Tagebuch von Victor Dondoya Aureumresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Der Diskus

Die Anfahrt von Fasar nach Kunchom per Schiff den Mahanadi runter war deutlich bequemer als der Weg nach Fasar hin. Sari die nach wir vor immer Einwände gegen jede Art von Schiffsreise hatte war kurz von uns getrennt zu Fuß flussabwärts unterwegs aber wenn ihr das so lieber war, was sollten wir sie zwingen? Am Ziel fanden wir uns ja so oder so wieder.

In Kunchhom bezogen wir dank Melissas üppiger Barschaft einige Zimmer Hotel erhabener Mahanadi, das sich sicher keiner von uns ohne sie hätte leisten können. Es gab eine kleine Diskussion um die Zimmerverteilung, insbesondere wer die Dienerkammer belegen sollte. Aber ich durfet wie meist ein Einzelzimmer beziehen, was natürlich meinem Stand angemessen war. Wobei ich nach wie vor kein Problem damit gehabt einen Raum mit einer unserer hübschen Begleiterinnen zu teilen.

Einer der Boten des Hotels mit Namen Hablid, wurde uns als Führer zum Hafen und zum Maraskankontor an die Seite gestellt. Das sei wohl der richtige Ort um eine Überfahrt auf diese exotische Insel zu organisieren. Das große Backsteingebäude war umstanden von einer  Ansammlung kleiner Hütten und ein Schild wies unmissverständlich auf das Handelshaus Dachmani hin, eine echet Legende auch in den Händlerkreisen meiner Heimat! Ich kenne mich da nicht übermäßig aus, aber vom legendären Ruban al Dachmani hatte sogar ich schon gehört. Ein stattlicher Tulamide mit voluminösem Vollbart bat uns zum Tee herein und erkundigte sich ob wir etwas kaufen wollten oder eine Überfahrt benötigten. Er stellte sich als Rachman ibn Dachmani vor, wohl ein Sohn oder sonstiger Verwandter des legendären Rieslandfahrers. Faramud sprach für uns, um eine Passage nach Boran zu erfragen. Dachmani suchte in einem Buch für uns nach einer Fahrt und wurde schnell fündig, das Schiff nannte sich Schanchan und würde schon in 2 Tage ablegen. Wir freilich noch Rücksprache mit unserer Arbeitgeberin halten müssen um ein Angebot zu machen und würden dann 6 Personen und einige Tiere sein. Der Preis schien für die Passage sehr günstig, ein gutes Fünftel unter den üblichen Tarifen, nachdem Faramud wie beiläufig den Namen Zeforika fallen ließ. Der Herr Dachmani würde wohl gern mit seinem Angebot zukünftige Geschäfte mit dem Haus Zeforika anbahnen. Aber so war das nun einmal in diesen Kreisen… erst gab man, dann bekam man…

Atzina war auf dem Weg nach Maraskan nun wieder als Zefira unterwegs, wir durften ihre bedrohte Gesundheit bei der Reise in ihre Heimat nicht vergessen. Auf diese Gilde von der sie sich lösen wollte war ich nun richtig gespannt.

Wir trafen uns gegen die dritte Stunde wieder im Hotel. Melissa gefiel das Haus so gut, dass, sie auf jeden Fall hier bleiben wollte. Unsere Zimmer im 4. Stock hatte einen guten Blick über die Stadt. Kunchom hatte einen sehr eigenen Reiz aus dieser Perspektive, das musste ich zugeben. Als wir uns bei Melissa trafen bekamen wir gerade nochmit wie sie sich mit der Signora stritt, es ging anscheinend um einen Kerl Namens Beleman, auf den Beide ein Auge geworfen hatten. Der Streit schien zu eskalieren, da Aureliane mitsamt Gepäck von dannen stürmt „Macht Euren Scheiß doch alleine…“ waren die letzten Worte die ich von ihr vernahm bevor sie die Treppe wie ein Rondrikan hinabpolterte.

Melissa schien etwas durcheinander. Die Signora hatte auf der Fahrt hierher wohl ein Techtelmechetl mit diesem Beleman, auf den auch Melissa gern Ansprüche erhoben hätte. Weiber… Pamina tröstete Melissa, während Sari uns nun irgendwelche seltsamen Geschichten erzählte, dass sie drei Monde weg gewesen wäre und in diesen ihr ganzes Geld ausgegeben hätte. Sehr seltsam und ich verstand nicht ganz, was sie damit meinte, immerhin waren wir ja keine Woche getrennt gewesen. Aber sie ging dann wie üblich außerhalb der Stadt übernachten und klärte dieses Mysterium nicht weiter auf. Wahrscheinlich hatte sie eh nur auf dem Weg den Fluss entlang mit irgendwelchen Hirten zu kräftig an deren Rauschkrautpfeifen gezogen.

Atzina erzählte, sie hätte gehört die Schwarzmaraskaner würden einen Angriff auf Boran planen. Das wäre für unser Vorhaben natürlich sehr unerfreulich. In Kriegsgebieten waren wir zuletzt genug unterwegs gewesen. Pamina wollte Melissa von ihrer völlig überzogenen Trauer um Beleman mit ein wenig Wein, Bad und Bespaßung ablenken. Atzina war begeistert von der Idee. Und ich begleitete die Mädchen selbstverständlich um auf sie aufzupassen. Auch Faramud hat diesen Gedanken, so dass wir dann von Hablid geschlossen zum Badehaus beim Rahjatempel gebracht wurden. Nun, das konnte ja nur ein guter Abend werden, oder?

Am Eingang des Badehauses stand ein großer, speckiger Eunuch mit Fistelstimme. Im Vorraum halfen uns Jungen und Damen aus den Kleidern, ein künstlicher Wasserfall diente uns zur Reinigung vor dem eigentlichen Dampfbad. Im Namen Rahjas wurde kühler Wein  gebracht, dazu eine Karaffe mit Wasser. Außer uns waren viele andere Leute da die einfach die Entspannung genossen. Das Plätschern des Wassers und die Musik machten uns schläfrig. Nur Faramud postierte sich steif wie eine Eisenstange neben Melissa und Pamina, die wegdösten. Ich war zwar etwas dusig, blieb aber gemütlich auf eine Liege gefläzt wach und beobachtete die Anwesenden.  Hier ging es deutlich weniger Rahjanisch zu als ich vermutet hätte, aber die gelöste Atmosphäre und Stimmung hatte auch einen ganz eigenen Zauber. Nach guten 3 Stunden gingen wir sehr entspannt wieder ins Hotel zurück und hatten ordentlich Hunger. Diesem Faramud würde irgendwann jemand einmal beibringen müssen wie man sich amüsierte. Der konnte einem ja jede Stimmung verderben. Aber da würde sich sicher noch eine Gelegenheit bieten.

Wir nahmen ein leichtes Abendessen auf der Dachterrasse der Suite ein, gingen dann aber, weil Melissa mit Pamina ihre Ruhe haben wollte, auf unsere Zimmer. Die beiden Mädchen hatten da wohl noch Weiberkram zu bereden. Am nächsten Morgen wachten zeitig auf. Nach einem guten Frühstück wollten  wir wohl zum Handelshaus Dachmani gehen.  Sari hatte die üblichen Sorgen wegen der Dauer der Überfahrt, aber es würde mit einem schnellen Segler wohl nur vier bis 5 Tage dauern. Leiter bedeuteten schnelle Schiffe meist etwas weniger Komfort. Ich hätte ja lieber ein bequemeres Schiff, das auch etwas länger fahren dürfte. Aber die anderen haben es anscheinend eilig, also würden wir wohl direkt das nächste Schiff nehmen. Melissa schloss den Handel und bezahlte die Passage direkt bei Rachman ibn Dachmani, der sie wie ein dicker Hund hofierte. Morgen zur siebten Stunde sollten wir zur Abfahrt im Perlenmeerhafen sein. Das war gut, denn so konnten wir den Tag zur Not noch nutzen um Dinge zu besorgen, die man auf Maraskan gebrauchen konnte.

Ich fragte Atzina direkt deswegen, sie sollte sich ja auskennen in ihrer Heimat. Die Basare Kunchoms waren ja dafür berühmt, dass man hier alles erwerben konnte, wenn man nur das nötige Geld besaß. Aber anscheinend war Maraskan weit weniger exotisch als ich erhofft hatte. Das meiste was Atzina aufzählte besaß ich bereits seit wir uns bei Brabak einmal durch den Dschungel geschlagen hatten. Und das wenige was fehlte würde ich wohl in Boran vor Ort bei Bedarf sogar günstiger als in Kunchom erwerben können. Also was tun mit dem angebrochenen Tag?

Heute war der 15. Hesinde, was andernorts ja ein sehr ungemütlicher Monat gewesen wäre, also insbesondere im Norden. Aber hier in Kunchom, und wohl auch in Maraskan war das Klima ein gänzlich anderes und zu dieser Jahreszeit deutlich milder. Faramud, der sich schon das ein oder andere mal als erstaunlicher Quell unerwarteten Wissens entpuppt hatte erzählte uns von der Geschichte der Stadt, deren Ursprünge wohl in fernster Vergangenheit lagen. Und da eines der spannendsten Gebäude wie in jeder Stadt die Magierakademie war, die hier Al‘lAchami genannt wurde, beschlossen wir, dorthin zu gehen. Für mich gleich in zweierlei Hinsicht erfreulich, denn ich wollte dort unbedingt einmal nachfragen, zu welchem Taxus man dort die Ringkunde für Fortgeschrittene erwerben könnte. Und für Atzina hatte ich mir ja ein Artefakt überlegt, dass man hier sicherlich als Auftragsarbeit würde herstellen lassen können. Allein unser Zeitfenster mochte da jetzt etwas problematisch sein…

Wir überquerten eine lange Brücke die sich über einen Arm des Mahanadi spannte. Die breite dieses Flusses war wirklich respekteinflößen. Schwimmend hätte ich ihn sicher nicht durchqueren wollen. Als wir vor den kuppelgeschmückten, palastartigen Mauern der Akademie standen, die einen Eindruck bot als wäre sie direkt den Märchen entnommen worden, reihten wir uns zunächst in eine Schlange von Männern und Frauen an, die dort bereits an den Toren anstanden. Aber wir standen kaum, da rief mich von vorne einer der örtlichen Kollegen an und an der Schlange vorbei. Er hatte mich in meinem Gewand natürlich sofort als Mann des arkanen erkannt und beschlossen, das es unter unserer würde war, mit dem Pöbel auszuharren.

Meine Anliegen waren natürlich nichts, was man an der Tür wie fahrende Händler besprechen sollte, deswegen bot man mir eine kurze Führung durch die noblen Hallen an um mich am Ende zum Bibliothekarius zu geleiten. Ich muss zugeben, der Prunk der hier zur Schau gestellt wurde machte mich schon etwas neidisch… Geldsorgen schien die Akademie hier nicht zu haben. Wir waren kaum um ein paar Ecken herum gekommen, da wartete schon die nächste Überraschung auf mich. Als ich in einen neuen Bogengang einbog sah ich wenige Schritt vor mir, in Gedanken versunken, eine Frau in weißem Gewand mit feuerrotem Haar, mir das markante aber hübsche Profil zugewandt, dass ich schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen hatte. Das war eindeutig Junasia, die Feuermagierin mit der ich schon die Zyklopeninseln bereisen durfte und die sich so ich versagen sollte um Nandurin würde kümmern sollen.

Ich stieß, sehr unmännlich, einen spitzen Freudenschrei aus und warf mich ihr regelrecht an den Hals um sie zu drücken. Damit hatte ich als allerletztes gerechnet.  Aber was für eine Freude! Auch Faramud schien sie zu kennen, verhielt sich ihr gegenüber allerdings deutlich reservierter. Das konnte doch kein Zufall sein! Ich begann mit flinker Zunge auf sie einzureden und zu überzeugen mit uns zu kommen. Und welche Frau konnte meinem Charme schon wiederstehen?  Bald war es so gut wie ausgemacht, um Melissa machte ich mir da keine sorgen. Und Junasia würde sich nur irgendwie von einem lokalen Magister freistellen lassen müssen, in dessen Diensten sie gerade stand um Einblick in ein Buch über Edelsteine zu erlangen. Ein alter Zausel Namens Rakorium, aber den würde sie sicher auch um den Finger wickeln. Meine Anfrage nach dem Buch und dem Artefakt für Atzina, die ich natürlich trotzdem noch stellte, aber jetzt deutlich weniger enthusiastisch, waren auf einmal nur noch Randnotizen.

Zurück im Hotel erwarteten mich dann zwei weitere Überraschungen. Die erste war wenig verwirrend. Aus Richtung des Zimmers von Melissa hörte man Geschirr scheppern, sie hatte ihre Wut anscheinend immer noch nicht überwunden. Aber als ich ihr Junasia vorstellte nahm sie sich zusammen und die beiden wurden sich schnell Handelseinig, da sowohl ich als auch Faramud für sie sprachen. Unsere neue Begleitung würden wir heute Abend mit einem Glas guten Dattelweins begießen! Atzina, die sich uns bei der Akademie nicht angeschlossen hatte, kam völlig verändert zurück. Sie hatte die Haare anders, jetzt quasi komplett dunkel und ohne diesen schönen lila Schimmer der sie sonst umspielte, die Kleidung getauscht sah sie nun aus wie jede andere Tulamidin dieser Lande.  Wenn wir sie nun Zefira nannten, würde sie wahrscheinlich so leicht niemand erkennen können. Das konnte ja heiter werden, hoffentlich waren wir alle in der Lage, unsere Zunge in der Öffentlichkeit zu hüten.

Wir fanden ein gutes Haus, in dem ordentlicher Wein, insbesondere der honigsüße aus Datteln, serviert wurde. Der Abend begann wirklich heiter zu werden, nur Faramud hatte wieder einmal mehr als nur einen Stock im Hintern. Das war schon ein veritabler Baum, im mindesten! Stocksteif stand er in Melisas nähe und warf jedem einen bößen Blick zu der ihr zu nahe kam, was in einem Gasthaus durchaus vorkam. Dabei hielt er sich die ganze Zeit an einem Becher Tee fest und erzählte zwischendrin seltsame Geschichten und warum er Junasia wohl doch irgendwie respektierte, auch wenn Frauen die zaubern das schlimmste überhaupt seien. Der Mann musste unbedingt einmal etwas lockerer werden. Ich drückte mich, sehr unauffällig wie ich fand, im Lauf seiner Erzählung in seine Nähe und versuchte mit einer eleganten Drehung meines Handgelenks seinen Tee mit etwas Dattelwein „aufzuwerten“. Leider bemerkte er es vorher und hielt mein Handgelenk fest. Was die Kraft anging war ich unserem Totschläger natürlich bei weitem nicht gewachsen… aber dafür gelang es mir mit wohlgesetzten Worten ihn davon zu überzeugen, das ich leider anscheinend unsere Becher verwechselt hatte. Kann ja mal vorkommen…

Am nächsten Morgen gingen wir zeitig, zur Hesindestunde, zum Perlenmeerhafen. Wir wollten ja nicht unsere Passage verpassen. Dort erwartete uns, ich das muss ich neidlos anerkennen, eine schnittige 3-mastige Thalukke die gerade die letzte Ladung an Bord nahm. Ich selbst mag ja Galeeren lieber, das gehört wohl zum Lokalpatriotismus bei uns, aber dieses Schiff machte schon etwas her. Der dicke Dachmani verabschiedete das Schiff persönlich und nahm uns in Empfang. Mit blumigen Worten vertraute er uns dem Kapitän an, ein Seebär wie er im Buche stand. Melissa bekam natürlich die beste und auch einzige Unterkunft, die sonst der Kapitän bewohnte. Wir anderen mussten uns mit Hängematten unter Deck begnügen und sollten einfach versuchen nicht im Weg zu stehen. Zum Glück habe ich eine eigene Hängematte, in so einem fremden Flohfänger würde ich keine Minute schlafen können.

Dann stellte man uns die wichtigsten Leute an Bord vor, als da waren natürlich der Kapitän Nurdal ibn Lachmann, der Steuermann Jermis, bei dem man mir riet ihm nicht ins Ruder zu greifen, und ein großer Mann mit Knüttel an der Seite, der wohl der Bootsmann war und Jagotin genannt wurde. Der Mann hätte auch gut in jede Armee gepasst, da er es verstand nicht nur mit recht derb formulierten Aufforderungen seinen Wünschen Ausdruck zu verleihen, sondern auch den Argumentenverstärkerstock gekonnt zu nutzen um seinen Forderungen die nötige Dringlichkeit zu verleihen.

In letzter Minute sprang auch noch ein schreiend bunt gekleideter  Maraskani mit geflochtenen Zöpfen an Bord um die Überfahrt zu wagen. Nun gut, wir fuhren nach Maraskan, da nahm es nicht Wunder, dass auch ein dort heimsicher mitfuhr. Trotzdem, wir wollten ja Vorsicht walten lassen… Er stellte sich als Anrosiat ohne Großmutter vor und würde für einen Händler aus Boran arbeiten. Was für ein dämlicher Name… aber gut. Wenn es dort so Sitte war… Davon hatte mir Atzina bisher gar nichts erzählt. Nur um vorbereitet zu sein ließ ich mir von ihr gleich noch erklären, wie man Maraskaner am besten beleidigen konnte. Sie mochten wohl alles nicht, was irgendwie „allein“ stand. Einer Dame auf der Insel das Kompliment zu machen sie sei von „einzigartiger Schönheit“ würde also eher nichts bringen. Aber jemand als „einzigartig dumm“ zu bezeichnen müsste dafür umso besser funktionieren. Das würde mir sicher helfen.

Bei bestem Wetter verließen wir den Hafen, die Wellen waren kaum der Rede wert und die Thalukke schnitt durch die sanfte Dünung wie ein Speer. Trotzdem wurde Junasia nach wenigen Meilen schon Seekrank. Armes Ding. Ich erinnerte mich daran, dass es schon bei der Überfahrt auf die Zyklopeninseln nicht besser war mit ihr. Das später gereichte Essen verschmähte sie auf jeden Fall. Hätte ich besser auch tun sollen. Atzina hatte sich recht schnell mit dem Smutje angefreundet und beim Kochen geholfen. Das was die beiden produziert hatten war recht genießbar. Nur dieser unsägliche Maraskani war da anderer Meinung und nötigte mir eine „verbesserte“ Speise auf. Bei der ersten Schale hatte ich die Backen aufgeblasen, aber es war ertragbar gewesen. Der zweite Pott hingegen war eigentlich, aromatisch gesehen, wohl nichts anderes als reines Feuer. Zuerst brannten mir Mund und Hals, dann lief ein Sturzbach aus meiner Nase, die Augen quollen mir hervor, bevor Boron mich in gnädiger Ohnmacht vom Schmerz befreite. Nie mehr würde ich etwas aus der Hand dieses halunkischen Maraskani nehmen. Oder ich würde es zumindest selbst noch einmal magisch nachbessern. Das war wohl eine der sinnhafteren Anwendungen des Delicioso Gaumenschmaus, den ich aus dem Lieber Meteleasse gelernt hatte, wie mir blitzartigen in den Kopf schoss.

Am zweiten Tag kam der Kapitän zu Atzina und bat sie um Hilfe. Sein Ausguck, dessen Posten Faramud einnahm, hatte schlimme Magenschmerzen. Atzina besah ihn und drückte etwas auf seinem Unterleib herum, während ich ihr über die Schulter sah. Sie meinte, bis nach Boran würde er es wohl nicht überleben, mit etwas Glück noch bis zum nächsten Hafen. Sie nannte das Problem einen „Blinddarm“, was auch immer das sein soll. Musste wohl ein recht wichtiges Organ sein, wenn man damit solche letalen Probleme haben konnte. Ich kannte Herz, Niere, Leber, Milz, auch den Darm, aber einen blinden Darm? Ich würde sie bei der nun anstehen Operation gut beobachten müssen um zu sehen wo und was das war. Vielleicht hätte ich doch das Zusatzseminar in Anatomie belegen sollen. Aber das wäre im sechsten Jahr parallel zur angewandten Dämonologie gelaufen, man konnte ja schlecht an zwei Orten gleichzeitig sein… nun ja. Es war nie zu spät zu lernen, und Atzina wusste zum Glück in der Regel bei solchen Dingen was sie tat und wovon sie sprach.

Der Operation, die wie immer von ihr sehr kompetent ausgeführt wurde, trotz des Seegangs, sah ich zu interessiert zu, aber was genau sie da tat entzog sich mir dann doch weitgehend. Meine anatomischen Kenntnisse waren bestenfalls rudimentär zu nennen, für mich waren das in Summe alles einfach nur Innereien. Das seltsame Organ namens Blinddarm nahm ich an mich, Atzina meinte er würde jetzt wohl durchkommen. Aber, beim Namenlosen, welcher Domäne würde man ein solch nutzloses Menscheninnere zuordnen sollen? Unterdessen floh unser Schiff eilig vor einer am Horizont aufgetauchten Dämonenarche. Die hätte ich mir ja zu gern aus der Nähe besehen, aber Junasia machte dem Kapitän dermaßen Angst, dass er sich wohl um kein Gold der Welt dazu hätte hinreißen lassen, näher an dieses faszinierende Objekt heran zu fahren. Mich ereilte seltsamerweise bis in den nächsten kleinen Hafen wo wir Fracht aufnahmen ein wenig Übelkeit. Da ich ansonsten ja seefest war lag es wahrscheinlich einfach an der mäßigen Güte des Essens an Bord. Für mich sah der Inhalt meiner Schale zumindest so aus wie Reste vom Vorabend. Geschlagene zwei Tage bauchte ich um mich wieder zu erholen, als wir in dem kleinen Hafen Mazazazaoab an der Küste Maraskans halt machten. Von da war es aber nur noch wenige Stunden, vielleicht ein halber Tag, bis nach Boran. Als wir uns der Stadt näherten sahen wir schon auf einem Landzipfel die zahlreichen Gebäude stehen. Ich gebe zu, ich hatte nicht mit so einer respektablen Stadt auf diesem Eiland gerechnet. Boran schien größer, als ich angenommen hatte.

Ein Ruderboot der Kommandantur näherte sich und ein Lotse oder Zöllner kam an Bord. Ein vorgehen, wie ich es bereits von zahlreichen anderen Häfen kannte deren Einfahrt entweder sehr trickreich war oder die Wert darauf legten vorab zu wissen, wer sie besuchen wollte. Der Maraskani Anrosian der in Kunchom zugestiegen war studierte derweil seine Dokumente. Ein neu zugestiegener Passagier aus dem letzten Hafen, der wohl den längeren und beschwerlicheren Landweg scheute, und um den ich mir bisher keine Gedanken gemacht hatte, sah ihn jetzt wohl das erste Mal und ging unvermittelt mit dem Säbel unter wüsten Beschimpfungen direkt auf ihn los. Ich hatte meine liebe Mühe die im schnatternden Dialekt vorgetragene Tirade zu verstehen und war erst überrascht, sah dann aber keinen Anlass, mich dazwischen zu werden. Anders als Atzina die direkt dazwischen gin. Ein anscheinend codiertes Dokument, eine Abfolge zweifarbiger Punkte, fiel bei dem Angriff aus einer Ledermappe die Anrosian getragen hatte. Er dankte Atzina, deren Eingreifen er es wohl zu verdanken hatte, das er nur leichte Blessuren davontrug, ein lapidaren Schnitt am Arm. Dafür lud er uns für den Abend im Hafen auf einen kleinen Umtrunk ein.

Vor der Hafeneinfahrt warteten zwei weitere Schiffe mit uns darauf, in den geschützten Bereich einzufahren. An mehreren Kriegsschiffen vorbei kamen wir zum Freihafen der Händler, aber es dauerte noch eine gute Stunde, bis wir einen Liegeplatz an einer Mole bekamen. Da unsere Passage beendet war verließen wir das Schiff. Der Maraskani hatte es eilig sich ebenfalls zu verabschieden. Als Atzina ihn auf das Dokument ansprach, schob er vor zu seinem Herrn zu müssen. Er wies uns aber den Weg zu einer Tavernuuzak „Das Freie Eiland“, die wohl eine etwas bessere Qualität bieten sollte und auf Reisende aus fremden Ländern ausgerichtet wäre. Dort würden wir ihn dann auch am Abend treffen können.

Ich fragte Atzina, die ja jetzt dauerhaft Zefira war, ein wenig über die Stadt. Mit etwa sechseinhalb tausend Einwohner war Boran tatsächlich nicht einmal so klein. Sie führte uns auf dem Weg zur Taverne über verschiedene Stationen und zeigte uns einige Teile der Stadt zu denen sie stets etwas zu berichten wusste. Besonders die große Zahl der Garküchen fiel mir auf, anscheinend eine beliebte Art hier Nahrung zu konsumieren. Es war recht geschäftig im Hafen, auch arbeitslose Schauerleute tummelten sich zu Hauf. Mit ein paar Münzen würde man hier sicher recht schnell Freunde finden können. Aus einer Kaschemme, der Meerfrau, hörten wir Gesang und von einem kleinen Jungen erwarb ich 8 Lutscher an Bambusstecken, für die ich 4 Heller zahlte. 6 davon verteilte ich direkt an die Anderen, zwei steckte ich ein. Unter einer harten Kruste kam etwas honigsüßes zum Vorschein. Sehr lecker, anscheinend verstanden sich die Maraskaner doch zumindest auf das Gewerk der Zuckerbäcker, wenn sie schon nicht ordentlich kochen konnten.

Etwas den Weg weiter Richtung Innenstadt war ein heruntergekommenes Viertel und Boote die als Häuser im Hafenbecken schwammen. Der Hafen war eher eine große natürliche Bucht, muss man dabei erwähnen. Ein Ehepaar prügelte sich am helllichten Tag, es war laut, wüst und erinnerte mich an die schlimmsten Gossen meiner Heimat. Solche Eldensquartiere gab es wohl in jeder größeren Stadt. Aber dieses Viertel verließen wir schnell und kamen an einem Fluss den Zefira Bor nannte. Daher also der Name der Stadt… wir mussten aber nicht über den Fluss und hier war es auch schon bedeutend ruhiger. Ein altes Mütterchen mit Gemüsekarren grüßte uns freundlich und fragte uns nach dem wohin. Als wir unser Ziel nannten wies sie uns dann den Weg zur Taverne. Also gab es offensichtlich auch freundliche Maraskaner. Sie stellte sich als Rurajida vor und fragte uns dann nach Milibejida aus Kunchom… sehr befremdlich! Zefira fing aber umgehend einen für meine Ohren völlig belanglosen Schwatz mit der Alten an, der sich insbesondere dadurch auszeichnete, dass seine Aussagekraft im Inhalt gegen Null tendierte. Reine Zeitverschwendung, wenn man mich gefragt hätte, was aber leider niemand tat.

Endlich in der Taverne fanden wir ein recht konventionelles Haus. Links war ein langgezogener Tresen an dem einige Leute standen. Der Schankraum hatte große Fenster und war wohl sonst schön hell, jetzt aber schummrig, da es schon spät wurde. In zwei Kaminen brannten heimelige Feuer, aber wohl eher zum Kochen, den warm genug war es hier ja das ganze Jahr. Über einem hing ein Kessel mit blubberndem Inhalt, in dem eine Frau rührte. Am anderen brieten an eisernen Stangen Geflügel, das sich drehte, während es vom Wirt mit Hingabe gewürzt wurde. Etwa eineinhalb Dutzend Gäste verteilten sich im Raum, einige Tische waren sogar schon zum Essen eingedeckt.

Der Wirt grüßte uns und stellte sich als Harlibor vor. Zunächst führten wir eine seltsame Diskussion über die Zimmer und unsere Anzahl an Personen, hatten aber schließlich sowohl eine Unterkunft, als auch die Aufteilung geklärt. Wir bestellten unser Abendmahl von beiden Kaminen, im Kessel war Matsch, ein lokaler Getreidebrei der genau so Aussah wie sein Name vermuten ließ, und Huhn vom Spieß. Ich wählte zum Geflügel einen Wein als passendes Getränk und Pamina bestellte für uns noch eine Runde „Offenbarung der Zwillinge“, ein örtlicher Likör, den man wohl gekostet haben sollte wenn man auf Maraskan war. Bis das Essen, sogar mit Brot und tunke dazu, kam dauert es nicht lange. Pamina gab das, für meinen Geschmack stark gewürzte, Huhn, an ihren Hund Saba weiter, der aber das Fressen verweigerte. Vielleicht war dieses Tier ja doch nicht so dumm und nutzlos, wie es manchmal den Anschein hatte. Erst als Pamina das Huhn pellte fraß es der Hund. Die Köchin kam zu mir und wollte offensichtlich etwas wissen, aber ich verstand den Dialekt kaum, in dem sie auf mich eingaggerte. Sie wollte ständig irgendein bahirza von mir, was wohl, wie sich mir nach einiger Zeit erschloss, bedeutete dass ich nachwürzen könnte. Außerdem wollte sie wohl dass wir den Brei ebenfalls probieren sollten. Der war ziemlich scharf im Vergleich zum Huhn, aber ich fand ihn noch erträglich im Gegensatz zu dem, was man mir auf dem Schiff vorgesetzt hatte. Pamina fiel jedoch fast vom Stuhl als sie den Brei probierte, wurde rot im Gesicht und dann apathisch. Der Wein den ich ihr zum herunterspülen gab machte es nicht besser. Zefira gab ihr lieber Brot und Milch, das schien zu helfen. Als der Wirt fürsorglich zu ihr kam um zu helfen warf sie aber das Brot nach ihm, nachdem sich ihre Starre gelöst hatte. Dabei hatte es der Mann doch nur gut gemeint… aber jetzt wo er schon einmal da war vereinnahmten wir ihn zu einem kurzen Gespräch.

Wir suchten den Händler Halijian Junjin. Der Wirt erzählte uns bereitwillig, er wäre während des Widerstands einer derjenigen, die aus dem Untergrund die Truppen Maraskans versorgt hätten. Einer seiner Jungen könne uns morgen gern den Weg zeigen. Unsere Zimmer waren bereit, so dass wir uns dann zur Ruhe begaben. Ich hatte wie so oft mit Atzina einen gemeinsamen Raum. Aber heute tat sie das erste Mal etwas, was ich vorher noch nie bei ihr beobachtet hatte. Sie sicherte Türen und Fenster mir Alarmeinrichtungen aus Schnüren und Geschirr, offensichtlich um in der Nacht nicht unliebsame Besucher im Schlafe zu haben. Aber es blieb bis zum Morgen ruhig.

Am frühen Morgen stellte uns der verschlafene Wirt seinen Sohn Halziber vor, der recht aufgeweckt schien und uns führen sollte. Pamina versprach sich in Gegenwart des Wirts und nannte Atzina bei ihrem richtigen Namen, aber der war anscheinend noch so müde, dass er das nur wenig wahr nahm und sich mit einer einfachen Erklärung abspeisen lies.

Der Junge hatte tatsächlich reichlich Energie, lief immer wieder vor und zurück wie ein kleiner Hund. Er führte uns gar nicht weit den Fluss hinauf bis zu einem Turm, an dem ein Schild auf den Händler hinwies. Wir fragten direkt nach dem Tisch, weswegen der alte grauhaarige Händler gewandet in bunte Fetzen und einem beachtlichen Bart geholt wurde. In einem Nebenraum in den wir geführt wurden stand direkt ein solcher Tisch. Es sei komisch, das wir jetzt danach fragten, beschied er uns. Vor zwei Wochen war schon ein Fremder hier, der danach gefragt hatte. Es sah aus wie ein Seefahrer und hätte ihn beleidigt, als er den Tisch nicht bekommen konnte. Dafür wurde dann nachts darauf bei ihm eingebrochen. Die Haushälterin hatte den Einbrecher überrascht, der die Frau niederschlug und dann flog. Er habe sich am Fuß des Tischs zu schaffen gemacht, was unseren Verdacht nur bestätigte. Wir unterhielten uns und ich war relativ ehrlich zu ihm, als eine Tür aufging und der Totschläger vom Schiff auf einmal eintrat. Wir waren alle überrascht, aber er fasste sich schnell und  beschuldigte uns mit den Ungeschaffenen im Bunde zu stehen. Nun erfuhr ich auch seinen Namen. Er wurde Perjin genannt, was hier wohl so gut wie Andernorts Alrik war.

Der Mann Anrosian, den er niederschlagen wollte, hätte vor dem Fall Borans einer Truppe Borbarads angehört und seinen Sohn erschlagen und sein Dorf verwüstet. Er war nur auf Rache aus, und der Bursche hätte sicher auch jetzt noch etwas mit den Helfershelfern der Ungeschaffenen am Hut. Faramud, der leider in der Taverne geblieben war, wäre ihm unter diesen Umständen sicher gerne behilflich gewesen. Boran, so versicherte man uns, befand sich immer noch in schwierigen Zeiten, vielleicht gehe sogar noch Gefahr von dem Kerl aus, war er gar ein Spitzel für die Diener der dunklen Lande?

In letzter Zeit hätte es viele kleine Scharmützel an den Grenzen gegeben, er mochte also immer noch ein Bote oder Spion sein, der Boran auskundschaftete. Ich bot für einen Blick auf den Tisch unsere Hilfe beim überführen des Spions an. ‚als ich die Ledertasche mit Briefen, eine davon eine in Punkten verschlüsselte Botschaft, erwähnte, holte Perjin eine Frau die er als Nadjenkazab Lobziba vorstellte ins Zimmer. Atzina schien sie zumindest dem Namen nach zu kennen, eine Angehörige der Rebellengruppe Rohibas Schwert oder so. Sie legte uns einen Zettel vor, der sehr ähnlich aussah. Dann erläuterte sie uns die Entschlüsselung der Punkte, eine Reihe war ein Wort und wurde mit einem Verschlüsselungsdiskus, den sie uns ebenfalls zeigte, kodiert. Das Problem war, dass jede Nachrichtenkette einen eigenen Diskus besaß. Sie hätten ihren bei der Eroberung Borans in einem Haus gefunden. Ging ein Diskus aber verloren, würde er ausgetauscht. Wir sollten daher eine Kopie des anderen Diskus beschaffen und jemanden aus der Nachrichtenkette benennen, den sie umdrehen könnten, um in Zukunft Nachrichten mitlesen zu können.  Dafür könnte uns unser Wunsch dann erfüllt werden. Nun, das war zumindest ein Ansatz, mit dem wir arbeiten konnten…

Ich betrachtete den vorliegenden Diskus etwas genauer. Er trug das Wappen von Helme Haffax, dem Fürstkomtur Schwarzmaraskans, dazu die astrologischen Zeichen Belhalars sowie eine Zahyad-Inschrift die ich schnell entschlüsselte: Belhalar – Orden des blutroten Tempels des großen Verschlingers zu Hemandu. Hätten sie doch gleich jemand gefragt, der sich mit so etwas auskannte… also mich, wenn ich denn schon früher da gewesen wäre! Wir waren uns eigentlich schnell handelseinig. Der Händler lies für uns den Tisch sicher verwahren bis wir unseren Teil des Handels erfüllt hätten. Im 2. Obergeschoss im Raum mit der dicken Bohlentür, wie er seine Knechte anwies. Was gut zu wissen war, falls wir uns einen alternativen Plan würden überlegen müssen… Von Nadjenkasab erhielt Junasia einen kleinen Beutel mit Goldmünzen, um unsere ersten Auslagen zu decken. Ich schlug vor die Dame Zeforika, nur falls wir Boran ins Inland verlassen müssten, zu ihrer Sicherheit  gerne bei Malijin Djunjin zurücklassen.  Es war offensichtlich, das Zefira Melissa lieber früher als später hier vorübergehend abgeben würde, der dieser Plan offenkundig überhaupt nicht passte, weswegen ich sie direkt beruhigen musste. Trotzdem schien sie nun ziemlich beleidigt mit uns. Dann verabschiedeten wir uns, und vereinbarten noch wie und über wen wir in Kontakt bleiben wollten.

Dann gingen wir zurück in die Tavernuuzak um auf den Boten Anrosian zu warten und unser versprochenes Getränk einzulösen. Die Taverne war mitten am Tag fast leer, nur 3 weitere Gäste und die Frau des Wirts bevölkerten den Schankraum. Man hatte uns das Mädchen Tsarysha als Führerin zugeteilt die uns nun weiter begleitete. Ich fragte sie, was man hier gesehen haben sollte? Ein wenig kultureller Bildung über diese fremdartige Insel mochte mir dann doch nicht schaden. Sie empfahl den Rur&Gror Tempel und das Viertel Quadibor. Ich solle mir die Türme und Brücken sehr ansehen die sehr sehenswert seien. Das wiederum erinnerte mich frappierend an Fasar. Da hatten die Maraskaner wohl dreist abgekupfert! Zefira erkundigte sich unterdessen nach Anrosian ohne Großmutter, einen Mann mit feuerroter Narbe seitlich am Kopf. Die Wirtin konnte sich sogar an so jemand erinnern, der wäre aber schon seit langer Zeit nicht mehr hier gewesen. Wir sollten einmal an den Kontoren im Freihafen nachfragen wenn wir ihn suchen. Bevor wir uns aufmachten aßen wir aber noch etwas zu Mittag. Suppe mit Huhn von gestern für mich, die anderen nahmen diesen ungenießbaren Matsch mit extra Honig drauf. Allein die Vorstellung drehte mir fast den Magen um. Pamina bekam die Pampe verdünnt, weil es ihr wie gestern schon zu scharf war. Aber das machte diesen Fraß in meinen Augen auch nicht besser…

Nach dem Essen gingen wir erst einmal zum Freihafen um Anrosian zu suchen. Tsarysha begleitete uns wieder. Im Stadteil Asbazarhal beschied sie uns, das schwimmende Dorf zu meiden, als hätte ich das nicht schon selbst bemerkt, da nur Gesocks dort anzutreffen war. Wir sollten auch Leute meiden die uns hier ansprechen würden. An Sehenswürdigkeiten gäbe es aber die versiegelte Grotte des unbarmherzigen Meeres, an der an allen Ecken Wachen standen. Ein Unheiligtum der Ungeschaffenen Charyptoroth, dass nach der Wiedereroberung Borans durch Fremde Magier und Efferdpriester geschlossen worden war. Ich würde darin ja zu gern versuchen einen Ulchuchu zu rufen, einfach um es auszuprobieren. Aber das war mit Faramud und Junasia im Schlepptau natürlich erst einmal weit weg von jeder Wahrscheinlichkeit. Atzinae fragte nach einem Ort Namens „Haus der Schmerzen“, das war aber wohl niedergebrannt.  Unsere naive Führerin bezeichnete die Zwölfe immer als „Untergötter“ von Rur & Gror. Sehr verwirrt das arme Mädchen…  Aber es gäbe noch eine Statue mit den Befreiern Borans, die wir uns ansehen könnten, die könne sie uns auch zeigen. Wenn ich in die Grotte wollte, müsste ich anscheinend bei den Priestern des Efferd nachfragen, die gerade ihren Tempel wieder aufbauten. Nun, bei den Priestern vorstellig zu werden hätte ich sicher kein Problem, aber ich bezweifle doch stark, dass sie mein Unterfangen rein aus wissenschaftlicher Neugier gut heißen und billigen würden. Wohl eher nicht… also hätte sich das Fragen damit erübrigt. Wobei ich mir das Unheiligtum einfach so schon gern einmal aus der Nähe besehen hätte, auch ohne darin aktiv zu werden. Nun, wer weiß, vielleicht tat sich die Gelegenheit ja doch noch auf…

Etliche Handelshäuser, auch bekannte wie Dachmani, hatten ihre Kontore im Freihafen. Wir suchten aber die der Einheimischen Händler und gingen daher weiter. Wir fingen direkt im ersten Kontor das wir fanden an, wurden aber nicht fündig. Auch hier war die Unterhaltung Zefiras sowohl langwierig als auch fruchtlos. Wir diskutierten den Sinn von Klatsch und Quatsch, während wir weitergingen. Aus meiner Sicht nach wie vor alles Blödsinn und leeres Gewäsch. Im zweiten Kontor hatte der Lagerist zumindest von Anrosian gehört. Wir ließen ihm 2 Silbertaler aus dem Beutel, um seine Zunge zu lockern: Er arbeite beim Händler Flatulenziber. Bei dem Namen konnte ich mich kaum halten vor Lachen. Wären diese Maraskaner etwas gebildeter oder des Borsparano mächtig, sie würde sicher von solchen Namen ablassen… Andernorts wäre man mit solch einer Namenswahl das Gespött der Stadt! Das letzte Kontor in der Kurve der zweiten Reihe sei das gesuchte, am Unheiligtum vorbei, wohin wir dann direkt gingen.

Auf dem Weg begegnete uns wieder eines dieser allgegenwärtigen Mädchen mit Lutschern. Diese waren anders als gestern, aber ich nahm trotzdem wieder 8 Stück und verteilte sie.  Es befand sich irgendwie ein Käfer drin, schmeckte aber auch lecker. Nun gut, das war zu erwarten, immerhin würden sie kaum giftiges Getier in ihre Süßwaren mischen. Aber eine kreative Lösung für Probleme mit gewissen Personen könnte das in der Zukunft sein… ob die Einheimischen am Käfer den Unterschied erkennen konnten? Beim Händler Flatulenziber war die Tür geschlossen. Auf Zefiras Klopfen hin wurde  uns aber von einem Greis geöffnet. Sie unterhielten sich auf die nervig-langatmig-lokale Art nur um zu erfahren, dass Anrosian gestern gekommen und direkt zum alten Flatulenziber in einem anderen Stadtteil gegangen war.

Wir gingen dann lieber doch zum Tempel und dem Markt. Unsere Führerin zeigte uns über die Mauern hinweg einen Blick in den Kriegshafen. An der Hafeneinfahrt gäbe es sogar eine große Kette um die Zufahrt zu versperren. Die war wohl früher einmal während der Befreiung von einer Frau namens Cankunaku manipuliert worden um den Angreifern die Zufahrt zur Stadt zu ermöglichen. Faszinierend, aber da zeigte sich wieder einmal, dass jeder technische Schnickschack ohne kompetente arkane Sicherung auch nur Spielzeug war. Hätte auf die Ketten noch ein Ulchuchu aufgepasst, hätte diese Heldin sicher auch ganz schön doof aus der Wäsche gesehen. Inkompetente Anfänger, allesamt! Sowohl diese Maraskaner als auch die Schwarzländer… ich Frage mich, wie die überhaupt in der Lage gewesen waren, so ein Unheil hier und im Mittelreich anzurichten, bei all ihrer Unzulänglichkeit… Zurück gingen wir durch das elende Fischerviertel Buranis. Die hier errichteten Baracken schwammen wohl bei jedem Hochwasser weg, waren aber ebenso schnell wiedererrichtet. In Quadibor sah es dagegen schon viel besser aus. Wir kamen auch an der Ruine des Efferd-Tempels vorbei, hier würde ich mich also, irgendwann vielleicht hinwenden, wenn ich doch wegen Zugang zur  Grotte fragen wollte. Am Ende der großen Straße sahen wir auf einem Platz ein großes Steingebäude. Links und rechts befanden sich überall Wohntürme, die mit Brücken und Stegen verbunden waren. Einen entscheidnden Unterschied zu Fasar machte ich sofort aus. Sowohl unten auf der Straße als auch oben war reger Betrieb, der lärm nahm mit jedem Schritt Richtung Zentrum zu. Es war alles überaus lebhaft hier, auch auf den Brücken, die in Fasar ja nur den Edlen und ihren Bediensteten, und nicht dem gemeinen Pöbel, offen gestanden hatten. Aber der durchschnittliche Maraskaner schien es ohnehin sowohl wenig mit Ordnung, als auch mit Hierarchie zu haben, das mochte eine plausible Erklärung sein.

Das Steingebäude war der Tempel der örtlichen Götzen, dieses Zwillingspaares Rur und Gror, eine Halle deren Tore offen standen. Die Leute trieb es geschäftig rein und raus, hier herrschte eher Offenheit und Austausch, es wurde anscheinend sogar erwartet, dass sich die Leute laut mitteilten anstatt sich andächtig zu verhalten. Verrückt! Das hatte mit einem echten Tempel überhaupt nichts zu tun! Im Gegenteil. Hier verbreitete jeder den Blödsinn den er gerade dachte, egal wie sinnig oder unsinnig es auch sein mochte. Da fiel Zefira gar nicht weiter auf die ein wenig die Geschichte streute, dass wir Anrosian suchten. Eher unangenehm waren mir aber dabei die Versuche mancher der örtlichen Leute, ihr „Wissen“ (wie absurd) an die „Fremdiji“ (also uns) weiterzugeben. Mich wunderte nun nicht mehr, dass die „Religion“ dieser verwirrten und ihre Lehren es nicht über die engen Grenzen dieser Insel hinaus geschafft hatten. Ein wenig praiosgefällige Ordnung würde diesen Irren gut tun, aber da hatten ja leider diese verweichlichten Mittelreicher von drei Dutzend Götterläufen kläglich versagt und eine einmalige Chance vergeben… Vielleicht hätte unser guter Tar Honak damals anstatt einen Feldzug gegen die Novadis zu führen hier ansetzen sollen. Dann wäre da jetzt sicher deutlich mehr borongefälliges schweigen und Demut vorherrschend, statt dieses unsäglichen Geschrei und Geschwätz!

Wir gingen dann lieber weiter zum Haus der Schmerzen. Die breite Straße nach Süden zurück führte uns der Weg zu einer Brandruine an der Stadtmauer, früher wohl einmal ein Haus aus roten Ziegeln. Zu sehen war erst einmal nur Schutt, der teilweise schon zugewuchert war. Ich war sicher nicht der erste, der versuchte hier noch einen Fund zu machen, aber die üblichen Plünderer hatten sicher Augen für andere Dinge als ich! Beim Schleichen durch die Ruinen sah ich Pflanzen, die ich als schwarzen Wein identifizieren konnte, der Bereich in dem ich mich befand könnte ein ehemaliger Garten gewesen sein. Faszinierend, auch wenn das arme kleine Pflänzchen recht kümmerlich aussah. Hatte wahrscheinlich einfach zu wenig Pflege oder Nahrung in den letzten Jahren erhalten. Ich ließ Pamina den Wein ernten, aber von der Stadtmauer schrie uns eine der Wachen an, wir sollten uns verziehen. Pamina zog dicke Handschuhe an und die Ranke aus dem Boden. Sie war nur etwa eineinhalb Spann lang, aber krallte sich regelrecht in Paminas Ärmel. Das langte mir als beweis, dass ich mit meiner Vermutung recht hatte und frohlockte innerlich. Das war doch einmal ein Fund! Ich wollte den Wein zunächst in einer Sturmlaterne unterbringen, aber Junasia meinte freundlich „Nimm es bitte nochmal raus“. Ich folgte, gutgläubig ihr gegenüber wie ich war ihrer Bitte, nur um entsetzt mit anzusehen, wie sie mein armes Pflänzchen mit einem lauten „Ignifaxius“ kremierte. Was für eine Verschwendung! Nun war ich doch sehr beleidigt mit ihr, das wäre eindeutig nicht nötig gewesen! Wer weiß, wann man noch einmal die Chance… andererseits soll es ja in Oron diesen Wein Kilometerlang als Hecken geben, also wäre er im Bedarfsfall sicher nicht schwer zu beschaffen. Und wenn ich mich nicht täuschte, hätte ich ihn auch unterwegs mit Blut nähren müssen. Wobei es sicher auch Ratten, Hühner oder Hunde getan hätten. Aber manche Leute reagieren da ja empflindlich…

Es war Abend, als wir in die Taverne zurückkehrten um auf Anrosian zu warten. Die Wirtin wartete auf uns mit dem neuesten Klatsch. Anrosian arbeite für den Händler Flatulenziber,w as wir natürlich schon wusste… er solle ein guter Handelsgeselle sein, wird aber selten gesehen. Ich sinierte immer noch über Oron und schwarzen Wein mangels echter Neuigkeiten, als wir das Essen bestellten. Gezupftes Schwein und Wein für mich. Wir warteten den Abend über, aber Anrosian tauchte nicht auf. Wir begaben uns als letzte ins Bett, und wenn es eins ist das mich ärgert, dann nicht eingelöste Versprechen, vorenthaltene Freigetränke und solche Hallodri, die mich unverrichteter Dinge warten ließen. Das würde er mir büßen…

Das Frühstück stand schon bereit als wir aufstanden. Es war sehr süß, obwohl es Fisch enthält. Ob die maraskanische Küche irgendwie mit der der Thorwaler verwandt war? Ähnlich eklig war sie zumindest. Der Händler Flatulenziber fand sich in Quadibor im zweiten großen Wohnturm an der großen Straße. Vor dem Turm saß auf der Treppe ein Schläger mit Knüppel und hielt uns kurz auf, aber nach kurzem warten wurden wir eine Treppe die an der Innenwand hinauf lief in den Turm geführt in einen Raum von etwa 25 Rechtschritt mit großem Tisch in der Mitte, an dem ein Mann auf erhöhtem Stuhl saß und etwas zu Papier brachte. Der Händler bot fast einen jammervollen Anblick. Triefaugen, rote Hängebacken und schütteres graues Haar. Hätte er jetzt auch noch einen wind erzeugt, mir wäre klar gewesen woher sein Name rührte. Atzina übernahm das Reden und „sorgte“ sich um unseren vermissten Freund Anrosian. Der arbeitete wohl seit etwa 1,5 Götterläufen für den Händler, war als armer Schlucker gekommen, hatte sich aber voll bewährt und brachte stets gute Geschäfte heim. Er wisse aber nicht wo er wohnt, das interessiere ihn auch nicht wirklich, solange der Umsatz stimmte. Was für ein einfältiger Trottel. Mit dieser Einstellung würde er es in seinem Geschäft sicher nicht weiter bringen. Mein Vater vernaschte solche Handelspartner noch vor dem Frühstück! Auf dieses leichte Opfer würde ich ihn zu gegebener Zeit hinweisen müssen… Anrosian hätte aber einmal, und das war die einzige brauchbare Spur die wir erhielten, den Stadtteil Ta’Esdija erwähnt und das er dort jemand herausholen müsste. Ansonsten war dieser Händler als Hinweis genauso erbärmlich, wie seine Erscheinung…

Wir gingen dann in dieses Viertel, um dort nach Anrosian zu Fragen. Es war eher ein weiteres Elendsviertel. Die Leute waren dort zwar auch laut, aber nicht quirlig. Zefira hieß uns vorher noch die Wertsachen in der Taverne deponieren, nur zur Sicherheit. Je weiter man ins Viertel kam, umso schäbiger wurden die Hütten. Alles war irgendwie in den abfallenden Fels hineingebaut, Felsterrassen, die früher vielleicht einmal dem Reisanbau gedient hatten. Die Leute wirkten apathisch und abgerissen, ein Ausdruck in den Augen, der entweder von totaler Resignation, dem Rauschkraut- und Alkoholmissbrauch oder allem zusammen herrühren mochte. Zefira fragte bei den Händlern, die noch am ehesten einen ansprechbaren Eindruck machten. Auf einem etwas größeren freien Platz fanden wir einen armseligen Markt, wo gebrauchtes Zeug und billig aussehendes Essen in Garküchen feilgeboten wurden. Von einem der Händler wurden wir an eine Garküche weiterverwiesen. Hier würde ich allerdings freiwillig weder etwas essen oder kaufen… zum Glück hatte Zefira da weniger Hemmungen.

Der Koch schien Anrosian zu kennen, seine Frau und Tochter hätten früher hier gelebt, aber er habe der Familie ein kleines Häuschen in Asbazarhal gekauft. Seine Frau heißt Ignorantsab die Wegsehende. Wieder so ein sprechender Name, für den man den Träger nur bemitleiden konnte… Zefira unterhielt sich mit einem Straßenjungen und nach schier ewigem Palaver und ein paar Kreuzern wollte er sich für uns erkundigen, während wir in einer der Garküchen essen sollten. Dort gab es verschiedenes Zeug und auch verschiedene Gewürze, von normal bis zu scharf. Der Preis war fast lächerlich niedrig, aber genau so sah das Essen auch aus – nichts, womit ich meinen Gaumen nun beleidigen würde wollen. Es dauerte nicht allzu lange, bis der Junge mit einem andern Kind wieder vor uns stand. Alrikziber wusste wohl wo sie zu finden waren, die Tochter Atzinajida (ich lachte innerlich, diesmal vor Vergnügen) hatte mit ihm schon auf der Straße gespielt. Wir müssten nur ein paar Lutscher kaufen…

Unsere Suche führte uns weiter ins hinterste eck des Viertels Asbazarhal am anderen Ende der Stadt, aber wir wurden fündig. Ein Mann der eindeutig Anrosian war spielte und scherzte dort vor einem Haus mit einem kleinen Mädchen. Er schickte das kleine Mädchen ins Haus und sie schloss die Tür hinter sich. Er schien seine Familie sehr zu lieben, konnte also in meinen Augen erst einmal kein so schlechter Kerl sein. Als wir ihn ansprachen lamentierte etwas herum, dass er immer so lang von daheim fort sei auf reisen, die Kinder würden so schnell wachsen (wobei ich ihm nur beipflichten konnte…), aber er würde sicher heute Abend zur achten Stunde in die Taverne kommen, um uns den Umtrunk zu spendieren.

Wir waren schon fast gegangen, als Zefira noch einmal anklopfte, um die Grüße von Flatulenziber auszurichten die ihr aufgetragen worden waren. Seine Frau machte auf und bat uns nach kurzem Gespräch mit Zefira herein. Seine Frau musste aber bald auf den Markt, so dass wir mit Anrosian wieder fast alleine waren. Seine Reisen führten wohl nur zwischen Kunchom und Boran hin und her. Atzina schwafelte zunächst nur belangloses Zeug mit ihm. Als das Kind das Zimmer verließ, konfrontierte ich ihn direkt mit seinem Dienst bei den Hafajas, da ich allmählich die Geduld verlor. Er habe in Kunchom doch nur 3 Gold genommen, um die Nachricht bei Eutanaziber in Asbazarhal abzuliefern. Er dürfe bei seinem Herrn eigentlich keine Geschäfte nebenher tätigen und es sei angeblich das erste Mal, das er eine Nachricht überbracht hätte. Ich hatte so ein Gefühl, dass er wahrscheinlich nicht ganz die Wahrheit sagte. Wir sollten uns doch am besten direkt an Eutanaziber wenden, der habe die Hauptstraße Richtung Freihafen hinunter ziemlich am Ende in der zweiten Reihe ein kleinerer Wohnturm.

Nachdem wir Anrosian verlassen hatten trennten wir uns. Atzina wollte den restlichen Tag und bei Nacht den Boten observieren, nicht das er doch irgendwelchen Blödsinn anstellte, und ich ging zum Händler Mallijian zurück. Anrosian mochte vielleicht das schwache Glied in der Nachrichtenkette sein das man mit Zuckerbrot (Gold) oder Peitsche (einer kleinen Drohung gegen die Familie) zur Kooperation bewegen konnte. Mein Vorschlag war, wenn er eine weitere Botschaft in Kopie für unsere Freunde hätte, ein blaues Betttuch  aus Fenster im Obergeschoss zu hängen, dann könnte man sie mit einem unverfänglichen Boten wie einem Straßenjungen ja gegen Gold abholen lassen.

Als wir uns aber später wieder trafen meinte Zefira nach der Observation, die sie wie immer recht gründlich durchgezogen hatte, Anrosian stecke weiter drin als er zugäbe und seine Frau wisse sogar Bescheid und Eutanaziber sei eher eine Falle für Neugierige wie uns, aber keine Empfangsstelle für Nachrichten mit Chiffrierscheibe. Aber das Anrosian nur ein Bote sei stimme wohl. Das machte es uns zunächst erst einmal nicht einfacher und brachte uns auch nicht näher ans Ziel.

Heute Nacht wollte ich daher mit Zefira bei Eutanaziber einsteigen und mich umsehen. Nach dem Abendessen zogen wir uns in dunkle Kleidung um, was bei mir die schwarze Robe bedeutete. Pamina und Junasia würden die Ablenkung spielen, während Faramud auf Anrosian achtgeben sollte. Ich entschied mich dann zunächst doch dazu bei Melissa zu bleiben. Es regnete und windete, und da ich im dunklen nichts sah würde es auch wenig Sinn machen, wenn ich ohne Licht mit Atzina durch ein nächtliches Haus schlich. Als wir schon auf dem Weg dann Junasia, Faramud und Pamina trafen, ging ich dann doch mit den anderen drei statt zu Melissa zurückzukehren, die eh immer noch beleidigt war. Faramud verschwand hinter Atzina her, als er bemerkte dass ich sie nun allein ließ. Der arme tropf wusste einfach nicht, dass sie durchaus in der Lage war, auch alleine klar zu kommen. Aber das würde er schon noch  lernen… Ich entzündete meinen Stab, da ich sonst nichts sah in dieser ungemütlichen Nacht, und die Erfindung der Straßenbeleuchtung hatte es leider noch nicht bis nach Boran geschafft. Wir näherten uns Anrosians Haus. Aus der Ferne hörten wir eine Tür knallen. „Ich werde jetzt mit Atzinajida zu meiner Mutter gehen,“ war eine aufgebrachte weibliche Stimme zu hören. „Jetzt überreagiere doch nicht,“ war die klägliche Antwort. Offenbar war sich das Paar dann ob der Bedrohung durch uns oder andere doch nicht so einig. Trotzdem gingen die beiden dann wieder ins Haus. Ich blieb zurück um die anderen mit meiner Fackel nicht zu beleuchten, während Pamina zum Haus schlich und Junasia nach vorne zur Tür ging.

Aus dem Haus hörte man Anrosian. Er redete auf seine Frau ein, „sie“ würden ihnen nichts tun. Damit mochte er seine dunklen Auftraggeber meinen. Seine Frau schien sich aber trotzdem unsicher zu fühlen. Er meinte, das Problem, also wir, würde sich morgen schon erledigt haben, immerhin habe er uns wie befohlen zu Eutanaziber geschickt. Aber er habe die Nachricht Weg gebracht,w as für uns bedeutete, weitere Beobachtung würde auch keinen Sinn machen. Junasia und Pamina kamen daher zurück. Hier kamen wir erst einmal nicht weiter, wir sollten morgen noch einmal mit seinem Angreifer Perjin reden. Dann eilten wir uns in die Tavernuuzak zurück um dem ekligen Wetter zu entfliehen. Es dauerte noch einige Zeit bis auch Zefira und Faramud wieder zurückkamen. Sie erzählten, Eutanaziber sympathisiere auf jeden Fall mit den Borbaradianern. Als Wächter habe er auch einen erstaunlich schlauen Papagei. Ich folgerte, dass es sich hierbei potentiell vielleicht um einen Daimoniden handeln mochte, was meine Neugier weckte. Das Tier wollte ich mir auf jeden Fall besehen, und falls es eine magische Kreatur war am besten gleich haben!

Offensichtich ging es unseren Auftraggebern ja darum, ihre Feinde, also diejenigen die sie Hafajas nannten, unter Kontrolle zu halten. Ich schlug vor, die Häuser dieser Bösewichte unauffällig kenntlich zu machen. Man könnte zum Beispiel an geeigneter Stelle wie dem Türsturz unauffällig die Zahlenfolge 888 anbringen – Heil Helme Hafax. Aber dieser Vorschlag fand nur Unverständnis bei meinen Gefährten, sie verstanden weder den Nutzen noch die Codierung, dabei war es doch eigentlich so simpel! Zefira wollte dann auch bald wieder Anrosian weiter beschatten, da ich richtigerweise einwarf, dass er, wenn er die Botschaft schon überbracht hatte, ja auch mit der Antwort zu rechnen wäre. Entweder würde man sie ihm bringen, oder er müsste noch einmal los und sie selbst abholen. Beides Gelegenheiten der Kette weiter zu folgen.

Pamina zweifelte die Weisheit meiner Idee an, aber ich erläuterte ihr freundlich, dass ihre Meinung an dieser Stelle nicht relevant wäre, da ich, wenn ich in dieser Sache den Rat eines Experten suchen würde sicher nicht mit ihr reden täte, sondern wohl eher Selbstgespräche führen würde. Das lies das junge Ding erst einmal verstummen. Zefira meinte noch, sie könne sicher nicht die ganze Nacht wachen, also erbot sich Pamina dann doch etwas Sinnvolles zu tun und sich mit ihr abzuwechseln, sie würde sogar anfangen mit der Überwachung und verschwand in der Nacht. Als sie im Morgengrauen zurück kam erzählte sie uns ganz stolz, sie hätte beobachtet wie Anrosian die Antwort erhalten hatte. Leider könnte sie im Dunkeln und den weiten Gewändern den Boten nicht erkennen, und verfolgt hatte sie ihn natürlich auch nicht. Diese Amateurin, warum war Zefira nur nicht auf der Lauer gelegen! Es war zum Verzweifeln mit dem Mädel. Jedesmal wenn ich glaubte, jetzt hätte sie die Kurve gekriegt und würde etwas Sinnvolles zustande bekommen verstand sie es am Ende doch vortrefflich, auch die besten Chancen zu vertun. Das dämmerte ihr wohl auch, als Zefira und ich lamentierend unsere Verzweiflung kund taten.

Sie wollte es dann wieder gut machen und mit ihrem Hund die Spur des Boten aufnehmen. Also eilten wir ihr und Saba hinterher zu Anrosians Haus. Da stand sie nun vor dem Fenster und blickte recht ratlos drein. Woran hätte der Hund auch den Geruch des Botens kennen sollen? Sie legte sich dann unvermittelt und mit geschlossenen Augen auf den Boden. Dann schnüffelte der Hund, rannte einmal ums Haus zur Tür und begann dort zu bellen. Was sollte das? Ich war kurz verwirrt, bis Pamina ihren Hund zurück rief und wir eilig wegrannten. Die Bewohner des Hauses waren nun sicher wach, und tatsächlich öffnete sich bald ein Fenster und eine männliche Stimme fluchte in den Morgen: „Verdammte Dreckstöle“.

Aus der sicheren Deckung heraus diskutierten wir nun alle, wie wir weiter vorgehen sollten, kamen aber zu keinem schlüssigen Ergebnis. Junasia, die bekanntlich eh einen recht kurzen Geduldsfaden besaß, nahm das zum Anlass sichtlich entnervt zur Haustür zu gehen während Anrosian noch am Fenster stand. „Wir müssen reden“, sprach sie ihn brüsk an. Als er sie und dann uns auch noch im Schlepptau sah wurde er sichtlich hektisch und komplimentierte uns ins Haus. Junasia kam direkt zur Sachen. Sie bot ihm Schutz und ein schönes Zusatzeinkommen für seine Hilfe an und drohte ihm auf der anderen Seite mit der Aufdeckung seiner Aktivitäten. Ich schlug ihm vor, wenn er auf das Angebot eingehen wollte müsse er nur ein blaues Bettuch zu Mittag aus dem Fenster im ersten Obergeschoss hängen. Aber das war gar nicht nötig, denn der billige Wendehals willigte gleich ein. Das war schon fast enttäuschend einfach. Auf der anderen Seite… der Bursche hatte sicherlich keine gefestigte Überzeugung die er verraten konnte sondern tat einfach das, was er als nötig empfand, um zu überleben oder weiterzukommen. Was wiederum gut für uns war, denn einen Fanatiker hätte man so nicht beeindrucken können, so aber war Anrosian für uns schon fast ein leichtes Opfer.

Als wir uns mit ihm unterhielten kam die Sprache auch auf Eutanaziber und seinen Papagei. Das Tier war wohl seine einzige Unterhaltung, da er alleinstehend war und ein recht unbeliebter Einzelgänger sein musste. Niemand würde sonst freiwillig zu ihm gehen. Der Papagei sei zwar nur ein Tier, mit dem der trostlose Tropf auch Sprach, aber wenn es Probleme gäbe, dann würde er „das Ding“ schicken. Wobei Anrosian es nicht näher benennen konnte. Das war interessant. Der Mann würde doch nicht etwa doch einen echten Dämon beherbergen? Aber ein Teil der Nachrichtenkette war er trotzdem nicht, nur eine Falle für Leute wie uns.

Dafür war Anrosian der Richtige. Er beschrieb uns den Weg den er ging wenn er die Nachrichten überbrachte. In einem Lagerhaus nahe des Charyptoroth-Unheiligtums gäbe es einen Schacht. Dieser führte zwar nicht in eine Kanalisation, sowas gab es in einer rückständigen Stadt wie Boran natürlich nicht, aber dafür in einer Art Wasserableitung die die Stadt bei Regen vor Überschwemmungen schützte. Dieser Ablauf endete in einem Gehöft wo Anrosian die Nachrichten an eine Frau übergab, die wohl den Gegenschlüssel besaß. Nachdem wir ihn soweit hatten, war er auch bereit die Nachrichten zu kopieren und abzugeben, solange es unauffällig war. Ich würde wohl zwei
Päckchen unverdächtige bunte Stifte besorgen lassen, wobei davon nur eines für Anrosian, nominell seine kleine Tochter war. Das andere würde ich behalten, um meinen im Hirn manchmal etwas schwerfälligen Begleitern meine Pläne besser erläutern zu können.

Dann wurde es auf einmal hektisch. Anrosians Frau Ignoransab sah ausnahmsweise einmal nicht weg und schlug Alarm, weil sich zwei ihr bekannte Gestalten näherten, die uns auf keinen Fall zu Gesicht bekommen sollten. Zefira turnte direkt hinten zum Fenster hinaus, während der Rest von uns im Keller verschwand, auf dessen Luke anscheinend immer zur Sicherheit eine Truhe stand, die gleich wieder darüber gerückt wurde. Durch das Holz vernahmen wir gedämpft eine wenig freundliche Unterhaltung. Die Gestalten wollten wissen, was er mit uns zu schaffen hätte, konnte sich aber herausreden, dass wir ihm nur auf dem Schiff geholfen hatten und er uns deswegen noch einen Umtrunk schuldete. Dann bedrohten sie, wie unhöflich, seine Tochter Atzinajida. Er solle auf jeden Fall, bevor er wieder nach Kunchom aufbräche, im Lager vorbei kommen, dort sei etwas für ihn hinterlegt. Als sie wieder von dannen zogen war Zefira weg und Ignoransab ließ uns wieder aus dem Keller.

Anscheinend war dieser Vorfall das letzte bisschen Überzeugung, das Anrosian benötigt hatte, denn nun war er regelrecht Gesprächig. Er beschrieb uns den Einstieg in den Tunnel, dem wir einfach folgen sollten bis es augenscheinlich nicht mehr weiter ging. Dort würden wir einen etwa 3 Schritt tiefen Schacht finden, an dessem unteren Ende eine Drehscheibe wäre die sich bewegt, wenn man darauf trat und einem die Orientierung nahm. Rastete sie in der richtigen Position ein öffnete sich ein weiterer Weg an dessen Ende ein scharfer Knick sei, hinter dem ein geflügeltes Auge auf Besucher wartete das sich nach getaner Inspektion mit einem Plopp verschwände. Direkt dahinter stoße man auf eine Holzvertäfelung und einen Kellerraum unter einem Gehöft, von dem man 2 oder drei Stockwerke hinauf in einen Turm gelangte. Der Plan war dann schnell gefasst. Wir würden uns in den Gang begeben, aber auf meinen Rat hin jeden Kontakt mit dem Gotongi, denn um einen solchen musste es sicher handeln, vermeiden. Der Wächter würde unsere Präsenz sicher bemerken, egal was wir tuen würden, und je nach derzeitigem Status oder Auftrag wäre dann auch sein Beschwörer informiert. Stattdessen planten wir, vor dem Knick mittels eines von Junasia gerufenen Erdelementars genau an dieser Stelle einen Maulfwurfshügel oben über der Erde erscheinen zu lassen, den wir dann zwecks überderischer Infiltration des dann zu identifizierenden Gehöfts als Orientierungspunkt nehmen würden.

Als wir uns später alle in der Tavernuuzak wiedersahen hatte auch Zefira Neuigkeiten für uns. Sie hatte die Gestalten bis zu einem Lagerhaus neben dem Unheiligtum verfolgt, so dass wir Anrosians Geschichte als verifiziert durchgehen lassen konnten. Pamina schlief derweil, die Nacht hatte sie wohl recht angestrengt, hatte aber ob ihres Versagens ziemlich verheulte Augen als wir sie sahen. Sie nahm sich das anscheinend richtig zu herzen, das arme Ding. Vielleicht würde ich sie demnächst doch einmal trösten müssen, es war ja nichts Schlimmeres passiert deswegen…

Nach einem kleinen Frühstück das wir uns gönnten kam auch Tsarysha wieder daher, so dass wir sie über unseren Fortschritt informieren konnten und sie baten, für uns je zweimal Buntstifte und zweimal Lampenöl zu besorgen, bevor wir ihr das Konzept eines toten Briefkastens zur Nachrichtenübergabe erläuterten. Dann plauderten wir in lockerer Runde noch etwas belanglos. Irgendwie kamen wir darauf, warum Pamina als Jägerin keine Tiere, also eigentlich für sie das natürlichste der Welt, verspeiste. Sie hatte wohl eine Art Unverträglichkeit dem Genuss von Fleisch gegenüber und musste sich danach immer übergeben, denn gegen den Geschmack hatte sich gar nichts. Im Gegenteil, schien sie es regelrecht zu vermissen. Als ich ihre das Konzept des Cantus Delicioso Gaumenschmaus erläuterte war sich richtig enthusiastisch es sofort auszuprobieren. Also gab ich einem definitiv nicht fleischigen Becher Wasser den Geschmack von Rindfleisch. Da sie sich nicht übergeben musste schien die Hypothese bestätigt, es lag nicht am Geschmack, sondern am Fleisch selbst. Ich war mir nur nicht sicher, wie gut ich den Geschmack hinbekommen hatte, denn weder war ich der begnadetste Koch, noch hatte ich ja selbst außer ich konzentrierte mich besonders darauf, seit dem Laborunfall in meiner Jugend einen übermäßig ausgeprägten Geschmackssinn, eher im Gegenteil. Aber es schien zumindest nicht widerlich gewesen zu sein, sonst hätte Pamina sicher das Gesicht verzogen. Interessant war es allemal…

Dann wollten wir aufbrechen um unseren Plan in die Tat umzusetzen, aber die Herrin Rondra und der Herr Efferd spielten diesmal nicht mit. Als wir losgingen zog ein Unwetter über Boran auf, starker Wind peitschte durch die Gassen, Blitze zuckten am Himmel und dunkle, schwere Wolken ließen ihre Fracht über der Stadt niedergehen. Die Gänge waren nun sicherlich überschwemmt, war genau das ja der Zweck dieser Fluttunnel. Also blieb uns nur, da wir eh schon halb auf dem Weg waren, zumindest den Lager den Eingang zu suchen. Wenigstens waren die Straßen auf Grund des Wetters kaum belebt. Nur die Wachen am Unheiligtum standen trotzdem zusammengekauert auf ihrem Posten. Pamina, Junasia du ich standen schmiere, während Faramud und Zefira sich aufmachten nach dem Eingang zu suchen. Im Gegensatz zu sonst meistens war es Faramud, der vor Zefira fündig wurde. Wir würden wohl zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal kommen müssen. Das schien Faramud aber überhaupt nicht zu stören. Im Gegenteil, er war ob dieses Sauwetters anscheinend richtig glücklich. Es musste etwas mit seinem Glauben zu tun haben, den dieses Tosen der Elemente schien für ihn so etwas wie eine verzückende religiöse Erfahrung sein. Jeder normale Mensch, so wie ich, suchte Schutz und verzog sich hinter sichere Mauern, er aber entblößte seinen Oberkörper, suchte sich einen hochgelegenen Punkt und begann wie ein Derwisch durch die Gegend zu hüpfen und sein Schwert zu schwingen.

Wir warteten das Wetter und noch eine geraume Zeit ab um dem Wasser ausreichend Zeit zu haben abzufließen. Dann führten uns Faramud und Zefira zum Eingang. In einer Nische zwischen zwei Gebäuden, gut geschützt vor neugierigen Blicken, war auf der Rückseite des Lagerhauses eine Bretterwand die zu einem Anbau gehörte. Zwei der Bretter ließen sich verschieben und man konnte gebückt eintreten Der Anbau war ein dunkles Nebengebäude ohne Fenster, in das man sich sicher nicht zufällig verirrte. Junasia ließ ihren Stab entflammen um uns Licht zu spenden. Rundherum waren wir von gleichartigen Bretterwänden umgeben, nur ein unabgedeckter Schacht in dessen Seitenwände Metalltritte eingelassen waren fand sich in diesem leeren Raum. Nach und nach stiegen wir hinab.

Etwa fünf Schritt ging es in die tiefe, aber dank der Eisen war der Abstieg simpel und wenig anstrengend. Der Tunnel der sich unten anschloss war gute zwei Schritt hoch und etwa eineinhalb Breit, ausreichend also um komfortabel gehen zu können. Wir folgten dem Gang, der zunächst gemauert war später aber in behauenen Fels überging. Das wechselte im Fortgang immer wieder, anscheinend hatte man wo möglich den Fels gelassen und sich nur beholfen, wo die Umgebung nicht fest genug schien. Zefira nahm die Zeit die wir brauchten mit ihrem Vinsalter Ei und wir zählten die Schritte um später grob abschätzen zu können wohin wir gegangen waren. Die Luft war weit weniger muffig als ich befürchtet hatte, da ein sanfter Luftzug durch den Gang blies und die Fackeln immer wieder flackern ließ. Auch vergitterte Zuläufe sahen wir immer wieder, durch die wohl bei Regen das Wasser hereinschoss. Von einem Unwetter überrascht wollte man hier unten sicher nicht werden. Um eine Biegung vor uns hörten wir ein lauter werdendes quieken. Die Ratten voraus nahmen anscheinend reisaus vor genau dem, was ich hier unten nicht erleben wollte, weswegen auch wir uns hastig zurückzogen. Als wir wieder oben ankamen regnete es schon wieder heftig, ja schüttete fast wie aus Eimern. Junasia, der es ja gar nicht gefiel nass zu werden teleportierte sich direkt in unsere Unterkunft. Wir anderen waren patschnass bis wir dort ankamen.

Erst am nächsten Morgen war das Wetter wieder so gut, dass wir einen erneuten Versuch wagten. Diesmal versuchten wir auch direkt die Richtung zu bestimmen. Ganz grob Richtung Westen, vielleicht eher West-Nord-West für ungefähr 200 Schritt. Um mehrere Biegungen und einige Abzweige die wir ignorierten folgten wir dem Hauptgang, der noch einmal gut weitere 100 Schritt später endete. Rechterhand fanden wir in einer Höhlung den Weg weiter nach unten führend. Drei Schritt tiefer war es wie Anrosian gesagt hatte. Der Boden drehte sich unter Zefira, die sofort wieder zu uns hinauf sprang. Junasia besah sich das ganze, konstatierte aber, dass hier sicher keine Magie am Werke war. Also nur simple Mechanik, aber trotzdem faszinierend wie ich fand.  Nun schickten wir Pamina zusammen mit Zefira vor um den Weg weiter zu erkunden.

Pamina blieb länger auf dem Mechanismus stehen und drehte sich auch prompt nach unten weg, während sich über ihren Kopf eine Platte schob und den Schacht verschloss. Kurz darauf ging die Platte wieder auf, anscheinend hatten sie auch den Auslöser für das Rückdrehen gefunden. Aber es war nur noch Zefira da, Pamina hatte bereits den Ausgang der sich geöffnet hatte benutzt, von dem ein Gang nach Südwesten fortging. Da hier offensichtlich keine Gefahr drohte gingen wir alle nach und nach hinunter.

Der untere Gang war schmaler und niedriger als der Hauptweg oben. Im Gänsemarsch folgten wir Zefira, die mit ihrer abgeblendeten Laterne für ein wenig Licht nach vorne sorgte. Trotzdem lag der Tunnel vor uns für meine Augen in absoluter Finsternis. Der Fels war hier gröber behauen, ging aber ebenfalls immer wieder in Mauerwerk oder sogar nur mit Balken abgestütztes Erdreich über. Gut 300 Schritt folgten wir dem Gang, bis wir an einem scharfen Knick nach rechts anlangten. Das war wohl die Stelle vor der uns Anrosian gewarnt hatte. Zefira robbte ohne Licht vor und fühlte nach dem Weg. Aber sie hielt sich an den Plan, nicht ins Sichtfeld des Gotongi zu gehen. Für Junasias Beschwörung gingen wir vorsichtshalber ein gutes Stück zurück bis wir an einer Stelle mit einfachem Erdreich waren. Der Humuselementar den sie dann herbeirief, ich fand diese Spielart der Zauberei nach wir vor höchst spannend, sah aus wie ein kleines Kind, das aus der Erde wuchs, aber Junasia mit erstaunlich tiefer Stimme ansprach. Aber irgendetwas musste sie wohl falsch gemacht haben, denn auf ihre freundliche Bitte zu Diensten zu sein rotzte sie das Wesen nur mit Erde voll und verschwand dann einfach wieder. Wir wechselten noch einmal den Ort, bevor sie es erneut versuchte. Diese Manifestation des Elementes sah eher aus wie ein Erdmännchen, folgte aber Junasias Wunsch diesmal anstandslos. Zusätzlich zu dem Erdhügel ließ sie den Geist noch ein Stück Kohle aus ihrem Besitz oben auf dem Maulfwurshügel platzieren. Nur zur Sicherheit, falls es dort oben auch natürlich welchen geben sollte, so dass wir den richtigen würden identifizieren könnten.

Dann machten wir uns auf den Rückweg und verließen den unterirdischen Bereich um uns neu zu orientieren. Dem gedachten Weg folgten wir bis zum Stadttor aus Boran hinaus. Die freundliche Wache machten uns, die Fremdijis, noch auf den Torschluss aufmerksam, nach dem wir nicht mehr in die Stadt würden zurück kommen können. Aber von dieser Zeit waren wir noch ausreichend weit weg. Ganz grob kamen wir auf einem Acker vor der Mauer heraus, auch wenn wir uns nicht ganz einig waren über die exakte Position bei der wir suchen sollten. An einem Gehöft vorbei gingen wir in die Felder, die hier von Trockenmauern begrenzt wurden. Hinter diesen Mauern fand sich knietiefes Wasser aus dem knapp die Schösslinge von Reispflanzen ragten. Das war einerseits ärgerlich, da wir so den Maulwurfshügel sicher nicht finden würden. Kein Maulwurf bei Verstand würde seine Gänge unter einem gefluteten Reisfeld anlegen… und der Hügel war wohl unter dem Wasser verborgen. Auf der anderen Seite würden die Reispflanzen dafür sorgen, dass die Kohle, die ja aufschwimmen sollte, nicht vom Wind weggetrieben wurde. Man muss nur das positive in jeder Lebenslage sehen…

In der Nähe sahen wir drei Gehöfte mit Turm die beisammen standen, eines davon würde es wohl sein, wenn wir nicht völlig daneben lagen. Das konnte man ja nie ausschließen, denn ich bewege mich ja durchaus sicher auf den meisten akademischen Gebieten, aber die exakte Orientierung und Navigation in unterderischen Kavernen ist noch keines meiner Spezialgebiete. Also suchten wir, nur zur Sicherheit, in den Reisfeldern nach dem Kohlestück, ja durchkämmten diese regelrecht. Junasia, die wie ich wusste das Wasser eher scheute, beteiligte sich nicht dabei, mit  uns durch die gefluteten Felder zu stapfen sondern machte sich auf den Weg zu den hohen Mauern eines äußeren Walles, um sich dort ein wenig von den Strapazen der durchgeführten Herbeirufung zu erholen. Zunächst fanden wir das Kohlestück leider nicht, wobei ich mir dennoch mangels der Abwesenheit von Alternativen sicher war, dass eines der Gehöfte das richtige wäre. Faramud ging sogar zurück in die Stadt um zu prüfen, ob der Maulwurfshügel vielleicht sogar innerhalb der Mauern erschienen war, hatte aber auch kein Glück. Als er wieder zurück war gingen wir den Weg entlang zu den Gehöften, die von einer drei Schritt hohen Mauer umgeben waren. Auf einem weiteren Reisfeld, deutlich näher daran fanden wir dann doch unsere Kohle, die Junasia, die zwischenzeitlich auch wieder zu uns gestoßen war, wieder an sich nahm. Von einer der Trockenmauern schrie jemand, wir sollten uns aus den Feldern trollen, anscheinend einer der örtlichen Reisbauern dem es Missfiel, das wir zwischen seinen Pflanzen herumstiegen. Aber gut, der arme tropf konnte ja nicht ahnen, dass wir zu seinem besten handeln wollten, deswegen zogen wir uns eilig zurück. Von der Distanz her waren wir uns aber nun sicher, dass es das letzte Gehöft in der Reihe sein müsste. Da war wohl eine erneute nächtliche Erkundungstour angesagt.

Wir gingen zurück zu Marlijin Djundin und tauschten uns über die erzielten Erkenntnisse aus. Er war sich nicht sicher ob wir richtig liegen konnten, denn das Gehöft gehörte wohl einer Frau namens Fijanyajida Alrikziba. Sie handele mit Reis und Holz und wäre auch Inhaberin des Lagerhauses in der nähe des Unheiligtums, was ja irgendwie passen würde. Aber sie hätte sich beim Kampf um die Freiheit Borans sehr verdient gemacht, weswegen sie eigentlich über den Verdacht erhaben war. Aber es mochte natürlich sein, dass ein Diener oder Angestellter der Dame in die Machenschaften verstrickt war… Gewissheit würde uns wohl nur eine Untersuchung ihres Turms bringen. Zefira, die  meinen Vorschlag des Abmalens der Codierung geübt hatte, lies sich den Diskus bringen. Auch sie hatte eine Idee, und das war es ja so, was ich immer so an ihr schätze. Sie dachte im Gegensatz zu den anderen auch einmal mit und wurde selbst kreativ. Sie hatte bemerkt, dass die Linien und Buchstaben in den Diskus eingraviert, und nicht aufgemalt waren. Also konnte sie, mithilfe eines Blattes Papier und einem Kohlestift, die Vertiefungen einfach vorsichtig durchpausen und das Rot durch etwas nachziehen hervorheben. Das war natürlich auch eine effektive Lösung, die mir wirklich gut gefiel. Mit ihr hatte ich eindeutig die richtige Patin für Nandurin ausgewählt.

Zur Sicherheit rief Junasia, die  nun wieder einigermaßen bei Kräften war,  im Kamin des Händlers einen Feuerdjin herbei der Zefira bei ihrem nächsten Ausflug beschützen sollte und band ihn an eine versiegelte Flasche. Da ich schon einmal erlebt hatte, was so ein Djinn anrichten konnte muss ich sagen, einen besseren Schutz würde Zefira während der nächsten Erkundung wohl kaum bekommen. Dafür war Junasia jetzt regelrecht ausgebrannt und musste ruhen, da sie dieses Unterfangen den Rest ihrer arkanen Kraft gekostet hatte. Warum hatte sie nichts gesagt, ich hätte sie dabei doch mittels Unitatio durchaus unterstützen können? So würde es nun, sollte in der Nacht doch etwas schief gehen, wieder einmal nur an mir liegen, den magischen Schutz bereit zu stellen. Aber das war ich ja gewohnt…Faramud zeigte unterdessen Tsarysha die Gänge unter der Stadt die zum Gehöft führten, nur zur Sicherheit. Sie würde uns auch auf einem anderen Weg Nachts und ungesehen aus der Stadt bringen können und bot an Zefira zu Begleiten. Diese war da etwas skeptisch, solche Sachen machte sie ja üblicherweise allein. Aber sie ließ sich auf ein Spiel ein um Tsarysha zu testen, es war wie eine Art Verstecken und Haschmich für Kinder, nur etwas ausgefeilter. Weiß Phex, was die beiden genau trieben als sie in Melijins Turm verschwanden. Ich besah mir unterdessen die „stabile Eichentür“ im vierten Stock mit Faramud, nur zur Sicherheit versteht sich. Nicht das ich dem Händler misstrauen würde… aber falls alle Stricke rissen wäre es mir so ein leichtes mittels Transversalis genau dorthin zurückzukehren, die Tür mit einem schnellen Foramen zu öffnen und das Kartenteil zur Not auf andere Weise zu besorgen.

Tsarysha schien den Test bestanden zu haben, denn Zefira hatte keine Einwände, sich heute Nacht begleiten zu lassen. Zu Mittag gingen wir in die Stadt um uns einmal rein vorsorglich, wir hatten ja noch einen anderen Plan, eine Totenprozession anzusehen. Eigentlich sollte in Boran ja jeden Tag jemand sterben… aber wir hatten kein Glück und gingen dann stattdessen eine Kleinigkeit Essen. Bis zur Nacht war es ein langer Tag, den wir meist im Gespräch verbrachten. Wieder einmal wurde mir bei Tsarysha bewusst, wie sehr sich die Weltsicht der Maraskani von meiner, und damit von der aller anderen vernünftigen Menschen Deres unteschied. Am Ende nannte sie mich dann sogar Victorjin Äthraklatsch, und mit einem solchen Namen sei ich schon fast ein Halbmaraskaner. Der Name gefiel mir sogar irgendwie, deswegen war ich bereit, das aus ihrer seltsamen Logik heraus als Kompliment anzunehmen. Nach dem Abendessen machten wir uns dann fertig für die anstehende Unternehmung.

Junasia musste ihre leuchtend weiße Robe gegen einen Satz dunkle Lederkleidung und einen schwarzen Kapuzenmantel tauschen, die sie von Tsarysha erhielt. Das war zwar nicht standesgemäß, sie sah darin fast aus wie eine Schwarzmagierin, aber es gefiel mir. Am Himmel standen erneut Wolken vor dem vollen Madamal, die unser Vorhaben begünstigten. Das Gasthaus verließen wir ungesehen durch die Hintertür, jetzt stets darauf bedacht nicht aufzufallen, und eilten durch dunkle Gassen zur Stadtmauer hinüber. In einem Haus dort fand sich unter einer unauffälligen Luke ein Tunnel nach draußen. Langsam erschien mir die Befestigung Borans löchrig wie ein tobrischer Käse. Unter einer kleinen Brücke über einen Zufluss zum Bor gelangten wir wieder hinaus und schlichen von dort in Richtung der verdächtigen Gehöfte. Bei einer niedrigen Steinmauer blieben wir in Rufweite des Gehöfts zurück, falls Zefira und Tsarysha doch Hilfe benötigen sollten, die dann alleine weiter gingen. Nun hieß es einfach warten. Wir konnten aber auch von unserer Warte aus erkennen, dass die Mauer beleuchtet war und patrouilliert wurde. Was ich nun im kurzen Wiedergebe habe ich natürlich nicht selbst erlebt, sondern beruht rein auf Zefiras Schilderungen.

Über die Mauer und einen Anbau hatten sie sich Zugang zum Turm verschafft, mit einem Seil waren sie bis ins oberste Stockwerk geklettert, wo auch noch Licht war. Im vierten Stock fand Zefira den Diskus in einem Schreibtisch, der mechanisch gesichert war und schaffte es noch vor Ort in aller Eile, die Kopie zu fertigen. Der Diskus war anscheinend einer dieser berüchtigten metallenen Kampfdisken der Maraskaner, denn an der Kannte schnitt sie sich in die Hand, schaffte es aber mit dem Saum ihres Gewandes alle Spuren zu verwischen. Währenddessen fand im Hof eine Art Versammlung statt. Gute 80 Mann mussten dort zusammengekommen sein, eine bedrohliche Rede über die bevorstehende Eroberung Borans wurde gehalten und ein anscheinend Abtrünniger von schwarzen Tuzakern, die mir als eine mindere Dämonenart des Belhalar bekannt sind, zerfetzt. Es war wohl der Händler oder Lagermeister, dem das Lager mit dem Eingang gehörte. Beweise für die bößartigen Umtriebe der Besitzerin hatten wir nun also genug…

An den Mauern entlang gingen wir zurück zum Tunnel. Als wir einen mittelhohen Baum passierten schrie Tsarysha auf einmal auf. Soweit ich das bei dem spärlichen Licht sagen konnte schlang sich  eine schwarze Schlange um sie und zog sie den Baum hinauf. Zefira begann schnell den Baum hinauf zu klettern, während ich mich unten an Tsarysha hängte um um sie herunter zu ziehen. Die Schlange zischte mich erbost an. Aber Atzina rammte ihren Dolch in das Untier. Sogar Junasia nahm den Rest ihrer Kraft zusammen und hielt das Ungetüm magisch fest, während Zefira und Faramud feste zuschlugen. Die Schlange war schnell besiegt und Zefira begann direkt mit der Behandlung Tsaryshas. Anscheinend verfügte der Wurm über ein potentes Gift, denn sie war schon recht schwach. Zefira verabreichte ihr ein Kraut, das sie Hiradwurz nannte, welches auch sofortige Wirkung zeigte und die Gebissene stabilisierte. Ich hatte es noch nicht praktisch angewendet, aber aus dem Folianth der Kreutherkunde wusste ich, dass es wohl das beste Mittel gegen Schlangenbisse sei. Durch den Kellerweg gingen wir anschließend zurück.

Noch während wir durch den Keller gingen schien es Zefira irgendwie unwohl zu sein. Sie ging nicht mehr leichtfüßig wie sonst, sondern tapste etwas schwerfälliger und fasste sich immer wieder wie in Schmerzen an die Seite. Als sie mich zur Seite nahm, meinte sie, wir hätten da ein Problem. Sie hätte sich am Diskus verletzt und dieser sei vielleicht mit Shurinknollen vergiftet gewesen, ein langsam wirkendes Mittel das den Körper schwäche. Damit war es wohl an der Zeit für uns, den letzten Plan in die Tat umzusetzen und für Atzina, zu sterben. Ich nahm das Retonikum an mich, sie schleppte sich noch aus dem Gang heraus, um in der Nähe der anderen theatralisch Zusammenzubrechen.

Ich holte Faramud und Junasia herbei um zu helfen. Als sie da waren schüttete ich ihr das Retonikum als „Antidot“ hinein. Faramud, der mir asncheinend immer noch misstraute, drohte mir, es sei ein schlimmes Gift, ob ich wisse was ich da tue. Um ihn zu beruhigen sagte ich, das Antidot müsse sicher funktionieren, einer der besten Alchemisten Kunchoms habe es mir verkauft, sein Name war Kara ben Ingerimm auf dem Markt am Gadang. Aber natürlich „starb“ sie, was ihn zu heftigem lamentieren veranlasste, ich solle etwas tun. Ich wollte gerade mit einer Mund und Nase Beatmung beginnen, als Faramud mich am Schlafittchen packte und an die Wand drückte.

Zwei Wachen wurden auf uns Aufmerksam und fragten was los sei. Geistesgegenwärtig, um unsere verdeckte Operation nicht zu gefährden, erzählte ich, sie sei von einer Schlange gebissen worden, schwarz aus einem Baum heraus. Sie eilten uns voraus zu einem Heiler. Während Faramud Atzina durch die Gassen schleifte nahm ich heimlich ihr Skalpell aus ihrer Tasche und machte zwei kleine „Punkte“ in ihr Handgelenk um einen Schlangenbiss zu simulieren. Junasia bemerkte es dennoch und meckerte rum, was ich da mache. Noch eine Ausrede… ich wollte natürlich nur einen Aderlass machen um das Gift aus dem Körper zu entfernen. Aber Junasia meinte, ich solle das lieber einen kompetenten Heiler machen lassen. Warum trauten mir diese Schwachköpfe eigentlich die einfachsten Dinge nicht zu? Die Wachen klopften schon an einer Tür vor uns, die ein älterer Mann verschlafen öffnete.

Auch ihm erzählte ich die Geschichte von der Schlange. Nur Junasia plapperte beim Heiler etwas vom Shurinknollengift und hieb mir ihren Stab in die Seite. Der Heiler suchte nach Lebenszeichen, während ich meine Hand auf Atzina legte, um so zu tun als wolle ich Zaubern. Aber er diagnostizierte sehr schnell ihren Tot. Noch einmal versuchte ich von der Schlange zu erzählen, aber ich konnte nicht sicher sein, wer nun was glaubte. Im schlimmsten Fall würden wir einige Zeugen beseitigen müssen… Und es stand nun natürlich eine Totenprozession, wie der Heiler meinte. Am Ende des Marsches sollten wir in den Tempel gehen. Junasia wollte den Leichnam ständig verbrennen, aber das redete ich ihr selbstverständlich aus. Wir sollten sie ordentlich aufbahren, er zwar keine Bahre, aber wahrscheinlich könnten wir uns im Gasthaus etwas besorgen. Faramud trug sie feierlich dorthin zurück. Statt einer Bahre nahmen wir dann eine Karre, das war deutlich einfacher. Faramud murmelt auf Urtulamidia leise Sprüche, die sich wie ein Segen anhörten, die viel Donner, Feuer, Luft, Eis, Wasser und Erde enthielten. Er war dabei sehr feierlich und es hörte sich richtig gut an. Auf meine Bitte das aufzuschreiben schnauzte er mich aber nur wieder an. Wohl oder übel musste ich  Faramud jetzt aber von Azinas Herkunft, also hier aus Boran, erzählen.


Wir kamen an der Taverne an und brachten Atzina zunächst auf unser Zimmer. Faramud sollte sich um den Wagen kümmern, ich würde Atzinajida für den Totenzug auf ihrem Zimmer ankleiden. Wir erzählten auch dem Wirt die Geschichte von der Schlange, mittlerweile hatten alle verstanden, dass damit nur der Einstieg in den Turm kaschiert werden sollte. Er meinte für die Prozession sollten wir ihr ihre Lieblingskleider anziehen. Nur Junasia bliebt mit mir im Zimmer bei Atzina, die wurde ich einfach nicht los.

Deswegen blieb mir jetzt auch nichts anderes übrig als sie aufzuklären wie es gerade wirklich war. Immerhin war sie schon früher mit uns gereist, Atzina hätte sie sicher auch als Vertrauenswürdig genug eingestuft, um diese Scharade mitzugehen. Auch die Geschichte mit den Pünktchen am Arm erläuterte ich ihr, bevor ich mich daran machte das eigentliche Problem, also das Shurinknollengift, ernsthaft zu bekämpfen. Wofür war man denn akademisch in der Rettung von Personen und dem beseitigen von Körpergiften ausgebildet worden? Die Situation wäre in einem Lehrbuch an der Akademie in Al’Anfa fast schon als Klassiker durchgegangen! Den Klarum Purum sprach ich vorsorglich etwas stärker, da ich ja keine praktische Erfahrung mit Shurinknollen hatte. Der Aufwand des Zaubers richtete sich ja nach der Potenz des Giftes, und wenn es so tödlich war wie es schien, wollte ich da lieber nicht geizen. Und da ich mir keinen Fehlversuch erlauben wollte nahm ich noch etwas mehr Kraft hinzu um die Zauberwirkung zu erzwingen, sollte meine Konzentration irgendwo zwischendrin wanken. Sicher war sicher, es war immerhin für Atzina. Aber ich hätte mir gar nicht so viele Gedanken machen brauchen. Der Zauber ging mir von der Hand, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes getan. Da ich aber durch ihren totenähnlichen Zustand keine Rückkopplung hatte, war ich dennoch ein wenig nervös. Absolute Sicherheit würde ich erst haben, wenn sie erwachte. Dann wollte ich auf jeden Fall, nur für den unwahrscheinlichen Notfall, an ihrer Seite sein… Ich ging nun zu Pamina um ihr Bescheid zu geben, da sie die letzte Nacht auf ihrem Zimmer verbracht hatte und noch von nichts wusste, während Junasia Atzina ankleidete. Pamina schien recht geschockt und eilte im Schlafanzug an mir vorbei in das andere Zimmer. Sie brach in unsägliche Trauer aus und ließ die darauf folgende Wut an mir aus, schlug mir gar mit ihren Fäustchen auf die Brust. Ich ließ sie gewähren… Die Trauer war so echt, das würde uns bei unserer Scharade am nächsten Tag nur zugutekommen. Aber wenn wir weit genug fort waren von Maraskan würde ich auch diesem Plappermaul reinen Wein einschenken müssen… außer sie verwand die Trauer recht schnell, dann wäre es egal. Wir würden sehen…

Dann kam auch Tsarysha und ging zu Atzina und schien um sie zu trauern. Sie hatte um die Bisswunde wo sie die Schlange erwischt hatte noch blauschwarze Male und verfärbte Adern. Ich schickte Pamina, Faramud zu helfen. Als wir wieder allein waren nahm ich Atzinas Schminkzeug um ihre „Wunde“ entsprechend zu präparieren. Aber das ließ ich Junasia machen, sie war immerhin eine Frau und müsste sich als solche mit Schminken besser auskennen als ich. Sie machte das auch ganz ordentlich und überpuderte das Ganze sogar dann noch, um es zu „verdecken“ und wischfest zu machen. Natürlich nur für die Optik der Toten, falls jemand danach fragen würde.

Wir waren nun alle müde. Junasia wollte noch etwas schlafen, ich sah noch einmal nach Faramud und Pamina wie weit sie mit dem Wagen waren. Da passte alles, schlicht und würdig, aber in verschiedenen Farben, wie ein Regenbogen. So eine kreative Ader hatte ich Faramud gar nicht zugetraut. Aber dann legte auch ich mich zur Ruhe, wenn auch nur bis zum Morgengrauen.

Viel zu früh kam Faramud herein um Atzina abzuholen und trug sie stoisch ruhig hinunter. Er war bis auf einen Lendenschurz nackt. Ich beeilte mich dann, mich anzukleiden. Er meinte, die „aufgehende Sonne soll sie an den Klippen küssen“, also an der südlichen Hafeneinfahrt. Ich schickte Pamina los um Melissa zu holen, die hatten wir irgendwie bisher völlig vergessen und weckte Junasia, damit es losgehen konnte. Der Wirt war auch schon wach. Er erzählte etwas von einem „Blumenmeer“ das angemessen sei als er unseren Wagen sah, aber so recht verstand ich nicht, was er von uns wollte. Aber da er meinte, er würde sich darum kümmern ließ ich es dabei bewenden. Die Sitten hie waren mir eben doch fremd.

Als wir durch die Straßen gingen war noch nicht viel los, aber einige bleiben trotzdem stehen. Ich war wahrscheinlich der einzige in unserer Gruppe, der Atzina wirklich kannte und dem sie ihre ganze Geschichte erzählt hatte. Also war es an mir, den Tot von „Atzinajida der Heldenhaften, die früher als die Stille bekannt war“ auszurufen, die heute Nacht „weggegangen ist, um wiederzukommen.“ Das mochte sich für die Leute hier gut anhören und jemanden der sie gekannt hatte auch herbeibringen, aber es blieb am Ende dabei. Wer zu Boron geht ist fort, dieser Glaube hier an eine Wiedergeburt… einfach lächerlich. Faramud stieg auf die Stadtmauer als die ersten Sonnenstrahlen über das Meer schienen. Er rief laut von der Mauer, „es ist Zeit, sie ist gegangen um wiederzukommen, lasst uns die Hülle durch die Stadt bringen, dorthin wo sie vergehen wird“, dann sprang er von der 4 Schritt hohen Mauer einfach herunter und kam zu uns.

Wir begannen im einbrechenden Tag durch die Stadt zu ziehen. Es kamen immer wieder Leute die sich der Toten näherten, während ich „verkündete“. Der Klatsch breitete sich rasend schnell aus. Langsam verstand ich, was Atzina mir da immer versucht hatte zu erklären. Die Traube um den Wagen wurde mit der Zeit immer größer. Seltsame Sitten hier, in meinen Augen irgendwie pietätlos gegenüber der Toten, sie wurde sogar betatscht! Unsere Boronis daheim hätten so etwas sicher nicht geduldet und die Rabengarde den Pöbel verscheuchen lassen… Am Anfang des Kriegshafens kam die Gemüsefrau mit ihrem Wagen, der diesmal mit Blumen beladen war. Die Alte drückte mich regelrecht vom Totenkarren weg, ich könne das nicht richtig schmücken und solle sie machen lassen. Nun gut… ein Florist war ich ja wirklich nicht.

Zur achten Stunde merkten wir, das wird ein laaanger Weg. Auf Höhe des schwimmenden Dorfes fuhren wir besonders langsam und ich verkündete besonders laut. Immerhin war Atzina von hier gekommen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass jemand aus ihrer Kindheit oder Jugend noch hier lebte nur bedingt groß war. Entweder waren sie wohl in ihrem Elend verreckt oder hatten das Weite aus diesem Loch gesucht. Es gab auch niemand zu erkennen, dass er Atzina gekannt hatte, außer diejenigen, die sie in den letzten Tagen kennen gelernt hatte. Wie die Inhaberin einer Garküche, bei der sie anscheinend zum Essen gewesen war. Der Wirt kam mit seiner Frau und einer Dienerin. Sie schenkten Getränke und Matsch gerade an bedürftig erscheinende aus. Noch so eine Sitte, von der uns vorher niemand etwas erzählt hatte. Aber gut, so war auch dafür gesorgt.

Am Gasthaus kam ein kleiner Junge an die Bahre und legte still einen Lutscher zu ihr auf den Karren. Das war regelrecht süß. Bei all der seltsamen Anmutung, die dieses Ritual hatte war es doch auf eine sehr eigenwillige Art anrührend. Am Nachmittag kamen wir beim Rur und Gror Tempel an. Das Priesterpaar erwartete uns bereits, der Klatsch hatte sich sicherlich schnell bis zu diesen beiden verbreitet. Der Mann hob die Arme, hieß uns willkommen und bat uns herein um ihr angedeihen zu lassen, was uns auf dem Herzen läge. Wir sollten Rat mit Pietät erteilen und ohne Scham fordern. Was auch immer er nun damit wieder meinte… wir fuhren mit dem Karren in den Tempel hinein. Ich wünschte, Atzina hätte mir für diesen Fall einen Zettel vorbereitet, was ich zu sagen hätte. Nun war es zu spät…

Drinnen war eine große Ansammlung von Menschen und wartete schon gespannt. Man sah uns Erwartungsvoll an. Ich fand als erster meine Worte wieder und riet ihr, im nächsten Leben sparsamer zu sein. Ihre Verschwendungssucht und der zweifelhafte Umgang mit Geld den sie pflegte war in meinen Augen ihr vielleicht schwerster Charakterfehler, auch wenn sie das natürlich nicht weniger liebenswert machte. Faramud riet ihr, stets vorsichtig zu sein mit denen, die sie Freunde nennt, und noch vorsichtiger mit den Feinden. Irgendwie hatte ich den Eindruck, er zielte mit dieser Spitze in meine Richtung. Melissa meinte, sie solle geduldiger mit denen sein, denen sie etwas beibringen musste, und nicht so böse mit denen, die nicht das tun, was sie von ihnen gerade erwartete. Junasia hat nichts zu sagen, sie meinte, sie solle so bleiben wie sie war. Pamina fehlten die Worte, das arme Ding brachte keinen Mucks über die Lippen, während sie Tränen in den Augen hatte. Faramud empfahl der toten, sie solle bei ihren nächsten Haustieren dafür sorgen, dass diese nicht so fett würden und bedenken stets eine zweite Portion Hiradwurz mit sich zu führen. So ging es fort… möge sie im  nächsten Leben nur einen Namen führen, damit man nicht so verwirrt werde. Wähle Deinen Lebensgefährten beim nächsten Mal besser, um nicht wieder so einen Halodri zu bekommen, was ich auf Hagar bezog. Informiere dich beim nächsten Mal besser, bevor du nachts unter einen Baum mit einer Boronsotter trittst. Lass Deine Freunde nicht auf so abrupte weise alleine.  Zügle Deine Neugier und verkneife Dir es in jeden Topf zu blicken der dich nichts angeht. Gib Treue denen die Treue verdienen und meide die, die keine verdienen. Sei auch im nächsten Leben ein Licht, das die Dunkelheit vertreibt. Bewahre auch im nächsten Leben dein großzügiges Herz den Armen gegenüber. Behalte Dir deine hervorragende Heilkunst bei im nächsten Leben. Im Nachhinein betrachtet, tatsächlich alles Dinge, die man durchaus auf meine liebe Atzina beziehen konnte.

Nach den 16 Ratschlägen war andächtige Stille, einige schienen dem zuzustimmen was gesagt wurde, bevor anschließend noch die Forderungen vorgebracht werden sollten. Wieder so eine lokale Lächerlichkeit. Was sollte man schon von einem Toten fordern können… aber gut, das mussten wir hier eben tolerieren um des lieben Scheins willen.

Kläre noch, wo Dein Lohn für die Reise hin soll. Der Dir anvertraute, kläre noch, wer ihn nun betreuen soll. Kehre zu Deinen Freunden im nächsten Leben zurück und gib dich zu erkennen. Gib mir meine Katze zurück, die du mir vor einigen Jahren genommen hast. Dann geht es bunt weiter von allen möglichen Leuten. Sie solle vor allem den maraskanischen Weg mehr an Fremdijis weitergeben. Am Ende waren es weitaus mehr als 16 Forderungen, weil hier anscheinend jeder meinte etwas beitragen zu können.

Zuletzt  traten die Priester wieder vor und verkündeten, dass die weggehende zu ihrem Bestimmungsort gebracht werden könne, von dem sie aufbrechen werde. Ich fragte den Priester wohin mit ihr. Aber nachdem dieses Prozedere durchlaufen war, schien der Rest auf Maraskan eine recht formlose Sache zu sein. Auf Feldern oder Äckern in Kuhlen ablegen würde wohl genügen. So etwas wie einen Boronanger gab es hier nicht einmal! Beschämend. Wir verließen Boran durch das Tor und aus dem großen Wall hinaus vor die Stadt. Dort kamen wir zu einem kleinen, schönen Hügel über den der Wind wehte. Da wir keine Schaufeln dabei hatten, nahmen wir wirklich nur eine natürliche Vertiefung im Boden, in die wir Atzina vorsichtig betteten. In meiner Heimat sei es brauch, Totenwache zu halten und ich wollte es auch hier so halten, wie ich den Anderen erklärte. Das war auch noch nicht einmal gelogen, die Familie oder engsten Freunde pflegten dies wirklich zu tun bei uns. Und anschließend natürlich oft eine ordentliche Orgie auf den Toten zu feiern, aber darauf würden wir hier wohl verzichten. Junasia wollte dabei auf mich achten, Faramud, Melissa und Pamina gingen zurück mit dem Wagen und wollten uns zum Frühstück wieder treffen.

Als es dunkel wurde blieb Atzina weiter wie Tot liegen. Das Problem mit Rethonikum… die Dauer der Wirkung war leider sehr variabel und schwer abzuschätzen. Auch wenn wir bisher Glück gehabt hatten und es nicht zu früh seine Wirkung verloren hatte… aber jetzt wäre es schon langsam an der Zeit! Junasia und ich würden abwechselnd wachen müssen. Wir machten ein kleines Feuer für die Nacht. Bald fanden wir uns in einer für mich als Stadtmenschen unheimlichen Geräuschkulisse, wir waren jetzt doch recht nahe am Dschungel. Ab Mitternacht wurde ich sehr nervös, weil sich immer noch nichts tat. Was, wenn sie an dem vermaledeiten Gift am Ende doch in echt gestorben war? Wirklich gut ruhen konnte ich bei dem Gedanken nicht… Zur siebten Stunde in der Früh ließ die Wirkung des Retonikums dann endlich nach. Ich war sehr erleichtert, wie man sich vorstellen mag. Ich prüfte erst einmal Atzinas Lebenszeichen, nur zur Sicherheit, ob der Klarum Purum auch wirklich  hatte. Sie kam nur langsam zu sich, es dauerte etwa eine Stunde bis sie wieder einigermaßen klar bei Verstand war.

Dann besprachen wir uns, wie es nun weitergehen sollte. Ich solle ihre Sachen mit nach Al’Anfa nehmen, dort würde sie sie wiederholen. Und dort angekommen wollte sie sich auch für mich um Nandurin kümmern, wenn es erforderlich war das sie aufpassen müsste. Während wir redeten kam jemand den Hügel hinauf. Atzina legte sich schnell wieder hin. Es war Tsarysha die meinte, sie hätte uns gefunden, die Verschwörung aus drei. Sie schien alles durchschaut zu haben. Redete kryptisch daher, denn sie schien auch zum zweiten Finger Tsas zu gehören. Ich stellte mich schon darauf ein, sie direkt zu Boron zu befördern. Nach dem Schlangenbiss vorgestern war sie sicher nicht in der Lage, mir lange Widerstand zu leisten. Aber sie verdanke Atzina ihr Leben, deswegen würde sie den Tot auch bezeugen, statt sie zu verraten oder sie wirklich zu beseitigen. Ich blickte ratlos zu Atzina hinüber, auf ein Zeichen wartend, ob ich dieses Problem direkt für sie lösen sollte. Aber Atzina schien mit Tsaryshas Angebot leben zu können und verließ anscheinend darauf, dass diese ihre „Lebensschuld“ ernst nahm. Ich hoffte inständig, dass sich ihre Freundlichkeit hier nicht irgendwann gegen sie wenden würde. Die Chance, die letzten Mitwisser rechtzeitig Mundtot zu machen hätten wir auf jeden Fall vertan, sobald wir Boran verließen.

Dann errichteten wir einen Scheiterhaufen, um die „Leiche“ im Sinne Junasias zu verbrennen – und gleichzeitig die letzten Spuren zu beseitigen. So hatte jeder seinen Totenbrauch bekommen. Ich gab Atzina etwas Geld für ihre Weiterreise, dass ich mir wieder aus ihrem Gepäck nehmen sollte. Sie wollte von hier nach Tuzak gehen um von dort ein Schiff auf das Festland zu nehmen und weiter nach Al’Anfa zu Nandurin zu fahren. Wir verabschiedeten uns herzlich, immerhin würde es nun sicherlich ein Weilchen dauern, bis wir uns wiedersehen würden. Dann ing ich mit Junasia zurück in die Stadt. Nach einem kurzen Frühstück gingen wir mit der Abschrift des Diskus zu Malijin um den Handel abzuschließen. Ich überzeugte Faramud, auf einen Rachefeldzug gegen die Mörder Atzinas zu  verzichten um den Erfolg der Operation nicht zu gefährden. Im schlimmsten Falle würde er um sich abzureagieren vergeblich in Kunchom nach einem Alchemisten suchen, den es gar nicht gab. Wir wurden schon von allen erwartet, als wir bei Marlijin eintrafen.

Ich übergab Malijin das durchgepauste Blatt des Diskus, von Anrosian lag auch schon die erste Kopie einer Nachricht, die er nach Kunchom zurückbringen sollte, vor. Es dauerte einige Minuten, aber sie konnten die Nachricht schnell entschlüsseln, so dass wir den Beweis hatten, dass unser kleiner Plan wohl aufgehen mochte. In dem Schreiben wurden 100 Elitekämpfer erwähnt die schon oder bald in der Stadt sind und es war die Rede von einer Dämonenarche die in einem Monat zum Sturm auf Boran kommen sollte. Dies schien ein veritabler Krieg zu werden, aber anscheinend hatten sie schon einen Plan, wie sie diesen Angriff vereiteln und ihm zuvorzukommen wollten. Nun gut, das würde uns nicht mehr tangieren, unsere Arbeit war ja hiermit getan…

Dann erhielten wir wie vereinbart den Tisch zu unserer Verfügung. Am Tischbein fanden wir schnell den gesuchten Hohlraum. Es gab auch Spuren, als hätte schon jemand versucht ihn zu öffnen. Faramud bot an die Klappe mit dem Haumesser zu öffnen, aber ich ließ lieber Pamina mit ihrem Jagdmesser die Klappe aufhebeln. Alles schien sehr fein aufeinandergefugt, aber nach ein paar Versuchen hatte sie das Fach vorsichtig geöffnet. Der Hohlraum war leer, anscheinend war uns doch jemand zuvor gekommen. Das war nun sehr enttäuschend… Malijin, den ich nur kurz verdächtigte, wies jede Schuld von sich. Damit war also davon auszugehen, dass unsere Feinde nun ein Stück weit aufgeholt hatten. Schlimmer noch, nachdem wir hier Zeit verloren hatten mussten sie sogar einen Vorsprung bei der Suche nach dem nächsten Stück haben! Es galt jetzt, keine Zeit mehr zu verlieren.

Najenkasab bot uns eine kleine Entschädigung an für unsere Mühen, den Verlust unserer Freundin und das nicht erreichte Ziel unserer Reise an. Faramud und Pamina lehnten eine Bezahlung jedoch rundheraus ab. Sie würden, wenn sie wieder einmal in Boran seien, sich jederzeit mit jedem Wunsch an Malijin und seine Gruppe wenden könnten. Ich und Junasia, ich hatte nicht vor noch einmal auf diese seltsame Insel zu kommen, nahmen lieber jeder eine kleine Belohnung in Höhe von 30 Dukaten. Ich musste in Kunchom unbedingt noch einmal fragen, was die Ringkunde für Fortgeschrittene kosten sollte. Darüber war ich beim letzten Mal wegen der Wiedersehensfreude mit Junasia einfach drüber weg gekommen. Vielleicht langte meine Barschaft ja jetzt dafür!

Nachdem wir in Boran alle wesentliche erledigt hatten, wartete am Morgen des 27. Hesinde im Hafen unser Schiff, die Dhajhan, darauf uns zurück nach Kunchom zu bringen. Durch meine mittlerweile unzähligen Schifffahrten wusste ich abzuschätzen, dass es  bestimmt noch ein gutes halbes Stundenglas dauern würde bis der Kapitän bereit war uns aufs Schiff zu bitten. Vorher würden wir bei all dem Trubel dort lediglich im Weg herumstehen. Und wenn ich eines auf der Herfahrt gelernt hatte war es, dass Kapitän Nurabal ibn Lakman Leute die im Weg herumstehen nicht mochte.

Während wir also noch wartete trat einer der unvermeidlichen Buben vor mich, die sich hier anscheinend überall herumtrieben. "Werter Herr noch ein Ludja vor der Abfahrt?“ fragte er mich. Und was soll ich sagen, ich hatte irgendwie einen Geschmack an den Dingern entwickelt. Wenn die Maraskaner schon sonst nicht viel konnten, aber die Süßigkeiten waren wirklich vorzüglich. Also nahm ich ihm für das schmale Geld von gerade einmal 3 Heller einfach alle ab, die er hatte - 30 Stück, die mich sicher bis nach Kunchom geleiten würden und die Wartezeit im wahrsten Sinn des Wortes versüßen mochten.

Entsptannt lehnte ich mich an den großen Sack der hinter der Kiste auf der ich saß stand und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Anfänglich noch zwinkernd und das Treiben im Hafen beobachtend, wurde mir das Ankämpfen gegen das Sonnenlicht irgendwann zu anstrengend und ich genoss einfach die wärmenden Strahlen der Praiosscheibe auf meiner Haut. Gerade über Azina nachsinnend, wie weit sie wohl schon fort sein mochte, riss mich ein schnarrend scharfes „ … und Dondoya wie fühlt sich das an?„ aus meinen Gedanken. Als ich die Augen öffnete  war es nicht mehr hell, sondern es herrschte Zwielicht und dort wo die wärmenden Sonnenstrahlen vor Sekunden noch mein Gesicht gestreichelt hatten spürte ich einen Stiefel der mein Gesicht auf die feuchte, kalte Erde fixierte. Welcher impertinente Wicht wagte es! Umgehend konzentrierte ich mich auf eine spontane Verteidung, auch wenn das aus dieser Position sicher etwas widrig war.

Aus den Augenwinkeln sah icheine in einen blauen Burnus gewandete Person über mir stehen diegackernd und glucksend lachte. Nun, das Lachen würde ihr sicher gleich vergehen... Der Fulminictus den ich hervorbrachte war eigentlich wirklich veritabel, schien aber zu meinem erstaunen keinerlei Wirkung zu haben. Der Fuß drückte meinen Kopf weiter in den Schlamm, so dass der Schmodder schon meinen Mund bedeckte. Als ich noch überlegte, wie das gerade geschehen konnte trat ein Mann in mein Blickfeld, der ein Kleinkund auf dem Arm hatte, das mich teilnahmslos anblickte. Sofort erkannte ich Nandurin. Was sollte das?

Die Gestalt im Burnus sprach: „Du wolltest mir vorenthalten, was vereinbart war. Nun nehme ich zur Ehre des Güldenen Deinen Sohn, er wird einen prächtigen und treuen Diener unseres Herrn abgeben.“ Mit erheblicher Kraftanstrengung schaffte ich es den Ellenbogen unter meinen Kopf zu ziehen, so das mein Sichtwinkel etwas besser und meine Lage etwas weniger unbequem war. Schwach, wehrlos, besiegt und gedemütigt lag ich im Staub und erkannte bei einem verzweifelten Blick auf Nandurin die Gleichgültigkeit in seinen Augen, … Gleichgültigkeit für einen Vater der zu oft und zu lange weg war um eine Bindung die einer Emotion würdig wäre aufzubauen. Sollte ich die Reise vielleicht doch abbrechen, um zu ihm zurück zu kehren?

Dann wurde mir wieder schwarz vor Augen, langsam fühlte ich wieder Wärme im Gesicht, doch bevor ich die Augen aufschlagen konnte, fühlte ich die Strapazen der letzen Monde, die mich fahrig werden ließen. Allerdings, und das war schon erstaunlich, als ich den Blick nach oben richtete sah ich die Säulen des Rahjatempels in Belhanka. Etwas bäumte sich in mir auf, etwas ob der Geschehnisse von Hass getriebenes, Ich straffst mich und betrat den Tempel. Jetzt wo ich schon einmal hier war... heute würde ich vielleicht die Antworten bekommen, um die ich ersucht hatte.

Aus einer Gruppe von Geweihten löste sich eine zierliche Frau heraus als Sie ,einer Gewahr wurde. Ich nahm einen herablassenden Blick wahr, oder war das Einbildung? Als Sie vor mir stand lächelte Sie zumindest wieder freundlich und bat mich auf einer der im Tempelrund angeordneten Steinbänke Platz zu nehmen, auf denen gewöhnlich unter den Augen der Göttin Hesindegefällige Dispute ausgetragen wurden. Die Geweihte kam schnell zum Punkt. "In Eurer Sache Hr. Magus, der Suche nach der von Euch beschriebenen Person,  können wir kein Ergebnis vorweisen." Das war so lapidar daher gesagt, dass ich mir nicht verkneifen konnte zu erwiedern "Da hätte ich aber mehr von Euch erwartet". Auf die spitze Bemerkung antwortete die Geweihte geradezu unwirsch, „Wir wissen nicht wer die ominöse Person sein könnte die ihr uns beschrieben habt, wir haben viel Zeit und Ressource in die Suche nach einem Phantom gesteckt.Wären die Spenden Eures Freundes di Garangor nicht so üppig ausgefallen, dann hätten wir die Recherche schon eher abgebrochen um uns wieder wichtigeren Dingen zu widmen. Es tut mir leid, dass ich Euch keine besseren Nachrichten geben kann.Ich habe noch etwas zu tun … ihr entschuldigt mich..." Enttäuschung war noch das mildeste meiner Gefühle...

Ehe ich noch etwas fragen oder erwidern konnte wurde mir erneut schwarz vor Augen  und ich spürte abermals die Wärme der Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht, die Rufe der Schauerleute und das Knarren der Kranwinden drangen an mein Ohr. Als ich allerdings die Augen öffnete sah ich den Hafenbetrieb, meine Reisegefährten und die Schiffe nur als stark verschwommene Silhouetten ...einzig eine bildhübsche Frau war klar zu sehen. Sie erinnerte mich stark an Visaria, die ich in Al'Anfa zurückgelassen hatte und bewegte sich langsam auf mich zu. Mit jedem Schritt den Sie näher kam verstärkte sich einerseits mein Gefühl, das Sie Allem das um uns herum war vollkommen überlegen wäre und andererseits kam ich mir schlichtweg bedeutungslos, dumm, klein und nichtswürdig vor. Ein ungewohntes Gefühl... immerhin war ich ja dazu bestimmt der Grömaz zu werden! Das Gefühl war so erdrückend, das ich handlungsunfähig regelrecht in meinem Körper gefangen war.

Sie strahlte pure Macht aus und als Sie vor mir zum stehen kam und mich mit einem scharfen aber erstaunlicherweise verständnisvollen Blick ansah, hatte ich das Gefühl, Sie blicke in mein Innerstes und ich kam mir vor als wäre ich ein Buch in dem Sie geradezu genußvoll blätterte. „Viktor Dondoya i Pelesario, darf ich mich auf die Kiste neben Dir setzen?". Was für eine Frage... wie könnte ich einer solchen Frau diesen Wunsch abschlagen? Ihre glockenhelle Stimme wirkte auf meinen Körper und meine Gedanken wie ein reinigendes Bad und auf einmal konnte ich mich wieder bewegen. Als ich mich, nur der Höflichkeit und Form halber noch einmal mit vollen Namen vorstellte und nach dem Ihren fragte erhielt ich nur eine ausweichende Antwort. "Jemand der es gut mit Dir meint, nur so viel sei gesagt, mit Wissen-Suchenden meine ich es gut, und ich denke Du bist ein Suchender … habe ich Recht?" Nun, damit lag sie natürlich nicht falsch. Auch, wenn Wissen derzeit nur ein Teil der Dinge war, die ich suchte. Aber das wären Spitzfindigkeiten... „Ich denke, niemand sollte Dich entwürdigend behandeln können" das Bild der Person in Burnus blitzte kurz vor meinem inneren Auge auf, "niemand sollte Deine Anliegen nicht mit der angemessenen Ernstaftigkeit verfolgen oder Dir Wissen vorenthalten" das Bild der Rahja-Geweihte sprang in meinen Kopf. Ihre Stimme wurde eine fast unmerkliche Nuance schärfer. "Adeptus Minor, Respekt wird durch Überlegenheit erzeugt, Überlegenheit durch Macht und Macht unterscheidet sich nach banaler Macht und wahrer Macht. Banale Macht beruht lediglich auf Körperlichkeit und ist schnell vergänglich, wahre Macht jedoch erlangt man nur durch Wissen... jaaaa das ist wahre Macht Ich sehe in Dir Leid, Zweifel, Ungewissheit, Zeitdruck, da Du suchst und nicht findest. Sei Dir gewahr, dass dies Alles Deinen geistigen Fortschritt behindert!" Ihre Stimme klang nun traurig. "Mich dauert das Viktor... Was Andere Dir zu geben nicht Willens oder in der Lage waren, ich will es Dir geben".

 Ein Surren lenkte mich von Ihr ab.Auf einmal schwebte etwas grell hellgrün leuchtendes in mein Blickfeld. Nach und nach manifestierte sich ein deutlicher werdendes „R“ in seinem Inneren und wurde immer größer. „Ein Teil des Antagonisten-Namens nach dem Du suchst …für die weiteren Teile bedarf es nicht viel“ Was soll ich sagen... auf diesen Handel war ich jetzt wirklich gespannt. „Du hast unglaublich viel Potential, dass nur darauf wartet zur Entfaltung gebracht zu werden, nutze einfach künftig auch verstärkt Dein …. mmmh …. eher brach liegendes, verstecktes Potential, also dein ganzes Repertoire an Handlungsmöglichkeiten. Wähle richtig, sei kreativ und lerne daraus. Erfolg kann nämlich auf vielen Wegen erzielt werden ... Wähle richtig und der je nächste Teil des Namens wird Dir aufgezeigt." War das eine schlecht verholene Aufforderung mich der sieptsphärischen Mächte zu bedienen, die ich bisher nur aus Rücksicht auf Faramuds und Junasias Befindlichkeiten zurückgehalten hatte? Ich denke schon... 

Ihr glockenhelles Lachen hallte noch nach als ihr Anblick verschwamm und ihre Präsenz schwand. Von Bord der Dahjan drang lauter werdend eine mir wohlbekannte Stimme an mein Ohr. „Gelehrter Herr eilt Euch wir wollen ablegen!" Meine Gefährten waren bereits an Bord, ich schien in der Sonne etwas weggeträumt zu sein. Mich zusammenreisend schaffte ich es unfallfrei an Bord, auch wenn ich das Gefühl hatte meine Beine wären etwas wackelig oder der Boden ungewohnt schwankend. Über dieses Erlebniss würde ich bis nach Kunchom nun erst einmal nachsinnen müssen... Schade das Atzina nicht mehr da war, sie wäre die einzige gewesen, der ich eine solche Geschichte hätte anvertrauen können ohne Misstrauen zu erregen. 

Aber sei es drum, hier tat sich ein neuer Weg auf. Ob ich ihn beschreiten wollte konnte ich jetzt noch nicht sagen. Aber den Rat, meine Möglichkeiten voll zu nutzen, den konnte ich nicht von der Hand weisen. Was wären manche Dinge bisher einfacher gewesen für uns, wenn ich es einfach getan hätte ohne mich von anderer Leuten moralischer Fesseln behindern zu lassen...

Als ich mich noch einmal umblickte um zu sehen ob die Frau noch auf dem Kai zu sehen wäre, konnte ich hinter mir über der Planke schwebend das grell hellgrün leuchtende Etwas sehen. Das „R“ in seinem Inneren verblasste, das Ding löste sich auf, ohne dass es anscheinend außer mir jemand hätte warnehmen können...

Dieser Eintrag wurde am 19.02.2023 (18:14) verfasst und 162 mal aufgerufen.
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