor ihm schält sich der Dämon mit den vier Armen aus dem Schnee und ich muss mich entscheiden. Meine Wahl fällt auf Rondrasil. Ich wirke den Gardianum, den ich nur für diesen Zweck in meinem Stab gespeichert habe und die Angriffe des Dämons prallen an ihm ab.

Mein Warnruf an Ilonen, den ich unmittelbar danach ausstoße, rettet sie jedoch leider nicht. Noch während sie mich ungläubig ansieht, bohrt Gerbald das verfluchte Schwert durch ihre Brust und in einiger Entfernung sehe ich mit Schrecken, wie Kolkja mit verzücktem Gesicht da steht. Jetzt hat er also doch ihre Seele bekommen.

Noch während ich ungläubig die Szenerie betrachte, höre ich Kolkja ächzen, er ruft „Tempel! Tempel!“ bevor er von Gerbald, besser dessen Reittier, gepackt und weggeschliffen wird. Rondrasil ist es, den Göttern sei Dank, in der Zwischenzeit gelungen, den anderen Dämon zu töten und gemeinsam mit Danjuk und Kantalla, die durch das Südtor zu uns stoßen, eilen wir zum Tempel.

Dabei tragen die Danjuk und Ifrundoch Ilonen mit sich, denn Firun zeigt keine Gnade. Aber er hilft seinen Jüngern. Und Rondrasil läuft uns geknickt hinterher, irgendetwas in ihm scheint zerbrochen zu sein.

Auf unserem Weg zum Tempel kommen wir am Lazarett vorbei, welches wie durch Peraines göttliche Fügung unbeschädigt ist. Bruder Aahren und Thindal treten heraus, gefolgt von etwa fünfzehn Verwundeten, einer davon auf einer Trage und sie schließen sich uns an.

Von der Burg hören wir Schreie und an der Mauer hinter dem Tempel erkennen wir mit Schrecken, dass Mengbillar Kolkja auf ein Gestell gefesselt hat, ihm eine grün leuchtende Kette um den Hals legt. Daraufhin erbricht sich Kolkja und die Leichen, die überall herum liegen, beginnen sich zu erheben.

Trautmann kniet vor Uriel und wird von diesem erschlagen, Rowinja liegt tot daneben.

Es gelingt uns gerade noch in den Tempel zu flüchten und dort legen Ifrundoch und Danjuk die Leiche Ilonens auf den Altar. Zwei der verbliebenen drei Blätter fallen daraufhin ab und um den Tempel herum entsteht eine dünne Mauer aus glasklarem Eis. Diese dünne Mauer, die uns vor den Untoten beschützt, die immer noch unentwegt an ihr kratzen.

Mengbillar entdeckt mich auf einmal, wird wütend, eilt auf mich zu, will das Eis zerschlagen, seine Hand wird jedoch regelrecht weggeschleudert. Aus hasserfüllten Augen blickt er mich an, während ich mich hinter Rondrasil verstecke.

Wir müssen hilflos mitansehen, wie Mengbillar und Uriel mit dem gefesselten Kolkja von dannen ziehen. Wir müssen mitansehen, wie die Schlange aus Stein, welche zum Stehen gekommen war, mit dem Blut der Zivilisten aus der Burg gewaschen wird und sich wieder in Bewegung setzt.

Nach ein paar Stunden, es dürfte kurz vor Mitternacht sein, kommt ein zitternder Mann mit einem Zettel zu uns, den er uns an das Glas hält. Darauf steht, dass Uriel weiter zieht, dass er uns aber etwas Gesellschaft dalassen würde und als Post Skriptum ist noch hinzugefügt, dass sein nächstes Ziel Moorwacht sei.

Hoffnungslos habe ich mich am Altar auf den Boden gleiten lassen, die Leiche Ilonens hinter mir und begonnen, diese Zeilen hier niederzuschreiben.

Wenn ich meinen Blick hebe, sehe ich Nadira. Ihre Kehle ist durchschnitten, die Phiole mit der Rose aus Eis, die sonst immer an ihrem Gürtel hängt, ist verschwunden. Ich sehe Rowinja und viele vertraute Gesichter unter den Norbarden. Auch Hauka kann ich erkennen.

Pjerow, Thulvje oder Hecker habe ich noch nicht gesehen, aber wer weiß, ob sie nicht nur weiter hinten umher wanken. Ich weiß weder, was mit ihnen passiert ist, noch weiß ich, wie wir hier herauskommen sollen.

Wenn ich mich umsehe, dann sehe ich einen schwer verletzten Brin von Rhodenstein. Thindal, Bruder Aahren und Woltan sind hier, auch Kantalla, Ifrundoch, Danjuk und Molagh. Und natürlich mein Rondrasil. Wenigstens ihn konnte ich retten. Stellt sich die Frage, ob dies nur ein kleiner Aufschub war, ob wir hier lebend herauskommen.

Ich muss eine Weile ins Leere gestarrt haben, erst nach einer kurzen Zeit wird mir bewusst, dass die Verletzten mich anblicken. Nein, sie blicken auf meinen Stab. Die Kugel leuchtet, aber es ist nicht das warnende Leuchten, vielmehr blicken mich zwei Augen aus ihr heraus an. Algundes Augen.

Sie redet mit mir, meint, dass irgendetwas nicht nach Plan laufen würde, sie uns jetzt auf einmal wieder sehen könne und dass sie uns eine Kutsche schicken wolle.

Ich frage mich, wie eine Kutsche durch die unzähligen Untoten kommen soll. Wie lange wird das letzte Blütenblatt der Firunsrose halten? Was ist mit meinen Freunden geschehen? Lebt Smirnoff noch? Wie kommen wir hier raus? Wir müssen Moorwacht warnen.

Moorwacht. Mutter, Vater.

Abenteuer: Der Fall des Bären
Dieser Eintrag wurde am 13.11.2017 (21:45) verfasst und 620 mal aufgerufen.
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