Tagebuch von Isidra Kowaljewa
Diarium der adepta minora Isidra Kowaljewa (10. Phex 1020 BF)

10. Phex 1020 BF

Während wir uns weiter über Nebengassen einen Weg zur Burg bahnen, immer darauf bedacht, nicht in den Tumult auf den großen Straßen zu geraten, bleibt Kolkja mit einem Mal stehen und teilt mir mit, dass er nach Westen gehen wolle, gehen müsse.

Irritiert frage ich ihn, was er dort wolle und er sagt mir, dass er wissen wolle, wie er es gut machen könne, dass er den Ausweg finden müsse, alles wiedergutmachen wolle und dass er dazu etwas aus dem Westen holen müsse.

Ich denke über seine Worte nach, vermute, dass er im Westen weitere unschuldige Seelen sammeln will – sind sie wirklich alle unschuldig? – und stimme letztlich zu, ihn zu begleiten. Alleine würde er es nicht schaffen und wenn ich mich ihm jetzt wiedersetze, würde er so oder so danach versuchen, sich davon zu stehlen.

Wir erreichen einige Minuten später eine Gasse, aus der uns gerade einige Büttel entgegen kommen, ihre Schwerter abwischend und Kolkja seufzt resigniert. Scheinbar sind wir, durch meine Zweifel vermutlich, zu spät gekommen.

Ich weiß nicht, ob ich darüber erleichtert sein sollte, schließlich konnten die Seelen so in Borons Reich übergehen, oder ob ich Mitleid mit Kolkja haben sollte, der so verzweifelt versucht, es allen Recht zu machen.

Wie dem auch sei, hier gibt es nichts für uns zu tun, um uns herum herrscht Lärm, Schreie, Rufe, das Brechen von Türen. Neben den Bütteln, die immer noch Jagd auf die Bannstrahler machen, haben sich offenbar einige Bürger dieses Chaos zunutze gemacht und damit begonnen, die Häuser zu plündern.

Im Moment weiß ich nicht, ob man meine Autorität als Weißmagierin ausreichend achten würde, damit ich gefahrlos durch die Straßen gehen kann, die aggressive Grundstimmung, die zur Zeit herrscht, überschattet einiges.

Gemeinsam mit Kolkja erreiche ich endlich die Burg und gehe mit ihm in die Räumlichkeiten Tsadans, in denen ich die anderen zuvor zurückgelassen hatte und tatsächlich sind die meisten auch immer noch hier. Heliodan erkenne ich draußen an der Brüstung des Balkons stehen, mein Rondrasil sitzt immer noch am Tisch, den Humpen Bier festhaltend.

Ugdan kommt auf mich zugeeilt und blickt besorgt auf Kolkja, äußert wörtlich, dass wir ihn irgendwie stabilisieren müssten, denn sonst würde er es nicht mehr lange machen. Auch wenn ich das etwas eleganter formuliert hätte, so hat er dennoch Recht, wir müssen dafür sorgen, dass Kolkja nicht mehr und mehr Seelen zugeführt werden, wir müssen den Tod, wenigstens für diese Nacht, beenden.

Noch während wir überlegen, wie wir das anstellen sollen, kommt Tsadan auf Ugdan zu, fragt diesen, ob es sinnvoller wäre, pro oder contra der Praioskirche und den Bannstrahlern aufzutreten. Die beiden wägen die verschiedenen Optionen ab und beschließen dann, auch wenn sie eigentlich nicht mit den Zielen Heliodans einverstanden sind, dass es vernünftiger wäre, offiziell die Bannstrahler zu unterstützen.

Mit diesen Worten schickt er Ifrundoch los, er soll sich einige Moorwächter schnappen und dafür sorgen, dass die Bannstrahler nicht samt und sonders niedergemetzelt werden. Daraufhin macht sich Ifrundoch auf den Weg, etwas davon murmelnd, dass er für Ordnung sorgen werde.

Ordnung, die könnten wir hier gerade tatsächlich am dringendsten gebrauchen. Wenngleich der Rückzug einer kleinen Gruppe Bannstrahler, den ich von hier aus beobachten kann, recht geordnet aussieht. Zumindest für mich als Laien.

Pjerow, der zu Heliodan auf den Balkon getreten war und durch ein Fernglas geblickt hat, welches dieser ihm gereicht hatte, kommt zu uns und teilt uns mit, worüber er mit Heliodan gesprochen hat.

Er sagt, dass er den Praioten dazu bewegen konnte, dass dieser offiziell abreisen würde aus Norburg, damit sich die Wogen wieder glätten können. Zwar ist Heliodan fest der Meinung, dass die Büttel nur durch schwarze Magie haben fliehen können, aber dennoch ist es Pjerow nach einigem Diskutieren gelungen, ihn zur Abreise zu bewegen.

Die Praiosscheibe ist bereits aufgegangen und langsam scheint es etwas ruhiger zu werden in der Stadt, Ifrundoch ist mittlerweile wieder zurückgekehrt und berichtet davon, dass er einige Norburger davon abgehalten hat, den Ifirntempel zu plündern.

Ich stelle fest, dass sich nur noch elf weitere Bannstrahler, darunter sechs, die mit uns nach Moorwacht gereist waren, in die Sicherheit der Burg retten konnten. Was aus den anderen geworden ist, entzieht sich momentan meiner Kenntnis.

Ugdan hat sich zu mir auf den Balkon gesellt, von dem aus ich meinen Blick über Norburg gleiten ließ. Besser gesagt über das, was davon übrig ist, die Stadt gleicht einem Schlachtfeld. Auf dem Marktplatz glimmen die vier Scheiterhaufen, schwelen noch ein wenig, im Osten mache ich die Ruinen der abgebrannten Häuser aus, die Sobetzkos Granatapfel zum Opfer gefallen sind.

Ugdan reißt mich aus meinen Gedanken, fragt mich, wie wir mit Kolkja verfahren sollten und wir kommen zu dem Schluss, dass die aggressive Grundstimmung, die hier herrscht, mit Sicherheit auch davon herrührt, dass niemand vernünftig schlafen kann in Kolkjas Nähe und wir sind jetzt bereits einige Tage hier in der Norburg mit ihm.

Es wäre wohl besser, ihn nach Gut Nuppenkehmen zu bringen, allerdings müssen wir Kolkja rund um die Uhr bewachen lassen, mindestens von zwei Personen gleichzeitig, damit er niemanden aus seinem Körper schubsen kann um sich davon zu stehlen.

Da niemand wirklich lange bei ihm bleiben kann, ohne an Schlafmangel zu leiden, sollten wir wohl mit drei, besser noch vier Schichten arbeiten, was bedeutet, dass wir mindestens 16 Gardisten für die Bewachung des Guts brauchen sowie 24, die direkt bei Kolkja im Gut sind. Das sind viele Menschen, aber wir denken, dass sie notwendig sind.

Mittlerweile ist es mittags und Pjerow entschuldigt sich bei uns mit den Worten, dass er Banja holen wolle, die würde vor den Stadttoren auf ihn warten, bei uns. Warum war Banja außerhalb der Stadt?

Gemeinsam mit Ugdan erzähle ich Tsadan von unserem Vorhaben, Kolkja vorerst im Gut unterzubringen und davon, dass sich dann hoffentlich auch die Stimmung innerhalb Norburgs wieder bessern würde und er legt uns auf, dass mindestens einer von uns rund um die Uhr in Kolkjas Nähe zu sein habe.

Er merkt auch an, dass uns ja vielleicht die Marbiden helfen könnten, denn die hätten wesentlich mehr Stärke, es wären wesentlich weniger Personen vonnöten um Kolkja zu bewachen und auf meine Einwände, dass Tsadan sie doch aus Norburg verbannen wolle, erwidert er nur, dass diese Abmachung negiert sei, würden sie sich bereiterklären uns zu helfen.

Das sollte ich Robak mitteilen, doch bevor ich mich auf den Weg mache, sollte ich mich kurz ein wenig ausruhen, mich zu meinem Mann setzen, der sich immer noch nicht vom Fleck gerührt zu haben scheint.

Ich bekomme mit, wie Ugdan mit Kolkja zu Pjerow geht, die drei dann zu Tsadan gehen und auch Ifrundoch im Anschluss zu ihm gerufen wird. Auf meine fragenden Blicke erklärt mir Pjerow, dass Tsadan ihn zu Natascha schicken wolle, dass er ein Schreiben aufgesetzt habe, in dem die Forderungen und Angebote an Natascha stünden, die lediglich noch von Heliodan unterzeichnet werden müssten.

Die Bedingungen Tsadans an Natascha in ihrer Funktion als Bürgermeisterin sind, dass die Garde zukünftig von den Kirchen verwaltet werden soll. Die Norbarden sollen uneingeschränkte Bürgerrechte in Norburg bekommen und die Marktstandpreise sollen wieder so gestaltet werden, dass sich jeder hier einen Stand auf dem Marktplatz leisten kann um seine Waren feil zu bieten.

Im Gegenzug bietet Tsadan ihr an, dass die Praioskirche ihre Anzeige gegen Natascha wegen Korruption zurückziehen wird. Auch wird die Kirche zusichern, dass es keine Sanktionen gegen ihre Stadtgarde geben wird und dass Heliodan Norburg verlässt, sowie dass er vorher die magische Prüfung Maschdawas als rechtskräftig anerkennt, was ihren Enkel betrifft.

Während mir Pjerow dies erzählt, sehe ich, dass Tsadan das Schreiben, von dem die Rede ist, gerade Heliodan überreicht hat, welches dieser dann auch zähneknirschend unterschreibt.

Ich bin gespannt, was Natascha dazu sagen wird, beschließe aber, mit Rondrasil zusammen erst einmal zu Robak zu gehen, ihm die Neuigkeiten mitzuteilen, die sich ergeben haben.

Im Marbidenkloster angekommen bietet sich uns ein trauriges Bild. Der gesamte Gebetsraum ist über und über mit Bahren vollgestellt, auf denen die Leichen von Bannstrahlern, Bütteln und anderen Norburgern liegen. Allesamt Opfer dieser einen Nacht und ständig werden neue Bahren hereingebracht.

Die Stimmung ist drückend und schweigend bahnen wir uns unseren Weg zu Robaks Labor. Trotz der Umstände spüre ich erneut die bohrenden Blicke der anderen Marbiden in meinem Rücken. Ich frage mich, ob sich das jemals wieder ändern wird.

Ich schildere Robak die Ereignisse der vergangenen Stunden und er meint, wenn Tsadan dafür Sorge trägt, dass der Abt von der Praioskirche freigelassen werde und ihm garantiere, dass er weiterhin seine Forschungen zur Lykantrophie betreiben könne, dann werde er immer jeweils vier Marbiden für eine Woche ins Gut Nuppenkehmen entsenden. Diese würde er mit Wachtrunken ausstatten, so dass sie eine Woche lang keinen Schlaf benötigen.

Dies klingt äußerst vielversprechend, wäre, denke ich, auch weitaus günstiger im Unterhalt als die Lösung, die Ugdan und ich uns erdacht haben und ich sage Robak zu, dass ich seine Bedingungen an Tsadan weiterreichen werde.

Auf dem Rückweg zur Burg bemerke ich, dass mein geliebter Gatte mit sich zu hadern scheint. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm und darauf angesprochen fragt er mich, warum wir mit Werwölfen zusammenarbeiten würden, müssten wir doch eigentlich vielmehr gegen sie kämpfen. Auch fragt er mich, warum ich Robak so sehr vertrauen würde, wer mir denn garantieren würde, dass Robak tatsächlich die Wahrheit sagt, dass er tatsächlich an einem Heilmittel gegen Lykantrophie forscht und nicht einfach nur sein Rudel Stück für Stück vergrößere.

Diese Fragen meines Mannes bringen mich tatsächlich ins Grübeln, irgendwie hat er Recht. Ich habe keinerlei Sicherheit darüber, dass Robak die Wahrheit spricht. Andererseits, würde er lügen, hätte er mich doch auch gleich töten können, als wir damals hinter sein Geheimnis gekommen sind, oder?

Zurück in der Burg geht Rondrasil zu Tsadan, verwickelt ihn in ein Gespräch über die Zusammenarbeit mit Werwölfen, doch ich kann ihnen nicht folgen, denn Ugdan tritt an mich heran, erzählt mir, dass er sich mit Kolkja unterhalten habe.

Er sagt, dass er sich hingelegt habe und dadurch sehen konnte, dass die Seelen auch von weiter her zu Kolkja kämen, dass er offenbar gar nicht mehr in die Nähe des Sterbenden gehen müsste. Dies sind keine guten Neuigkeiten.

Auch erzählt mir Ugdan, dass Kolkja von Oblomon gesprochen habe, davon, dass dort der Schlüssel dafür läge, wie er es gut machen könne. Auch wenn er nach wie vor nicht genau wisse, was er überhaupt gut machen müsse. Er hat wohl gesagt, dass es so sei, als würde Musik spielen und alle Menschen würden auf das falsche Lied tanzen.

Wörtlich soll Kolkja gesagt haben, dass in Oblomon die Wahrheit läge, die nicht ans Licht kommen dürfe, weil sie alles ändere. Ich frage mich, was er damit meint. Vielleicht weiß Ilonen ja etwas darüber, Ugdan will sie dazu befragen.

Ich bemerke, dass sich das Gespräch zwischen Rondrasil und Tsadan offenbar zu einem Streit gesteigert hat und sehe, wie mein Mann wütend das Zimmer verlässt, weshalb ich ihm hinterher eile, vielleicht kann ich ihn etwas beruhigen, auch wenn ich nicht genau weiß, wie ich das machen soll.

Mein Mann scheint in einer Sinnkrise zu stecken und wer kann es ihm verübeln. Alles, wofür er gekämpft hat, woran er geglaubt hat, wurde seitdem er mich kennt, mehr oder weniger stark in seinen Grundfesten erschüttert, von oder wegen mir verändert und das nicht immer zum Guten. Wurde überhaupt etwas durch mich zum Guten geändert für meinen Mann?

Ich setze mich schweigend neben ihn auf unser Bett, lehne meinen Kopf an seiner Schulter an und gemeinsam geben wir uns unseren jeweiligen Gedanken hin. Es ist keine bedrückende Stille, die zwischen uns herrscht, aber sie ist dennoch so gänzlich anders im Vergleich zu den vielen Malen davor, die wir schweigend einfach unsere Nähe genossen haben.

Ich habe Angst, dass ich mich von meinem Mann entfremden könnte, dass er sich von mir abwenden könnte, wenn ich weiterhin so naiv jedem vertraue. Ich sollte mit Robak reden, aber nicht jetzt, nicht mehr heute, es wird bereits dunkel.

11. Phex 1020 BF

Beim gemeinsamen Frühstück höre ich von Ugdan, dass Tsadan ihm erzählt habe, dass Fjadir von Bjaldorn von ihm zu Wahnfried von Ask geschickt worden sei. Ich frage mich, warum Tsadan dies getan hat, hat er selbst doch unter diesem Mann mehr als nur gelitten. Er hat sich seit Nadiras Tod so sehr verändert.

Pjerow erzählt, dass er mit Natascha verhandelt habe und dass sie den Bedingungen Tsadans zugestimmt habe und Ugdan fährt danach fort, dass er mit Ilonen gesprochen habe. Diese sagt, dass sie Kolkja nichts verheimlichen würde, dass dieser ihr das jedoch nicht glaube.

Sie soll weiter gesagt haben, dass Ifirn selbst ihr verboten habe, nach Oblomon zu gehen, denn dort läge eine Wahrheit, die den Zwölfgötterglauben erschüttern könnte. In Jarrlak soll wohl laut ihr der älteste Ifirntempel stehen, vielleicht finden wir dort weitere Informationen?

Zur Mittagsstunde, der Stunde des Praios, verlässt Heliodan gemeinsam mit den verbliebenen Bannstrahlern offiziell und für alle in Norburg deutlich bemerkbar die Stadt. Während ich den Abzug von der Burg aus beobachte, stellt Tsadan uns die Frage, ob wir morgen erst nach Hexenhus reisen sollten oder ob wir Wosna vorzögen.

Er meint, dass es endlich an der Zeit sei, dass die anderen sich ihre Lehen ansähen, dass sie in den Adelsstand erhoben würden. Pjerow gibt an, dass Cidris wohl verhindert sei, angeblich sei er krank und bevor ich etwas sagen kann, fährt er schon fort, dass sich bereits um ihn gekümmert würde.

Ugdan schlägt vor, dass wir auch noch Jarrlak aufsuchen sollten und gemeinsam einigen wir uns darauf, erst nach Wosna zu reisen, danach dann Hexenhus und Jarrlak.

Neben Ifrundoch und Pjerow, die ihre Lehen sehen sollen, reisen auch Ugdan, Banja, Kantalla, Kolkja, Tsadan und eine Schnapsdrossel Pjerows, sein Name war Timon, glaube ich, mit und auch Rondrasil und ich werden gebeten, die Reise zu begleiten.

Die Lehen liegen alle innerhalb dreier Tagesreisen, weshalb Rondrasil keine Einwände gegen diese Reise hat. Wir wollen morgen aufbrechen, also sollte ich wohl heute mit Robak sprechen, sonst belasten mich diese zermürbenden Gedanken zu lange.

Bei Robak angekommen frage ich ihn auf meine mir mittlerweile doch sehr eigene Art viel zu direkt, ob er mich belügen würde oder belogen hat in Bezug auf seine Beweggründe seine Forschungen betreffend. Irritiert fragt er mich, wie ich mit einem Mal auf diesen Gedanken käme, wer mir diesen Floh ins Ohr gesetzt habe, worauf ich ihm jedoch nicht wirklich antworten will.

Ich bringe das Argument vor, dass ich ja keine Sicherheiten von ihm hätte, woraufhin er erwidert, dass er mich auch, würde er tatsächlich finstere Absichten verfolgen, ganz einfach hätte töten können. Auf meinen Einwand, dass das sicherlich nicht so einfach ginge, antwortet er nur, dass er es nach einem offiziellen Werwolfangriff hätte aussehen lassen und Norburg ist ja nun wahrlich geplagt genug von diesen Kreaturen, dass dies anstandslos akzeptiert worden wäre.

Er hat Recht, ich hätte ihm nichts entgegensetzen können, wie eigentlich nahezu jedem anderen. Robak fährt fort damit, dass, hätte er sein Rudel vergrößern wollen, bereits er allein in einem Mond an die dreißig Menschen verwandeln hätte können. Diese wiederum hätten im übernächsten Mond selbst jeder wieder dreißig Menschen verwandeln können und, auch wenn Norburg einige Einwohner hat, es wäre dennoch ein leichtes für ihn gewesen, die Stadt binnen weniger Monde vollkommen zu verwandeln.

Diese Argumentation leuchtet mir ein und dennoch hege ich noch einen klitzekleinen Zweifel, doch diesen räumt Robak damit aus, dass er mir seine Unterlagen in die Hand drückt. Ich werfe einen Blick hinein und erkenne die Aufzeichnung ungezählter Versuche, die allesamt fehlgeschlagen sind. Jeder Versuch hat mit den anderen gemeinsam, dass der Drachenschlund als entscheidende Komponente aufgeführt ist.

Ich muss ein wenig in seine Notizen vertieft gewesen sein, denn mir wird mit einem Mal bewusst, dass Robak mich auffordernd anblickt. Ich hebe meinen Blick und er fährt mit seinen Erklärungen fort, erklärt, dass er sehr genau wisse, was er wolle, vielmehr aber auch, was er nicht wolle und dazu gehört eindeutig die Machtübernahme Norburgs. Er will einzig und allein ein Heilmittel für seine Brüder und Schwestern finden.

Ich bedanke mich bei ihm für seine Offenheit und wende mich zum Gehen, da drückt er mir erneut seine Unterlagen in die Hand, meint, dass ich sie gerne studieren könne, vielleicht würde mir ja etwas auffallen, das ihm bislang entgangen sei.

Nachdenklich aber dennoch irgendwie erleichtert gehe ich zur Burg zurück, suche meinen Mann auf und erzähle ihm von meinem Gespräch mit Robak. Er hört sich alles schweigend an und zum ersten Mal fällt es mir schwer, sein Gesicht zu lesen, ich kann nicht sagen, was er gerade denkt, ob ich ihm mit meinen Schilderungen helfen konnte, seine Sinnkrise zu überwinden oder ob ich sie nur noch schlimmer gemacht habe.

Ich hoffe, dass er es mir sagen wird. Wenn auch nicht unbedingt heute, aber irgendwann.

12. Phex 1020 BF

Wir wollen heute nach Wosna aufbrechen, doch als ich das Bett verlasse, wird mir schwindlig. Es dreht sich alles so sehr, dass ich mich tatsächlich noch einmal kurz ein wenig hinlegen muss. Mein Kopf tut etwas weh und ich muss husten, habe eine verstopfte Nase. Offenbar habe ich mir eine Erkältung eingefangen, aber nun gut, dann packe ich eben ein paar Tücher mehr ein, um mir die Nase zu putzen.

Wir fahren gemeinsam in einer Kaleschka, die Tsadan gestellt hat und erreichen mittags die Taverne „Zum Silbersee“. Dort angekommen bitte ich den Wirt um ein heißes Bad und mache mir einen Traschbarttee. Beides wird mir sicherlich gut tun.

Das Bad hat mich müde gemacht, weshalb ich beschließe, mich früher als üblich hinzulegen. Ich werde etwas später am Abend davon geweckt, dass der Wirt weinend und offensichtlich betrunken den Schlafsaal betritt.

Seinem Schluchzen entnehme ich, dass er auf seine Frau gewartet hat, dass er bis jetzt dachte, sie sei lediglich noch im Krieg und dass meine Begleiter ihm offenbar gesagt haben, dass der Krieg bereits seit einigen Wochen vorbei sei, seine Frau vermutlich gefallen. Armer Mann.

13. Phex 1020 BF

Erneut ist mir schwindlig, als ich aufstehen will, doch nach etwas Ruhe kann ich mich dann doch reisefertig machen. In der Kaleschka ist etwas mehr Platz, Pjerow hat Banja gebeten, zu ihm auf den Kutschbock zu kommen, weshalb ich mich klein zusammenrolle, meinen Kopf auf Rondrasils Schoß bette und die Fahrt über schlafe.

Abends werde ich wach, als wir gerade Wosna erreichen und als ich aus dem Fenster der Kaleschka blicke, sehe ich einen Büttel, der hektisch die Gästezimmer des Herrenhauses für uns herrichten lässt. Drinnen begebe ich mich umgehend zu dem Feuer im Kamin, das Haus selbst ist recht kalt, wurde es doch längere Zeit nicht mehr durchgeheizt.

Banja tritt an mich heran, gibt mir etwas heißen Wein zu trinken, ich glaube, sie hat irgendwelche Gewürze hineingegeben, er schmeckt ziemlich gut, wärmt mich von innen und macht mich unglaublich müde.

Bevor mir die Augen gänzlich zufallen, nimmt Rondrasil mich in seine starken Arme, trägt mich auf unser Zimmer und legt mich ins Bett. Dann gesellt er sich zu mir, wärmt meinen schon wieder zitternden Körper mit seinem.

Ich muss eingeschlafen sein, denn irgendwann werde ich dadurch wach, dass mir erneut kalt ist. Ich taste im Dunkeln nach meinem Mann, doch der ist nicht da. In eine Decke eingewickelt gehe ich in den Salon des Herrenhauses, wo ich die anderen vorfinde.

Auf meine Frage, was hier los sei, erzählen mir die anderen, was vorgefallen ist.

Pjerow hat sich über Wosna aufklären lassen, erfahren, dass ein Geweihter des Praios hier einen kleinen Praiosschrein errichtet hat. Dieser Geweihte hat die Wosnaer dazu angehalten, jeden Tag zu Praios zu beten, weil sonst ein Unheil geschehen würde.

Es soll wohl einige tödliche Unfälle gegeben haben und seit die Menschen zu Praios beten, sei niemand mehr gestorben. Noch während Pjerow dies erzählt wird, kommt Väterchen Praios, wie der alte Mann genannt wird, zu ihm, fordert ihn auf, vor dem Herrn Praios um Vergebung zu bitten, für die Sünden, die alle auf sich geladen hätten, sonst würde ein Unglück passieren.

Er soll weiter gesagt haben, dass alle jetzt sofort zu Praios beten müssten und daraufhin habe Ifrundoch dann meinen Rondrasil geholt, um herauszufinden, ob es sich bei diesem Mann um einen Geweihten oder einen Paktierer handele.

Scheinbar ist dieser Mann kein Paktierer, aber irgendetwas scheint mit ihm dennoch nicht zu stimmen. Als er Kolkja erblickt, nennt er ihn „Das Böse“, während er Ugdan als Untoten bezeichnet.

Rondrasil sagt, dass dieser Mann mit Sicherheit mal ein Geweihter war, aber ob er das immer noch ist, kann er nicht mit Gewissheit sagen. Väterchen Praios gibt an, dass ein Dämonenpaktierer hier sein Unwesen treiben würde und als er ansetzt, weiter zu reden, versetzt ihm Ugdan einen Hieb mit seinem Stab auf den Kopf, der ihn bewusstlos zu Boden gehen lässt.

Ich frage mich, warum ich nicht eingeschritten bin, aber es ist gerade so unglaublich anstrengend sich zu bewegen und hier am Kamin ist es so schön warm.

Ugdan wirkt einen Odem auf den Mann und erzählt dann etwas davon, dass hier wohl ein Beherrschungszauber auf ihm läge. Er erzählt etwas von Analys, Verständigungszauber um den Kopf, einen hexischen Traumgestalt, der permanent sei. Ich döse weg.

14. Phex 1020 BF

Es muss kurz nach Mitternacht sein, als ich geweckt werde. Vor mir steht Thanos. Ich blicke ihn irritiert an während er mir mitteilt, dass ich ihn heilen solle.

Als ich meinen Balsam gewirkt habe, ich frage mich, wie er es geschafft hat, dass sein Kopf in diesem unnatürlichen Winkel zur Seite hängt, erzählen die anderen mir, was ich verpasst habe.

Kolkja ist, kurz nachdem ich weggedöst bin, hochgeschreckt und hat gesagt, dass Pjerow einen neuen Nachtwächter brauchen würde. Daraufhin sind Ifrundoch, Pjerow und Ugdan nach draußen gegangen, um nachzusehen, während Rondrasil mit Kolkja und Timon bei mir geblieben ist. Mein fürsorglicher Ehemann.

Die drei haben den Nachtwächter dann gefunden, er muss wohl auf einen gefrorenen Ast gestolpert sein, im Schnee sind keinerlei Spuren von anderen Personen oder Tieren zu finden gewesen. Allerdings haben die drei am Totaugensee, so nennen die Leute den See, in dem die Burg versunken ist und in dem Eldina die Spiralen gepflanzt hatte, ein Lagerfeuer entdeckt, weshalb sie sich diesem vorsichtig genähert haben.

Daran saß eine bucklige, schniefende Gestalt, neben ihr zwei massige, etwa zweieinhalb Schritt messende Gestalten in Lederrüstung. Ugdan hat die drei dann angerufen und es hat sich herausgestellt, dass die bucklige Gestalt Thanos war.

Dieser hat den anderen dann erzählt, dass er den Praioten verzaubert hätte, dass er dieses Unfallphänomen untersuchen würde. Er hat herausgefunden, dass diese Unfälle nur passierten, wenn die Menschen alleine waren, weshalb er sich seine zwei Begleiter erschaffen hätte.

Er habe dann dem Praioten diverse Visionen mittels Traumgestalt geschickt, um die Dorfbewohner zu warnen. Auch habe er eine Theorie bezüglich Kolkja entwickelt, die beinhaltet, dass, würde man Kolkja in den See werfen, der Fluch auf niemanden überspringen würde, da der See bereits tot wäre, sämtliches Leben aus ihm erloschen sei.

Zu Ugdan habe er wohl ebenfalls eine Theorie geäußert und zwar jene, dass Algunde der Anker in Ugdans Körper sei, dass er ohne sie die Kontrolle über selbigen verlöre. Das ist erschreckend zu hören, ich mag mir gar nicht vorstellen, wie erschreckend es erst für Ugdan sein muss. Hoffentlich hat Thanos Unrecht.

Thanos erzählt weiter, dass er sich hier in Wosna bereits seit dem Ende der Schlacht aufhalte, dass die Unfälle vor etwa zwei Monden begonnen hätten und dass sie immer nur diejenigen getroffen hätten, die in den Augen der Tugendhaften Sünde auf sich geladen haben. Auch traten diese Unfälle immer nur dann auf, wenn derjenige komplett alleine war, er konnte keinerlei Fremdeinwirkung feststellen, auch keine Zauber ausmachen.

Eine Analyse der umliegenden Umgebung habe lediglich Restspuren magischen Ursprungs gezeigt. Es sind auch nur die Sünder zu Tode gekommen, die alten Mütterchen, die ständig alleine sind, hätten sogar frisches Obst vor ihren Türen liegen gehabt.

Die anderen haben daraufhin beschlossen, dass Thanos, der ja nicht sterben kann wegen seines Phylakteriums, als Lockvogel dienen solle. Dieser habe nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er freie Heilung von mir wolle, schließlich sei sein Genick viermal gebrochen und das täte dennoch sehr weh, auch wenn es ihn nicht umbrächte und jetzt stehen wir hier.

Noch während ich diese Informationen sacken lasse, ich habe das Gefühl, dass mein Geist ein wenig träge ist durch diese Erkältung, höre ich von draußen ein krachen, dann ein platschen und kurz darauf aufgeregtes Rufen.

Offenbar hat sich der Praiot aus dem dritten Stock des Hauses in den gefrorenen See gestürzt und auch wenn die anderen umgehend hinausgeeilt sind, um ihn zu retten, so kamen sie zu spät. Nachdem ich hier nichts weiter machen kann, beschließe ich, mich wieder hinzulegen und zu schlafen.

Nach einigen Stunden werde ich sanft von meinem Mann geweckt, der mir mitteilt, dass Tsadan jetzt gleich Pjerow in den Adelsstand erheben wird. Auf meinen Einwand, dass dies doch für die Mittagsstunde geplant sei, antwortet er mir, dass es Mittag ist. Habe ich tatsächlich so lange geschlafen?

Ich fühle mich zwar immer noch wie ein Schluck Wasser in der Kurve (woher kenne ich diesen Spruch eigentlich?), aber ich lasse es mir dennoch nicht nehmen, diesem Ereignis beizuwohnen.

Pjerow warnt seine neue Bevölkerung nach der Adelung eindringlich, dass niemand nachts alleine irgendwohin gehen dürfe, bevor er seinen Becher Wein erhebt und die Feier damit eröffnet.

Ich nutze den entstehenden Trubel und ziehe mich auf mein Zimmer zurück, lege mich mit Robaks Aufzeichnungen ins Bett und blättere sie ein wenig durch. Ich muss wieder eingenickt sein, denn irgendwann schrecke ich hoch, weil ich ein seltsames Geräusch von draußen gehört habe.

Gemeinsam mit Kolkja, der mir auf dem Flur entgegen kommt, gehe ich nach unten, wo die anderen noch feiern. Pjerow und Rondrasil, die mich entdeckt haben, beschließen, dass sie mit mir nach draußen kommen und wir sehen, wie Thanos in den Schnee gedrückt wird. Doch wir können nicht erkennen, was ihn in den Schnee drückt.

Während Pjerow losrennt um Thanos zu helfen, höre ich auf Isdira „Blitz dich find“ und Pjerow hält sich den Kopf. Ugdan stößt zu uns hinzu, erzählt mir rasch, dass er als Geist Thanos verfolgt habe und gesehen habe, wie ein grünes Licht ihn in den Brunnen geworfen habe. Danach sei ein Elf sichtbar geworden und wäre weggegangen, doch Thanos, der ja nicht sterben kann, sei aus dem Brunnen herausgeklettert und habe ihn mittels Flammenlanze angegriffen, woraufhin der Elf wieder unsichtbar geworden sei.

Ein Elf also. Ich versuche ihn auf Isdira in eine Diskussion zu verwickeln, erkläre, dass Thanos nicht sterben könne und mit einem Mal kann sich Thanos wieder aufrichten, neben ihm wird ein nackter Elf sichtbar.

Er stellt sich mir als Telorion vor und erklärt, dass er die Schlechten töten würde, dass er ein Nachfahr derer sei, die damals die Burg im See bewohnt hätten. Er sagt, dass er nur die töte, die Theriak getrunken haben und auf meinen Einwand, dass diese von Eldina dazu gezwungen worden seien, antwortet er, dass die Bewohner dies auch nach ihrem Weggang noch getan hätten.

Pjerow mischt sich in die Diskussion ein und erklärt dem Elf, dass er für diese Menschen verantwortlich sei und dass er sie zur Rechenschaft ziehen würde, dass der Elf kein Recht habe, seine Leibeigenen zu töten.

Dieser erwidert daraufhin, dass er keine Sippe mehr hätte, dass er jedoch wiederkommen werde und sollte er feststellen, dass auch nur einer hier erneut gesündigt hätte, dann würde er Pjerow als Verantwortlichen töten. Mit diesen Worten wendet er sich zum Gehen und ich sehe, wie Ugdan zusammensackt.

Ich warte ein paar Minuten ab und blicke Ugdan fragend an, der sich wieder aufgerappelt hat. Dieser erklärt, dass er dem Elfen gefolgt sei und dass dieser sich mit fünf weiteren Elfen getroffen habe. So viel zum Thema er sei allein. Aber vielleicht gehören die anderen fünf Elfen nicht zu seiner Sippe?

Wie dem auch sei, während ich noch darüber nachgrüble, kommt Thanos zu mir, schon wieder, und ich wirke einen Balsam auf seinen Kopf, schon wieder.

Abenteuer: Ärger in Wosna
Dieser Eintrag wurde am 10.10.2018 (17:02) verfasst und 523 mal aufgerufen.
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