Tagebuch von Jindrich Eichinger
Das Geisterfest von Siljen

So ging die Reise nach Thorwal weiter, nachdem Gisbert wieder zusammengeflickt war. Das Rätsel der verschossenen Eisenkugeln löste sich rasch auf. Eine große Frau, die bereits mit Caya bekannt war, folgte dem Handelszug heimlich. Ihr Name war äußerst seltsamt. Caya bezeichnete sie immer als "Vielleicht Leise", wobei ich nie herausbekam, was von den beiden Namen der Vor- und welcher der Nachname war. Wie dem auch sei, diese Person hatte eine Art Schussgerät, dass diese Eisenkugeln verschoss, wie eine Armbrust eben Armbrustbolzen verschoss. So eine Waffe hatte ich noch nie gesehen. Auch blieben mir die Gründe, warum uns diese Person folgte, verborgen. Aber sei es drum, solange sie nichts Böses im Schilde führte, sollte mir das Recht sein.

Ich fasse nun die Ereignisse bis zur Eintreffen im Dorf Siljen zusammen. Es gab keine weiteren Scharmützel und wir erreichten die Stadt Thorwal. Dort hatten wir ein wenig Aufenthalt, da der Handelszug in Thorwal Waren verkaufte. Ich nutzte die Gelegenheit, die hiesigen Kollegae der Akademie "Schule der Hellsicht" einen Besuch abzustatten. Ich wurde auch von Spektabilität Celyanna von Kunchom persönlich empfangen. Sie hatte sogar eine Aufgabe für mich, nachdem sie erfuhr, dass ich ins Thorwaler Hinterland nach Waskir weiterreisen würde. Sie wollte, dass ich an den vorbeikommenden Dörfnern Ausschau nach von Mada gesegneten Kindern halten solle. Es war natürlich Ehrensache unter Kollegen der grauen Gilde und es sprang sogar eine kleine Belohnung für mich heraus in Form eines Zutritts zur hiesigen Bibliothek. Da ich in nächster Zeit mich bezüglich der Hellsichtmagie weiterbilden wollte, kam mir das gerade gelegen. Als ich mich wieder mit den Gefährten traf, berichteten diese etwas Seltsames. Es soll direkt vor Thorwal ein Dorf voll Orkinacken geben, die da Tür an Tür mit den Thorwallern lebten. Sind diese Thorwaller etwa von niederer Intelligenz? Es kam mir eigentlich nicht so vor. Wie kann man nur direkt neben sich den Orkinacken wohnen lassen? Darüber müsste bei Gelegenheit mit der Hetfrau gesprochen werden. Aber dafür war jetzt keine Zeit. So ging es dann von Thorwal weiter nach Waskir.

Zwei berichtenswerte Ereignisse traten ein. Zum einen legten wir auf Hinweis unserer unsichtbaren Begleiterin einem Grabräuber, der als Kutscher einen Wagen unseres Handelszuges fuhr, das Handwerk und zwar so, dass es der hiesigen Bevölkerung verborgen blieb. Dafür war uns der Führer des Handelszugs mehr als dankbar, nahmen es die Thorwaler doch sehr streng mit Freveln gegen ihre Verstorbenen.

Zum anderen halfen wir einen Bauernfamilie in Not, bei deren Hof bei einem starkem Gewitter der Blitz einschlug und einen Stall in Flammen aufgehen lies. In dem Stall waren noch Menschen eingeschlossen. Mit vereinten Kräften konnten wir die Tochter des Bauern aus den Flammen bzw. dem giftigen Rauch des Feuers retten. Zum Dank lud uns der Hausherr zu einem "Geisterfest" in sein Heimatdorf Siljen ein, das sich etwa eine Tagesreise hinter Waskir befinden soll. Wir willigten ein, es hörte sich interessant an und ich bin ein sehr neugieriger Mensch, von daher konnte ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Die Reise von Thorwal nach Waskir verlief ereignislos und so liesen wir uns vom Handelszugführer auszahlen und machten uns auf dem Weg nach Siljen, nicht bevor ich mir noch eine lokale Besonderheit von Gebranntem aus Waskir mitnahm. Der Weg von Waskir nach Siljen war eher ein Schlammpfad, denn eine Strasse und es kam auch noch schlechtes Wetter auf. Da wir zu Fuß unterwegs waren, kamen wir nur langsam und mühevoll voran. Auf dem Weg entdeckten wir etwas Verstörendes. Zwei Wölfe mit durchgeschnittenen Kehlen waren an Stehlen genagelt worden. Wer tut den so etwas? Einige Zeit später entdeckten wir eine Art von Altar, auf dem mit kleinen hölzernen Statuen eine Familie abgebildet war. Die Figur des Mädchens war mit einem Blumenkranz geschmückt. Keiner von uns konnte etwas damit anfangen, es musste sich wohl um eine Art von lokalem Brauchtum handeln. 

Das Schneetreiben wurde immer dichter und man sah kaum mehr als ein paar Schritt in die Ferne. Die Dorfbewohner von Siljen hatten jedoch jemanden geschickt, der nach uns Ausschau halten sollte. Hesinde sei Dank, wenigstens waren sie mit Weisheit gesegnet. Ohne Führung hätten wir das Dorf wahrscheinlich nie gefunden und wären als Schneeleiche geendet. Dank des Führers war der Weg aber kein Problem. So kamen wir erschöpft an. Das Dorf Siljen war nicht groß und lag am Rand eines Moores. Letzteres war auch der Grund für das anstehende und sich jährlich wiederholende Geisterfest. Dieses Fest diente dazu, das Moor zu besänftigen und die Geister und untoten Wesenheiten im Moor zu halten. Der erste in uns aufkeimende Verdacht, dass die Besänftigung des Moores mittels unserer Personen erfolgen sollte, konnte rasch entkräftet werden. Dazu wirkten die Dorfbewohner zu ehrlich und aufrichtig.

Wir berichteten von unseren Beobachtungen, insbesondere von den beiden getöteten Wölfen und man beschloss, die Sache zu untersuchen, aber aufgrund des bevorstehenden Beginns war Eile geboten. Da weder Gisbert, noch Caya noch ich des Reitens mächtig waren, wurden drei Dörfler mit Pferden abgestellt, die uns zu dem Ort zurückbringen sollten. Einer der Dorfbewohner überreichte mir sogar ein Schutzamulett von Swafnir, was ich als rührende Geste empfand und dankend annahm. Wer weiß, für was es noch nützlich sein konnte. So ritten wir zurück und untersuchten die Gegend um den Altar. Es gab da eine seltsame Spur, die in Richtung des Moores führte, die verdächtig danach aussah, als ob etwas gen Moor geschleift worden war. Wir folgten der Spur ins Moor hinein. Nach einiger Zeit fühlte sich Gisbert plötzlich nicht wohl in seiner Haut. Er sagte, es hatte etwas mit dem Boden zu tun. Da nichts Offensichtliches zu erkennen war, wandte ich den Zauber des Odem Arcanum an und siehe da, etwas Bedenkliches offenbarte sich. Sowohl von Gisbert, als auch von Caya und mir wanderte astrale Energie in Richtung des Moores ab. Es gab keinen Zweifel darüber. Doch ich konnte nicht mehr erkunden, denn plötzlich kam eine dieser Moorleichen auf uns zu. Caya und Gisbert suchten Ihr Heil in der Flucht und auch ich war kurz davor, von diesem abscheulichen Anblick in Panik zu verfallen doch ich konnte mich beherrschen und einen geordneten Rückzug antreten. Hesinde sein Dank sind diese untoten Kreaturen nicht besonders schnell und so war es auch bei diesem Moorleichnam. Die Gefahr war schnell vorrüber und wir entschlossen uns zum Rückzug. Das Geisterfest konnte nicht warten und wir wollten nicht zu spät sein.

Irgendwann auf dem Rückweg überkam uns der Gedanke, dass die Spuren zu der Person Vielleicht Leise gehören konnten. Das war nicht gut, denn bestimmt ist nicht freiwillig dort hinein gewandert. Wie dem auch sei, wir schafften es gerade noch rechtzeitig zum Beginn des Festes wieder im Dorf zu sein. Man merkte schon, dass es sich hier um etwas Wichtiges für die Hiesigen handeln musste, denn es schien alles Bestens vorbereitet. Jetzt erfuhren wir auch endlich, was eigentlich genau passieren wird. Um das Moor zu besänftigen, wurde jedes Jahr ein Kind auswerwählt, dass mit der gesamten Dorfgemeinschaft in das Moor geführt wurde, um dort dem "Moor übergeben" zu werden, was auch immer das zu bedeuten hatte. Nach einem Tag kam es dann wieder unbeschadet aus dem Moor zurück und dem Ritual ward genüge getan. Irgendetwas sagte mir, dass mehr dahinter stecken musste. Aber wir würden Zeuge der Prozedur werden, so wollte ich nicht mit bohrenden Fragen die Stimmung des Fests beschädigen. Diese wurde immer ausgelassener, je weiter die Stunde vorrückte. Fast schon eine unnatürliche Fröhlichkeit war zu spüren. Ich hielt mich bewusst etwas Abseits, da ich nicht in der Stimmung für Feiern war und einen klaren Kopf behalten wollte. Doch es war fast unmöglich, sich dieser Stimmung zu entziehen. Ein Blick mittels Odem offenbarte auch den Grund dafür. Hier war magisches Wirken am Werke. Diese roten Fäden der wandernden Astralenergie waren nun auch bei dem Kind, dessen Mutter und Vater zu sehen. Irgendetwas ging hier vor, das ergründet werden musste.

 

 

Abenteuer: das Geisterfest von Siljen
Dieser Eintrag wurde am 14.01.2018 (14:59) verfasst und 616 mal aufgerufen.
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