08. Hesinde 1020 BF
Während ich mich weiterhin um die Verletzten kümmere, kommt mir mit einem Mal der Gedanke, weshalb Rondrasil hier bei mir ist und nicht mehr auf dem Schlachtfeld, doch noch bevor ich ihn das fragen kann, höre ich von draußen die Klänge von Hörnern. Ich blicke meinen Mann fragend an und er erklärt mir, dass dies bedeutet, dass wir die Schlacht für uns entscheiden konnten, dass wir wohl so etwas wie einen Sieg davon getragen haben.
Doch zu welchem Preis? Ich trete für einen Moment aus dem Zelt heraus und sehe, wie das Heer Uriels nahezu aufgerieben worden ist, sich das andere Heer relativ geordnet, wie mir scheint, Richtung Süden über den Fluss zurückzieht, während das Heer von Prinz Brin von Gareth ihm nur recht halbherzig nachsetzt. Wer kann es den Männern und Frauen verdenken.
Als ich mich umdrehe und mich wieder meiner Arbeit widmen möchte, schließlich wird jetzt der Großteil meiner Kräfte benötigt werden, kommt Banja zu uns ins Zelt. Mit den Worten, dass sie hier einen meiner anderen Patienten für mich hätte, führt sie an der Hand einen jungen Mann mit sich, den ich als Ugdan erkenne.
Er liegt jetzt zwar nicht mehr bewegungslos und nackt vor mir auf einer Bahre, aber die blonden Haare, das Gesicht gehören unverkennbar zu der Person, die Algunde für die Seele Ugdans geformt hat. Wenigstens trägt er jetzt ein Hemd und eine Hose.
Ich bin verwundert, wie er hierhergekommen ist, aber vermutlich hat er das Algunde zu verdanken. Einer ihrer letzten Pläne. Wie dem auch sei, ich stelle mich ihm kurz und knapp vor und frage ihn, ob er den Balsam beherrscht, was er mir irritiert bejaht, weshalb ich ihn umgehend dazu einteile, sich um die leichter verletzten Menschen zu kümmern. Wir können hier gerade jede helfende Hand bitter gebrauchen.
Rondrasil geht mir weiterhin bei den Schwerstverletzten zur Hand, als Cidris das Lazarettzelt betritt und mit „Isidra, es gibt Kurze. Also Branntwein.“ meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Während ich diesen Kommentar ob meiner Körpergröße geflissentlich überhöre, alles andere wäre im Moment reine Zeitverschwendung, redet Rondrasil auf mich ein, dass ich durchaus kurz einmal vor das Zelt gehen könne und mir einen Schluck zur Feier unseres Sieges gönnen solle, dass ich auch mal kurz runterkommen müsse.
Nur widerwillig komme ich seiner Aufforderung nach und nehme bei dieser Gelegenheit Ugdan mit mir. Ich glaube, ich sollte ihn wohl besser doch nicht hier helfen lassen, die Verbände, die er angelegt hat, wirken nicht sehr fachmännisch auf mich. Er wollte sogar seine Energie aufbringen um einem Mann seine drei Finger wieder anzuheilen. Wenn ich diese Verletzung als lebensbedrohlich eingestuft hätte, wäre er nicht bei den leichten Fällen gewesen, aber im Moment müssen wir unsere Kräfte genau einteilen. Um die Finger können wir uns auch noch wann anders kümmern.
Draußen steht Banja neben einem Fass mit Branntwein und schenkt an jeden, der vorbei kommt, einen Becher aus. Auch Pjerow ist bei ihr, den Göttern sei Dank hat er überlebt und er schenkt mir einen extra großen Becher mit Branntwein ein. Ugdan, der ebenfalls einen Becher in die Hand gedrückt bekommen hat, wirkt weiterhin reichlich verwirrt und wir erfahren, dass er keinerlei Erinnerungen mehr hat seit etwa 1011 BF, als er gestorben ist, wie er sagt.
Wir setzen ihn daher grob darüber in Kenntnis, was die letzten Jahre vorgefallen ist, zumindest soweit uns dies möglich ist, denn auch wir wissen nicht alles, gerade nicht in seiner Region. Wenngleich ich ihm auch die Informationen, die ich von Bosper bekommen habe, gebe, schließlich sind sie wohl mal zusammen gereist.
Nachdem ich meinen Wissensstand nach bestem Wissen und Gewissen mit ihm geteilt habe, beschließe ich, mit meinem Becher zurück ins Zelt zu gehen, es gibt noch viel zu viel zu tun und auch mein geliebter Rondrasil soll ein wenig was trinken.
Ich nutze diese Gelegenheit auch gleich dazu, ihm zu erzählen, was während seiner viel zu langen Abwesenheit passiert ist. Nicht ganz ohne Stolz erzähle ich ihm auch davon, wie ich die Wache kampfuntauglich gemacht habe, wie gut sich mein Stab in meiner Hand angefühlt hat und bekomme umgehend ein schlechtes Gewissen davon.
Ich bin eine Adepta der Halle des Lebens zu Norburg, ich sollte Gewalt verabscheuen, ich verabscheue sie auch, ich sollte gar keine Waffen tragen, sie nicht führen und schon gar nicht stolz darüber sein, jemanden verletzt zu haben.
Dennoch kann ich auch in Rondrasils Gesicht einen Anflug von Stolz erkennen, auch wenn er versucht, sich nicht zu viel anmerken zu lassen, mittlerweile kenne ich meinen Mann einfach viel zu gut.
Meine Gedanken werden von einem Boten unterbrochen, der mir mitteilt, dass wir nach Vallusa kommen sollen, dort die Nacht verbringen könnten, weil alle hochrangigen Personen dort wären. Als ich Rondrasil fragend anblicke, meint dieser, dass er hier bleiben müsse, dass er vom Schwert der Schwerter, Ayla von Schattengrund, den Befehl dazu erhalten habe und er sagt weiter, dass diese ihn wegen unehrenhaften Verhaltens in Bjaldorns degradiert habe.
Als ich frage, wann er sich dort unehrenhaft verhalten habe, antwortet er mir, dass er damals Brin von Rhodenstein nicht alleine zurücklassen hätte dürfen, dass er entweder ihm den Vortritt hätte lassen müssen, selbst zurückbleiben hätte sollen oder mit ihm an seiner Seite hätte kämpfen sollen. Auf meine Frage, wer dann dem Schwert der Schwerter davon hätte berichten sollen, meint er, dass er diesen Auftrag dann an mich, seine Ehefrau, hätte weiterreichen müssen.
Während ich dies höre, werde ich immer wütender auf diese Frau. Rondrasil hat einen direkten Befehl seines Vorgesetzten befolgt und er wusste genau, dass ich niemals von seiner Seite gewichen wäre, wenn er geblieben wäre. Selbst wenn, ich wäre niemals wohlbehalten in Perricum angekommen.
Wutentbrannt biete ich Rondrasil an, dass ich mit dieser Ayla reden kann, was er jedoch umgehend ablehnt. Ein wenig kann ich ihn verstehen, er, der große Rondrageweihte, schickt seine kleinwüchsige Heilmagierin vor. Ich befürchte, dass ich ihm so nur noch mehr Schande einbrächte. Mehr als ich es jetzt schon getan habe.
Meine Hände sind, wieder einmal, zu Fäusten geballt, die Knöchel treten weiß hervor und erst als Rondrasil mich sachte Richtung Zelteingang schiebt, mir sagt, dass ich in Vallusa erwartet werde, wird mir dies bewusst, merke ich, wie angespannt ich bin.
Vor dem Zelt warten Cidris, Pjerow und Ugdan bereits auf mich, auch sie sollen sich in Vallusa einfinden und gemeinsam suchen wir Ifrundoch, der laut Pjerow nach Molagh suchen wollte. Pjerow erzählt, dass er Eldina von Wosna gefunden und getötet habe, während Tsadan den Fliehenden nachsetzen wollte.
Wir finden Ifrundoch an der Küste stehend, die Leiche Molaghs in den Armen haltend. Vorsichtig geht er mit ihr ins Meer, so weit, dass ihm das Wasser bis zur Brust reicht, bevor er den Leichnam vorsichtig, sanft ins Wasser gleiten lässt, ihm einen kleinen Stoß gibt. Ich blicke Molaghs Körper nach, es wirkt beinahe so, als würde das Meer ihn in seine Arme schließen, ihn aufnehmen.
Als sich Ifrundoch zu uns umdreht sehe ich den Schmerz in seinen Augen. Er ist nicht im Guten mit Molagh auseinander gegangen, hat dieser ihn schließlich für den Tod Rowinjas verantwortlich gemacht. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie tief dieser Schmerz sitzen muss, jetzt, wo keine Aussprache mehr möglich ist.
Gemeinsam gehen wir weiter Richtung Vallusa, der Stadt, die inmitten des Flusses auf einer kleinen Insel erbaut worden ist. Der Weg ist gepflastert mit Leichen, mit Tod und Verderben und so unendlich viel Schmerz.
Ich sehe die Leiche Thezmars, die von einigen Soldaten achtlos beiseite geräumt wird. Sein Rücken ist komplett verkohlt, an seiner Kehle hängt die untote Leiche von Mikhail von Brandthusen. Ich weiß, dass Thezmar genau wusste, wie er sich vor Untoten schützen kann, aber ich kann verstehen, dass er es nicht über sein Herz gebracht hat, dass er seine große Liebe nicht einfach vernichten konnte. Mir scheint es beinahe so, als habe er noch im Tod versucht, mit seinem Körper Mikhail vor dem verzehrenden Feuer zu schützen, welches hier gewütet haben muss.
Das Feuer, es muss von dem Krater ausgegangen sein, welchen wir gerade durchqueren. In seiner Mitte liegt eine verkohlte Leiche, der Stab, der daneben liegt, ich glaube, es war Jaminkas Stab, die Leiche, das muss Jaminka sein, die noch in ihrem Tod etliche Gegner mit sich gerissen hat. Als ein Söldner die Leiche umdreht und darunter eine halbverkohlte rote Katze zum Vorschein kommt, haben wir Gewissheit. Auch Jaminka hat es nicht geschafft.
Ich spüre, wie das Herz Ifrundochs zerbricht. Jaminka hatte ihn gezähmt und ich glaube beinahe, dass er auch sie gezähmt hatte. Die beiden hätten ein langes gemeinsames Leben führen sollen, es hätte nicht so enden dürfen.
In einem weiteren Krater sehe ich die Leichen von Kollerov und seinen zwei Freunden. Sie standen dicht beieinander als sie verbrannt sind. Vermutlich Drachenfeuer. Ich frage mich, ob sie es überhaupt haben kommen sehen.
Die Leiche Laskes wurde in der Mitte in zwei Hälften zerteilt. In seinen Armen hält er noch den Verletzten, den er vom Schlachtfeld ziehen wollte. Laske, mir kullern lautlose Tränen über die Wange. Er war mutiger, als man es ihm angesehen hat. Wem werde ich auf diesem Weg noch alles begegnen?
Am Rand des Schlachtfelds sehe ich die zerstückelten Überreste von Sumowicz von Plotzingen, seine Hände und Füße immer noch in den Ketten, mit denen Tjelka ihn gefesselt hatte. Unweit davon liegt Thulvje, sein Rückgrat ist gebrochen, der Körper unnatürlich verdreht und beinahe achtlos beiseite geworfen, als wäre er das Spielzeug einer viel größeren Kreatur gewesen.
Als wir an einer Bresche vorbei kommen, sehe ich den zerbrochenen Magierstab Cynwals. Von ihm sind nur noch ein paar Fetzen der Robe übrig geblieben, nicht ein kleines Körperteil von ihm kann ich entdecken.
Wir haben den Fluss beinahe erreicht, da sehen wir Kantalla auf dem Boden knien. Auf ihrem Schoß hält sie die Leiche Danjuks. Auch wenn ich durch Kolkja bereits wusste, dass er gefallen ist, ihn jetzt vor mir zu sehen ist beinahe zu viel. Es ist beinahe so, als würden Kantallas Schmerz, ihre Trauer ungebremst über mich herein brechen. Es kostet mich ausnehmend viel Selbstbeherrschung und sämtliche Konzentration jetzt nicht zusammenzubrechen, nicht ohnmächtig zu werden vor lauter Schmerz.
Ich kann nur beten, dass dieser Sieg, war es denn ein Sieg? ausreicht. Dass unser Gegner uns in Ruhe lässt, dass wir Zeit haben werden um unsere Toten zu begraben, unsere Verluste zu betrauern. Wie viele von uns mag es getroffen haben?
Wir setzen nach Vallusa über. Aufgrund Platzmangels sind die Häuser hier mehrere Stockwerke hoch und an einem Rand steht ein hoher Turm, ich glaube, es handelt sich um den Feuerturm. Wenn ich das richtig im Kopf habe, besagt eine Legende, dass, so lange kein Gebäude höher ist als dieser Turm, so lange dieser Turm steht, kein Unheil über die Stadt hereinbrechen würde. Ich frage mich, ob eine große Schlacht mit Dämonen und Untoten vor den Toren dieser Stadt dann nicht als Unheil zählt oder ob die Legende einfach nur purer Aberglaube ist.
Laut dem Boten sollen wir uns im Hotel Haus Drachenstein einfinden und auf dem Weg dorthin sehe ich an der Tür eines ganz normalen Bürgerhauses in der oberen rechten Ecke einen kleinen gekrönten Raben eingeschnitzt. Das Zeichen Al’Anfas. Außer mir scheint es keiner bemerkt zu haben und meine Gedanken schweifen bereits wieder zurück zu meinen Lieben, zu denen, die ich verloren habe und zu denen, die ich noch verlieren werde. Hoffentlich geht es Mama und Papa gut.
Im Schankraum des Hotels angekommen weist uns der Wirt, nachdem wir ihm gesagt haben, dass wir zu Tsadan von Norburg gehören, den Weg zu einem Zimmer, in dem Tsadan bereits auf uns wartet. Als er Ugdan sieht, reagiert er ein wenig verwirrt, bittet jedoch auch ihn herein.
Er teilt uns mit, dass morgen eine Ratssitzung abgehalten wird, in der entschieden werden soll, wie mit dem Boten, mit Kolkja, verfahren werden soll, da einige ihn tot sehen wollen. Tsadan gibt uns zu verstehen, dass er dies um jeden Preis verhindern wolle, da er Nadiras Seele bei sich hat und auch Ugdan spricht sich dagegen aus, sagt etwas davon, dass er mit Kolkja reden müsse, dass er vielleicht mit ihm verbunden sei.
Wäre denkbar, nachdem Kolkja ihn quasi gehalten hat, ihn vor dem Tod bewahrt hat.
Tsadan bittet Ugdan als quasi Fachmann in Sachen Kolkja, hat er doch auch einige Zeit mit ihm verbracht, darum, morgen vor dem Rat auszusagen und auch wir sollen uns morgen zur achten Morgenstunde hier einfinden.
Neben den Geweihten sämtlicher Götter werden auch etliche Adelige anwesend sein und Tsadan teilt uns weiter mit, dass auch über das Schicksal Tjelkas entschieden werden soll. Schließlich hat sie zu Beginn dieses Krieges gegen uns agiert, hat das Heer für Uriel ausgehoben, war mit einem Dämonenbündler liiert und Tsadan befürchtet, dass, sollte sie die Todesstrafe oder dergleichen erhalten, sie sich vielleicht an Kolkja rächen könnte, was unbedingt zu verhindern sei.
Nachdem uns Tsadan entlassen hat, beschließen Cidris und Pjerow nach Brinjidan zu suchen, während Ifrundoch hier bleiben will und, wie er sagt, eine Kleinigkeit trinken will. Ugdan begleitet mich zurück zum Lazarett, er will unbedingt mit Kolkja reden.
Auf dem Rückweg kommen wir erneut an Kantalla vorbei, die immer noch den Leichnam Danjuks auf dem Schoß liegen hat, nur dieses Mal hebt sie ihren Blick und als sie Ugdan erkennt, springt sie auf, rennt auf ihn zu und ringt ihn nieder.
Ich lege beruhigend eine Hand auf ihre Schulter, während sie eine ihrer Steinklingen an Ugdans Hals hält und ihn guttural anknurrt. Zwischen zusammengebissenen Zähnen presst sie hervor, dass sie dachte, dass Ugdan tot sei, was dieser ihr auch bejaht. Er sagt, dass er gestorben sei, dass Kolkja ihn offenbar jedoch zurückgeholt habe.
Nachdem Kantalla wieder aufgestanden ist, wendet sie sich mir zu und sagt zu mir „Was er anfasst, verdirbt er.“ und auf meine Frage, ob sie damit Kolkja oder Ugdan meine, antwortet sie nur mit „Der eine ist ein Narr, der andere schlecht.“ und lässt mich stehen, geht zurück zu Danjuks Leichnam.
Etwas verwirrt eile ich Ugdan, der bereits weiter Richtung Lazarett gegangen ist, hinterher und vernehme laute Stimmen aus dem Zelt. Ich höre meinen Mann, der aufgeregt etwas ruft und eine andere Männerstimme, die ebenfalls recht laut kontert.
Als ich das Zelt betrete, sehe ich einen Großinquisitor des Praios mit gezücktem Praiosszepter vor meinem Mann stehen, der seinen Rondrakamm gezogen hat. Rondrasil hat sich schützend vor Kolkja gestellt und dem Geschrei entnehme ich, dass der Großinquisitor die Herausgabe Kolkjas fordert, die ihm Rondrasil jedoch verweigert.
Ich stelle mich zwischen die beiden und versuche den Streit zu schlichten. Auf meine mir mittlerweile ganz eigene und nicht immer beste Art und Weise.
Der Großinquisitor sagt, dass er von der obersten Stelle der Praioskirche den Auftrag erhalten habe, Kolkja sicher zu verwahren, bis endgültig entschieden sei, was mit ihm gemacht werden soll, woraufhin ich damit kontere, dass die oberste Stelle der Rondrakirche, das Schwert der Schwerter, den Auftrag an meinen Mann erteilt habe, Kolkja hier zu bewachen.
Ich sage weiter, dass sich Kolkja im Moment in keiner guten Verfassung befindet, deute auf die großen Löcher in seinen Händen und Füßen, die davon rühren, dass er an das Holz genagelt worden war und die bei seiner Befreiung sehr gelitten haben. Ich als Leitung dieses Lazarettzeltes verweigere daher die Herausgabe eines meiner Patienten, was der Großinquisitor damit kontert, dass meine Vertretung während meiner Abwesenheit einer Herausgabe bereits zugestimmt habe.
Ich schlage daher einen Kompromiss vor, nachdem der Großinquisitor äußert, dass er verhindern müsse, dass Kolkja flieht, was er eigentlich ja ganz offensichtlich gerade gar nicht kann und biete an, dass die Praioskirche ganz einfach um das Zelt herum Wachen aufstellen könne. So könnte die Praioskirche Kolkja bewachen, ich hätte aber immer noch vollen Zugriff auf ihn, könnte mich um seine Gesundheit kümmern.
Etwas zerknirscht gibt der Großinquisitor letztlich klein bei, nachdem er offenbar gemerkt hat, dass ich mich nicht zu einer Herausgabe zwingen lasse und dass auch Rondrasil auf meiner Seite ist und befiehlt zwölf Bannstrahlern, sich rund um das Zelt herum zu positionieren. Danach verlässt er das Zelt.
Als es wieder etwas ruhiger wird, hören wir, wie Kolkja Ugdan zu sich ruft. Er fasst ihm an die Stirn und die beiden beginnen sich zu unterhalten. Ich lasse ihnen etwas Privatsphäre und gehe zu Rondrasil.
Dieser erzählt mir, dass er als Fachmann von Ayla von Schattengrund dazu beauftragt worden ist, auf Kolkja aufzupassen, da er bereits einige Zeit mit ihm verbracht hat. Weiter erzählt er mir, dass er, wenn diese Schlacht vorbei ist, wir wieder abziehen, nach Norburg versetzt wird, dass er dort den Tempel wieder aufbauen soll, die Novizen ausbilden muss und dass er sich in Zukunft nie mehr als drei Tagesreisen vom Tempel entfernt aufhalten darf.
Er wurde, wenn ich das richtig verstehe, quasi zu einer Art Hausarrest mit etwas Auslauf verdammt. Es stimmt mich ungemein traurig, gebe ich doch mir die Schuld dafür, dass dies alles passiert ist. Wegen mir ist er nicht in Bjaldorn geblieben, wegen mir wurde er degradiert.
Als ich mich bei ihm dafür entschuldige, ihm sage, dass dies alles meine Schuld sei, erwidert er lediglich, dass dem nicht so wäre. Dass er sich jederzeit wieder so entschieden hätte und auf meine Frage, ob er das auch so gemacht hätte, wenn es mich nicht gäbe, antwortet er ausweichend damit, dass es ihn, wenn ich nicht wäre, vermutlich schon gar nicht mehr gäbe, er gar nicht mehr am Leben wäre.
Ich weiß nicht, ob mich diese Antwort zufrieden stellt oder nicht. Ich bin so müde, so unglaublich müde.
21. Hesinde 1020 BF
Ich muss vor Erschöpfung eingeschlafen sein, hatte aber nicht den erholsamsten Schlaf. Mich habe Albträume gequält, ich habe die Leichen meiner Freunde gesehen, die Schlacht, das Schlachtfeld, habe mitten unter ihnen gestanden, gekämpft, bin gestorben und auch irgendwie nicht.
Ich bin froh, dass ich wieder wach bin und ich weiß nicht, ob die Albträume von Kolkja kommen oder ob ein Teil davon nicht auch von den Geschehnissen des gestrigen Tages her rühren. Dem Stand der Sonne nach ist es etwa sieben Uhr, wir sollten aufbrechen, in einer Stunde beginnt die Sitzung des Rats.
Während Rondrasil sich Kolkja auf die Schultern lädt, gehe ich neben Ugdan und wir vier werden von den zwölf Bannstrahlern flankiert. Ugdan bittet mich zu einem Gespräch unter vier Augen, weshalb wir uns ein wenig zurückfallen lassen.
Er teilt mir mit, dass er hervorragend geschlafen habe, vermutlich wegen der Verbindung zu Kolkja und er erzählt mir weiter, dass er einen seltsamen Traum gehabt habe. Er erzählt davon, dass er in dem Lazarettzelt gestanden habe, dass jedoch alles grünlich geleuchtet habe und überall grüne Flämmchen umher geschwebt seien.
Weiter erzählt er mir, dass er einer Frau begegnet sei, grün schimmernd, die sich ihm als Ilonen Schwanendottir vorgestellt habe. Sie habe ihm erzählt, dass in Bjaldorn der Winter ausgebrochen sei, dass er sich ausbreiten würde und sich nur durch eine Eisrose aufhalten ließe.
Sie soll weiter erzählt haben, dass Nadira ihre Eisrose achtlos weggeworfen habe und dass wir jetzt eine neue finden müssen. Eine neue Eisrose und einen neuen Unsterblichen, der sich freiwillig opfern würde.
Die ursprüngliche Eisrose soll von Ifirn an Jarrlak, den Jäger gegeben worden sein, welcher sie in Bjaldorn gepflanzt habe. Diese ist jedoch, wie ich nur zu gut weiß, mittlerweile verwelkt.
Woher weiß Ugdan dies alles? Ich glaube beinahe, dass er gar nicht geträumt hat. Vielleicht hat er tatsächlich mit Ilonen gesprochen, schließlich ist er auf irgendeine Art und Weise mit Kolkja verbunden.
Darüber sollte ich mir später Gedanken machen. Just als wir zu Rondrasil und Kolkja wieder aufgeschlossen haben, hält dieser plötzlich abrupt an und neigt seinen Kopf in Richtung Kolkja. Kurz darauf geht er auf einen Leichenberg zu, der mittlerweile aufgetürmt worden ist, und noch während ich Kolkja ermahne, dass er nicht alle Seelen einsammeln könne, die auf dem Weg liegen, sehe ich, wie Rondrasil an einer Leiche zerrt, sie an den Beinen aus dem Haufen zieht.
Mein Vater!
Beinahe wie gelähmt frage ich Kolkja, ob meine Mutter ebenfalls tot ist und bin ein klein wenig erleichtert, als er mir sagt, dass er sie hier nicht spüren könne, sie nicht hier bei ihm sei.
Wir setzen uns wieder in Bewegung, ich spüre gar nicht, wie mich meine Beine tragen, habe nur das leblose Gesicht meines Vaters vor meinem geistigen Auge. Sehe das Blut, welches mittlerweile in seinem Gesicht eingetrocknet ist, sehe den Knüppel, den seine leblose Hand immer noch eisern festhält. Jener Knüppel, mit dem er mich damals in Norburg bereits vor den Vampiren verteidigt hat.
Mir laufen stumm die Tränen über mein Gesicht, meine Blicke sind getrübt, erst als wir Golgarah gegenüber stehen, die mich in den Arm nimmt, realisiere ich, dass wir bereits in Vallusa sind.
Golgarah wurde damit beauftragt, Ugdan einer Seelenprüfung zu unterziehen, um seine Glaubwürdigkeit zu untermauern und nachdem dieser die Befürchtung geäußert hat, dass man ihrem Urteil eventuell nicht glauben könnte, woraufhin sie damit geantwortet hat, dass sie eine der drei höchsten Borongeweihten des Bornlands sei, setzt sie sich ihm gegenüber und blickt ihn zwei Stunden lang stumm an.
Zwei Stunden, die ich reglos daneben sitze, still um meinen Vater trauere.
Im Anschluss findet die Ratssitzung statt, neben den Geweihten aller Kirchen sind auch Thesia von Ilmenstein, Drego von Elengrund, Tsadan, Alderich, Vito von Persanzig und Jucho von Dallentin und Persanzig und andere Adelige anwesend.
Tjelka ist in Ketten gelegt ebenfalls hier, auch wenn ihre Verhandlung erst morgen stattfinden soll.
Bereits zu Beginn haben sich kleine Lager gebildet. Die Praioshochgeweihte Tesbinja von Gorschnitz spricht sich im Namen der Praioskirche und stellvertretend auch für Ingerimm, Efferd und Phex dafür aus, dass Kolkja getötet werden soll, während Golgarah für die Boronkirche gemeinsam mit Rondra (jetzt weiß ich auch, wer Ayla von Schattengrund ist), Firun, Rahja, Tsa und Travia dafür ausspricht, dass Kolkja am Leben bleiben muss.
Hesinde und Peraine sind noch unentschieden, welche Stellung sie beziehen wollen, während der Großteil der Adeligen Kolkja an die Praioskirche aushändigen will. Tsadan spricht sich erwartungsgemäß für Kolkja aus und Prinz Brin von Gareth gibt bekannt, dass er sich an das Wort seines guten Freundes Ugdan halten wolle, dem er bei diesen Worten anerkennend zunickt.
Im Anschluss wird Ugdan auch sogleich dazu aufgefordert, zum Rednerpult zu gehen und Stellungnahme zu beziehen zu Kolkja.
Ugdan klärt daraufhin die Anwesenden zuvorderst darüber auf, was passiert, wenn man Kolkja tötet. Nämlich, dass der Fluch, der auf ihn lastet, dann umgehend auf denjenigen übergeht, welcher ihn umgebracht hat. Weiter erklärt er, dass Kolkja nicht per se böse ist, vielmehr einfach nach seiner Natur handelt, auch Gutes getan hat, woraufhin sich der Firungeweihte zu Wort meldet und fragt, ob man einen Wolf, der einen Menschen gerissen hat, dann auch nicht töten dürfe, da dieser ja ebenfalls nur nach seiner Natur handeln würde.
Es entspinnt sich eine kleine Diskussion, infolge derer der Firuni und auch Ayla von Schattengrund das Lager wechseln und sich contra Kolkja positionieren. Die Blicke, die das Schwert der Schwerter dabei meinem Mann zuwirft, könnten wütender und verurteilender nicht sein.
Die junge Tsageweihte meldet sich mit einer Frage zu Wort und nachdem sie sich mehrmals dafür entschuldigt hat, dass diese Frage eigentlich nicht hierher gehören würde, fragt sie Ugdan, ob es stimmt, dass er einen künstlichen Körper besäße, was dieser bejaht.
Daraufhin fragt sie weiter, ob es dann rein theoretisch nicht möglich wäre, auch für Ilonen einen Körper zu erschaffen, sie ebenfalls wieder zurückzuholen und auch das bejaht Ugdan. Theoretisch könnte dies durchaus im Rahmen des Möglichen liegen.
Noch während Ugdan redet, fällt mir auf, wie sich Tsadan mehr und mehr vorgebeugt hat, ein nahezu manisches Leuchten in seinen Augen bekommt. Ich vermute, dass er in Betracht zieht, wenn man Ilonen zurückholen kann, kann man auch Nadira zurückholen. Nur, für welchen Preis? Wie soll man einen neuen Körper erschaffen?
Ugdan wird aus dem Zeugenstand entlassen und die Praiosgeweihte richtet das Wort an die Allgemeinheit, gibt bekannt, dass ihr Sohn Elkjow von Ilumkis als weltlicher Schreiber von ihr den Auftrag erhalten habe, uns als Zeugen zu befragen und aufzeigen soll, ob man uns glauben könne oder nicht, schließlich habe er eine Zeit lang mit uns verbracht.
Bereits als ich diesen Namen höre, ballen sich meine Hände unwillkürlich zu Fäusten, spanne ich mich an. Rondrasil, der neben mir sitzt, nimmt meine Hände in seine und streichelt sie beruhigend, kann jedoch dieses Mal nicht dafür sorgen, dass ich mich entspannen kann.
Elkjow beginnt seine Ausführungen damit, dass wir alle uns gegen ihn und seinen damaligen Auftraggeber Tsadan verschworen hätten, dass wir ihn gewaltsam aus Moorwacht vertrieben hätten, seine Edikte, die er rechtens von Tsadan dazu ermächtigt, erlassen hat, ignoriert hätten. Weiter erzählt er, dass wir mit einer Paktiererin, namentlich Algunde, gegen seinen ausdrücklichen Willen zusammengearbeitet haben.
Pjerow kann sich nicht verkneifen, einen Zwischenruf zu geben, dass auch Elkjow mit Algunde zusammengearbeitet habe, woraufhin ihn die Praiosgeweihte zu einem Bußgeld von 100 Batzen verdonnert. Doch dies hält ihn nicht davon ab, auch noch ein zweites Mal kontra zu geben, dass Tsadan ja beherrscht war und deshalb die Machtübergabe durchaus nicht rechtens gewesen sei.
Dies bringt ihm ein Ordnungsgeld von 500 Batzen ein und ich sehe, wie Tsadan einen Wechsel für Pjerow über 600 Batzen ausstellt, an seiner Statt das Ordnungsgeld zahlt.
Auch mir fällt es unglaublich schwer, nicht gleich einzuschreiten bei den Ausführungen von Elkjow, die so unglaublich wortverdrehend und wahrheitsverzerrend sind, jedoch gelingt es mir, indem ich mir beinahe die Zunge abbeiße.
Selbst als er sich direkt an mich wendet, sagt, dass es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könne, dass er nicht wüsste, wie ich so schnell so viel Wissen anhäufen konnte, bleibe ich ruhig. Ifrundoch wird von ihm in allererster Linie als ein Mitläufer bezeichnet, während Pjerow ein Rädelsführer der Verschwörung gegen Tsadan und ihn gewesen sein soll und ich eine Konspirantin, habe ich doch die Örtlichkeiten für unsere Zusammenkünfte zur Verfügung gestellt.
Im Anschluss werde ich in den Zeugenstand gerufen und als ich an das Rednerpult trete wird mir nach einer kurzen Zeit ein Schemel gebracht, auf den ich mich stellen kann, damit ich überhaupt über das Pult sehen kann.
Die Praiosgeweihte fordert mich dazu auf, mich bezüglich Kolkja zu äußern und, ich vermute dass nicht nur sie meine innerliche Anspannung bemerkt hat, dass ich mich dann auch gerne noch zu den Aussagen ihres Sohnes äußern dürfe.
Ich gebe zu Protokoll, dass sämtliche Seelen, die Kolkja gesammelt hat, und das dürften, gerade nach dieser Schlacht, einige tausend sein, mit seinem Tod in die Niederhöllen gehen werden, unwiederbringbar verloren sein werden, woraufhin der Firuni wieder zurück zu Golgarah und den anderen Kirchen geht, die gegen den Tod Kolkjas sind.
Danach erkläre ich, dass ich Elkjow mehrmals darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass Tsadan dämonisch beherrscht worden ist, dass die Machtübergabe an ihn gar nicht rechtens gewesen sei und auf die Frage, ob ich jemanden verständigt habe, antworte ich, dass ich aufgrund der Ausgangssperre gar nicht die Möglichkeit dazu gehabt habe.
Ich kann jedoch auf die Frage, ob ich jemanden darüber informiert habe, damit antworten, dass ich neben Rondrasil, den Tesbinja als Zeugen aufgrund unserer Ehe außen vor lässt, und Golgarah auch Bruder Aahren und Tsacharan als Geweihte hinzugezogen habe. Quasi alle Geweihten, die zu diesem Zeitpunkt in Moorwacht waren.
Weiter erzähle ich davon, wie er mich als Pfand in einem Spiel gegen Mengbillar eingesetzt hat. Davon, dass er wusste, über welche schwarze Gabe diese abscheuliche Person verfügte und dass er wissentlich und willentlich nicht nur meinen Körper, mein Seelenheil aufs Spiel gesetzt habe, nein, durch den Befehl an eine Dienstmagd hat er auch noch meinen Ruf in den Dreck gezogen, mir eine Anzeige für Erregung öffentlichen Ärgernisses eingebracht sowie die Schmach und Scham, die er mir zugefügt hat, nachdem er mir die Kleider vom Leib hat reißen lassen.
Tesbinja gibt an, dass Elkjow für die Kosten des Kleides sowie die Anzeige aufkommen müsse, zeigt sich ansonsten aber relativ unbeeindruckt von meinen Aussagen gegen ihren Sohn. Ich weiß nicht, ob das einer professionellen Neutralität zuzuschreiben ist oder ob sie Stellung für ihren Sohn bezieht.
Ich bin jedoch erleichtert, als ich aus dem Zeugenstand entlassen werde und erklärt wird, dass eine Todesstrafe für Kolkja nach meiner Aussage definitiv nicht mehr in Betracht gezogen werden wird. Niemand will verantworten, dass abertausende Seelen in die Niederhöllen kommen.
Nach mir wird Ifrundoch, der namentlich von Elkjow am zweithäufigsten genannt worden ist, in den Zeugenstand gerufen. Er sagt aus, dass Kolkja den Verstand eines Kindes hat, nicht gefährlich sein kann und spricht sich für die Unterbringung in einem Gut aus.
Auf die Frage, ob er ein Lykantroph sei, weil es diesbezüglich wohl Gerüchte gäbe, antwortet er wahrheitsgemäß, dass dem nicht so ist.
Pjerow bekräftigt die Aussage, dass Kolkja den Geist eines Kindes habe damit, dass er sagt, dass Kolkja Rondrasil und mich Mama und Papa nennt, während Rondrasil und Golgarah, die ebenfalls aussagen sollen, unsere Geschichten bestätigen.
Auch Kolkja selbst wird befragt und antwortet in seiner ihm eigenen Art darauf, dass er nicht böse sei, nicht tot sein könne, das dürfe nicht sein und dass er es gut machen wolle, wie Ugdan.
Im Anschluss besprechen sich sämtliche Parteien offen, es entsteht ein Geraune und Gemurmel und nach einer gefühlten Ewigkeit wird bekannt gegeben, dass die Todesstrafe aus bekannten Gründen ausscheidet, dass eine Deportation das Mittel der Wahl wäre. Drego und Thesia sprechen sich dafür aus, dass Kolkja das Bornland verlassen solle, Brin fragt Ugdan, was dieser dazu denkt und bevor dieser etwas antworten kann, überschlagen sich die Ereignisse.
Elkjow, der gerade an einem Fenster vorbei gegangen war, taumelt plötzlich zurück, kurz nachdem ein klirrendes Geräusch zu hören war. Als er sich etwas aufrappelt, sehen wir alle, wie in seiner Brust ein Bolzen steckt und panisch suchen wir alle hinter Tischen und Bänken etwas Schutz, Tsadan und Ugdan werfen sich auf Kolkja, ihm darf nichts geschehen.
Noch während wir uns alle aufgeregt umblicken (Rondrasil hat sich schützend vor mich geschoben, mein tapferer, liebevoller Mann) sehe ich, wie Elkjow einen Zettel, der an dem Bolzen befestigt war, liest und dann zerknüllt. Der Bolzen selbst ist in dem Tintenfässchen steckengeblieben, welches Elkjow stets in seiner Brusttasche mit sich führt.
War das beabsichtigt? Sollte er vielleicht nur gewarnt werden? Aber wovor? Von wem?
Nachdem das Gelände gründlich abgesucht worden ist und keine weitere Bedrohung festgestellt werden konnte, wird das abschließende Urteil verkündet.
Kolkja wird dem Gut Nuppenkehmen zugeführt, sämtliche Patienten, die sich dort befinden, werden dem Marbidenkloster überstellt in Anbetracht der Tatsache, dass man in Kolkjas Nähe Albträume hat. Um die Sicherheit Kolkjas zu gewährleisten, stellt die Praioskirche Bannstrahler zur Bewachung des Guts ab, die Tag und Nacht vor Ort sein werden.
Ich werde damit beauftragt, neben Ugdan, Forschungen über Kolkja zu betreiben, einen Weg zu finden, die Seelen zu erlösen und auch die Hesindekirche bietet an, sich an den Forschungen zu beteiligen.
Diese Besprechung hat den ganzen Tag eingenommen und es dämmert bereits, als wir endlich wieder den Schankraum verlassen können. Rondrasil trägt Kolkja zurück ins Lazarett, begleitet von den Bannstrahlern und auch ich begleite ihn, hoffe, meine Mutter zu finden, sie weiß, dass ich, wenn ich noch am Leben bin, am ehesten bei den Verletzten anzufinden bin.
Die Götter sind mir gnädig und neben Banja, die gerade Essen an unsere Leute ausgibt, sehe ich meine Mutter stehen, auf die ich umgehend zu renne und ihr in die Arme falle. Wir beide weinen, schluchzen. Froh darüber, dass wir uns noch haben und traurig, dass Papa nicht dabei sein kann.
Nachdem Rondrasil Kolkja wieder auf seine Pritsche gelegt hat, wird er von einem Boten zu Ayla von Schattengrund gerufen und ich nehme in seiner Abwesenheit meine Arbeit mit den Verletzten wieder auf.
Einige Zeit später kommt er zurück und erzählt mir, dass er von Ayla persönlich für den Gesichtsverlust der Rondrakirche vor den Anwesenden verantwortlich gemacht worden ist, dass sie ihm sehr deutlich gesagt habe, dass sie ihn nicht noch einmal sehen wolle, dass er nur noch ausbilden dürfe.
Erneut wird mir bewusst, dass er wegen mir in diesen Schwierigkeiten steckt und wieder kann ich den Drang nicht zurückhalten und entschuldige mich bei ihm. Erneut sagt er mir, dass es sein eigener freier Wille war, dass er sich aus freien Stücken für diesen Weg entschieden hat und mich keine Schuld trifft, aber dennoch fühle ich mich schuldig. Ich befürchte, dass wir dieses Gespräch sicherlich noch einige Male führen werden.
Sollte ich nicht eigentlich sogar froh über diese Entscheidung von Ayla sein? Schließlich dürfte er in entschieden weniger gefährliche Situationen kommen, wenn er in Norburg ist, wenn er im Tempel die Novizen ausbilden muss.
Es ist falsch und egoistisch von mir, auch nur so etwas zu denken und dennoch erleichtert es mich beinahe ein wenig zu wissen, dass mein Mann in Zukunft nicht mehr von einer gefährlichen Schlacht zur nächsten gerufen werden sollte.
Rondrasil reißt mich aus diesen Gedanken mit den Worten, dass Tsadan uns noch ausrichten lässt, dass wir übermorgen abreisen werden nach Norburg, dass er dort das Testament Isidors öffentlich verlesen lassen möchte.
Cidris und Pjerow, die gerade das Lazarettzelt betreten haben und Rondrasil zugehört haben, erzählen danach, dass sie von Wilmaan kommen, dass er in Vallusa ein Haus habe (das mit dem Raben an der Tür vielleicht?) und dass dieser angeboten habe, uns bei den Forschungen über die Boten zu helfen. Er bräuchte dafür jedoch noch einen Anhaltspunkt, wo er beginnen könnte.
Als Bezahlung hat er von Pjerow einen Gefallen verlangt, den er, wenn die Zeit reif ist, benennen möchte. Ich hoffe nur, dass sich Pjerow damit nicht in gefährliche Machenschaften verwickeln lässt.
Als Zeichen seines guten Willens hat Wilmaan den beiden für uns alle, Cidris, Ifrundoch, Pjerow, Ugdan und mich einen Mantel mitgegeben. Er ist schwarz und wenn man ihn anzieht, schließt und das Wort Boron sagt, wird ein einmaliger Transversalis ausgelöst, der uns von überall in sein Haus nach Vallusa bringen soll. Auch einen Spiegel für die Kommunikation über weite Strecken hat Pjerow von ihm bekommen.
Die beiden erzählen weiter, dass, sollte Kolkja nicht erlöst werden, Nirraven erneut seine Klauen nach ihm ausstrecken wird, woraufhin Cidris sich dazu hinreißen lässt, darüber zu philosophieren, ob es nicht möglich wäre, wenn genug Menschen an Kolkja glauben würden, dass dieser göttlich würde, woraufhin Rondrasil sogleich einschreitet und Cidris sich daraufhin entschuldigt, sagt, dass das nur ein Hirngespinst von ihm war.
Pjerow überlegt, ob wir den Fluch irgendwie in ein beseeltes Schwert bekommen, ähnlich wie bei Kantalla damals und Kolkja fällt uns ins Wort, dass er sich nicht von einem Schwert hauen lassen wolle. Verständlich, wer möchte sich schon freiwillig töten lassen und blind darauf vertrauen, dass ihn eine kleine Heilmagiern von den Toten zurückholt.
Mir kommt der Gedanke, dass wir ja vielleicht Wilmaan nach einer Eisrose suchen lassen könnten, seine Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, sein Informationsnetzwerk ist wesentlich breiter aufgestellt als das unsere.
Mir fällt auf, dass wir Ifrundoch seit der Besprechung nicht mehr gesehen haben und gemeinsam mit Rondrasil mache ich mich auf die Suche nach unserem Hünen. Während ich laut seinen Namen rufe geht Rondrasil gezielt auf einzelne Männer zu und ich kann sehen, wie er Ifrundochs Höhe mit der Hand markiert, breite Schultern andeutet und dann einen Rock, woraufhin ihm eine Richtung gewiesen wird.
Wir finden ihn am Flussufer sitzend, auf das fließende Wasser starren, in seiner Hand eine Flasche mit Alkohol. Ich setze mich schweigend zu ihm nachdem ich ihn eine Weile umarmt habe, kann seinen Schmerz, seine Trauer verstehen und als er meiner gewahr wird, bietet er mir einen Schluck aus seiner Flasche an. Das Zeug hat es echt in sich und während ich davon husten muss, nimmt mein Mann, der sich auf die andere Seite neben Ifrundoch gesetzt hat, einen kräftigen Schluck davon ohne auch nur einmal die Miene zu verziehen.
Mehr zu sich selbst als zu uns erzählt Ifrundoch, dass niemand in seiner Nähe sicher sei, dass alle, die ihm etwas bedeuten, sterben würden. Rowinja, Molagh, Jaminka. Ich versuche ihm diesen aberwitzigen Gedanken auszureden, schließlich gibt es auch noch ausreichend Menschen, die ihm nahe stehen und die nicht gestorben sind.
In einem Krieg gibt es Verluste und sowohl Rowinja als auch Molagh waren Kämpfer, auch Jaminka hatte eine kämpferische Natur, da lag es nahe, dass sie in einer Schlacht einem höheren Risiko ausgesetzt sind.
Rondrasil schlägt vor, dass Ifrundoch Golgarah darum bitten könnte, ob sie eine Zeremonie für Jaminka abhalten könne, dass er dann auch etwas sagen könne, woraufhin Ifrundoch fragt, was er denn sagen solle. Noch bevor ich Rondrasil ins Wort fallen kann, schlägt dieser doch tatsächlich vor, dass das ja auch Cidris übernehmen könnte, weil dieser Jaminka schließlich auch eine zeitlang sehr nahe gestanden habe.
Manchmal ist mein Mann eben auch nur ein Mann. Völlig ohne Empathie und taktgefühl. Ich stehe auf und knuffe ihn in die Schulter, was ihm einen Schmerzenslaut entlockt. Mir war völlig entgangen, dass es bereits wieder nach Mitternacht ist, sich seine Wunde in der Schulter erneut geöffnet hat.
Ich wirke einen Balsam auf seine Schulter und bitte ihn dann, noch ein wenig bei Ifrundoch zu bleiben, damit ich wieder einmal nach Rik sehen kann.
Etwas abseits wirke ich Madas Spiegel auf Rik, ich sehe Rik inmitten von Feuer, geschmolzenen Steinen und brennendem Schnee, alles flimmert, die Hitze muss unglaublich groß sein. Ich sehe Rik, der sich langsam, schleppend vorwärts bewegt und ich spüre Feuer, Hitze. Rik trägt keine Kleidung mehr, sie ist vollständig verbrannt und ich weiß nicht, wie lange er schon in diesem Zustand ist. Wir müssen uns beeilen, nach Norburg umgehend weiter nach Moorwacht reisen.
Ich zumindest, Rondrasil wird es in Zukunft untersagt sein. Wegen mir.
22. Hesinde 1020 BF
Ich habe heute exakt zehn Schritt von Kolkja entfernt geschlafen, habe jedoch erneut Albträume gehabt. Ich muss herausfinden, welcher Abstand notwendig ist, damit die Träume aufhören.
Ugdan gibt an, dass er erneut sehr gut geschlafen habe, beneidenswert. Auch heute habe er wieder geträumt, sagt, dass Ilonen ihn nicht gerufen hätte. Das unterstützt meine Theorie bezüglich der Tatsache, dass es kein Traum ist, er vielmehr in Kolkjas Geist oder was auch immer das genau ist wandeln kann.
Als ich vor das Zelt trete, sehe ich den Sonnenaufgang. Ich sehe Vallusa nahezu gänzlich in einen Nebel gehüllt, der rötlich leuchtend von der Sonne beschienen wird. Ein beeindruckendes Naturschauspiel. Wwenn das Schlachtfeld nicht wäre, die Leichenhaufen, der Geruch nach Tod, Blut und Verderben, man könnte beinahe den schönen Anblick genießen.
Ifrundoch hat sich bei der Essensausgabe eingefunden, isst jedoch kaum etwas, trinkt vielmehr schon wieder (oder immer noch?) Alkohol. Ich vermute, er will damit seinen Schmerz betäuben, aber das wird ihm nicht auf Dauer gelingen.
Narena setzt sich zu ihm, verwickelt ihn in ein Gespräch. Sie erzählt von Tobrien, von dem schwarzen Drachen, der über die Untoten gebietet. Erzählt, dass sie seit zwei Jahren, seit sie von Moorwacht weggegangen ist, ununterbrochen gekämpft habe, gegen die Anhänger um Reshemin, dass sie die Evakuierung und den Rückzug der Zivilisten bewacht habe, sich jedoch immer auf Befehl selbst zurückgezogen habe, wenn das Dämonenbalg in die Nähe kam.
Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Bedürfnis, der Verhandlung von Tjelka beizuwohnen und Rondrasil erklärt sich bereit, mich zu begleiten, die Bannstrahler dürften ausreichen für die Bewachung Kolkjas.
Narena, der Pjerow gerade von den Transversalismänteln erzählt, bittet darum, mit Cidris und Pjerow mitkommen zu dürfen, die Ugdan zu Wilmaan bringen sollen. Ifrundoch hakt sie kurzerhand unter und nötigt ihn damit dazu, sich ihnen ebenfalls anzuschließen.
Ich bin bei der Verhandlung zwar körperlich anwesend, schweife gedanklich aber immer wieder kurz ab. Auch an mir ist die Schlacht nicht spurlos vorüber gegangen und es fällt mir schwer, die Gesichter meiner gefallenen Freunde, das Gesicht des Krieges vor meinem inneren Auge zu verdrängen.
Gegen Abend wird das Urteil gegen Tjelka gefällt. Sie wird des Amtes als Adelsmarschallin enthoben und darf nie wieder in ihrem Leben kandidieren. Sie wird zur Kronvögtin von Neersand ernannt, darf jedoch keine eigenmächtigen Entscheidungen treffen, braucht dafür jedes Mal die Zustimmung von mindestens der Hälfte des Stadtrates.
Ihr Bruder Alderich muss als Herrscher von Notmark Reparationen zahlen an das Bornland. Er muss für sämtliche Kosten des Krieges, die Ausfälle und Reparaturen aufkommen und wird vermutlich noch an seine Urenkel Schulden vererben.
Einerseits kann ich das Urteil verstehen, war es schließlich sein Vater, der all das Leid über unser Land gebracht hat, andererseits war Alderich selbst von Anfang an dagegen, konnte nur leider nichts dagegen ausrichten. Ich denke, ich werde ihn nicht um die anderen 10.000 Batzen bitten, die er mir noch versprochen hat, er hat das Geld wesentlich nötiger als ich es je haben werde.
Warum nur fühle ich mich gerade mit daran schuldig, dass die beiden ein solch hartes Urteil bekommen haben? Ist es das überhaupt? Ein hartes Urteil? Ist es nicht vielmehr ausgleichende Gerechtigkeit? Nur, woher soll Alderich so viel Geld auftreiben? Außer dadurch, dass er seine Leibeigenen auspresst? Hätte man dies irgendwie verhindern können? Hätte ich nur damals gewusst, was mein Handeln bei Uriel für Folgen nach sich zieht.
Gedankenverloren bin ich wieder im Lazarettzelt angekommen, ich glaube, ich wäre wohl zu Fuß durch den Fluss gegangen, wäre Rondrasil nicht an meiner Seite gewesen und dort sind auch Cidris, Narena, Pjerow und Ugdan bereits wieder. Sie erzählen mir, dass Wilmaan ein großes Interesse an Ugdan gezeigt hat, seinen Puls fühlen wollte, seine Zähne sehen wollte.
Reine wissenschaftliche Neugier. Auch ich würde sehr gerne wissen, wie Algunde das mit seinem Körper angestellt hat, habe jedoch aus Anstand bislang noch nicht um eine nähere körperliche Untersuchung gebeten.
23. Hesinde 1020 BF
Heute Mittag geht es zurück nach Hause. Nach Hause? Ist Norburg noch mein Zuhause? Es sollte es wohl wieder werden, ich werde meinem Mann nicht von der Seite weichen.
Narena teilt uns mit, dass sie noch eine wichtige Schlacht zu schlagen hätte, bevor sie frei von jeglicher Schuld gegenüber ihrer Akademie ist und ich verabschiede mich äußerst herzlich von ihr. Es tat gut, sie nach so langer Zeit einmal wiederzusehen und der Abschied fällt mir, wieder einmal, nicht leicht.
Tjelka begleitet den Heerzug in Ketten gelegt. Ob es beabsichtigt war, dass es sich um dieselben Ketten handelt, mit denen sie Sumowicz an den Rand des Schlachtfelds hat fesseln lassen?
25. Hesinde 1020 BF
Heute Nacht habe ich zwanzig Schritt entfernt von Kolkja geschlafen. Die Träume lassen etwas nach, glaube ich.
Nachdem ich aufgestanden bin, wir alles zusammengepackt haben, kam Brinjidan auf mich zu und hat mich gefragt, ob mein Angebot noch bestünde bezüglich seines Gesichtes. Selbstverständlich steht dieses Angebot noch.
Am Abend habe ich mich an die Operation mittels des Balsam cicatrice abolesco gemacht. Als er seine Maske abgenommen hat, musste ich einmal tief Luft holen. Jetzt verstehe ich auch die Andeutung mit dem Hobel, die er damals in Festum gemacht hat.
Sein Gesicht sieht so aus, als hätte jemand mit einem Hobel großflächig die Haut abgeschabt, mehrmals.
Es gelingt mir jedoch, den Göttern sei Dank, ihm wieder zu einem normalen Aussehen zu verhelfen, seine Haut wieder eben zu machen, auch die Nasenspitze, die gefehlt hat, konnte ich rekonstruieren. Ich glaube, dass man kaum einen Unterschied zu früher bemerken sollte.
27. Hesinde 1020 BF
Auf unserem Marsch wird unser Heer Stück für Stück kleiner. In all jenen Dörfern, in denen wir auf dem Hinweg Menschen rekrutiert haben, bleiben diese jetzt wieder zurück. Manche werden sogar von Angehörigen empfangen, die nicht mitgekommen sind.
Aber manche Dörfer bleiben auch leer. Jene, durch die Uriel und die steinerne Schlange von Paavi gekommen sind. Kein Wunder, bereits auf dem Hinweg hatten wir schon niemanden mehr dort angetroffen, wer sollte jetzt auch dort bleiben wollen?
29. Hesinde 1020 BF
Madas Spiegel zeigt mir, dass es in Moorwacht immer noch zu brennen scheint, Rik lebt, ist aber angeschlagen. Und irgendwie auch nicht. Vor lauter Feuer spüre ich kaum, ob er geschwächt ist oder nicht.
Heute habe ich auch auf Friedbert Madas Spiegel gezaubert und ich bin überglücklich, ihn lebend gesehen zu haben. Mit ihm haben auch einige andere in Moorwacht überlebt. Haltet durch, wir sind auf dem Weg zu euch.
09. Firun 1020 BF
Heute haben wir Festum erreicht und Brinjidan hat sich von uns verabschiedet. Ein großer Teil unseres Heeres wird hier bleiben, die Maraskaner, viele Geweihte, die Amazonen. Eigentlich jeder, den wir hier rekrutiert haben und der überlebt hat.
Brinjidan ernennt uns alle zu Maraskanern ehrenhalber. Ich muss beinahe ein wenig darüber schmunzeln.
Drego von Elengrund teilt uns mit, dass er den Punkt mit den Bürgerrechten für die Goblins im ganzen Bornland streichen wird, dass einzig die freien Städte selbst darüber entscheiden können, ob sie ihnen welche gewähren, woraufhin Pjerow umgehend mit Tsadan spricht.
Dieser sichert den Goblins in Norburg freie Bürgerrechte zu, sobald er offiziell der Bronnjar dort ist.
Finger und Shakra, die hier geblieben waren, begrüßen uns, jedoch nur Finger schließt sich uns an. Shakra sagt, dass sie wegen ihrer Ausbildung bei der Kunga Sula noch einige Zeit benötigen würde.
10. Firun 1020 BF
Wir reisen weiter.
Jede Nacht lasse ich etwas Astralenergie in die Schulter meines Mannes fließen, ganz gleich ob er es ablehnt oder nicht. Ich will nicht, dass er Schmerzen hat. Schon gar nicht, wenn ich in seiner Nähe bin und ihm helfen kann.
17. Firun 1020 BF
Zum gefühlt hundertsten Mal habe ich heute mit Rondrasil darüber gesprochen, wie leid es mir tut, dass er wegen mir seine Laufbahn in der Rondrakirche nicht mehr verfolgen kann und zum hundertsten Mal hat er mir erwidert, dass das nicht meine Schuld sei.
Im Gegenzug ist es auch ihm wieder nicht zur Gänze gelungen, mich vom Trübsal blasen abzuhalten. Ich vermisse sie alle so. Papa, Laske, Thezmar, Danjuk, Thulvje. Die vielen ungezählten Toten, gestorben, grausam getötet.
Wenn ich mich eine Meile von Kolkja entfernt aufhalte, verschwinden die Träume. Zwischen einer Meile und zwanzig Schritt sind sie mal mehr mal weniger stark vorhanden. Keine guten Voraussetzungen für das Gut, ich fürchte, ich werde die Zeit dort tatsächlich alleine mit ihm und den Bannstrahlern verbringen. Vielleicht bekomme ich noch ein wenig Unterstützung von der Akademie. Oder von Ugdan. Der kann schließlich in seiner Nähe sehr gut schlafen.
23. Firun 1020 BF
Heute haben wir Vierwinden erreicht und verabschieden uns von Vito und Jucho, wir ziehen umgehend weiter, halten uns gar nicht lange auf.
30. Firun 1020 BF
Elkjow wird in Zukunft Tsandra erziehen und Brandthusen verwalten, bis sie erwachsen ist. Auf meine Frage, ob ich sie regelmäßig besuchen dürfe, antwortet er mir, dass sie keine Zeit haben werde, er mir den Kontakt zu ihr untersagen werde.
Ich habe zwar nichts anderes von ihm erwartet, dennoch stimmt es mich äußerst traurig, dies zu hören. Ich hoffe, dass ich vielleicht mittels Madas Spiegel ab und an nach ihr sehen kann, mich ein wenig in ihrem Gedächtnis halten kann.
07. Tsa 1020 BF
Norburg. Altes und neues Zuhause.
Es sind wesentlich mehr Bewaffnete auf den Straßen als früher, hauptsächlich Söldner und Jäger, die sich im Winter hier als Söldner verdingen. Tsadan weist Natascha an, sämtliche Bürger zu versammeln, er wolle das Testament seines Vaters öffentlich verlesen lassen.
Im Testament steht geschrieben, dass Tsadan der Herrscher über Norburg und das Umland werden wird. Er soll zum Graf gekrönt werden und Nadira, mit der er hoffentlich mittlerweile verheiratet sei, zur Gräfin. Natascha Petrilowska soll für die Dauer von den nächsten fünf Jahren die Bürgermeisterin von Norburg sein, bis Tsadan mit Nadira einen erbfähigen Spross gezeugt habe.
Sollte innerhalb dieser Frist kein Kind geboren werden, bleibt Norburg eine freie Stadt, in der Tsadan einen dauerhaften Sitz im Stadtrat erhalten wird und dessen Stimme immer mehr Gewicht haben wird als die der anderen Ratsmitglieder.
De facto bedeutet dies jedoch, nachdem Nadira namentlich im Testament erwähnt worden ist und er mit ihr keine Kinder mehr zeugen kann, dass er keinerlei Herrschaft über Norburg erlangen können wird, lediglich das Umland regieren wird.
Ob Isidor das so beabsichtigt hat?
Tsadan bittet uns, ihm in seine Norburg zu folgen und gibt, dort angekommen, zu, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, das Testament öffentlich verlesen zu lassen.
Er bietet Cidris, Ifrundoch und Pjerow an, die drei zu adeln, erhebt sie in den Rang von Bronnjaren und jeder von ihnen erhält eine Baronie von ihm. Cidris wird Marenhus bekommen, Ifrundoch Hexenhus und Pjerow wird Wosna übernehmen, mit dessen Seen er eine Brauerei betreiben will, wie er sagt.
Ich sollte mit ihm reden, vielleicht stellt er einen See für den Umzug von Noumiza zur Verfügung?
Mich entlässt Tsadan aus seinen Diensten, ich soll mich schwerpunktmäßig um Kolkja kümmern, forschen, ob ich die Seelen erlösen kann. Er wird ein Schreiben an Maschdawa schicken, in welchem er darum bittet, dass sie mir die Leitung von Gut Nuppenkehmen überträgt und wird weiterhin monatlich 100 Batzen an mich zahlen.
An meine Seite stellt er mir Ugdan, den er ebenfalls großzügig entlohnen wird, damit dieser mich bei meinen Forschungen unterstützen kann.
Was ist nur aus mir geworden? Von der angesehenen weißen Leibmagierin mit einem angesehenen Rondrageweihten als Ehemann zu einer Magierin der weißen Gilde, deren Ruf angezweifelt wird, die aus den Diensten entlassen worden ist und die dafür verantwortlich ist, dass sowohl die Karriere als auch der Ruf ihres Ehemannes darunter gelitten haben.
Satinav, ich könnte deine Hilfe gebrauchen, manche Dinge würde ich gerne ungeschehen machen. Aber nicht alle. Während ich noch gedankenverloren aus der Burg gehe, zieht mich Rondrasil etwas zur Seite und fragt mich unverblümt, ob wir, da wir jetzt ja etwas ruhigere Zeiten zu erwarten haben, nicht vielleicht mit der Familienplanung beginnen wollen.
Oh dieser Mann. Es folgen einige kleine Herzchen.