Tagebuch von Sandor Aureliano Esteban Delazar
Düsterrhode - der Menschenfresser

So ruhte ich mich ein wenig aus, während Kugor, der Angroscho, sich um die Verletzungen und Wunden der anderen kümmerte. Kor sei dank hatte ich keine Wunden erlitten, aber die Anzahl an leichten Treffern und der Blutverlust machten sich auch bemerkbar. Ich suchte mir eine geschützte Stelle, versteckte mich dort und hielt Wache. Wenn ein Menschenfresser in diesen Wäldern umherstreifte, ist das letzte, was man wollte, von diesem überrascht zu werden. Oder die Orks hatten noch einen zweiten Trupp irgendwo. Es verging einige Zeit, bis diese Wildlingsfrau Saari nackt und bemalt aus den tiefen des Waldes mit einem Rudel Wölfe im Schlepptau wieder auftauchte. Erst dachte ich, sie würde von diesen Viechern verfolgt werden und stellte mich schon innerlich auf einen Kampf gegen die Wölfe ein, bis ich bemerkte, dass die, hmm, gemeinsache Sache machten. Mir fällt kein besseres Wort dafür ein, es schien so zu sein, als ob die Wildlingsfrau mit diesen Wölfen sprach. Zumindest knurrte sie und der Leitwolf knurrte zurück, oder war das mein Magen? Wie dem auch sei, wir mussten das Mädchen retten, also machten wir uns auf den Weg. 

Die Wölfe schienen uns zu führen und so begann ein langer Marsch in der Dunkelheit. Den Wölfen und Saari schien es nicht schnell genug zu gehen, Kugor war in voller Rüstung einfach nicht so schnell, und ich wurde immer müder und müder. Irgendwann, es muss kurz vor Morgendämmerung gewesen sein, ging es einfach nicht mehr und wir mussten ruhen. Die Ruhe war kurz, aber der Schlaf tief und erholsam und wir fühlten uns alle ein wenig besser. Dann ging es weiter und wir erreichten die Höhle des Ogers ohne weitere Schwierigkeiten. Der Menschenfresser war nicht da. Saari und Kugor drangen in die Höhle ein, während Argaal und ich draussen Wache hielten, zusammen mit den Wölfen. Nach einiger Zeit kam Kugor, bei Phex den Kerl hört man schon an seinem Geschepper meilenweit, bevor man ihn sah, aus der Höhle und rief nach mir. War draussen schon überall dieser ranzige Geruch präsent, so war es in der Höhle kaum auszuhalten. Ich betrat eine für Ogerverhältnisse nach meinen Geschmack ordentlich eingerichtete Höhle, hatte jetzt eher mit einem Saustall gerechnet. Nein, es gab ein Bett, einen Stuhl, einen Tisch, einen großen Kochkessel, und eine Sammlung von sorgfältig aufgereihten riesigen Keulen, aber .... moment, K-O-C-H-K-E-S-S-E-L ???? Ich wagte einen Blick hinein und das Schlimmste bewahrheitete sich. Es war eine Art Suppe aus der mich Menschenaugen anstarrten, also ohne zugehörigen Kopf. Barbarisch und Ekelerregend zugleich. 

 Aber dafür war nur kurz Zeit, denn der Grund, warum Kugor mich gerufen hatte, saß in einem Eisenkäfig und schaute uns mit hilfesuchenden Augen an. Das Mädchen Linje und was das Wichtigste war, bei Kor, es war noch alles an ihr drann, als sie war noch in einem Stück. Das befand ich Angesichts der Tatsache, dass sie in einer Ogerhöhle verweilte, deutlichst zu erwähnen. Saari und Kugar hatten schon vergeblich versucht, den Käfig zu öffnen. Kugor und ich bewältigten den Kraftakt und schafften es sogar, das schwere Metallgitter lautlos abzulegen. Dann ging alles sehr schnell. Das Mädchen war natürlich aufgelöst und den Tränen nah, irgendjemand, war es Argaal oder ein Wolf, ich weiß es nicht mehr, meldete von draussen einen sich nähernden Oger. Also packte ich das Mädchen, warf es mir auf den Rücken, sagte sie solle sich festhalten und dann rannte ich los, raus aus der Höhle immer einem der Wölfe hinterher. Das Mädchen war natürlich ausser sich vor Sorge, aber ich redete auf sie ein, so gut ich konnte und bei Kor und Phex, wir schaffen es tatsächlich zu entkommen. Irgendwann konnte ich dann einfach nicht mehr, aber ich hatte das Gefühl, genügend Strecke zwischen Menschenfresser und uns gebracht zu haben. Erschöpft lies ich mich auf den Boden sinken.

Wir machten uns nach einer kurzen Atempause auf in Richtung Dorf. Argaal kam einige Zeit später dazu und berichtete uns auf dem restlichen Weg sein "Goblin-und-Maus"-Spiel mit dem Oger. Klein und flink hatte seine Vorzüge, dennoch, es benötigte ein gehörige Portion Mut, sich so einem gefährlichen Gegner zu stellen. Auch Linje berichtete uns, was sich zugetragen hatte. Sie hatte einen verletzten Wolf in einer Höhle nicht unweit von Düsterrhode gepflegt und sich immer wieder durch die Palisade geschlichen, um Essensreste zu schmuggeln. Dabei hat sie dann letzte Nacht der Oger erwischt. Anscheinend hatte dieser vor, das Mädchen noch weiter zu mästen, da im jetzigen Zustand nicht viel dran war. Meinen bisherigen und sehr rudimentären Kenntnissen zu Ogern nach hätte ich ihm diese Geistesleistung gar nicht zugetraut. Vielleicht hatten wir es hier mit einem klugen Exemplar zu tun. Gut für das Mädchen, schlecht für uns, denn wir mussten ihn ja noch zur Strecke bringen. Aber eines nach dem anderen und so kamen wir unbehelligt im Dorf an.

Die Freude kannte natürlich keine Grenzen und das ganze Dorf war überglücklich, dass Linje wieder wohlbehalten zurückgekehrt ist. Falber und Mirhilde, die Eltern des Mädchens, waren uns so wie es aussah auf Ewig dankbar. So ruhten wir uns nach einem ausgiebigen Mahl dann aus, um für den Kampf gegen das Ungetüm bei Kräften zu sein. Ich holte mir von Falber noch die Erlaubnis, eine Pike der Schmiedin mit ins Gefecht führen zu dürfen. Obwohl ich noch nie mit diesen überlangen Speeren gekämpft hatte, war es aus meiner Sicht die ideale Waffe, um den Unhold auf Distanz zu halten und in ein Gefecht zu binden. Dann ging ich zur Schmiede und holte sowohl meine Langschwerter als auch eine Pike. Einmal ordentlich ruhen und dann ran an den Oger. 

Es ist schon eine Herauforderung, so eine lange Stangenwaffe durch bewaldetes Gebiet zu transportieren. Langsam verstand ich, warum man so selten einem Gegner mit einer derartigen Waffe gegenüberstand. Wir erreichten die Ausläufer der Höhle des Ogers. Der Plan war einfach, ich binde den Oger in einen Zweikampf, halte ihn auf Distanz, während der Rest es ihm von allen Seiten besorgen sollte. Guter Plan, bis die reale Situation dann jedwege Planspiele durchkreuzte. Dieser hinterlistige Vieh hatte sich tatsächlich von hinten an uns herangeschlichen. Ich schaffte es gerade noch mit einer geschicklichen Meisterleistung die Pike in die entgegengesetzte Richtung zu bekommen, als es auch schon zur Sache ging. Der Kampf verlief rasch zu unseren Gunsten. Gegen das beständige Stechen, Hauen und Pfeilbeschuss hatte der Oger nicht lange etwas entgegenzusetzen. Erwähenswert waren die geschickten Ausweichmanöver des Angroscho Kugor in Rüstung im Angesicht der Keule des Ogers, die geschätzt dreimal so lang war, die Kugor. Es ging alles ziemlich rasch und dann hatte es sich auch schon ausgeogert. Als letztes blieb noch den Kopf vom Rumpf zu trennen, schliesslich musste man einen Beweis seines Ablebens erbringen.

Wir schauten uns noch ausgiebig in der Höhle um, aber ausser einem Buch "Hilffreycher Leitfaden des wandernden Adepten" und den sechs sorgsam aufbewahrten Keulen gab es nichts zu entdecken. Wie dem aus sei, das Vieh war nicht mehr und mein persönlicher Auftrag der Gardistin aus Nordhag war somit erledigt. Die Erleichterung im Dorf war groß, ob des beseitigten Problems. Ich machte mich dann auf nach Nordhag, es war ja nur ein knapper Tagesmarsch. Die Gardistin, nein, falsch, wie nannte sie der Dorfschulze nochmal, Hauptfrau, war wohl so etwas wie ein Capitan, war ebenfalls erleichtert und zeigte sich auch großzügig, was die Belohnung betraf, 25 Golddukaten. Leider waren meine Avancen hinsichtlich einer privaten Siegesfeier und einer anschaulichen Demonstration der Piken-Taktik nicht von Erfolg gekrönt. Diese mittelreichischen Weiber sind alle viel zu verklemmt. Wenigstens hielt sie sich an die Abmachung und gab mir Informationen, wo man über das magische Metall etwas finden konnte. Blieb nur noch die eidesstattliche Aussage und Bezeugung des Kampfes vor einer rondrianischen Novizin, die alles zu Papier brachte. Wie oft ich beteuern musste, das Argaal ein echter Goblin war und ich es mir nicht nur eingebildet habe, kann ich gar nicht mehr zählen, aber alles wurde wahrheitsgemäß aufgeschrieben.

Entgegen meines Naturells ging ich zurück nach Düsterrhode und gab den Anderen ihren Anteil am Kopfgeld des Ogers. Argaal und ich verabschiedeten uns, Kugor wollte zu einer Championata in Richtung Baliho, Saari wollte, hmm, ja, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Wir machten uns auf nach Goldhag, Argaal deckte sich mit Fingerringen ein, und ich bekam endlich etwas von dem magischen Metal zu kaufen und auch ein paar nicht-verklemmte mittelreichische Weiber für den Piken-Trick. 

Dieser Eintrag wurde am 31.10.2019 (22:51) verfasst und 477 mal aufgerufen.
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