23. Boron 1020 BF
Nachdem wir, mitten im Nirgendwo, dazu gezwungen sind, auf den Einbruch der Nacht zu warten, habe ich immerhin ein wenig Zeit, niederzuschreiben, was passiert ist.
Der Kutscher hat den jungen Magier beiseite gezogen und diskutiert intensiv mit ihm und mir fällt auf, dass Alderich nur mit einem Nachthemd bekleidet ist. Es ist bitterkalt, überall liegt Schnee und wenn ich den Jungen nicht schleunigst trocken und warm bekomme, wird er uns noch sterben, bevor wir heute Abend wieder aufbrechen.
Danjuk ist mit den Worten, dass er sich neue Speere schnitzen wolle, in den Wald gegangen. Stimmt, seine Speere hat er ja bei dem Angriff auf Mengbillar auf ihn geworfen und konnte sie danach nicht wieder einsammeln.
Cidris hat sich ebenfalls ein wenig zurückgezogen und trainiert eifrig mit seinem Schnitter. Von Finger sehe ich keine Spur, aber immerhin Pjerow hilft mir dabei, ein kleines Lagerfeuer zu entfachen, wenngleich er beim nächsten Mal vielleicht etwas trockeneres Holz verwenden sollte, denn es qualmt schon sehr. Aber immerhin ist es jetzt wärmer und Alderich hört langsam auf, am ganzen Leib zu zittern.
Während ich meinen Gedanken nachhänge, kommt plötzlich Finger auf Pjerow zugestürmt und sagt ihm, dass der Kutscher und der Magier gesagt hätten, dass er tot wäre. Auf Nachfrage gibt er wider, dass sie gesagt haben sollen „Der Wirt ist tot.“
Meine Neugier treibt mich dazu, die beiden direkt zu fragen, was sie damit meinen und der Kutscher erklärt mir, dass die Kutsche einen Wirt gehabt hat, mit dessen Energie sie gefahren sei und dass er jetzt, da der alte Wirt tot sei, die Energie des jungen Magus hier nehmen müsse, was diesem sichtlich missfällt.
Der Kutscher erzählt, dass der alte Wirt ein Magus namens Bosper gewesen sei und mir wird schlagartig bewusst, dass ich diesen Mann gekannt habe. Also, nicht direkt gekannt, aber ich habe einen Brief von ihm bekommen. Das also meinte er damit, dass seine Lebenskraft schwinden würde. Jetzt ist er also tot. Ich hoffe, dass er, wie er es wollte, vorher noch ausreichend Zeit mit seiner Frau Jassula, Perainella verbringen konnte.
Rondrasil. Wie viel Zeit wir beide wohl noch gemeinsam haben werden?
Ich schiebe diesen Gedanken beiseite und frage den Kutscher, ob es nicht möglich ist, pro Fahrt einen Freiwilligen zu nehmen, der bereit ist, etwas von seiner Lebensenergie zu geben, doch dieser meint, dass dies nicht ginge, erzählt mir, dass er sehr lange im Hungerturm verbracht habe und dass Daanje, so heißt der junge Magus, jetzt der neue Wirt der Kutsche sei.
Daanje wirkt recht traurig auf mich, wen verwundert es auch und ich bitte ihn daher, sich zu mir an das Feuer zu setzen und sich ein wenig mit mir zu unterhalten. Er erzählt mir, dass ihm nicht bewusst war, welchen Preis diese Kutsche letztlich fordern würde, dass er gerade erst richtig klar sehen würde, in welch missliche Lage er sich gebracht habe.
Man mag es kaum glauben, aber dieser junge, freundliche Magus, der im Übrigen aus Gerasim stammt, der Akademie, an der Jylani von Norburg mittlerweile die neue Spektabilität ist, ist sogar noch pazifistischer und friedfertiger als ich.
Am späten Nachmittag kommt Ifrundoch mit einem Kaninchen aus dem Wald, welches er gejagt hat und welches Pjerow jetzt für uns alle über dem Feuer brät. Während ich in die Flammen blicke, fragt mich Alderich, was wir mit ihm vorhaben, spekuliert, dass er unsere Geisel sei und sagt, dass wir ihn töten würden. Als ich ihm widerspreche, meint er, dass die anderen ihn garantiert töten würden aber ich kann ihn beruhigen. Das ist nicht unser Plan, wir wollen ihn lediglich gegen Jucho austauschen und Uriel dazu zwingen, Neersand und Festum zu umgehen.
Als das Madamal am Himmel steht, wirke ich Madas Spiegel das erste Mal auf Rondrasil. Er wirkt nur sehr kurz, aber ich kann, neben den Schmerzen in der linken Schulter, die ich mit einem Mal spüre, erkennen, dass er sich gerade von Festum zu entfernen scheint. Die Tore wirken intakt und ich spüre zwar, dass mein Geliebter in Eile ist, aber keine Angst.
Ob er auch etwas von mir gespürt hat?
Es muss etwa um die elfte Abendstunde sein, als der Kutscher die Kutsche vor unseren Augen entstehen lässt. Daanje wird daraufhin aschfahl im Gesicht, krümmt sich zusammen und nimmt eine Schonhaltung ein, gerade, dass er noch auf dem Kutschbock Platz nehmen konnte.
Danjuk, den man den ganzen Tag über immer mal wieder im Wald fluchen hat hören und der ohne Speere wieder zu uns gestoßen ist, will erneut aus Angst vor den Flammen nicht in die Kutsche einsteigen und auch mein Ängste lindern zeigt keine Wirkung, lässt seine Panik zwar etwas weniger werden, aber nicht gänzlich verschwinden.
Noch ehe ich etwas sagen kann, tritt Ifrundoch von hinten an ihn heran und schlägt ihn mit seiner Waffe bewusstlos. Scheinbar habe ich ihm zu lange gebraucht, zumindest entnehme ich dies seiner Bemerkung, dass wir jetzt endlich losfahren könnten.
In der Kutsche lasse ich Danjuk einen Balsam angedeihen und sobald er wieder aufgewacht ist und realisiert hat, was passiert ist, funkelt er Ifrundoch böse an.
Mit einem Blick aus dem Fenster stelle ich fest, dass die Kutsche sogar über das Wasser fahren kann, dass sie selbst auf dem Wasser eine brennende Spur hinterlässt.
24. Boron 1020 BF
Es muss etwa Mitternacht sein, als wir anhalten und in etwa 100 Schritt Entfernung können wir die Stadtmauern Neersands und das Gasthaus „Festumer Tor“, welches sich direkt daran anschmiegt, erkennen.
Als Ifrundoch aus der Kutsche aussteigen möchte, bekommt er von Danjuk einen Tritt in den Rücken, damit er, wie er sagt, schneller aus der Kutsche hinaus kommt und ich sehe mit Schrecken, wie Daanje dunkles Blut erbricht. Er erinnert mich stark an Wilmaan, der ebenfalls solche Symptome aufgewiesen hat, viel mit seiner Lebensenergie gezaubert habe. Ich frage mich, wie lange Daanje diese Tortur aushalten wird, wie viele Fahrten mit der Kutsche er bereitstellen kann, bevor es ihm wie Bosper ergeht.
Da die Stadttore um diese Zeit bereits geschlossen sind, beschließen wir, wie damals bei unserem ersten Besuch in Neersand, im Gasthaus zu nächtigen und Ifrundoch klopft den Wirt aus dem Bett.
Nachdem Pjerow uns allen Essen und Trinken spendiert hat und der Wirt uns kalten Braten aufgetischt hat, erzählt er uns, dass der Widderorden den Bronnjaren Sumowicz von Plotzingen festgesetzt habe, weil dieser Tjelka nicht nach Neersand einlassen wollte. Im Anschluss an diese Information teilt er uns mit, dass wir uns selbst bedienen sollen, er würde sich wieder hinlegen und mir fällt ein, dass Alderich noch immer nur mit einem Nachthemd bekleidet ist.
Dies und die Tatsache, dass Ifrundoch ihn sich immer über die Schulter geworfen hat, wie ein erlegtes Tier, haben den Wirt schon recht stutzig gucken lassen. Daher erbitte ich mir von ihm einen Satz Kleidung für ihn, damit wir in Neersand selbst nicht so sehr auffallen.
Als ich die Kleidung von ihm bekommen habe, lasse ich Alderich von Ifrundoch in den Schlafsaal bringen, wasche ihn und kleide ihn an. So peinlich es ihm zu sein scheint, dass er diese Dinge nicht selbst tun kann, so dankbar scheint er mir dennoch zu sein.
Erneut sagt er mir, dass die anderen ihn umbringen würden und erneut bekräftige ich, dass dies nicht unser Plan sei. Um ihn abzulenken, frage ich ihn, wie dieser Unfall passiert sei und warum kein Heilmagier gerufen worden sei.
Alderich erzählt, dass es sich um einen Jagdunfall gehandelt habe und dass dieser kurz nach jenem Vorfall in Ouvenmas passiert sei, bei dem ich seinem Vater unglücklicherweise beide Hoden entfernen musste, die Ifrundoch ihm im Kampf zerquetscht hat.
Daraufhin ließ Uriel sämtliche Heilmagier vierteilen und so konnte niemand ihm zeitnah und adäquat genug helfen, niemand verhindern, dass er gelähmt blieb.
Während Alderich dies erzählt, höre ich ihm nachdenklich, schweigend zu. Sollte sein Zustand tatsächlich meine Schuld sein? Ist er jetzt ein Krüppel, weil ich seinem Vater zwar geholfen habe, aber nicht so, wie er es sich gewünscht hat?
Alderich erzählt weiter, dass sein Vater nur aufgrund dieses Vorfalls damit begonnen habe, sich mit den Falschen zu verbünden, weil diese ihm das versprachen, was ich ihm genommen hatte. Habe ich ihn in die Arme Mengbillars getrieben?
Ich bitte Alderich darum, ihn gründlich untersuchen zu dürfen und während ich dies tue, spreche ich, mehr zu mir als zu ihm, darüber, dass man diesen Zustand vielleicht sogar wieder umkehren könnte, wenngleich ich mir weder sicher bin, ob ich dazu wirklich in der Lage wäre, denn meinen neuen Zauber habe ich in die andere der beiden Richtungen weiter entwickelt, noch ob ich die nötige Kraft dazu besitze.
Ich erzähle Alderich, dass ich einen Zauber auf Grundlage des Balsams entwickelt habe, mit dem ich Narben entfernen könnte und dass ich während der Entwicklung entscheiden musste, ob ich damit nur Narben entfernen können will oder ob ich, was wesentlich kraftintensiver geworden wäre, auch fehlende Gliedmaßen wieder nachwachsen lassen wolle. Ich habe mich für ersteres entschieden, da ich zu diesem Zeitpunkt keine Notwendigkeit darin gesehen habe, die zweite Variante in Erwägung zu ziehen.
Noch während ich mehr oder weniger meinen Monolog halte, gibt mir Alderich mit einem Mal zu verstehen, dass er, wenn ich tatsächlich dazu in der Lage wäre, ihm zu helfen, mir sehr dankbar wäre. Er würde mir einen Gefallen meiner Wahl zugestehen sowie 20.000 Batzen, sobald sein Vater nicht mehr Bronnjar wäre und er an der Macht wäre.
Weiter sagt er mir, dass er, würde er selbst auf einem Pferd in die Schlacht reitend, vor die Truppen Uriels reiten, sicherlich einige seiner Anhänger auf seine, unsere Seite ziehen könnte und so sehr ich auch auf den Haken warte, auf einen Unterton in seiner Stimme lausche, er wirkt absolut aufrichtig auf mich.
Ich sollte den anderen davon erzählen, aber erst einmal sollten wir schlafen, es ist bereits zwei Uhr, wenn ich mich nicht irre.
Der Duft von frisch gebratenem Speck weckt uns alle auf und während die anderen umgehend in den Schankraum gehen, mache ich mich daran, Alderich frisch zu machen und ihn dann mit einem besonderen Griff, den ich mir angeeignet habe, in den Schankraum zu ziehen. Dabei umfasse ich seinen Unterarm von hinten unter seinen Achseln durchgreifend mit meinen beiden Händen und ziehe seinen Oberkörper auf meine Oberschenkel, bevor ich dann rückwärts langsam los laufe. Mit diesem Griff habe ich schon unzählige Male Schwerstverletzte aus der Gefahrenzone gezogen und auch hier macht er sich mehr als bezahlt.
Nachdem wir uns zu den anderen an den Tisch gesetzt habe und ich gerade ansetzen möchte, die anderen über Alderichs Angebot zu informieren, setzt sich ein Ritter des Widderordens zu uns und erst jetzt fällt mir auf, dass nahezu der gesamte Schankraum voll mit Angehörigen des Widderordens ist.
Er spricht uns direkt an und sagt, dass er uns zum Verwalter der Adelsmarschallin bringen werde, welcher uns prüfen wolle, wissen wolle, weshalb wir nach Neersand wollen und während wir unsere Sachen packen, soll Alderich, der Bruder der Adelsmarschallin hier im Schankraum bleiben.
Danjuk teilt uns daraufhin mit, dass er sowieso nichts zu packen habe und dass er deshalb bei Alderich bleiben würde und wir anderen gehen zurück in den Schlafsaal, wo ich endlich die Gelegenheit habe, sie über das Angebot von Alderich zu informieren. So euphorisch ich darüber auch gewesen sein mag, die anderen begegnen mir nur mit Ablehnung, sagen, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fallen würde, dass er sicherlich genau wie sein Vater wäre, mich nur hinters Licht führen würde und dass ich ihn nicht heilen solle.
Etwas enttäuscht gehen wir zurück in den Schankraum. Hatte Alderich womöglich Recht mit seiner Vermutung, dass die anderen noch etwas ganz anderes im Schilde führen? Oder hat er mich vorgeführt? Sich an die Naivste in der Gruppe rangemacht? Ich weiß nicht, was ich denken soll.
Es müssen an die 50 Ritter des Widderordens sein, die uns nach Neersand geleitet haben, ich frage mich nur, ob sie das aus Vorsicht vor uns so handhaben oder um uns ihre Macht zu demonstrieren.
Wir werden zu der ehemaligen Kronvogtresidenz gebracht, in der vor einigen Götterläufen noch Gerbald als Kronvogt untergebracht war und dort, in einem großen Raum an einer reich gedeckten Tafel, erwartet uns ein Magier, ebenfalls vom Widderorden, in schwarzer Robe, der, wie ich mit Erschrecken feststellen muss, ebenfalls aus Brabak stammt.
Nach der Begrüßung stellt er sich uns als Adeptus major Thanus vor und bedankt sich bei uns dafür, dass wir Mengbillar für ihn getötet haben. Er sagt, dass er zwar verwundert darüber sei, wie wir so schnell hierher reisen konnten, dass er jedoch auch wisse, dass wir mit der Wissenden, wie er sie nennt, zusammen arbeiten würden. Ob er damit Algunde meint?
Weiter fragt er uns, weshalb wir hier sind, woraufhin Pjerow ihm antwortet, dass wir hier seien, um mit der Adelsmarschallin zu verhandeln. Daraufhin erwidert er, dass er wohl wisse, dass wir Alderich als Druckmittel verwenden wollen, dass dieser jedoch wertlos sei, so lange er nicht laufen könne, sich nicht fortpflanzen könne und er sagt weiter, dass Uriel aus diesem Grund Neersand verschonen würde, weil Tjelka die letzte zeugungsfähige von Notmark wäre. (Offenbar weiß Thanus nichts davon, dass Tjelka unfruchtbar ist.)
Pjerow erzählt, dass wir unter Umständen sogar fähig dazu wären, Alderich zu helfen und ich komme mir etwas veralbert vor. Erst sagt er mir, ich solle ihn nicht heilen und jetzt bietet er es sogar an. Ich verstehe manchmal immer noch nicht, warum jeder denkt, dass man über meinen Kopf hinweg entscheiden könnte, wie man wolle und dass man mich für dumm verkaufen könnte.
Noch während ich diesem Gedanken nachhänge, entlässt Thanus uns, sagt jedoch, dass ich noch kurz bleiben solle, während die anderen den Raum verlassen. Er begründet dies mit den Worten, dass ich die Einzige wäre, mit der sich eine Unterhaltung lohnen würde.
Er weist die anderen an, dass wir in dem Bungalow unterkommen könnten, welchen wir zuvor schon einmal bezogen hatten, als er noch Sumowicz gehört habe und ich verabrede mich mit den anderen dort.
Als wir zwei alleine sind, erzählt er, dass er persönlich am Liebsten Borbarad folgen würde, weil dieser die höhere Erfolgsaussicht bieten würde, dass die Spektabilitäten seiner Akademie das jedoch anders sähen und er sich deren Entscheidung gebeugt habe. Deshalb müsse er alles denkbar Mögliche tun, um dem Borbaradianismus die Stirn zu bieten.
Ob er sich dieser Entscheidung nur gebeugt hat, weil die Akademie Blut und Haare von ihm hat, wie er mir erzählt?
Er erzählt weiter, dass er den Bann von Tjelka gebrochen habe und gerade dabei sei, alles dämonische aus ihrem Körper zu entfernen, dass er ihr ergebener Diener ist und noch während ich überlege, wie er das genau angestellt hat und vor allem, was Mengbillar alles mit Tjelka angestellt haben mag, fragt er mich, weshalb wir wirklich hier wären, woraufhin ich ihm sage, dass wir hier seien, um mit Tjelka zu verhandeln.
Er sagt weiter, dass er in letzter Zeit vermehrt dämonische Präsenzen spüren würde am Neer und ich erzähle ihm daraufhin, dass diese vermutlich von der Dämonenarche stammen, welche sich wohl auf dem Weg hierher befände.
Umgehend prasselt eine Flut von Fragen auf mich ein, ob ich wüsste, welche Arche sich nähern würde und woher ich diese Information hätte und dergleichen, doch ich bin mir gerade unsicher, ob ich einen Fehler gemacht habe. Pjerow hatte sich vorhin bei unserem Gespräch die ganze Zeit eher umständlich ausgedrückt, keine konkreten Informationen preisgegeben, weshalb ich ihm auf seine Fragen ausweichend antworte.
Er bedankt sich bei mir für den, wie er sagt, interessanten Tipp und entlässt damit auch mich.
Vor dem Bungalow treffe ich auf Danjuk, welcher mir und den anderen, außer Cidris, der sei laut Danjuk noch im Hafen, mitteilt, dass die Gelegenheit gerade günstig wäre für Finger, um die Perle zu entwenden.
Danjuk erzählt, dass er gemeinsam mit Cidris zum Hafen gegangen wäre, nachdem eine Glocke geläutet habe und sämtliche Angehörigen des Widderordens dorthin geströmt seien. Auf Nachfrage habe man den beiden mitgeteilt, dass Thanus gerade angeordnet habe, dass der Hafen dringlichst befestigt werden müsse, dass die Schifffahrt eingestellt werden müsse, weil eventuell eine Dämonenarche angreifen würde.
Bei dieser Aussage wandern die Blicke sämtlicher Anwesenden umgehend zu mir, woher wussten sie das nur? Bin ich tatsächlich so durchschaubar? Oder so naiv? Ich gestehe, dass Thanus diese Information zwar von mir habe, dass er aber von sich aus damit angefangen habe, dass er eine dämonische Präsenz spüren würde und dass ich ihm auch nicht verraten habe, dass es sich um die Stadt der Tiefe handeln würde, auch nicht, als er gezielt danach gefragt habe.
Gemeinsam machen wir uns nach dieser Beichte auf den Weg zum Hafen, als uns Cidris entgegen kommt und mitteilt, dass es unmöglich wäre, die Perle zu entwenden. Zum einen ist sie in etwa so groß wie der Kopf von Ifrundoch und zum anderen scheint der Altar im Tempel regelrecht um sie herum gewachsen zu sein.
Des Weiteren muss man, um in den Tempel zu gelangen, durch ein Becken mit heiligem Wasser waten, welches den einzigen Zugang darstellt. Vermutlich käme Finger nicht einmal durch das Becken.
Aufgrund dieser Tatsachen macht Pjerow den Vorschlag, dass wir unsere Pläne ändern sollten, dass wir die Efferdkirche warnen sollten, sie darum bitten sollten, die Perle in Sicherheit zu bringen, mit Thanus zusammenarbeiten sollten und ihm weiterführende Informationen geben sollten.
Dies verwirrt mich zunehmend. Hab ich jetzt mit meiner Äußerung vorhin das Richtige gemacht oder nicht?
Es muss um die sechste Abendstunde herum sein, als ein Bote vom Widderorden an die Tür klopft und uns zum Hafen bestellt. Tjelka von Notmark wäre jetzt bereit mit uns zu sprechen.
Im Hafen angekommen setzen wir über den Neer über und stehen im Niederwals, dem kleinen Fischerdorf, in dem wir damals Trandjeff dem Wahnsinn nahe gefunden haben. Durch die Hütten hindurch gehen wir zur Widderburg und werden dort in einen Raum geführt, an dem Tjelka mit dem Rücken zu uns an einem Tisch sitzt.
Als sie sich bei unserem Eintreten zu uns umdreht, stockt nicht nur mir der Atem. Auch die anderen halten hörbar die Luft an. Die komplette Haut auf ihrer rechten Gesichtshälfte fehlt, sie hat drei tiefe Löcher in der Wange, auch die Zunge ist durchlöchert und ihre rechte Hand, ihr ganzer rechter Arm sieht grotesk aus, beinahe als wäre sämtliches Gewebe an ihm geschmolzen und dann wieder erstarrt.
Nachdem sie uns einen Moment gegeben hat, um uns an ihren Anblick zu gewöhnen, kommt sie umgehend zum Punkt und teilt uns mit, dass sie wisse, weshalb wir hier wären. Pjerow bekräftigt noch einmal, dass wir ihren Bruder Alderich gegen Jucho von Dallentin und Persanzig austauschen wollten, sie weist dies jedoch ab mit den Worten, dass sie uns Jucho nicht geben könne, aus Angst, dass Dobrischnaja, die mit ein paar ihr treuen Widderordensrittern in die Burg im Gebirge umgezogen sei, sich umgehend an ihr rächen würde, sobald sie wüsste, dass sich Jucho nicht mehr bei ihr befände.
Wir bieten an, dass wir mit Dobrischnaja reden könnten, dass wir ein Friedensangebot übermitteln könnten, nachdem Tjelka uns erzählt, dass von den Boten, die sie geschickt habe, immer nur die Köpfe zurückgekommen wären. Sie vermutet, dass in der Burg im Gebirge finstere Mächte am Werk wären und als sie mir auf meine Nachfrage mitteilt, dass sie die Burg erneut der Rondra weihen ließ, schwant mir Übles.
Tjelka erzählt weiter, dass sie von Dobrischnaja Gehorsam verlangen würde, dass diese sich mit ihren Anhängern des Widderordens ihr, der neuen Adelsmarschallin, unterzuordnen habe und im Anschluss daran blickt sie Ifrundoch an, nimmt ihm den Schwur ab, dass er Jucho nicht an Dobrischnaja ausliefern dürfe, bevor diese sich ihr nicht ergeben habe und als dieser ihr dies zusagt, stimmt sie dem Austausch von Alderich und Jucho letztlich doch zu.
Warum hat sie Ifrundoch um den Schwur gebeten und nicht mich? Bin ich als Weißmagierin nicht mehr vertrauenswürdig genug? Hält sie mich für nicht weiß genug? Oder zu naiv? Zu schwach, um die Forderungen auch durchzusetzen?
Noch während ich darüber nachdenke, mir den Kopf zermartere, wird Jucho zu uns gebracht. Er wurde gut versorgt, ich kann keinerlei Spuren an seinem Körper entdecken, die auf eine Misshandlung oder ein gewaltsames Festhalten hinweisen und er teilt uns mit, dass er Tjelka sein Wort gegeben habe, bei ihr zu bleiben, wenn dadurch weiteres Blut vergießen verhindert würde und dass er uns selbiges versprechen wird.
Als wir zu unserer Unterkunft zurück gehen, fragt Cidris mich, ob ich eine Idee hätte, wie Thanus Tjelka heilen würde und da ich von Brabaker Magiern bislang hauptsächlich weiß, dass sie sich mit Dämonen recht gut auskennen würden, denke ich automatisch an ein Gerücht, welches ich vor einiger Zeit mal aufgeschnappt habe. Darin heißt es, dass man einen dämonischen Baum beschwören könne, der Körperteile wachsen ließe und zwar alles, was man sich wünschen würde, dazu müsste man jedoch einen Tsageweihten opfern.
Ich mag mir gar nicht ausmalen, ob Tjelka bewusst ist, was für Hilfe sie da vermutlich erhalten könnte, ihre Äußerung vorhin, dass sie gar nicht wissen wolle, wie Thanus ihr helfe, Hauptsache er täte es, lässt jedoch vermuten, dass sie zumindest eine Ahnung hat. Schließlich wird sie von Mengbillar einiges gesehen und erfahren haben.
In unserem Haus angekommen sehen wir, dass mittlerweile einige Bedienstete anwesend sind, die uns rührend umsorgen, versuchen, uns jeden Wunsch von den Augen abzulesen und wir setzen uns an den großen Tisch und unterhalten uns mit Jucho.
Dieser erzählt, dass Marsch von Bjaldorn hierher äußerst hart und anstrengend war und dass Tjelka die Schwachen, die nicht mehr laufen konnten, umbringen und zerhacken ließ, nur um dann die Körperteile auflesen und mitnehmen zu lassen. In Anbetracht der Tatsache, wozu Uriel bei Leichen in der Lage ist, eine vorrausschauende Entscheidung, wie ich gestehen muss.
Am Tor Neersands angekommen wollte Sumowicz sie mit ihrem Heer dann nicht einlassen, weshalb Thanos den Himmel verdunkelt habe und sauren Regen auf die Stadt regnen ließ, bevor das Tor letztlich doch geöffnet worden ist. Dobrischnaja habe sich daraufhin, vor allem als sie Juchos ansichtig wurde, kampflos mit etwa 200 treuen Anhängern in die Burg im Gebirge zurückgezogen und es folgte ein reger Briefwechsel zwischen Jucho und ihr.
Laut den Briefen habe sie in der Burg ein altes Rondraheiligtum entdeckt und restauriert und kurz danach soll sich ihr Verhalten, laut Juchos Aussage, geändert haben. Ich vermute, er spielt auf das Zurücksenden der Köpfe von den Boten an, von dem Tjelka uns bereits erzählt hat.
25. Boron 1020 BF
Es schlägt gerade Mitternacht, als es an unsere Tür klopft. Davor steht Adeptus major Thanus, der uns sprechen will, wie er sagt. Mir fällt auf, dass er müde aussieht und dass seine vorhin noch so penibel manikürten Fingernägel Reste von Blutspuren aufweisen.
Er begrüßt uns mit den Worten, dass er es interessant findet, dass wir es geschafft haben, Tjelka auf unsere Seite zu ziehen. Als Grund für sein Kommen nennt er uns, dass er von uns wissen will, wann die Dämonenarche angreifen würde und ob wir wüssten, um welche der beiden Archen es sich handeln würde, da man ausgehend davon unterschiedliche Strategien verfolgen müsste.
Laut seiner Aussage gibt es zwei Dämonenarchen der ersten Generation, die Stadt aus der Tiefe und den Plagenbringer. Erstere wäre recht langsam und wir könnten eine geringe Aussicht auf Erfolg haben, sollte jedoch zweitere unterwegs nach Neersand sein, dann bleibt nur eine vollständige Evakuierung übrig, wenn es dafür nicht bereits zu spät sei, wie er zu bedenken gibt.
Nachdem wir ja im Vorfeld beschlossen haben, jetzt doch Informationen preis zu geben, erzähle ich Thanus, dass es sich laut Algunde um die Stad der Tiefe handeln solle, die auf Neersand zusteuere, als ich jedoch den Grund erwähnen möchte, fällt mir Pjerow ins Wort. Scheinbar will er die Information, dass die Arche hinter der Perle her sein könnte, noch nicht preisgeben.
Langsam aber sicher wird mir das zu bunt. Erst soll ich nichts sagen, dann sollen wir doch Informationen austauschen und jetzt ist es doch wieder falsch?
Thanos erzählt uns in der Zwischenzeit, was es genau mit den Dämonenarchen auf sich hat. Er sagt, dass am Friedhof der Seeschlange genau drei Archen erschaffen worden seien, von denen eine zerstört wurde und die anderen zwei zu Borbarad gelangt wären, welcher sie gefüttert hätte, woraufhin sie gewachsen seien. Erschaffen wurden die Archen laut ihm mit dem verfluchten Schwert, welches der Charyptoroth, der Widersacherin Efferds, zugeschrieben wird und welches von Algunde gestohlen worden sein soll.
Die beiden verbliebenen Archen sollen Abkömmlinge gezeugt oder erschaffen haben, so ganz hab ich das nicht verstanden, die zwar weniger gefährlich aber immer noch dämonisch und gefährlich genug wären.
Auf oder in jeder Arche wächst ein Baum, an dem der Steuermann oder die Steuerfrau festgewachsen ist und einen Kapitän soll es auch geben. Zusätzlich erzählt er, dass die Schiffe über das Wasser laufen, dass sie so etwas wie Beine haben sollen, an denen andere Schiffe festgewachsen sein sollen.
Alles in allem klingt das nicht nach etwas, das ich unbedingt mit eigenen Augen sehen möchte, aber immerhin sollen diese Archen das Land selbst nicht betreten können, wenngleich sie natürlich dazu in der Lage sind, etliche dämonische und auch nicht dämonische Passagiere zu befördern.
Um das Thema zu wechseln, frage ich Thanus, wie er Tjelka heilt, wie er ihr zu ihrem neuen Aussehen verhilft und frage ihn direkt, ob er dazu einen dieser dämonischen Bäume beschworen hat, von denen ich gehört habe.
Dieser antwortet mir, dass er ihr in allererster Linie die Haut frisch verstorbener junger Damen transplantieren würde, dass es Frauen sein müssten, weil Tjelka darauf bestünde und dass er sehr gerne einen solchen Baum beschworen hätte, es aber keinen Tsageweihten in Neersand mehr gegeben hätte, weil dieser vorher verschwunden wäre.
Als ich ihn entsetzt frage, ob er allen Ernstes einfach so einen Tsageweihten einem Dämon opfern würde, knallt er mir vor den Kopf, dass er mit Fug und Recht behaupten könne, dass seine Seele weniger schmutzig wäre als meine. Er erzählt, dass ich Ilonen geopfert hätte, eine Viertelgöttin.
Er erzählt der Gruppe, dass ich als Einzige dazu in der Lage gewesen wäre, sie zu retten in der Schlacht um Bjaldorn, dass ich mich aber für einen Rondrageweihten, meinen Rondrageweihten entschieden habe.
Als Danjuk dies hört, fährt er mich erbost an, dass Ilonen ihm mit den Himmelswölfen hätte helfen sollen, helfen können und dass ich ihm diese Möglichkeit, sie zu finden, zunichte gemacht habe. Mein Versuch, mich zu rechtfertigen, dass ich nicht nah genug an Ilonen dran gewesen bin, weil ich versucht habe, in Rondrasils Nähe zu bleiben und dass ich ihr noch einen Warnruf zukommen habe lassen, der aber zu spät kam, lässt er nicht gelten, wenngleich sich seine Wut, den Göttern sei Dank, nicht lange gegen mich richtet.
Hat Thanus Recht? Hätte ich Ilonen tatsächlich retten können, wenn ich meinen Ehemann dafür geopfert hätte? War ich wirklich nahe genug bei ihr, um den Angriff Gerbalds zu verhindern? Meine Erinnerungen verschwimmen immer mehr, je intensiver ich versuche, mir diesen einen Moment ins Gedächtnis zu rufen, je mehr ich daran denke, umso undeutlicher wird das Bild. Aber meine Zweifel werden umso größer.
Bin ich überhaupt noch eine Weißmagierin? Weiß ich mittlerweile nicht schon viel zu viele Dinge, die ich gar nicht wissen dürfte? Habe Dinge gesehen und getan, die nie hätten passieren dürfen?
Mir wird bewusst, dass ich wohl einige Momente lang abwesend ins Leere geblickt haben muss, denn ich merke mit einem Mal, dass Thanus immer noch spricht.
Er erzählt uns, dass uns auf den Vallusianischen Weiden fünfzig dieser dämonischen Kinder erwarten würden, dass dort ein untoter Drache sei und natürlich jede Menge Untote. Er erzählt weiter, dass er uns begleiten würde und damit dann sicherlich auch Tjelka mit ihrem Heer, wenn sie davon überzeugt ist, dass Neersand sicher ist, er erzählt aber auch, dass er nicht weiß, was uns im Gebirge bei Dobrischnaja erwarten wird.
Thanus erzählt weiter, dass er einer von sieben Adepten aus Brabak ist, der sämtliche wahre Namen aller Dämonen weiß, die der Akademie bekannt sind, um Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Das hat er also im Gespräch mit mir alleine gemeint, dass er sich zwar gerne Borbarad anschließen würde, es aber nicht tut, weil seine Akademie anderer Ansicht ist, ihn ausgesandt hat, um gegen ihn zu agieren.
Nachdem Thanus geendet hat, beschließt Pjerow schließlich doch, die Information mit der Perle preis zu geben und erzählt ihm, dass wir vermuten, dass die Arche hinter der Perle her sei, woraufhin Thanos die Vermutung aufstellt, dass die Arche die Perle zu den Vallusianischen Weiden bringen soll.
Er erzählt weiter, dass es sich bei der Perle angeblich um ein schwarzes Auge handeln solle, um die laut einem Mythos Efferd höchstselbigst den Altar hat wachsen lassen.
Mittlerweile muss es um die vierte Morgenstunde sein und wir alle sollten uns noch ein wenig hinlegen, schließlich müssen wir noch einen mehrstündigen Fußmarsch ins Gebirge bestreiten. Bevor wir uns von Thanos verabschieden, besser er von uns, lässt er in einem Nebensatz noch fallen, dass er Alderich wohl tatsächlich nur mit einem Dämonenbaum helfen könnte.
Ich werde wach, als ich bemerke, dass sich etwas kaltes, glibbriges um meinen Arm windet und als ich meine Augen aufschlage, sehe ich einen etwa einen Schritt langen Aal, der sich gerade von meinem Arm in Richtung meiner Taille windet. Ich versuche, das Tier abzuschütteln und es schlängelt sich um mein Bein.
Plötzlich werde ich mit eiskaltem Wasser überschüttet und muss einen spitzen Schrei ausstoßen, bevor ich Jaminka vor mir stehend erkenne. Vorwurfsvoll fährt sie mich an, dass wir ihr ruhig hätten Bescheid geben können, dass wir später kämen, dass sie den ganzen Tag auf uns gewartet habe und dadurch krank geworden sei.
Neben ihr erkenne ich fünf weitere Eimer und sie trägt mir auf, dass ich die anderen auch mit kaltem Wasser übergießen solle. In einen dieser Eimer kriecht gerade der Aal, der seinen Weg aus meinem Bett heraus gefunden hat.
Von meinem Schrei angelockt stürmen plötzlich Ifrundoch und Pjerow in mein Zimmer und da Jaminka leicht versetzt neben der Türe steht, welche Ifrundoch schwungvoll aufgestoßen hat, hat sie diese vor den Kopf bekommen und faucht jetzt, sich die blutende Nase haltend, die anderen beiden an.
Während Ifrundoch, nachdem er gesehen hat, dass mir keine Gefahr droht, mit den Worten, er gehe jetzt frühstücken, das Zimmer wieder verlässt, lässt sich Pjerow auf eine Diskussion mit Jaminka ein. Diese wirft uns vor, dass wir ja sogar mit fünfzig Mann Geleit einmarschiert wären, was er abstreitet, sagt, dass das vielmehr eine Bewachung gewesen sei und dass wir erst sehr spät vor den Toren Neersands angekommen wären, sie ja gewusst habe, dass die Kutsche nur nachts reisen könne und wir deshalb einen Tag pausieren mussten.
Ich habe die Zeit genutzt, um mich abzutrocknen und anzuziehen und gehe zu den anderen zum Frühstück. Cidris, der mir entgegen kommt, wird von Jaminka aufgefordert, Danjuk, der als Einziger noch zu schlafen scheint, wie man dem Schnarchen, welches aus seinem Zimmer kommt, entnehmen kann, mit einem Eimer kaltem Wasser zu wecken und er greift sich daraufhin doch glatt den Eimer, in den der Aal vorhin gekrochen ist. Das wird eine schöne Überraschung für ihn sein.
Kurze Zeit später kommt Cidris wieder, hinter ihm Danjuk, der einen toten Aal in der Hand hält, ihn dann dem Koch übergibt mit den Worten, dass er nicht schmecken würde. Scheinbar hat er ihm lebendig den Kopf abgebissen. So viel zum Thema zivilisiert.
Nachdem sich die Gemüter alle wieder etwas beruhigt haben und wir gemeinsam frühstücken, es gibt gebratenen Aal auf Brot, setzen wir Jaminka darüber in Kenntnis, was während ihrer Abwesenheit passiert ist und was wir bislang vereinbart und erreicht haben.
Auch sie hat Neuigkeiten für uns. Sie sagt, dass sie das Herz von Mengbillar einer alten Bekannten gegeben habe, der obersten Seherin von Heute und Morgen und dass diese Hexe, Xena ihr Name, jetzt alles wüsste, was Mengbillar zum Zeitpunkt seines Todes gewusst habe. Jedoch müsste sie etliche dieser Informationen noch sortieren, weshalb uns Jaminka bislang nur einen Bruchteil davon berichten könnte.
Sie sagt, dass Uriel um Neersand herum marschieren würde nach Süden und dass er für Festum sehr wahrscheinlich gar keine Zeit haben soll, da seine Möglichkeiten, was das Beschwören von Dämonen angeht, seit Mengbillars Tod erheblich eingeschränkt seien. Weiter erzählt sie, dass Uriel Geschäfte mit Vito Siveling abgeschlossen habe, dass dieser Tukk für ihn nach Süden schmuggeln würde, damit der untote Drache darin baden könne.
Sie erzählt weiter, dass Mengbillar zum Zeitpunkt seines Todes gewusst habe, dass wir kommen würden, dass er von Algunde gewarnt worden sei. Ich frage mich, warum er dann keine größeren Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat. War er so sehr davon überzeugt, dass sein Laraan ihn ausreichend beschützen würde?
Und warum hat Algunde ihn gewarnt? Wollte sie am Ende gar, dass wir scheitern? Aber wenn dem so ist, warum trägt sie uns dann auf, die Perle aus dem Efferdtempel hier zu entwenden, wenn sie doch gar nicht damit gerechnet hat, dass wir Burg Grauzahn lebend verlassen?
Mir fällt auf, mit ein wenig Genugtuung, wie ich gestehen muss, dass ich nicht die Einzige bin, die manchmal ein wenig naiv ist. Auch die anderen haben ihr schließlich weit genug vertraut, um ihre Pläne zu verfolgen, ihre Angebote anzunehmen. Von einer Paktiererin. Aber ehrlicherweise muss ich dazu sagen, wirklich viele Auswahlmöglichkeiten haben wir nicht gehabt.
Wie dem auch sei, die Zeit drängt, wir sollten aufbrechen. Jaminka wird uns begleiten, sie wird, ebenso wie Thanos, die Kleidung von Bediensteten anziehen, damit Dobrischnaja keinen Verdacht schöpft, wenn wir kommen. Einmal ganz davon abgesehen, dass sie auf Thanos, laut seiner eigenen Aussage, nicht sonderlich gut zu sprechen sei. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir es dort oben eventuell mit Dämonen zu tun bekommen könnten, wäre es leichtsinnig, seine Hilfe auszuschlagen. Wer einen Dämonen beschwören kann, der sollte sich doch auch vor einem schützen können, oder?
(Heißt das im Umkehrschluss eigentlich auch, dass ich, nachdem ich mich rudimentär vor Dämonen schützen kann, auch rudimentär welche beschwören könnte? Um der Götter Willen, wo bin ich da nur hinein geraten?)
Gegen Mittag brechen wir auf und kommen ohne Schwierigkeiten nachmittags an der Burg an. Jedoch brennt im Inneren kein Licht und das Tor ist nur leicht angelehnt. Beunruhigt machen wir Halt und Pjerow schleicht sich vorsichtig zur Burg. Als er zu uns zurück kommt und uns mitteilt, dass im Inneren dutzende Leichen seien, alle vom Widderorden, die sich augenscheinlich gegenseitig getötet hätten, befürchte ich das Schlimmste.
Nachdem weder Thanos noch ich gerade sehr nützlich wären, beschließen wir, hier draußen zu warten und auch Cidris bleibt bei uns. Sicher ist sicher. Danjuk, Finger, Ifrundoch, Jaminka und Pjerow betreten die Burg und es herrscht eine gewisse Zeit lang eine geradezu unheimliche Stille.
Bis wir auf einmal oben auf der Burg, dort, wo die vier Türme sind, einen hellen Schein, ein helles Licht sehen. Daraufhin beginnt Thanos sich umzuziehen, dem Codex Albyricus gemäß erkenne ich, dass ein Beschwörungsgewand anzieht und sich dabei auch seiner Schuhe entledigt, barfuß im Schnee steht.
Mit den Worten, dass ich am wenigsten nützlich im Kampf wäre, drückt er mir seinen Rucksack in die Hand, darin befänden sich die Bannkerzen. Als ich hinein blicke, erkenne ich auch etliche kleine Lehmfiguren und noch bevor ich etwas fragen konnte, ermahnt er mich, dass ich unter keinen Umständen an diese Figuren gehen dürfe, sie nicht kaputt gehen dürften.
Als wir die Burg betreten, purzelt gerade Danjuk die Treppe, welche nach oben führt, hinunter, stammelt etwas davon, dass oben ein Untoter sei, der reden könne. Er soll zu ihm gesagt haben, dass es ja gedauert hätte, bis Frischfleisch gekommen sei, bevor er ihn angegriffen habe. Der Untote soll ein Kettenhemd getragen haben, welches vorne zwar gespalten sei, darunter sei aber makellose Haus zu sehen gewesen. Zumindest entnehme ich das den Äußerungen Danjuks. Ich entnehme ihnen auch, dass er wohl für das helle Licht verantwortlich gewesen ist, dass er damit der Leiche die Augen geschmolzen habe, bevor er die Treppe hinunter gestürzt ist.
Pjerow, der sich von oberhalb meldet, er steht auf dem Rundgang, der die Eingangshalle umläuft, meldet, dass auch hier oben einige Leichen lägen, dass sich davon aber keine bewegen würde. Alles hier drinnen ist vereist, überall sehe ich gefrorenes Blut, ein metallischer Geruch liegt in der Luft.
Dort, wo kein Blut zu sehen ist, erkenne ich, dass die Steinplatten, welche bei unserem ersten Besuch noch diverse Symbole und Tiere gezeigt haben, mittlerweile einheitlich nichts zeigen und ein Blick nach oben bestätigt, dass die Glaskuppel ausgetauscht worden ist. Demnach dürften auch die Fallen nicht mehr existent sein. Hoffe ich.
Noch während ich meinen Gedanken nachhänge, daran denke, wie wir vor drei Götterläufen diese Burg hier aufgefunden haben und welche Gefahren uns damals hier erwartet haben, beschließen Ifrundoch und Jaminka, dass sie die Kellergewölbe der Burg aufsuchen wollen.
Nach kurzer Zeit hören wir, wie jemand die Treppe zurück nach oben kommt und Pjerow legt seine Armbrust an, bis er Jaminka sagen hört, dass er nicht schießen solle, dass es nur sie und Ifrundoch wären, die zurück kämen.
An ihrem Stab hängt eine Kette mit fünf Steinen, von denen zwei noch leuchten und sie berichten uns, dass sie unten in einem der Gänge jemanden leise atmen hören konnten und als Ifrundoch diesen Jemand KO schlagen wollte, sei er katzengleich ausgewichen.
Mit jedem Griff an einen der Steine, zu Beginn hätten sie noch alle fünf geleuchtet, hätte dieser Mann weitere katzengleiche Reflexe und Fähigkeiten bekommen, der Kampf sei laut Jaminka schwer gewesen und sie konnten ihn nur knapp für sich entscheiden.
Niemand traut sich, diese Steine anzufassen, niemand möchte aus Versehen deren unheilvolle Wirkung auslösen und als Ifrundoch mit seiner Axt mit voller Wucht auf die Steine schlägt, zerbirst zwar die Kette, an der sie befestigt waren und auch die Steinfliese, auf der die Kette gelegen hat, ist kaputt, die Steine jedoch haben noch nicht einmal einen Kratzer abbekommen.
Vorsichtig wickle ich sie daher in ein Stück Stoff ein, irgendwie müssen wir sie doch unschädlich machen können.
Thanos meldet in der Zwischenzeit an, dass er sich um den Untoten auf dem Dach kümmern könne und weist mich an, ihm die Lehmfigur zu geben, die wie ein kleiner roter Salamander aussehe. Cidris und Pjerow kündigen infolgedessen an, dass sie Thanos begleiten werden, sicher ist sicher.
Während die drei nach oben gehen, beschließen wir, erneut in den Keller zu gehen, vielleicht hat Finger sich ja dort versteckt, nachdem er anfangs Danjuk aufs Dach begleitet hatte und dann weggelaufen sei.
Unten kommen wir an der Leiche des Mannes vorbei, von dem Jaminka und Ifrundoch uns erzählt haben. Bis auf die Stiefel ist sie gänzlich nackt und Ifrundoch hat sie scheinbar in der Mitte gespalten. Ein Witzbold, es kann eigentlich nur Jaminka gewesen sein, Ifrundoch kann nach wie vor noch nicht lesen und schreiben, hat auf seinen Rücken einen Pfeil Richtung gespaltener Körpermitte gemalt und „Liebesgrotte“ dazu geschrieben. Ein reichlich makabrer Humor.
Als wir das letzte Mal hier waren, war der Gang noch nicht so lang und hat sich auch nicht verzweigt. Dobrischnaja hat in den drei Jahren ganze Arbeit geleistet. Jetzt verzweigt sich der Gang, nach rechts führt eine Treppe weiter hinunter und wir beschließen erst den Gang links zu erkunden.
Danjuk ist ein paar Schritt voran geschlichen und dabei auf eine Tür gestoßen, die er quietschend geöffnet und wieder geschlossen hat, um dann auf uns zu warten. Gemeinsam betreten wir den Raum, der sich hinter der Tür befindet, offenbar sind wir in der Waffenkammer gelandet und in der Ecke sitzt zitternd ein junger Mann mit einem Schwert in der Hand, welches er uns entgegen hält.
Ich erkenne, dass er vor Angst schlottert und deeskaliere die Situation, indem ich mich ihm vorstelle, sage, dass wir ihm helfen wollen und ihm dann die Hand entgegen strecke. Anfangs scheint er etwas unschlüssig darüber zu sein, wie er sich verhalten soll, letztlich siegt jedoch sein Anstand und er nimmt das Schwert in die andere Hand, stellt sich uns als Answin vor und erzählt, dass er sich hier versteckt habe, als die Kämpfe losgegangen wären.
Er gibt uns auch den Hinweis, dass die Eismenschen keine Untoten wären, dass ihnen weder Hitze noch Kälte etwas anhaben könne. Als wir ihn fragen, ob er uns begleiten wolle, wir müssen herausfinden, ob es noch weitere Überlebende gibt, schließt er sich uns umgehend an mit den Worten, dass alles besser sei als weiter alleine hier zu sitzen.
Wir nähern uns der Treppe, die weiter nach unten führt und können plötzlich Kampflärm vernehmen. Darunter hören wir auch Dobrischnaja, die Befehle brüllt. Unter anderem höre ich, wie sie „Rechte Flanke halten! Nimm deine Pfoten von den Steinen!“ ruft, offenbar befindet sie sich gerade im Kampf mit diesen Paktierern, wie mir scheint.
Doch lange kann ich nicht darüber nachdenken, was hier gerade vor sich geht, denn plötzlich wird Danjuk aus dem Nichts angegriffen. Für einen kurzen Moment erkennen wir eine weiße, sehr große Katze, die ihn die Treppe hinunter zerren will und wir sehen, wie es zwischen den beiden dampft und zischt.
Danjuk wirkt daraufhin erneut einen Blendstrahl, jedoch ist dieses Biest, welches vorher unsichtbar gewesen zu sein scheint, erneut nicht mehr zu sehen, sobald es Danjuk losgelassen hat. Ich eile zu Danjuk, will ihm einen Heiltrank geben, als wir Jaminka schreien hören.
Sie hatte die Fackel gehalten, die uns hier unten den Weg erleuchtet hat und wir können nur noch erkennen, wie sie mitsamt Fackel tiefer in den Gang gezerrt wird. Daraufhin will ich einen FlimFlam wirken, welcher mir jedoch dermaßen grandios misslingt, dass lediglich für einen kurzen Moment ein äußerst heller Lichtblitz zu sehen ist. Es scheint als hätte ich gerade sämtliches Licht, welches der FlimFlam erzeugen sollte, in eine Sekunde gelegt.
Es gelingt mir zwar, die Augen rechtzeitig abzuschirmen, aber Answin ist von meinem misslungenen Zauber derart geblendet, dass er das Gleichgewicht verliert und die Treppe, welche kein Geländer besitzt, hinunter stürzt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit höre ich ihn rufen, dass er sich das Bein gebrochen habe und dass er Angst habe, dass wir zu ihm kommen sollen, jedoch komme ich gar nicht dazu, auch nur einen Schritt zu machen, denn mit einem Mal werde ich von diesem Dämon angegriffen.
Er packt mich am Arm, reißt mich mit sich die Treppe hinunter und einzig der schnellen Reaktionsgabe Ifrundochs habe ich es zu verdanken, dass ich nicht auch gefallen bin, denn er hat mich gepackt, mich dem Maul dieser Bestie entrissen und festgehalten. Mein Arm ist jedoch ziemlich lädiert, ich versuche dennoch, diesen Schmerz zu ignorieren, wir brauchen Licht.
Mein zweiter FlimFlam gelingt mir, den Göttern sei Dank, auch wenn ich vergessen habe, ihn mobil zu machen, aber mitten auf der Treppe spendet er dennoch ausreichend Licht, dass man nicht aus Versehen fallen kann.
Ich nestele einen Heiltrank aus meiner Tasche, um die Wunden in meinem Arm zu regenerieren und just, als ich ihn trinke, stürzt Ifrundoch an mir vorbei, wurde augenscheinlich angegriffen und ich sehe mit Schrecken, wie er genau auf Answin fällt, welcher sich danach nicht mehr rührt.
Danjuk, der den Tumult ausgenutzt hat, um nach Jaminka zu suchen und nach oben geeilt ist, steht plötzlich der Dämonenkatze gegenüber und mir fällt erst jetzt, viel zu spät, siedend heiß ein, dass ich ja noch einen Gardianum gegen Dämonen in meinem Stab habe.
Diesen aktivierend eile ich zu Danjuk, der gerade auf Jaminka zugehen will. Diese liegt gekrümmt an einer Wand, sich den Bauch haltend, zwischen ihren Fingern quellen ihre Eingeweide hervor. Als er bis auf wenige Schritte heran gekommen ist, tritt plötzlich eine blass aussehende Jaminka hinter einer Ecke hervor, sagt, dass das nicht sie wäre, die da läge.
Die liegende Jaminka behauptet von sich, dass sie die echte wäre und die Stehende bezichtigt sie der Lüge. Fest steht, dass eine der beiden Frauen eine Illusion ist und mir fällt eine Frage ein, die nur die echte Jaminka beantworten kann.
Ich frage sie, was sie Doram damals bei unserem ersten Treffen gezeigt habe und während die Jaminka, die auf dem Boden liegt, noch überlegt, antwortet die, die hinter der Ecke stand, dass sie ihm den Mannwidder gezeigt habe. Daraufhin verwandelt sich die am Boden liegende Jaminka zurück in diese weiße Großkatze, welche jedoch nicht durch meinen Gardianum durch kommt.
Ifrundoch, der in der Zwischenzeit zu uns gestoßen ist, greift gemeinsam mit Danjuk dieses Biest an, während ich einen Balsam wirke, den ich dermaßen stark verkürze, dass er nur wenige Sekunden braucht, um seine volle Wirkung zu entfalten. Der Prozess, der sonst fünf Minuten brauchen würde, ist binnen fünfzehn Sekunden abgeschlossen und es fiel mir leichter, als ich erwartet hätte.
Als der Balsam vollendet ist und ich mich umblicke, erkenne ich, dass es Danjuk und Ifrundoch gelungen ist, die Bestie zu töten und gemeinsam eilen wir erneut die Treppe hinunter, vielleicht braucht Dobrischnaja unsere Hilfe.
Ich erkenne, dass sich am Fuße der Treppe hinter einer Tür die heilige Schmiede befindet, welche von Dobrischnaja und zehn ihrer Anhänger gehalten worden ist. Als wir uns zu erkennen geben, setzt sie ihren Helm ab und erzählt, dass sie, als der Verfall bei den anderen Mitgliedern begonnen habe, umgehend zur Schmiede geeilt sei, um diese zu halten. Dass sie hier gegen mehrere Jünger des Katzendämons gekämpft habe.
Sie sagt weiter, dass sie hier die Steine dieser Paktierer unschädlich gemacht habe, woraufhin ich ihr umgehend die beiden leuchtenden Steine gebe, die sie sofort ins Schmiedefeuer wirft.
Gemeinsam gehen wir in den Innenhof der Burg und erfreut sehe ich, dass auch Cidris, Pjerow, Thanos und auch Finger wohlauf sind, sie haben einen großen Korgeweihten bei sich, zu dem ich sicherheitshalber gebührenden Abstand einhalte. Ich habe gehört, dass manche Korgeweihte schon Heilmagier oder andere Heilkundige mit ihrer letzten Kraft erwürgt haben sollen, als diese versucht haben, ihnen zu helfen.
Während ich mich um die Verletzungen der anderen kümmere, erzählen die drei, was sie oben erlebt haben: Auf den Gängen zwischen den Türmen haben sehr viele erfrorene Leichen gelegen, neben einer habe der Speer Danjuks gelehnt und als Cidris diesen ergriffen habe, sei die Leiche, welche, wie wir jetzt wissen, keine war, wieder aufgestanden. Ihre Augen seien aber nicht geschmolzen gewesen, hätten grün geleuchtet und Dobrischnaja merkt an, dass sie vermutlich gefressen habe, sich dadurch regeneriert habe.
Pjerow hat ihr daraufhin einen Bolzen in den Kopf geschossen und Cidris hat ihr den letzten Stoß gegeben, der sie über die Brüstung den Abhang hinunter stürzen ließ, wo sie dann zerschellt sei.
Kurz darauf haben sie Finger gefunden, der sich auf dem Dach einer der Türme verkrochen hatte.
In dem Turm, der vor drei Jahren Mythrael zugeordnet war, muss ein heftiger Kampf gewütet haben, überall sei grüner Schleim gewesen, der aus Kettenhemden gequollen sei. Im Turm von Ch’ron’ra stand keine Echsenstatue mit Verbänden mehr, sondern eine Löwenstatue, die mit Verbänden umwickelt war.
Als Cidris die Verbände entfernt hat, konnte man erkennen, dass „Rondra“ darunter verwundet worden war, die Statue war völlig zerbeult.
Im Turm von Famerlor sind laut Pjerow drei Eismenschen aufgestanden, von denen einer in ein Horn blasen wollte, woraufhin er mit seiner Armbrust geschossen habe und ein Kampf entbrannt sei. Die beiden anderen Eismenschen sollen den am Boden liegenden Dritten, der von Pjerow verwundet worden war, gefressen haben.
Im letzten Turm, den von Aphasmyra damals, sei Cidris von dem Korgeweihten mit seinem Korspieß angegriffen worden, er erzählt jedoch, dass es ihm gelungen sei, ihm die Waffe zu entwenden, woraufhin Pjerow ihm einen Bolzen in den Kopf geschossen habe.
Als ihnen bewusst geworden ist, dass sie einen Korgeweihten vor sich haben, hat Cidris ihm flugs einen meiner Heiltränke eingeflößt, welchen der Geweihte wieder ausspucken wollte, während er ihn gewürgt hat.
Nachdem er sich dann jedoch wieder etwas gefangen hatte, hat er erzählt, dass er von Dobrischnaja den Auftrag bekommen habe, den Korschrein, welcher sich jetzt in dem Turm befände, unter allen Umständen zu halten. Als er sieht, dass Cidris und Pjerow die verbliebenen Eismenschen beseitigt haben, ohne dass Thanos auch nur einen Finger gerührt hat, hat er sich die Statue einer schwarzen Großkatze, ich glaube, es ist ein Panther, genommen und ist dann mit den vieren nach unten gegangen.
26. Boron 1020 BF
Mittlerweile ist es bereits wieder nach Mitternacht, als ich mich endlich Dobrischnaja zuwenden kann. Ich frage sie, ob sie verletzt sei und ob ich ihr helfen könne und sie geht mit mir etwas abseits, bittet mich, ihr dabei behilflich zu sein, ihre Rüstung auszuziehen, was ich auch mache.
Ich erkenne, dass in ihrer rechten Flanke eine Dolchspitze steckt, die dort offenbar schon etwas länger stecken muss, das Gewebe drumherum hat sich großflächig entzündet. Auf meine Nachfrage erzählt sie mir, dass sie die Schmiede insgesamt gut eine Woche gehalten hätten, bevor wir aufgetaucht seien.
Mit einem Ruhe Körper lege ich sie schlafen und schneide großzügig das betroffene Gewebe aus ihrem Körper heraus, bevor ich einen Balsam wirke. Nachdem sie wieder wach ist, frage ich sie, warum sie nicht auf meine Warnung gehört hat, warum sie diese Burg erneut der Rondra geweiht hat, obwohl ich sie gewarnt habe und sie meint, dass sie eine Rondraanhängerin sei und dass dies ein Rondraheiligtum gewesen sei, wieder sein musste.
Nach alledem, was sich hier jedoch abgespielt hat, gibt sie betrübt zu, dass es wohl kein weiteres Mal Sinn macht, die Burg zu reinigen und zu weihen und letztlich stimmt sie dem Vorschlag zu, dass die Burg großflächig zerstört werden sollte, damit so etwas nicht noch ein drittes Mal passieren kann.
Thanos bietet an, dass er sich um die Zerstörung kümmern könne und meine Neugier treibt mich dazu, dass ich kundtue, ebenfalls hier zu bleiben. Auch Cidris will bleiben und insgeheim bin ich froh, nicht gänzlich alleine mit einem Brabaker Dämonologen hier zu bleiben.
Während die anderen bei Sonnenaufgang aufbrechen Richtung Neersand, beginnt Thanos damit, einen Schutzkreis um uns herum in die Mitte des Innenhofs zu zeichnen. Cidris, der das Ganze argwöhnisch betrachtet, fragt mich, ob ich wüsste, was er da täte und da ich mich ein wenig mit Schutzkreisen auskenne, seit wir immer häufiger mit Dämonen zu tun haben, kann ihn diesbezüglich beruhigen, als ich erkläre, dass die Zeichen in einem Schutzkreis an anderer Stelle stünden als in einem Bannkreis und dass man dadurch ganz leicht erkennen könne, um welche Art Kreis es sich handele.
Als es höchster Mittag ist, nimmt Thanos die Lehmfigur des Salamanders, reißt ihr den Kopf ab und wirft sie aus dem Kreis hinaus und kurze Zeit später erscheint doch tatsächlich ein Azzitai, ein Dämon aus der Domäne des Widersachers Ingerimms, dem er aufträgt, sämtliche Gebäude in einem Umkreis von drei Meilen niederzubrennen.
Der Dämon macht sich umgehend ans Werk und dem Schutzkreis sei Dank spüren wir nicht den kleinsten Hauch von Hitze, während um uns herum ein Inferno losbricht, Feuer und Lava überall, kein Stein bleibt auf dem anderen, alles wird eingeebnet.
Ich bin mir ein wenig unsicher, ob ich tatsächlich bleiben sollte, warum nur muss ich auch immer so neugierig sein, aber jetzt kann ich es eh nicht mehr ändern. Nach ungefähr einer Stunde hat der Dämon sein Werk vollbracht und verschwindet wieder, die Erde um uns herum muss jedoch noch bis zum Abend abkühlen, wie mir Thanos mitteilt.
Auf meine Frage, wie wir in der Nacht zurück wandern sollen, wenn es dunkel ist, antwortet er mir, dass wir auch mittels Umbra porta reisen könnten. Eine Variante des Ecliptifactus, welche seine Akademie entwickelt habe, um schnell und kostensparend reisen zu können und erneut packt mich die Neugier und ich lasse mir den Zauber von Thanos bis ins kleinste Detail erklären.
Aus dem Augenwinkel heraus erkenne ich, dass Cidris‘ Gesichtsausdruck zwischen Entsetzen und Langeweile schwankt, er scheint beinahe zu überlegen, ob er nicht das Risiko in Kauf nehmen sollte, über den heißen Untergrund zu laufen, wenn er dadurch nur unserer magietheoretischen Diskussion entkommen könnte.
Als es langsam dunkel wird, teilt uns Thanos mit, dass es nun möglich sei, mittels Umbra porta zu reisen und er macht sich bereit, den Zauber zu wirken. Ich weiß nicht, ob unsere Anwesenheit den Zauber erschwert oder ob sie einfach nur Thanos nervös macht, aber letztlich braucht er vier Anläufe, um ihn erfolgreich zu wirken.
Ich sehe in Sekundenschnelle die Schatten der Landschaft an mir vorbei ziehen, bis ich wieder Licht sehe und merke, dass ich in einer Kiste bin. Als ich aus ihr heraus klettere, erkenne ich, dass wir in der ehemaligen Kronvogtresidenz sind, in Thanos‘ Gemächern.
Als ich zum Fenster gehe, stockt mir beinahe der Atem. Mir bietet sich ein Bild der Verwüstung, in den Straßen steht dunkles, brackiges Wasser, nahezu sämtliche Gebäude sind zerstört worden. Ich erkenne lediglich, dass die Kronvogtresidenz unbeschädigt ist, auch das Therbunitenspital und die Tempel. Mengbillars Lagerhaus scheint auch noch zu stehen.
Wir müssen sehen, ob wir helfen können, doch als ich nach unten gehe, merke ich, dass mir das Wasser bis zum Hals steht und dennoch versuche ich, mich vorwärts zu kämpfen. Während ich halb schwimmend, halb springend voran wate, rufe ich aus Leibeskräften, ob es noch Überlebende gibt und mit einem Mal kommen mir Danjuk, Ifrundoch und Pjerow entgegen.
Ifrundoch nimmt mich auf seine Schultern und gemeinsam gehen wir zu den Ruinen von unserer Unterkunft. Pjerow teilt mir mit, dass Jaminka, als der Angriff der Dämonenarche begann, zu unserem Bungalow geflogen sei und Jucho in Sicherheit bringen sollte und mir fällt ein Stein vom Herzen als ich in den Trümmern keine Leichen von den beiden entdecke.
Wie durch Peraines göttliche Fügung schwimmen dort sogar meine verbliebenen Heiltränke, die ich in einer Holzkiste gelagert hatte, umher und wir nehmen sie an uns.
Mir wird erzählt, dass die anderen auf dem Weg nach Neersand waren, als der Dämon bei uns sein Werk begonnen hat und dass man Dobrischnaja Handfesseln angelegt habe, als man die Stadt betreten habe. Jedoch haben Danjuk und Pjerow protestiert, dass der Handel ein anderer war, weshalb man sie ihr wieder abgenommen hätte, als sie zur Burg des Widderordens geführt worden sei.
Als die anderen am Neer angekommen seien, hätte dieser bedrohlich geblubbert und nachdem Danjuk seine Hand ins Wasser gehalten hatte und es gezischt hatte, wussten sie, dass eine dämonische Präsenz anwesend war.
Kurz darauf habe sich die Arche aus der Tiefe erhoben, eine große, graue Totenweide sei zuerst aufgetaucht, bevor dann das ganze Schiff langsam sichtbar geworden sei.
Der die Dämonenarche begleitende Algenteppich, Pjerows Beschreibung nach muss es sich um einen Ulchuchu gehandelt haben, sorgte dafür, dass die Gruppe rennend den Fluss überqueren konnte und nachdem der Korgeweihte, welcher die anderen begleitet hatte, anfänglich gegen eines der Beine gekämpft hatte, eingesehen hat, dass dies gerade aussichtslos ist, hat er sich mit zum Efferdtempel begeben.
Kurz nachdem sie den Tempel erreicht hatten, schwappte eine riesige Welle über Neersand herein, welche sämtliche Gebäude zerstört hat, bis auf jene, die jetzt noch stehen. Pjerow hat vom Tempel aus gesehen, wie die Widderburg mit Geschützen auf die Arche gefeuert hat, die Arche selbst hat den Tempel unter Beschuss genommen.
Einige Plünderer und Dämonen konnte er wohl vom Tempel aus mit seiner Armbrust ausschalten, bevor der Ausguck, den er dazu benutzt hatte, zerstört wurde. Aber den Göttern sei Dank, Efferd sei Dank, konnten weder die Arche noch ihre Anhänger in den Tempel.
Nachdem der Korgeweihte unbedingt wieder raus auf die Straßen wollte, um zu kämpfen, während die anderen im Tempel verharrten, sei einige Zeit vergangen, bevor eine Frau, eine Therbunitin, an das ‚Tor geklopft habe.
Diese hat mitgeteilt, dass die Arche die Perle wolle, dass sie an die vierhundert Gefangene habe, hauptsächlich Frauen und Kinder (ohne die bereits begonnene Evakuierung wären es vermutlich noch mehr gewesen) und dass die Geweihten den Altar aus dem Tempel bringen sollten, wenn die Arche die Gefangenen verschonen solle, sie nicht fressen solle, wurde einstimmig beschlossen, dass man dies nicht machen könne.
Wieder eine gefühlte Ewigkeit später sei dann ein lautes Horn ertönt, woraufhin die verbliebenen Dämonen, manche sollen wie große Hummer auf zwei Beinen ausgesehen haben, zurück zur Arche gegangen wären, welche dann wieder im Neer versunken und verschwunden sei.
Als ich das höre, wird mir schwer ums Herz, ich mag mir gar nicht ausmalen, was mit den vierhundert Gefangenen jetzt passiert. Wir beschließen, dass wir unsere Hilfe anbieten sollten und gehen zum Traviatempel. Dort haben sich ebenfalls etliche Menschen in Sicherheit bringen können und just als wir uns umdrehen, sehen wir in der Ferne ein kleines Licht, welches schnell heller wird und erkennen, dass die brennende Kutsche Algundes geradewegs auf den Efferdtempel zuhält.
Ifrundoch und Danjuk sprinten daraufhin los, weshalb ich zwangsläufig mit von der Partie bin, trägt mich Ifrundoch ja immer noch auf seinen Schultern. Am Efferdtempel angekommen teilt uns der Kutscher mit, dass sie die Perle für Algunde holen sollten und noch während er diese Worte spricht, treten hinter ihm zum einen die beiden Synchrongestalten, die von der Spinne gelenkt werden, aus dem Tempel als auch die schwarze Rüstung, welche einen Korspieß bei sich trägt. Scheinbar hat sie einen neuen Wirt gefunden, den Korgeweihten.
Alle drei steigen in die Kutsche, während Daanje mich traurig anblickt, bevor sie davon fahren. Er scheint um einige Jahre gealtert zu sein seit unserem letzten Treffen vor einigen Tagen.
Als wir in den Tempel gehen, gefriert mir das Blut in den Adern. Sämtliche Efferdgeweihte sind erschlagen worden, der Altar wurde gespalten, die Perle entwendet, der Tempel damit entweiht. Wenigstens hat die Rüstung die Zivilisten verschont, sie haben vermutlich auch nicht versucht, den Alter mit ihrem Leben zu schützen.
Während mir lautlos die Tränen die Wangen hinunter laufen, höre ich nur entfernt, wie Pjerow, oder war es Cidris, ich weiß es nicht mehr, den anderen mitteilt, dass die anderen Tempel noch Platz hätten, nicht entweiht seien und dass die Überlebenden sich dorthin zurück ziehen sollten. Auch wir sollten zurück zur Kronvogtresidenz gehen, Thanos hat uns angeboten, dass wir dort ausruhen könnten.
Aber sind wir überhaupt sicher? Wer garantiert uns, dass die Arche nicht erneut zurück kehrt? Jetzt, wo der Efferdtempel entweiht worden ist. Wo alles zerstört worden ist. Nun, nicht alles. Der Niederwals scheint unberührt zu sein, der gesamte Angriff scheint sich auf Neersand selbst konzentriert zu haben. Wir müssen unsere Kräfte sammeln, sichten, was wir verloren haben, evakuieren, was noch zu evakuieren ist. Was hält uns jetzt überhaupt noch hier?