15. Phex 1020 BF
Ich bin früh aufgewacht, fühle mich erstaunlich gut, weder läuft meine Nase noch tut mir der Kopf weh, doch als ich aufstehe und einen liebevollen Blick auf meinen Mann werfe, sehe ich, dass ich ihn mit meiner Erkältung angesteckt haben muss. Wir hätten vorsichtiger sein sollen, getrennte Betten nehmen sollen.
Ich sollte ihm einen Traschbarttee machen, der hat auch mir recht gut geholfen. Auf dem Weg zur Küche begegne ich den anderen und auch Ifrundoch, Timon und Tsadan sehen so aus als hätte ich sie mit meiner Erkältung angesteckt. Ich sollte eine ganze Kanne Tee kochen und die vier sollten sich ausruhen, schlafen, sich auskurieren. Zurück nach Norburg können wir auch übermorgen noch reisen.
Thanos gesellt sich zu mir in die Küche, teilt mir mit, dass Pjerow ihm eine Hütte am Totaugensee versprochen habe. Ich frage mich zwar, warum er mir das sagt und vor allem auch, warum er an genau jenem See wohnen will, aber nun gut, ich denke, ich sollte meine Neugier zügeln, bislang hat sie mich meist nur in Schwierigkeiten gebracht.
Nachdem es heute und morgen ruhiger werden dürfte, kann ich mich erneut den Aufzeichnungen Robaks widmen. Ich bezweifle zwar, dass er etwas übersehen hat und vor allem, dass genau mir dies dann auffällt, aber man weiß ja nie. Eine andere Sichtweise, ein frischer Blick auf die Dinge können durchaus auch hilfreich sein. Außerdem kann ich mich so an das Bett meines Geliebten setzen und ein Auge auf ihn haben, über seinen Schlaf wachen.
Es dürften ein paar Stunden vergangen sein, die Praiosscheibe steht bereits hoch am Himmel, als Pjerow an unsere Türe klopft. Er bittet mich, ihn zu begleiten, geht mit mir in ein Zimmer, in dem ein großer Spiegel an der Wand lehnt.
Auf meinen fragenden Blick erklärt mir Pjerow, dass dies ein Spiegel Eldinas gewesen sei und dass er Ugdan gebeten habe, ihn magisch zu analysieren. Jedoch muss dabei etwas mächtig schief gegangen sein, denn mit einem Mal hat sich offenbar Shafirias Geist seines Körpers bemächtigt und einen Bediensteten getötet auf dem Weg zu Pjerows Schlafzimmer.
Ich will gerade erschrocken ansetzen etwas zu sagen, da fährt Pjerow fort, dass sich Ugdan dann selbst verzaubert habe, seinen Körper schlafen gelegt habe, bevor er ihn erreicht habe. Und jetzt soll ich den Spiegel analysieren und mich beeilen, da Ugdans Körper in weniger als einer halben Stunde wieder aufwachen wird.
Ich habe den Analys auf der Akademie gelernt, ja, allerdings habe ich ihn seitdem so gut wie nie angewendet. Einmal ganz davon abgesehen, dass eine ausführliche Analyse mehr als diese halbe Stunde dauern würde, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass dieser Spiegel scheinbar die eine oder andere Falle zu beinhalten scheint.
So schlecht ich im Analys sein mag, so gut bin ich doch auf dem Gebiet der Heilung und der Ruhe Körper ist genau jetzt der ideale Zauber um uns etwas mehr Zeit zu verschaffen. Ich versetze den Körper Ugdans, in dem sich Shafiria befinden soll (wie viele Seelen darin wohl noch Platz haben?) für die nächsten zwölf Stunden in einen tiefen Schlaf und überlege dann laut, wie wir jetzt weiter vorgehen sollten.
Kolkja ist, von mir unbemerkt, zu uns gekommen und teilt uns mit, dass Ugdan davon gesprochen habe, dass er einen Analys auf den Spiegel gewirkt habe, dass dieser eine Verbindung nach Norburg gewesen sein solle und dass er bei der Analyse einem Korridor gefolgt sei, dort jedoch die falsche Abzweigung genommen habe und dass ich unter keinen Umständen diese Abzweigung nehmen dürfe.
Mehr bringe ich aus Kolkja nicht heraus, der jammert vielmehr nur, dass er nicht versteht, was Ugdan von ihm wolle. Ich befürchte beinahe, dass wir, wieder einmal, auf die Hilfe von weniger rechtschaffenen Menschen angewiesen sind. Vielleicht hat Thanos eine Idee, wie wir Ugdan helfen können?
Pjerow lässt umgehend einen Boten zu Thanos schicken und ich bitte darum, dass er mir Bescheid sagt, sobald eine Antwort von ihm kommt. In der Zwischenzeit kann ich nicht viel machen und gehe wieder zu meinem Mann, flöße ihm ein wenig heißen Tee ein, bevor ich ihn wieder fest zudecke und mich an sein Bett setze.
Ich muss etwas eingenickt sein, denn als mich das leise Klopfen an unsere Türe weckt, sehe ich, dass es draußen bereits wieder dunkel geworden ist. Es scheint ungefähr um die elfte Abendstunde zu sein. Leise verlasse ich das Zimmer und gehe zu Pjerow und Thanos in die große Halle.
Thanos teilt uns mit, dass er Thargunitoth anrufen wolle, dass er mit ihrer Hilfe Shafiria aus Ugdans Körper reißen wolle, doch ich spreche mich, wie sollte es auch anders sein, vehement gegen dieses Vorhaben aus. Thanos fährt, von meinem Einwand unbeirrt, fort und sagt, dass Ugdan daraufhin dann möglichst schnell sein müsse, weil auch die anderen Seelen, die an Kolkja gebunden seien, sich sicherlich seines Körpers bemächtigen wollen.
Ich bekräftige erneut meinen Einwand, dass keine Erzdämonin angerufen wird, es muss einen anderen Weg geben und ich erkläre Thanos, dass Kolkja die Seele eines Menschen auch aus seinem Körper schubsen könne, ob das auch eine Möglichkeit wäre, woraufhin dieser eine Weile überlegt und dann meint, dass das auch ginge.
Pjerow wirft ein, dass er von allem nichts wissen wolle, dass Thanos lediglich helfen solle, da er weiß, dass Shafiria, sollte sie in Ugdans Körper bleiben, ihn töten will.
16. Phex 1020 BF
Mittlerweile ist es Mitternacht und, nachdem ich die Einzige bin, der Pjerow vertraut und die keine Bettruhe hat (wenngleich Banja auch vertrauenswürdig wäre, die hat davon aber, vermutlich, weniger Ahnung als ich) fällt es mir zu, Kolkja und Thanos mit Ugdans Körper zum Totaugensee zu begleiten.
Erneut mahne ich Thanos an, dass er unter keinen Umständen Thargunitoth anrufen dürfe, dass ich dies verhindern würde und ich ihn diesbezüglich auch aufs Schärfste beobachten werde.
Ich bitte Kolkja, die Seele Shafirias aus Ugdans Körper zu schubsen und kaum hat er dies getan, flößt Thanos ihm etwas Wasser aus dem Totaugensee ein. Auf meinen fragenden Blick erklärt er mir, dass dieses Wasser dafür sorge, dass sich die Seelen, die an Kolkja gebunden sind, von ihm lösen könnten.
Kolkja ist starr geworden, noch bleicher als sonst, bewegt sich nicht mehr. Ich wirke einen Klarum purum auf ihn, vielleicht neutralisiert der das Wasser in seinem Körper, jedoch passiert genau nichts, gar nichts. Auch ein Balsam bleibt ohne Auswirkungen.
Ich hätte wissen müssen, dass die ganze Sache einen Haken hat, aber mir wäre keine andere Lösung eingefallen, so sehr ich mir auch den Kopf zermartert hätte. Dies ist einfach kein Gebiet, auf dem ich mich auskenne. Nicht einmal ansatzweise.
Ich kann nichts anderes tun als warten. Darauf, ob Kolkja wieder erwacht, darauf, was passiert, wenn Ugdans Körper erwacht. Ich sollte auf alles gefasst sein.
Kurz vor der Mittagsstunde, wir haben uns zwischenzeitlich ein kleines Feuer angezündet, es ist doch bitterkalt hier draußen, regt sich Ugdan. Gespannt und mit meinem Stab in der Hand beobachte ich ihn argwöhnisch als er die Augen aufschlägt.
Auch wenn ich mich gerade nicht mehr daran erinnern kann, welche Augenfarbe Shafiria hatte oder gar, was für eine Augenfarbe ein Alb hat, so entspanne ich mich leicht, als Ugdan mich anspricht. Er scheint zurück zu sein.
Bei Kolkja hat sich leider noch immer nichts getan, er steht nach wie vor starr da, rührt sich kein bisschen.
Ugdan erzählt, dass in dem Moment, in dem Thanos Kolkja die schwarze Flüssigkeit zu trinken gegeben hat, viele der Seelen in den See gegangen seien. Dass er versucht habe, sie daran zu hindern. Er erzählt auch, dass die Seele Ilonens mit einem Mal heller als zuvor zu strahlen begonnen hat, dass dies verhindert habe, dass alle Seelen in den See gingen. Jedoch konnte sie im Verhältnis nur einige wenige Seelen am gehen hindern, viele hat Kolkja verloren.
Diese Aussage erschüttert mich zutiefst, war es doch genau das, was wir all die Zeit zu verhindern suchten. Thanos mischt sich ein und meint, dass es Kolkja nun eben nicht möglich sei, eine einzelne Seele alleine loszulassen und dass es nur so gegangen wäre.
Ugdan meint, dass er kurz zu Pjerow und den anderen gehen wolle, etwas Proviant holen wolle ( bei diesen Worten knurrt mein Magen hörbar) und ich bitte ihn, dass er meinem Mann sagen solle, dass es mir gut geht. Der weiß ja vermutlich gar nicht, wo ich gerade bin. Wieder einmal. Ich blicke betreten weg als Ugdan davon stapft.
Etwa eine Stunde nachdem Ugdan erwacht ist, regt sich auch Kolkja. Er würgt eine schwarze Flüssigkeit hoch, erbricht sich und zittert am ganzen Leib. Aber immerhin kann er jetzt wieder aus eigener Kraft gehen und wir machen uns auf den Weg zurück.
Ich muss einfach wissen, wen wir alles verloren haben und frage Kolkja daher, ob Ilonen noch da sei, was er mir bejaht. Als ich nach Jaminka und Nadira frage, meint er, dass deren Seelen gegangen seien, er sie nicht mehr spüren könne. Es versetzt meinem Herzen einen Stich dies zu hören, dies wird Tsadan und Ifrundoch gar nicht gefallen. Ich wage kaum nach meinem Vater zu fragen, tue es dann aber doch und als Kolkja sagt, dass seine Seele noch da sei, macht mein Herz einen winzig kleinen Sprung. Ich frage mich nur, ob mich das wirklich so sehr freuen darf?
Auf halbem Weg kommt uns Ugdan entgegen, berichtet uns, dass während unserer Abwesenheit eine Art Sturm in der Burg gewesen sei, beschreibt ihn ähnlich wie damals auf dem Marktplatz in Norburg. Ob das die Seelen waren, ein erneuter Geistersturm?
Als ich ihm davon erzähle, dass Nadira und Jaminka gegangen sind, warnt er mich eindringlich es nicht Tsadan zu erzählen. Von Thanos verlangt er das Gleiche. Auf meine Frage, warum ihm das so wichtig sei, antwortet er, dass Tsadan sogar Heliodan mit dem Tod gedroht habe, als dieser Kolkja töten lassen wollte. Dass er nicht wisse, wie Tsadan dann reagieren wird, wenn er davon erfährt.
Ich kann Tsadan nicht anlügen aber ich kann die Sorge Ugdans schon auch nachvollziehen. Bleibt zu hoffen, dass Tsadan mich nicht explizit danach fragen wird, vielleicht kann ich die Wahrheit zumindest eine Weile lang für mich behalten.
Thanos mischt sich ein und fragt, was für ihn dabei herausspränge, wenn er Tsadan nichts sagen würde und als Ugdan fragt, was er wolle, antwortet er mit Wissen. Meinen argwöhnischen Blick bemerkend bedeutet er mir, dass ich den Wagen Ugdans, mit dem er den Proviant zu uns bringen wollte, ziehen solle, denn das Ganze würde mich sicherlich nicht interessieren. Und ich muss gestehen, dass er Recht hat. Je weniger ich von seinen Machenschaften weiß, umso besser dürfte das für mich sein. Oder?
Als wir das Dorf gerade wieder betreten, höre ich noch, wie Pjerow den verunsicherten Leibeigenen erzählt, dass der Sturm davon herrühren würde, dass der Geist des paktierenden ehemaligen Praioten ausgetrieben worden sei. Sein Blick, den er mir zuwirft, zeigt mir, dass er, genau wie ich, sehr gut weiß, dass dem nicht so ist, aber immerhin scheint es die Leibeigenen zu beruhigen.
Ich suche im Anschluss umgehend meinen Mann auf und finde ihn dort, wo ich ihn in der Nacht verlassen habe. Er liegt im Bett und grübelt, denkt darüber nach, ob er noch auf dem richtigen Weg ist, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind.
Ich verstehe mehr und mehr, warum er mich manchmal gar nicht fragt, was in seiner Abwesenheit alles passiert ist, es würde mich dazu zwingen die Wahrheit zu sagen, schließlich haben wir einen Hesindebund geschlossen, und ihn würde es belasten, noch mehr Zweifel in ihm säen.
Dieser Gedanke sorgt dafür, dass auch ich erneut darüber nachgrüble, ob ich dem Ganzen zu naiv gegenüber stehe. Bin ich wirklich so leichtgläubig, so gutmütig und versuche mir alles schönzureden?
Wir reden lange miteinander, sehr lange, bevor ich ihn ermahne, dass er sich ausruhen müsse. Mit Robaks Buch in der Hand setze ich mich wieder an sein Bett und wache über seinen Schlaf, allerdings komme ich nicht weit im Buch. Immer wieder kreisen meine Gedanken um diese eine Frage, schweifen ab und lassen mich schwermütig werden.
17. Phex 1020 BF
Heute brechen wir auf nach Norburg, das liegt auf unserem Weg Richtung Hexenhus. Abends erreichen wir erneut die Taverne „Am Silbersee“ und uns begegnen der Mann und der Sohn der Fischhändlerin. Pjerow nutzt die Gelegenheit und bietet den beiden an, dass sie sich, gemeinsam mit ihrer Frau und Mutter, gerne in Wosna ansiedeln könnten, denn dort würden sie ihren Fisch auch losbringen, hätten nicht mehr den weiten Weg nach Norburg und dankbar sagt der ältere der beiden Männer, dass er dieses Angebot gerne annehmen wolle, so seine Frau dies gutheißen würde.
18. Phex 1020 BF
Mittags erreichen wir Norburg, alte und neue Heimat. Tsadan teilt uns mit, dass es für heute zu spät sei um weiterzureisen, dass wir morgen aufbrechen würden und so zerstreut sich unsere Gruppe, ich gehe mit meinem Mann zum Rondratempel, schließlich waren wir jetzt einige Tage unterwegs und sollten dort wieder mal nach dem Rechten sehen.
Außer ein wenig Staub, welcher hinzugekommen ist, hat sich im Tempel selbst nichts verändert, alles ist wie immer, ruhig und leer. Mir kommt der Gedanke, dass leere Rondratempel, tote Rondrageweihte am ehesten davon zeugen, was unser Land derzeit zu erleiden hat, erleiden musste. Erneut bin ich unendlich dankbar darüber, dass meinen Mann bislang nicht das gleiche Schicksal ereilt hat, auch wenn dies zum Teil auf Kosten anderer geschehen ist, er sich vielleicht gar einen anderen Ausgang gewünscht hat.
Während ich diesem Gedanken noch nachhänge, kommt ein Norbarde der Wiobschkodas zu uns, stellt sich mir mit Namen Svetosar vor und drückt mir eine kleine Truhe in die Hand. Er bedankt sich bei mir dafür, dass die Norbarden jetzt Bürgerrechte in Norburg haben, sagt, dass ich in ihrem Kontor jederzeit den besten Rabatt bekommen würde.
Auf meinen Einwand, dass dies nicht alleine mein Verdienst sei, antwortet er lediglich, dass die Muhme damals mich gebeten habe und dass ich es geschafft habe, bevor er wieder geht.
In der Truhe befindet sich ein etwa kinderkopfgroßes Ei, welches vollständig aus Goldplättchen gefertigt worden zu sein scheint. Das muss ein unglaublich wertvolles Ei sein, weshalb ich Rondrasil frage, ob es möglich sei, dieses Kleinod hier im Tempel aufzubewahren. Als er es aus der Truhe nimmt, stellen wir fest, dass es in seinem Inneren klappert, offenbar ist das Ei hohl und als ich es mir genauer ansehe, bemerke ich, dass es aus unzähligen Einzelteilen besteht, sich auseinander nehmen lässt.
In seinem Inneren befinden sich zwei kleine Flakons. Laut Beschriftung handelt es sich bei den beiden Flaschen einmal um einen Astraltrank und einmal um ein Wachstumselixier. Letzteres irritiert mich zwar etwas, aber mittlerweile bringt es mich nicht mehr zum verzweifeln. Sie meinen es mit Sicherheit lediglich gut mit mir.
Vorsichtig lege ich die Flakons wieder in das Ei, beginne, die Einzelteile wieder zusammenzufügen und Rondrasil stellt die Truhe dann auf einen geeigneten Platz im Tempel. Während ich ihn dabei beobachte, fällt mir auf, dass mit dem auseinanderbauen und zusammensetzen der restliche Nachmittag wie im Flug vergangen ist, draußen ist es bereits dunkel. Wir sollten zu meiner Mutter gehen, ich bin mir sicher, dass sie bereits das Abendessen vorbereitet hat.
19. Phex 1020 BF
Am frühen Vormittag brechen wir auf Richtung Hexenhus. Erfreut stelle ich fest, dass Cidris wieder genesen ist. Er sieht zwar noch nicht wieder ganz fit aus, wird uns aber dennoch auf der Reise begleiten.
Abends erreichen wir das neu aufgebaute Hexenhus und kommen im Wirtshaus „Zur Hex“ unter. Der Wirt, Stuppe, erzählt uns, dass er das Wirtshaus aus eigenen Kräften aufgebaut habe, sich hier angesiedelt habe und neben ihm auch noch ein paar andere Menschen wieder hier wohnen würden.
Darunter sei auch ein Rahjageweihter, der einer Vision nachjagen würde. Auf unseren fragenden Blick nickt er mit dem Kopf in die Richtung eines jungen Mannes, der an einem der Tische im Schankraum sitzt und ruft diesem dann zu, dass er uns doch seine Geschichte erzählen solle.
Der Angesprochene deutet uns mit einem Nicken an, dass wir uns zu ihm an den Tisch setzen sollen und er erzählt uns, dass er eine Vision bekommen habe. Dass er nach einem ganz bestimmten Kleinod suchen würde, mit dem er Levthan befreien könne. Damit wolle er den Levthanshain in Brandthusen erneut zum blühen bringen.
Die Geweihte von dort, Rahjaina, die nicht mehr unter uns weilt, sei seine Base gewesen. Er fährt fort, dass, laut seiner Vision, das Kleinod, welches er suchen würde, beim Hexenhaus sei und dass er bereits mehrere Male dort gewesen wäre, es aber nicht gefunden habe.
Auch erzählt er uns, dass man das Hexenhaus nur findet, wenn Kunder, ein etwa 70 Götterläufe zählender Jäger, einen führe. Von diesem Jäger gibt es das Gerücht, dass er eine Liaison mit der Hexe gehabt haben soll, weshalb er dazu in der Lage sei, ihr Haus zu finden. Dazu merkt er an, dass die Hexe angeblich seit über 300 Götterläufen tot sein solle.
Ein verstecktes Haus? Ob es sich hierbei um Feenpfade handelt?
Der Geweihte erzählt weiter, dass die Hexe sich wohl regelmäßig junge, gutaussehende Männer eingeladen habe, besser gesagt sich von ihnen finden hat lassen, dass jedoch die Wenigsten wieder zurückgekehrt seien.
Cidris kann es nicht lassen und lässt eine spitze Bemerkung darüber los, dass er auch schon mit einer Hexe, nämlich Jaminka, im Bett gewesen sei, was Ifrundoch dazu veranlasst, sein Bratenmesser nach ihm zu werfen.
Ich könnte schwören, dass Ifrundoch ihn nicht getroffen hat, Cidris ihm ausgewichen ist, dennoch bemerke ich Blut auf dem Rücken seines Hemdes. Ich bitte ihn, mir seinen Rücken zu zeigen und mir bietet sich das Bild von acht blutigen Striemen, die sich nahezu eine ganze Handbreite tief in sein Fleisch gegraben haben. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass die Wunden beinahe wie von Krallen aussehen, aber Cidris spielt die Verletzung herunter, meint, er wüsste gar nicht, woher er sie habe.
Es ist spät, wir sollten ins Bett gehen. Der Verband, den ich Cidris angelegt habe, sitzt gut und fest, die Wunden sind gesäubert und machen ihm, laut seiner Aussage, keine Beschwerden, kein Grund also für einen Balsam.
20. Phex 1020 BF
Die Nacht war kurz und unruhig. Nicht nur ich habe schlecht geschlafen und sehr schlecht geträumt, auch Rondrasil hat sich in seinem Bett hin und her geworfen, auch die anderen berichten davon, schlecht geschlafen zu haben. Wir alle haben von schlimmen Erlebnissen geträumt. Ereignisse, die uns widerfahren sind und die wir lieber vergessen würden.
Cidris tritt an mich heran und bittet mich, mir doch nochmal seinen Rücken anzusehen. Dieses Mal scheint er doch Schmerzen zu haben und als ich den blutigen Verband entferne, erkenne ich auch warum. Die Wunden sind wieder aufgebrochen, sind sogar noch tiefer als gestern Abend, ich kann an manchen Stellen sogar seine blanken Schulterblätter erkennen. Jetzt ist es doch daran einen Balsam zu wirken.
Nachdem ich fertig bin, gehe ich mit Cidris in den Schankraum und dort sitzt ein älterer Mann, der sich uns als Kunder vorstellt. Er teilt uns mit, dass er uns gerne morgen zum Hexenhaus führen könne, denn heute würde noch ein Orkan bevorstehen, der würde wohl innerhalb der nächsten paar Stunden losbrechen. Ifrundoch blickt daraufhin zum Fenster hinaus und bestätigt Kunders Aussage.
Cidris erzählt danach, dass die Wunden von einer Hexe stammen würden, die ihn nachts besucht habe und Ugdan meint, dass er sie heute Nacht gehört hätte, dass er sich dazu bereit erklären würde, Cidris nachts im Auge zu behalten.
Irgendwie scheint niemanden so wirklich zu beunruhigen, dass Cidris des Nächtens von einer Hexe aufgesucht wird, welche ihn verletzt. Ich bin verwirrt. Aber nun gut, das ist vermutlich seine Angelegenheit.
Kunder erzählt uns, dass die Hexe mitnichten seit 300 Götterläufen tot sei, ja, dass sie vielmehr noch leben würde und dass ihr Cidris sicherlich sehr gefallen würde. Ich frage mich, ob diese andere Hexe Cidris vielleicht markieren wollte, ihr Eigentum beschützen will. Machen Katzenhexen das nicht so? Andererseits, ich weiß gar nicht, ob die Hexe heute Nacht eine Katzenhexe war und ich weiß nicht, ob ich das überhaupt wissen möchte.
Kunder fährt fort, dass es Gerüchte hier im Dorf gibt, dass die Hexe vom Hexenhaus angeblich die Ziegen eines Dorfbewohners stehlen würde und dass sie dafür verantwortlich sein soll, dass Jette ein dreibeiniges Kind tot geboren haben soll. Ich frage mich, ob ich hätte verhindern können, dass das Kind stirbt, wenn ich hier gewesen wäre.
Draußen bricht der Orkan los und tobt den ganzen Tag und auch die halbe Nacht. Ich bin sehr froh, dass ich ein Dach über dem Kopf habe und dass ich mich in die starken Arme meines Mannes kuscheln kann. Bei ihm fühle ich mich geborgen und sicher, hier kann ich meinen Gedanken nachgehen, mich fallenlassen und weiß, dass mir nichts und niemand etwas Böses kann.
21. Phex 1020 BF
In der Früh kommt Cidris zu mir, bittet mich, seinen Rücken zu verbinden, jedoch nur profan, nicht mittels Balsam. Auf meine Frage, warum er das so will, antwortet er mir, dass er das mir und auch den anderen gleich erklären werde.
Im Schankraum erzählt er davon, dass seine Hexe ihn erneut besucht habe und dass sie ihm gesagt habe, dass sie ihr Eigentum markieren müsse (ich lag offenbar richtig mit meiner Vermutung). Weiter erzählt er, dass auch Pjerow sich vorsehen solle, denn diese Hexe, die wir aufsuchen werden, auch wenn wir hoffen, ihr nicht zu begegnen, soll wohl ein äußerst einnehmendes Wesen haben.
Cidris Hexe hat ihm erzählt, dass jene Hexe die Welt aus ihrem Haus ausgesperrt habe, dass sie an einem Ort außerhalb der Zeit leben würde.
Kunder teilt uns kurz darauf mit, dass es an der Zeit wäre aufzubrechen. Tsadan wird in Hexenhus bleiben, aber Pjerow bittet Banja, ihn zu begleiten. Wir folgen Kunder, der uns durch den Wald führt. Es wirkt ziellos auf mich, aber das können Feenpfade, ich vermute zumindest, dass es sich um solcher handeln muss, so an sich haben.
Mir fällt auf, dass Kunder durch diverse Pilzkreise läuft, dann die Richtung wechselt und mir fällt eine Legende ein, die besagt, dass Pilzkreise von Feen geschaffen worden sind, dass sich die Feenpfade öffnen, wenn man sich in ihnen befindet und sich in die richtige Richtung dreht.
Scheinbar ist an dieser Legende etwas dran.
Nach einem längeren Marsch erreichen wir endlich ein Häuschen auf einer Lichtung im Wald. Die Wiese ist saftig grün und es ist erstaunlich warm hier, niemand würde vermuten, dass wir gerade im Monat des Phex sind. Aber wundert mich das? Wenn ich mein Haus aus Raum und Zeit hinaus holen könnte, dann würde ich auch angenehme Temperaturen bevorzugen.
Mir beschleicht sich ein ungutes Gefühl und während Cidris, Ifrundoch, Pjerow und der Rahjageweihte das Haus der Hexe betreten, bleiben Rondrasil und ich mit Kolkja auf der Lichtung stehen. Ich finde es nicht richtig das Haus einer fremden Hexe ungefragt zu betreten. Sie wird schließlich ihre Gründe dafür gehabt habe, sich zurückzuziehen.
Noch während der Rahjageweihte und Kunder aus dem Haus kommen, offenbar hat er tatsächlich gefunden, wonach er gesucht hat, verdunkelt sich der Himmel über uns und Kunder schreit, dass wir hier schleunigst weg müssten.
Wir fangen an zu rennen, auch die anderen sind mittlerweile zu uns nach draußen gekommen, aber mit einem Mal sind der Geweihte und Kunder weg, während wir von den Vögeln umringt werden, sie uns dazu zwingen anzuhalten.
Bei genauerer Betrachtung fällt mir auf, dass es keine Vögel sind, vielmehr gleichen sie winzig kleinen Harpyien. Sehen so Feen aus? Noch während ich diesem Gedanken nachgehe hören wir hinter uns, vom Haus kommend, ein knarzen und als wir uns umdrehen bemerken wir eine alte, sehr fette Vettel, die das Haus verlässt und uns eingehend mustert.
Ihr Blick bleibt an Ifrundoch hängen, sie fragt ihn, mit wem er sich eingelassen habe. Kann sie immer noch die Anwesenheit Jaminkas spüren? Auch nachdem ihre Seele weg ist? Nachdem Ifrundoch nichts sagt, mustert sie Cidris, verzieht dann das Gesicht. Als ihr Blick zu Pjerow wandert, stellt sich Banja schützend vor ihn und ich tue es ihr gleich, als sie Rondrasil mustert. (Wenngleich sie ihn vermutlich dennoch gut mustern kann, bin ich doch so viel kleiner als er. Aber dennoch müsste sie erst an mir vorbei, um an meinen Mann zu kommen.)
Nach, für mich, unendlich langen Sekunden ergreift sie das Wort und teilt uns mit, dass sie uns nur aus ihrem Reich führen würde, wenn wir das Blut Levthans, welches sich offenbar in der Phiole, die der Geweihte gesucht hat, befindet, wieder zurückbringen.
Pjerow fragt sie ganz unvermittelt, ob sich das Phylakterium von Thanos hier befinden würde, hier wäre es vermutlich ziemlich sicher, doch er bekommt keine Antwort darauf.
Der Blick der Hexe fällt auf Kolkja, sie nennt ihn Ereskigal, sagt, dass sie ihn von einer seiner früheren Mütter kennen würde und Ugdan ergreift das Wort, schlägt allen Ernstes vor, dass man Kolkja doch hier lassen könnte, hier wäre er mit Sicherheit sicher und Seelen könnte er dann auch keine mehr sammeln.
Noch bevor ich einen Einwand hervorbringen kann, antwortet die Hexe bereits, dass Ugdan dann, sobald er ihr Reich verlasse, sterben würde.
Rondrasil, ganz der Ehrenmann, in den ich mich verliebt habe, fordert die Hexe daraufhin auf ein Duell bis zum ersten Blut heraus, will so dafür sorgen, dass die Hexe uns gehen lässt. Cidris bietet sich an, das Duell an seiner statt zu übernehmen, sagt, dass er agiler, wendiger sei und da es durchaus legitim ist, einen Stellvertreter kämpfen zu lassen, stimmt Rondrasil dem zu.
Mir entgeht nicht, dass Ugdan noch einen Axxeleratus auf Cidris wirkt und trotz der Geschwindigkeit, die Cidris jetzt an den Tag legt, unterliegt er der Hexe dennoch gnadenlos. Einzig mein Fernbalsam sorgt dafür, dass Cidris nicht stirbt.
Es gelingt ihm jedoch, auch die Hexe zu verletzen und in dem Moment, in dem seine Klinge ihr Gesicht berührt, ruft er laut „Brenne!“ woraufhin die Hexe zu kreischen beginnt. Ihr Gesicht scheint förmlich zu schmelzen und sie flüchtet sich in ihr Haus.
Kurz darauf kommt sie wieder heraus, ihr Gesicht erinnert erschreckend an das von Tjelka, und ruft uns zu, dass sie uns gehen lassen würde, dass wir jedoch nicht zurückblicken dürften. Vor uns werden die Pilzkreise wieder sichtbar und während Banja, mein Mann und ich mit Kolkja starr geradeaus blicken und losgehen, scheinen Cidris, Pjerow und Ugdan sich umgeblickt zu haben, denn mit einem Mal rufen sie, dass sie die Kreise nicht mehr sehen könnten.
Wir nehmen die drei an die Hand und es gelingt uns tatsächlich, das Reich dieser Hexe wieder zu verlassen. Als im verschneiten Wald stehen, erzählt mir Pjerow, dass er im Haus der Hexe diverse Töpfe und Gläser mit menschlichen Überresten gefunden habe. Offenbar hat Kunder regelmäßig Frischfleisch zu ihr gelockt.
Noch während ich versuche, diese Information zu verarbeiten, kommt uns ein Mann der Norburger Armee entgegen, gibt an, dass nach uns gesucht würde. Auf meine Frage, warum Tsadan uns suchen lasse, antwortet er mir, dass wir zwei ganze Tage verschwunden gewesen seien.
23. Phex 1020 BF
Uns fehlen zwei ganze Tage, obwohl wir nur etwas mehr als eine Stunde im Reich dieser Hexe waren. Das erklärt immerhin, warum sie schon so lange lebt.
Pjerow fragt den Mann, ob er wisse, was mit Kunder und dem Geweihten geschehen sei und dieser antwortet, dass der Geweihte auf dem Weg zum Levthanshain sei, Kunder jedoch von Tsadan eingesperrt worden sei.
Als ich das höre gehe ich etwas abseits und wirke einen Madas Spiegel auf den Geweihten. Ich erkenne, dass er offenbar in einem Schloss ist, ich erkenne es als das in Schossko wieder. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen wirkt er glücklich.
Wir müssen verhindern, dass er das Blut Levthans verwendet um diesen zu befreien. Auch wenn ich von Anfang an dagegen war ihn überhaupt zu binden, so wird er vermutlich auf uns alle nicht sonderlich gut zu sprechen sein.
Als ich den anderen erzähle, wo der Geweihte ist, bietet Ugdan an, sich in einen Raben zu verwandeln und ihm nachzufliegen. Ich wusste gar nicht, dass er diesen Zauber beherrscht und auf meine Frage teilt er mir mit, dass er diesen auch erst kann, seit er in Krox war.
Als ich ihn frage, wie er das bewerkstelligen will, meine ich doch mich zu erinnern, dass dieser Zauber kräftezehrend ist, erwidert er, dass er vor fünfzehn Minuten einen Astraltrank getrunken habe, dass er alles unter Kontrolle habe.
Ich ahne schlimmes, immerhin war das bereits der vierte Astraltrank binnen zwei Wochen. Ich sollte unbedingt mit ihm reden, vermute mittlerweile stark, dass er sich diesbezüglich nicht mehr ganz unter Kontrolle hat.
Ugdan spricht seinen Zauber und verwandelt sich vor unseren Augen in einen Raben. Allerdings in einen untoten Raben, das Gefieder ist stumpf, teilweise scheinen die Knochen hervor, die Augen wirken leblos. Wahrlich kein schöner Anblick, aber immerhin kann er so flugs nach Schossko reisen und dort den Geweihten hoffentlich dazu überreden, uns die Phiole zurückzugeben.
Bevor er sich verwandelt hat, hat er uns noch aufgetragen, das Stoffbündel, welches sich an seiner Robe befindet, unter keinen Umständen zu öffnen. Während wir anderen uns zwar fragen, warum er dies extra sagt, uns aber daran halten, bemerkt Pjerow, dass Cidris Neugier zu groß ist und er hält ihn davon ab, das Verbot zu ignorieren.
24. Phex 1020 BF
Mitten in der Nacht, dem Stand des Madamals nach zu urteilen, muss es ungefähr zwei Uhr früh sein, wache ich auf, fühle mich beobachtet. Als ich ein Licht entzünde, fällt mir auf, dass mein Astraltrank, den ich in meiner Tasche aufbewahrt habe, auf dem Nachtkästchen steht. Daneben die Phiole des Geweihten.
Ugdan muss zurück sein, ich frage mich nur, warum er mich nicht geweckt hat und vor allem frage ich mich, was er an meinen Sachen zu suchen hatte. Leise ziehe ich mir etwas über und husche über den Gang zu seinem Zimmer.
Als auf mein Klopfen keine Antwort kommt, will ich mich gerade zum gehen wenden, als ich es mir doch anders überlege und die Türe öffne. Auf dem Bett sehe ich Ugdan sitzen, immer noch in Gestalt eines Rabens, der mich ankrächzt. Auf meine Frage, warum er sich nicht zurück verwandeln würde, erwidert er nur die altvertrauten Worte „Bitte! Danke! Dummes Tier!“, die ich von Krox schon so oft gehört habe.
Ich versuche es mit Ja/Nein Fragen und es gelingt mir dadurch rauszufinden, dass bei seiner Verwandlung offenbar etwas schief gegangen sein muss, denn Ugdan ist es nicht möglich sich zurückzuverwandeln. Ich finde auch heraus, dass Ugdan es war, der meinen Astraltrank nehmen wollte, es sich dann aber anders überlegt hat.
Als ich laut überlege, ob ich Rondrasil wecken sollte, wirkt Ugdan hektisch, aufgeregt und ich finde heraus, dass er durch die Nähe von Geweihten Schaden nimmt, so lange er sich in dieser Form befindet.
Vielleicht kann Kolkja etwas mehr mit ihm kommunizieren. Gemeinsam mit Ugdan auf dem Arm, sein Geruch ist nicht gerade sonderlich erbaulich, suche ich Kolkja auf, der im Schankraum am Feuer sitzt. Er teilt mir mit, dass dem Jäger, Kunder, die Kehle durchgeschnitten worden sei und nimmt Ugdan in seine Arme, füttert ihn dann mit dessen Augen.
Ich unterdrücke den Drang, mein Gesicht angewidert zu verziehen, frage mich aber dennoch, ob diese Art der Ernährung gerade die Einzige ist, die Ugdans Rabenkörper verträgt. Auch frage ich mich, wie lange Ugdan jetzt ein Rabe bleiben wird. Ob das am Ende gar für immer der Fall ist? Wir sollten einen Magier finden, der sich mit dieser Art Verwandlungszauber auskennt, vielleicht kann der ja helfen.
Nachdem ich die anderen am morgen darüber in Kenntnis gesetzt habe, was geschehen ist, uns allen aber keine Lösung eingefallen ist, beschließen wir, dass wir die Adelung Ifrundochs abwarten sollten, uns danach erneut die Köpfe zerbrechen können.
Die Zeremonie der Adelung ist schlicht, aber dennoch ergreifend. Faszinierend, wie weit es Ifrundoch gebracht hat. Ich erinnere mich noch genau an unseren ersten Kontakt damals im Gut Nuppenkehmen, mit dem Bolzen in der Brust. Und kurz darauf mit dem Fuß in der Bärenfalle. Und heute wird dieser, manchmal noch immer wilde, Mann geadelt und bekommt seine eigenen Baronie.
Tsadan erlaubt ihm sogar, dass sich einige Moorwachter hier ansiedeln dürfen, so sie es wollen. Im Anschluss bittet er Kolkja um ein Gespräch und ich bekomme mit, wie er sich mit Nadira unterhält, Kolkja bittet, es ihr auszurichten. Ich ahne schreckliches, jedoch gelingt es Kolkja tatsächlich, so zu tun als sei Nadiras Seele immer noch da.
Nachdem Tsadan gegangen ist, fragt er mich dennoch, ob es richtig sei, dass wir Tsadan anlügen und ich kann ihm darauf keine befriedigende Antwort geben, weiß ich doch selbst nicht mehr, was richtig und was falsch ist.
Rondrasil ist, von mir unbemerkt, zu uns getreten und gedankenverloren lehne ich mich an ihn, grüble erneut nach, ob uns der Weg, welchen wir gerade gehen, Richtung Erfolg oder Verderben führen wird.
Es ist Zeit abzureisen, wenn wir zügig reisen, erreichen wir noch heute Abend Norburg. Cidris schwingt sich zu Pjerow draußen auf den Kutschbock, redet lange mit ihm, allerdings verstehe ich nicht, worum es geht, das geht mich aber auch nichts an.
In Norburg angekommen fällt mir ein, dass Bisminka in der Akademie als Eulenhexe vielleicht einen Zauber kennt, der Ugdan helfen könnte und umgehend suche ich sie auf, frage, ob sie uns helfen kann. Tatsächlich gelingt es ihr, die Verwandlung Ugdans aufzuheben, sie rückgängig zu machen und mit einem Mal steht er wieder in seiner menschlichen Gestalt vor uns.
Nachdem ich Ugdan seine Robe gereicht habe, disputiert Bisminka mit ihm darüber, dass Tsadans Ziele nicht hehrer Natur seien, ich frage mich zwar, wovon sie spricht, hake aber nicht weiter nach. Für den Moment habe ich genug Informationen, die ich zu verarbeiten habe. Viele davon hätte ich lieber nie erfahren.
Gemeinsam mit Rondrasil suche ich die Akademie auf, ich brauche vertraute Gesichter um mich herum. Gesichter, von denen ich weiß, dass sie nichtsahnend sind, das große Ganze vielleicht nicht einmal erahnen können. Wie gerne wäre ich an ihrer Stelle.
Rajan kommt auf uns zu, erzählt uns, wie es ihm in der letzten Zeit ergangen ist, erzählt auch, dass Jaschwinja nicht mehr die Selbe sei, seit sie in der Schlacht beide Hände verloren hat. Ich suche sie auf und auch wenn mir der Balsam societas sofort einfällt, so kann ich ihn dennoch nicht anwenden, handelt es sich hier doch um keinen zugelassenen Zauber.
Aber wenigstens die großflächigen Brandnarben an ihrem Bein kann ich behandeln, so dass sie es nicht mehr hinterherziehen muss, wenigstens wieder schmerzfrei laufen kann.
Es macht mich traurig sie so zu sehen, aber vielleicht gelingt es mir ja doch noch, den Balsam derart zu modifizieren, dass ich ihr helfen kann. Oder aber es findet sich ein geschickter Handwerker, der funktionale Prothesen anfertigen kann. Mal Robak fragen, ob der jemanden kennt.
Maschdawa tritt an mich heran, als ich auf den Innenhof gehe und bittet mich um Rat. Sie erzählt mir, dass sie die Aufgabe habe, Heilmagier der Akademie zur Schlacht an der Trollpforte zu schicken und fragt mich, was sie tun soll. Die Magier, die sie dorthin entsendet, werden mit großer Wahrscheinlichkeit alle sterben, doch wenn sie keine Magier entsendet, werden mit Sicherheit noch mehr Menschen sterben.
Ich verstehe ihr Dilemma nur zu gut, muss sie gerade doch abwägen, ob sie den Tod vieler in Kauf nimmt um ihre Adepten zu schützen oder ob sie einige ihrer Adepten opfert, um wenigstens ein paar Menschen zu retten.
Ich kann ihr keinen wirklichen Rat geben, nur sagen, wofür ich mich vermutlich entscheiden würde. Ich würde die Adepten darüber aufklären, dass es sich um ein Alveranskommando handelt, würde nur diejenigen entsenden, die sich dessen bewusst sind und die freiwillig gehen wollen, niemanden dazu zwingen.
Sie antwortet mir, dass sie sich an meinen Rat (der eigentlich kein Rat sein sollte, doch dieser Verantwortung kann ich mich scheinbar nicht entziehen) halten werde und erwähnt auch, dass Rajan einer derjenigen ist, die sich frewillig gemeldet haben. Nichts anderes habe ich von ihm erwartet, in ihm steckt das gleiche Kämpferblut wie damals in seiner Schwester Rowinja.
Auch Uuhs Oduhn statte ich einen Besuch ab und der teilt mir mit, dass das Wasser im Norden gefroren ist. Noumiza. Es tut mir in der Seele weh, dies zu hören, aber tief in meinem Innersten habe ich geahnt, dass wir nicht Rik und Noumiza werden retten können und damals habe ich mich für Rik entschieden.
Ich gehe zurück in die Burg, an meiner Seite Rondrasil und wir treffen dort auf Ifrundoch, der uns mitteilt, dass Kantalla ihre Mutter, die Wölfin Larka, bezüglich der Rose befragen wolle, dass sie sich bereits auf den Weg gemacht habe.
Noch bevor ich diesen Gedanken richtig verarbeitet habe, kommt mir ein weinender Kolkja entgegen, gefolgt von Ugdan, der mir erklärt, dass er ihm auf dem Markt Süßigkeiten gekauft habe, welche Kolkja auf einmal gegessen habe und jetzt hat er, natürlich, Bauchschmerzen.
Dieser Fehler ist mir auch schon passiert, wenngleich ich das Gefühl habe, dass ich Kolkja damals immer noch weitaus weniger Süßes zu essen gegeben habe als jetzt. Andererseits, nach all den Strapazen, die er erlitten hat, wer weiß, vielleicht verträgt sein Körper auch nicht mehr so viel?
Ich sollte ihm einen Kräutertee machen.