Tagebuch von Victor Dondoya Aureumresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Spuren der Verheißung: Die entsprungene Braut/Kammern des Todes

Ich würde der Aufforderung nachkommen. Das hatte ich nun entschieden. Besser war meine Laune dadurch aber nicht geworden – eher im Gegenteil. Ich hieß die Amme, Nandurin noch einmal zu füttern, zu wickeln und dann den Raum zu verlassen. Als nächstes schnappte ich mir einen der Hauswächter und gab ihm auf, vor der Tür zu Nandurins Zimmer Wache zu stehen. „Egal wie er da drin toben mag, schreien oder ob die Niederhöllen losbrechen, außer mir betritt erst einmal niemand das Zimmer!“ schärfte ich der Wache ein. Der brave Mann versuchte mir noch vor Augen zu führen, was ich da von ihm verlangte, falls mein Herr Vater zum Beispiel Einlass begehren würde. Der Verstand ja bei Widerworten auch keinen Spaß. Aber das war mir jetzt egal und ich kürzte die Diskussion ab, indem ich den Schlüssel im Schloss umdrehte, das Zimmer versperrte und dann ging. Dafür hatte ich jetzt keine Zeit. Ich sollte mich ja in einem Freudenhaus einfinden, der gebückten Hündin oder so. Der Name sagte mir aber nichts. In solchen Etablissements verkehre ich ja für gewöhnlich nicht. Allein die Vorstellung von so einer dreckigen Hafenhure und die Erinnerungen an die zahnlosen Weiber in der Mine damals… wirklich nicht! Eine Kaschemme, wie mir der brave Wachmann mitteilte, die sich nahe des Militärhafens befinden sollte.

Also verlies ich, angetan mit Robe, Stiefeln, Stab und was man sonst noch so brauchte, unsere Residenz. Kaum war ich vor die Tür getreten, lief ich in eine schwüle Wand aus unangenehm feuchtwarmer Luft die mir jeden Antrieb raubte. War es im Haus schon unangenehm gewesen, hier draußen war es nahezu unerträglich. Ich schleppte mich durch die Straßen in Richtung Kriegshafen. Das sonst so lebhafte Treiben war einer geisterhaften leere gewichen. Kaum jemand war auf den Straßen unterwegs, nur ein paar vereinzelte Patrouillen der Wache waren unterwegs, von denen ich einmal sogar halbherzig kontrolliert wurde. Aber wirklichen Elan entwickelten die Männer und Frauen dabei nicht. Und streunende Köter, die ähnlich lustlos im Dreck stöberten.  Lediglich, mir selbst ging es nicht anders. Meine Gedanken wahren fahrig, ich fühlte mich unkonzentriert, musste mir immer wieder in Erinnerung rufen, warum ich eigentlich unterwegs war um überhaupt meinen Weg zu finden. Es war, als wollten sich meine sonst so wohlgeordneten Geisteswege in alle Richtungen zerstreuen und ich hatte alle Mühe, mich auf das nötigste zu besinnen. Ein furchtbares Gefühl! Als würden einem die eigenen Gedanken wie Sand aus den Ohren rinnen. Zum Glück wären die vermaledeiten 5 Tage bald wieder vorbei, auch wenn heute erst der zweite war.

Dermaßen abgelenkt schritt ich durch die verwaisten Straßen in Richtung meines Ziels. Als die Gegend schäbiger und die Gassen abseits der Hauptstraße dunkler wurden wähnte ich mich schon Nahe. Immer wieder lies ich den Blick in die Seitengassen schweifen, um die von der Wache genannte Kreuzung nicht zu verpassen. Irgendwo hier musste es sein. Aber noch bevor ich selbst die richtige Abzweigung gefunden hatte, wurde ich von zwei zerlumpten Gestalten mit Knütteln in der Hand gefunden, die sich mir aus der Dunkelheit der Gosse näherten. Sie wirkten ebenfalls fahrig, aber ihre Absicht war eindeutig. Und ich hatte keine Lust, mich hier auf eine nervtötende Diskussion einzulassen, geschweige denn mich von meiner Habe zu trennen. Also baute ich mich selbstbewusst auf der Straße auf, nahm meinen Stab, der derzeit auf das halbe Maß geschrumpft war, aus dem Holster zur Hand und ließ ihn in einer fließenden Bewegung zur vollen Länge heranwachsen um die beiden Simpel zu beeindrucken. Dabei richtete ich mich mit fester Stimme an die Halunken. „Beabsichtigt ihr wirklich hier und jetzt zu sterben?“ Den Einen hatte ich damit wohl zumindest ein bisschen verschreckt, aber sein Kumpan kam mit schiefem Grinsen und grenzdebilem Blick weiter auf mich zu. Er hatte anscheinend nicht den Hauch einer Ahnung, wen er sich da als Opfer ausgesucht hatte.

Nun gut, sei es drum. Eigentlich wollte ich ja im Vollbesitz meiner Kräfte der dunklen Bedrohung die sich gezeigt hatte gegenübertreten. Aber hier musste ich schon einmal ein Zeichen setzen. Das ging ja gar nicht an, auf offener Straße als Magier von solchem Pack überfallen zu werden. Eine Schande! Ich riss die Hand hoch, deutete auf den sich nähernden Schurken und donnerte ihm den bewährten „Fulminictus“ entgegen. Bei Hesinde, war das gerade schwierig, die Fäden der Macht zu bündeln. Meine Konzentration war, freundlich gesprochen und man entschuldige den Ausdruck, am Arsch. Es kostete mich alle Willenskraft, mich auf die Formel zu besinnen und die sonst so leicht fließende Kraft in die vorgesehene Matrix zu lenken. Es gelang, aber mit deutlich weniger spektakulärem Ergebnis als erhofft. Der Getroffene zuckte wie unter einem Peitschenschlag zusammen, sein Vormarsch geriet ins Stocken. Dennoch sah ich mich unversehens einem Gegner gegenüber, der mich mit seinem Schlagholz malträtieren wollte. Eine zweite Warnung „Sicher, das ihr euren Tod so sehnlich wünscht“ ignorierten die beiden erneut. Zum Glück hatte ich mich in der Kunst der Verteidigung mit dem Stab geschult. So gelang es mir im Fortgang, bis auf einen alle Schläge der Schufte zu parieren, konnte sogar einmal selbst einen Treffer mit dem Stab landen und dem Gegner ordentlich eins auf den Oberschenkel geben. Aber das würde nicht von Dauer sein, eine Lösung musste her. Leider misslang der erneute Versuch einen Fulminictus zu wirken, da es mir im Gefecht anscheinend noch schwerer fiel, meine Gedanken zusammen zu halten. Dafür lief es mit einem hastigen Armatrutz besser, den ich mir zur Sicherheit gönnte. Als ich dann einen erneuten Hieb des Schlagetods einstecken musste, dieser mich aber nicht einmal zum Zucken brachte, weil er noch vor meinem Leib gestoppt wurde, ließ das die Entschlossenheit der Schurken wanken, und endlich entschlossen sie sich, die doch wehrhafter als erwartete Beute, also mich, ziehen zu lassen und verkrochen sich wieder winselnd in den Schatten aus denen sie gekommen waren. Eigentlich hätte ich sie zur Strafe verfolgen und vernichten sollen. Aber jetzt stand wichtigeres auf der Agenda…

Ich war mittlerweile schweißgebadet. Das hätte nun wirklich nicht sein müssen. Obendrein hatte es mich durchaus einen Teil meiner Kraft gekostet, die ich gerne noch zur Verfügung gehabt hätte. Ich rechnete immer noch mit einer unerfreulichen und weit gefährlicheren Konfrontation. Der weitere Weg war nur noch ein kurzer bis ich in einer der nächsten Gassen eine rote Laterne blinken sah, in deren Schein ein Schild unverkennbar das gesuchte Freudenhaus markierte. Wobei ich bezweifelte, dass ich hier für mich Freuden finden würde. In Gedanken war ich schon dabei, das gesamte Rattennest niederzubrennen und fingerte dabei an dem Döschen mit weißem Phosphor herum. Schon stand ich vor der geschlossenen Tür. Klopfen und Höflichkeit waren in meinen Augen hier nicht angebracht. Ich öffnete die Tür und sah in das überraschte und ängstliche Gesicht einer Frau. „Wir haben geschlossen“, wand sie sich dumpf an mich. „Das ist gut. Ich werde erwartet“, war alles was ich erwiderte und taxierte die Dirne. Auch eine Dienerin des Namenlosen? Das Gebäude war wohl ein ehemaliges Lagerhaus, schmal und lang, in das für seinen neuen Zweck Zwischenwände eingezogen worden waren. Sicherlich 30 Schritt mussten wir nach hinten gehen, wobei sich ein kurzes Gespräch entspann, dem ich am Ende entnehmen konnte, dass die Frau ob ihres seltsamen „Gastes“ recht nervös war. Auf meine offene Frage hin, ob sie eine Dienerin des Rattenkindes sei wirkte sie regelrecht entsetzt und rief sogar die Götter an. Meine Worte an sie, „Das war dann wohl die richtige Antwort, meine Dame, dann werde ich dieses Haus auch nicht niederbrennen“ trugen nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Und sie wurde umso nervöser, je näher wir der am Ende des Hauses liegenden Tür kamen. Ich entließ das arme Ding, nachdem sie mir versichert hatte das ich dort hinten erwartet würde, mit dem Hinweis, dass ab hier alleine zurechtkäme. Das schien ihr mehr als nur recht, denn sie verschwand eilig in die andere Richtung. Nun war ich gespannt, wer oder was mich dort erwarten würde. Noch einmal versuchte ich mich zu sammeln, dann öffnete ich die Tür. Wirklich, ich würde dringend die Kunst der Dämonenbindung lernen müssen. So einen Leibwächter an der Seite oder zumindest in der Hinterhand hätte ich jetzt schon gerne gehabt. Junasia mit ihren Flammenwächtern war da, das gebe ich unumwunden zu, ein quasi im wahrsten Sinne der Worte leuchtendes Beispiel für mich.

Mir bot sich ein seltsamer Anblick. Vor mir öffnete sich ein Raum, durchaus groß zu nennen, der aber von einem Tisch dominiert wurde hinter dem mich eine in blaue Gewänder, ich würde sagen geschnitten nach der Art der Novadis oder Tulamiden, gehüllte Gestalt erwartete, von der außer dem mit seltsamen purpurnen Tätowierungen verziertem Gesicht wenig zu sehen war. Das war schon einmal nicht das, was ich erwartet hatte. Zudem war es in dem Zimmer auch noch übermäßig warm und stickig, was wohl von den beiden hinter der Gestalt lodernden Kohlebecken herrührte. Und auf dem Tisch stand eine Art großer Kristall. Schnell erfasste ich die Lage, blickte mich direkt noch einmal im Raum um, um sicherzustellen, dass sich nicht doch noch irgendwelche Schergen versteckt hielten. Aber außer den Schatten in den Ecken des Raums fiel mir nichts weiter auf. Entschlossen schritt ich auf die seltsame Gestalt zu, die mich schon heranwinkte.

Es wäre jetzt müßig, den sich nun entspinnenden Dialog vollständig wiederzugeben, auch wenn das Gespräch den ein oder anderen Zuhörer in Erstaunen versetzt hätte. Die Gestalt, eine Vorstellung unterblieb völlig, ließ sich von meinem Auftreten nicht beeindrucken. Meine Frage danach, ob sie überhaupt wisse mit WEM sie es zu tun hätte, wurde lapidar abgetan. Im Gegenzug wollte sie mir imponieren, indem auf ein Fingerschnippen hin die Feuerschalen aufloderten und sich dort zwei Flammenwesen manifestierten – was wiederum mir zwar Sorgen machte, da ich mir durchaus bewusst war das ich allein gegen 2 Ivash nicht würde bestehen können – aber ich mir dies natürlich nicht anmerken ließ, sondern großspurig zu Protokoll gab, gerade vor kurzem erst solche lächerlichen Diener vernichtet zu haben. Was ja auch fast der Wahrheit entsprach, ich war ja nur nicht alleine gewesen und es war nur einer… Eine bloße Botin, ich ging mittlerweile davon aus es mit einer Frau zu tun zu haben, hatte ich also nicht vor mir. Man konnte es als Ringen zweier dominanter Persönlichkeiten betrachten, die ihre ganze Präsenz ins Feld führten. Und keiner war bereit nachzugeben. Zu meinem Leidwesen bewegten wir uns anscheinend nicht nur auf Augenhöhe, sondern es schien fast, als sei ihr Ego sogar noch etwas ausgeprägter als das meine, was schon viel aussagt. Die Luft zwischen uns war nicht nur ob der Hitze dicht wie Nebel, auch wegen der entstehenden Spannung hätte man sie wohl mit einem scharfen Dolch durchaus schneiden können.

Als mir gar nichts anderes mehr einfiel, Drohungen hätten bei einer Fanatikerin ja eh nichts bewirkt, spielte ich meinen letzten Trumpf aus. „Ihr missverkennt die Situation. Ihr könnt mir nicht drohen!“ warf ich ihr entgegen. „Ich weiß, dass ihr etwas von meinem Sohn wollt. Also werdet ihr ihm nicht schaden. Ich war selbst besessen, und weiß daher, wie sich dies anfühlt oder was dabei geschehen kann. Wenn ihr aber meinem Kind nicht schaden könnt, womit wollt ihr mich dann unter Druck setzen?“ eigentlich wollte ich nach einem kurzen Atemholen zu einem Angebot übergehen, dass Nandurin und mir zumindest Zeit erkauft hätte, aber so weit kam ich gar nicht. Das Weib überraschte mich, indem sie äußerte, gar nichts von meinem Sohn, sondern vielmehr von mir zu wollen. Einen Handel, der Nandurin dauerhaft von der Bindung an den Namenlosen, die ja anscheinend nach wie vor bestand, befreien würde, was sie als eine hohe Dienerin ihres Herren durchaus bewerkstelligen könne. Natürlich nur, wenn ihrem Herrn dabei etwas Besseres geboten würde als das, was er verlor. Anscheinend war ich es, der die Situation falsch taxiert hatte. Das machte mich neugierig.

Um ihre Worte zu untermauern hieß sie mich, auf den Kristall zu blicken, in dem sich 2 erschreckende Szenen manifestierten. Die eine sollte wohl mehr eine Art Vision sein. Nandurin, zum stattlichen jungen Mann heran gewachsen in einem dunklen Raum, umringt von schattenhaften Gestalten vor einem mir wohlbekannten goldenen Becken, mir den Rücken zugewandt. Eine kalte, grausige Stimme war zu hören, ähnlich wie in der Vision die ich von Donata gehabt hatte: „Ich nehme Dein Opfer an“, und als er sich umdrehte blickte ich in eine blutige Augenhöhle. Dann tötete er noch einen der umstehenden mit bloßen Händen, und zum Schluss war wieder die Stimme zu hören „Bring mir das Herz deines Vaters“. Ich schnappte nach Luft. Niemals würde ich zulassen, dass mein Junge sich diesem wahnsinnigen Gott hingeben würde. Das musste ich verhindern! Die zweite Szene diente wohl mehr dazu mich einzuschüchtern. Visaria, zur jungen Frau gereift und schöner als Rahja selbst, die in meinen Armen lag und im innigen Liebespiel mit mir vertieft war und dann Schatten, die uns drohend auseinanderrissen. Dies sollte mir wohl den möglichen Verlust aber auch meine Angreifbarkeit verdeutlichen. Bei Hesinde, wie gern hätte ich der Unverschämten jetzt das Licht ausgeblasen!

Aber nichts dergleichen tat ich. Ich musste mir einen Handel vorschlagen lassen. Sie als Sammlerin wollte nur einen Gegenstand - dabei überreichte sie mir die Zeichnung eines Szepters - von mir erhalten, nachdem wohl schon bald gesucht werden würde. Und da mein Name im lieblichen Feld was solche Dinge anging schon einen gewissen Klang hatte, wäre wohl davon auszugehen, dass ich mich ja an der Suche beteiligen könnte… Ich müsste ihr das Szepter dann nur übereignen, und sie würde Nandurins Verbindung zum Rattengott umgehend auflösen, was ihr als mächtiger Dienerin des Namenlosen ohne weiteres möglich sei. Dann übergab sie mir einen Ring mit einem eingelassenen Stein. Diesen sollte ich Dreizehn Herzschläge berühren, um mit ihr Verbindung aufzunehmen und zu zeigen, dass ich das gewünschte Objekt in meinem Besitz hatte.

Ich lächelte ihr ins Gesicht, als ich notgedrungen Einschlug. Als ob ich ihr auch nur ansatzweiseglauben würde… Im Geiste aber wetzte ich bereits das Messer und Beschwor die Götter und Erzdämonen, dass ich alles tun würde. Aber nicht, dem Weib dieses was-auch-immer-es-ist zu übergeben. Außer vielleicht, es ihr bei sich bietender Gelegenheit soweit rektal einzuführen, dass es oben wieder herauskäme mitsamt Gedärmen und Wirbelsäule. Innerlich kochte ich, als ich den Ort verließ und mich auf den Heimweg machte.

Bis heute war es mir nahezu egal gewesen ob irgendjemand einer höheren Macht dient, auch wenn ich es persönlich trotz meines Standes ja eher mit den Zwölfen halten würde. Aber ob darüber hinaus jemand zu Rashtulla, irgendwelchen Götzentotems, selbst den Erzdämonen oder sogar zum Namenlosen tendierte, hatte ich bisher als persönliches Problem betrachtet das mich nichts anging. Selbst Donata und ihre Schergen hatte daran nichts Wesentliches geändert. Sollte doch jeder nach seiner Fasson glücklich werden, solange es mich nicht tangierte. Aber genau das tat es mittlerweile. Gedanklich strich ich den Namenlosen und seine Diener gerade von der Neutralitätsliste. Bei diesen, und genau diesen, war es wohl doch ein Problem, insbesondere, da es mich nun persönlich berührte. Das würde folgen haben.

Mich persönlich zu bedrohen – gut, ein Fehler, aber einen den man dem Dummen verzeihen könnte, wenn er denn Einsicht zeigte. Da wäre ich gar nicht einmal so stur nicht sogar irgendwo Vergebung in Betracht zu ziehen. Aber Nandurin, meine Familie oder Visaria da mit hinein zu ziehen – diesen Fehler gestehe ich ihnen nur einmal zu. Und im Falle Nandurins war es jetzt das zweite Mal. Ein Verzeihen kam daher auch nicht mehr in Frage. Ein solcher Affront konnte und würde nur mit unbarmherziger Ausrottung aller beteiligten beantwortet werden können. Ich hatte also einiges zu tun und vor mir… und zunächst eine unerwartete Reise zu planen.

Am dritten Namenlosen ging ich erneut außer Haus. Mein Ziel war die Hafenmeisterei. Es waren ja genug Kähne im Hafen, die sicher nach den elenden Tagen wieder ablegen würden. Mit etwas Glück war einer von den di Garangors dabei, der mich direkt würde mitnehmen können. Dem war aber leider nicht so. Der unwirsche Mitarbeiter, der mir nur widerwillig Auskunft gab und gerade erst herausrückte, als ich ihm schon das Buch entreißen und selbst Einblick nehmen wollte, teilte mir mit, dass ein wie von mir gesuchtes Schiff erst zum 14. Praios erwartet würde, dass dann 2 Tage darauf wieder ablegen sollte. Ich musste mich also noch ein wenig Gedulden, hatte aber damit auch genug Zeit für meine Vorbereitungen.

Viel schwerer fiel mir, mir in dieser Zeit vor der Familie nichts anmerken zu lassen und so zu tun, als sei alles in bester Ordnung, während ich mich über die Schulter hinweg immer versuchte zu vergewissern, ob nicht doch ein Spitzel in unserem Hause sei. Aber auch das bekam ich leidlich hin, nach den Namenlosen Tagen waren alle noch etwas zerstreut oder angespannt, so dass ich gar nicht weiter auffiel. Umso mehr freute es mich, als ich am 14. Praios zum Hafen ging, Azina in ihrer Scharade als Yamira und Hagar an Bord des Seglers zu sehen. Eine glückliche Fügung! Leider wurde mein automatisch auch nach Junasia suchender Blick nicht fündig. Gerne hätte ich Azina meiner Familie vorgestellt, aber damit musste ich sie noch vertrösten. Sie war etwas konsterniert als ich ihr mitteilte, dass wir uns in 2 Tagen schon wieder auf den Rückweg nach Bethana machen müssten und es derzeit besser sei nicht im Hause Pelisario vorstellig zu werden. Das hätte meinen kommenden Plan unnötig verkompliziert, auch wenn ich sie nicht einweihte, sondern einfach um ihr Vertrauen bat. So mussten sich die beiden auch eine passende Herberge suchen, aber in der Schwarzen Perle waren sie ausreichend gut untergebracht und hatten Gelegenheit, sich die Zeit in Al’Anfa zu vertreiben. Ich vermute, Azina schleppte Hagar täglich über die üppigen Märkte meiner Heimat, die ja alles Boten wonach man sich sehnte.

Ich hingegen überstand auch noch die nächsten beiden Tage und setzte in der Nacht zum 16. Praios meinen Plan in die Tat um. Meine Sachen waren gepackt und standen zur Abreise bereit. Zuerst holte ich Nandurin aus seinem Zimmer. Der kleine Prinz schlief tief und fest während ich ihn vorsichtig aus seiner Wiege hob. Er war einfach zuckersüß, wenn er so friedlich schlief. Mit dem Kind im Arm schlich ich noch vor der 4. Morgenstunde durchs Haus zum Arbeitszimmer meines Vaters. Natürlich abgeschlossen, wie ich es erwartet hatte. Der alte Fuchs traute was das anging der Dienerschaft nicht weiter, als er einen Ochsenkarren hätte werfen können. Aber das war natürlich für einen Magus meiner Erfahrung kein Hindernis. Ich legte die Hände auf das Schloss, konzentrierte mich und wisperte den „Foramen“-Cantus gen Tür. Wohl gelungen! Sofort spürte ich, wie sich die Fäden der Kraft um Rädchen und Riegel legten, sanft drückten und zogen, bis schließlich mit einem leisen Klicken wie von einem verstohlen gedrehten Schlüssel der Mechanismus nachgab. Vorsichtig schlich ich über die knarrenden Mohagonidiehlen zu Vaters Schreibtisch. Was er wohl denken mochte, wenn er morgen wie üblich vor dem Frühstück zuerst hierherkam? Ich konnte nur hoffen, dass er ein Einsehen hatte. Ich platzierte den vorbereiteten Brief mitten auf seiner ansonsten leeren Schreibunterlage, ging wieder hinaus und zog die Tür hinter mir zu. Das etwas anders war würde er spätestens dann wissen, denn um die Tür wieder zu verschließen, dazu fehlte mir die einfach notwendige Kenntnis des Claudibus-Spruches.

 

Sehr geehrter Herr Vater,

 

ich bedauere es und entschuldige mich dafür, mich erneut so unversehens davon stehlen zu müssen. Anscheinend lassen mich die jüngsten Ereignisse nicht ruhen. Mir liegt es fern, Euch mit zu vielen Details belasten oder gefährden zu wollen, nur so viel sei gesagt, es ist eine mir bisher unbekannte Person aufgetaucht, die mir und Nandurin gegenüber alles andere als wohlmeinend ist. Würde ich nur mich selbst bedroht sehen, ich sähe die ganze Sache rechte gelassen. Allein, ich will keine Unbill über die Familie bringen und absentiere mich daher.

Mir ist bewusst, dass sich solch verhalten weder für einen Sohn, noch für den in Eurer Schuld stehenden Leibmagus gehört. Daher werde ich, so Phex will, meine pekuniäre Schuld bei Euch Herr Vater nach meiner Reise tilgen. Dies soll aber mitnichten heißen, dass ich beabsichtigte Eure Dienste zu verlassen. Im Gegenteil. Wenn mir die letzten Jahre etwas vor Augen geführt haben, dann, dass die Bande die mich durch Blut an unsere Familie binden weit schwerer wiegen als das Gold, welches Ihr so großzügig in meine Ausbildung investiert habt. Ich bleibe Euch stets weiter als Sohn der Familie verpflichtet. Lediglich die Schulden, die mich darüber hinaus binden und mir ein schlechtes Gewissen machen trachte ich zu lösen. So ihr wollte stehe ich euch dennoch für die Familie und gegen die Zahlung meines Unterhaltes, Kosts und Logis zur Verfügung, so ich denn in unserer wunderschönen Heimat weile.

Bitte richtet auch meiner geliebten Mutter meine ehrerbietigsten Grüße aus. Gern hätte ich mich von ihr selbst verabschiedet, aber es sollte nicht sein.

So mir möglich, werde ich Euch gelegentlich Nachricht zukommen lassen, wie es uns ergeht. Wo genau mich meine Reise hinführt vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Aber ich plane, meinen Aufenthalt in der Fremde so kurz als möglich zu gestalten.

Entzündet eine Kerze für unsere Seelen im Tempel des Raben, auf das Boron mich nicht zu sich rufen will. Es werden wohl Gefahren für Leib und Seele meiner Harren, die ich noch nicht ermessen kann.

Hochachtungsvoll, Euer Sohn,

Victor Dondoya Lucisresistis Stellamane d’Pelisario von Al’Anfa

 

P.S. Bitte entschuldigt auch, dass ich Nandurin mitnehmen muss. Sein Verbleib würde Euch und ihn nur unnötigerweise in Gefahr bringen. Es liegt nicht daran, dass ich an Euch zweifle oder euch nicht traue. Ich weiß, er wäre bei Euch in Besten Händen und gut versorgt, aber die Bedrohung die über uns schwebt ist keine, welche die Wachen unseres Hauses ohne weiteres erkennen, geschweige denn überwinden würden. Ich werde Euren Enkel bei meiner Rückkehr gerne wieder in Eure Obhut geben.

P.P.S. Sollte eine Frau oder andere Person vorstellig werden, die im Gesicht, an den Händen oder sonstwo purpurne Tätowierungen aufweist, so rufet umgehend die Rabengarde zur Hilfe um die Familie zu schützen. Die Diener des Rattenkindes treiben ihr Unwesen in unserer Heimat. Mehr darf ich Euch leider zu Eurer eigenen Sicherheit nicht mitteilen.

P.P.P.S. Ich wäre Euch dankbar, wenn ihr mir trauen und nicht nachforschen würdet. Mein Handeln dient allein unser aller Wohl.

 

Dann ging ich weiter, ein letztes Ziel in unserem Domizil ansteuernd. Vor dem Zimmer meiner Schwester machte ich halt. Hier musste ich mir anders behelfen, einfach hineingehen konnte ich nicht. Liliana hatte manchmal einen recht leichten Schlaf, und schleichen wie ein Schatten war jetzt nicht gerade meine Paradedisziplin. Daher schob ich die vorbereiteten Briefchen einfach unter ihrer Tür hindurch, die würde sie morgen früh dann schon finden, so hoffte ich zumindest.

 

Meine Liebe Liliana, geliebte Schwester.

 

Es tut mir leid, dass ich mich nicht von Dir verabschiedet habe, aber es ging nicht anders. Ich verspreche Dir, wohlbehalten zu Dir zurück zu kommen und Dich mit einer neuen, spannenden Geschichte zu unterhalten.

Erlaube mir, Dich um einen kleinen Gefallen zu bitten. In diesem Brief findest Du einen weiteren Brief, den Du bitte an Visaria übergeben sollst.

Ich kenne Dich ja. Deine kleine Nase ist neugieriger als die von Phex selbst. Um es Dir zu erleichtern, Deine Neugier zu zügeln habe ich mir erlaubt den Brief an Visaria magisch zu verschließen. Sollte irgendwer als sie selbst das Siegel brechen, wird er ein Flammen aufgehen und zu Asche zerfallen, noch Ehe Du einen Blick darauf werfen konntest. Also halte Deine Neugier in Zaum. Wenn Visaria der Meinung ist, sie wolle Dir den Brief dann später selbst zeigen ist das eine ganz andere Sache.

Ich liebe Dich, Schwesterchen. Mögen die Zwölfe geben, dass der Herr Boron mich auf der kommenden Fahrt nicht zu sich ruft.

Dein Victor

 

 

Hochgeschätzte Domna Visaria.

Es dauert mich sehr, mich nicht von Euch verabschiedet zu haben. Gerne hätte ich in den kommenden Tagen, Wochen, ja Monden ein wenig Zeit mit Euch verbracht, waren die Stunden in Eurer Gesellschaft in der Vergangenheit doch die schönsten, die ich je verbringen durfte. Ihr habt etwas in mir angerührt, dass ich so noch nie gekannt habe, und dafür danke ich Euch. Gern hätte ich dieses Gefühl in Eurer Gegenwart erneut genossen, allein die Götter haben mir vorerst einen anderen Weg bestimmt. Schatten bedrohen mein und Nandurins leben, die ich erst ans Licht zerren und vernichten muss, bevor ich erneut um Eure Gunst ersuchen kann. Gerne würde ich auch einmal offiziell, so es denn Eure Familie gestattet, an Eurer Seite einen Ball, en Fest oder einen anderen gesellschaftlichen Anlass besuchen.

Vermutlich stehen die Günstlinge, die sich nach Eurer rahjagleichen Erscheinung verzehren Schlange vor Eurer Tür. Und vermutlich befindet sich unter ihnen manch stattlicher Bursche, mit dessen maskulinem erscheinen meine schmächtige Gestalt nicht mithalten kann. Doch lasst Euch nicht blenden von jenen, denen das äußerliche alles ist.

Ihr würdet mein Herz erfreuen, wenn Ihr die Güte hättet meiner Rückkehr zu Harren. Ich gelobe, mich zu Eilen und baldmöglichst zu Euch zurückzukehren. Sollte Boron mich allerdings zu sich rufen so seid versichert, dass mein letzter Gedanke Euch gelten wird, wenn ich in die Paradiese der Zwölfe einfahre und Euch dann dort erwarte.

Hochachtungsvoll,

Victor Dondoya d’Pelisario

 

Nachdem dies erledigt war verließ ich mit Nandurin das Haus und beeilte mich, zur Schwarzen Perle zu kommen um Azina und Hagar einzusammeln. Die Dame welche des Nachts den Tresen besetzte brachte mir einen Tee und wollte sich nur allzu gern Nandurins annehmen, aber ich hielt ihn lieber bei mir. Azina hingegen, nachdem sie im Gastraum mit ihrem Anhang erschienen war, schnappte sich voll Begeisterung den Kleinen sofort, die beiden wahren ein Herz und eine Seele. Was mir die nächste Stufe meines Planes deutlich erleichtern würde. Nach einem kleinen Frühstück bestiegen wie das Schiff kurz vor dem Auslaufen und segelten damit gen Brabak. Die wenigen Tage welche die Reise dauerte waren nicht besonders erwähnenswert, aber ich war froh, dass Azina sich so freudig um Nandurin kümmerte. Bei so einem kleinen Fratz gab es da ja nach wie vor einige eher lästige Pflichten zu erledigen… Für mich wichtiger war, wie ich Hagar und Azina eröffnete, dass wir einige Tage in Brabak einen Zwischenstopp würden einlegen müssen, woraufhin Hagars Gesichtsfarbe einige Schattierungen heller wurde. Offensichtlich bereitete ihm dieser Gedanke auf Grund seiner Vergangenheit – wie ich von Azina wusste war er dort schon einmal mit den lokalen Granden, ich glaube der Familie Zeforika – aneinandergeraten. Das ich Hagar bei meinem letzten Aufenthalt in Brabak fast ans Messer geliefert habe mussten die beiden ja nach wie vor nicht wissen. Aber Azina würde ich in Brabak benötigen, um auf Nandurin achtzugeben. Also beschlossen wir, dass Hagar mit dem Schiff weiter und uns voraus Richtung Bethana reisen sollte während wir in Brabak bleiben würden und das nächste verfügbare Schiff hinterher nähmen.

Es war ja nicht mein erster Besuch in Brabak, die Stadt kannte ich mittlerweile ausreichend gut. Wir quartierten uns im gleichen Gasthaus ein, dass uns damals schon beherbergt hatte als wir dem Pfad des Visar gefolgt waren. Mein Plan, der genauso umgesetzt wurde, sah vor, dass ich mich tagsüber zum Studium in die Akademie begeben würde – und genau deswegen benötigte ich Azina, ich hatte weder die Zeit auf Nandurin zu achten, noch wollte ich meinen Kleinen in dieser Brutstätte von verzweifelten Nekromanten und nahe am Abgrund befindlicher Beschwörer wissen – alles hochgeschätzte Kollegen natürlich! Meinem Ansinnen, dort in den nächsten Tagen intensiv von einem Lehrmeister in der Kunst der Invokatio Major sowie den Bann- und Schutzkreisen unterwiesen zu werden verlieh ich mit dem größten Teil meines verbliebenen Vermögens Nachdruck. Glücklicherweise war einer der Lehrmeister nur allzu gern bereit, sich zu seinem üblichen Salär auf die schnelle noch etwas hinzuzuverdienen. Meiner schlaff wie ein leerer Weinschlauch am Gürtel hängenden Geldkatze merkte man aber im Anschluss deutlich die fehlenden 55 Dukaten an… Zu meinem Glück war Junicera derzeit wohl nicht an der Akademie. Ich hatte zum einen ja vor, abends zu Nandurin und Azina zurückzukehren, was mir angesichts meiner früheren Liebe an der Akademie nur schwer möglich gewesen wäre, hätte sie mich unversehens wieder in ihr Schlafgemach gezerrt. Zum anderen war ich mir, angesichts meiner Gefühle für Visaria auch gar nicht mehr sicher, ob ich hier überhaupt noch etwas verloren hätte. Ja, mir wäre es eher wie ein Verrat an der süßen Visaria vorgekommen, hätte ich mich hier noch einmal auf eine Tändelei eingelassen, auch wenn ein schlechtes Gewissen sicher nicht zu meinen ausgeprägtesten Eigenschaften gehörte.

Der Lernerfolg stellte sich zügig ein, nachdem der Lehrmeister mir erst einmal die Hektik ausgetrieben hatte. Mich drängte die Zeit, aber manche Dinge muss man einfach in ausreichender Ruhe angehen, will man Erfolg haben. Und grade bei der Invokatio oder dem Schutz vor den Daimonen sollte man nicht schludern, wie er mir ein ums andere Mal einbläute. So vergingen etwas mehr Tage, als ich eigentlich beabsichtigt hatte, aber es war zu unserem Besten. Sollte sie doch noch einmal mit ihren lächerlichen Dämonen kommen, diese Diener des Namenlosen. Das nächste Mal würde ich vorbereitet sein! Persönlich würde ich Nandurins Zimmer mit den Schutzsigillen schmücken, bis auch nicht der kleinste Dämon mehr würde hineinschlüpfen können! Da ich nun das theoretische Wissen hatte, würde ich nur noch meine laienhaften Zeichenkünste bei Gelegenheit weiter verfeinern müssen… Azina sorgte derweil vorbildlich für Nandurin. Keine Ahnung, was die beiden den ganzen lieben langen Tag trieben, aber der Junge war in ihrer Obhut gut versorgt. Sogar eine neue Ausstattung an Tüchern, Windeln und allem anderen was man so brauchte hatte sie besorgt, nachdem ich davon nur das nötigste für die ersten Tage von daheim mitgenommen hatte. Als wir schließlich weiterfuhren war ich schon ein ganzes Stück zuversichtlicher.

Die letzte Stufe meines Plans nahm ich dann direkt nach unserer Ankunft in Bethana in Angriff. Azina wollte eigentlich direkt zu Fabrizios Anwesen, aber ich hielt sie zurück. Zum Glück war sie so geduldig mit mir und ließ mich einfach erledigen, was ich für nötig erachtete. Aber sie schien schon vor einer ganzen Weile verstanden zu haben, dass ich nichts ohne guten Grund tat, und ich rechnete es ihr hoch an, dass sie mich dafür nicht ständig danach fragte. Mein erster Weg führte uns daher in den Hesindetempel Bethanas, wo Nandurin seinen Geburtssegen empfangen hatte. Im Betraum erspähte ich sogar die Geweihte die den Segen gespendet hatte in wissenschaftlichem Disput mit einem ihrer Kollegen und näherte mich den beiden. So vertieft war sie, dass sie mich erst wahrnahm als der andere Priester mir einen skeptischen Blick mit hochgezogener Augenbraue über ihre Schulter hinweg zuwarf. Nach kurzem überlegen – und ich meine wirklich kurz – stahl sich erkennen auf ihr Gesicht und ich richtete das Wort an sie. „Euer Gnaden, ich sehe ihr erinnert euch an mich und meinen Sohn. Ich bin hier um zwei ungewöhnliche Bitten an Euch zu richten.“ Sie deutete mir an fortzufahren. „Zum einen bitte ich euch, eine Seelenprüfung an meinem Jungen durchzuführen. Ich muss sicher sein, dass kein Schatten auf seiner eigentlich unschuldigen Seele liegt, auch wenn er von Euch den Segen empfangen hat.“ Die Überraschung und die sich dabei aufdrängenden Fragen waren ihr ins Gesicht geschrieben. „Bitte, fragt nicht nach den näheren Umständen. Ich würde es nicht wagen Euch anzulügen, aber es wäre mir wohler dabei, ihr würdet nicht auf Aufklärung insistieren.“ Ich konnte sehen, wie Neugier und seelsorgerliche Verantwortung in ihr miteinander rangen. Zwar spekulierte sie kurz herum, lies es dann aber auf sich beruhen. „Zum anderen, und dass ist für einen Mann meines Standes die noch ungewöhnlichere Bitte, ersuche ich Euch um Schutz für dieses Kind. Erlaubt mir, ihn für die kommende Zeit in der Obhut Eures Tempels zu belassen. Er wird so denke ich bedroht von Mächten, denen er nur hier auf heiligem Boden und unter Eurem Schutz entzogen ist. Lediglich die Familie di Garangor, der ich vorbehaltlos vertraue, mögen ihn Besuchen und auch gerne vorübergehend mit vom Gelände nehmen, sonst niemand. Ich befürchte, ich werde demnächst einige Zeit fortziehen müssen, aber währenddessen muss ich mir sicher sein, dass meinem Kind kein Schaden geschieht.“ Die Priesterin war augenscheinlich überrascht, mit so einem Ansinnen hatte sie sicher nicht gerechnet. Aber zu meiner Erleichterung stimmte sie zu und versprach, auf Nandurin acht zu geben und ihm dem Schutz des Tempels der Allweisen Herrin angedeihen zu lassen. „Noch eine Sache:“, meinte ich zu ihr schon im gehen begriffen “Gibt es in Eurem Tempel jemand, der sich darauf versteht Besessenheit zu lösen? Ja? Gut, dann denke ich, habe ich ihn genau an den richtigen Ort gebracht.“ Nun konnte ich wirklich guten Gewissens zu Fabrizio gehen.

Den Weg zur Villa Garangor kannten wir schon auswendig. Schon beim hinlaufen stellte sich so etwas wie ein Gefühl von Heimkehr ein. Was ich aber immer wieder vergaß, insbesondere wenn Azina/Jamira mich begleitete, war, dass dort ihr alter Hund Vito versorgt wurde. Schon als wir an den Fuhrwerken die gerade emsig be- und entladen wurden vorbei durchs Tor schritten, vernahmen wir den satten Bass den nur das Bellen eines großen Hundes erzeugen konnte. „Wuuuuuufff“ machte es, als sich Vito voll Begeisterung auf seine frühere Herrin stürzte. Meine Treu, das Tier war zwar sehr gepflegt, aber noch dicker geworden als schon zu meinem letzten Besuch. Dieser Hund würde keine Langstrecke mehr laufen! Das Monstrum musste ja bald so viel wiegen wie ich selbst! Folglich hatte Azina auch alle Mühe ihre Verschleierung sowie ihren Stand aufrecht zu erhalten, schaffte es aber, weder von den Füssen gerissen zu werden, noch das unter Schleckattacken leidende Gesicht enthüllt zu bekommen. Angesichts des Radaus wurde natürlich auch Fabrizio auf uns aufmerksam und begrüßte mich überschwänglich, Esmeralda mit Miguel nur wenig dahinter. So bald wieder hatten sie mit mir nicht gerechnet, aber über freudige Ereignisse beschwerte man sich ja bekanntlich nicht. Wir waren gerade so im Gespräch vertieft, Esmeralda erzählte stolz, wie der brave Vito sie und Miguel auf den Straßen Bethanas beschützte, da durfte ich den Wachinstinkt des dicken Hundes direkt erleben. Ein Fuhrmann meinte, er müsse Fabrizio die Frachtpapiere direkt unter die Nase halten und kam dabei dem kleinen Miguel-Viktor ungebührlich nahe. Das bedrohliche knurren, dass unmittelbar darauf ertönte veranlasste den Kerl, sofort drei Schritte zurückzuweichen. Der fette Köter hatte anscheinend an seiner neuen Familie wirklich einen Narren gefressen.

Aber meine Ankunft sei, wie Fabrizio bald meinte, wohl eine glückliche Fügung des Schicksals (ich wusste es natürlich besser, aber das wollte ich ihm nicht auf die Nase binden und ihn beunruhigen).  Just vor wenigen Tagen hätte eine junge Dame namens Melissa di Zeforika, deren Familie in Chorop und Brabak Handelspartner der Garangors seien, nach den „Helden von Bethana“ gefragt. Soweit waren wir schon, dass man uns zu Helden der Stadt erhob? Nunja, ein wenig geschmeichelt war ich dann schon. Auf jeden Fall wollte sie heute Abend noch einmal zum Essen vorbeikommen, und da war es ja trefflich, dass ich gerade jetzt angekommen war. Ob ich denn etwas von Azina gehört habe wollte er dann auch noch wissen, aber da konnte ich ihm auch schlecht die Wahrheit sagen. Also behalf ich mir damit, dass ich eine Nachricht von ihr aus Kunchom erhalten hätte, die ihren Besuch in Al’Anfa angekündigt hatte, ich aber dann spontan hierhergereist war, bevor sie wohl eintreffen konnte. Aber vielleicht, so spekulierte ich, würde sie mir ja bald folgen, wenn sie meine Abwesenheit feststellte. Er fragte insbesondere, weil ein vermutlich von Maraskan geschickter Schnüffler nach unserer letzten Abreise auf seinem Anwesen festgesetzt werden konnte, der nach Azina gesucht hatte. Man hatte ihn befragt und dann wieder laufen lassen mit dem Auftrag, eine Nachricht zu bringen, was denn nötig wäre um Azina aus ihren Verpflichtungen zu lösen. Fabrizio hatte kaum noch mit einer Antwort gerechnet, aber vor kurzem habe er dann doch eine Nachricht erhalten, die ihn aber ziemlich entsetzt hatte. 10.000 Dukaten wäre der Preis für Azinas Freiheit – eine Summe, die selbst er nicht ohne Risiko für seine Geschäfte einfach so aufbringen könne. Das konnte ich ihm nicht verdenken. Eine unverschämte Forderung, die wohl nur dazu diente deutlich zu machen, dass nichts Azina von ihrer Verpflichtung befreien konnte. Und mich darin bestärkte, direkt nach den Dienern des Rattenkindes einmal reinigend über diese „Organisation“ drüber zu gehen, die Azina da noch in den Klauen hielt. Mich juckte es ja wirklich in den Fingern, mich das erste Mal alleine an einem Shruuf zu versuchen, trotz all des damit verbundenen Risikos. Allein, der Shruuf würde ja auch ein von mir benanntes Ziel benötigen… und da wusste ich einfach noch zu wenig.

Ich beriet mich kurz mit Azina, es ging ja auch darum, wie wir gemeinsam und am leichtesten nun weiter vorgehen würden. Zum einen hätte ich Sie falls eine Aufgabe auf uns wartete gerne an meiner Seite gehabt, zum anderen sollte es aber auch ihre neue Identität nicht gefährden. Also musste Yamira „leider“ aus dringenden Gründen weiterreisen – aber sie wurde ja eh von niemandem weiter groß vermisst. Darauf traf am frühen Abend überraschend Azina in Bethana ein. Sie hatte sich wohl eiligst ausgeschifft und von einem Ruderkommando des zum Schweigen mit Gold verpflichteten Kapitäns unweit Bethanas in einer Bucht wieder anlanden lassen. Ich war unterdessen noch schnell in die Akademie geeilt und hatte mich in die Rolle eingetragen und die letzten Gäste gesichtet, aber das war ja schon Routine.

Da sonst nicht viel zu tun war bis zum Abend holte ich Nandurin aus dem Tempel, was Esmeralda in höchste Verzückung versetzte. Wir verbrachten einige Zeit zu fünft, also noch mit Miguel und Fabrizio im Spielzimmer. Die Jungs verstanden sich nach wie vor prächtig, auch wenn sich schon einmal um ein Spielzeug gestritten wurde. Ich beobachtete das Treiben mir Adleraugen, wollte ich doch sicher gehen das Nandurin nicht im Zorn jemand schaden würde. Aber nichts dergleichen geschah. Weder wurden Bauklötzchen pulverisiert noch Dinge durch die Luft gewirbelt. Im Gegenteil war mein Kleiner in der Gegenwart Miguel-Viktors erstaunlich friedlich und zugänglich. Das war ein gutes Zeichen, sollte ich Bethana demnächst doch verlassen müssen.

Gestört wurde die gute Zeit lediglich einmal, als sich Tumult im Innenhof erhob. Als ich auf die Balustrade hinausging um nachzusehen sah ich dort eine Wilde, dem Augenschein nach vielleicht eine Nivesin – auch wenn ich noch nie zuvor eine gesehen hatte – die in Begleitung eines Wolfs war der meinte, sich mit Vito anlegen zu müssen. Bei Wolf wurde ich auch gleich hellhörig, brauchte ich doch für ein Elixier dringend noch Wolfsblut! Da mochten sich gerade ungeahnte Opportunitäten auftun… Noch interessanter als die Nivesin selbst war aber ihr Begleiter. Eine in die wallende Tracht der Novadis ge- und verhüllte Gestalt, die mich unwillkürlich an jemand erinnerte, ohne dass ich sofort wusste an wen genau. Das Rätsel löste sich aber recht schnell, denn die Gestalt schien mich dafür umso schneller zu erkennen, und spätestens als die Stimme erklang um mich mit ?skeptischem Unterton? zu begrüßen war ich mir fast sicher, dass es sich hierbei um den schwafelfreudigen Faramud handeln musste, der mich schon in den Brabaker Dschungel auf dem Pfad des Visar hatte begleiten dürfen. Ja. unverkennbar. Der Wort- und Redeschwall der sich sogleich ergoss war blumig, akkzentgeschwängert und quasi nicht aufzuhalten. Unser Wortwechsel lies mich etwas ratlos zurück. Die Nivesin, sie hieß wohl Saari und der Wolf Waala, wurde von Faramud als Weise aus dem Norden vorgestellt. So weiße eine Wilde eben sein konnte, zudem sah sie noch nicht besonders alt aus und hatte auch sonst eigentlich nichts Besonderes ans ich. Während also Faramud vor sich hin schwadronierte und in Rätseln sprach, meinte die Nivesin, ich sei der richtige und würde sie beide wohl bald begleiten. Warum auch immer ich das tun sollte! Aber es fehlte noch jemand. Die dritte Person die sich zu uns gesellte war da schon eine andere Sache. Eine sehr ansehnliche junge Dame, ich hätte geschätzt etwa in meinem Alter oder ein paar Jahre älter, angetan in hautenge Lederkleidung nach dem neuesten Schnitt der Vinsalter Mode, die ihre Vorder- und Rückwärtigen Argumente hervorragend zur Geltung brachten. Wäre ich nicht in Gedanken immer wieder bei Visaria, ich hätte es mir durchaus erlaubt einen zweiten Blick zu riskieren. Ganz im Gegenzug zu Hagar, der oben auf der Balustrade lehnte und gerade so verhindern konnte, dass ihm die Augäpfel aus den Höhlen fielen und der Speichel aufs Geländer tropfte. Arme Azina, ich fürchte, da hatte sie sich einen nicht allzu zuverlässige Avesejünger eingehandelt. Aber die Gute kam ja normal alleine zurecht… Die Dame also stellte sich als Esquiria Aureliane de la Sandoval vor, was ich mit einem dezenten und formvollendeten Handkuss quittierte, während ich mich ebenfalls vorstellte.

Die Gesellschaft wurde also illustrer. Während die Nivesin Sari und Faramud noch einmal zum Tor gingen, geleitet von einem Diener Fabrizios der verhindern sollte das sie gleich wieder der Stadt verwiesen würden, um kundzutun dass sie doch in Bethana zu bleiben gedachten, wollte Hagar schnellstens fortziehen. Er hatte anscheinend mitbekommen, dass eine Zeforika zu Gast sein würde und fürchtete wohl, man könne ihm irgendwelche vergangenen Missetaten noch anlasten. Schade für Azina, aber sei es drum, die beiden hatten die letzten Monde ja genug Zeit zusammen gehabt. Als ich hörte das er plante nach Andergast zu reisen jubelte ich innerlich. Sogleich bat ich ihn, mir doch von dort einige Dinge mitzubringen, die sonst im Süden schwer aufzutreiben waren. Als da wären: Jorugawurzeln, Steineichenharz, Wolfsblut (die Nivesin hatte auf eine entsprechende Anfrage vorhin recht verschnupft reagiert) sowie Schildkrötenpanzer, falls er denn welche auf seinem Weg die Küste hinauf fände. Mal sehen, was er mir irgendwann mitbringen würde. Damit hätte ich aber schon einmal die wesentlichen Elemente für ein Elixier der Unverwundbarkeit zusammen, dass ich schon immer einmal brauen wollte, aber bisher ob der im Süden schlecht verfügbaren Zutaten daran gescheitert war. Alternative Rezepturen mit geeigneten Substituten gab es zwar, machten aber deren Beschaffung ebenfalls nur bedingt einfacher.

Zum Abendessen, Azina war mittlerweile auch wieder da und die Nivesin orakelte irgendetwas, wir wären jetzt vollzählig, machten wir uns fein. Nur Azina übertrieb es wieder und tauchte gleich im Ballkleid auf – aber ohne Diadem, wie sie nicht Müde wurde zu betonen. Auf dem Weg zum Speisezimmer warf ich einen Blick durch das Fenster. Ich hatte ja gehofft die Dame Zeforika dort bereits sitzen zu sehen. Und dann mit einem entsprechenden Auftritt erst einmal ordentlich Eindruck auf sie zu machen, denn der erste Eindruck ist ja bekanntlich der, der zählt. Leider war sie noch nicht anwesend und verspätet kommen wollte ich auch nicht, daher setzte ich mich an den Tisch. Die Dame Zeforika kannte diese Regel wohl auch, den etwas später traf sie selbst als letzte ein und legte den Auftritt hin, den ich mir zugedacht hatte. Dabei war sie anders als ich es erwartet hatte. Lebensfroh, extrovertiert, überschwänglich, gerade mal irgendwo so zwischen Mitte 20 und 30 Götterläufen alt und dabei durchaus auch sehr gutaussehend. Ich erfuhr im Laufe des Abends ein wenig über sie, da sie auch nicht hinter dem Berg hielt mit ihren persönlichen Dingen. Sie sei die Lotteriefee von Chorop, wollte aber vielmehr etwas von der Welt sehen und etwas Bedeutendes erreichen. Zum Beispiel den Schatz ihres Vorfahren Daeron finden um es ihrer Familie zu zeigen. Nicht wegen dem Geld, davon hätte sie ja eh genug, aber um zu beweisen das sie konnte, was ganze Generationen ihrer Familie vorher nicht erreicht hatten.

Die Geschichte die sie dabei präsentierte war zwar etwas abenteuerlich, aber grundsätzlich zweifelte ich an ihren Aussagen noch nicht. Vor 350 Jahren wäre ihr Vorfahr Daeron Zeforika der reichste Mann Aventuriens gewesen, er hatte den Beinamen „Der Goldscheffler“ bekommen. Aber er hätte alles andere jedem anderen geneidet und sich ein riesiges Mausoleum für sich (und seine Schätze?) bauen lassen. Die Beschreibung war noch etwas ausführlicher, aber ich musste umgehend an einen von Tasfarelel verfluchten denken und sprach dies auch laut aus. Um dessen Lage also geheim zu halten seien alle Arbeiter vergiftet worden. Nun, so ungewöhnlich fand ich das jetzt nicht, in Al’Anfa soll so ein vorgehen durchaus auch schon vorgekommen sein. Er selbst starb in Brabak später an einer Seuche und nur seine Leibdienerin, ein Weib namens Rachjaris Dominga wusste wo das Grab war. Da sie aber selbst gierig war hasste sie den alten Mann insgeheim, hatte ihm vielleicht den Plan sogar eingeflüstert. 6 Schlösser und Schlüssel gäbe es, an verschiedenen Orten verschollen, weil diese Schlüssel in den Möbeln des Zeforika versteckt waren, die nach seinem Tot in aller Herren Lande verkauft worden waren. Die Dienerin starb bald selbst an Sumpffieber und offenbarte nur das Geheimnis des ersten Schlüssels, der Rest war verloren. Die Familie hatte wohl Jahrhunderte gesucht und daraus hatte sich eine Art Familienlegende entwickelt, bis vor kurzem ein mit Melissa die Zeforika befreundeter Avesdiener und Pflanzensucher ein Tal mit einem Portal und 6 Schlössern gefunden hatte, von dem er ihr berichtete und so ihr Jagdfieber entfachte. Sie selbst hatte nun die Spur aufgenommen und die vermeintlichen Landstriche anhand einer alten Versteigerungsliste identifiziert, in welche die Möbel verkauft worden waren. Von ihrem Onkel in Brabak, der das gar nicht lustig fand, hatte sie daraufhin den 1. Schlüssel entwendet und nun gedachte sie uns die Rolle als ihre Begleiter zu um den Schatz zu bergen.

Aus Faramud und der Nivesin Saari platzte es schnell heraus, dass sie dabei sein würden. Quasi eine Vorsehung oder so etwas, und aus dem Schatz jeweils nur ganz bestimmte Objekte haben wollten. Und ich hatte ja meine eigenen Gründe, mich der Suche anzuschließen, konnte dies aber natürlich nicht sogleich zeigen, deswegen zierte ich mich und disputierte. Der versprochene Lohn, ein Anteil am Schatz, würde wohl königlich ausfallen, was normal allein ja schon gereicht hätte mich zu überzeugen. Geldsorgen hatte ich ja – Phex sei mein Zeuge – stets genug. Aber auf meinen Einwand „Und ich erhalte die erste Wahl auf ein Objekt aus dem Hort“ konterten sowohl Saari als auch Faramud umgehend, das ginge überhaupt nicht an. Ich meine, wie wahrscheinlich war es, dass wir in einem solch riesigen Hort genau dasselbe Objekt begehren würden? Aber Phex war ein Eichhörnchen… ich musste auf Nummer sichergehen. Ich konzentrierte mich und verwickelte Faramud in ein Gespräch, um seinen Geist zu lenken. Noch während ich die beiden damit aufzog das Saari ihre vergoldeten Knochen ruhig haben konnte und für ihn der prunkvolle Säbel den er sich sicher wünschte auch drin sein würde, fokussierte ich mich auf den Novadi und sprach den „Blick in die Gedanken“, eine potente und unglaublich kraftaufwändige Formel, aber ungemein nützlich. Man mag sich meine Überraschung vorstellen, als ich in seinem Geist die Erinnerung an die Sternenkarte von Vas’Ra sah. Dem Burschen ging es überhaupt nicht um Gold oder irgendwelche Objekte, er trachtete nach den Geheimnissen der Navigatoren des alten Volkes! Damit hatte wohl niemand rechnen können. Vor erstaunen platzte es aus mir heraus: „Die Sternenkarte, wirklich mein Freund? Nun, da kann ich Euch bei Hesinde versprechen, die soll euch gehören“. Sein erstaunter Blick wurde rasch zornig, „Woher wisst ihr das?“ war seine lauernde Erwiderung. Hätte ich doch nur meine Zunge in Zaum gehalten. Manchmal war ich einfach zu impulsiv. So erwiderte ich nur „Ihr vergesst, ich bin Magier, es ist meine Aufgabe solche Dinge zu wissen,“ und ärgerte mich insgeheim über mich selbst. Aber zumindest schienen wir uns dann alle einig, dass wir wohl auf die Suche gehen würden.

Im Anschluss wechselten wir in den Salon des Hauses, um uns noch in entspannter Atmosphäre ein wenig näher kennen zu lernen und weiteres zu besprechen. Jetzt wurde mir auch klar, wie Fabrizzio in das Gesamtbild passte. Die Dame Zeforika hatte ihm für seine Unterstützung und Hilfe, auf die eigene Familie schien sie nicht besonders bauen zu können, ebenfalls einen Teil des Ertrags versprochen. Das vervollständigte dann den Rahmen, der sich langsam um die Situation spannte etwas. Darüber hinaus ließ die Dame Zeforika verlauten, dass wir uns gen Firun, genauer gesagt nach Albernia begeben würden. Während also Azina sich eine üppige Wasserpfeife gönnte, erörterten wir nun anhand einiger Karten die Fabrizzio besorgt hatte, den zunehmenden Weg. Albernia war ja, wie bekannt ist, in diesen Tagen des Rondra 1029 BF leider auch noch ein Kriegsgebiet, was das Reisen dort ungemein gefährlicher machen würde. Unser Ziel, so exakt war der Standort dann doch nicht bekannt, sondern nur ungefähr, lag wohl irgendwo in der Grafschaft Bredenhag. Und der sich ständig ändernde Frontverlauf ging dort irgendwo entlang. Unerfreulich, dass muss ich sagen. Dazu kam, dass es sich auch von der Strecke her nicht um eine Reise handelte, die man mal ebenso nebenbei tat. Da würde man schon einige Tage, ja Wochen für benötigen, insbesondere, wenn man den streitenden Truppen aus dem Weg gehen wollte. Das war dann am Ende auch der Grund warum wir uns dafür entschieden, die erste Hälfte des Weges mit dem Schiff bis zu einem Ort namens Arvun fahren zu wollen. Es wäre einfach schneller und leichter. Von dort aus würden wir dann aber quer durchs Albernische, ich glaube die Gegenden heißen Muhrsape und Abagund oder so, Richtung Firun ziehen. Und was galt es zu finden? Wir spekulierten ja schon, dass die veräußerten Möbelstücke vielleicht irgendwann als Brennholz im albernischen Winter hatten herhalten müssen. Aber nein, in diesem Falle wohl eher nicht, denn wir würden nach einer Schmuckschatulle suchen. Die wäre wohl dann eher ein Fall für Räuber als den Raub der Flammen gewesen.

Zwischen Azina, Fabrizzio und Sari entspann sich dann noch ein lebhafter Diskurs, ob man Vito mitnehmen solle, in die ich mich nicht einmischte. Offensichtlich tat Sari der dicke Hund leid, Azina wusste nicht so recht, wollte ihn aber wie früher als Packtier an ihrer Seite wissen und Fabrizzio schien sich nur schwer von dem Hofhund trennen zu können, mit dem sein kleiner schon eine so innige Freundschaft geschlossen hatte. Aber am Ende durfte das pummelige Tier dann doch mitfahren.

Als sich die Gesellschaft auflöste nahm ich mir noch Fabrizzio unter vier Augen zur Seite um ihm eine Warnung zukommen zu lassen. Ich rechnete es ihm und Esmeralda hoch an, sich erneut um Nandurin kümmern zu wollen, aber die Fairness gebot es mir, ihm auch zu sagen was passieren könnte. Er schluckte sichtlich, als ich ihm schildete wie Dinge unter Nandurins Fingerchen zu Staub zerfallen konnten oder Kraft seiner Gedanken durch die Luft geschleudert wurden. Man müsste ja nur vermeiden, seinen Zorn zu erregen und Menschen hatte er so auch noch nie geschadet. Aber wenn ich nicht da wäre um aufzupassen sollte Fabrizzio zumindest Bescheid wissen. Wobei wir uns einig waren, dass wir Esmeralda damit nicht würden beunruhigen wollte.

Zuguterletzt machte ich noch einen letzten Gang vor dem Zubettgehen. Ich begab mich leise ins Spielzimmer, holte mir ein Stück Malkreide um dann ins Schlafzimmer der Kinder zu wechseln. Wie friedlich die beiden Jungen gemeinsam in der Wiege schlummerten, es war einfach eine Freude, die beiden so zu sehen. Bedacht darauf möglichst wenig Geräusche zu verursachen zog ich um das Bettchen die kürzlich erlernten Schutzkreise. Mit dem ersten Versuch war ich im Halbdunkel des Zimmers nicht zufrieden, zu verwaschen, zu undeutlich hatte ich gezeichnet. Also wischte ich seufzend die Kreide hinfort und machte mich erneut ans Werk, dass mir dann auch deutlich zufriedenstellender gelang. Es war nur zur Sicherheit, solange Nandurin nicht im Tempel war. Ich wollte da jetzt einfach kein Risiko eingehen. Zufrieden legte ich mich in meinem Zimmer zur Ruhe.

Am Morgen erwachte ich früh, weil im Hof Lärm ertönte. Verschlafen wankte ich, die Robe schnell übergeworfen, hinaus auf die Balustrade. Im Innenhof bot sich mir ein seltsamer Anblick. Der fette Hund Vito ging, warum auch immer, gerade auf Sari los, die geschickt wie eine Katze den Ansturm des Köters in leere laufen ließ. Azina pfiff unweit von mir aufgeregt vom Balkon herunter nach dem Hund, der dies aber in seiner Rage völlig ignorierte. Da keine Reaktion erfolgte sprang sie daraufhin die 3 Schritt in die Tiefe um sich ihres Hundes persönlich anzunehmen, der sich Sari drohend und knurrend mit gefletschten Zähnen erneut näherte. Auch der Wolf Wala neben Sari sträubte jetzt das Nackenfell, ging aber noch nicht seinerseits zum Angriff über.  Vito wollte gerade erneut angreifen, als Azina ihn zu packen bekam. Sie zerrte und riss an dem Tier, bis es auf dem Rücken lag und schaffte es tatsächlich, die fette Töle am Boden zu halten. Als Vito dann in seiner offensichtlichen Enttäuschung nach ihr schnappte passierte etwas, dass ich so noch nie gesehen hatte. Ich glaube, ein normaler Mensch würde überhaupt nicht auf einen solchen Gedanken kommen! Aber Azina beugte sich vor und biss dem aufheulenden Hund ins Ohr! Ich malte mir den Geschmack von Hundehaaren auf der Zunge aus und erschauderte. Pfui Spinne! Um die Absurdität dieses Moments zu vervollständigen, anders kann ich es nicht ausdrücken, kamen Sari und Wala jetzt dazu und begannen am Bauch des Hundes herumzuschnüffeln. Ich schüttelte den Kopf und wand mich von dieser völlig verquerten Szenerie ab. Wenige Schritte trugen mich ins Schlafzimmer der Kinder, wo ich noch schnell die Schutzkreise fortwischte. Nicht das irgendeine Amme in ihrem Unverständnis gleich Zeter und Mordio schreien würde ob der Schutzzeichen, die ihr begrenzter Geist nicht erfassen konnte.

Das darauffolgende Frühstück im kleinen Kreise war gewohnt gut und verlief in entspannter Runde. Die berechtige Frage nach dem weiteren Reiseverlauf nach dem Ausflug ins Albernische mussten wir aber offenlassen. Die nächsten Schlüssel, so die Dame Zeforika, befänden sich wohl in Nostria und im Bornland. Letzteres fiel ja allein schon wegen der Distanz aus. Aber Nostria wäre ja vom nördlichen Albernia gar nicht so weit weg. Je nachdem wie viel uns die erste Suche an Zeit kosten würde könnten wir ja durchaus direkt weiterziehen. Aber das würden wir erst zu gegebener Zeit entscheiden. Wir hatten gerade die letzten Brotkrümel von den Tellern gegessen, da fand sich auch schon der durch die Dame Zeforika bestellte Phexgeweihte ein, der unserer Vereinbarung seinen Segen geben sollte. Ich kenne mich mit diesen Dingen nicht so genau aus, sie nannten es wohl einen Handelssegen, mit dem wir darauf verpflichtet werden sollten unseren Teil der Abmachung einzuhalten. Wobei der Kreis derer, die bereit waren vor den Zwölfen zu schwören recht überschaubar war. Um genau zu sein waren es Melissa selbst, Fabrizzio natürlich sowie die Esquiria Sandoval und ich selbst. Der Rest musste einfach so versprechen keinen Verrat zu begehen, Loyal zu sei und Zuverlässig den Weg bis zum Ende zu beschreiten im Gegenzug für das versprochene Drittel des Schatzes und einiger besonderer Stücke, die aber keine der persönlichen Familiengegenstände der Zeforikas sein dürften. Azina hatte mit dem Versprechen dabei wenig Probleme, da sie meinte, sie würde einfach mir folgen. Und Sari wiederum äußerte, es sei ja eher umgekehrt und sie würde Melissa als Erfüllungsgehilfin bei ihrer eigenen Aufgabe betrachten und Faramud würde ihr dabei folgen. So waren am Ende alle mit der Situation weitestgehend zufrieden, aber offensichtlich hatte auch jeder irgendwo noch ein eigenes Ziel. Der Geweihte hatte sich kaum ein stattliches Handgeld auszahlen lassen, da kam der ausgeschickte Diener schon mit der Nachricht, dass übermorgen zur 10. Stunde ein Schiff auf uns warten würde, mit dem wir nach Arvun fahren könnten.

Ich hätte mir Lektüre mitnehmen sollen. Die Gesellschaft begann sich nach dem Frühstück zu zerstreuen und auch Fabrizzio musste wieder seinen Geschäften nachgehen. Esmeralda hatte die Jungs in ihrer Obhut und ich wusste noch gar nicht so recht, was ich nun mit mir anfangen sollte, als die freundliche Hesindegeweihte den Hof des Hauses betrat. Da es nur einen Grund geben konnte, warum sie ausgerechnet hier auftauchte, trat ich ihr schuldbewusst gegenüber. „Euer Gnaden, vergebt, ich hatte vergessen euch Nachricht zu senden, dass Nandurin die Nacht hier und nicht im Tempel verbringen würde.“ Aber sie lächelte und verneinte, dass es darum ginge. Vielmehr verstünde sie nun vielleicht meine Bitten, sie hätte sich ein wenig umgehört, und sähe insbesondere in meiner ersten Anfrage eine gewisse Dringlichkeit. Ob ich ihr wohl mit Nandurin zum Tempel folgen wollte? Natürlich willigte ich umgehend ein und folgte ihr, den Knaben auf dem Arm, zum Haus der Schlange. Dort erwartete uns bereits eine zweite Geweihte die auf einem Altarstein und darum herum einige Vorbereitungen getroffen hatte. Mir wurde geheißen, ich solle Nandurin auf den Stein legen und mich dann Still in die Ecke setzen, dürfte aber gerne bei dem nun Folgenden dabei sein. Die beiden Priesterinnen stimmten einen sanften Gesang an, verbrannten Räucherwerk betrachteten Nandurin, der ruhig und friedlich auf dem Stein lag und anscheinend kein Unbehagen verspürte, intensiv. Was sie genau taten entzog sich natürlich meiner Kenntnis, aber ich ging davon aus, dass sie die von mir gewünschte Seelenprüfung vollzogen. Als sie endeten war die Geweihte sichtlich erschöpft, konnte mich aber beruhigen. Es sei kein Schatten auf Nandurins Seele zu sehen. Ich war mehr als beruhigt. Leider, und das war wohl die hesindianische Neugier, fragte mich die Geweihte nun doch nach dem Warum. Es war mir unangenehm, dies mir jemandem Teilen zu müssen, aber eine Priesterin und gerade diese wollte ich nun tatsächlich nicht anlügen. So erzählte ich ihr, dass Nandurin, obwohl seine Seele ja eigentlich vor den Einflüsterungen der Dämonen geschützt sein sollte, während der Namenlosen Tage von einer Besessenheit heimgesucht worden war. Sie schaute mich zweifelnd an und meinte dann, in sehr seltenen Fällen könne der Schutz des Geburtssegens während der Namenlosen Tage wohl geschwächt sein. Die Intensität steige dabei mit dem Bemühen des Feindes. Und auch wenn ihr solche Fälle nur theoretisch bekannt seien, müsse damit wohl ein vor dem Segen liegendes einschneidendes Ereignis verknüpft sein. Ich schluckte, verkniff mir aber jede Ausführung zu diesem Thema. Aber, und das war die Gut Nachricht, während des restlichen Jahres hätten wir wohl nichts zu befürchten. Zumindest etwas. Die Erlaubnis, Nandurin während seines Aufenthalts im Tempel als Studienobjekt heranziehen zu dürfen und das Ritual dabei in regelmäßigen Abständen zu wiederholen erteilte ich ihr aber nur zu gerne. Bis zur Abreise würde er aber dann doch noch bei mir bleiben.

Als ich derlei aufgeklärt im Anschluss mit Nandurin im Arm zurück zu Fabrizzios Anwesen kam saß dort die Dame Zeforika bereits mit einem Glaß Wein im Schatten der Veranda. Ich holte mir ihre Erlaubnis ein mich zu ihr zu setzen. Diese ruhige Stunde mochte ich auch nutzen, um etwas mehr über unsere Auftraggeberin zu erfahren. Als erstes, und da war ich besonders neugierig, wollte ich von ihr erfahren wie alt sie eigentlich wäre. Ich hatte sie etwas falsch eingeschätzt, gerade einmal 21 Sommer hatte die junge Dame gesehen und war damit sogar noch etwas jünger als ich selbst. Das sie Lotteriefee, ich lies mir das Konzept erst einmal erklären, von Chorop war und dort zur großen Lotterie und den verschiedenen kleineren Veranstaltungen dazwischen quasi das ewig lächelnde Vorzeigepüppchen geben durfte, wurde ihr auf die Dauer zu langweilig. Daher unternahm sie zwischen ihren Einsätzen immer wieder Ausfluchten, um dem belanglosen Treiben zu entfliehen. Aber, so meinte sie, ich könne sie ja gerne einmal in Chorop besuchen, das läge ja eh auf dem Weg hinunter nach Brabak und Al’Anfa, wenn ich einmal die Heimreise antreten würde.  Da mich schon immer eine gewisse Neugier auf das unbekannte getrieben hatte, würde ich dieses Angebot sicherlich in der Zukunft einmal annehmen. Was ich mir aber nicht verkneifen konnte war, der jungen Dame ein wenig genauer auf den Zahn zu fühlen – magisch, versteht sich. Wofür lernte man denn so etwas in der Ausbildung, gerade in Al’Anfa, wenn man es nicht anzuwenden wusste? So konzentrierte ich mich während unseres Gesprächs, blickte sie interessiert an und wob den „Blick aufs Wesen“, der mir enthüllen sollte, was sie vermochte und ob ich ihr trauen konnte. Das würde mir genügen, war aber deutlich weniger indiskret und invasiv, als ich es bei Faramud für nötig empfunden hatte. Das offensichtliche schien sich zuerst einmal zu bestätigen. Der Eindruck der sich mir vermittelte war der einer nassforschen, gewinnenden, freundlichen, aber auch ehrlichen jungen Frau. Wobei das ehrliche Wesen das sie ausstrahlte extrem zu meiner Beruhigung beitrug. Darüber hinaus schien sie – angesichts ihrer „Arbeit“ aber auch ihres Aussehens wenig verwundernd – ein recht ausgeprägtes Talent dafür zu haben Menschen für sich in betörender Art und Weise einzunehmen und ein großes Maß an Fingerfertigkeit aufzuweisen. Eine Kombination, die mich sonst umgehend in neugierige Wallung versetzt hätte bei so einer anziehenden jungen Frau. Wer weiß, was sie da alles anstellen mochte… aber eine leise Stimme in meinem Kopf gemahnte mich an Visaria, die hoffentlich zuhause meiner harrte. Und falls nicht… ich ließ den Gedanken lieber unvollendet.

Irgendwann später, wir waren schon zwei Gläser feinsten roten Weines weiter, gesellte sich Azina zu uns, die gerade von einem Einkaufsausflug auf den Markt zurückkehrte. Das Gespräch driftete ab, und irgendwann fragte sie mich, ob ich in der Lage sei ein schützendes Artefakt herzustellen. Zerknirscht musste ich zugeben, dass ich dies in der Theorie wohl bewerkstelligen konnte. Allein, die praktische Erfahrung mit dem Armatrutz-Cantus würde ich wohl noch ein wenig ausbauen müssen, bis ich ihn soweit sicher beherrschte, das ich ihn auch würde in ein Objekt binden können. Aber, und das wäre deutlich leichter und schneller zu bewerkstelligen, ich könnte ihr ja einen Trank mischen, der durchaus die gleiche Wirkung haben würde, so ich denn nur die Zutaten dafür hätte. Das machte sie hellhörig und wir ergingen uns darin, was in so einen Trank alles hineinmüsste. Als die Sprache dann aufs Wolfsblut kam, immerhin ein Schank pro Trank, und ich flapsigerweise Wölfe als „Dinger“ bezeichnete und mir nichts Böses dabei dachte, mischte sich Melissa ein. Wölfe seien doch grazile Lebewesen, hätten auch ihre Berechtigung und seien wohl mitnichten Dinge. Ich war überrascht aus ihrem Mund einen dermaßen tsaistischen Ansatz zu vernehmen! Das widersprach meiner pragmatischen Weltsicht. Alles, was nun einmal in einen Trank (oder im Zweifel auch für eine Beschwörung oder ähnliches) gebraucht wurde, war nun einmal genau dafür da. Bei einem Braten fragte man ja auch nicht, ob das Schwein damit einverstanden gewesen wäre geschlachtet zu werden… aber hier schieden sich, wie wir schnell feststellten, unsere Geister.

Als die Abfahrt vom Hafen Bethanas mit einem einfachen Handelssegler gekommen war gab ich Nandurin wieder im Tempel ab. Aber Esmeralda hatte mir ja versichert, so oft sie konnte nach ihm zu sehen – und sie hatte ja sonst wenig zu tun. Insofern machte ich mir keine Sorgen, sondern konnte guten Gewissens die Reise antreten. Man hatte uns zwei Kajüten am Oberdeck zugewiesen. Ich teilte mir eine mit Azina und Melissa, der Rest durfte die andere Beziehen. Bei gutem Wind fuhren wir los und machten ordentlich fahrt. Leider dauerte es nicht lange, um genau zu sein bis zum Nachmittag und Abend, und der stramme Wind wuchs sich zu einem ordentlichen Sturm aus. Der Kapitän trieb uns in die Kajüten, damit wir seinen Leuten nicht im Weg stehen würden. Und selbst Sari, die vorher lieber auf einer Taurolle gehockt war, begab sich etwas grün im Gesicht und mit einem Eimer ausgestattet unter Deck. Melissa erging es nicht so gut, sie kämpfte wohl damit ihr Essen an sich zu halten und sich keine Blöße zu geben. Azina war als Schiffsmedica natürlich einiges gewohnt und hatte sich ein beruhigendes Pfeifchen angezündet, weswegen sie den Sturm mit stoischer Gelassenheit vorbeiziehen lies. Mir selber war zwar etwas flau, aber ich hatte ja schon genug Seereisen hinter mir. Am Morgen legte sich der Wind etwas und wir konnten die Segel wieder hissen. Zwei Zwischenstopps später, die wir in Dörfern entlang der Küste einlegten, waren wir wenige Tage später schon in Arvun.

Die Dame Zeforika war, im Gegensatz zu mir, das erste Mal in Albernia. Das Gasthaus, das wir zuerst aufsuchten, war gut besucht für so ein Kaff. Sicherlich 15 Männer und Frauen füllten den Schankraum die uns gegenüber sehr reserviert waren. Das albernische Landvolk ist eben nicht so weltoffen, wie man es aus anderen Gegenden kennt. Selbst Azina mit ihrer lebensfrohen Art und dem Versuch sofort wie ein geschwätziges Waschweib mit den Leuten Klatsch und Tratsch auszutauschen prallte an diesem Panzer aus Zurückhaltung ab wie ein Schleuderstein an einer Gestechrüstung. Die Stimmung war, augenscheinlich auf Grund des Krieges der das Landesinnere überzog, recht gedrückt. Wir ließen uns vom Wirt aufklären, das die sogenannten Loyalisten, die es also mit der Königin von Albernia, einer Frau Namens Inver ni Bennain, hielten, gegen die Isoristen fochten, die einer Dame namens Isora von Elenvina folgten. Das war für mich allerdings wenig von Belang, hielt ich es doch weder mit der einen oder anderen. Aber bei den falschen Leuten die falsche Frau hochleben zu lassen, das sollte man wohl tunlichst vermeiden. So ähnlich, wie man in einem Praiostempel nicht „Heil Asfaloth“ rufen sollte. Das wäre ja dämlich. Aber naja… Als der Wirt erfuhr, dass wir nach Bredenhag wollten warnte er uns, dass dort wohl wirklich Kampfgebiet sei. Und vor dem Farindelwald – ich stöhnte sofort auf, hatte ich doch schon meine Erfahrung mit Feenwesen machen müssen – sollten wir uns auch hüten. Der schnellste Weg, es gab da mehrere, führte über ein Dorf namens Hanufer. Als er uns einen Fischtopf kredenzte wurden wir eindringlich darauf hingewiesen, dass das Land wegen des Krieges Not litt. Packtiere waren kaum zu bekommen da von der Armee requiriert, Essen im Hinterland, dass von der Küste aus versorgt wurde, rar und teuer. Insbesondere, da eine Überflutung, hier wurde ein Wesen Namens Flußvater, so eine Art Regionalgottheit, ins Feld geführt, weite Teile der Ernte vernichtet hätte. Und da Not herrschte, würde man auch gern einmal Hunde, dabei blickte er auf Vito und Wala, in den Topf werfen. Deren Fleisch würde besonders zart, wenn man sie vor dem Tod mit glühenden Eisen in Stress versetzte… Die Not musste wirklich schlimm sein, wenn man darüber Nachsann, einen Hund essen zu wollen!

Die Nacht verlief ruhig, die Zimmer hatten wir wie die Kajüten auf dem Schiffe aufgeteilt. Als wir am nächsten Morgen aufbrachen, nicht ohne uns mit Nahrung für die nächsten Tage einzudecken, war kein Esel oder ein ähnliches Hilfsmittel zum Tragen der Lasten aufzutreiben. Ganz, wie es der emsige Wirt gesagt hatte. Aber nun ja, ich selbst hatte ja eh nicht allzu viel Gepäck zu tragen und Azina bürdete ihrem Hund das meiste auf. Saris Bündel waren sehr überschaubar, Faramud trug wohl am schwersten an seinem ganzen Eisen unter den weiten Gewändern. Nur die Dame Sandoval schleppte sich einen Wolf, weil sie ein übergroßes, armbrustähnliches Geschütz mit sich herumtrug – zusätzlich zu kleineren Ausführungen desselben und anderer Dinge. Wir marschierten einen Pfad grob nordöstlich entlang, wobei die Landschaft von schlammigem Untergrund und Morast geprägt war. Insgesamt keine einladende Gegend! Im Süden, da war ich mir sicher, hätten wir uns in einer ähnlichen Umgebung vor Blutsaugern kaum retten können. Hier im Norden war das Problem wohl deutlich weniger ausgeprägt. Es geschah dieser Tage auch nicht viel. Wie passierten das Dorf Rehtelfeld, ein Weiler kaum der Erwähnung wert, und mussten uns am Abend Entscheiden wo wir nächtigen wollten. An Ort und Stelle war weit und breit nichts zu sehen außer einem großen Wald, an dem der Weg entlangführte. Sari und Faramud wollten gleich hier Rast machen und hatten wohl auch einen passenden Fleck gefunden. Wir anderen hätten aber den Komfort einer festen Bleibe deutlich vorgezogen und sprachen uns fürs weitergehen aus. Wir waren ja schon ein gutes Stück unterwegs, soweit konnte es in einer zivilisierten Umgebung bis zum nächsten Dorf oder einer Hofstelle ja nicht sein! Zwei Stunden Fußmarsch später sahen wir ein, dass wir hier eine Fehleinschätzung getroffen hatten und unsere mangelnde Ortskenntnis sich rächte. Kein Dorf, kein Weiler, kein Bauernhof bot uns Obdach, als wir völlig übermüdet doch noch beschlossen, ein Lager aufzuschlagen. Azina, die sich ganz gut in der Natur auskannte wie mir schien, fand rasch ein passendes Fleckchen und stellte ihr Zelt auf, in dem wir abwechselnd schlafen konnten, während einer reihum Wache halten durfte. Das ging ja gut los… insgesamt reisten wir auf diese Art 3 Tage durch einen quasi leeren Landstrich, lediglich in Seefeld hatten wir einmal die Gelegenheit etwas Essen nachzukaufen. Die wenigen Leute denen wir begegneten waren zurückhaltend oder flohen gleich, wenn sie uns kommen sahen. Alles in allem eine in meinen Augen trostlose Gegend, um die ich keinen Krieg würde führen wollen. Da war der Aufwand ja größer als jeglicher Ertrag! Einen solchen Krieg würde wohl nur ein von Missgunst, Neid oder verquerter Ideologie Verblendeter führen, dem das Leben seiner Untergebenen egal war – leider gab es von dieser Art Führern immer wieder welche und zu viele.

Je näher wie Hanufer kamen, umso verwüsteter war das Land. Nicht vom Fluss, der natürlich allüberall seine nassen Spuren hinterlassen hatte – dieser Flußvater mochte mit seiner Überschwemmung wohl Heere getrennt und vom aufeinander einschlagen getrennt haben, aber das folgende Leid welches er damit über das Land brachte wog in meinen Augen ungleich schlimmer. Dann doch lieber gleich von einem Schwerte erschlagen, als an der anschließenden Hungersnot verreckt! Hier aber wurden die Narben des Krieges mehr und mehr deutlich. Es war augenscheinlich, dass wir uns dem Kriegsgebiet näherten. Und wie in jedem Krieg ging man auch hier wenig zimperlich vor, und wie in jedem Krieg traf es die am härtesten, die am wenigsten dafürkonnten. Unser Weg führte vorbei an geplünderten Höfen die das Elend der vernichteten Existenzen geradezu hinausschrien, hätte denn ein Hof schreien können. Gebrandschatzte Weiler, deren verkohlte Überreste anklagend in den Himmel ragten.  Ich habe ja bisher, die Zwölfe seien gelobt, noch an keinem Krieg teilgenommen oder teilnehmen müssen. Aber wenn dies das hässliche Antlitz des Krieges war, dann würde ich darauf aber auch guten Gewissens verzichten können. Mit den heroischen Schilderungen so manches Veteranen in den Kneipen über vergangene Heldentaten im Krieg hatte dieser Anblick zumindest nichts gemein. Auf der anderen Seite, und hier muss ich eine persönliche Schwäche gestehen, zeigte es sich, dass der Krieg mir auch ungeahnte Möglichkeiten eröffnete, die ich andernorts wohl so nicht gefunden hätte. Man frage mich jetzt nicht, wie der Weiler hieß, an dessen armseligen Überbleibseln wir da vorbeikamen. Es war ja niemand mehr übrig, den man danach hätte fragen können! Zumindest hin ein guter Teil der Bewohner aufgeknüpft in den kräftigen Ästen einer stattlichen Buche am Dorfrand – und dass, wie Azina bestätigte, wohl sicherlich schon 2-3 Wochen, wie der fortgeschrittene Grad der Verwesung bewies. Ein überaus unästhetischer Anblick, aber auch eine ungeahnte Chance! Während die übrigen aus unserer Reisegruppe angeekelt, gleichgültig oder schlicht auf Grund eines schwachen Nervenkostüms eilig weiterzogen verweilte ich mit Azina kurz an jenem Ort des Schreckens. Ich konnte es nur raten, aber hier mochten Nachts bestimmt und sicher einige zorn- oder trauererfüllte Spukgestalten umgehen. Für mich hingegen war diese Stätte des Hasses, des Mordes und des Verbrechens an den unschuldigen Menschen eine regelrechte Goldgrube! Oder habt ihr schon einmal versucht in einer Stadt oder nach einem Prozess als Schwarzmagus an das Seil eines gehenkten zu kommen? Entweder man verknüpfte die Bitte nach dem Henkersseil mit einer ordentlichen Bestechungssumme, oder man wurde gleich von vornherein fortgejagt oder gleich beim örtlichen Praioti gemeldet. Von Teilen des Leichnams will ich gar nicht sprechen, da verscherzt man es sich ja sofort mit den Boroni. Man muss ja zugeben zurecht, der Zweck war natürlich nicht ganz göttergefällig. Und einen geweihten Boronanger würde ich nie wagen zu schänden, dazu war mir meine Seele zu heilig. Aber hier. Hier lag der Fall ganz anders. Leichen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne einen Prozess oder rechtmäßige Verurteilung den Tod durch den Strang gefunden hatten. Keine Bestattung in geweihtem Boden! Da ging doch jedem Beschwörer (und bestimmt auch jedem Nekromanten) das Herz in der Brust auf vor Begeisterung! Konnte es einen leichteren und billigeren Weg geben an Paraphernalia zu gelangen als hier? Ich jubelte innerlich! Mit dem Dolch machte ich mich daran, ein halbes Dutzend Stücke aus den Stricken der erhängten zu schneiden, die dabei natürlich unsanft zu Boden fielen. Zum Teil zerfielen sie ja auf Grund der Verwesung schon von selbst, wenn man nur stark genug am Strick rüttelte! Der Gestank den sie dabei verbreiteten war aber bestialisch – der Tatzelwurm im Südmeer letztes Jahr hatte da auch nicht schlimmer gestunken. Als nächstes brach ich mir einige Äste vom Galgenbaum herunter. Diese beiden Komponenten waren geradezu ein Paradebeispiel für Gaben, mit denen man sich zum Beispiel einen Heshtod gewogen machen konnte – zumindest stand es so in den Lehrbüchern. Und für die Anrufung eines Nephaz wären einige der ungeweihten Gebeine hervorragend geeignet. Als ich mich daranmachen wollte, versagte mir allerdings der Magen. Der Zustand der Leichen war mehr als widerwärtig! Ich hatte noch nicht einmal das erste Schienbein von seinem ehemaligen Besitzer gelöst, da musste ich mich auch schon ins Gebüsch erbrechen. Azina, die mir freundlich wie immer assistierte, war da als Medica und Anatomin schon robuster. Ihr war es ein leichtes mit einem, wie sie erwähnte hochelfischen, Küchenmesser ein halbes Dutzend Schienbeine von den Leichen zu lösen, von Resten zu säubern und mir in ordentlichem Zustand zu übergeben. Solcherart ausgestattet eilten wir dann den Anderen hinterher. Ich bezweifle, dass unsere Tätigkeit der moralischen Kontrolle der Anderen stand gehalten hätte, aber sei es drum. Jetzt war ich sogar ganz froh, dass Junasia nicht da war. Die hätte mich sicher wieder in die Schranken gewiesen und an der Verrichtung meiner Arbeit gehindert. Es hatte eben alles seine Vor- und Nachteile…

Es war also an diesem 9. Rondra 1029 BF ein angenehmer, lauer Sommertag, als wir endlich den Großen Fluss erreichten. Vom Hügel herab sahen wir das blaue Band des Stroms, der sich mächtig von Rahja kommend gen Efferd wälzte und für diese Jahreszeit erstaunlich viel Wasser führte. Ich bin kein Experte, wenn es darum geht solche Dinge zu schätzen, aber der Strom mochte hier sicherlich 120 Schritt in der Breite messen. Vor dem Fluss auf unserer Seite lag ein kleiner Ort in dem reges Treiben herrschte und bei dem etwas außerhalb an einer Fährstation eine erkleckliche Anzahl an Karren, Reitern und Fußgängern darauf warteten übergesetzt zu werden.  Es hatte sich eine Schlange gebildet wie zu den besten Vorstellungen in der Arena daheim, nur dass man hier natürlich keine Unterhaltung erwarten durfte sondern lediglich eine dröge Flussfahrt. Erfreulich für uns war aber, dass ich in der ganzen Menge keine Kriegstruppe oder bewaffnete Haufen ausmachen konnte. Ein Reisender, der kurz anhielt und sich mit uns austauschte deutete auf die andere Seite des Flusses, wo man eine etwas größere Ortschaft erblicken konnte – Hanufer, wie er sagte. Dort sei wohl auch so eine Art Garnison, aber der Ort selbst wäre bisher vom Krieg verschont geblieben. Irgendetwas von einem Baron, der im Untergrund Widerstand leistete, die Stadt aber sei irgendwie kampflos an die Isoristen, die also die Gegend und das jenseitige Ufer hielten, übergegangen. Wie abergläubisch diese Albernier waren stellte sich bald darauf heraus, als seine Rede auf Feen kam und was man dagegen tun könne. Einen Nagel solle man in der Hose tragen und rote Fäden im Haar. Humbug! Als wenn sich ein anderweltiges Wesen von solcherlei Tand würde beeindrucken lassen! Aber bei Sari fielen seine Worte anscheinend auf fruchtbaren Boden. Das arme, leichtgläubige Ding. Aber gut, woher sollte eine wilde Nivesin aus dem Norden auch die fundierte wissenschaftliche Kenntnis haben, das solche Narretei allenfalls dazu dienen mochte, sich selbst eine trügerische Sicherheit vorzugaukeln? Nun ja. Unser Weg führte dann zumindest hinunter zu Fähre, wir reihten uns kurz in die Schlange ein, nur um bald festzustellen, dass es so langsam vorwärtsging, dass wir heute wohl eh nicht mehr übersetzen würden. Und da waren wir uns dann auch alle schnell einig, dass eine ruhige Nacht, ein gutes Essen und ein ordentliches Bett im örtlichen Gasthaus – es schimpfte sich der „Betrunkene Necker“ eindeutig vorzuziehen wäre. Daher gingen wir dann schnell weiter in den kleinen Ort, der den Namen Grenzau trug.

Das Dorf selber war malerisch gelegen, so nah am Fluss und in den fruchtbaren Auen hatte es eigentlich die besten Voraussetzungen für einen prosperierenden Aufstieg. Bedauerlicherweise waren auch hier die Spuren des Krieges, wenn auch nur subtil und für das aufmerksame Auge, nicht zu leugnen. Allenthalben sah der kritische Beobachter, wie ich ja einer bin, die beginnenden Zeichen des leichten Verfalls. Da blätterte die Farbe am Haus, fehlte hier und da mal eine Schindel am Dach, hing ein Fensterladen etwas schiefer als gewöhnlich. Der schleichende Beginn einer Entwicklung, wie sich die stete Vernachlässigung von erforderlichen Pflegearbeiten bemerkbar machte. Darüber hinaus sahen wir auf den Feldern vor dem Ort und auf der Straße nur wenige junge Burschen. Vielmehr war der Ort bevölkert von Frauen, Kindern und Älteren, die allenthalben auch Tätigkeiten Nachgingen, für die man normalerweise gesundes und kräftiges Mannsvolk bräuchte. Aber gut, woher sollten diese jungen und kräftigen Männer auch kommen, wenn sie gerade im Felde standen und sich gegenseitig sinnlos die Köpfe einschlugen? Auch an Viehpferchen kamen wir vorbei, die aber seltsam verwaist und leer wirkten. Die meisten Tiere hatte der gefräßige Heerwurm wohl schon verschlungen, aber das hatte man uns ja auch schon berichtet. Insgesamt bot der Ort keinen beneidenswerten Anblick, war aber auch nicht so schäbig, dass ich mich gescheut hätte hier zu nächtigen.

Das Gasthaus war, als wir es betraten, wohl zur Hälfte gefüllt. Hinter dem Tresen stand ein paar, das man exemplarisch so in jedem einfacheren Hause finden konnte. Der Wirt, ein grobschlächtiger aber gutmütig wirkender Klotz von Mann, hatte die rot leuchtende Nase des Gewohnheitstrinkers im Gesicht. Allem Anscheine nach war er sich selbst auch ein guter Kunde. Die Frau daneben war untersetzt und in etwa so breit wie ein Fuhrwerk, machte aber einen matronenhaften, ja geradezu mütterlichen Eindruck. Wenn man von der Leibesfülle auf die Qualität der Speisen schließen konnte, musste hier geradezu hervorragendes Essen serviert werden. Wir nahmen Platz, ließen uns zu Essen, es gab Wildschweinbraten und frisches Brot, sowie zu trinken bringen. Wobei der Wirt den von Azina bestellten Rotwein nur mit sichtlichem Widerwillen herausrückte, da er ihn offensichtlich bevorzugt für den eigenen Konsum heranzog, was sich auch aus dem gehässigen Kommentar seiner Frau herleiten lies. Aber nachdem wir unseren Krug hatten, genehmigte sich der Wirt auch selbst einen. Aureliane machte sich nach dem Essen daran, eine Unterhaltung mit der Wirtin zu führen, während Azina gleiches mit dem Wirt tat. Beide waren auch, dem Berufststande entsprechend, recht Auskunftsfreudig. So erfuhren wir, dass sich hier in der Gegend die Männer des ehemaligen Barons Corwin, „Wölfe“ genannt, eine Fehde mit den „Bluthunden“ der Besatzer lieferten. Darüber hinaus kontrollierten die Bluthunde wohl auch die Fähre, das andere Flussufer und Hanufer – wir wurden gewarnt uns vorzusehen, insbesondere wegen Sari, da sie mit ihrem Tier an der Seite ja quasi schon ein Affront gegen die Besatzer war. Wölfe waren hier wohl weder mit 2 noch mit 4 Beinen wohl gelitten. Aber Flussaufwärts in etwa 3 Stunden Entfernung gäbe es eine weitere kleine Fähre bei Giegenau, die uns genauso gut und sicher auch unbehelligt würde übersetzen können. Von dort aus könnten wir die Straße weiter nach Burg Niriansee nehmen, wenn wir nach Bredenhag wollten.

Eigentlich versprach der Nachmittag einen schönen Abend einzuleiten, aber es sollte dann doch anders kommen. Der Wirt hatte seinem Wein dann doch etwas mehr zugesprochen, wie man an seiner nachlassenden Artikulationsfähigkeit und den immer ungelenker werdenden Bewegungen entnehmen konnte. Ich war gerade abgelenkt, hatte ich doch selbst eine nicht uninteressante Unterhaltung mit der Dame Zeforika aufgenommen, als auf einmal Tumult im Gastraum ausbrach. Den Anlass hatte ich aber nicht mitbekommen. Der Wirt jedenfalls rief auf einmal etwas, dass sich anhörte wie „Hoch die Wölfe!“, zerrte einen Ochsenziemer hinter dem Tresen hervor und wankte bedrohlich auf 2 seiner Gäste zu, die er wüst als Verräter beschimpfte und des Hauses verwies. Offenbar ging es ihm nicht schnell genug, denn er zog dann auch dem einen von beiden den Ziemer mit kräftigen Hieben quer über die Visage, dass der so geschundene laut aufheulte und das Weite suchte. Es dauerte eine ganze Zeit, bis seine Frau den Betrunkenen wieder beruhigt und dann ins Bett bugsiert hatte. Aber geschickt war das vom Wirt nicht gewesen. Im besten Falle hatte er da gerade zwei zahlende Gäste verprellt. Im schlimmsten Falle, so es denn wirklich „Verräter“ waren, hatte er sich nun öffentlich als Sympathisant des ehemaligen Barons zu erkennen gegeben und den Besatzern damit einen hervorragenden Grund geboten, sein Eigentum zu requirieren. Ich war mir nicht sicher, ob dieses Haus bei unserer nächsten Durchreise nicht ein Schild „Unter neuer Leitung“ an der Tür haben würde. Aber das sollte nicht unser Problem sein.

Aureliane hatte sich mittlerweile zum Baden zurückgezogen. Die Dame legte augenscheinlich größte Wert auf Reinlichkeit und Äußerlichkeiten, was ich aber von einer Liebfelderin von Stande auch nicht anders erwartet hätte. Man kannte das ja. Der Pfau ist den meisten Teil des Tages damit beschäftigt, sein Gefieder zu pflegen. Es dauerte nur eine kurze Zeit, da hörte man einen Aufschrei aus dem Badezimmer und eine wutentbrannte Dame Sandoval beklagte sich, sie sei Opfer eines gemeinen Spanners geworden, dessen sie aber leider nicht habhaft werden konnte. Ich musterte ihre ansehnliche Gestalt und beglückwünschte innerlich den kecken Burschen – da hatte er wohl ein paar glückliche Augenblicke verlebt. Die Wirtin hatte sogar einen Verdacht, um wen es sich gehandelt haben könnte. Ein Kerl namens Tsael, der vielleicht sogar nur aus diesem Grunde das Gasthaus aufsuchte und hier seine Getränke zu sich nahm, um hübsche reisende Damen durch ein Loch in der Wand zu beobachten – aber die Zeiten wären hart und wer wolle ihm den solches verdenken und ähnlicher Ausflüchte mehr mussten wir uns dann anhören. Irgendwie driftete der Disput dann ab, und ich konnte wohl an einer Stelle mein Verständnis für den armen Tropf nicht ganz verhehlen, bekannte gar, dass ich selbst in meiner Jugend gern einmal den ein oder anderen Blick in die Baderäume unserer Akademie geworfen habe – deutlich subtiler natürlich als dieser Tsael, stand mir doch die hilfreiche Kenntnis des Penetritzel-Cantus zur Verfügung. Den Kommentar Saris, diesen hätte ich sicherlich mit Begeisterung erlernt als ich so etwa 13 oder 14 Götterläufe alt gewesen sein mochte, konnte ich dann noch nicht einmal in der Sache abstreiten, auch wenn mir ihr Tonfall missfiel. Das Ende vom Lied war dann, dass ich von den ungläubig staunenden, allen voran der Dame Zeforika, um eine Demonstratio meiner Kunst gebeten wurde. Ob ich denn durch die Tür am Ende des Gastraumes hindurchsehen könne? Natürlich! Jetzt war zum Glück der Penetritzel kein besonders kraftraubender Zauber, so dass ich mich bereit erklären konnte, mein Können unter Beweis zu stellen. Auf der anderen Seite war ich aber auch kein ausgewiesener Meister dieser Formel, hatten sich doch bis auf vereinzelte Gelegenheiten der Nutzung in der frühen Jugend wenig Möglichkeiten geboten, ihn über das Maße hinaus anzuwenden oder zu üben. Wozu auch? Ich empfand diesen Spruch mehr als heitere Spielerei denn als ernstzunehmendes Instrument – im Gegensatz zum Beispiel zu einer profunden Beschwörung. Auf jeden Fall begab ich mich zur Tür, fragte die Wirtin noch ob dahinter den Licht sei, denn nur dunkel zu erkennen wäre wohl etwas dürftig als Beweis, woraufhin sie eine Kerze in den Raum stellte und mich vor dem Öffnen der Tür hieß mich wegzudrehen. Als ob ich derlei Schummelei nötig gehabt hätte! Dann legte ich die Stirn an die Tür, wob die Matrix, lenkte ein wenig Kraft, mehr brauchte es auch nicht um durch die dünne Holzplatte zu dringen, von meinen Augen ausgehend als eine Art Kanal in die Materie vor mir und blickte nur Augenblicke später in die mehr schlecht als recht gefüllte Speisekammer des Gasthauses. Ausführlich beschrieb das enthaltene Inventar, die Speisen, Fässer und derlei mehr, aber man glaubte mir wohl auch so. Den Beweis jedenfalls, dass ich nicht gelogen hatte, habe ich mit Bravour erbracht. Erfreulich für mich war darüber hinaus noch, dass ich der Wirtin den Ochsenziemer, was nichts anderes war als der getrocknete Schweif eines Stiers, für 2 Silberstücke abhandeln konnte. Die einfache Frau verstand natürlich nicht, warum ich an diesem Ding so interessiert war. Aber für den kundigen war es augenscheinlich! Bei diesem Ziemer nun handelte es sich um ein Objekt, das wie eine Peitsche entweder der Bestrafung eines Schuldigen, vielleicht sogar eines Verleumders, gedient oder, im Falle des falschen Vorwurfs, der unrechtmäßigen Folter eines Unschuldigen. Egal aus welcher Sicht betrachtet, ein solches Instrument ist dem Hesthod eine Freude und leis sich in hervorragender Art und Weise als Donarium bei der Herbeirufung einsetzen. Ich frohlockte!

Den Abend ließen wir dann entspannt ausklingen, aber auch nicht zu lange werden. Wir wollten am nächsten Tage bei Sonnenaufgang aufstehen um baldmöglichst weiterziehen zu können. Unsere Unterkunft, ich hatte an diesem Tag ein Doppelzimmer mit Azina, war einfach, aber sauber. Dem Strohsack sah man an, das darauf schon vor mir Leute genächtigt hatten, aber störendes Krabbelgetier oder Dreck suchte ich vergebens, wie ich erfreut feststellen durfte, so dass einer erholsamen Nacht nichts im Wege stand. Das Frühstück fiel dafür dann recht einfach aus, was mich aber angesichts des bedauernswerten Füllstandes der Speisekammer auch nicht verwunderte. Haferbrei aus einem großen Topf – nun gut, das war zum einen die albernische, einfache Küche, zum anderen dem Versorgungsengpass geschuldet und konnte den Wirtsleuten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Als wir uns auf den Weg machten und das Dorf Richtung Giegenau verließen setzte gerade die erste Fähre vom gegenüberliegenden Ufer über. Darauf sahen wir 5 Reiter, wohl Soldaten oder Wachen, und zwei Gestalten zu Fuß, in der wir unschwer die gestern aus dem Gasthaus expedierten Personen erkannten. Da bahnte sich der erwartete Ärger an! Weswegen wir unseren Schritt beschleunigten. In diese Auseinandersetzung wollten wir uns nicht hineinziehen lassen. Azina meinte noch, die beiden hätten in unsere richtung gestikuliert, was mich dazu veranlasste eine kleine Sicherheitsmaßnahme vorzuschlagen. Hinter der nächsten Biegung könnten wir uns ja, rein vorsorglich, für eine kurze Zeit abseits des Weges verstecken. Sollten wir verfolgt werden, wären wir so zumindest ein wenig sicher. Und wenn nicht, hätten wir höchstens eine halbe Stunde verloren. Die Anderen waren mit dem Plan sofort einverstanden. Anscheinend hatte niemand von uns das Bedürfnis, sich mit der lokalen Obrigkeit anzulegen. Zumindest nicht ohne Not. Also schlugen wir uns in die Büsche und verschmolzen wie Waldgeister mit dem Grün der Umgebung. Zumindest hofften wir das.

Es dauerte eine ganze Zeit, und wir wollten gerade wieder aufbrechen, als wir Hufgetrappel auf dem Weg hörten. Zwei Reiter aus der Truppe folgten unserem Weg, passierten unsere Verstecke aber ohne Arg. Wir verweilten noch einige Minuten, bevor wir ihnen dann folgten. Mit den Pferden, so hofften wir, würden wir schon rechtzeitig merken, wenn sie uns wieder entgegenkämen. Leider irrte ich mich an dieser Stelle. Die Reiter waren wohl nur noch ein kurzes Stück dem Weg gefolgt und recht bald wieder umgedreht. Wir waren kaum auf der Straße und weitergegangen, da standen wir ihnen schon gegenüber. So sahen hier also die Isoristen aus. Wie nicht anders zu erwarten wurden wir gefragt wohin wir wollten und wer wir seien. Ich hätte dabei soweit auch noch nichts Verwerfliches gefunden, das war ja Routine, aber unser Problem war Sari. Zwischen ihr und den Reitern entspann sich umgehend ein recht unentspannter Wortwechsel der darin gipfelte, dass einer der Reiter ihr mit der blanken Hand auf die Schulter schlug, wohl um sie zurechtzuweisen. Dann bemerkte er auch noch den Wolf, was ihm wohl als Anzeichen genügte, dass wir irgendwie auf Seiten des Gegners stünden, und zog sein Schwert um Sari anzugreifen. Dumm. Anders kann ich es nicht nennen. Die mathematischen Fähigkeiten dieses Soldaten waren wohl nicht sonderlich ausgeprägt, oder er war vielleicht auch allgemein nicht die hellste Kerze im Leuchter. Wir mochten wohl wirklich nicht wie eine gefährliche Truppe aussehen. Aber zu zweit unsere ganze Gruppe anzugreifen wäre in meinen Augen allein schon wegen der zahlenmäßigen Unterlegenheit keine gute Idee. Aber das merkten die beiden Idioten in den nächsten Augenblicken selbst. Auf den der sein Schwert als erster gezogen hatte, schlug es von allen Seiten ein. Ich jagte ihm einen ordentlichen Fulminictus in den Leib, die Dame Sandoval verpasste ihm eine Kugel aus einem ihrer Armbrüstchen, Sari drosch mit dem Kampfstab drauf, Azina rammte ihm den Dolch ins Bein und selbst die Dame Zeforika hatte ihren Degen in der Hand und stach zu. Es dauerte keine halbe Minute, und er fiel vom Pferd, ohne auch nur einem von uns einen Schwerthieb verpasst zu haben. Sein Genosse wollte den Zossen wenden und in heilloser Flucht davonpreschen, aber das musste ich verhindern. Mit den übrigen Streitern wollte ich es dann doch nicht auch noch aufnehmen. Noch bevor sein Pferd Geschwindigkeit aufnehmen konnte hatte ich mich gesammelt und ihm einen Blitz Dich find hinterhergeworfen – nicht auf den Reiter, das hätte ja nichts gebracht, sondern auf das Pferd, welches wohl ob des Schrecks bockte und ihn abwarf. Die winselnde Flucht zu Fuß unterband dann Azina sofort. Sari überraschte mich jetzt. Von einer Wilden hatte ich deutlich weniger Nachsicht erwartet – ich hätte ja selbst keine gehabt mit diesem schwertschwingenden Dummbeutel. Aber sie stillte tatsächlich seine beträchtlichen Wunden und Blutungen, vermutlich rettete sie ihm damit das Leben. Und das tat sie sogar recht kompetent wie mir schien. Auf jeden Fall hatten wir nun zwei Gefangene, mit denen wir nichts anzufangen wussten, außer sie im Wald etwas abseits der Straße anzubinden, um uns Zeit zu erkaufen. Kaltblütigen Mord zog tatsächlich keiner der Anwesenden – außer mir vielleicht, aber ich hielt mich meinungstechnisch zurück – in Betracht. Schade wäre es um diese beiden Trottel zumindest nicht gewesen.

Wir waren kaum um die nächste Biegung herum, da erschollen aus dem Wald heraus auch schon lautstarke Hilferufe. Ärgerlich! Aber Azina hatte die beiden nicht knebeln wollen. Ein gutes Stück die Straße hinunter kam uns ein Fuhrmann mit seinem Ochsenkarren entgegen, das Gespann hoch mit Heu beladen. Wir logen ihm das blaue vom Himmel herunter. Dort vorne seien Räuber, die eine Falle gelegt hatten und unbedarfte Reisende mit ihrem Geschrei anlocken wollten, wohl um sie zu Überfallen. Wir machten dem armen Tropf dermaßen Angst, dass er sich entschloss zurück nach Giegenau zu fahren, wo, wie er uns sagte, 4 Mann der Bluthunde auf Posten waren. Die sollten sich um die Räuber kümmern. Für unsere Warnung nahm er uns dann gerne auf seinem Karren mit, so dass wir nicht einmal laufen mussten. Auf der Fahrt erzählte er uns, dass ab Burg Niriansee die Loyalisten wohl derzeit die Oberhand hatten und wir, so wir nach Bredenhag wollten, von dort weiter Richtung Orbatal gehen müssten. Allgemein schien das einfache Volk es hier eher mit den alten Herrschern und weniger mit den Usurpatoren zu halten, aber das kannte man ja. Der einfache Bauer hält es mit der Tradition. Zumindest, solange er von seinem Baron nicht über das normale Maß hinaus geknechtet worden war. Dann könnte er schon mal rebellieren. Aber die Leute hier machten eher den Eindruck, eine ordentliche Portion Lokalpatriotismus im Blut zu haben, was ich im Grunde meines Herzens nur befürworten kann. Stolz auf die Heimat, das ist ein hohes Gut. Selbst, wenn es die Heimat, sagen wir ein Drecksloch wie Selem zum Beispiel oder dieses tranmüffelnde Thorwal, nicht verdient hatten. Aber das Gefühl für die Heimat, das hatte jeder rechtschaffene Mensch genauso wie ich selbst im Körper, wenn er denn kein heimatloser Lump war. Sari und Wala hießen wir dann auf Grund der gemachten Erfahrungen auch absteigen und zur Fähre gehen, bevor wir Giegenau erreichten. Dort saßen tatsächlich vier wenig motivierte Wachen auf dem Dorfplatz vor der Schenke und genehmigten sich gerade das erste Bier des Tages. Der vertrauensseelige Fuhrmann schilderte den Wachen das Übel auf der Straße in den jämmerlichsten Worten, wir bestätigten nur seine Aussage, dass dort den Weg hinunter wohl zwei oder drei Räuber auf Opfer warteten. Es bedurfte nur weniger anstachelnder Worte, um diese Holzköpfe dazu zu motivieren, die vermeindlichen Räuber zu stellen und sie in ihrem grandiosen, ja geradezu genialen Plan zu bestärken, den Fuhrmann als harmloses Opfer vorzuschicken, und wenn sie dann aus dem Versteck kämen, über sie herzufallen. Wahrlich, diese Albernier waren von Hesindes gaben weitestgehend verschont geblieben.

Die Fähre in Giegenau war, genau genommen, einfach nur ein größerer Kahn, mit dem einer der örtlichen Fischer manchmal Leute hin und her fuhr. Wir mussten zweimal fahren bis alle übergesetzt hatten, was uns eine gute Stunde kostete. Azina wollte dann auf Nummer sicher gehen und bestärkte den braven Mann mit einem Goldstück und ein wenig Proviant damit, heute und am besten auch die nächsten Tage nicht mehr arbeiten zu müssen und insbesondere sobald niemand mehr über den Fluss zu bringen. So wären wir zumindest vor Verfolgern sicher, so sich den überhaupt jemand die Mühe gemacht hätte. Dann wanderten wir los. Eine Straße gab es nicht. Selbst die Bezeichnung Weg wäre wohl noch zu hochtrabend gewesen. Eher über einen Pfad oder gleich ganz durch die Wildnis marschierten wir Richtung Norden für den restlichen Tag. Am Abend fanden wir ein gutes Lager und Sari, ich beobachtete dies mit einer gewissen Faszination, errichtete eine Art Schutzkreis aus Knochen und Knöchelchen um unseren Rastplatz. Sie meinte, das würde Geister, Kobolde und Dämonen von uns fernhalten. Ich war skeptisch, aber Neugierig. Von dem Schamanen der Mohas hatte ich da schon die ein oder andere Geschichte gehört. Aber konnte es soetwas bei den Völkern des Nordens auch geben? Sari war mir bisher ja eher als seltsames, aber unbedarftes Mädel erschienen. Ich hielt zwei der Knochen im Blick und wob mehr aus einer Laune heraus den Odem Arcanum. Sofort veränderte sich meine Sicht auf die Dinge. Das derische verblasste, trat in den Hintergrund, wurde farblos und grau – dafür erstrahlten die Knöchelchen in sanftem Licht, verbunden durch feine Linien astralen Geflechts, welches sich wie ein Kreis und eine Kuppel um unser Lager zog. Faszinierend. Ich betrachtete Sari auf einmal mit ganz anderen Augen. Was hätte aus dieser Wilden nur werden können, hätte man ihre Gabe rechtzeitig und richtig geformt! Was für ein verschwendetes Potential… Trotzdem würden wir allein schon wegen weltlicher Gefahren Wache halten müssen. Bevor wir uns zu Bett begaben, äußerte ich an Sari noch eine Bitte. Das ergab sich, wie sie meinte einer der Knochen sei Hase gewesen. Und Wala der Wolf stromerte herum sein Abendessen jagen, wiewohl die Essensproblematik für uns wohl ab morgen auch akut werden würde. Auf jeden Fall bat ich Sari, Wala zu bitten, mir von der nächsten Jagdbeute, falls es ein Hase sein sollte, die Ohren zu überlassen. Ich hatte noch im Hinterkopf, dass man diese für eine Tinktur, ich glaube Angstgift, benötigen würde. Sari sicherte mir zu bei Wala ein gutes Wort für mich einlegen zu wollen und tatsächlich, ich kann es nicht anders sagen, begannen die beiden eine knurrende Art „Unterhaltung“, als der Wolf von seinem Jagdausflug zurück war. Aber der Wolf blickte mich sehr seltsam an, wenn man das überhaupt so sagen kann. Unwillig? Ich hatte den Eindruck, er mochte mich nicht.

Die Unterhaltung über Hasenohren und Elixiere verleitete Sari offenkundig dazu, mich nach dem übrigen Inhalt meines Beutels zu fragen. Ich wusste nicht wie voreingenommen sie war. Alles würde sie sicher nicht gutheißen, was ich da drin hatte. Also gab ich ihr ein unverfängliches Exemplum. Ein einfaches Döschen, an dem ich sie schnuppern hieß. Als sie es aufschraubte und geradezu wölfisch hineinschnüffelte musste ich mir ein grinsen verkneifen. Der Gesichtsausdruck jedenfalls, als ihr der „Duft“ des Tatzelwurmsekrets in die Nase drang sagte alles – und verdrängte jede weitere Neugier ihrerseits. Sari übernahm dann auch die erste Wache. Eigentlich hätte Azina die zweite gewollt, aber warum auch immer wurde ich dann geweckt. Gut, mir eigentlich egal, dann nahm ich eben die zweite. Nur als ich Azina zur dritten wache weckte, wollte sie diese nicht. Ich hatte das kurzzeitig aus den Augen verloren. Diese Maraskaner hatten es ja nicht so mit ungeraden Zahlen. Also musste Aureliane herhalten, der ich noch sagte ich und Sari hätten schon gewacht, und sie sei nun dran. Es könnte auch sein, dass ich geäußert habe sie sei als letzte dran. Zumindest hatte sie nun eine sehr lange Wache und Azina eine sehr lange Ruhephase. Ich selbst habe es nicht mitbekommen, aber am nächsten Morgen meinte Sari, irgendein wilder Kugelblitz hätte heute Nacht ihren Schutzkreis vernichtet und sei dann im Wald verschwunden. Aber der Geist sei nun vertrieben. Also, beide Geister, der Böße und der Geist aus ihrem Schutzkreis. Ein Geist im Schutzkreis? Das schien mir seltsam, schließlich kannte ich Schutzkreise, und die bezogen ihre Kraft ja nicht aus Geistern, sondern der Anordnung der Zeichen und Banne und der Macht des sie erstellenden Magus. Aber so waren diese einfach gestrickten Naturvölker nun einmal. Was sie nicht verstanden, führten sie einfach auf das Wirken von Geistern zurück. So leicht konnte man sich die Welt erklären. Zumindest stand für mich aber nun fest, dass es sich bei Sari um so etwas wie eine Schamanin handeln musste, auch wenn sie keine Knochen quer in der Nase, den Ohren oder der Lippe hatte – was ich gut fand, dieses Knochenzeugs ist ästhetisch doch sehr entstellende und hätte ihr auch nicht gestanden. Also waren die Wilden des Nordens von den Naturvölkern des Südens in dieser Hinsicht wohl gar nicht so verschieden! Eine interessante Erkenntnis.

Der weitere Weg führte uns erst noch einmal querfeldein, aber wir beschlossen noch während des Vormittags die in der Nähe verlaufende Straße nutzen zu wollen. Es würde ja nichts bringen, wenn wir uns hier durchs Unterholz schlagen und dabei am Ende noch vor lauter Wald und Bäumen an der Burg vorbeimarschieren würden, weil wir nur die grobe Richtung kannten. Aber eine Straße, die musste natürlich irgendwo hinführen, das lag nun einmal in der Natur der Sache. Außerdem lief es sich darauf ja auch deutlich leichter und schneller. Wir folgten dieser „Straße“ – kaum ein besserer Pfad, die Bezeichnung als Straße war wohl zur Irreführung der Ortsunkundigen wie uns gewählt – durch ein Waldstück, als vor uns Gelächter erscholl. Nun waren wir ja gewarnt, hier konnte Ärger lauern. Man wusste ja nicht, ob dort vorne Räuber, Gaukler oder Soldaten jedwelcher Couleur wären. Also machte Azina sich auf um die Lage zu erkunden. Bei ihr konnte ich da beruhigt sein, sie hatte sowas ja schon öfter gemacht. Als sie zurückkehrte berichtete sie von 3 Mann, die einem Kerl die Schlinge um den Hals gelegt hatten und ihn immer wieder einmal wie zum Spaße an einem Baum hinaufzogen und sich daraus eine Freude machten. Drumherrum lägen so an die 10 Leichen, offenbar habe hier ein Scharmützel zwischen den Truppen des ehemaligen Barons – der letzte Überlebende hing in der Schlinge – und den Usurpatoren stattgefunden, was Azina an den verschiedenen uniformartigen Kleidungsstücken, respektive der graubraunen Kleidung erkannt zu haben glaubte. Ich zweifelte ihr Urteil nicht an, es war ja nur logisch. Nun waren wir, uns insbesondre ich, politisch in dieser Sache absolut neutral. Aber irgendwie ging keiner von uns nun auf die Lichtung in der Erwartung zu, dass die Sache einen friedlichen Fortgang nehmen würde. Dabei wäre es mir leidlich egal gewesen, wenn sie den Burschen gehängt hätten. Das war für ihn ja so eine Art Berufsrisiko. Bei den Anderen in meiner Begleitung mochte da eher so eine Art Gerechtigkeitsempfinden oder Mitgefühl in das Handeln hineinspielen. Zumindest könnte ich mir das denken. Und wie erwartet kam es auch recht rasch. Wir betraten die Lichtung – nur Azina schlich wieder irgendwo durchs Gebüsch – und sprachen die Männer an. Nur dass es nicht 3 sondern sogar 4 waren, einer kam gerade aus dem Unterholz, wo er sich augenscheinlich erleichtert hatte. Das Gespräch war kurz und hässlich, es glitt beim Anblick meiner attraktiven Begleiterinnen recht schnell dahin ab, dass die Kerle gerne ihre Geschlechtsteile heute noch zum Einsatz bringen würden und deren Vorzüge anpriesen. Was meine Begleiterinnen natürlich rundheraus ablehnten. Saris Wolf war dann nur ein kleiner Anstoß, der das folgende Gefecht ins Rollen brachte. Der Schrei mit dem sie sich auf uns stürzten erfreute mich dann weniger: „Haut dem Magier den Kopf ab!“

Die Männer waren mit Säbeln und einer mit einem Stoßspeer bewaffnet. Die ersten beiden, ich schleuderte dem Speerträger einen veritablen Fulminictus um die Ohren noch bevor er da war und Aureliane hatte wieder ihre Armbrüste im Gebrauch, hatten wir rasch niedergerungen. Azina sprang von der Seite aus den Büschen und wir anderen standen als lockere Formation in einer Reihe nebeneinander um uns Schutz zu geben. Leider erwiesen sich die beiden verbliebenen als recht zähe Burschen, an denen wir uns redlich abmühten. Ich stand dabei neben Sari, die ebenso wie ich einen Stab schwang und dabei einen ähnlich (in-)kompetenten Eindruck erweckte. Nun hatte ich ja wirklich etwas geübt mit dem Stecken, aber so recht für einen ernsthaften Kampf wollte es immer noch nicht taugen – leider bei uns beiden. Dafür machte Wala der Wolf seine Sache dann umso besser, wenn wir den Feind mit unserem dilettantischen Gestocher abgelenkt hatte. Hatte ich Sari in der vergangenen Nacht schon auf Grund ihres durchaus anscheinend vorhandenen Potentials als interessant eingestuft, weckte dieses stille Verständnis füreinander als wir Seite an Seite standen eine Gewisse Zuneigung in mir. Dieser Moment, wenn man gemeinsam dem Tod ins Auge blickt verbindet doch ungemein und ich begann genau jetzt und hier dieses Mädel wirklich zu mögen. Leider war diese Aufwallung von Gefühlen mit einem wirklich schmerzhaften Treffer verbunden, als einer der Säbelschwinger seinen Stahl mit unglaublicher Wucht quer über meine Brust zog und eine klaffende Wunde und natürlich eine zerschnittene Robe hinterließ. Das würde ich sicher nähen lassen müssen – beides. Sehr ärgerlich. Ich biss die Zähne zusammen, zuckte aber nun bei jeder erneuten Anstrengung vor Schmerzen zusammen. Als die beiden dann endlich auch im Staube lagen, der eine der noch lebte wurde von Azina gewissenhaft zu Boron geschickt, mussten wir uns erst einmal um unsere Verletzungen kümmern. Ähnlich hart wie mich hatte es Aureliane erwischt, um deren Wunden sich Azina kümmerte, während die gute Sari sich meines Schnittes annahm und das gar nicht einmal so schlecht machte. Offensichtlich kannte sie sich damit aus, und geschickte und zarte Finger hatte sie auch noch. Was hätte aus diesem Mädel für eine Heilerin werden können, wenn man sie, sagen wir mal in Norburg oder Donnerbach, vernünftig ausgebildet hätte. Ich seufzte inbrünstig ob des verschwendeten Talentes.

Die Leichen schleiften wir dann etwas vom Weg in die Büsche, sauber sortiert nach Leuten des Barons und Truppen der Mittelreicher. Musste ja nicht jeder gleich auf der Straße darüber stolpern. Die Waffen wurden eingesammelt, die mochte sicher noch wer brauchen. Der Bursche den wir gerettet hatten, er hatte sogar heldenhaft mit einer herumliegenden Armbrust versucht ins Gefecht einzugreifen, hieß Gossfreid Stepahan. Er war, ich war kaum verwundert, ein Anhänger des ehemaligen Barons Corwin und trieb mit diesem als Partisan in den hiesigen Wäldern sein Unwesen. Natürlich war er uns für die Rettung dankbar, und wir konnten einen Verbündeten in diesen Landen gut brauchen. Die Mittelreicher hatten sich ja jetzt schon zweimal als nicht gerade freundlich erwiesen. Er wollte uns zu seinem Herren bringen, und wir hätten eh nichts Besseres zu tun gewusst. Also folgten wir ihm eine gute Stunde quer durch den Wald. Das Versteck hatten sie gut gewählt muss ich sagen. Auf einem Karstfeld, umstanden von einer sowohl schützenden als auch tarnenden Palisade aus Büschen, lagerten dutzende Männer und Frauen, die diesem Baron Corwin folgten. Kein Heer, mit dem man eine offene Feldschlacht würde gewinnen können, aber eine kleine Streitmacht, deren potential man nicht unterschätzen sollte. Ich war gespannt, diesen Baron kennen zu lernen.

In dem Lager fanden sich zuvörderst Zelte, die den Bewohnern Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten sollten, lediglich 2 größere Hütten signalisierten, dass es sich hier um eine längerfristige Einrichtung handeln könnte. Aber gut, der Zweck war ja das versteckte unterkommen und nicht die Gründung einer neuen Stadt. Insofern musste man dafür Verständnis haben. Auch die gut abgeschirmten Grubenfeuer, deren Rauch man allenfalls wahrnahm wenn man besonders darauf achtete oder wusste wonach man suchte und das ruhige und stille verhalten der vielen Anwesenden Männer und Frauen zeigte, das Heimlichkeit hier gleichzeitig Sicherheit bedeutete und sich jeder dessen bewusst war. An zentraler Stelle des Lagers war ein großgewachsener, muskulöser und durchaus als gutaussehend zu bezeichnender Mann in dunkler Kleidung gerade dabei mit dem Holzschwert 2 Burschen die Grundlage des Kampfes einzubläuen. Ich erinnerte mich mit schaudern an die eigenen, schmerzhaften Lehrstunden am Stabe auf der Universität. Aber allein aus dem kurzen Eindruck heraus, und ich bin ja da kein Experte was es angeht so etwas zu beurteilen, konnte ich erahnen, dass der Mann wusste was er tat. Allein seine Art zu bewegen hatte etwas elegantes, raubkatzenhaftes, dass mich ihn nicht als Gegner haben lassen wollte. Unser Begleiter und Führer hieß uns an einem der Feuer Platz zu nehmen und zu warten, er würde den Baron, des Knappe er im Übrigen sei, von unserer Ankunft unterrichten, man solle ihn nur nicht bei seinen Übungen stören, die er sehr ernst nähme. Ich hatte damit keine Probleme, zumal man uns einen Krug Bier zum warten brachte. Nur Azina, die direkt auch schon versucht hatte die örtlichen Bewohner mit ihrem Kladjsch zu beschwafeln, diskutierte erst noch einmal mit Gossfreid, ob denn warten wirklich nötig sei. Aber so war sie nun einmal, meine ungeduldige kleine Azina.

Nachdem er seine Lehrstunde beendet hatte, gesellte sich der Herr Baron zu uns. Ich weiß zwar nicht, wie er zu der Meinung kam sich an Azina wenden zu  müssen oder wie man sie als Anführerin unserer Gruppe betrachten mochte, aber zumindest stellte er sich ihr und uns mit formvollendeten Manieren vor, so wie ich es von einem ordentlichen Adligen auch erwarten würde. Sehr gut. Anscheinend schien das Lagerleben im Wald dem Anstand hier keinen Abbruch zu tun. Wir unterhielten uns ein wenig über das woher, das wohin und wie wir dazu gekommen waren, nun ausgerechnet hier in seinem Lager aufzutauchen, wofür er uns noch einmal dankte. Das wesentliche war für uns, dass er uns seinen Knappen, dessen Tante die Gräfin von Bredenhag sei, als Führer für die nächsten Tage mitgeben würde. Dann verabschiedete er sich von uns, aber ich wurde den Eindruck nicht los, dass dieser Mann uns noch nicht vorbehaltlos traute. Sari kümmerte sich nun um meine Wunden und legte mir einen Verband an. Nicht so gekonnt wie Azina das getan hätte, aber die musste sich um Aureliane kümmern, dennoch so vernünftig, dass ich keine Zweifel an ihrer Arbeit hegen musste. Etwas befremdlicher waren dann schon die Rußzeichen die sie mir mit Bärenfett bei Einbruch der Dunkelheit unter kehligem Gesang auf die Brust malte und dabei einen Fetzen Wolfsfell einband. Wäre ich nicht durch die ausgiebige Verwendung von Magie bereits ein wenig geschwächt gewesen und wollte mir für den Notfall eine Kraftreserve erhalten, ich hätte sie dabei nur zu gern mittels Odem beobachtet – so hielt ich mich zurück und beschränkte mich auf profane Betrachtung des bizarren Rituals. Die bald darauf einsetzende, angenehme Wirkung die ich verspürte, vergleichbar einem mit wenig krafteinsatz gewirkten Balsamsalabunde, konnte ich jedoch nicht leugnen. Das Gefühl kannte ich ja zu genüge. Nur ihre Erklärung, in meiner Brust täte jetzt ein „Heilgeist“ sein Werk, fand ich dann doch etwas weit hergeholt – aber gut, wie anders sollte sich so ein armes, ungebildetes Mädel sonst die Wirkung ihres Werkes herleiten? Da war so ein „Geist“ der das alles für sie erledigte natürlich die einfachste auch einem abergläubischen Barbaren vermittelbare Variante. Ihr jetzt die Welt darlegen zu wollen wie es in Wirklichkeit war wollte ich jetzt nicht, das hätte uns auch nicht weitergeführt. Ihr Versuch, den sie dankenswerterweise noch unternahm, meine Robe zu flicken blieb aber leider erfolglos. Das musste dann eine Frau namens Silvera aus dem Lager übernehmen, die auch gleich noch die Blutflecke auswaschen sollte. Für mich bedeutete das nun, ich würde von jetzt ab leider aber auch zur Sicherheit, ich wollte das gute Stück ja nicht noch weiter beschädigen, auf das graue Reisegewand zurückgreifen müssen. Damit sah ich zwar aus wie jeder X-beliebige Zauberer im Arbeitskittel und fühlte meinen Stand überhaupt nicht mehr ausreichend dargestellt, musste aber zugeben, dass es für die weitere Reise auch einfach praktischer sein würde. Nun gut. Opfer musste man eben bringen.

Azina hatte sich derweil mit dem Baron, an dem sie offenbar Gefallen fand – hier überlegte ich kurz, ob Hagar, der ja nur ein Exil-Adliger war Konkurrenz fürchten musste, aber dieser Baron war bei genauerer Betrachtung ja ebenfalls seines Landes beraubt – auf einen Probekampf eingelassen. Ein durchaus sehenswertes Schauspiel, das die beiden dem Publikum da boten, zumal Baron Goswin sich um Chancengleichheit herzustellen zur Nutzung des Kurzschwertes herablies, so dass er keinen Vorteil in der Reichweite hatte, was Azina mit ihren Dolchen betraf. Ich musste neidlos anerkennen, da waren Zwei am Werk, die durchaus etwas vom Kämpfen verstanden. Mehr, als ich es je tun würde. Aber so war es nun einmal. Man konnte nicht gleichzeitig sowohl im Geiste als auch mit dem Schwert stark sein. Am Ende war aber doch dieser Baron Goswin was seine Fechtkunst anging Azina klar überlegen, auch wenn sie durchaus einen Achtungserfolg erzielen konnte. Aber sie war nun mal Medica und nicht Kriegerin, auch wenn sie sich dafür sehr ordentlich geschlagen hatte. Die spürbare Anerkennung des Umstehenden Publikums bestätigte dies nur. Auch zu mir gesellte sich der Baron dann noch einmal ans Feuer, um mich unter vier Augen zu sprechen. Der Bursche erdreistete sich doch glatt, mich nach eigennützigen Motiven zu fragen, zog Pauschal meine ganze Zunft in Zweifel und unterstellte mir unlautere Beweggründe – immerhin seien Schwarzmagier nun einmal so. Ich verbat mir solche Unterstellungen aufs heftigste. Ich hatte einen Eid auf den Herrn Phex geleistet! Und an meiner Gesinnung gegenüber den Zwölfen gab es nichts auszusetzen, sogar mein Kind hatte ich Segnen lassen und nun in der Obhut von Geweihten. Ich muss da wohl etwas heftig und laut reagiert haben. Zumindest machten mir dies die Blicke der Umstehenden klar. Aber so etwas darf und soll man nicht auf sich sitzen lassen. Und hätte ich unlautere Motive gehabt, ich hätte sie diesem Popanz frei heraus ins Gesicht gesagt! Sein Misstrauen mir gegenüber, so wie ich das später erfuhr, lag wohl in seiner Vergangenheit begründet – er hatte als Veteran des Feldzugs in Tobrien Vorbehalte gegen Magier, insbesondere der schwarzen Gilde, und meine weder versteckte noch verholene Hochachtung vor so genialen Männern wie meinem Magister Galotta und dessen auf dem magischen Gebiet nahezu unerreichten Errungenschaften machten die Sache wohl nicht besser. Dabei faselte der Baron dann irgendetwas von einem schmalen Grad, auf dem ich wandelte und gerade noch einmal die Kurve gekriegt hätte. Lächerlich. Den letzten Diskurs des Tages hatte ich dann noch einmal mit Sari, die mir partout einreden wollte, nicht nur in meiner Brust sei nun ein Geist sondern auch in dem Feuer an dem wir säßen und überhaupt fast überall um uns her. Aber hier schien es ungefähr so erfolgversprechend zu sein ihr das ausreden zu wollen, wie wenn man einem Novadi erzählte, Rashtulla sei lediglich eine Fatamorgana, die sich einige verwirrte auf Grund Wassermangels in der Wüste eingebildet hätten. Hoffnungslose Fälle. Zumindest entschädigte Sari mich mit einer Einbeere die sie wohl am Wegesrand aufgelesen hatte für diese verbale Dauerbelästigung.

Am nächsten Tag brachen wir nach Bredenhag auf, da Gossfreid dank einer guten Behandlung schon wieder ausreichend gehen konnte und nicht mehr gestützt werden musste. Er führte uns nun mehrere Tage durch die Wildnis, vermied es weitgehend auf Leute zu treffen machte seine Sache recht geschickt. Es war offensichtlich, dass er sich in der Gegend vortrefflich auskannte. Das gute Wetter und die lauen Sommernächte machten das Reisen dabei sehr angenehm, egal ob wir uns durch die albernischen Wälder schlugen oder doch einmal eine als sicher eingestufte Straße nahmen. Nur an wenigen Dingen außer unserer Vorsicht merkte man, dass wir im Kriegsgebiet waren. So zum Beispiel hieß uns Gossfreid mehr als einmal, diesen oder jenen Brunnen zu meiden, da diese vom Feind mit den Kadavern toter Tiere vergiftet worden seien. Ein barbarischer Akt, von dieser Taktik die Moral der Leute zu brechen hatte ich bisher nur gelesen. Und hier wurde diese verrohte Methode sinnloserweise gegen das Volk eingesetzt. Dabei war es doch völlig lächerlich! Hier in Albernia fand man doch allenthalben Bäche und Flüsse, deren Wasser man genauso gut konsumieren konnte. Man war ja gar nicht auf Brunnen angewiesen! Diese Ursurpatoren waren also nicht nur unnötig grausam, sondern auch noch ausgesprochen dumm. Eine nicht zu unterschätzende, negative Kombination zweier Eigenschaften, die nichts Gutes hervorbringen konnte. Das würde ich mir merken müssen. Meine Wunde an der Brust war wohl schwerer als ich gedacht hatte, zumindest schmerzte sie mich auch noch die nächsten zwei Tage, bis sich endlich so etwas wie Besserung einstellte. Es war unerfreulich, lies aber dann endlich nach.

Der Mittag als wir Burg Bredenhag erreichten war da schon fast wie eine Erlösung. Knappe Gossfreid erbot sich, uns die erwünschten Informationen nach einem Junker Borkenfeld zu beschaffen, während wir in der Küche eine kleine Mahlzeit zu uns nehmen könnten. Sehr nett von ihm, auch wenn Azina übermotiviert wie immer gerne selbst Erkundigungen eingeholt hätte. Zugang zur Burg erhielten wie jedenfalls leicht und unkompliziert, da Gossfreid hier anscheinend wirklich wohlbekannt war. Mit Sari entspann sich eine kurze, mir ein wenig unverständliche theologische Diskussion, als Gossfreid erwähnte, die Burg stünde auf einem Hügel den man Madastein nennt. Sie faselte irgendetwas davon, das Städte verrückt machten und an einem solchen Ort hätte man gar nicht erst bauen dürfen, immerhin sei Mada ein Verräter oder soetwas. Dabei war ein „Madastein“ ja sogar ein sehr guter Ort, immerhin hatte Mada den Menschen die Magie geschenkt! Man hätte höchstens überlegen können, ob eine Burg das richtige Bauwerk sei oder nicht doch besser eine Akademie oder zumindest ein Magierturm hier richtig gewesen wäre. Zumindest, falls der Names des Hügels eine tiefere Bedeutung gehabt hätte und einen Ort der Macht markierte und nicht einfach so ein althergebrachter Volksname war – die ja mitunter auch einen gewissen Grund hatten, wie man nicht vergessen darf. Aber woher der Berg seinen Namen hatte konnte uns auch der Knappe nicht sagen. Es dauerte dann ein wenig, aber schließlich brachte er uns eine Karte auf der das neu belehnte Junkergut des Herren Tsafried Borkenfeld verzeichnet war. Dieser hatte es, wohl wegen Verdiensten um die Förderung der Infrastruktur, vulgo des Wegebaus irgendwo in dieser Gegend, erhalten. Unerfreulich war, das von dort in kaum 6 Wegstunden Entfernung die Grenze der streitenden Parteien verlief. Aber, so sagte uns Gossfried weiter, dies heiße hier oben wenig. Die Grenze sei schon lange starr und sicher, da auch dort oben am Junkergut erstens nichts zu holen sei und zweitens der Farindelwald dort seine Ausläufer hatte. Farindelwald? Ich erinnerte mich mit Schrecken an meinen letzten Besuch in der Feenwelt Albernias. Hoffentlich blieb ich diesmal von diesem Anderwelt-Schabernack verschont. Da es aber noch ausreichend früh am Tage war beschlossen wir, direkt weiterzugehen und uns von unserem Führer zu trennen. Wenn nichts geschah, würden wir es noch leicht bis zum Einbruch der Dunkelheit nach Borkenfeld schaffen.

Und so war es auch. Die Landschaft war von Hecken durchstanden und nur die gelegentlichen Nebel in den Senken störten den friedlichen Eindruck. Knapp 3 Stunden marschierten wir bis zu einem Örtchen Namens Fronhag, wo die Leute recht ungezwungen und entspannt waren. Ganz anders, als man es eigentlich in einem Kriegsgebiet hätte erwarten können. Aber wir hielten uns nicht lange auf, ließen uns nur kurz den Weg weisen gingen dann weiter. Hinter Fronhag wurde die Gegend etwas verwilderter und nach weiteren 2 Stunden stießen wir auf einen einzelnen Landmann, der sein Feld bestellte. Im Gespräch erfuhren wir, dass er ein Bediensteter des Junkers war und uns, wie er meinte, die Götter geschickt hätte. Mir schwante dabei schon schlimmes. Der Junker hatte wohl geplant zu heiraten, aber kürzlich sei ihm die Braut abhandengekommen als sie den Garten hinterm Haus inspizieren wollte und hier hausten irgendwelche dreckigen Biester. Mein erster Verdacht, als uns der Knecht zu seinem Junker führte war, dass die Braut schon ihren Grund gehabt hatte zu flüchten. Der Mann war ein dermaßen erbärmliches Zerrbild eines Junkers, das es mich innerlich schüttelte. Triefnase, schielende Glubschaugen, dünne Ärmchen die sich an einem Schwert abmühten es hinterherzuschleifen… Das Kerlchen wirkte dermaßen ungefährlich, dass sogar ich mich getraut hätte mit meinem Stab gegen ihn anzutreten – und mir sogar Siegeschancen ausgemalt hätte! Und das will wirklich etwas heißen! Die Braut in spe, sie hieß wohl Praiadet, war erst gestern verschwunden. Der Junker hatte seine Diener, er hatte derer anscheinend mit Haushälterin ganze 4, angewiesen, die Hecke hinter dem Haus urbar zu machen – immerhin ein Viertel seines Besitzes! Mein Mitleid mit dieser Jammergestalt wuchs weiter. Sein Gärtner uns sein Holzfäller hätten das Gestrüp roden oder abfackeln sollen, aber dabei kläglich versagt. Dabei präsentierte er zwei Kerle, von denen einer eine Schweinsnase im Gesicht trug und der andere Hasenohren hatte – grotesk lächerliche Gestalten, aber ein untrüglicher Hinweis auf das üble wirken von Feenvolk oder Koboldsgesocks. Die Hecke sei aber jedes Mal sofort nachgewachsen und wehrte sich gegen das roden und beim Einsatz von Feuer sei ein bekleideter Dachs erschienen, der den Männern dies angetan hatte. Ich konnte den Mann verstehen. Ich würde sogar freiwillig bei der Rodung helfen – mein Angebot einen Shruuf als Gärtner einzusetzen wurde aber von meinen Gefährten rundheraus abgelehnt. Es sei zu gefährlich für die
Verschwundene. Aber der Junker bot uns alles was er hatte – 10 Dukaten (oh Phex hilf!) und auf unser Insistieren – Erbansprüche hin oder her – auch das Schmuckkästchen, als wir ihn danach fragten. Als er uns die Gesuchte beschrieb wunderte mich nicht mehr viel: Praiadete hätte wunderbar breite Hüften (ich merkte an, an denen wolle er sich wohl festhalten, was er aber nicht verstand), sei rundlich und mit langem blonden Haar gesegnet (hinter seinem Rücken machten die Diener eine Geste, als wollten sie erbrechen). Mir schwante schlimmstes.

Für die Nacht wurden uns im Sinne von Travias gebot dann auch Schlafplätze angeboten. Mir und Azina bot man die Strohsäcke der Dienerschaft in Ermangelung vernünftiger Gästezimmer an – wir lehnten dankend ab und stellten Azinas Zelt hinter dem Haus auf. Auf die verlauste Bettstatt von Hasenohr und Schweinenase mochte ich guten Gewissens verzichten, wer konnte schon wissen, wann da das Stroh das letzte Mal gewechselt worden war? Dieser Umstand erwies sich allerdings als überaus glücklich, denn von unserem Zelt aus konnten wir Sari dabei beobachten, wie sie sich mit Kohle ein drittes Auge auf die Stirn malte und dann vor dem Irrgarten hinter dem Haus in Position ging. Neugierig sah ich ihr zu, gespannt, was das Mädel nun wieder für einen schamanischen Hokuspokus aufführen mochte. Wobei wenig Spektakuläres geschah, bis sie sich auf einmal mit einem Aufschrei an die Augen fasste. Selbstverständlich eilten wir sofort zu ihr, aber eine akute Gefahr schien nicht zu bestehen, lediglich eine, wie wir bald merkten vorrübergehende, Erblindung hatte sich eingestellt. Aus dem etwas obskuren Gefasel Saris entnahm ich, dass sie sich eines Rituals bedienen wollte, dessen Wirkung einem Odem, oder vielleicht sogar einem Oculus Astralis resemblierte. Die Potenz, die von diesem Irrgarten Ausging war dann allerdings so hoch, dass sich bei ihr tatsächlich eine Astralblindheit einstellte. En höchst seltenes Phänomen, das man nur an wirklich starken Orten der Kraft antrifft. Sehr faszinierend, ich war fast geneigt, es auf den Versuch ankommen zu lassen, allein um selbst einmal diese Erfahrung zu machen. Allerdings ließ ich dann trotzdem bei dem fast bewenden. Man muss ja nicht den Fehler eines anderen wiederholen, wenn man von vornherein um das Ergebnis wusste. Durch das Geschrei war auch der Junker aufgeschreckt worden, der einen mehr als unwürdigen Auftritt hinlegte – nicht das er wohl überhaupt zu einem Würdigen fähig gewesen wäre. Er kam mit einer Nachtmütze auf dem Kopf aus dem Haus gehetzt, schleifte das Schwert neben sich her, dass er es genausogut als Krückstock hätte führen mögen und trug in der anderen Hand, Gipfel der Lächerlichkeit, einen Wappenschild, dessen heraldisches Bild ihn auf jedem Turnier zum Gespött der Menge gemacht hätte. Ein Silberner HAMSTER auf blauem Grund. Wirklich, hatte man schon jemals von einer dümmeren Wappenwahl gehört? Er musste meinen entgeisterten Blick gesehen haben, denn er sah sich zu einer mehr als hilflosen Erklärung genötigt: „Der Hamster ist ein sehr fleißiges und arbeitsames Tier, jawohl. Ich habe mein Lehen ja auch für die Errichtung eines Weges, die Förderung der Infrastruktur Bredenhags und nicht für kriegerische Leistungen erhalten.“ Ahja. Das erklärte zwar das ein oder andere, machte die Sache in meinen Augen aber keinen Deut besser. Diesen Kerl würde ich jedenfalls nicht als Aufgebot zwischen mir und einem anstürmenden Ork haben wollen. Der taugte ja noch nicht einmal als Stolperstein! So würde es mit Albernia sicher nichts mehr werden…

Am nächsten Morgen, die Nacht war übrigens ausgesprochen erholsam gewesen, wurden wir von der Küchendienerin für zwei Tage verproviantiert, auch wenn ich dies lächerlich fand. Wir sollten in ein Heckenlabyrinth von vielleicht 100 Schritt im Quadrat eindringen, wofür brauchte es da Proviant? Aber man ließ sich nicht davon abbringen und verwies auf einen Ahnherrn, der sich wohl darin verlaufen hätte und nie wieder zurückgekehrt war. Und meiner Erfahrung mit Feenwelten nach wollten wir dort drinnen auch gar nichts zu uns nehmen, insofern war die Maßnahme ja vielleicht sogar angebracht. Zwischen dem Gebüsch, wir stellten diese Erkundung unter das Motto „Ab durch die Hecke“, waberte, wohl auf Grund der Morgenstunde, grauer, dichter Nebel. Azina und ich seilten uns daher vorsichtshalber an, die anderen hatten aber keine Lust sich zu binden. Als Sicherheitsmaßnahme gab Azina aus, immer mit der rechten Hand an der Wand zu bleiben, so würden wir, egal wie, immer den richtigen Weg finden, auch wenn es vielleicht den ein oder anderen Umweg bedeuten könnte. Ein guter Gedanke, an dem man festhalten sollte wie ich fand. Und damit war es dann aber auch vorbei mit den Normalitäten an diesem Tag und das hirnerweichende Chaos des feeischen Einfluss nahm seinen Lauf. Erwähnte ich schon, dass ich keine Feenwesen, geschweige denn Kobolde, mag? Ginge es nach mir, man müsste dieses Volk an jeder Stelle vom Angesichts Dere vertreiben. Und die Eingänge zu diesen Anderswelten versiegeln. Für immer! Aber leider geht es hier nicht nach mir, noch nicht zumindest. Auf meiner persönlichen Agenda stand das aber zumindest auf dem zweiten Platz, nein, eher auf dem dritten. Direkt hinter Ausrottung aller Anhänger des Namenlosen (für mich) und Vernichtung der Bruderschaft vom zweiten Finger Tsas (für Azina). Also ein langfristiges Vorhaben. Doch zunächst mussten die Tagesaktuellen Probleme gelöst werden.

Wir durchschritten frohen Mutes den ersten Nebel, nur um direkt dahinter mit der ersten Absonderlichkeit konfrontiert zu werden. Vor uns manifestierte sich ein Kaninchen in blauer Kleidung samt Schreibtisch und Schemel, dass sich als Sekretarius vorstellte und nach unserem Begehr, dem Woher und Wohin, den Namen, als hätten wir es hier mit einem Torwächter zu tun. Was im übertragenen Sinne und im Nachhinein betrachtet aber wohl auch gar nicht so falsch war. Hierbei handele es sich auf jeden Fall um die Registratur für den Irrgarten. Wir waren noch kein Dutzend Schritt weit gekommen, und schon musste ich mir ob des Blödsinns mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen, allein, Diskutieren half hier nicht weiter. Wir mussten unsere vollen Namen angeben, wobei ich den meinem dem Karnickel besonders langsam und deutlich erklären musste. So weit her war es also mit der Bildung dieses Dings nicht. Aber dafür, und das fand ich sehr interessant, erfuhr ich nun den vollen Namen Saris – Sari aus der Sippe der Gerfang vom Stamme der Liskali. Uns hatte sie sich ja immer nur mit ihrem Rufnamen vorgestellt. Sollte ich irgendwann einmal Zeit haben mich in einer Bibliothek der Recherche bei müßiger Zeit widmen zu können, ich würde auf jeden Fall einmal diese Sippe und den Stamm nachschlagen. Im Anschluss an das schon fast lächerliche Prozedere erhielt jeder von uns eine Münze mit seinem Konterfei darauf als Ausweis. Diese würde uns berechtigen, und im Garten aufzuhalten. Darüber hinaus erfuhren wir, dass der Irrgarten nur diesen einen Ausgang hätte und Praiadete zwar hier vorbeigekommen, aber noch nicht wieder hinaus sei. Also waren wir zumindest nicht auf dem Holzweg.

Rechter und linker Hand führten zwei von Nebeln verhangene Eingänge in das Labyrinth und getreu der Vorgabe von Azina gingen wir rechts hinein. Als wir den Dunst, der da stationär vor sich hin waberte, durchschritten fühlte dieser sich sehr belebend an, man könnte fast von einer Frischzellenkur sprechen. Offenbar markierte dieser Nebel die „Grenze“ dessen, was ich für mich als Feenreich bezeichnen würde. Womit mir wiederum nicht mehr klar war, ob wir uns noch auf Dere oder schon an einem anderen Ort befanden. Auf Grund des fort Geltens der üblichen physikalischen Gesetze sowie der Anwesenheit der Praiosscheibe hätte ich aber auf Ersteres getippt.  Die Hecke erwies sich als 4 Schritt hohe, blickdichte Barriere die ihren Sinn und Zweck völlig erfüllte. Lediglich Geräusche wie rascheln, das Pfeifen von Vögeln und ähnliches mehr war zu vernehmen und zeigte, dass in diesem Irrgarten durchaus mit Lebewesen zu rechnen war. Wir waren noch keine 20 Schritt gegangen, da vernahmen wir etwas über Kopfhöhe ein Räuspern aus der Hecke. Bei genauerer Betrachtung sahen wir eine Ausbuchtung in selbiger, aus der es rauchte. Neugierig wand ich mich dem Phänomen zu, das sich gleich darauf als ein putziger, kleiner rosafarbener Drache entpuppte der uns mit einem freundlichen „Seid gegrüßt edle Ritter, mein Name ist Heckenröschen“ ansprach. Ich war perplex, aber positiv überrascht. Immerhin, ein Drache war kein Feenwesen, also per Se schon einmal eine positive Erscheinung im Vergleich zu den nervigen kleinen Quälgeistern. Von weiter vorne hörte man ein hässliches Krächzen. Ob wir denn nicht bei einem kleinen Problem mit den „verdammten Eierdieben“ helfen könnte, wobei das Drachlein auf eine Handvoll Elstern verwies. Dabei wickelte sich der Drache gewandt um meinen Hals und vermochte es sogar einige Tränen aus den Äuglein zu drücken. Ich riss geistesgegenwärtig eine kleine Phiole empor und fing das kostbare Elixier auf. Potzblitz! Normalerweise müsste man laut Lehrbuch einem Drachen fuderweise Kunchomer Pfeffer in die Augen blasen um ihn zum Weinen zu bringen! Der armen Drachendame waren ihre goldfarbenen, grüngesprenkelten Eier von dem diebischen Pack gestohlen worden, sozusagen die Kinder geraubt! Ich hielt ein flammendes Plädoyer, warum es unsere Pflicht war dieser armen Mutter zu helfen, zog mir dabei aber lediglich verständnislose Blicke meiner Gefährten zu, die das ganze lieber nur „bei Gelegenheit“ erledigt hätten. Ich aber war entschlossen, Heckenröschen beizustehen. Nun ja, es kann wohl nur jemand die Sorge und den Schmerz nachempfinden, der selber die Freude der Elternschaft schon erfahren hat. Diesen Elstern, das schwor ich mir jedenfalls, würden wir zeigen was es bedeutete sich in eine Familie einzumischen. Dann gingen wir weiter.

Ein Stück weiter vorne offenbarte uns der Irrgarten ein weiteres seiner Geheimnisse. Um genauer zu sein war Azina die erste, die es entdeckte. An einer Stelle raschelte es in den Blättern, was ja an sich nichts Ungewöhnliches war, und ein kleiner Spatz flog hinein und heraus. Allerdings, und das machte uns stutzig, sahen die Blätter an dieser Stelle unten genauso aus wie an der Oberseite. Ein kleines, kaum bemerkbares Detail, das weniger aufmerksamen Beobachtern sicherlich entgangen wäre. Aureliane langte hinein und tatsächlich erwies sich die Stelle als ein gut versteckter Durchgang zu einem parallel verlaufenden Wegeabschnitt. Eine fast meisterhafte Illusion, die mir gehörig Respekt abnötigte. Da es in unserem Gang weiter vorne eh versperrt war folgten wir Azinas Rechtsregel auf dem neuen Pfad. Dort vernahmen wir ein Scheppern und Rumpeln. Eine Rüstung – zumindest der obere Teil von Torso und Helm, taumelte wankend auf uns zu. Ein rostiger Harnisch mit verbeultem Helm, der schon einmal deutlich bessere Tage gesehen hatte und sich seltsam schleppend, da ohne Beine, fortbewegte. Wenige Schritt vor uns, wir waren schon in Habacht gegangen, kam das seltsame Konstrukt ins Kippen und wieselflink verschwanden 3 kleine Wesen aus dem inneren direkt ins Gebüsch. Was waren das? Ratten vielleicht? Es ging fiel zu schnell, als dass man genaueres hätte erkennen können. Trotzdem ging Aureliane an die Stelle und griff in das Dickicht. Eigentlich erwartete ich, dass sie gleich mit einem Schmerzensschrei die Hand zurückziehen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Vielmehr spielte sich nun eine Szene ab, die in ihrer Groteskität genau dem entsprach, was meine dauerhafte Abneigung gegen jegliche Art von Feenwesen wieder und wieder belegt und verstärkt hatte. Aus dem Gebüsch huschten, jetzt gut erkennbar, 3 Streifenhörnchen in einer Art Uniform, oder zumindest mit Federn auf dem Kopf, wovon sich eines als „oberster Weibel“ vorstellte. Wir hätten hier nichts zu suchen und sollten sofort gehen. Allein die Lachhaftigkeit einer solchen Forderung von einer Kreatur, die gerade mal 1 Spann Maß und die ich mit einem Tritt leicht zurück in die Hecke hätte befördern können war schon absurd. Auf den Hinweis, wir dürften hier sein, weil uns der Sekretarius hereingelassen hätte – das sagten übrigens meine Begleiter, ich selbst hätte mich gar nicht auf eine Diskussion mit diesen Viechern eingelassen – wurden unsere Münzen als Passierschwein/Papierstein/etc. überprüft und für gut befunden. Dazu mussten wir uns aber so tief bücken, damit die Hörnchen unsere Gesichter sehen konnten, dass es allein schon wieder ehrenrührig war. Aber ich war offensichtlich der einzige aus unserer Truppe, der Anstoß daran nahm. Der Rest spielte diesen Unfug einfach mit! Ich war erschüttert. Zumindest erfuhren wir, dass auch die andere Andersweltlerin, das musste Praiadete sein, ebenfalls hier vorbeigekommen war. Nun gut, wo hätte sie auch sonst entlang gehen sollen? Aureliane, und das war noch das schlimmste, machte sich mit den kleinen Gestalten dann gemein, in dem sie anbot die Rüstung für das Geschmeis wiederherzustellen, da sie doch etwas schäbig wirkte. Dies diskutierte sie dann mit dem Oberweibel und am Ende fettete und polierte sie den Harnisch dann. Ich war entsetzt! So wenig Selbstwertgefühl, dass man sich auf eine Stufe mit diesen Tieren begab hätte ich einer Esquiria nicht zugetraut. Ihr Ansehen bei mir befand sich in rapidem Sinkflug! Die einzige Genugtuung die ich dann hatte war, dass die gefettete Rüstung den Streifenhörnchen aus den schmierigen kleinen Pfoten glitt und einem auf den Kopf knallte! HA! Genau das hatten diese Gnome verdient! Aber Aureliane war schon dabei, das fiepende Wesen zu trösten und zu hätscheln… es war so entwürdigend, ich hätte mich am liebsten in die Hecke nebendran erbrochen – die im übrigen „Hasel“ hieß, wie uns die Hörnchen mitteilten. Ich fühlte mich zurückversetzt in das irre Schloss und war schon wieder nahe am Rande einer Hysterie als wir weitergingen. Nur mein eiserner Verstand und meine unfehlbare Selbstkontrolle hielten mich nach wie vor im Zaum. Aber es sollte noch schlimmer kommen…

Wir hatten uns kaum von den Hörnchen abgewandt, als es abermals in den Zweigen raschelte. Diesmal schossen 4 Karnickel hervor. Es hätte auch kaum anders sein können, aber Vito und Wala erlagen ihrem angeborenen Jagdtrieb, als die Hasentiere kehrtmachten, Fersengeld gaben und wieder in einem Loch im Gesträuch verschwanden. Ich war mir nicht sicher, ob ich das jetzt auch auf feeisches Wirken zurückführen konnte, so etwas hätte uns in jedem beliebigen Wald ja auch passieren können. Insofern grübelte ich nicht übermäßig darüber nach. Das sich aber das Loch in der Hecke schloss, kaum dass die Tiere alle hindurch waren, das war nicht normal. Verfluchtes Gestrüpp! Zu allem Überfluss begann nun Aureliane mit der Hecke zu sprechen und wollte ihr mit guten Worten einen Durchgang entlocken! Ich bekundete ihr Lautstark, dass sie diesen Schwachsinn lassen sollte, erntete aber dafür eine Ohrfeige. Von einem Ast. Der Hecke! Ich bedauerte es nun doppelt, die Idee einen Shruuf als Gärtner einzusetzen nicht schon vorab in Gange gebracht zu haben. Das wir bald darauf in einer Sackgasse standen und erneut einem illusorisch getarnten Durchgang folgten passte da nur ins gehässige Bild.

Es klockerte und eine piepsige Stimme kommentierte es mit „Das war nix, keine Punkte!“ Hektisch sah ich mich um. Etwas über uns hockten zwei Kaiserhörnchen, die sich einen Spaß daraus machten uns mit Nüssen zu bewerfen und dabei Kommentare abgaben, welcher Treffer wie viele Punkte ergäbe, so als ob wir nichts weiter als wandelnde Zielscheiben wären. Ich hasse diese Feenviecher und überlegte prompt, wie ich diese Dinger von ihrem Hochstand am besten herabschießen könnte. Aurlianes Armbrust wäre hier wohl ein probates Mittel, aber ich bezweifelte, dass sie bereit sein würde hier zu helfen. Derweil hatte Sari angefangen Nüsse mit den Hörnchen (sie nannten sich A- und B-Hörnchen) hin und her zu werfen, so als ob sie sogar Spaß an diesem Unfug hätte. Konnte denn nicht einmal jemand außer mir einen kühlen und überlegten Kopf behalten? Als die Tiere anfingen, mich ebenfalls als Ziel auszusuchen, war es vorbei. Ich hatte den Stab schon längst in der Hand und schwang ihn, das kleine Geschoss anpeilend, zu einem kraftvollen Schlag, der die Nuss postwendend an den Absender zurücksenden sollte – am besten mitten in die kleine, freche Fratze. Zu meinem Erstaunen, ich gehöre ja nicht wirklich zu den besten Stabfechtern, traf ich die Nuss sogar, verpasste aber leider um Haaresbreite das erschreckte Nagetier. Sehr bedauerlich! Meine Handlung hatte aber anscheinend die beiden Hörnchen zu einem neuen Spiel inspiriert, da sie sich von der Hecke – Hasel – zwei Stöcke reichen ließen, um mich wie in einer schlechten Mimikry zu imitieren. Bei den Göttern, musste das sein? Ich kam mir einfach nur veralbert vor. Wenigstens hatte Azina anscheinend ebenfalls die Nase voll und wollte schon weitergehen, hatte aber anscheinend vergessen das wir ja noch zusammengebunden waren, weswegen sie nicht allzu weit kam. Aureliane hingegen hatte anscheinend mehr Spaß an der ganzen Sache als ich je für möglich gehalten hätte und versprach den beiden Kaiserhörnchen sogar, auf dem Rückweg noch einmal auf ein Spiel vorbei zu sehen. Das meine Achtung für sie sich schon auf Kellerniveau befand hatte ich bereit angemerkt, oder? Selbst die einfache Frage nach dem Aufenthalt der Elstern, die Tiere hier mussten sich doch kennen, so überschaubar wie das war, blieb wage mit „irgendwo im Garten“ quasi unbeantwortet. Nutzloses Biestingervolk.

Am Ende des Pfades standen wir leider erneut in einer Sackgasse. Das verwunderte mich nicht, schließlich waren wir in einem Irrgarten und ich schätze, dass in einem solchen eh nur ein Weg bis ans Ende führen, und damit etwa 95 % aller anderen Wege in Sackgassen enden würden. Also war es an sich gar nicht der Erwähnung mehr wert und für den weiteren Fortgang werde ich es wohl auch im Sinne eines konstanten Erzählflusses unterlassen. Erwähnenswert war dieses tote Ende aber, da hier Vito und Wala gefesselt und geknebelt (wie schaffte man dies bei Caninen überhaupt?) lagen und von mehr als einem Dutzend Hörnchen belagert wurden. Natürlich wollten Azina und Sari ihre geliebten Tiergefährten sofort befreien, aber die Hörnchen verboten sich das vehement. Nicht, weil sie Angst vor den Raubtieren gehabt hätten. Nein. Sie wollten nicht auf ihre „Hüpfburg“ verzichten. Hatte man so einen Blödsinn schon einmal gehört? Es war kaum zu fassen. Und noch viel weniger, dass Sari sich nun darauf einließ, mit den Nagern zu spielen. Allerdings konnte man dem Ganzen im Fortgang sogar einen Sinn abringen, da Azina sich nun hinter dem Rücken der abgelenkten Hörnchen daranmachte, Vito und Wala heimlich zu befreien. Unterdessen schleuderte Sari ein – ich wage es kaum diese Bezeichnung zu verwenden - besonders mutiges Hörnchen mit der Hand in die Luft. Etliche Schritte hoch! Wobei das Tier im Flug laut jubelte, zumindest bis es die zum Fang ausgestreckte Hand Saris verpasste und mit einem dumpfen Ton und in einer kleinen Staubwolke auf dem Boden aufschlug. Dann setzte ein eher jammerndes Wehklagen ein, dass Sari aber, ungewohnt herzlos damit abtat, sie habe es ja nicht gefangen, sondern es sei selbst falsch gelandet, also sei es sein Fehler. Und das dämliche Tier nahm ihr diesen kompletten Unsinn auch noch ab! War das noch grenzenlose Naivität, oder schon brachiale Dummheit? Auf jeden Fall setzte Sari das Spiel fort, bis Azina Hund und Wolf endlich befreit hatte, die beide recht bedröppelt wirkten. Unterdessen traf es mich ebenfalls. Ein besonders kleines Hörnchen, dass offenbar nicht so mit den anderen spielen durfte stand mit schwarzen Knopfaugen vor mir und wollte, dass ich es ebenso wie Sari in den Himmel beförderte. Im Nachhinein schiebe ich es darauf, dass ich von all dem Feenvolk eh schon so genervt war, dass mir eine solche Idee überhaupt gekommen ist. Ich neige ja für gewöhnlich nicht zu unnötiger Grausamkeit. Nur zu berechtigter Rache, wenn sie jemand verdient hat. Und dieses einzelne Hörnchen im Besonderen hatte mir ja nichts getan. Dennoch. Mein gemarterter Verstand bestand darauf, an diesem Vieh ein Exempel zu statuieren, dass ihm und allen anderen für alle Zukunft diesen bodenlosen Schwachsinn austreiben würde! Für immer! Also hieß ich das Tier, sich auf das Ende meines Stabes zu setzen. Mit einer solchen Verlängerung des Wurfarms als Ausleger würde ich das kleine Biest in eine Höhe katapultieren, dass ihm Hören und Sehen verginge – insbesondere beim Aufschlag! Ich holte Schwung, legte besonders viel Kraft hinein und schoss das Pelztier regelrecht nach oben. Die anderen sahen mich ungläubig an. Meine Gefährten mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen, die übrigen Hörnchen mit einer Mischung aus Begeisterung und Hochachtung. Von unten war es schwer zu sagen, aber ich schätze, das Hörnchen dürfte eine Flughöhe von etwa drei Dutzend Schritt erreicht haben. In etwa am Scheitelpunkt des Fluges schaltete sich mein analytisch kalkulierender Verstand in die Situation ein. Diese Tiere mochten ja was Fallhöhen angeht recht Widerstandsfähig sein. Aber aus dieser Höhe dürfte auch ein Hörnchen ziemlich zermatscht am Boden aufschlagen. Zu der logischen Betrachtung kam dann noch so etwas wie eine Spur Mitleid. Das Tierchen hatte mir ja nichts getan. Also, nicht persönlich, so dass es ein derartiges Ende verdient hätte. Da waren wohl die Shadif ein wenig mit mir durchgegangen. Und was passierte, wenn man wie Sari seine Hand-Auge-Koordination beim Fangen nicht ausreichend unter Kontrolle hatte, hatten wir ja vorhin in einer milderen Form schon gesehen. Das könnte hier böse Enden und auf einen Fehlversuch würde ich es nicht ankommen lassen wollen. Zum Glück hatte nicht nur Rahja mich mit einem Vorteilhaften Äußeren, sondern auch Hesinde mit einem nahezu unglaublich präzisen und blitzartig arbeitenden Verstand gesegnet. Anstatt also nun, wie vielleicht die meisten, in lautes lamentieren, kopfloses herumeilen oder hilfloses Händerecken zu verfallen, ersann ich mit der Genauigkeit einer kalkulierenden Rechenmaschine sofort die unfehlbare und einzig logische Lösung. Und setzet diese natürlich in die Tat um. Ansonsten wären ja auch die besten Lösungen allenfalls schöne Ideen, aber keine Hilfe. Ich nahm als in einer fließenden Bewegung die Zipfel meines grauen Reisegewandes, hob diese an und spannte so eine Art Sprungtuch, in dessen deutlich größerer Fläche als meiner Hand das possierliche Tierchen sicher aufkam, noch einmal ein kleines Stück hochfederte und mit einem Hopser sicher auf dem Boden Deres landete. Das erste, atemlose Schweigen das die Szene begleitet hatte wurde sogleich von einer Vielzahl piepsiger Stimmchen abgelöst, als sich nun alle Hörnchen auch mich stürzten, um dieses besondere Erlebnis ebenfalls zu genießen. Musste das denn sein? Ich stöhnte, verweigerte mich dem ganzen Unfug und verwies auf Aureliane, die mit ihrer Ballestra (so hieß wohl das Armbrustähnliche Gerät, wenn man genau sein wollte) ein jegliches Hörnchen sicher Hunderte Schritt würde verschießen können. Was dazu führte, dass sich das Interesse der Biester sofort auf sie verlagerte, wobei sich nun insbesondere der Anführer, sein Name war Grillo, wieder hervortat. Aber Aureliane lehnte das Ansinnen von vorne und Rundheraus ab, was sie dann mit der Mechanik ihrer Waffe begründete. Gut, ich gebe zu, da kenne ich mich jetzt nicht so gut aus. In meiner Vorstellung hätte man das Hörnchen dann vor eine Sehne gesetzt und losgeschossen wie einen Bolzen. Aber Aureliane erzählte dann irgendwas von einem fingerlangen Schlagbolzen und der würde das Hörnchen dann eher zerlegen, als es zu befördern. Oder ihm zumindest ein gutes Stück mit Wucht rektal eingeführt werden, was aber auch nicht gesund sein dürfte. Bei der Vorstellung musste ich innerlich grinsen, war aber anscheinend der einzige, der dies Amüsant fand. Aureliane ersann daher einen Plan, der zwei einfache Stöcke und das Katapultprinzip beinhaltete, so dass sich die Hörnchen gegenseitig in die Luft schleudern konnten und ließ sich dafür von Hasel – sie konnte anscheinend mit der Hecke im Gegensatz zu mir – zwei Stöcke geben. Sie demonstrierte das Prinzip an Grillo und das Ergebnis waren dann erneut aufklatschende Hörnchen. Ich schüttelte den Kopf über so viel Dummheit, als wir endlich weiterzogen.

Diesmal blieben wir, eine illusionäre Wand später, sogar ein ganzes Stück lang unbehelligt, bevor uns die Narretei erneut plagte. Drei Wächterhörnchen, ich kann nicht sagen ob die gleichen wie vorhin oder andere, für mich sahen die alle gleich aus, verlangten erneut nach unserem Rasierstein/Papierschwein/Flanierschein, was ich schon einmal rundheraus ablehnte, immerhin hatten wir ihn schon einmal gezeigt. Darüber hinaus verlangten sie von uns Dienste! Aureliane putzte den kleinen Ratten tatsächlich die Schuhe. War sich dieses servile Weib eigentlich für gar nichts zu schade? Ich weigerte mich auch dafür, was zu einer längeren Diskussion führte. Meine Münze zeigte mittlerweile auch kein Konterfei mehr, aber das war mir jetzt auch schon egal. Dazu sollte ich wahlweise auch noch die Federn auspusten oder gleich Latrinen putzen. An diesem Punkt war das Maß voll! Ich würde diesen Biestingern zeigen, wo der Magier den Dämon herholt! Mir blieb am Ende nichts Anderes übrig, die Hecke hätte mir wohl sonst das Weitergehen verwehrt, als diesen Mistviechern über die Federn zu pusten, was noch das harmloseste, aber für mich erniedrigend genug war, überhaupt dem Wunsch nachkommen zu müssen. Während ich das tat malte ich neben mir mit der rechten Hand verstohlen ein Pentagramm in den Staub und überlegte, welcher mir bekannte Siebtsphärige hier am besten aufräumen könnte. Zu meinem Bedauern stellte ich dann aber fest, dass das Pentagramm kaum groß genug sein dürfte. Aber ein Lichtblick folgte sogleich, als die Hörnchen von einem Teich in der Mitte des Labyrinths erzählten. Nun wusste ich, was zu tun war. Langfristig würde sich ein Ulchuchu hier mittendrin hervorragend machen. Und ich hatte schon geglaubt, die Kenntnis des wahren Namens dieses Wesens wäre überflüssiges Wissen… aber nein! Hier konnte der Algendämon endlich einmal etwas Sinnvolles tun, nämlich langfristig jegliches nervige Feenwesen das an den Teich käme, und das dürften ja früher oder später alle sein, mit Haut und Haar verschlingen. Das war ein Plan! Jetzt müsste ich nur noch den Teich finden…

Ich hatte den Eindruck, der Irrsinn beschleunigte sich noch, je weiter wir in den Irrgarten vordrangen. Als nächstes stießen wir, und das war schon positiv zu sehen, auf das Nest der diebischen Elstern, die Heckenröschens Eier geklaut hatten. Ehrensache, dass wir diese nun bargen. Während Sari auf Aurelianes Schultern kletterte und im Nest 2 der gesuchten Eier fand wurden wir von 5 Elstern im Sturzflug angegriffen. Leider verfehlte ich mit dem Stab das angreifende Federvieh und Sari begann schon wieder, sich auf Verhandlungen einzulassen. Wie man überhaupt dazu kam mit Vögeln und dazu noch mit Dieben zu verhandeln war mir schleierhaft! Zumindest lenkte Sari („Last uns tauschen“) das gefiederte Pack ab, aber Azina verpasste es knapp sich die Eier zu schnappen und mein Versuch ihr eine Räuberleiter zu bilden schlug ebenfalls fehl. Sari schacherte derweil mit den Raub-Vögeln um Silber und Gold in Münzen hin und her, kam aber zu keinem Ergebnis und mich nervte das unwürdige Schmierentheater einfach nur noch. Wieder gingen mit mir die rachsüchtigen Gedanken durch, nur dass ich das Ergebnis diesmal in keinster Art und Weise bedauerte – im Gegensatz zu dem Vorfall mit dem Flughörnchen kurz zuvor. Diese Elstern hatten es nicht anders verdient. Ich zog das Döschen mit Wasser und Phosphoros aus der Robe und gab Sari einen kleinen Batzen davon. Dann hieß ich sie, es mit den Händen abzudecken und zu verdunkeln, worauf der Phosphoros schwach zu glimmen und leuchten begann, was die Elstern in regelrechte Begeisterung versetzte. Sofort hatten wir die Eier mit einer Elster getauscht und Sari und ich nahmen jeweils eines an uns. Die Elster packte den Phosphoros in ihr Nest und verteidigte die Beute vehement gegen ihre Artgenossen. Soviel also zur Solidarität unter Dieben! Ich rief, nur dem Anstand halber, noch zum Nest hinauf: „Immer schön feucht halten“ und Sari goss sogar noch etwas Wasser darüber. Aber ich ahnte und hoffte, worauf das hinauslaufen würde… Es wäre nur wünschenswert, dass wir weit genug weg wären, wenn sich dieses Wunderwerk der Alchemie bald selbst entzünden würde… am besten direkt unter dem Hinterteil des diebischen Vogels!

Als nächstes schoss ein rosafarbener Blitz, ein Schwein, aus der Hecke und wollte von Azina am Bauch gekrault werden. Ich hätte mir ja lieber einen Schinken daraus geschnitten. Aber da hielten wir uns nicht lange auf. Dann trat ich unverhofft in ein Loch und musste mich von einem Maulwurf in gelben Anzug beschimpfen lassen, dass ich seine Wohnung zerstört hätte und der das Meister Brommel (wer auch immer das war) melden würde. Bei der Wahl das Ganze mit einem gezielten Hieb des Stabes oder friedlich zu lösen, immerhin hatte ich diesmal tatsächlich ungewollt den Schaden verursacht, entschied ich mich für Letzteres. Aber meine Anfrage an Hasel die Hecke nach einem Brett um das Loch abzudecken blieb unerfüllt – dieses dämliche Gestrüpp! Dafür verpasste mir das Unkraut eine Genickschelle! Abfackeln würde ich dieses verdorrte Miststück! Aureliane hingegen erhielt anstandslos ein paar Äste und dichtete den Maulwurfsgang damit unter Zuhilfenahme von etwas Erde wieder ab. Ich verabscheue, ja, ich hasse diese Feenwelt!

Als wir durch einen weiteren Nebel schritten war dieser im Gegensatz zum ersten und unserer Erwartung sehr unangenehm, ja zehrte regelrecht an unseren Kräften, weswegen wir ihn möglichst schnell durchschritten. Aus der Ferne sah ich dann Rauch aufsteigen und hörte ein schmerzverzerrtes Krächzen. Da hatte wohl ein Dieb das bekommen was er verdiente! Ich machte einen kleinen Freudenhüpfer, der jäh unterbrochen wurde von einem dicken Ast, der mir erst gegen das Schienbein knallte und um mir dann erneut ins Genick zu schlagen, während die Rauchwolke in der Ferne verpuffte, gefolgt von einem Sturzflugangriff der verbliebenen Elstern die begannen mir schmerzhaft an den Haaren zu rupfen. Alles in allem, als es endlich vorbei war, eine mehr als schmerzhafte Erfahrung, weswegen sich Azina meiner mit einem Balsamsalabunde annahm. Aber das war es mir Wert gewesen. Eine Elster weniger! HA! Insgeheim überlegte ich, an welchen Stellen der Hecke ich den restlichen Phosphor am besten würde verteilen können, ein paar Portionen hatte ich noch. Sollte dieser dreckige Haselstrauch doch sehen, wie er mit Bränden an mehreren Stellen in seinem Gestrüpp klarkommen würde! Und wenn das nicht reichte… ich könnte mir ja die Rezeptur für Hylailer Feuer oder gleich magisches Brandöl besorgen und dann immer noch einmal zurück kommen… mich mit solchen Gedanken tragend gingen wir weiter.

Auf dem weiteren Weg stießen wir dann auf einen moosbewachsenen, überwucherten Gegenstand, der sich bei näherer Betrachtung als ein sitzendes Skelett darstellte. Bruchstücke von Plattenzeug, insbesondere für Arme und Beine, lagen herum. Nun gut, die Torsorüstung und der Helm waren uns ja anscheinend schon begegnet. Daneben lehnte ein Wappenschild mit dem unverkennbaren Hamster in blau und silber, das Azina an sich nahm. Die Frage der Identität stellte sich also nicht wirklich. Aureliane bestand darauf, und das wiederum fand ich sehr borongefällig von ihr, die Überreste einzupacken. Allerdings wurde sie von einer sprechenden Maus, die sich Zippi nannte, mit einem Biss in die Finger daran gehindert, da diese Ansprüche auf ihr „Wohnskelet“ geltend machte. Auch diesmal blieb eine Diskussion mit dem kleinen Pelzvieh fruchtlos. Das hätte ich Aureliane auch vorher sagen können! Mit Logik oder dem gesunden Verstand kam man da nicht weiter… Es war der Maus einfach nicht begreiflich zu machen, dass der Tote eine ordnungsgemäße Bestattung verdient hatte. Ich bot, als Alternative sozusagen und weil es uns den Transport deutlich erleichtert hätte, eine ordnungsgemäße Erhebung der Gebeine mittels eines Nephazz an, dass wollten allerdings die anderen nun auch wieder nicht. Und anscheinend missgönnte man der Maus dann auch ein sozusagen Wohnmobil. Wobei ich bezweifelte, dass der Nephazz überhaupt einen anderen Bewohner in seinem untoten Körper geduldet hätte, aber egal… Am Ende handelte Aureliane mit Käse aus ihrem Proviant und ihrem Lederhut als neuer Wohnung die Herausgabe des Skelets heraus. Warum noch einmal ließen wir uns hier eigentlich von jedem dahergelaufenen nicht mal Spannlangen Vieh erpressen? Hatten die Anderen eigentlich keine Selbstachtung?

Das nächste Hindernis auf dem Weg durch das Blätterwerk war dann schon ernstzunehmender. Da fand ich Verhandlungen durchaus sinnvoll! Ein riesiger Bär, und damit meine ich wahrhaft gigantisch groß, lag schlafend quer über dem Weg – und eine MAUS setzte ihre kleinen, fiesen, spitzen Zähne an sein Ohr und wollte uns mit der Drohung um Wegzoll erpressen, den Bären nun aufzuwecken. Da war es wieder. Vor dem Bären hätte ich ja den nötigen Respekt gehabt. Aber es war schon wieder so ein winziges Vieh, dass uns Ärger machte. Ich kochte innerlich! Was jetzt geschah entzog sich erstens meiner Kontrolle und zweitens schon wieder einmal meinem Verstand. Wobei diesmal nicht irgendeine Fee schuld war, sondern ich kapierte einfach die Handlung an sich nicht. Azina hatte, wohl um nach etwas zu suchen mit der die Maus hätte bezahlt werden können vielleicht, ihren Rucksack abgenommen, entschied sich dann aber dafür, lieber einen Stein auf den schlafenden Bären zu werfen! Warum? Wollte sie die Maus treffen? Ich weiß es nicht… Auf jeden Fall traf der Stein den Bären, der natürlich brummig und zornig erwachte. Das wiederum veranlasste uns zum schnellen taktischen Rückzug, aber Azinas Rucksack lag nach wie vor mitten auf dem Weg. Sari, die sich anscheinend recht gut mit Tieren auskannte, versuchte den Bären zu beschwichtigen. Wobei er die Erklärung, er würde von der Maus nur benutzt um andere zu erpressen und selbst nie etwas abbekam, recht grantig aufnahm und seinen Zorn nun gegen die Maus richtete statt gegen uns. Das war ja immerhin schon einmal etwas. Honig den wir ihm hätten anbieten können hatten wir nicht dabei, aber mit den Würsten aus unserem Proviant ließ sich Meister Petz dann tatsächlich wohlgesonnen stimmen. Nur waren die Mengen die wir dabei hatten für einen derart großen Bären natürlich nur eine Vorspeise, so dass er wissen wollte was wir da sonst noch so dabei hatten. Also gaben wir auch noch etwas Brot ab und Azina zauberte eine kleine, rote Schote aus dem Rucksack, die sie Schilie nannte oder so, aus ihrer Heimat Maraskan. Der Bär wollte das unbedingt ebenfalls versuchen, jaulte dann aber auf und rannte gehetzt davon, als man ihm sagte er müsse trinken um die Schmerzen zu lindern die gerade in seinem Maul tobten. Was nur bedeuten konnte, er rannte zur Mitte des Irrgartens in Richtung des uns angekündigten Teiches, weswegen wir ihm flux hinterherrannten und dann ob des massigen Fleischberges vor uns auch nicht weiter behelligt wurden. Wobei der Weg auch nicht mehr weit war bis wir einen großen Platz in der Mitte (zumindest nehme ich das an) des Irrgartens erreichten.

Während der sich direkt auf den Teich stürzte und Soff wie ein Loch, stellte sich uns ein aufrecht gehender Dachs mit schwarzem Umhang, Hose Hemd und Hut entgegen, der von 2 mit kleinen Degen bewaffneten Ulmenmardern begleitet wurde. Das war schon fast possierlich anzusehen, hätte der Dachs nicht so ein ernstes und grimmiges Gesicht gemacht. Er stellte sich als Brommel und die Ulmenmarder als Furchtlos und Verwegen vor, was mir tatsächlich so etwas wie ein Grinsen ob der Absurdität ins Gesicht zauberte. Aber, so erklärte er uns, wir sollten hier nicht sein und müssten den Garten umgehend verlassen. Wir verwiesen aber auf unsere Zutrittsberechtigung durch das Kaninchen, was den Dachs zu einem tiefen Seufzer bewegte. Anscheinend war er mit der Zugangspolitik alles andere als einverstanden. Wir würden sofort wieder gehen, sagte Sari, wenn er uns die andere „Grauweltlerin“ (damit meinte sie Praiadete denke ich, warum bediente sie sich der Termini dieser Biester?) aushändigen würde. Zudem könnten wir ja ein gutes Wort einlegen, dass der Garten in Zukunft in Ruhe gelassen wird. Den Dachs schien das aber nicht zu überzeugen, viel mehr wollte er uns lieber auf ewig in seinem Labyrinth behalten wie den Ritter, bis wir auch zu Mäusewohnungen würden. Ja ging es noch? Eher würde ich hier drin die Niederhöllen toben, als mich von einem stehenden Dachs als Kerkermeister festhalten zu lassen! In diesem Augenblick jedoch kam Heckenröschen herangeflogen. Damit nahm die Diskussion eine ganz andere Wendung, denn wir gaben der Drachendame ihre Eier zurück, was in erneuten Freudentränen (diesmal war ich leider nicht schnell genug diese Aufzufangen) und Dankesbezeugungen endete. Irgendwie schienen Geschichten hier schnell die Runde zu machen, denn nach und nach kam zur Sprache, dass wir dem Maulwurf geholfen hätten, die Hörnchen nun glücklich sind (Brommel fand es allerdings wenig gut, dass sie nun über die Höhe der Hecke hinaus hüpfen konnten), die Maus ein neues Haus hatte, etc. pp…  allerdings wurde uns auch eine an Brandverletzungen verstorbene Elster zur Last gelegt. Aber hatte ich dem gierigen Tier nicht noch gesagt, es möge doch seine Beute feucht halten? Eben! Selber schuld, wenn man die Bedienungsanleitung missachtet! Zumindest ließ sich der Dachs soweit erweichen, dass er uns nun erzählte, er könne uns Praiadette überhaupt nicht herausgeben, selbst wenn er wollte. Es gebe hier nämlich einen boßhaften Kobold Namens Guldenzwirn, der ihm das Labyrinth streitig mache. Und der sei mit der Frau in seiner Grotte verschwunden. Wie auf sein Stichwort hin erschien dann auch das hässliche Männlein und hatte zu allem Überfluss noch eine aufrecht gehende Wildsau in Plattenrüstung und bewaffnet mit Axt und Schwert bei sich, zeigte vor unserer Nase Praiadette herum wie eine Trophäe und zwang sie dann, erneut in der weiter hinten liegenden Grotte zu verschwinden. Wenn wir sie haben wollten, dann müssten wir sie uns eben holen… Nun gut. Damit war das weitere Vorgehen ja quasi klar und bedurfte keiner erneuten Diskussion. Nichts eint einen mehr, als ein gemeinsamer Feind. Und hier und heute war das Feindbild klar… im Übrigen, wenn ich eines noch weniger mochte als diese irrationalen Feenwesen, dann waren es diese widerwärtigen Koboldgestalten, wie ich bald erfahren würde!

Was nun folgte zeigte mit zweierlei Dinge im Speziellen. Das Eine waren unleugbare Erkenntnisse über mich selbst, wie ich sie so noch nie gemacht habe – und in großen Teilen auch nicht mehr machen möchte. Sowohl körperlich als auch psychisch ließen mich die folgenden Ereignisse mehrmals an die absoluten Grenzen meiner persönlichen Belastbarkeit gelangen. Und, bedauerlicherweise, auch mehrmals darüber hinaus. Ich kann retrospektiv sagen, dass die Erfahrung des eigenen Todes keine ist, die man öfter wiederholen möchte. Das Andere war, und hierfür bin ich sogar regelrecht dankbar, umfassende Einblicke in das Wesen und die Gedankenwelt meiner Begleiter. Nichts anderes, keine Analyse, kein Zauber, keine Beobachtung konnten mir eine solche Einsicht liefern, wie ich sie in den folgenden Stunden und Tage erhalten habe um zu beurteilen, wer ein verlässlicher Gefährte, und wer im Grunde seines Herzens nur ein albernes Kind oder sogar eine Gefahr für ich sein konnte. Das konnte man so nicht erwarten vorher, aber hinterher bin ich nun wahrhaft darauf vorbereitet, wem ich zukünftig mein Leben würde anvertrauen können.

Wir betraten als die Grotte und kamen zunächst in einen gigantischen Felsendom von sicherlich 30 Schritt im Durchmesser, an dessen Ende uns ein offenes Tor erwartete. Mangels Alternativen durchschritten wir dieses und folgten einer abwärts führenden Wendeltreppe in die Tiefe. Unten angekommen fanden wir uns in einer vergleichsweise kleinen Kammer von vielleicht 25 Rechtschritt wieder. Ein keckerndes, unangenehmes Lachen füllte den Raum und wir fühlten uns beobachtet, auch wenn wir nirgends den Verursacher ausmachen konnten, während das dreckige Lachen in verständliche Worte überging. „Fremde, Grauweltler“ ich schloss daraus dass es sich im ein Feenwesen, wahrscheinlich diesen widerlichen Kobold handeln musste „willkommen in der Kammer der 1000 Tode. Wenn ihr die Frau mit den breiten Hüften und dem hässlichen Gesicht haben wollt, kommt zu meiner Festung. Wir werden viel Spaß haben. Aber ich habe ein Herz für Tiere. Eure Begleiter können gehen wenn ihr möchtet“. Sari und Azina sahen sich kurz an, aber die Entscheidung war schnell klar. Hier unter der Erde würden die beiden uns bestenfalls belasten, im schlimmsten Fall einen unangenehmen Tod sterben. Kaum hatten Beide eingewilligt verschwanden Wolf und Hund wie von Zauberhand. Von den 3 Türen die sich uns zeigten nahmen wir recht unkreativ einfach diejenige, welche in unseren Augen „Geradeaus“ führte. Wir hatten ja eh noch keinen Schimmer davon, was uns erwarten würde, aber die Tür war die einzige, welche kein Gegenüber hatte. Grob an dieser Richtung wollten wir uns auch ab jetzt orientieren. Nachdem wir die Tür alle gemeinsam durschritten hatten – wir merkten schnell, dass sich hier unten Türen nur öffneten wenn wir einig und gemeinsam einen Weg gehen wollten, aufteilen war somit nicht möglich – und der Rückweg hinter uns zuschlug begann es zu rumpeln und zu krachen. Der Boden bebte so heftig, dass Sari die ja ansonsten recht gewandt war sogar hinfiel, und wir hatten das Gefühl, dass sich etwas oder sogar wir bewegt hatten. An sich ja eine absurde Vorstellung, dass sich Räume bewegen würden, aber in diesen vermaledeiten Feenwelten mochte man ja gar nichts ausschließen. Dieses rumpeln, ruckeln und krachen passierte nun recht häufig, nachdem wir Räume durchschritten hatten, weswegen ich es nicht mehr groß erwähnen möchte. Aber es kristallisierte sich dem analytischen Denker bald ein Muster heraus, dass dies jedes Mal geschah, wenn wir einen der Räume durchschritten, die uns eine Herausforderung stellten oder zumindest vormals gestellt hatten. Und eine Aufgabe die wir einmal gelöst hatten, wurde uns auch nicht erneut gestellt. Trotzdem würden die kommenden Stunden, wie ich bald merkte, mehr als mühselig werden.

Der neue Raum in dem wir uns nun befanden war eine Kammer von 10 Schritt im Quadrat und 3 Schritt Höhe. Die Wände waren tapeziert, was an sich ja schon ein verschwenderischer Luxus ist, hier aber völlig fehl am Platze wirkte. In seiner Mitte befand sich ein Schlüssel und die Wände waren geradezu übersäht mit Türen, von denen ich wenigstens 20 zählte. Wir sahen uns ratlos an, keiner hatte eine rechte Idee, was uns hier erwarten sollte, und rechneten damit, dass augenblicklich etwas passieren mochte. Aber es geschah… nichts. Ich hatte ja mit einem Angriff wilder Horden gerechnet oder zumindest mit irgendwelchen beschworenen Schrecken. Aber es blieb alles ruhig. In die nachlassende Anspannung hinein gingen wir bedächtig und vorsichtig vorwärts. Eine Falle vielleicht? Aber auch hier… nichts. Azina verfügte wohl auf Grund ihrer ausgeprägten Erfahrung über besonders scharfe Sinne, oder zumindest ein Gespür für solcherart Dinge. Auf jeden Fall war sie die erste von uns der Auffiel, dass unter einer der Türen an der gegenüberliegenden Wand ein sachter, kaum wahrnehmbarer Luftzug hindurchstrich. Nun gut. Wir hatten eine Tür, die offensichtlich irgendwo hinführte und einen Schlüssel. Was lag also nahe? Richtig, den Schlüssel zu nehmen und die Tür zu durchschreiten. Da uns keine offensichtliche Gefahr drohte und wir damit dieses „Rätsel“ als gelöst betrachteten nahmen Sari den Schlüssel an sich. Nun machten wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit der Perfidität, die diesen Räumen zugrunde lag. Keinen noch so simplen Handgriff, keine Handlung konnte man als sicher einstufen – hier war ein bösartiger Geist am Werke! Kaum hatte Sari den Schlüssel genommen – ja, man hätte vorher überlegen und abwägen können, aber zu ihren Gunsten möchte ich sagen, das Ergebnis wäre wohl das gleiche geblieben – begannen von Oben Wassermassen in den Raum zu stürzen. Nach einer kurzen Schrecksekunde, der Raum begann sich rapide schnell zu füllen, hasteten wir zur vorher identifizierten Tür und Azina schloss diese auf. Wir schafften es durchnässt in die nächste Kammer und konnten die Tür schließen, bevor das Wasser uns mehr als nötig folgen konnte. Jetzt im Nachhinein wundere ich mich wieder. Einen Lufthauch haben wir gespürt, aber Wasser floss keines unter der Tür durch. War das logisch? Nein, natürlich nicht! Deswegen regen mich diese Feen ja so auf! Das einsetzende Rumpeln, wie gesagt, erwähne ich nur am Rande.

Der Raum in dem wir nun standen war leer, ja geradezu kahl und hatte Ausgänge zu unserer rechten und linken. Dafür tropfte beständig kaltes, klares Wasser von der Decke auf uns herab. Dann ertönte wieder diese nervernzehrende Stimmte: „Ich vergas zu erwähnen… wenn ihr eine Kammer durchlauft, darf ich eine Reihe verschieben.“ Was sollte denn das nun wieder heisen? Befanden wir uns in den Augen dieses hässlichen Gnoms etwa auf einer Art Spielfeld? Was für eine aberwitzige Vorstellung! Auf der anderen Seite… wer konnte schon erahnen, was so ein Kobold für kranke Gedanken ausheckte? Uns wie Figuren auf einem Rote-und-Weise-Kamele-Brett herumzuschieben passt da jedenfalls dazu. Sollte ich ihn in die Finger bekommen, ich würde diesem Wicht glatt einmal zeigen, was ich denn so unter Spaß verstand, was ihn betraf. In mir reiften da schon Ideen… zunächst aber entschieden wir uns dafür nach rechts zu gehen. Wobei ich nun auch mangels sich recht schnell einsetzendem Orientierungsverlust bald aufhören werde, versuchen Richtungen anzugeben. Dies schien hier unten bald sowieso sinnlos zu sein. Wenn nämlich wir uns in einer Feenwelt befanden wo die Richtung obsolet ist und die Räume selbst sich gegenseitig verschieben, welchen Sinn macht es denn dann noch zu versuchen eine Richtung zu halten? Eben. Keine! Auch wenn wir nach wie vor danach strebten „Geradeaus“ zu kommen. Der Drang vorwärtszukommen liegt nun einmal in der Natur des Menschen, mithin also auch in unserer. Aber eine echte Orientierung, wie man sie meinetwegen im Wald oder auf der Straße oder eingeschränkt auch auf hoher See hat, das konnte man getrost als hinfällig betrachten.

Die nächste Kammer war eine düstere Angelegenheit. Decke, Wände und Boden bestanden aus Gerippen und Schädeln. Eigentlich hätte mir angesichts so viel herrlicher Donaria das Herz aufgehen müssen, aber selbst ich fand diesen Anblick beklemmend, und das will etwas heißen! Von der Decke her „tropfte“ ein beständiger Strom von Schädeln und Knochen und der Boden und die Wände schienen sich wie im Fluss zu bewegen. Sehr grotesk! Trotzdem wagten wir uns in den Raum hinein. Azina hielt uns den Schild des verblichenen Ritters über die Köpfe, das half ihr und mir wenigstens ein bisschen. Aber eine Art Strömung zerrte dafür an unseren Füßen, so als würden wir durch einen schnell fließenden Fluss waten. Ich hatte ein mulmiges Gefühl bei der Sache, das sich zur regelrechter Furcht steigerte, je weiter wir vorangingen, denn mit jedem Schritt sanken wir tiefer in die Knochen ein. Es war fast wie schwimmen durch die trockenen Gebeine, absolut wiedernatürlich! Praios sei Dank habe ich nicht nur einen eisernen Willen, sondern auch eine geradezu unerschütterliche Ruhe, was solcherlei Dinge angeht. Das bleibt ja nicht aus, wenn man sich quasi beruflich mit Derlei beschäftigt, auch wenn ich immerhin kein Nekromant bin – das ist ja dann schon etwas widerwärtig, dieses Leichenfledern. Aber auch in der Dämonologie, man nehme nur einmal den simplen Nephazz, kommt man ja um den Kontakt mit den Toten nicht herum. Irgendwas muss der ja beleben und erheben können. Also kämpfte ich mich tapfer vorwärts, die nagenden Zweifel und die Furcht mit eherner Disziplin zurückdrängend wie ein echter Mann! Leider waren Melissa und Aureliane da nicht so fest im Geiste. Stocksteif standen beide irgendwann umgeben von Knochen da und rührten sich keinen Spann mehr vor oder zurück. Die bleichen, schreckverzerrten Gesichter sprachen Bände. Ihr Geist war von entsetzen gelähmt! Dabei gelang es uns noch, Melissa mit viel gutem Zureden davon zu überzeugen die wenigen verbliebenen Schritte zu gehen – immerhin ein kleiner Erfolg, das hätte ich dem Mädel gar nicht zugetraut, dass sie sich noch einmal fangen würde. In diesem süßen Ding steckten anscheinend doch noch Überraschungen. Aber bei Aureliane ging gar nichts mehr. Da blieb uns nichts Andres übrig, als sie mit Gezerre und Geschiebe aus den Knochen herauszuholen. Als das endlich gelungen war, ich war vor Anstrengung und Aureliane vor Furcht schweißüberströmt, entlies uns die obligatorische Tür auf der anderen Seite der Kammer aus der Dunkelheit.

Der folgende Raum war klein und unspektakulär. In seiner Mitte fand sich eine Rolle aus schimmeligem Leder, die Azina mit behandschuhten Fingern vorsichtig öffnete. Das enttäuschende Ergebnis war eine wenig spektakuläre Ziffernfolge: 1666. Wir sahen uns Schulterzuckend an. Damit konnte nun wirklich niemand etwas anfangen. In der Folge musste ich feststellen, dass dieser Raum entweder in der Abfolge von Kammern entweder der häufigste war (wir haben ihn noch bestimmt ein Dutzend Mal durchschritten) oder seine Position so rapide wechselte, dass er regelrecht vor uns herspringen musste. Auf der anderen Seite war diese relative Ereignislosigkeit die das Zimmer bot schon regelrecht erholsam, hier wurde man weder gefoltert, verstümmelt, gehetzt oder anderswie gepiesackt. Da konnte man die damit einhergehende Langeweile sogar schon mal in Kauf nehmen. Aber es half nichts, wir mussten weiter. Als wir das nächste Zimmer betraten verschwand die Tür hinter und direkt. Das war neu. Der Raum selbst war schwarz und hatte weiße Putzflächen auf denen sehr Detailgetreu Schlachtengemälde angebracht waren. In zahlreichen Ständern waren wie in einem Arsenal Waffen aufgereiht. Offensichtlich wurde auch hier etwas von uns erwartet, denn die vorhandenen Türen blieben verschlossen. Eine genauere Inspektion des Raums brachte allerdings weder versteckte Schlüssel noch sonst etwas Interessantes zutage, so dass es wohl irgendetwas mit den Bildern oder den Waffen auf sich haben musste. Des Rätsels Lösung stellte sich aber schnell ein, als Sari und ich begannen die Waffen zu untersuchen. Wir hatten kaum jeder einen der Kampfstäbe aufgenommen, da begannen diese schon so etwas wie ein Eigenleben zu entwickeln. Wir hätten das selbst ja nie getan, aber die Stäbe droschen, als wären wir dazu gezwungen, wild aufeinander ein – wir bekämpften uns mit verbissener Energie. Oder besser sollte man sagen, so gut wir es eben beide vermochten, denn einen wahren Meister des Stabfechtens hätte unsere Vorstellung ob ihrer Erbärmlichkeit zu Tränen gerührt. Wohlwollend konnte man es dann wahrscheinlich eher ein heftiges gestocher mit gelegentlichen Zufallstreffern nennen. Das Ergebnis war deswegen aber nicht weniger Schmerzhaft! Zweimal konnte ich Sari einen ordentlichen Hieb versetzen, aber am Ende war ich es, der kampfunfähig und halbtot geprügelt am Boden lag. Sari hatte den Kampf eindeutig gewonnen, weswegen wohl der Bann von uns abfiel und sich eine der Türen öffnete. Die Anderen wollten sich meiner direkt annehmen, aber da begann auch schon die Tür langsam wieder zuzufallen, weswegen man mich einfach packte und in den nächsten Raum schleifte, bevor man sich um unsere Verletzungen kümmern konnte. Ich will mir gar nicht ausmalen, wenn statt Sari Azina sich eine Waffe gegriffen hätte oder Domna Aureliane. Wahrscheinlich würde ich dann jetzt verblutend in dieser Kammer liegen und hätte dabei noch nicht einmal zurückschlagen können. Dagegen hatte ich mit Sari ja regelrecht Glück gehabt! Das waren wenigstens nur blaue Flecken. Eine ernüchternde Erkenntnis. Aber um den Pfad des Kriegers jetzt noch zu beschreiten und das verpasste nachzulernen war es für mich wohl zu spät… wie oft ich diese insbesondere körperlich schmerzhafte Erkenntnis wohl noch machen musste?

Was nun folgte konnte man eigentlich nicht mehr als Raum bezeichnen. Ein weiterer Beweis, dass hier die Grenzen des derisch gültigen schlicht aufgehoben waren. Wir befanden uns auf einer großen. Unüberschaubaren Fläche bestanden von nassem, heißen Urwald wie man ihn nur aus dem Süden kennt. Ich konnte also sagen, dass ich mich quasi in die Heimat versetzt fühlte, hätte man auch noch eine Stadt hinzugefügt und nicht nur diesen Dschungel genommen. Wir waren von Affengeschrei und Vogelzwitschern umgeben, die typischen Geräusche, die ich von den Tagen auf unserer Plantage kannte oder als ich mit dem Sklaven im Urwald war um meinen Stab zu fertigen. Und natürlich wussten wir, dass wir in einer Höhle oder zumindest etwas Ähnlichem waren, aber trotzdem kam es nun, das erste Mal hier unten, zum Einbruch der Nacht. Es wurde Dunkel! Wobei, eigentlich hätte ich mich ja eher über das Gegenteil wundern müssen, denn wie konnte Praios am Himmel scheinen, wo wir doch unter der Erde sein sollten? Hier müsste es ja eigentlich immer dunkel sein! Trotzdem verwunderte mich in diesem Augenblick genau das es anders herum war. Selbst, oder vielleicht sogar insbesondere, meinem analytischen Verstand spielte dieses Feenreich die schlimmsten Streiche und verwirrte mich. Es ist deprimierend. Ein Feuer zu entzünden war für Azina ein echtes Problem und das Resultat mehr ein wärmeloses Rauchfeuer als ein rauchloses Wärmefeuer. Ein Wunder das wir nicht alle erstickt sind. Aber auf ihre Heilkünste, die dann direkt an mir zum Einsatz kamen war wie immer nichts auszusetzen. Sari gab mir sogar noch einen Schluck von ihrem Einbeerensaft ab und tatsächlich schlief ich die Nacht hervorragend. So gut, dass ich die Geschehnisse direkt verschlief die sich abspielten und mir nur am Morgen danach davon berichtet wurde. Anscheinend hatten ein paar Affen versucht unsere Rucksäcke zu klauen und Azina war im Schlaf herumgelaufen, aber Aureliane hatte sie dann doch wieder ins Lager geholt. Was aber noch verwunderlicher war, war ein Stock im Boden mit einem Pfeil darauf, der uns eine Richtung wies. Wir zuckten die Schultern und folgten dem Zeichen, einfach, weil uns eh nichts Besseres einfiel. Stundenlang folgten wir dem Pfeil! Dann sahen wir einen neuen Pfeil, folgten diesem auch wieder… wie groß war diese Höhle eigentlich? Gefühlt waren wir ewig gewandert, als wir wieder einmal eines dieser Zeichen sahen, dass sich just in dem Moment drehte, als wir seiner ansichtig wurden. Verdammtes Feenwerk! Waren wir etwa die ganze Zeit im Kreis gegangen? Wir mussten uns selbst eine neue Richtung geben, aber wie orientieren hier unten, was konnte als verlässliche Wegmarke oder Orientierungshilfe gelten? Das falsche Praiosgestirn mit Sicherheit nicht. Und die Landschaft mochte sich hinter unserem Rücken genauso schnell ändern wie wir wegsahen. Es war zum Verzweifeln. Ein Südweiser hätte vielleicht geholfen, aber die Dinger waren ja steinschwer, so etwas schleppte ja niemand freiwillig mit sich herum. Und garantiert das ein Südweiser auch nach Süden wies hätte uns in einer falschen Feenwelt wahrscheinlich auch niemand. Zum Glück wusste Sari, die das Laufen durch weite eintönige Gegenden im Norden anscheinend gewohnt war Rat. Sie setzte eine Art magisches Zeichen (dazu verbudelte sie ein Stück Fell auf einer Lichtung) und meinte, daran könne sie immer ihren dazu gesehenen relativen Standort bestimmen. Also, das ist meine Übersetzung dessen, was sie versuchte uns zu sagen. In ihren Worten hörte sich das deutlich profaner und gefühlsgesteuerter an. Auf jeden Fall funktionierte es. Irgendwann dämmerte es erneut, wir ruhten uns aus was insbesondere mir guttat, und am nächsten Morgen fanden wir sogar recht bald ein Tor das zwischen zwei Baumriesen den Ausgang verhieß. Endlich! Ich wollte einfach nur weiter. Außerdem gingen auch unsere Vorräte langsam zur Neige. Wir eilten hoffnungsfroh auf das Tor zu, als das Unheil seinen Lauf nahm. Ich hatte es nicht kommen sehen (sonst wäre ja auch nichts passiert!) und die Anderen wohl auch nicht, denn mit einem Mal spürte ich erst einen heißen Atem und dann direkt schmerzhafte Zähne in meinem Nacken. Ich schrie auf und kippte dabei vornüber, hatte kaum Zeit mir um die sicher schwere Verletzung die ich gerade erlitten hatte Gedanken zu  machen. Als ich mich aufrichten wollte sah ich noch die Krallen eines Panthers auf mich herniederfahren, dann wurde es dunkel um mich…

Ich war gestorben. Punkt. Und normalerweise ist sowas ja eine endgültige Erfahrung. Und ich kann sagen, dass es keine Erfahrung ist, die ich öfter machen möchte. Zumindest in den allermeisten Fällen ist das ja auch eine einmalige Angelegenheit, das liegt in der Natur der Sache. Da muss man nur einmal durch und dann trifft man irgendwann den Herrn Boron. Oder jemand oder etwas anderes, das hängt wohl davon ab wie man gelebt hat. Aber hier, in diesem verfluchten Feenreich lag die Sache anscheinend etwas anders. Wir erwachten alle gemeinsam in dem Raum, von dem aus wir zu unserer Erkundung dieses Höhlenkomplexes aufgebrochen waren. Nur das sich jetzt hier ein Tisch mit 10 Figuren darauf befand, von denen eine begann sich aufzulösen. Was war das für ein vermaledeites Spiel? ‚Die gehässige Stimme meldete sich wieder und teilte uns in diesem grauenvollen Tonfall mit, dass wir für immer hierbleiben würden, wenn auch die letzte Figur vergehen würde. Na toll, was für eine Aussicht… Mir ging es dabei übrigens hervorragend! Ich war frei von Wunden und Erschöpfung, ausgeruht und fühlte mich geistig und körperlich absolut erfrischt. Im Gegensatz zu meinen Begleitern und insbesondere Sari, die anscheinend aus dem Kampf gegen die Panther einiges an Blessuren davongetragen hatte. Da es mir selbst so gut ging half ich ihr mit einem kleinen Balsamsalabunde auf die Sprünge. Das war nur fair, sie hatte sich ja auch schon mehrfach um mich gekümmert! Aber hieß das nun für uns, wir mussten den ganzen beschwerlichen Weg noch einmal gehen? Ich wollte nicht wieder in diesen Dschungel! Noch einmal gefressen werden, da könnte ich guten Gewissens drauf verzichten! Ein wenig niedergeschlagen machten wir uns erneut auf den Weg, stellten aber bald fest, dass es wohl nicht ganz so beschwerlich werden dürfte wie gedacht. Anscheinend Ließ uns dieses Spiel ungehindert Räume passieren, deren Rätsel oder Herausforderung wir schon einmal bestanden hatten. Tropfwasserraum, Schädelkammer, Waffenzimmer…. All das durchschritten wir ohne behelligt zu werden. Statt in den Dschungel (zumindest vermuteten wir ich hinter der vor uns liegenden Tür) wählten wir den rechterhand liegenden Ausgang im letzten Zimmer, Sari ging voran… und war tot. Anscheinend hatte es sie ins Nichts gerissen, vielleicht war es ja der Limbus? Schwer zu sagen, wenn man das alles wegen akuten Ablebens nicht untersuchen konnte. Es war also anzunehmen, dass wir die Begrenzungen dieser Arena nicht überschreiten konnten. Eine Erkenntnis, die uns eines Zehntels unserer Überlebenschance geraubt hatte. Also musste nun ein anderer Weg her, der uns nach Möglichkeit auch direkter oder mittiger nach vorne führen sollte. Auf ein Neues…

Der nächste uns unbekannte Raum war dann schon fast widersinnig einfach zu bewältigen. 25 Rechtschritt im Quadrat, ein glatt polierter, glänzender Boden und in der Mitte ein großer Haufen Silbermünzen, rechts hinten in der Ecke ein steinernes Gesicht mit offenem Mund, dass so etwas wie einen König darstellen konnte. Hier gab es eigentlich nichts zu tun außer das Steinmaul mit den Münzen zu füttern. Konnte es so einfach sein? Azina zog Handschuhe an und wollte schon anfangen, aber mir war das Risiko zu hoch und das Vorgehen zu planlos. Im Raum selber gab es keinen Hinweis, aber irgendwie musste doch etwas damit verknüpft sein. Die einzige Überlegung die uns direkt in den Sinn kam war, wegen der ledernen Schimmelschriftrolle, das man 1666 Münzen nehmen könnte. Aber so groß war der Haufen nicht, geschätzt würde ich sagen waren das eher so um die 500 Stück. Mein Verstand ratterte fieberhaft alle möglichen Varianten durch. Ich bin zwar nicht der größte Mathematicus Deres, aber ein bisschen was musste man ja davon verstehen, wenn man sich mit der Alchemie befasst. Die Zahl aufzuspalten brachte wenig und 4 Stellen blieben 4 Stellen, auch wenn man sie umschichtete. So viele Münzen gab es nicht. Am Ende eines kurzen Denkprozesses entschied ich mich für eine Lösung, die die wenigsten Menschen Aventuriens als nützlich erachteten. Das Konstrukt nennt sich „Quersumme“ und wird durch die Addition der einzelnen Zahlen einer Ziffer gebildet. Also ein Kunstprodukt das ansonsten auch keinerlei praktischen Nutzen hat, insofern also perfekt zu diesem widerlichen Feengesocks passte! Im vorliegenden Fall der 1666 war das Ergebnis 19, aber eine Bedeutung konnte ich der Zahl darüber hinaus nicht abgewinnen. Azina zählte die Münzen in den Mund ab und tatsächlich öffnete sich uns eine bis dahin verborgene Tür. Diesem Kobold würde ich seine stinkige Schriftrolle am Ende der Reise zu fressen geben!

Auch der nächste Raum hielt uns nur kurz auf. Wieder konnten wir keine Türen erkennen. Der urige Holzbohlenboden erinnerte an eine heimelige Gastwirtschaft, die Wände waren aus Fachwerk und unterstützen diesen Eindruck. Vor einem mit reichlich Essen beladenen Tisch stand ein Stuhl wie in einem  Gasthaus und lud zum Setzen und Verweilen ein. Mein Magen knurrte! Aber ich, das hatte ich mir geschworen, würde in einer Feenwelt nichts mehr Essen das ich nicht mitgebracht hatte. Da konnte man ja nie wissen, ob man sich dann nicht in einen Frosch verwandelte, einem ein Pelz wuchs oder sonst ein Unfug passierte. Den Anderen verbot ich strikt, sich von den dargebotenen Speisen und Getränken zu bedienen. An den Wänden hingen darüber hinaus noch Bilder, Ölgemälde um präzise zu sein, die reichlich hässliche Fratzen zeigten, eine übler als die andere. Aber ein Hinweis was wir hier tun sollten ergab sich daraus nicht. Ich hatte nur immer wieder ein Auge auf den Rest, wenn sie wie die Katzen um die Milchschüssel an dem Tisch vorbeischlichen. Azina hatte dann mehr durch Zufall den Ausgang gefunden. Offenbar kannte sie die Vorliebe von Phex gesegneter reicher Männer, ihr hab und gut hinter Bildern zu verbergen – Vater hatte auch so einen stählernen Wandschrank hinter einem Porträt von Urgroßvater – nur, dass hier kein Tresor, sondern einfach eine Tür zum Vorschein kam, als Azina eines der Bilder abnahm. Wir zwängten uns hindurch ins Nebenzimmer.

Nun folgte etwas, dass uns alle täuschte und in Sicherheit wiegte. Der Raum war mit einem Kachelmosaik in grün gleichmäßig ausgekleidet, das eine angenehme Atmosphäre ausstrahlte, ja regelrecht beruhigend wirkte. Wir sahen uns um, aber das einzig auffällige war in der Mitte des Raumes am Boden ein in dunklerem grün dargestellter, stilisierter Menschenkopf dessen „Augen“ leer waren, in die also als einzige Stelle im Raum keine Steine eingelassen waren. Allerdings fanden wir auch mit intensivster Suche im ganzen Zimmer keine herausstehenden Steinchen oder etwas Anderes, dass in die Aussparungen gepasst hätte. Denn das wäre ja das naheliegende gewesen, die Leerstellen in diesem Puzzle mit den passenden Teilen zu füllen. Aureliane, die anscheinend auch etwas von Mechanik verstand wie sich nun zeigte, fühlte mit vorsichtigen Fingern in die „Augenhöhlen“ hinein. Eine vielseitige Frau, das muss ich wirklich zugestehen. Leider half ihr das nun auch nicht weiter. Zwar fand sie in den Aussparungen jeweils einen kleinen Hebel, aber als sie diese drückte – vorsichtsregeln waren ihr anscheinend dafür noch nicht so geläufig – stachen ihr 2 Dornen in die ungeschützten Finger. Das hätte man sicher noch verschmerzen können. Selbst gegen ein eventuell vorhandenes Gift hätten wir sicher etwas ausrichten können! Aber gegen die Klinge, die schräg aus einer Bodenfuge vor ihr herausschnellte und ihren Kopf vom Rumpf trennte… nun ja. Kopf ab ist leider eine ziemlich Endgültige Angelegenheit. Wieder fanden wir uns alle am Anfang wieder, eine weitere Figur verschwand unter höhnischem Gelächter. Sollte dieses verbitterte kleine Männchen doch endlich verrecken oder zumindest das Maul halten!

Das Gelaufe bis hin wieder zu einem Punkt, an dem wir nicht schon einmal waren konnte man jetzt nur noch als lästig bezeichnen. Begleitet vom konstanten dröhnen, rumpeln und ruckeln der Kammern die sich wieder und wieder ineinander verschoben hasteten wir weiter, immer in der Hoffnung eine Tür in die richtige Richtung zu finden und nicht noch einen Umweg gehen zu müssen. Als wir dann endlich ein neues Zimmer betraten war dies wenig heimelig. Um präzise zu sein war es sogar höchst unheimlich. Ein Verlies aus fugenlos aneinander gefügten Steinquadern mit vergitterten Fenstern, Eisenringen an der Wand und allem was dazu gehört. Der Boden war von Löchern übersäht, die mich das schlimmste annehmen ließen. Bolzen? Speere? Oder was mochte sonst noch aus dem Boden schießen um uns am Weiterkommen zu hindern? Dazu war die ganze Einrichtung auch noch übermäßig Eng, wo der Dschungel mit unendlicher Weite gewuchert war. Wieder lernte ich etwas Neues über eine Gefährtin. Ich wollte noch einen wirklich lustigen Scherz über einen klaustrophobischen Zwerg anbringen, als mir auffiel das Sari vor Schreck wie erstarrt war. Natürlich, sie als Kind der weiten Steppen des Nordens war so etwas nicht gewohnt. Sie hatte ja sogar schon oft genug betont, wie unwohl sie sich selbst innerhalb von Städten oder noch schlimmer einfach auch normalen Häusern mit geschlossenen Räumen fühlte. Da musste dieses Verlies für sie eine echte Qual sein, ja hatte sie regelrecht in einen katatonischen Zustand versetzt. Es bedurfte erst einigen guten Zuredens, bevor wir Sie dazu brachten, uns überhaupt einen Schritt zu folgen. Azina hatte sich wieder einmal als Vorkämpferin angeboten und tastete, ähnlich wie ich Fallen vermutend, Stück um Stück mit einem Stab in das Verlies hinein. Angespannt lauschten wir ins Dunkel, jederzeit bereit beim verräterischen Schnappen eines Mechanismus, dem unmerklichen Nachgeben des Bodens oder eines anderen Anzeichens von Gefahr in Sicherheit zu springen. Aber nichts dergleichen geschah. Zumindest nichts, dem wir körperlich hätten ausweichen können. Denn statt profaner Fallen griffen mit einem Male unzählige geisterhafte Hände aus dem Boden und packten uns. Es waren derart viele, dass es nahezu aussichtslos war, sich ihrer mit den Waffen zu erwehren, was zwar augenscheinlich ging, aber wie ein Kampf gegen Windmühlen wirkte. Darüber hinaus waren die Berührungen dieser Hände recht schmerzhaft, und selbst, wenn wir uns ihrer mit Gewalt hätten entledigen können, es wäre auf Dauer recht unangenehm, für den einzelnen vielleicht sogar tödlich geworden. Ich sammelte die Kraft im Geiste und rief mir eine Variante des Fulminictus ins Gedächtnis, denn man sonst eher nutzt um sich Ungeziefer vom Hals zu halten – WELLE DER REINIGUNG, lies ich es durch das hohl hallende Verlies schallen. Und es wirkte. Genauso schnell wie sie erschienen waren, zerstoben die Geisterhände zu nicht greifbarem Nebel und gaben uns frei. Das war gerade noch einmal gut gegangen.

Würden wir denn irgendwann einmal ankommen? Wie viele Kammern hatte dieses Spielfeld? Ich hasse es, wenn ich nicht die Kontrolle über eine Situation habe, und die Ungewissheit, wie viel uns noch bevor stand war mindestens genauso enervierend. Anscheinend spielte dieser Dreckskobold gern mit der Angst seiner Opfer. Denn der nächste Raum war zwar mit 15 auf 15 Schritt üppig groß, aber angefüllt mit Netzen und Fäden von Spinnen, deren Nester in großen Trauben dazwischen hingen. Und überall darin sahen wir auch direkt schon an der Tür etwa Handtellergroße Spinnen. Wir blieben erst einmal ruhig stehen, jeder für sich darauf bedacht nicht unvorsichtigerweise an eines der Netzte zu geraten und die Tiere anzulocken. Ich bin ja nun kein großer Tierkundler, und normal hätte ich gesagt eine große Spinne die mich fressen kann wäre doch bedrohlicher – man denke da zum Beispiel an eine Maraske, diese Tiere sind ja legendär, auch wenn ich selbst noch keines gesehen hatte. Hier aber lag der Fall anders. Sari, das Naturmädel, kannte diese Viecher selbstverständlich. Und warnte uns eindringlich vor ihnen. Saguara-Spinnen nannte sie die kleinen Krabbler, mickrige, aber hochgiftige Vertreter ihrer Gattung. Ein Biss, geschweige denn mehrere davon, würden uns wohl schneller zu Boron befördern, als wir uns versehen konnten. Also standen wir alle Steif wie die Bäume am Fleck und überlegten, was zu tun sei. Ich bot an Aureliane, die ja ansonsten auch recht furchtlos war, mit einem Armatrutz als Spinnenräumkommando voraus zu schicken. Eingehüllt in die Netzte und mit Spinnen übersäht hätten wir sie dann nur noch anzünden müssen. Die Spinnen hätten ihr dabei sicher nichts getan, nur das anschließende Feuer hätte sie wahrscheinlich etwas versengt. Aber besser als zu Tode gebissen zu werden, oder? Leider ließ sie sich auf diese Idee nicht ein. Sari, offensichtlich vom Ende meiner Idee inspiriert, bot an, einen Feuergeist zu rufen, der könne den Weg für uns völlig gefahrlos freibrennen. Das gefiel Aureliane dann schon deutlich besser. Der Haken an der Sache war nur, das wir dazu ziemlich lange würden stillstehen müssen. Und dann passierten zwei unangenehme Dinge fast zur gleichen Zeit. Zum einen stand Sari anscheinend bei ihrem Feuergeist nicht besonders hoch im Kurs, denn dieser machte keine Anstalten, uns zu helfen. Zum anderen war da die Sache mit der Selbstbeherrschung und Kontrolle. Jemand wie ich, der über eiserne Disziplin verfügt, kann natürlich minuten-, stunden-, ja im Notfall Tagelang an einem Fleck ausharren ohne zu zucken. Da mochte die Nase noch so sehr jucken, der Wille triumphiert hier jederzeit über den Körper. Und die paar Minuten die Sari da brauchte waren nun wirklich keine Herausforderung. Aber so flatterhafte Wesen wie Melissa zum Beispiel, die taten sich da natürlich schwer. Das war ungefähr so, als würde man versuchen einen Schmetterling zu fixieren. Der hält ja auch nicht still. Sie machte eine unbedachte Bewegung, und kurze Zeit später hörten wir sie aufschreien, dass eine der Spinnen sie Gebissen hatte. Nun kam es auch nicht mehr darauf an! Wir schnappten uns die rapide schnell schwächer werdende Dame Zeforika und rannten ohne Rücksicht auf die Netze durch den Raum zur jenseitigen Tür hinüber. Wir hatten kaum die Schwelle überquert, da tat sie in unseren Armen ihren letzten Atemzug…. Das Spiel begann von neuem. Wieder verschwand eine der Figuren. Und wenn ich Saris Gesichtsausdruck richtig deutete, begann sie sich langsam Sorgen zu machen.

Langsam fragte sich auch der letzte von uns, wie viele dieser Herausforderungen wir noch überwinden mussten. Allein der Weg durch bereits bekannte Räume nahm jetzt schon eine ganze Zeit in Anspruch. Als wir dann endlich ein uns unbekanntes Zimmer erreichten, war es auf den ersten Blick eine regelrechte Freude, auch wenn wir alle schon damit rechneten, das auch hier wieder etwas unerwartetes und Unangenehmes passieren würde. Wir standen in einem schönen, voll verspiegelten Raum von 6 auf 6 Schritt und 3 Schritt Höhe der von gläßernen Wänden durchzogen und in Gänge aufgeteilt wurde. Nichts deutete auf irgendeine Gefahr hin, nur der Sinn der Konstruktion erschloss sich uns nicht. Zumindest nicht, bis die krächzende Stimme des Kobolds ertönte und verkündete „Erst wenn ihr den Vogel erwischt öffnet sich die Tür!“ Wir sahen uns an. Welcher Vogel? Aber da fuhr in der Mitte des Raumes ein Podest empor, auf dem ein blauer, mechanisch aussehender Vogel trillerte und sich entgegen aller Möglichkeit in die Luft erhob. Aha! Magomechanische Bewegung würde ich sagen. Wahrscheinlich verbunden mit einem Movaria- oder Umwelt-/Nihilogravo-Komponente und phantasmorgischer Erzeugung von akustischen Effekten. Natürlich hatte mein messerscharfer Verstand sofort die wahrscheinlichste Theorie dahinter erfasst, alles andere wäre ein Armutszeugnis gewesen. Die Magister daheim hätten das Objekt sicher gerne einer genaueren Analyse unterzogen. Hier aber fehlte uns natürlich die Zeit dafür, denn aus dem Trillern des Vogels wurde bald ein lauter und schriller werdendes Crescendo welches das Glas zum Vibrieren brachte. Schnell zeigten sich erste Risse in den Scheiben. Was es bedeuten mochte wenn die Spiegel und Gläser hier mit einem mal bersten würden und wir dazwischen standen konnten sich zumindest diejenigen unter uns ausmalen, die wussten was eine Scherbe war, ganz zu schweigen von einem Scherbenregen. Allein, keiner von uns konnte dem flatterhaften Vogel nahe genug kommen um ihn zu erlegen. Aureliane griff zu ihrer Balestra und jagte, sich der Gefahr eines Fehlschusses in die Spiegel wohl bewusst, dem Flattertier eine Kugel gegen die blecherne Brust. Leider war so ein mechanischer Vogel anscheinend deutlich widerstandsfähiger als sein Pendant aus Fleisch und Blut, den das Gekreische wurde lauter und schriller. Nun stürzten wir alle los, aber es reichte nicht mehr. Ein Schrapnellhagel aus Glassplittern ging auf uns nieder. Und natürlich erwischte es mich am heftigsten von allen, wie hätte es auch anders sein sollen. Ich seufzte und hätte mir jetzt eine Plattenrüstung gewünscht, als ich mit zerschnittenem Leib meinen letzten Atemzug tat…

Wer wollte es mir verübeln, dass ich die Situation diesem widerlichen Kobold langsam persönlich nahm? Eine weitere Figur dissapparierte. Hesindeverflucht, was machten wir falsch? Gezielt eilten wir erneut zum Spiegelraum, einen völlig anderen Plan als zuvor entwickelnd. Nun ja, wir entwickelten überhaupt erst einmal einen Plan, bisher hatten wir ja keinen gehabt. Die Spiegel, die Scheiben, der Vogel… alles war, als wären wir noch nie hier gewesen und völlig intakt. Aber das änderten wir, kaum, dass wir angekommen waren. Mit gezielten Schlägen schufen wir in einer Ecke eine sichere Zone indem wir jeden Spiegel und jede Scheibe in der Nähe zertrümmerten während der Vogel sich wieder in sein Gezeter hineinsteigerte. Wir waren kaum fertig mit unserem Werk und hatten gerade noch Zeit uns für etwas zusätzlichen Schutz vor den Scherben in Decken zu hüllen, als das Inferno erneut losbrach. Mit einem krachen barsten die Glasflächen und hüllten den Raum in Splitter, überall außer dort wo wir vorher schon unser zerstörerisches Werk vollendet hatten. Nun war der Boden übersäht mit Splittern die unter unseren Schuhen knirschten, das Vorankommen erschwerten und unseren Stand wackelig machten. Aber diesmal würde uns der Vogel nicht entkommen! Aureliane nahm Maß, zielte, und mit einem peitschenden Schuss holte sie den Blechvogel aus der Luft. Der Weg war frei und die Tür öffnete sich.

Das nächste Zimmer war mit blauen Kacheln aus Aquamarin ausgekleidet und eher klein. In der Mitte war ein Wasserbecken quer durch den Raum, in das eine Wand hineinlief. Nach oben und zu den Seiten war alles abgeschlossen, also war der einzige mögliche Weg wohl durch das Wasser. Ein Blick in das klare Nass zeigte sofort, dass es sicherlich 3 Schritt nach unten ging. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Zwar war ich kein Nichtschwimmer (mehr), aber grazil wie ein Otter konnte ich mich deshalb im Wasser noch lange nicht bewegen. Erst einmal packten wir alles was möglich war wasserdicht ein. Ratlos sahen wir uns an. Leider war keiner von uns ein übermäßig begabter Schwimmer wie es schien. Niemand wollte als erster ins ungewisse tauchen. Dies war wieder einer der Zeitpunkte, an dem ich zu einer weiteren interessanten Erkenntnis kam. Die Dame Sandoval, also Aureliane, tat etwas, das sich am ehesten mit der magischen Wirkung eines Spinnenlaufs vergleichen lassen dürfte. Ein Cantus satuarischen Ursprungs, von dem ich überhaupt nur theoretische Kenntnisse hatte! War die Frau am Ende sogar eine Hexe? Das würde ich zu gegebener Zeit einmal überprüfen müssen… Auf jeden Fall bewegte sie sich an der Wand entlang wie ein vierbeiniger Arachnoid ins Wasser hinein und lief auf unter Wasser wie festgeklebt an der Wand, ein Seil hinter sich herziehend und verschwand aus unserer Sicht durch ein Loch, das wohl auf die andere Seite führte. Gespannt und atemlos warteten wir was passieren mochte, jederzeit bereit sie am Seil zurück zu ziehen. Ich weiß nicht was sie da außer Sicht getan hatte, aber in der Wand öffnete sich auf einmal ein Loch. Später erfuhr ich, dass Aureliane an einem Gitter ankam das den Ausgang versperrte, einen Ring zum Ziehen fand und erneut von einem Dorn in die Hand gestochen worden war. Der Ring öffnete den Durchgang und ermöglichte uns das Weiterkommen. Ich nahm meinen Mut zusammen und sprang mit Anlauf durch das Loch wie ein Löwe durch den brennenden Reifen. Nun stand ich allein in einem Teil des Raums mit einer weiteren Tür, einem vergitterten Loch im Boden und dann folgte mir Aureliane, die tropfnass und außer Puste war. Wir spannten das Seil und der Rest konnte uns folgen ohne in Gefahr zu geraten Nass zu werden. Nur Azina musste dann als letzte natürlich auch wieder springen, aber das stellte eine geschmeidige Frau wie sie natürlich nicht vor Herausforderungen. Eigentlich wollte ich nun beginnen mir Stücke aus den Kacheln zu brechen. Aquamarin war zwar keiner der wertvollsten Steine, aber einen gewissen Materiellen Wert und darüber hinaus andere Verwendungen, z.B. als Donaria bei Anrufungen von Wesen aus Charyptoroths Domäne, hatte ich dafür schon. Bedauerlicherweise begann die Tür sich schon wieder zu schließen, weswegen ich den Plan aufgab und dem Rest eilig folgte. Sehr bedauerlich, das wäre erneut eine günstige Gelegenheit gewesen…

Den freundlichen und entspannten Eindruck des blauen Raums stellte das nächste Zimmer einen strengen Kontrast entgegen. 25 Rechtschritt im Quadrat, mit schwarzem Samt ausgekleidet wirkte er düster und unheimlich. Neben den beiden Türen gab es je 2 Alkoven in denen sich leere Rüstungen befanden. Nun ja, hier erwartete eigentlich jeder von uns, was dann auch tatsächlich eintrat, einen Überraschungseffekt erzielte der grantige Kobold mit diesem Raum auf keinen Fall. Erwartungsgemäß setzten sich 2 Rüstungen scheppernd in Bewegung und begannen Azina und Aureliane zu verfolgen. Glücklicherweise in einem recht mäßigen Tempo, so dass die beiden keine Mühe damit hatten den Blechkameraden auszuweichen, auch wenn der Platz dafür recht begrenzt war. Ich untersuchte eilig die leer gewordenen Alkoven, fand dort aber nichts Verwertbares. Sari nahm sich der Tür an, konnte aber ebenfalls nur feststellen, dass diese verschlossen war. Um  uns die Mühe zu ersparen am Ende noch ein Gefecht mit den Rüstungen führen zu müssen versuchte ich, die Tür die uns weiter bringen sollte mittels eines gezielten Foramen-Cantus zu öffnen. Allein, als ich die Matrix wob und versuchte in das Gewerk des Schlosses einzugreifen, als ob die Tür sich regelrecht gegen meinen Manipulationsversuch wehren würde. Im Gegenteil hörte ich sogar, wie das Schloss sich anscheinend dadurch noch zusätzlich versperrte. Wo aber konnte der Schlüssel sein, viele Möglichkeiten gab es hier drin ja nicht? Ein genauerer Blick zeigte schnell, dass der Schlüssel an der Brust einer der beiden Rüstungen war. Azina und Aureliane blieb also nichts anderes, unterstützt von der Dame Zeforika, sich den Rüstungen zu stellen. Hier hätte ich mir aber lieber Faramud, den alten Drückeberger gewünscht. Die drei versuchten nach Kräften mit ihren Waffen dem leeren Ritter beizukommen, aber von besonderem Erfolg war diesen Bemühung nicht gekrönt. Schlimmer noch, Aureliane handelte sich dabei übelste Schläge ein, so dass ich befürchten musste durch ihr ableben gleich wieder im Raum am Anfang dieser Arena zu stehen. Das durfte nicht sein. Nicht schon wieder! Viel Zeit zum Überlegen blieb mir nicht, also setzte ich dem Unleben der Rüstung mit einem hasatig dahingeworfenen Fulminictus ein Ende. Scheppernd stürzte der Metallberg in sich zusammen, wir schnappten uns den Schlüssel und schleiften die bewusstlose Aureliane vor der zweiten Rüstung fliehend hinter uns her in das nächste Zimmer.

Hier erwartete uns eine Überraschung. Es war der Raum mit den grünen Mosaiken, in dem Aureliane bereits einmal geköpft worden war. Irgendwie hatte ich diesen an einer völlig anderen Stelle gewähnt. Aber das waren wohl diese unwägbaren und unsäglichen Verschiebungen. Wollte der Kobold uns diese Aufgabe erneut stellen, weil er wusste, hier hatten wir schon versagt? Gehässiger kleiner Bastard! Azina nahm sich erst einmal Zeit und flickte Aureliane wieder zusammen, es würde uns ja alles nichts helfen, wenn wir die Verblutende hier oder gleich danach verlieren würden. Der Rest ruhte sich erst einmal aus. Wie viele Stunden später es war, als wir endlich weitergingen kann ich gar nicht sagen. Aber immerhin wussten wir, woher die Gefahr hier drohte. Nachdem eine erneute Untersuchung des Raums keine weiteren Erkenntnisse brachte blieben am Ende doch nur die beiden Hebelchen in den Augenhöhlen des Schädelmosaiks. Aber diesmal waren wir schlauer. Wir würden die Hebel aus sicherer Distanz mit zwei Stäben, also meinem Zauberstab und Saris Kampfstab auslösen. Azina musste mit Alveranierszungen auf Sari einreden, die Angst hatte das die Klinge ihren Stecken zerstören könnte bis diese endlich bereit war ihn herzugeben. Ich hatte diese Bedenken mit meinem Zauberstab ja zum Glück nicht. Und tatsächlich funktionierte der Plan. Wir drückten die Hebel, die Klinge schnellte gegen unsere Stäbe und es brauchte meine ganze Kraft, damit mir dieser nicht aus der Hand gerissen wurde. Aber keinem war ein Kopf oder sonst ein Körperteil abgetrennt worden. Wir waren weiter…

Als nächstes kamen wir in einen regelrechten Saal. Ähnlich wie auf manchen Burgen hingen hier heraldische Schilde an den Wänden als Schmuck. Aber Wappenkunde ist keines meiner Fachgebiete, ob diese Wappen nun echt waren oder einfach nur der verrückten Fantasie des Kobolds entsprungen waren vermochte ich nicht zu sagen. Bedrohlicher wirkte da das Schwert, das frei fliegend in der Mitte des Saals schwebte während überall am Boden eine große Anzahl an Blutflecken verteilt war. Wen wundert es, kaum hatten wir den Saal dann betreten flog das Schwert bedrohlich durch die Luft zischend auf uns zu. Anscheinend hatte es sich Azina als Ziel auserkoren, sie war als erste eingetreten, und flog ihr durch die Luft hackend nach, während Azina wie ein Karnickel auf dem Feld haken schlagend versuchte der Klinge auszuweichen. Ich rannte durch den Saal, die Anderen im Schlepptau. Aber natürlich war die Tür auf der anderen Seite verschlossen, was auch sonst. Als ich die Klinke herunter drückte lies das fliegende Schwert von Azina ab und wandte sich mir zu. Bei Hesinde, das konnte ich jetzt gar nicht gebrauchen! Es gelang mir noch mit Mühe den ersten Schlag abzuwehren, aber der zweite Hieb hinterließ einen schmerzhaften Schnitt auf meinem Arm. Lange würde ich das nicht durchstehen! In Ermangelung anderer Ideen begannen nun alle (außer mir, ich würde mich darauf konzentrieren mich zu verteidigen falls erforderlich, außerdem sah ich keinen Sinn darin auf ein Schwert einzuschlagen!) mit Gewalt gegen die Klinge vorzugehen. Und entgegen meiner Erwartung brachte dies sogar ein Ergebnis. Es benötigte noch nicht einmal viele Treffer, da glomm das Schwert auf, zerbröselte noch in der Luft und die Tür schwang auf. Wer hätte das gedacht…?

Offenbar wurden die Spielarenen größer uns ausgefallener, je weiter wir vordrangen. Als nächstes fanden wir uns in einer riesigen, natürlich wirkenden Höhle (was aber klar nicht sein konnte) wieder in die von oben Licht hereinfiel. Überall war es nass, tropfte und ein Bewuchs von Moos bedeckte Boden und Wände.  Die Höhle musste sicherlich 60 Schritt messen! Quer hindurch zog sich ein 25 Schritt breiter Spalt. In 5 Schritt tiefe fand sich dort ein schmaler Sims, vielleicht einen Schritt breit, von dem ein dünnes Seil bis hinüber zu einem weiteren Sims lief. Die Aufgabe war also offensichtlich. Hinunter klettern, an dem dünnen Seil hinüber und dort wieder hinauf. Azina war unsere beste Kletterin und hatte auch wenig Mühe mit dieser Aufgabe. Das Seil, rief sie herüber, war abe so dünn, es würde insgesamt wohl nicht mehr als 100 Stein tragen. Zusammen konnten wir es also nicht nutzen. An den Augend er Anderen sah ich ihre Zweifel und Furcht. Und auch ich verspürte einen nagenden Zweifel ob meine beschränkten Kletterkünste für diese Aufgabe ausreichen würden. Nein, ich war mir eigentlich recht sicher, dass sie das nicht tun würden! Ratlos sahen wir uns an. Zu allem Überfluss bebte nun die Erde und kleine Steinbrocken rieselten von der Decke auf uns herab. Offenbar wollte man uns keine Zeit gönnen, eine erfolgreiche Strategie zu entwickeln. Im Notfall hätte ich es vielleicht noch mit einem Transversalis hinübergeschafft, auch wenn dieser an einen bisher nur eingesehenen Ort eine echte Herausforderung sein würde. Aber was war mit Sari, Melissa und Aureliane? Keine Chance! Die Lösung bot erneut Sari an, deren Vielseitigkeit ich langsam wirklich zu schätzen begann! Sie erbot sich, einen Luftgeist zu rufen der uns einfach der Reihe nach würde hinübertragen können. So etwas in der Art hatte ich mit Junasia ja auch schon einmal gemacht, nur war das damals im Sumpf ein Djinn gewesen. Ich wusste also, dass dies würde funktionieren können! Also votierte ich deutlich für diese Lösung und Sari machte sich daran den Geist herbeizuzitieren. Der kleine Luftwirbel der dann erschien wirkte zwar nicht besonders vertrauenserweckend, aber was sollten wir tun? Sari ließ sich zuerst befördern, und nachdem alles gut gegangen war folgten wir übrigen nach und nach. Als der letzte von uns, es war übrigens Melissa, die andere Seite erreichte erschien ein Griff an der Tür.

Das einzige, was ich diesem Kobol zugestehen muss war eine durchaus boshaft zu nennende, unerschöpfliche Kreativität. Wo nahm der Dreckskerl nur all diese Ideen her? Hatte er Hilfe beim Entwurf all dieser kranken Fantasien oder entsprang das einzig und allein seinem eigenen niederträchtigen Geist? Kaum waren wir dem Dunkel der Höhle entronnen, klapperten meine Zähne. Mit einem Mal standen wir in einer zwar grandios anzusehenden, aber niederhöllisch kalten Eislandschaft. Wände aus mit Raureif überzogenem Eis, der Boden aus spiegelglatten blanken Eis und darunter, man konnte es nur erahnen, wohl ein Eissee der nicht viel Wärmer sein dürfte. Eis, Eis und nochmal Eis. So sehr mich das normal fasziniert hätte, in Al’Anfa kannte ich Eis ja höchstens aus Erzählungen oder als nette Dreingabe in Getränken auf so mancher ausschweifenden Feier, meine Neugier auf diese besondere Erfahrung wurde schlicht durch die Tatsache zunichtegemacht, dass mir Scheißkalt war. Meine Reiserobe war auf den Süden und einen sommerlichen Ausflug nach Albernia ausgelegt, und nicht auf eine Fahrt nach Yetiland! Abgesehen davon muss ich sagen, habe ich noch nie vorher in meinem Leben derart gefroren! Ich schwor mir, auf keinen Fall und niemals im Leben im Winter gen Firun zu Reisen. Da musste man ja krank im Kopf sein, um dem etwas abgewinnen zu können. Und ich war nicht der einzige dem kalt war, was ein kurzer Blick in die Runde schnell zeigte. Alle schlugen die Arme um den Körper und sahen nach, was der Rucksack noch an Möglichkeiten sich einzuwickeln hergab. Lediglich Sari nahm die neue Umgebung recht gelassen hin – kein Wunder, für eine Nivesin musste das so etwas wie heimkommen sein, oder? Auf jeden Fall schien sie recht genau zu wissen, was zu tun war. Sie nahm ihren Stock und klopfte damit gekonnt das Eis ab. Anscheinend konnte sie am Klang oder so erkennen, wo sich ein sicherer Pfad befand. Sie meinte, das Eis wäre hier ungleich dicht, was ungewöhnlich sei. Aber was war schon normal hier? Natürlich würde auch das Eis eine perfide Falle sein um uns in den vorübergehenden Exitus zu treiben! Vermaledeiter Kobold! Aber arbeiten soll man denjenigen lassen, der sein Handwerk beherrscht. Also redeten wir Sari auch nicht hinein. Sie legte sich auf das Eis um das Gewicht besser zu verteilen und schob sich langsam vorwärts. Es sah trotzdem nach einer gehörigen Rutschpartie aus und einmal brach sie sogar knietief ins eiskalte Wasser ein, schaffte es am Ende aber sicher auf die andere Seite. Da das etwas dauerte hatten Azina und ich beschlossen, uns vorübergehend gegenseitig Wärme in Azinas Schlafsack zu spenden. Bei Rahjas baumelnden Brüsten, irgendetwas stimmte da nicht mit uns. Eine attraktive Frau wie Azina, der ich schon so oft und so nahegekommen war, hätte ich eigentlich schon mindestens, wenn nicht noch öfter… an Hagar, diesem Tunichtgut, konnte es ja nicht unbedingt liegen. Abgesehen davon das ich ja deutlich attraktiver und intelligenter war als der Bursche hätte ich wegen ihm auch keine Scheu bei Azina haben dürfen, ich war dem Mann ja zu nichts verpflichtet. Dennoch verhielt ich mich in bei Azina irgendwie… untypisch. Konnte Mann eine Frau wie sie rein als guten Freund betrachten? Oder lag es an Visaria? Während ich noch vor mich hin grübelte ging es auf dem Eis weiter. Die nächste an der Reihe war Melissa, die sich zwar nicht ungeschickt anstellte, aber trotzdem kurz vor dem Ende im Wasser landete und von Sari mit dem Stock das letzte Stück rüber gezogen werden musste. Wir übrigen seilten uns vorsichtshalber an, nur für den Notfall. Ich rutsche ebenfalls beim hinüberkriegen zweimal weg, kam aber mit nassen Beinen davon. Aureliane, von der ich eigentlich deutlich mehr erwartet hatte, da sie bisher recht gewandt gewirkt hatte, stellte sich allerdings noch schlechter an als ich und soff im Eiswasser fast ab, sodass wir sie hab steif gefroren aus dem Wasser fischen mussten. Schlotternd schleppten wir uns durch die Tür.

Der nächste Raum war eine regelrechte Wohltat. Es war schön warm und Nischen in den Wänden luden zum Ausruhen und erholen ein, was wir auch taten. Aureliane war dermaßen durchgefroren, dass ich mir sorgen machte sie könnte vielleicht einen Finger, Zeh oder sogar die Nase verlieren. Dem beugte ich mit einem kleinen Balsamsalabunde vor. Es wäre doch unschön gewesen, sie dermaßen entstellt zu sehen. Auch wenn ich gehört hatte, also theoretisch, dass der Verlust eines Körperteils auf diese Art wohl recht schmerzlos sein musste. Aber da wollte ich lieber keinen Erfahrungsbericht aus erster Hand hören von ihr. Die Dame Zeforika war derweilen nackt in ihrer Nische, da ihre Kleidung erst einmal trocknen musste und sie auch nichts Trockenes mehr zum Wechseln hatte. Anerkennend warf ich immer wieder einen Blick zu ihrem wirklich ansehnlichen Leib hinüber, bis ich von den anderen anwesenden Damen rüde darauf hingewiesen wurde, das „Glotzen“ zu unterlassen. Wenn es aber doch sonst nichts Sehenswertes, und das war die Dame Zeforika allemal, gab? Ich grummelte etwas, lies die Blicke aber nur noch verstohlen hinüber wandern, bis auch das nichts mehr brachte, weil Melissa von Azina in eine Decke gehüllt wurde.

Nachdem wir uns ausreichend ausgeruht hatten gingen wir mit neuem Mut weiter um uns alsbald in einer sehr beengten Schiede zu finden. Es war warm, regelrecht heiß, also ein brutaler Kontrast zu der eisigen Kälte vorhin. Selbst ich, und ich war ja nicht sonderlich groß gewachsen, musste den Kopf einziehen um nicht an die Decke zu stoßen. Ein kleiner Amboss war aufgestellt, dazu Hammer und Blasebalg. Die Wände waren von seltsamen Schriftzeichen überzogen, die ich allerdings nicht lesen konnte. Es könnten vielleicht einige dieser sagenumwobenen Angram-Runen sein, dachte ich bei mir. Das würde auch die niedrige Deckenhöhe erklären, eine zwergische Schmiede vielleicht? Leider war kein Zwerg zugegen den ich hätte fragen können. Die Kohle im Feuer glühte und auf dem Amboss lag der Rohling eines Schlüssels, anscheinend wurde hier von uns erwartet, dass wir uns handwerklich betätigten. Die Tür auf der anderen Seite war jedenfalls verschlossen (was auch sonst). Ich hatte meine Erfahrung ja bereits machen dürfen, aber Azina wollte es wie es aussah selbst auch noch einmal versuchen. Statt den Hammer zu schwingen zückte sie einen Alrik aus ihrem Gepäck und stocherte damit im Schloss herum. Es dauerte nicht lang, da begann ihr Türöffner zu glühen, verbog sich und war eindeutig nicht mehr zu gebrauchen. Es war, als würden sich die Türen gegen jedwede Manipulation selbständig zur Wehr setzen. Verrückt… aber wie nun weiter? Ich konnte jedenfalls aus einem Stück Stahl keinen Schlüssel anfertigen. Wieder durfte ich Zeuge ungeahnter Talente werden. Aureliane war anscheinend nicht nur eine passable Fechterin und herausragende Schützin, dazu vielleicht noch eine Hexe und ansonsten im Umgang mit ihren Mitmenschen recht gewinnend. Nein, sie war anscheinend sogar eine recht ordentliche Handwerkerin! Wie sie erklärte, war sie bei einem Mechanikus in die Lehre gegangen und durchaus in der Lage Armbrüste zu fertigen, und da diese über das ein oder andere Metallteil verfügten das es ja auch herzustellen galt, konnte sie anscheinend auch so kleine und feine Dinge wie Schlüssel fertigen. Fasziniert beobachtete ich sie, wie sie mit gezielten Schlägen dem Rohling eine Form gab, dieser grobe Schlüssel dann mit Kalkpulver das Sari in ihrem Beutel hatte, wohl für irgendwelche schamanischen Rituale, eingestäubt wurde und die sich dann beim Drehen im Schloss abzeichnenden Druckstellen mit einer Feile fein ausgearbeitet wurden. So machte man das also… Man lernte nie aus! Schlussendlich öffnete sich die Tür. Das einzige was sich mir nicht erschloss war, wo in dieser Schmiede die Bedrohung für unser Leben gewesen sein sollte. Aber gut, einmal ein so harmloser Raum war mir zur Abwechslung lieber, als das wieder jemand den Kopf verlor.

Das nächste Zimmer war wieder ziemlich groß gute 15 auf 15 Schritt bei einer Deckenhöhe von 4 Schritt. Glatt polierte Steinwände an denen sich von oben nach unten tiefe Rillen zogen waren das erste das ins Auge fiel. Das zweite, und da beschlich mich ein ungutes Gefühl, waren die zahlreichen rotbraunen Flecken an der Decke und dem Boden. Das konnte eigentlich nur Blut sein! Eine Tür war aber nicht zu sehen. Wir teilten uns auf und tasteten höchst vorsichtig die Wände ab. Blutflecken sind ja auch dem dümmsten Abenteurer eine deutliche Warnung. Ich konnte nicht genau sagen wann oder warum es passierte, einer meiner Gefährten hatte wohl etwas ausgelöst. Aber mit einem Mal erschien in der Wand eine Tür mit 3 übereinander angeordneten Schlössern und einem Schlüssel daneben. Wir sahen uns noch etwas ratlos an, als ein Rumpeln und Schaben einsetzte. Mit einem Ruck senkte sich die Decke ein gutes Stück ab. Nun war klar, woher die Blutflecke an Boden UND Decke kamen. Wir waren in eine gigantische Menschenpresse geraten, als wären wir Arangen aus denen der Saft gequetscht werden sollte. Die Schlösser waren in unterschiedlicher Höhe in die Tür eingelassen, auf 2 Schritt, 1 Schritt und 2 Spann über dem Boden. Die Diskussion in welcher Reihenfolge die Öffnung erfolgen sollte war kurz und von der sich senkenden Decke in der Logik schnell beendet. Von oben nach unten würde es wohl gehen müssen! Und wieder musste ich über Aureliane staunen, nachdem sie mich schon in der Schmiede beeindruckt hatte. Mit einem „Ich kann das“ drängte sie sich an uns vorbei und schnappte sich den Schlüssel. Dieser entpuppte sich allerdings mehr als eine Art Universal-Alrik der so leidlich zu den Schlössern passte und der Öffnenden wie es wirkte einiges an Geschickt abverlangte.  Mit dem ersten Schloss machte Aureliane kurzen Prozess wobei sie etwas wie „verdammt komplexes Zwergenschloss“ murmelte. Als das Schloss ein typisches verräterisches knacken von sich gab war die Decke bereits auf 2,80 Schritt heruntergekommen. Die besorgten Gesichter von Melissa, Azina und Sari sprachen Bände. Besonders Sari, die mit engen Räumen ja sowieso ihre Probleme zu haben schien wirkte in höchstem Maße unglücklich. Gespannt warteten wir, als Aureliane sich dem zweiten Schloss widmete. Und diesmal dauerte es eine gefühlte kleine Ewigkeit länger, bis sie auch hier mit Schweißperlen auf der Stirn Erfolg vermelden konnte. Das Schloss hatte sich ihren Bemühungen anscheinend vehement widersetzt. Ob das ein schlechtes Zeichen für das Letzte war? Die Decke war schon auf 1,80 Schritt herunter, die größeren unter uns zogen bereits die Köpfe ein und alle wirkten nun langsam aber sicher angespannt und nervös. Kein Wunder, angesichts eines quaderschweren Steins, der einen bald zermahlen würde. Alle, bis auf mich. Ich war nach wie vor die Ruhe in Person und hatte einen kühlen Kopf behalten. Nur musste ich mich jetzt entscheiden: Sollte ich in Aurelianes Fähigkeiten Vertrauen haben, oder doch lieber selbst eingreifen? Warum ich so ruhig war? Das ist schnell und einfach erklärt. Wahrscheinlich hätte nicht einmal ein Oger oder Troll die Decke stemmen und aufhalten können, selbst mit ihrer gewaltigen Kraft. Ich aber, ein schwächlicher Magus, hätte dies ohne Probleme und jederzeit zu tun vermocht! Was wieder beweist, der Intellekt ist der rohen Kraft bei weitem überlegen! Ich hätte nichts weiter tun müssen, als meinen Stab zu nehmen und ihn senkrecht unter die Decke zu stellen, sodass er nicht wegrutschen konnte. Dank der arkanen Verstärkung seiner Struktur, die er bei der Bindung an mich erhalten hatte war er quasi unzerstörbar, insbesondere durch mechanische Einwirkungen, Druck, Schläge oder sonstiges. Er hätte also ohne weiteres auch der Last eines unglaublich schweren Felsens widerstehen können. Und wenn man mich nun fragte, ja aber wie willst du ihn denn da wieder herausbekommen, wenn er denn unverrückbar mit der Last verkeilt ist? Dann hätte ich entspannt geantwortet und darauf verwiesen, ihn bei Bedarf ja seit kurzem auf das halbe Maß verkürzen zu können, sodass ich ihn bei der Tür einfach entspannt wieder hätte an mich nehmen können. Durch derlei Gedanken konnte ich also im Angesicht der Gefahr die Andere in Schrecken versetzte wie mit Eiswasser im Blut ruhig bleiben und war mir des erneuten Beweises bewusst: Der Magus war der bessere Mensch! Dennoch entschied ich mich, es darauf ankommen zu lassen und auf Aureliane zu vertrauen. Man, oder besser gesagt ich, muss seine Überlegenheit ja nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit demonstrieren. Der wahre Führer gibt auch seinen Begleitern die Möglichkeit zu Glänzen. Umsomehr wird dem Beobachter dann die Überlegenheit des Führers bewusst, wenn er seine ganze Macht präsentiert. Also ließ ich Aureliane gewähren, und sie enttäuschte mich nicht. Das letzte Schloss schaffte sie wieder deutlich schneller als das vorhergehende und die Decke hatte sich gerade einmal auf 1,20 Schritt gesenkt, als die Tür sich öffnete. Natürlich eilten wir uns nun alle durch die Öffnung zu entschwinden, längeres Verweilen wäre ja reine Torheit gewesen, auch die kleinsten von uns standen nun schon gekauert um den Ausgang gedrückt und fühlten die Last der Decke auf den Schultern. Als der Letzte von uns sich durch die verbliebene Spalte zwängte waren gerade einmal noch 3 Spann Raum übrig, aber auch dieser boshaften Falle waren wir entkommen. In Gedanken drehte ich dem Kobold eine lange Nase.

Für Abwechslung wurde auf jeden Fall gesorgt, da konnten wir uns nicht beklagen. Kaum aus der Presse heraus fanden wir uns in einem glühend heißen Vulkanschlot wieder. Umgeben von Feuer und rauchigem Vulkangestein standen wir in einem nach oben führenden Kamin an dessen Grund ein Magmasee brodelte und seine tödliche Hitze abstrahlte. Vor uns ein Spalt von 5 Schritt breite und in 5 Schritt Höhe über uns ein Gitter, dass den Schacht nach oben abdeckte. Aus dem Magmasee stieg ein derart heißer Wind herauf, dass unsere Kleider und Haare in der Luft flatterten. Und die Tür war, wie immer, auf der anderen Seite der Spalte. Der erste Gedanke der uns kam war, was einmal funktioniert hatte konnte nur gut sein. Sari beschwor erneut den freundlichen Luftgeist um uns zu tragen. Aber dieser, unverschämtes Ding das er war, verweigerte ihr einfach den Dienst. Offensichtlich hatte er heute keine Lust mehr! Da lobe ich mir doch meine Dämonen. Denen muss man zwar seinen Willen aufzwingen, aber die müssen dann wenigstens gehorchen! Da hatte sich das mit dem freundlichen Fragen erübrigt, Befehl war Befehl. Diese Geister waren, alles in allem, eben doch etwas für Anfänger und Minderbegabte die es scheuten ihre Macht wirklich mit einem fremden Wesen zu messen. Aber so war es nun einmal. Ich sollte einfach bei meinem nächsten Aufenthalt in Brabak nach dem wahren Namen des Karakil fragen, dann hätten sich solche Probleme erübrigt… Aber natürlich stand uns der profane Weg offen, wir hatten ja nur dessen Risiko gescheut. Zum Springen, besonders von dem schmalen Sims wie hier aus dem Stand, war die Distanz eindeutig zu groß. Und das Überklettern mochten einzelne von uns sicher schaffen, aber nicht alle. Wobei auch hier, wie eigentlich immer, der wache Verstand, und damit meine ich natürlich meinen, die besten Lösungen gebiert. Vielleicht unterstützt von Azina, die da da ja auch immer recht kreativ war. Azina kletterte ohne größere Probleme zu dem Gitter hinauf und brach ein Stück daraus heraus – ob das Absicht oder Zufall war konnte ich aber von unten schlecht beurteilen. Zumindest schien das Gitter durch die lange Zeit in der heißen Umgebung recht mürbe geworden zu sein und nicht mehr sicher zu tragen. Azina mühte sich durch die Lücke hindurch und balancierte auf dem Gitter zur Mitte. Dort hängte sie ein Seil mit Wurfhaken in eines der Gitterkreuze ein und ließ das Ende zu uns herab, bevor sie den Weg fortsetzte und auf der anderen Seite gekonnt herabkletterte. In das Seil war von ihr noch eine Fußschlaufe für nicht ganz so gute Kletterer gebunden worden. Und, so der Plan, musste man nur in die Schlaufe steigen, sich hinüberschwingen um dort von ihr in Empfang genommen zu werden und dann wieder aus dem Seil steigen. Simpel eigentlich und sicher. Und genau so sollte es sein! Zuerst schwangen sich Sari – ohne Probleme – und dann Melissa hinüber, die aber zwei Anläufe benötigte, weil sie den Abstieg nicht ganz schaffte. Dann kam ich an die Reihe. Es war zweimal gut gegangen, also dachte ich mir nichts Böses dabei und soweit hatte ich noch vertrauen in meine Fähigkeiten, einfach hinüber zu schwingen wie ein Affe an der Liane. Aber es sollte anders kommen. War das ein gemeines eingreifen des Kobolds, oder der blanke Zufall? Jedenfalls hatte ich das Seil kaum mit meinem Gewicht belastet, da spürte ich schon, dass etwas nicht stimmen konnte. Das Gitterkreuz an dem wir das Seil eingehängt hatten gab nach, und das obwohl ich doch wahrlich kein Schwergewicht war! Es dauerte nur den Bruchteil eines Wimpernschlages, dass mein Verstand diese Tatsache realisierte und die Zeit sich zu verlangsamen schien, als würde sie durch zähen Brei gebremst werden. War es real überhaupt möglich Satinavs Fluss zu verlangsamen? Oder war das nur der Eindruck, den mir mein nun wie rasend arbeitender Geist vorgaukelte. Ich nahm noch wahr, spürte mehr, wie Aureliane hinter mir mit einem verzweifelten Schrei ins leere Griff und mich nicht mehr halten konnte, während mein Körper über die Kannte kippte und seinen Sturz Richtung Feuersee begann. War da ein höhnisches Lachen im Hintergrund zu hören? Ich handelte, halb bewusst, halb aus Reflex. Und dieser Reflex kam mich, im Nachhinein betrachtet, ziemlich teuer zu stehen. Aber im Angesicht des Todes darf schon einmal der Körper das Szepter des Handelns in die Hand nehmen. Und den ganzen Weg erneut gehen hätte ich ja auch nicht gewollt. So schoss also wie eine Boronsotter meine Hand an die Gürteltasche, riss das dritte Fläschchen von rechts heraus, entkorkte es geübt mit dem Daumen und führte es an den Mund. Mitnichten nahm ich einen letzten Zug aus der Schnapsflasche. Dieses Fläschchen enthielt das Levitationselixier, welches ich dem unseeligen da Costa in dem Echsentempel im Sumpf abgenommen hatte. Bis dato war mir der Nutzen einer solchen Tinktur ja nicht bewusst. Jetzt aber verstand ich. Goldene, schwebende Tröpfchen ergossen sich in meinen Mund, wurden geschluckt und ich verspürte ein Gefühl von… Freiheit? Leichtigkeit? Es war schwer zu beschreiben, wie es sich anfühlte, wenn man auf einmal von den Fesseln des Griffs Sumus entbunden war. Die Hitze war mit jedem Schritt den ich gefallen war angestiegen, aber ich hatte eigentlich gar keine Zeit, die Unerträglichkeit wahrzunehmen. Kaum war die Macht Sumus gebrochen mich in die Tiefe zu ziehen, setzte auch schon der unnachgiebige Sog der heißen Luft ein, beendete meinen Fall, kehrte diesen um und trieb mich seiner gewaltigen Kraft nach oben. Ich musst wohl dankbar dafür sein, denn auch wenn mein Körper nun nichts mehr wog, die Dinge die ich bei mir trug taten dies dennoch und hätten mich wohl ansonsten auch weiter in die Tiefe gerissen. So aber bauschte sich meine Robe auf, spannte sich um mich wie die Flügel eines Flughundes und trieben mich im heißen Atem Ingerimms wieder hinauf in die Höhe, weg von den todverheißenden brodelnden Magmen. Ich schluckte trocken, als sich meinem Verstand die Situation in ihrer Gänze eröffnete. Eine schrille, kreischende Stimme ertönte und brachte mit einem einzelnen Wort die Halle zum Beben: „Betrug!“ schallte es in die aufgeheizte trockene Luft. Ich hatte dem Kobold den sicher geglaubten Sieg, meinen erneuten Tod, abgerungen. Allein dafür war es mir den Verlust des Elixiers, immerhin im Gegenwert von etlichen Dutzend Dukaten, wert. Soll er doch an seiner Wut ersticken! Das Seil war aber leider verloren, nun gut, damit würde Azina aber leben können hoffte ich. Aurliane musste nun als letzte hinüberklettern, es ging ja nicht mehr anders, aber sie hatte das recht gut im Griff. Mein Herz raste noch vor Anspannung, als ich in den nächsten Raum hinüberschwebte.

Die nun folgende Kammer war zwar ungewöhnlich, aber im Vergleich zu anderem was wir heute schon gesehen hatten fast wieder konventionell zu nennen. 12 Schritt im Quadrat, die Wände aus rotgelben versteinertem Sand an der Wand der aber dennoch fortwährend in 6 rote und gelbe Muster am Boden floss, weswegen der Sand am Boden fortwährend in Bewegung zu sein schien. Gut, von Treibsand hatte eigentlich jeder schon einmal gehört, Vorsicht war also angebracht. Azina begann, behutsam im Boden zu stochern um die Tiefe des Sandes zu ergründen. Aber die drohende Gefahr hatten wir da wohl falsch eingeschätzt. Denn aus dem Sand erhoben sich, wie von unheiliger Hand erhoben, 3 Gestalten die Azina in ihrer Erscheinung frappierend ähnelten, nur, dass sie eben auch aus Sand waren. Ich hatte in einer Lektion an der Universität, zum Thema Zauberei der Tulamidenlande war das glaube ich, schon einmal von so etwas gehört. Sandgolems, oder so ähnlich, eine Kuriosität wie sie eben nur die Zauberer der Wüste erfinden konnten, die ja außer Sand eh nichts zur Hand hatten. Aber, so glaubte ich in Erinnerung zu haben, gefährlich waren diese allemal. Und sie griffen uns ohne große Umschweife an. Allerdings hatte ich die Gefahr wohl überschätzt. Denn während ich noch unter der Decke herumschwebte und nur versuchen konnte ohne festen Stand meinen Stab von oben auf den Feind zu schwingen, erschoss Aureliane den ersten, Azina erdolchte den zweiten und den letzten erlegte dann wiederum Aureliane mit ihrem Degen. Da beim zweiten berühren des Sandes nichts weiter passierte war der Weg nun anscheinend frei.

Und wir hatten es endlich durch diese Perversion einer Arena geschafft, wie es schien. Wir fanden uns vor einem offenen Burgtor das zum Zerrbild einer Burg gehörte. Wasserspeier mit Fratzen zierten die Mauern. Hinter dem Tor war ein viel zu steiler Bergfried und an dessen Fuß erwartete uns ein Eber auf zwei Beinen vor einer vergitterten Kammer. Aus dem Gitter hingen Hände heraus, die wohl zu der Dame gehörten, zu deren Rettung wir hergekommen waren. Der Eber hatte ein Schwert in der Hand und eine Streitaxt geschultert. Der kurze Diskussionsversuch den wir starteten ignorierte die Sau schlicht. Stattdessen griff er uns wild grunzend und heranstürmend an – aber damit hatten wir fast gerechnet. Sari schoss mit dem Bogen und traf. Die Kugel aus Aurelianes Balestra prallte wie von Zauberhand gehalten von dem Eber ab. Ich verpasste unterdessen Azina noch als kleine Unterstützung einen Armatrutz, nur für den Fall der Fälle. Hätte ich mich lieber einmal selbst geschützt! Azina explodierte regelrecht vor Geschwindigkeit und verschwamm vor meinen Augen, aber der Eber tat es ihr gleich. Auch hier musste wohl Zauberei am Werke sein. Dann begannen wir alle auf das Vieh einzuhacken und es dauerte nicht lang, da war die Sau tot. Nur, dass ich schon wieder einmal eine schmerzhafte Wunde an der Brust dabei davongetragen hatte. Das geschah mir in letzter Zeit eindeutig viel zu häufig! Aber lohnen sollte es sich wenigstens. Ich begann mit einem Messer, die Borsten des Biestinger abzurasieren. Wer wusste schon, wofür man so etwas einmal brauchen konnte? Borsten von einem Feenwesen? Das war ja so etwas wie Haare. Für irgendetwas würde man das sicher benötigen. Dann heilte ich mich noch selbst mittels Balsam, nur für den Fall, dass es doch noch nicht ausgestanden war, während die Anderen Praiadet befreiten.

Erneut war dieses hässliche Lachen zu hören, während die Festung begann sich vor unseren Augen wie eine schlecht gemachte Illusion aufzulösen. Der einzige Weg der weiter führte war die Wendeltreppe, die den Bergfried hinaufführte. Wir rannten los. In das graue Nichts das uns dabei folgte wollte niemand fallen. Das hatten wir ja bei einer der Türen schon einmal erlebt, und ob wir nun noch einmal von vorne beginnen könnten wagte ich zu bezweifeln. Als wir oben ankamen löste sich alles um uns herum auf und wir fielen… aus gerade einmal 2 Schritt Höhe klatschte ich am Boden auf wie ein Apfel der vom Stamm gefallen war. Vor uns baute sich ein, nein das aufgebrachte Sekretarius-Kaninchen auf und begann aufs übelste zu schimpfen. Wir waren im Eingangsbereich herausgeschleudert worden und da gab es, wie wir wussten, einen wohltuenden Nebel in den wir eintauchten und uns bald besser fühlten. Das Kaninchen rief unterdessen, wohl merkend das seine Schimpftiraden nichts brachten, nach Meister Brommel dem Dachs. Als dieser erschien wurde ich erneut Zeuge einer Groteske. Aureliane war wohl der irrigen Meinung, bei den Feen gäbe es so etwas wie eine übergeordnete Rechtstaatlichkeit und wollte sich offiziell gegen den Kobold beschweren, ja diesen gar von ein Feengericht bringen. Hatte man so einen Blödsinn schon einmal gehört? Man überlege nur einmal, diese Feen hatten ja gar kein niedergeschriebenes Recht, was ja die Voraussetzung für eine vernünftige Prozessführung wäre. Wie sollten sie dann denn ein Gericht haben? Meister Brommel eröffnete uns daraufhin, es sei schwer des Kobolds habhaft zu werden, er bezeichnete ihn als Globulenflüchtling, der häufig seinen Anwesenheitsort ändere um dort wo er war für Ärger zu sorgen. Aber das er den Eber geopfert habe um seine eigene Flucht zu decken würde er wohl der Königin vortragen wollen. Dann begann das handeln, sowohl um Praiadet als auch das Labyrinth als Heimat der feeischen Wesen und unsere eigene Freiheit. Am Ende waren wir uns dann aber einig. Denn Praiadet als neue Junkerin gelobte, dass die Hecke und der Garten für immer unter ihrem Schutz stehen würden und kein Grauweltler diesen mehr betreten solle. Zusätzlich würde man einmal die Woche eine Kanne Milch vor den Eingang stellen. Im Gegenzug durften wir ungehindert ziehen und sogar den Fluch würde Meister Brommel von den Knechten Nase und Ohr nehmen. Das so etwas eine Strafe war hatten meine Begleiter wohl zum Teil vergessen, denn Sari bat nun darum, offenbar fasziniert von der Vorstellung eines veränderten äußeren, Wolfsohren angezaubert zu bekommen. Meister Brommel erfüllte ihr diesen Wunsch quasi mit einem Fingerschnippen und Schulterzucken. Wobei ich es bei Sari im weitesten Sinne noch verstehen konnte. Soweit ich es bisher verstanden hatte verehrte ihre rückständige Kultur den Wolf quasi als eine Art göttliches Wesen, insofern war es nur einleuchtend, dass sie sich wünschte Aspekte dieser vermeintlichen Göttlichkeit zu teilen. Bei den primitiven und weniger gebildeten Völkern mag das ja noch angehen. Die Dame Zeforika hingegen sank zu diesem Zeitpunkt in meiner Achtung ein gewaltiges Stück nach unten. Sie empfand das Ganze offensichtlich einfach nur als albernen Spaß und wünschte sich einen Elefantenrüssel! Will man sich das vorstellen? Ein durchaus attraktives Gesicht wie das ihre, entstellt von einer dicken grauen Wurst die da herabbaumelte? Ich war entsetzt ob des Ansinnens, und dann noch einmal viel mehr ob des Aussehens, als Meister Brommel auch diesem Wunsch folgte. Es wirkte einfach nur Grotesk! Ich hätte mich so jedenfalls nicht auf die Straße getraut. Das Gespött der Leute wäre man daheim gewesen, oder zumindest eine Kuriosität für irgendeine drittklassige Wanderausstellung. Zu allem Überfluss meinte Melissa auch noch, ihren Rüssel im Scherz an mir ausprobieren zu müssen und spritzte mich mit einer beträchtlichen Menge Wassers nass, was bei ihr zwar für höchste Erheiterung und Lachanfälle sorgte, mich aber einfach nur verärgerte. Und mit diesem albernen Mädchen sollte ich den größte Schatz Aventuriens bergen? Lachhaft! Als dann auch noch die ob ihres verlorenen Freundes rachsüchtigen Elstern erneut im Sturzflug auf mich herabstießen und mit ihren Exkrementen bombardierten war das Thema Feen einmal mehr für mich erledigt. Lediglich Meister Brommels warnendem Blick hatten die Krähenvögel es zu verdanken, dass ich sie nicht samt und sonders mittels Fulminictus aus dem Himmel blies. Mit vor Zorn gerötetem Kopf stapfte ich ohne ein weiteres Wort davon.

Als wir zurück zum Gut des Junkers kamen waren, wie man uns berichtete, auf Dere gut 1,5 Wochen vergangen. Man hatte uns bereits vermisst, wenn nicht gar tot geglaubt. Umso mehr freute man sich nun über unsere Rückkehr, insbesondere da wir die Braut des Junkers auch noch dabeihatten. Als ich die beiden das erste Mal wirklich nebeneinanderstehen sah bedauerte ich im Stillen schon die armen Kinder, die aus dieser Verbindung hervorgehen mochten. Da wäre wohl so manche Chimäre die ein Magier schaffen konnte von erfreulicherem Anblick, als dass was hier zu erwarten war… Sari und Melissa wurden ob des  „bößen feeischen Hexenwerks“ das an ihnen gwirkt worden war besonders bemitleidet. Dann übergab Azina dem Junker die Knochen und den Schild des Ritters, was diese erneut zu ehrlicher Dankbarkeit veranlasste. Zumindest war er kein schlechter Mensch, sondern eben nur ein besonders unansehnlicher. Das eine ging zwar gelegentlich mit dem anderen einher, hier aber wohl nicht. Im Gegensatz zu, sagen wir einmal dem berüchtigten Xeraan, wenn man den Geschichten glauben darf, über diese bucklige, bösartige Scharade eines Magiers. Da waren sowohl Leib als auch Seele verdorben, wie man sagte. Der Junker ließ es sich nicht nehmen uns die versprochenen 10 Dukaten sowie die Schatulle auszuhändigen. Erwartungsvoll öffnete Melissa das Kästchen, machte jedoch gleich darauf ein enttäuschtes Gesicht. Es war leer. Aber was hatte sie erwartet, dass ihr der Schlüssel direkt in die Hände fiel? Wir reichten das Stück herum, aber schlussendlich war es Aureliane mit ihren mechanischen Kenntnissen, die eine Stelle fand an der ein eindrückbarer Mechanismus verborgen war. Eine kleine Holzplatte sprang auf und darunter fand sich der gesuchte Schlüssel. Ein seltsamer Schimmer ging von ihm aus, der Bart war aus Gold oder zumindest vergoldet und der obere Teil bestand aus einem seltsamen Geflecht. Nach kurzer Inaugenscheinnahme vermutete ich, es könnte sich um eine Karte handeln, so man alle Schlüssel zusammensetzte. Das dies richtig sein könnte wurde dadurch bestärkt, dass der zweite Schlüssel den Melissa besaß nahtlos zu dem ersten passte. Aber wenn Melisas Freund der Avesgeweihte den Weg schon kannte würden wir ja keine Karte benötigen, oder? Die Schlüssel hingegen natürlich schon, es galt ja sicher eine Tür zu öffnen. Dann ereilte uns, zumindest in meinen Augen, das nächste Unglück. Junker und Braut luden uns, selbstverständlich, als Ehrengäste zu ihrer Hochzeit ein. Oh Herrin Travia, musste das sein? Wie spannend konnte eine Hochzeit in dieser Einöde schon werden. Saurer Apfelwein und zu schiefer Musik herumtrampelnde Bauern? Ich wäre lieber heute als morgen direkt weitergezogen! Leider sahen das einige meiner Begleiter anscheinend anders…

Dieser Eintrag wurde am 23.01.2020 (14:03) verfasst und 545 mal aufgerufen.
Kommentare:

Sehr schön geschrieben, insbesondere Viktors Arroganz kommt trefflich zum Ausdruck (grins)

Thomas
16
Geschrieben:
7.02.2020 (21:57)
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