Tagebuch von Marnek Espenhain
Zeit der Ritter II

Bevor wir Neersand verließen gab man uns noch eine Erkenntnis aus der Hafenmeisterei mit. Grumpen hätte zuletzt flussaufwärts nach den Büchern nur auf drei Schiffen fahren können, wobei man davon eines sicher ausschließen konnte. Übrig blieben Kähne die auf die schönen Namen „Kleiner Notmärker“ und „Walsaritze“ hörten. Den Abend nutzten wir um uns vor der Abfahrt noch etwas auszuruhen. Einkaufen brauchte ich nichts mehr, für die anstehende Witterung und die Reise besaß ich bereits alles Erforderliche. Und Essen, beschied man uns, würde man entlang des Flusses genug haben und eigentlich so gut wie immer wenn nichts unvorhergesehenes geschah in Gasthäusern oder Ordenshäusern der Widder nächtigen. Am Morgen vor unserer Abfahrt wurden wir zum Efferddienst gerufen. Mir war das ja eigentlich egal, aber das konnte ich als Bronjar schlecht freiheraus sagen. Und verärgern wollte ich die Priester natürlich auch nicht… Wie erwartet war es wieder neblig, als Koi uns erwartete. Er reichte mir noch ein graugrünes Pergament mit grünblauem Siegel in Delphinform, ein Empfehlungsschreiben des Meisters der Brandung, das uns auch als in seinem Auftrag unterwegs auswies. Die Worte die darauf standen konnte ich zwar lesen, verstand aber ihren Sinn nicht. „Unda fluid, mare manit“. Da überraschte uns alle Melham, der meinte das sei Bosparano und würde so etwa bedeuten „die Welle fließt, das Meer bleibt“. Sollte der alte Stinker am Ende sogar eine ungeahnt gebildete Seite besitzen?

Auch die drei Sewerier kamen gerüstet von der Akademie herunter, auch wenn sie in ihren Wappenröcken und Rüstungen eher wie verkleidete Halbstarke denn wie echte Krieger aussahen. Dann trafen wir die Leute vom Widderorden am Kai. Ritterin Tisa besetzte mit drei weiteren Kriegern und 10 Knechten einen Steg, an dem ihr Schiff festgemacht hatte. Eine schlanke und schnittige Flussgaleere mit 5 Ruderplätzen auf jeder Seite und einem hohen Masten. Das erklärte auch die Anzahl der Knechte… wobei es für uns alle zusammen ziemlich eng auf dem Schiffchen werden dürfte. Ein Pferd hätten wir da beim besten Willen eh nicht unterbekommen. Wir folgten Koi entlang dem Kai fast bis zur Stadtmauer im Süden. Meister di Sylphur wartete dort schon im kalten Wasser stehend auf uns. Nach und nach gingen wir alle bis zu den Knien hinein und mich fröstelte schon dabei. Nach einer getragenen Ansprache durch den Geweihten schwappte das Wasser in einer Welle an uns hoch, nur kurz um uns zu netzen, war dabei aber nicht unangenehm kalt sondern eher wohltuend warm. Ich wertete das als gutes Omen, anscheinend hatte Efferd nichts dagegen, dass wir erneut für ihn agieren sollten.

Auf dem Rückweg fragte ich Koi vor der Abfahrt, ob ich den einen dieser schönen Leuchtesteine, er nannte sie Gwen Petryl, aus dem Tempel haben könnte. Er begann schon mich zu schelten, als ich ihm erklärte, dass ich damit in meinem Schloss von einer befreundeten Künstlerin ein besonderes Gemälde würde erweitern lassen wollen. Ein Seemond, der eine Meereslandschaft darstellte, und mit einem dezenten Leuchten herum, der Stein sollte in die Farben gemischt werden, würde es sicher dem Herrn Efferd noch besser zur Geltung gereichen. Das stimmte ihn dann gleich wieder milde und er versprach mir, darüber nachzudenken. Er konnte sich das, quasi im Sinne eines Efferdschreins, dann irgendwie schon vorstellen.

Als wir ablegten schob uns ein freundlicher Luftzug aus Süden den Fluss hinauf so dass wir zunächst mit gehisstem Segel fahrt machen konnten statt zu rudern. Auch das schien uns allein ein gutes Zeichen. Als die Sonne über den Horizont stieg und den Nebel vertrieb bot sich uns ein majestätischer Anblick. Im Norden und Osten weit den Wald und die dahinter ansteigenden Berge vor Augen durchschnitten wir die Fluten des Flusses. Im Westen wirkte das Land fruchtbar und bewirtschaftet, immer wieder sahen wir vereinzelte Gehöfte in den Flussauen stehen. Tisa erzählte uns, dass die Walsachpiraten seit des erstarkens des Widerordens , so etwa die letzten 3-4 Jahre, nicht mehr sehr aktiv waren. Das konnte man als gutes Zeichen werten, oder dieser Mijesko Einhand heckte etwas Großes aus. Sie warnte uns noch einmal eindringlich, als sie sah das ich den Burschen auf die leichte Schulter nahm, das er ein überaus gefährlicher Mann sei, und wir gegenseitig auf uns alle würden Acht geben müssen. Aber die nächsten Tage zumindest verliefen eher ruhig und einförmig, nur von wenigen berichtenswerten Ereignissen unterbrochen. Abend machten wir in Elkenacker halt, einem kleinen Ort aus wenigen Holzhäusern mit einer Taverne für Flussreisende. Wir mochten heute wohl an die 40 Meilen geschafft haben dank des guten Windes und des schnellen Schiffs. Das Dorf erinnerte mit ein wenig an Jagotin. Wir fragten in der Taverne nach den beiden Schiffen denen wir folgten und seinen Passagieren, aber ich war nicht überrascht als es hieß beide Schiffe seien am gestrigen Morgen weitergefahren. Der Lichtblick war aber, dass man Gari und Grumpen tatsächlich gesehen hatte. Wir waren also auf der richtigen Spur, und die war nicht einmal kalt. Die Ordensleute der Widder übernachteten in einem Turm und Baracken ihres Ordens, wir nahmen mit der Taverne vorlieb. Aber es war eine ruhige Nacht…

Am nächsten Morgen, der einen schönen Tag versprach, lag nur leichter Nebel über dem Wasser, dem die rote Morgensonne etwas geradezu mystisches verlieh. Als auch noch ein Schwan über das Wasser pflügte war das Szenebild für ein Landschaftsgemälde geradezu perfekt. Nur Melham scholt mich, ich sollte sowas nicht sagen, als ich meinte, Schwan würde sehr gut schmecken. Er führte eine Gottheit Namens Ifirn ins Feld, für die er schon einmal gefochten haben wollte. Aber diese Tiere wurden andernorts sogar als Delikatesse gereicht. Mir wäre es nur einerlei, ob ich ein Huhn, eine Gans oder einen Schwan auf dem Teller hätte… Gegen Mittag erreichten wir ein größeres Dorf von sicher 200 Seelen das Tisa Rivilirauken nannte. Auch gegenüber im Überwalls schien sich ein zarter Schimmer von Zivilisation festzukrallen, stand dort doch ein einsames Fachwerkhaus herum. Die Ritterin erzählte uns, dass sei der Stammsitz der Familie ihrer Ordenshochmeisterin Dobrischanja von Hollerow und Rivilauken. Aber sie sei natürlich nicht hier, sondern auf der Ordensburg anzutreffen üblicherweise.

Als ich fragte, wie weit es denn eigentlich sei, bis man auf die Flüchtigen oder gar Mijesko Einhand treffen würde meinte sie, das wären noch sicher  8 oder 9 Tagesreisen. Einhand hätte sein Versteck wahrscheinlich irgendwo in der Gegend des „Flusses ohne Namen“, den wir nach einigem hin und her als den Nagrach identifizierten. Vor dem Namen hatten viele an Bord eine geradezu abergläubische Angst, nur Jucho sprach das unbedarft aus, nicht wissend warum das ein Problem sein sollte…  aber sonst geschah wenig. Am Nachmittag hörte ich einmal ein leises Plätschern das mir irgendwie anders erschien, aber seine Ursache konnte ich nicht ergründen, bevor es auch schon wieder verklungen war. Am Abend machten wir dann halt in Arlinsburg, das aus kaum mehr als einem dutzend Häuser auf der Seite des Niederwalls bestand. Die Walsaritze war her vor 1,5 Tagen vorbei gefahren, nur der Notmärker hatte hier angehalten. Da unsere Gesuchten aber nicht gesehen wurden folgerte ich nun, dass sie sich auf der Walsaritze befinden mussten. Das schränkte die Suche erneut etwas ein.

Als wir am nächsten Morgen erwachten nahm mich Nadjescha recht zornig beiseite. Irgendwer hatte ihr in der Nacht ohne das sie oder Pam es bemerkt hätten im Schlaf eine Haarlocke abgeschnitten, und ich war auf einmal ihr Hauptverdächtiger. Ich versicherte ihr bei alle was mir lieb und teuer war, das dieses Bubenstück nicht auf meine Kappe ging. Sie musterte mich intensiv, aber ich hatte ja wirklich nichts getan. Eine Lüge galt es also nicht zu durchschauen, und am Ende glaubte sie mir. Wer mochte so etwas tun? Einer unserer jungen Burschen, die sich in das fesche Mädel verguckt hatten? Aber unsere Blechträger waren ja eher nicht diejenigen, die sich unbemerkt an einer Waldkatze wie Pam vorbeischleichen konnten. Oder doch jemand mit üblen Absichten? Was man mit einer Locke anstellen konnte wusste ich ja nur zu gut… zur Sicherheit prüfte ich den Gastraum als alle beim Frühstück waren mit einem schnellen Odem Arcanum, aber außer Pam und Jucho mit ihren latenten Begabungen gab es hier nichts zu sehen. Sehr seltsam. Aber damit konnten wir uns nicht aufhalten.

Wir kamen weiter gut voran. Die eintönige Fahrt wurde erst unterbrochen, als ein putziger kleiner Otter neben unserem Boot herschwamm. Das auch Pam im Herzen nur ein liebes Mädel war merkte man, als sie mit verzückten Augen versuchte, das possierliche Tierchen mit den von ihr geangelten Fischen zu füttern und anzulocken. Ritterin Tisa meinte, es könne sich bei dem Otter aber auch um einen Biestinger handeln, ein Feenwesen des Überwalls. Aber wir bräuchten uns nicht sorgen, das waren üblicherweise verspielte, freundliche Wesen die das Überwalls bewachten. Meinen Plan aus dem Otter eine Pelzmütze zu machen begrub ich daher schnell wieder ganz tief unten. Und sie erzählte uns, das Biestinger Haare mochte, besonders schönes und glänzendes Haar tat es ihnen an. Nadjescha und ich warfen uns einen erkennenden Blick zu. Bei genauerer Betrachtung schien der Otter auch nicht neben uns her zu schwimmen, sondern eher Flussaufwärts zu treiben, was dann schon befremdlich wirkte. Und ich fühlte mich den ganzen Tag über immer wieder beobachtet…

Am Abend kamen wir nach Otra, dessen herausstechendstes Merkmal eine Burg aus Stein war, die natürlich ebenfalls dem Widderorden zugehörig war. Im Hof der Burg lag ein großer Findling, sicherlich 3 Schritt lang, den angeblich vor 3 Tagen ein leibhaftiger Drache dort hingeworfen hatte. Das war mehr als seltsam, ließ sich aber von uns jetzt auf die Schnelle auch nicht ergründen. Wir fuhren am nächsten Tag einfach weiter, und langsam schienen wir uns dem Nagrach zu nähern. Ab dem Mittag trieb immer wieder bläuliches, scharfkantiges Eis in kleinen Schollen im Fluss. Jarlo wurde von einem der Ordenskrieger, mit dem er anscheinend auch verwand war, mit einer Stange an den Bug kommandiert um dort aufzupassen. Trotzdem hatten wir bald einige Scharten im Rumpf. Im Laufe des Tages wurden die Schollen auch immer größer, je weiter wir flussaufwärts kamen.

Am Abend übernachteten wir in Treska und auch hier richtete der Widderorden gerade eine verfallene Burg wieder her. Gegen die Horden des Namenlosen aus dem Riesland, wie mir beschieden wurde. Als ich dann einwarf, ob denn die Fataboruk auch eine Anhängerin des Namenlosen gewesen sei, weil sie ja mit lauter Wehrlosen genau dahin gefahren ist, hatte ich die Ritterin Tisa sichtlich auf dem falschen Fuß erwischt. Von solchen Dingen wollte sie dann partout nichts hören oder darüber diskutieren. Am nächsten Tag kamen wir nur langsam voran und mussten die Ruderer Bemühen um durch das von Eisschollen durchsetzte Wasser weiterzukommen. Es war ein ruhiger Vormittag, bis auf einmal Pam unversehens aufsprang, sich die wenigen Kleider vom Leib riss und ins Wasser sprang. Ich war völlig verdutzt und konnte gerade noch einen (oder DEN?) Otter im Wasser verschwinden sehen, der wohl bis gerade noch entspannt nahe bei unserem Boot wieder mit uns getrieben war nun aber pfeilschnell in den Fluten verschwand. Alle Anderen waren mindestens genauso überrascht wie ich, so dass das Boot erst noch ein Stück weiterfuhr, bevor irgendwer reagierte. Aber Pams Kopf tauchte auch nach kurzem Warten nicht wieder auf. Hatte ihr Körper auf das sicher eisige Wasser mit spontaner Starre reagiert? Melham war der erste der sich ein Herz fasste und kurz danach hinterher sprang. Es dauerte einige Herzschläge, bis beide zusammen hinter dem Boot südlich von uns auftauchten und sich ans Ufer kämpften. Wir legten sofort an um sie wieder aufzunehmen, zu trocknen und erst einmal aufzuwärmen. Melham machte das, indem er sich mit einem seiner Fetzen abtrocknete, während Pam nackig durch die Gegend hüpfte, was Melham zumindest die Gelegenheit gab, sie hemmungslos zu begaffen. Leider verloren wir durch diese unbedachte Einlage einige Zeit, schafften es aber gerade noch so bis nach Trallsky um dort die Nacht zu verbringen. Nur wenig später, und wir hätten heute wohl in der Wildnis schlafen müssen.

Trallsky war nur wenig der Erwähnung wert. Wir anscheinend in allen Orten entlang des Walsach gabe es auch hier eine Festung des Widderordens. Der Ort mochte um die 500 Seelen zählen und war damit schon recht groß, weswegen es sogar vier Gasthäuser gab. Aber wir waren ja eh nur auf der Durchfahrt und so ging es am nächsten Tag direkt weiter, wir hatten keine Zeit zu verlieren.

Im Laufe des Tages sahen wir immer wieder den Biestinger Otter und später am Tag, man mag es kaum glauben, kamen wir dank noch mehr Fisch sogar ins Gespräch mit dem possierlichen Kerl. Er war ein Späher und nannte sich Alrik. Mijesko, diese Schauergestalt die im Hintergrund die Fäden zu ziehen schien kannte er und hielt ihn für gefährlich. Fulmador, sein Hauptmann, sage, von Mijesko solle man sich fern halten, da wo das schwarze Eis her kommt, oder so. Aber Grumpen und seine Handlangerin seien gestern erst hier vorbei gekommen und hatten etwas dabei, das nicht zu ihnen gepasst hätte. Das könnte das verschwundene Buch gewesen sein. Er erinnerte sich sogar, dass sie in 2 Wochen den Walsach jetzt einmal runter und wieder hinauf gefahren waren. Der Otter war aber an sich ein lustiger Geselle. Weiter vorne kämme nun Brinbaum, aber das waren ihm wohl zu viele Leute… und anscheinend hatten wir auch nicht genug Fisch, so dass er dann wieder ins Wasser hüpfte und im Fluss verschwand. Zumindest war ich mir jetzt sicher, dass uns diese Biestinger nicht feindlich gesonnen waren. Mit dem Widderorden schienen sie sogar recht gut auszukommen.

Während wir noch sprachen schnappte sich Melham Gestroy, weil der Grumpen „Meister Walsjaref“ nannte und schüttelte ihn durch. Er war wohl recht angespannt. Der Otter schien Tissa gekannt zu haben, denn er hatte angedeutet von ihr größere Fischmengen erwartet zu haben. Drauf angesprochen wurde die Ritterin leicht rot. Sie meinte dann, man müsse schon das ein oder andere machen, um sich die Biestinger gewogen zu halten. Aha! Sie hätte nicht damit gerechnet, dass er bei so vielen Fremden näher heran kommen würde. Aber wir sollten uns auf jeden Fall mit ihnen, aso den Biestingern,  Gut stellen, da wir nicht wissen, auf welcher Seite des Flusses wir am Ende landen würden.

Um die nächste Biegung sahen wir dann eine größere Stadt. Brinbaum an der Mündung der Brinna gelegen war ein Handelshafen und Umschlagpunkt zwischen der Kronstraße, Walsach und der Bribna. Sogar eine Befestigung aus Erdwall und Palisade schützte die sicher 800 Einwohner. Wir sollten in den 4 Barden, einer Schänke am Hafen, unterkommen meinte die Ritterin. Als wir anlandeten war ein weiteres kleineres Flusschiff oder größeres Fischerboot im Hafen vertäut und 2 Treidelkähne. Bis zur Gaststätte mussten wir nicht weit gehen. Tissa trat als erste über die Schwelle und erstarrte. Sie drehte sich zu uns um, wisperte uns ein „Oh nein“ zu und wurde bleich. Ein Mann mit rotblonden, schütteren Locken und abgewetzter Lederkleidung sprang auf, eilte auf sie zu und rief „Rondra zum Gruße Kameraden“. Er stellte sich als Jergan Radab, Offizier für besondere Aufgaben im Widderorden vor und schon in den ersten Momenten erkannte ich er war ein überaus extrovertierter und schwafeliger Kerl. Er deutete sogar irgendwas mit Tissas Verlobtem an, das nahm sie ihm aber recht übel, so dass er schnell das Thema wechselte.  Egal wie, ich teilte die Auffassung der Ritterin, dass dieser Ort am schönsten wohl ohne diesen Kerl wäre. Zum Glück hatten wir Melham, der Jucho zu einem Besuch im Puff überredete und den Herrn Radab dazu als persönlichen Stadtführer in Anspruch nahm. Hätte ich eine solche Ablenkung geplant, sie hätte auch nicht besser ausfallen können…

Es war schön ruhig während der Mann weg war. Ich schlug Tissa einen schnellen strategischen Ortswechsel vor, ich wäre auch bereit meine Ansprüche an eine Unterkunft herunterzuschrauben. Sie schien mit der Idee mehr als einverstanden zu sein. Leider gab es in der Stadt nur eine weitere Herberge, das Haus Silling. Aber alles war besser, als einen Tag mit dieser Labertasche zu verbringen. Tissa klärte uns auf, man habe ihn von der bornischen Kavallerie zum Ritterorden weggelobt, weil er versucht hätte ein Kavallerie-Regiment mit Reit-Elchen auszustatten. Und er habe infamerweise seinen Elch-Bullen Thesia genannt, was die Adelsmarschallin nicht witzig gefunden haben soll. Auf dem Weg zur anderen Herberge gingen wir noch schnell zur Hafenmeisterei, die gleichzeitig ein Krämerladen war, um nach der kleinen Walsaritze zu fragen. Diese sei vorgestern Abend angelandet mit einigen Passagieren an Bord und heute Morgen weitergefahren. Sie hätten einen Tag zum entladen und beladen gebraucht. Aber alle Passagiere hätten auf dem Schiff übernachtet, es gab wohl eine lustige Feier.

Wir hatten den Hafenmeister kaum verlassen, da fing uns nach wenigen Schritten allerdings der Herr Radab auf der Straße ab. Diese Stadt war wohl doch einfach zu klein, um sich richtig aus dem Weg zu gehen… Er wollte nun wissen, warum wir wirklich hier wären, die beiden Simpel, womit er offensichtlich Jucho und Melham meinte,  „habe er verräumt“.  Nun war ich etwas erstaunt, hatte ich diesen wandelnden Wortschwall tatsächlich unterschätzt? Auf der anderen Seite war er vom Widderorden, also gab es keinen Grund, ihm die Wahrheit vorzuenthalten. Ich erzählte ihm also, dass wir auf Piratenjagd waren und die beiden Flüchtigen Grumpen und Trischanzig bis hierher verfolgt hätten. Und wieder überraschte er mich. Er habe die wenn auch zerknautscht aussehende Tischanzig wohl gestern erst in der Kneipe gesehen. Aber als sie seiner Ansichtig wurde sei sie Richtung Perviner Tor gegangen, vielleicht ins Haus Silling. Er kenne sie schon seit vielen Jahren.  Diese Gelegenheit konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen, also ließen wir uns sofort dorthin bringen, auch wenn es nur wenige Dutzend Schritt waren. Ein weißes Fachwerkhaus mit roten Balken, unten gemauert mit Holzschild verriet die Herberge. Die ausgedehnten Stallungen deuteten darauf hin, dass hier wohl eher für Kutscher und Händler abstiegen. Jetzt am späteren Nachmittag war das Haus schon gut besucht. Ich trat als erster ein und sah mich um, immerhin kannte die Frau mich noch nicht. Es gab genau einen Tisch hinten an einer Tür in den rückwärtigen Bereich, an dem eine einzelne blonde Frau saß. Sie sah etwas Mädchenhaft aus und mochte irgendwas zwischen 20 und 30 Sommern gesehen haben. Als Jergan Radab hinter mir eintrat merkte die Frau auf, erhob sich und wollte nach hinten raus gehen. Das war für mich ein Zeichen. Noch einmal, so wie in Neersand diesen Halunken, würde ich nicht noch einmal jemand entkommen lassen. Ich ging eilenden Schrittes durch den Gastraum und rief Pam und Nadjescha zu sie sollten hinten rum gehen. Als ich los eilte wurde die Frau sichtlich hektisch und versuchte zu flüchten. Sie verschwand behände zur hinteren Tür raus, aber als ich ankam saß Pam schon auf ihr und hielt sie am Boden fest. Weiter hatte ich nur noch nicht vorausgeplant, was tun also. Ich entschloss mich, ihr erst einmal gespielt zu drohen, um sie zur Kooperation zu bewegen. „Gari Trischanzig, im Namen der Efferdkirche seid ihr zum Tot durch ertränken wegen Tempelfrevel verurteilt.“ Sie begann herumzujammern und meinte, sie wolle die Beute zurückbringen, sie habe sich von Bosjef getrennt. Aber auf dem Schiff sei ihnen das Buch gestohlen worden. Er sollte auf dem Schiff bleiben und das Buch dort suchen, ist also weiter gefahren, sie wollte es in der Stadt suchen. Und sie hätte es dann auch zurück gebracht nach Neersand. Aber bei all dem Gejammer glaubte ich ihr eigentlich kein Wort. Sie zeigte ihre linke Hand, auf der eine frische Narbe zu sehen war. Das passiert, meint sie, wenn man das Buch anfasst. Ein blaues Band mit einem Steuerrad als Siegel verschloss es, und verhinderte, dass man es öffnen konnte.

Sie hatte die Biestinger im Verdacht, weil sie diese gesehen hatte als sie den Fluss hochgefahren sind.  Otter Alrik schien hatte auch ihr Schiff beobachet, ich war nur erstaunt, dass die Frau das bemerkt hatte.  Aber gut, sie kam ja wohl aus der Gegend und kannte sich deswegen vielleicht auch mit dem feeischen Volk etwas aus. Zur Sicherheit ließen wir uns ihr Gepäck zeigen, aber da war kein Buch, so mochte darin sogar die Wahrheit gesagt haben. Wir übergaben sie dem Radab, er sollte sie zur Efferd-Kirche nach Neersand bringen. Diese Aufgabe war wohl eine „besondere Angelegenheit“ genug für ihn, und für sie wahrscheinlich noch eine extra Strafe. Dann gingen wir zurück in die 4 Barden, nahmen uns Zimmer und berichteten Ritterin Tissa. Sie meinte dann, unser weg würde sich hier wohl trennen. Sie wollte auf jeden Fall Grumpen weiterverfolgen, fast schien es ihr ein persönliches Anliegen zu sein, und wir würden nach den Ottern sehen. Die 3 Sewerier würden mit uns kommen, ich hatte immerhin versprochen persönlich auf sie acht zu geben. Das schien den drei sogar sehr recht zu sein, sie freuten sich sogar richtig darüber, wenn wohl auch aus verschiedenen Gründen, mit uns kommen zu dürfen.

Als ich auf mein Zimmer ging, achtete ich darauf, dass es nicht zu spät war. Nur zur Sicherheit wollte ich einen Blick durch Fremde Augen wirken, der Lappen mit Grumpens Blut aus dem alten Effertempel würde sich hier als hilfreich erweisen, hatte ich ihn doch noch nie persönlich getroffen. Ich nutze diesen Zauber ja nicht allzu oft, aber jetzt schien es mir angebracht, um die Geschichte der Trischanzig noch einmal zu überprüfen. War er wirklich weitergefahren, oder versteckte er sich doch noch hier in der Stadt? Nachdem ich mich eingestimmt hatte und die Verbindung zu dem Schuft bestand, sah ich, was er sah. Ein Schiff in der Dunkelheit, eine kleine Siedlung aus schwach beleuchteten Hütten am Ufer, dahinter dunkler Wald oder Fels, im dunklen konnte man es nur als regelrechte Wand wahrnehmen. Das war aber definitiv nicht Brynnbaum. Einige mir unbekannte Matrosen vertäuten das Boot an einem Steg. Die Trischanzig hatte anscheinend nicht gelogen. Ich hielt den Kontakt nur so lange wie nötig aufrecht, besondere Erkenntnisse würde ich wohl kaum gewinnen. Aber später, sollten wir Grumpen vielleicht doch bis zu Mijesko folgen müssen, würde mir sein Blut sicher noch einmal gute Dienste leisten, um ihr Lager auszukundschaften.

Am nächsten Morgen ließen wir uns sehr früh wecken um in den Hafen zu gehen. Es gab ein einfaches Frühstück aus gesüßtem Haferbrei. Im Hafen war es wieder neblig, als wir nach dem rothaarigen Fischer suchten. Wir fanden ihn auch relativ schnell, es gab nur einen, auf den die Beschreibung passte. Ich bot ihm 5 Groschen für seine Dienste, trotzdem musste ich ihn erst überreden, denn er war recht skeptisch und einsilbig. Aber dann brachte er uns doch fort um Kontakt mit den Biestingern zu suchen. Melham half beim Rudern, sein Boot war für uns alle zusammen recht eng. Ein Fischerkahn, der einfach nicht auf Passagiere ausgelegt war. Wir fuhren flussaufwärts. Es dauerte etwas, aber als die Sonne aufging verschwand der Nebel recht schnell. Wir mochten ein gutes Stundenglas unterwegs gewesen sein, als wir an einem Überhang einen kleinen Sandstrand sahen, auf dem ein Zeichen mit Muscheln in den Sand gelegt war. Ein großer Pfeil im Ufersand, der in Richtung eines kleinen Wäldchens deutete. Hier sei das, was wir suchten, meinte der Fischer nun, der jetzt sichtlich verunsichert wirkte. Der Spur war wirklich nicht so schwer zu folgen, das hätten wir bei der Weiterfahrt mit den Widdern sicher auch so gefunden. Ich entlohnte den Fischer aber natürlich trotzdem, der eilig wieder weg paddelte.

Dann sahen wir uns um, Melham und Jucho suchten wie üblich nach Spuren. Sie meinten da wären Pfotenabdrücke eines Otters im Sand neben dem Pfeil. Eigentlich auch keine Überraschung, wir waren ja auf der Suche nach Alrik oder einem anderen Biestinger. Der Pfeil wies auf einen flachen Findling unter einer Tanne, der gut verborgen vom Wasser aus kaum zu sehen war, hätte es nicht diesen Hinweis gegeben. Die Otterspur endete am Findling. Da hier kaum etwas zu befürchten war rief ich nun einfach „Hallo Alrik, bist du da“? Vom Wasser her kam tatsächlich eine Antwort und der Otter lief uns misstrauisch über das Wasser entgegen. Der Pfeil war wie er sagte für eine Ragnild mit dem roten Haar, das jetzt grau ist, damit sie das Buch auch sicher findet. Das hat sein Anführer so entschieden. Sie hätte es auch schon geholt. Alrik würde uns auch zu ihr bringen, wir sollen ihm einfach folgen. Das konnte ja heiter werden…

 

Die Spuren führten ins Unterholz entlang eines größeren Baches und stammten von 2 oder 3 Personen. Der Otter winkte uns zügig weiter und ging den Bach aufwärts, wobei man eigentlich eher sagen müsste, dass er auf dem Bach gegangen ist. Die Landschaft um uns war idyllisches Auenland, das andernorts sicher auch erholungssuchenden Städtern zur Entspannung gedient hätte. Nach einer halben Stunde ging es langsam bergauf. Wir sahen den angehenden Frühling in der Natur, hier oben nur etwas verspätet im Vergleich zur südlichen Küstengegend. Die Luft war mild und frisch. Auf einer blühenden Waldlichtung waren die Spuren im feuchten Boden noch gut zu erkennen. Nach etwa 2 Stunden merkte man deutlich die angehenden Walberge, denn der Boden wurde härter und felsiger. Gegen Mittag hatten wir langsam Hunger. Dummerweise hatte keiner hat an Vorräte gedacht… zunächst liefen wir einfach weiter. Aber darum machte ich mir wenig Sorgen, wir hatten ja Jäger dabei und ich konnte mich durchaus auch von dem ernähren was Mütterchen Sumu bereit war zu geben. Melham fragte Alrik nach Essen, aber der hätte lieber von uns einen Fisch als anders herum… der Otter rief also eine Pause aus. Melham und Pam gingen dann auch jagen, durften das aber auf Weisung des Biestingers  nur bachabwärts. Nadjescha und ich machten auf einer Sandbank derweil ein schönes Feuer um die erwartete Beute zubereiten zu können. Aber die beiden kamen nur mit einem Eichhorn zurück. Pam ging dann direkt fischen, das schien aber auch nicht besser zu klappen. Das hatte ich alles schon einmal besser gesehen…

Alrik meinte zu mir, die Steine am Grund des Bachs glitzerten schön, grau mit hellen und dunklen Linien darauf. Ich besah mit diese daher, aber es schienen nur einfache Kiesel zu sein. Melham briet die magere Beute in seiner Eisenpfanne. Alrik schüttelte sich, als er die Pfanne sah. Das Gespräch glitt dabei etwas ab und Melham trat direkt in das nächste Fettnäpfchen. Alrik meinte dann „Suchst Du die gelben Steinchen?“ und schien recht erbost zu sein. Damit meinte er wohl Gold, aber das brächte  Unglück und gehöre dem Land, den Biestingern. Das gierige Flackern in Melhams Augen war kaum zu übersehen, aber er würde sich beherrschen müssen, sollten wir tatsächlich auf einen Fund stoßen. Hungrig gingen wir dann weiter. Unsere beiden Jäger hielten dabei die Augen nach Spuren offen um ihre vorhergehende Blamage vielleicht doch noch wett zu machen.

Das Bachbett kreuzte tatsächlich eine große und zwei kleine Spuren die Pam fand, aber sie wusste nicht was es sein könnte. Gut, die Tierwelt des Südens war eine andere als hier im Bornland. Melham meinte es sei ein Huftier mit breiten Hufen und Alrik löste das Rätes: ein Elch. Das wäre genug Fleisch für die nächste Woche… also gingen Melham, Jucho und Pam vor, Nadjescha und ich folgten in gebührendem Abstand. Alrik wollte lieber auf uns warten, wir sollten nur hierher zurückkommen, sonst würden wir alle ärger mit Fulmador bekommen. Als wir die Elche sahen, war es eine Kuh mit 2 Kälbern. Melham meinte, wir sollten ein Junges nehmen, nicht die Mutter, sonst sterben die beiden Jungen auch. Soviel Verstand in diesen Dingen hätte ich ihm gar nicht zugetraut, aber natürlich hatte er Recht. Pam und Nadjescha gingen vor, ich blieb mit Melham etwas weiter hinten, Jucho stand genau dazwischen. Die Elche trotteten ruhig vorwärts als wir uns näherten, wir waren außerhalb der Windrichtung und Witterung. Nadjescha schoss mit einer kleinen Schleuder, Jucho mit seiner Armbrust und Melham mit dem Kurzbogen. Das getroffene Kalb blökte jämmerlich und schwankte, während die Elchkuh alarmiert herum witterte. Ich hatte einmal gehört, diese Dinger wären recht kurzsichtig. Pam sprang mit einem Schrei voran um einen Stich zu setzen und die Kuh stellte sich bei dem Lärm vor ihre Kälber und rannte Pam dann direkt um. Melham schoss derweil das Kalb nieder, damit die Beute nicht auch noch wegrennen mochte. Die Kuh hielt sich nicht lange auf und stürmte auf Nadjescha und Jucho zu, nachdem Pam zu Boden gegangen war. Nadjescha erklomm sicherheitshalber direkt den nächsten Baum. Eindeutig die vernünftigere Lösung. Die Kuh hatte ordentlich Schwung genommen, rammelte über Jucho drüber und zertrampelte seinen Arm zu einer breiigen Masse. Melham zerrte mich hinter den nächsten Baum, da wir die nächsten in der Laufbahn der Kuh gewesen wären. Aber den Sturmlauf stellte sie nun ein und trat nach hinten aus, weil Pam ihr in den Popo gepiekst hatte. Ich stellte mich erst mal mit dem Rücken an den Baum.  Pam versuchte das erboste Tier wegzulocken, aber die Kuh folgte ihr nicht, sondern trieb ihr anderes Kalb davon. Wir folgten ihr nicht. Unser Ziel und etwas Fleisch zu essen hatten wir ja…

Nun galt es, sich erst einmal um die schwer verwundeten Pam und Jucho zu kümmern. Melham diagnostizierte einen mehrfachen Trümmerbruch bei Jucho, nichts wo er viel würde ausrichten können. Also blieb die Arbeit an mir hängen… ich ging mit Jucho in den Wald, „einen freundlichen Baum suchen“ wie ich den Anderen sagte, was insbesondere unsere drei Begleiter mit ratlosen Gesichtern zurück lies. Melham schaute sich derweil Pam an. Jucho schrie, als er sich bewegte und den Arm nicht völlig ruhig halten konnte. Ich holte ihm aus seinem Rucksack eine Flasche, damit er das leichter ertragen sollte, dann schnitt ich mit dem Dolch seinen Ärmel auf um an die Wunde zu kommen und legte meine Hände drauf. Eine recht schwere Wunde, ja, aber er lebet ja noch, also alles nur halb so wild und nichts, was mich überfordern sollte. Es kostete mich zwar einiges an Kraft, aber der Arm wuchs sauber wieder zusammen. Jucho war recht überrascht und sehr dankbar. Ich konnte nur hoffen, dass er sich nicht verplappern würde in der Zukunft. Ich ließ mir von ihm versprechen, dass das unter uns bleiben würde… Die drei Sewerier waren erfreulich unauffällig, standen zumindest nicht im Weg herum und kümmerten sich derweil um die Jagdbeute. Ihnen erklärte ich, dass ich in Jucho einen sündhaft teuren Heiltrank hineingeschüttet hätte, was ihnen offenbar recht imponierte. Gut, wäre das war gewesen hätte ich hier auch gerade auf einen „Diener“ einige Dutzend Batzen verwendet. Zumindest stellte sie die Erklärung zufrieden. Melham fummelte noch an Pams Bauch herum als wir zurückkamen, machte seine Sache aber wie meist in diesen Dingen recht ordentlich. Nachdem das Kalb ausgeweidet war gingen wir zurück zum Bach um ein Feuer zu machen und das Fleisch zu braten. Wir würden wohl hier übernachten müssen.  Ein Teil der Beute blieb zu Ehren des Herrn Firun zurück am Jagdplatz, so wollten die 3 Sewerier es.  Der Rest des Tages verging mit Braten, Kochen, Räuchern… Melham flickte noch provisorisch den Ärmel an Juchos Kittel, so dass alle ausreichend beschäftigt waren.

Nachts wurde es schnell kälter und dunkel, aber nicht leiser. Das Leben schien einfach weiter zu gehen, während wir im Schein des Feuers saßen. En Eichelhäher keckerte, und ich dachte mir, der sollte jetzt eigentlich schlafen. Die Sewerier und Melham übernahmen die Wachen. Nadjescha lieh sich mit charmantem Lächeln von Ludowig seinen Schlafsack, da sie schlecht ausgestattet war für die Wildnis. Den jungen Burschen hatte sie im handumdrehen zum erröten und spenden seiner Schlafstatt gebracht und er hätte ihr sicher auch jeden anderen Gefallen getan. Aber die Nacht verlief ruhig und friedlich. Die Vögel hatten die ganze Zeit durchgezwitschert, als es am Morgen hell wurde. Das Überwalls schien vor Leben zu strotzen. Alrik tauchte platschend am Morgen auf. „Seit ihr putzlich munter?“ Pam schien sich auch recht gut erholt zu haben und ging unterwegs ein wenig Essen sammeln, während wir weitergingen.

Wir erreichten später einen Lagerplatz, wo die uns voran Gegangenen wohl ihre Rast gemacht hatten. Das Lager war ordentlich hergerichtet,  wirkte gar als wäre es hier fest eingerichtet. Pam die es zuerst gefunden und ausgekundschaftet hatte erzählte etwas von einem Baum mit Skelett darunter oder darin. Alrik meinte, ein Jäger vom Eiswasser, der „nicht gut gerochen hat“. Alrik wollte hier schon wieder Pause machen, da es sogar einen kleinen See gab. Ich schaffte es nicht für Alrik darin einen Fisch zu speeren, aber er hatte trotzdem einen. Ich hätte ihn wohl in seine Arme getrieben. Wir sprangen auf, als Irgendetwas flussaufwärts laut krachte.  Alrik meinte ein „Geflügeltes etwas oder stinkendes aus Loch“, wusste es aber nicht genau da es „ja normal nicht am oder im Wasser ist“.

Eine gute halbe Meile weiter sah man eine breite Schneise von sicher 10 Schritt im jungen Wald. Am Ende der Schneise war ein großer Blutfleck und etwa Schrittgroße Steine. Alrik meinte, es ist etwas geschupptes, also interpretierten wir das als einen Drache. Heute nacht, meinte er noch, sollte man sie am Horizont fliegen sehen können. Aber wir müssten jetzt eh nach oben weiter, weg vom Bach, einen Berghang hinauf. Auch die Spuren gingen dort hoch. Alrik verließ uns jetzt, da wir das Wasser verließen. Wir sollten weiter zu Ragnild gehen, aber Fulmador würde uns ohnehin vorher finden. Wir sollten vorsichtig sein. Der Hauptmann möge es nicht wenn viel geredet wird. Nur knappe Antworten, kein Gelaber, gab er uns als Ratschlag mit. Das konnte interessant werden…

Wir stapften steiler bergauf, Melham voran. Es wurde auch trockener und damit schwerer den Spuren zu folgen. Der Boden war hier von Tannennadeln bedeckt. Während die anderen den Spuren folgten pflückte ich junge Tannentriebe und naschte diese. Eine erfrischende Abwechslung zum Elchfleisch die ganze Zeit. Abends erreichten wir einen Bergsattel, fast schon einen Pass. Wir hatten eine hervorragende Sicht. Weite graue Berge, vor uns ein Tal voll mit dunkelgrünem Wald. In der Dämmerung stiegen wir noch ab bis zur Baumgrenze, auf dem Pass selbst wollte niemand ein Lager errichten. Wir fanden auch einen guten Lagerplatz unter einem Überhang. In der Nacht wurde das Wetter dunstig und kühl, aber es blieb trocken. Wir zündeten ein kleines Feuer an und verteilten die Wachen. Heute sollten alle Wachen, so dass jeder nur sehr kurz wachen musste, da für jeden die Wanderung des Tages gleich anstrengend gewesen war.

Am Morgen hüllte uns dichter Nebel ein. Es gab kalten Elch zum Frühstück. Wir folgten den Spuren weiter ins Tal, es ging recht genau Richtung Osten. Auf der anderen Seite des Tals fanden wir einen weiteren, sogar noch besser ausgebauten Lagerplatz mit einem Vorrat an gestapeltem Brennholz. Von hier aus sah man sogar eine Wegkreuzung. Es schien ein viel genutztes Tal zu sein. Den Rest des Tages ging es den Berg hinauf. Gegen Mittag meinte Nadjescha, wir sollten einmal stehen bleiben. Suchend sah ich mich um. Nadjescha deutete grob nach oben, ob ich dort etwas sehen würde. Ein dunkler Schatten schien dort auf allen vieren auf uns zuzuschleichen. Dann ertönte vor uns ein brüllen und eine schwarze Gestalt wuchs in die Höhe und stürmte auf uns zu. Ein echter Bornbär! Schon im Anlaufen fing der Bär sich einen Pfeil von Melham ans Auge, nur Jucho bekam seine Armbrust nicht schnell genug gespannt. Wir schlugen uns heftig mit dem zähen Vieh. „Der kommt über meinen Kamin!“ rief ich begeistert. Wir rangen den Bären nieder, der schließlich in einer Steinlawine den Hang hinunter polterte.  Ich wies Melham an das Fell abzuziehen, aber er pfuschte ziemlich rum und verschnitt das Fell etwas. Jetzt waren es eher drei Stücke, die Pam, Jucho und ich uns teilten. Für den Kamin würde ich mir wohl einen anderen Bären suchen müssen…

Wieder schlugen wir das Nachtlager bei einem Findling auf um uns etwas Ruhe zu gönnen. Der Marsch im Überwalls wurde unerwartet anstrengend und gefährlich. Melham versorgte erneut Pams Wunden, die der Bär recht übel zugerichtet hatte. Ich gab ihm noch eine Wirselsalbe, um die Heilzung zu unterstützen. Wenn das so weiter ging, würden wir jede Waffe die wir hatten voll einsatzfähig brauchen. An dem Findling, bei dem wir das Lager aufgeschlagen hatten, fanden sich helle Stellen, etwa fingerbreit tiefe  vier Striche , die parallel zueinander verliefen wie Kratzspuren. Hatte vielleicht der Drache von neulich versucht den Stein aufzuheben?

Nadjescha weckte mich später zu meiner Wache und machte mich auf einen rötlichen Schein über dem Kamm des Passes aufmerksam. Was mochte das sein? Ich machte mich mit ihr zusammen auf den Weg nach oben, es war nicht weit und die kurze Zeit konnten wir das Lager sicher einmal zurücklassen. Als wir oben standen sahen wir in der Ferne das Eherne Schwert, aber hier schien es aus einer ganzen Kette von Vulkanen zu  bestehen die von Nord nach Süd verlief und die gerade alle ausbrachen. Davor flogen die Silhouetten von Drachen. Fast wirkte es wie eine brennende Mauer. Ein kalter Wind pfiff über den Kamm. Wir beobachteten das Schauspiel eine kurze Zeit, bis Nadjescha meinte, wir sollten uns zurückziehen, vor uns sei etwas Gefährliches. Ich hatte nichts gesehen, deswegen lugte ich noch einmal vorsichtig über den Grad. Ein misstönendes Pfeifen erklang, das bald von einem Brüllen von unten abgelöst wurde. Ein Schatten sprang in unsere Richtung den Berg von der anderen Seite herauf. Wir machten sofort kehrt und liefen davon.

Da im dunklen einen Hang hinunter zu rennen ein recht doofe Angelegenheit ist, erlaubte ich mir den Weg mit einem Flim Flam zu erleuchten. Aber Nadjescha stolperte mit einem erschrockenen Schrei trotzdem, so dass ich anhalten und ihr aufhelfen musste. Das reichte dem Biest das uns nachsetzte anscheinend aus. Wir blickten in 3 Reihen spitzer Zähne in einem Menschengesicht, das von einer Löwenmähne umrahmt wurde, auf eine muskulösen Leib mit braunem Fell und hinten dran ein Skorpionschwanz. Ein Mantikor! Bei Sumu, ich hatte diese Dinger für Märchen gehalten… Zumindest schienen unsere Gefährten von Nadjeschas Schrei alarmiert und eilten auch schon auf uns zu.

Das bisschen Zeit das uns blieb wollten wir nutzen, um ihnen noch ein Stück entgegen zu eilen, bevor uns die Bestie endgültig eingeholt hätte. Aber diesmal stolperte ich über eine Wurzel, und als ich mich aufrappelte war mir sofort klar, dass der Mantikor lang vor unseren Freunden bei mir sein würde. Entschlosse drehte ich mich um und starrte dem rasant näher kommenden Monster in die Augen. „Furcht“ stieß ich gepresst und konzentriert hervor. Vielleicht würde ich ihn ja mit einem Bößen Blick vertreiben können. Waren Mantikore überhaupt intelligente Wesen, kannten sie Furcht? Nun, ich würde es gleich wissen. Der Widerstand, den mir diese magische Kreatur entgegen stellte war einfach zu stark. Ich spürte, der Zauber hätte gelingen können, aber was auch immer diesen primitiven Geist schützte, es widerstand meinem Angriff. Zumindest verharrte der Mantikor kurz, öffnete den Mund und sprach sogar! „Wieso, Zwerg? DU BIST FUTTER!“. Dann sprang er mit einem gewaltigen Satz auf mich zu, und an mir vorbei. Nadjescha war ja noch hinter mir! Aber im Vorbeifliegen stach der Skorpionstachel nach mir, den ich fast vergessen hätte. Mit einiger Mühe konnte ich den Stachel mit dem Speer zur Seite lenken, wobei von diesem eine klare Flüssigkeit wegspritzte. Verzweifelt hielten Nadjescha und ich das Biest einige Zeit in Schach, bis die Anderen endlich zu uns aufgeschlossen hatten und uns beistehen konnten. Unter einigen Schmerzen und Blutzoll gelang es uns am Ende, den Mantikor zu Boden zu bringen. Auch mich hatte eine der Pranken erwischt. Das würde wohl bedeuten, wir mussten uns schon wieder erst einmal um unsere Verletzungen kümmern…

Faszinierend fand ich das Blut des Mantikors, dass recht warm war und schweflig roch. Dort wo es auf den Boden tropfte verdorrten sofort alle Pflanzen. Am meisten aber war seine wechselnde Farbe auffällig. Erst blau, dann grün, dann lila… als könnte es sich nicht entscheiden zu welcher Kreatur es gehörte. Das musste ich Väterchen Melcher zeigen! Ich leerte einen Wasserschlauch um etwas davon mitzunehmen, aber es dauerte nicht lang, da begann dieser sich zu zersetzen, als wäre das Blut selbst eine Säure. Nun, Schade… dann würde meine Erzählung wohl genügen müssen. Ich ließ den FlimFlam fallen und es wieder dunkel werden und Verband mein Bein dann am Feuer selbst. Dafür ließen sich es die Anderen nicht nehmen wie die Geier den Leichnam des Mantikors zu Fledern, insbesondere Zähne und Krallen schienen es ihnen angetan zu haben. Bei Pam hätte ich so eine Trophäenjagd ja verstanden, aber der Rest? Nun gut, jeder wie er mochte…

Wir mussten schließlich bis Mittag Ruhen um wieder einigermaßen stramm weitermarschieren zu können. Ich tat es ja nicht oft, aber heute musste ich dann doch Mütterchen Sumu mit meinem Dolch um ein wenig ihrer Lebenskraft bitten. Die Leute denen wir nachliefen bekamen mit jedem Tag einen größeren Vorsprung…  am Nachmittag machten wir uns dann wieder auf. Der Weg ging hinauf zum Pass, den ich mit Nadjescha schon erkundet hatte. Auf der anderen Seite im Tal dahinter fanden wir den nächsten gut befestigten Rastplatz, der sogar eine feste Feuerstelle hatte. Wir sollten unser Marschtempo so einteilen, das wir diese offensichtlich in regelmäßigem Abstand angelegten Plätze auch nutzen konnten. An einer Stelle war hier der Boden aufgewühlt, ein zerbrochener Säbel lag herum und auf einem der Steine fanden sich eingetrocknete Blutflecken. Am Rande der Lichtung war ein Steinhaufen wie ein Grab aufgeschüttet. Melham, der sich das alles genauer besah meinte, der Kampf wäre sicher eine gute Woche oder mehr her. Wir diskutierten das mögliche Geschehen dermaßen lange, das ich schließlich doch neugierig wurde und begann, die Steine des Grabe beiseite zu schichten um einen Blick auf die Toten zu werfen. Dabei fiel mir auf, dass fast jeder der Steine mit einem kleinen Boronrad versehen war. Da hatte sich aber jemand Mühe gegeben…

Zwei Menschenköpfe kam schließlich zum Vorschein, ein Mann und eine Frau. Von allem was ich sehen konnte hätte ich gesagt es waren bornische Söldner oder Schlagetots. Einer hatte ein Amulett mit Kristallsplittern um den Hals, das Melham bekannt vor kam. Er meinte, sowas hätte er in Pavi schon einmal gesehen als er gegen die Diener des Nagrach gefochten hatte. Das war jetzt doch etwas beunruhigend. Wir verschlossen die Gräber wieder und legten selber noch ein geflochtenes Boronrad darauf um uns für die Störung zu entschuldigen. Nur Pams Rat ihnen vorsorglich die Köpfe abzuschlagen wollte dann doch keiner von uns folgen. Und hier Lagern wollte auch keiner, deswegen gingen wir lieber noch eine Stunde weiter.

Am Mittag des nächsten Tages überstiegen wir den nächsten Pass und blickten wieder in ein weites Waldtal und das die Spuren hinab führten. Ein Drache flog weit oben über uns hinweg und wir duckten uns in die Schatten einiger Felsen. Das Abendlager schlugen wir an einem Teich auf, der von einem lustig gluckernden Bach gespeist wurde. Zu meiner Überraschung planschte Alrik der Otter in dem Teich, so als hätte er hier auf uns gewartet. Er meinte, wir hätten uns ganz schön Zeit gelassen, aber morgen würden wir dann Hauptmann Fulmador kennen lernen. Ich freute mich richtig, den kleinen Kerl wiederzusehen. Wir plauderten etwas, und es war kaum zu übersehen das er uns eigentlich alle recht gern mochte – bis auf Melham. Da ich wusste wie sehr er das schätzte gab ich ihm, eher untypisch für mich, etwas von meinem Haar. Bei diesem unschuldigen Wesen war ich mir ziemlich sicher, dass er kein böses Spiel damit treiben würde.

Während wir lagerten viel mir erstmals auf, dass die Geräusche der Umgebung seit Alrik wieder bei uns war irgendwie gedämpft wirkten. Als der Mond über die Berge stieg war ich etwas verwundert. Er schien schon wieder zuzunehmen. Dabei hätte ich schwören können, wir hatten zuletzt noch nicht einmal die leere Mada erreicht gehabt. Auch mit Melham führte ich mal wieder eine längere Diskussion, was den erfreulichen Nebeneffekt hatte, das er über das Gesagte noch einmal nachdenken wollte und er deswegen sogar meine Wache übernahm.

Wir gingen dann recht früh weiter, Alrik drängelte etwas. Es war gegen Mittag, als er uns die Anwesenheit des Hauptmann ankündigte, auch wenn wir beim besten Willen noch nichts sahen. Jeder von uns war schon gespannt auf diesen mächtigen Biestinger-Krieger, hinter dem wir mittlerweile alle einen Drachen vermuteten. Die Blätter der Bäume rauschten und ein frischer Wind kam auf. Die Tiere des Waldes huschten davon. Aus den Ästen hörten wir einen bestimmenden Befehlston, aber in unser Sichtfeld kam kein Drache – sondern ein eher putziges Eichhörnchen!

Das mochte natürlich auch nur eine Tarnung, eine Illusion sein. Ich erlaubte mir, noch während das Wesen uns ansprach einen schnellen Odem Arcanum. Die Gestalt strahlte gleißend hell in rotem Licht, aber trotzdem in kleiner Größe. Das war keine Illusion, und die wilde Struktur ließ mich auch eher auf feeische, nicht auf drachische Magie schließen. Ich war zunächst geblendet und meine Augen tränten. Melham hatte sich als erster wieder gefangen und berichtete in militärisch knappem Stil von unserer Reise und unserem Anliegen. Aber wir hatten kein Glück. Hauptmann Fulmador hatte das Buch einer Ragnild gegeben, der er als einem von wenigen Menschen wohl zu trauen schien., um darauf aufzupassen. Aber er würde uns zumindest zu ihr bringen, um unser Anliegen mit ihr zu regeln.

Wir sollten auf seinen Baum hinauf kommen. Melhalm wickelte seinen Hund in einen Mantel ein und verschnürte ihn zum Klettern, was diesem aber anscheinend wenig gefiel. Pam kletterte als erstes den Baum hinauf und war dabei selbst flink wie ein Eichhorn durch den Walnussbaum. Komisch, beim Klettern, das mir wenig Mühe bereitete, kam mir der Baum größer vor als er eigentlich sein sollte. Irgendwann erhielten wir das Kommando „Springen“ von Fulmador. Ich sah nach unten, konnte aber zwischen den Blättern keinen Boden mehr ausmachen. Das Eichhörnchen machte einen eleganten Satz, anscheinend hinüber auf einen anderen Baum. Wobei die Distanz für jemanden in Menschengröße mit einem halben Schritt nicht unbedingt einen Sprung bedeutete… von da ab ging es dann wieder abwärts. Als wir den Boden wieder erreichten schien es, als würden wir vom gleichen Baum absteigen, standen aber nun am Ufer eines schiffbaren Flusses an dessen Strand ein Drachenboot vor Anker lag. Weiter hinten sah ich ein Langhaus mit Schindeldach und von diesem kam uns jetzt eine sicher 2 Schritt große, muskelbepackte blonde Frau entgegen an deren Gürtel eine große Axt baumelte. Wir wurden erst einmal nur eines Seitenblicks gewürdigt, als sie mit Fulmador sprach. Hinter ihr kamen nach und nach etwa 2 Dutzend weitere Leute dazu, alle bewaffnet und verwegen aussehend, aber vom Menschenschlag her er bornländisches Volk. Weitere Thorwaler konnte ich weit und breit nicht sehen.

Da Fulmador ein Wort für uns eingelegt zu haben schien war das Muskelweib recht umgänglich und wir durften uns mit einem Meskinnes erst einmal zu einem Plausch hinsetzen. Sie stellte sich als Ragnild Thorkilsdottir vor, Hetfrau der Nebelbringer-Otajasko. Aber die Gastfreundschaft mussten wir uns, wie es schien, erst einmal verdienen. Einer aus ihrer Bande, ein Bursche Namens Bärow, hatte sich beim Kampf mit einigen bößen Männern und Frauen –ja, genau die deren Grab wir gefunden hatten – verletzt und lag nun mit Fieber und schwärenden Wunden darnieder. Nun, das würden wir doch sicher hinbekommen, oder? Ich ging mit Melham in das dunkle Langhaus, um mir das Malheur einmal zu besehen. Eine der hintersten Schlafkabinen war belegt und darin fanden wir einen jüngeren Mann mit durchweichten Verbänden der nur flach atmete. Die Diagnose war nicht allzu schwer, klassisches Wundfieber. Leider hatte ich für so etwas gerade keine Kräuter dabei. Während Melham sich heißes Wasser und neues Verbandszeug bringen ließ orderte ich heißes Premer Feuer mit Honig, diese Medizin würde immer helfen. Zweimal konzentrierte ich meine Kraft, um die Krankheit mit einem Reversaslis-Fluch der Pestilenz und roher Kraft zu bannen, aber meine treu, das Fieber war schon soweit fortgeschritten, dass es sich hartnäckig hielt. Und die beiden Versuche kosteten mich einiges an Kraft. So viel, dass ich einen dritten Versuch wohl erst am nächsten Morgen schaffen würde.

Hier konnte ich mich wieder auf Nadjescha und ihr Geschick im Umgang mit Menschen verlassen. Damit niemand zu früh nach dem verletzten sehen mochte und am Morgen für mich genug Zeit blieb animierte sie die Bande einfach zum Saufen, was ihr, oh Wunder, ohne großen Widerstand gelang. Ich war am Ende nur etwas angeheitert vom Meskinnes, wir konnten uns dem Gelage ja schlecht entziehen, aber alle anderen waren am späteren Abend rotzbesoffen und lagen schnarchend in der Gegend herum. Leider musste ich den Versuch am nächsten Morgen doch auf den Nachmittag verschieben, weil auch mich ein veritabler Kater plagte der die Konzentration schwierig machte. Aber auch der dritte Versuch ging mir nicht besser von der Hand als die ersten Beiden. Trotzdem schien es dem armen Kerl schon besser zu gehen. Entweder Melhams Behandlung mit sauberen Verbänden oder das Premer mit Honig mussten also doch etwas genutzt haben. Was für ein Glück, den Ragnild schien uns dafür recht dankbar zu sein.

Das Buch wollte oder konnte sie uns aber trotzdem nicht geben. Sie hatte geschworen mit ihrer Otta darauf aufzupassen und würde es daher nicht einfach aushändigen können. Wir schlugen dann vor, sie oder jemand aus ihrer Otta könnten uns ja mit dem Buch nach Neersand begleiten. Aber das war wohl ein wenig schwierig, denn sie und ihre Mannschaft wurden als Flusspiraten den Walsach hoch und runter und in allen Siedlungen daran gesucht. Eher im Spaß und aus Ratlosigkeit schlug ich dann vor, Pam könnte ja, so wie ich schon beim Stamm der Schokobunga, Fjarningern und anderen aufgenommen worden war, hier Teil einer neuen Familie und zur Thorwalerin werden. Allerdings schien Ragnild das Ganze nicht als Spaß aufzufassen sondern ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Nach kurzem Überlegen meinte sie dann, das würde wohl tatsächlich im Sinne ihres Schwurs Fulmador gegenüber gelten können. Aber dazu müsste Pam, oder jemand anders, weil die sich recht zierte, zuerst die traditionelle Ottajara als Aufnahmeprüfung bestehen.

Die Begeisterung bei meinen Gefährten hielt sich allerdings in Grenzen. Als erstes war Melham bereit sich dem Ritual zu stellen. Er bekam ein schnapsgefülltes und mit Leder verschlossenes Trinkhorn in die eine Hand und in die andere eine kleine Axt. Damit sollte er der Länge nach unter dem Drachenboot durchtauchen, auf der anderen Seite hoch ins Boot klettern und dann das Horn in einem Zug leeren. Das hörte sich für mich wie etwas an, was ein Bursche wie Melham doch ohne Probleme und auch noch mit Spaß schaffen sollte! Ich sah ihm hinterher, als er ins Wasser sprang. Gespannt wartete ich auf der anderen Seite des Bootes, das er wieder auftauchte, aber anscheinend hatte ihn die Strömung erfasst und er kam einige Schritt flussabwärts prustend wieder hoch und hatte damit schon den ersten Teil der Prüfung verpatzt. Da Pam sich immer noch zierte stieg ich als nächster ins Wasser. Als ich abtauchte wurde die Welt um mich herum, die vorher aus lauten Anfeuerungsrufen bestanden hatte, leise und gedämpft. Aber die Strömung war hier wirklich stark, so dass auch ich abtrieb und schon geschlagen wieder auftauchen wollte, als ich auf einmal das Gefühl hatte etwas braunes und pelziges würde mich zurück zum Schiff und darunter hindurch schieben. Eine kichernde Stimme, die mich frapierend an Alrik erinnerte, raunte mir ein „Schönes Haar…“ zu. Meine Lunge brannte, als ich am Ende des Bootes herauskam und kurz zum Luftholen inne hielt. Dann nahm ich das Horn zwischen die Zähne um besser die Bordwand hinauf klettern zu können. Aber ich bekam am rutschigen Schiffsrumpf einfach keinen Halt und rutschte immer wieder ab, bis mich schließlich ein paar kräftige Hände an Bord zogen… auch ich hatte versagt. Vielleicht auf Grund meines verzweifelten Blickes war nun auch Pam endlich bereit sich doch der Prüfung zu stellen. Es dauerte etwas, aber sie kam schließlich unter dem Boot durch. Ob sie dabei Hilfe hatte oder nicht… wer weiß? Beim Klettern, das hatte ich ja schon gesehen, war sie wirklich Gewand und kam daher im Gegensatz zu mir auch gut die Bordwand hinauf. Dann musste sie nur noch das Horn leeren. Der Lederstopfen war schnell entfernt und sie setzte es an die Lippen. Aber schon beim ersten Schluck begann sie zu husten und zu keuchen, sie brachte das scharfe Premer einfach nicht hinunter.

Nun war Nadjescha, die eigentlich von Anfang an gesagt hatte, dass sie keinen Wert auf diesen Blödsinn legte, unsere letzte Hoffnung und schweren Herzens doch bereit, sich in die Bresche zu werfen. Als sie sich zum Schwimmen entkleidete fielen Melham fast die Augen aus dem Kopf. Ich gab ihr noch ein Glücksbussi mit (von Melham wollte sie lieber keines…) vielleicht half es ja. Beim Tauchen kam sie zügig unter dem Boot durch und kletterte im Anschluss geschickt das feuchte Holz hinauf, als hätte sie dort im Gegensatz zu mir irgendwelche Griffe gefunden. Dann setzte sie das Horn an die Lippen und ich zitterte regelrecht vor Anspannung. Die Trinktechnik war eher… unkonventionell. Mit einer Hand hielt sie das Horn, mit der anderen sich die Nase zu! Dann legte sie den Kopf in den Nacken und kippte sich den Schnaps hinein. Ihre Augen schienen zu Tränen und sie blies die Backen auf, dass ich Angst hatte, sie würde gleich alles in weitem Bogen übers Deck spucken. Aber sie schaffte es tapfer, alles drin zu behalten und zu schlucken.  Als der Jubel der Mannschaft übers Deck hallte fiel mir ein Stein vom Herzen und ich nahm das nackt in der Kälte zitternde Mädchen in die Arme um ihr zu gratulieren. Auch Ragnild kam heran und drückte uns beide in ihren mächtigen Armen wie eine Bärenmutter ihre Jungen. Das musste gefeiert werden!

Der Abend war ein einziger Rausch, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich erwachte erst gegen Mittag wieder und hatte einen schweren Werwolf im Kopf. Überhaupt war der Geräuschpegel im Lager recht gedämpft, jeder schien sich zu bemühen leiser zu sprechen und bewegte sich eher vorsichtig, manche noch leicht wankend. Ich glaubte nicht, das wir heute schon in der Lage waren aufzubrechen… Ich hätte mich auch gerne noch mit Fulmador unterhalten, aber der schien schon weg zu sein. Dafür holte mich Nadjescha, ob ich mir mit ihr zusammen einmal das Buch würde ansehen wollen. Was für eine Frage… natürlich wollte ich. Auch wenn ich wohl die Schrift nicht würde lesen können, und Jucho und Melham noch besoffen in einer Ecke lagen. Ragnild zog das Buch aus seinem Versteck – unter ihrem Bett! Es war ein großes, schweres Buch in rotem Leder eingebunden auf das ein weißer Löwe aufgeprägt war. Eine blaugrüne, enge Kordel verschloss das Buch fest die von einer versiegelten Schleife zusammengehalten wurde. Das Siegel zeigte ein Steuerrad umtanzt von srpingenden Delfinen – das Zeichen der heiligen Elida von Salza, der Schutzpatronin gegen böse Magie. Ragnild reichte uns das Buch mit spitzen Fingern und hielt es nur an der Kordel. Als Nadjescha es entgegen nahm „schnitt“ sie sich an dem Buch, eine tiefe Wunde in ihrer rechten Hand tauchte auf, obwohl das Buch keine Ecken oder scharfen Seiten hatte. Faszinierend. Fulmador hätte das Buch einfach so gehalten, meinte Ragnild. Aber jeder andere würde sich wohl daran verletzen. Ich dachte an die Diebin in der Kneipe zurück…  Dann verband ich erst einmal Nadjeschas Hand, die ordentlich blutete.

Schließlich gesellte sich auch noch Pam zu uns, wollte nicht glauben was ihr da erzählt wurde und musste natürlich unbedingt selbst das Buch angrapschen. Die Gelegenheit würde sich mir sicher so schnell nicht noch einmal bieten, deswegen wob ich sofort als sie die Hand ausstreckte einen schnellen Odem Arcanum. Das Buch strahlte sehr hell, aber an der Wunde, die sich an ihrer RECHTEN Hand bildete, obwohl sie das Buch mit links angefasst hatte, sprang keine Magie über. Auch von der Kordel und dem Siegel konnte ich nichts magisches erkennen. Die Struktur der Magie des Buches war teils feeisch, leicht wabernd und eher ungeordnet. Ich würde sagen eher satuarisch als druidisch oder gildenmagisch. Aber eine konkrete Zuordnung war mir trotzdem nicht möglich. Zur Sicherheit packten wir das Buch in einen dicken Ledersack. Der Transport würde sich sonst als recht schwierig erweisen…

Den Rest des Nachmittags nutzte ich, um noch einmal nach Hauptmann Fulmador zu sehen. Ein Wesen wie er würde mir sicher beim Thema des erwachenden Landes noch einmal weiterhelfen können. Aber es war frustrierend, ich konnte nach ihm rufen und suchen wie ich wollte, der feine Herr war anscheinend weg und anderweitig beschäftigt. Dann wollte ich wenigstens noch ein sichtbares Zeichen meiner Anwesenheit hinterlassen. Mit meinem Dolch schnitzte ich in mühevoller Kleinarbeit in den Baum, der uns an diesen Ort gebracht hatte „Marnek war hier“. Aber ich war kaum fertig, da ging wie eine Welle des Humus etwas über die Rinde, und die Schrift verschwand wieder. Dafür maulte mich aus den Ästen heraus ein anscheinend missgelaunter Fulmador an, was mir einfiele das Portal zu zerkratzen. Zum Glück konnte ich ihn schnell beruhigen und dann doch noch meine Fragen loswerden. Er meinte, das Land atme, ob ich das nicht spüren würde. Wahrscheinlich bezog er sich damit auf den Atem der Gigantin Sumu und das irgendwer noch schmieden würde. Der Atemzug sei jetzt bald vollendet, und dann würde sich alles verschieben und neu werden. Die Rotpelze wüssten, wann es soweit ist, die hätten damit immer recht gehabt. Dort solle ich Fragen, bei einer Kunga. Unsere Aufgabe, damit meinte er wohl sich aber vielleicht auch mich, sei es gegen das gesichtslose Grauen aus dem Osten zu Wachen. Damit musste er wohl die Diener des Namenlosen meinen. Der letzte Umbruch war, als das Goblinreich unterging, aber er kommt immer wieder. Der Atem ginge jetzt wieder schnell, und die Goblins stünden auf der richtigen Seite. Dort wo das Land schwärend und tot sei (die Totensümpfe?)  gab es einst eine Elfenfestung, die sei auch während so eines Umbruchs untergegangen. Und dann meinte er noch, das fand ich für meine aktuelle Lage recht interessant, warum ich einen stinkenden Verfluchten dabei hätte. War an Melhams Geschichte mit den Hexen mehr dran, als ich gedacht hatte? Das würde ich mir bei Gelegenheit einmal gezielt ansehen müssen. Dann bat ich Fulmador noch, ob ich versuchen dürfte Kraft aus dem Tor zu ziehen, da ich derzeit ein wenig geschwächt war. Er ließ mich gewähren ich solle sie nur nicht besudeln, aber die Art der Magie war wohl zu fremd. Ich spürte die Kraft, die in dem Baum waberte, kam aber einfach nicht heran.

Das gab mir einiges zum Nachdenken und darüber schlief ich schließlich ein. Wir wollten ja eh erst am nächsten Tag aufbrechen. Fast unnötig zu erwähnen, dass unsere beiden Dummbeutel, also Jucho und Melham, sich auch noch unbedingt an dem Buch schneiden musste, weil sie uns nicht glaubten, bevor wir am Morgen losgingen. Den Sack durfte Nadjescha tragen, so war das Versprechen der Sippe auch sicher erfüllt. Auf unsere Nachfrage bekamen wir sogar noch Proviant für einen Tag mit, das sollte bis zum Walsach langen meinten Ragnild. Bllieb nur zu hoffen, dass wir schnell ein Dorf oder einen freundlichen Flussschiffer fanden, der bereit war uns mitzunehmen. Auf dem Weg ließ ich mir von Melham noch einmal seine Hexengeschichte erzählen und sah diese jetzt mit anderen Augen. Die Frau, die er für eine Hexe hielt hatte ihm wohl geboten, für ein Jahr die Fresse zu halten. Wenn das die Bedingung des Fluches war, dann würde er wohl ewig ein Stinker bleiben, da machte ich mir wenig Hoffnung für ihn… trotzdem würde ich da wenn ich wieder bei Kräften war einmal gezielt mit einem Odem nachforschen müssen.

Wir folgten einem Trampelpfad den Hursach hinunter, wie der Fluss genannt wurde. Diches Weidengestrüpp und Buschwerk verbarg den Eingang zu Ragnilds Lager. Wer diesen Ort nicht kannte würde ihn sicher nur durch Zufall entdecken. Wir waren schon den halben Tag unterwegs, als wir einen weiteren breiten Zufluss passieren mussten. Hier lagen zwei entwurzelte Bäume fast wie eine Brücke quer über dem mehrere Schritt breiten Zustrom. Sehr gut! Jucho machte sich als erster daran, über die vom Wasser glitschigen Bäume zu balancieren, dann folgten Melham und Nadjescha, die eher hinüber krabbelte als aufrecht zu gehen. Sie waren schon ein gutes Stück vorwärts gekommen, als Melham von 2 Bolzen in den Arm getroffen wurde. Ein Hinterhalt!  Vor Jucho am anderen Ufer tauchten 3 Gestalten auf, während auf unserer Seite des Gewässers ein stiernackiger Kerl mit Säbel und einem halben Dutzend Strauchdieben aus dem Gebüsch kam. Dann würden wir also doch noch den Kopf des Schurkens Bosjew bekommen… wobei seine Handlanger nicht gerade bedrohlich wirkten. Eher wie Bauern oder Fischer, die er eilig mit Handbeilen, Keulen und allem was parat war mitgenommen hätte, statt echter Kämpfer.

Trotzdem dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis wir die Angreifer niedergerungen hatten.  Bosjews Helfershelfer waren auch keine Helden oder Männer und Frauen mit Todessehnsucht. Wenn man sie nur hart genug erwischte machten sie sich bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Staub, wenn man sie ziehen ließ. Am schlimmsten von uns hatte es Ludowig erwischt, bis ich am Ende Bosjew mit einem Stoß meines Speeres zu Boden brachte – wobei das mein einziger Erfolg in diesem Kampf war, mehr als den Feind hingehalten bis die anderen sie niederschlugen hatte ich kaum. Aber das jetzt schon! Der Schurke stieß mit seinen letzten Atemzügen einen Fluch aus und schwor uns Rache, bevor er röchelnd verstarb. Aber ein „Geschenk“ hatte er uns dabei trotzdem hinterlassen… von der anderen Seite des Flusses schwebte eine schwarzbekuttete Gestalt mit Peitsche und Säbel heran.  Eich echter Hesthoth! Nun, diesem würden wir uns alle gemeinsam Stellen! Als sich die Anderen schon mit dem neuen Feind Maßen ließ dieser es mit einem Mal dunkel um sich werden. Ich schleuderte einen Zorn der Elemente mit Flusskies an die Stelle, wo er eben noch gestanden hatte und setzte dann hinterher, um meinen Gefährten mit der Waffe in der Hand beizustehen. Aber gerade als ich in die Dunkelheit eindrang um auf ihr Zentrum zuzuhalten löste sich die künstliche Nacht auf und der Dämon war verschwunden. Einer der Anderen musste wohl schon den finalen Schlag gesetzt haben.

Nachdem wir die Verwundeten soweit versorgt hatten, dass wir uns um sie keine Sorgen mehr machen mussten, insbesondere Ludowig, wurde der Weg irgendwann fortgesetzt, bis wir auf den Walsach stießen und dort weiter flussabwärts zogen. Grumpens Kopf hatten wir als Beweis unserer Tat in einen Sack gepackt den Nadjescha mit sich führte. Und Jucho hatte es sich nicht nehmen lassen dessen Taschen zu durchwühlen und ihn von seinen Sachen zu befreien. Insbesondere ein Säbel mit einer hässlichen Fratze als Knauf schien ihm ein wertvolles Beutestück. Sumu schien uns hold, denn es  dauerte gar nicht lange da kam von hinten das Schiff des Widerordens angesegelt. Tisa hatte Grumpen natürlich nicht gefunden, war aber umso erfreuter, als wir ihr erzählten, dass wir den Mörder stellen und das Buch sichern konnten.

Die Reise zurück nach Neersand dauerte 5 Tage, war aber eher ereignislos. In diese Richtung zog uns die Strömung flott voran und bis wir ankamen hatten sich alle wieder gut erholt. Das Buch lieferten wir natürlich zuerst im Tempel des Efferd ab. Anhand des Madamals hatte ich es auf der Rückfahrt überprüft, von unserem Aufbruch bis zur Rückkehr waren wir nur 16 Tage unterwegs gewesen, der Mond hatte uns also getäuscht im Überwalls. Wenn das nicht faszinierend war! Wir bezogen unsere alten Quartiere und jedem der es hören wollte wurde eine gute Geschichte von tapferen Bauern und Fischern, die sich Paktierern in den Weg stellten erzählt, um den Weg für Ragnild zu bereiten, ohne ihren Namen direkt zu nennen. Die drei Jungs gingen direkt nach dem ersten Besuch im Tempel zur Akademie um sich pflichtgemäß zurück zu melden. Ich fand, die Ausbilder dort konnten zurecht stolz auf ihre Zöglinge sein! Später kam ein Jüngling von dort herunter, Fr. von Schosko meinte, ich solle morgen zu ihr kommen. Ich musste den Boten aber auf Grund weiterer Verpflichtungen vertrösten denn der Meister der Brandung und der Widerorden waren schon fest vereinbarte Stationen, die wir zuerst abklappern mussten, dann würde ich zu ihr gehen können. Melham meinte, wir sollten das Notizbuch des alten Akademieleiters noch lesen, bevor wir ihr es gäben. Richtig, da war ja noch etwas offen… nun da würden wir unsere Neugier mit etwas nützlichem verbinden!

Grumpen hatte einen Batzen in der Tasche gehabt, den Jucho für alle hergab. Wir nutzten das Gold zu einem Badehausbesuch für alle und Kleiderwäsche. Sowohl beim Meister der Brandung als auch dem Widerorden sollten wir doch besser ordentlich erscheinen. Dazu gönnten wir uns so viel Meskinnes, wie das dabei übrige Gold noch hergab. Und während wir gemütlich im Wasser lagen liesen wir uns von Nadjescha aus Meister Posans Tagebuch vorlesen. Wobei ich es wenig spannend fand… Alltagsgeschichten aus Nersand, Bewertungen von Schülern und Lehrern, kleine Verfehlungen aller möglichen Personen und sein eigenes Leben… er wollte wohl unbedingt im Kampf sterben. Zumindest letzteres hatte sich ja erfüllt… ein buntes Sammelsurium an Geschichten, die aber wohl für einheimische Neersander interessant waren. Während wir so entspannt auf zwei Badezuber aufgeteilt saßen, züchtig nach Männlein und Weiblein getrennt, nahm ich mir noch Melham vor. Mit einem ordentlich verstärkten Odem besah ich mir den Burschen genauer, genau auf versteckte arkane Strömungen achtend. Und tatsächlich… eine emotional geladene, sehr schwache, zerfranste Strahlung, kaum sichtbar, konnte ich erkennen. Man musste schon fast wissen was man suchte, um es überhaupt wahrzunehmen, aber sie war unzweifelhaft vorhanden. Die Geschichte mit dem Hexenfluch war so betrachtet nicht mehr von der Hand zu weisen…

Am nächsten Morgen führte uns der erste Weg zum Tempel. Suljescha von Soschto wartete schon auf uns. Ich berichtete ihr nur das Beste von den drei Seweriern, sollte aber unbedingt noch einen schriftlichen Bericht nachliefern… den würde Nadjescha für mich schreiben müssen, ich hatte da so gar keine Lust drauf. Sie meinte noch, sie wollten mit dem Kopfgeld für Grumpen zusammenlegen, ich vermutete also die Akademie und der Widerorden, aber sicher war ich mir da nicht. Das mit den Kopfgeldern ist ja doch etwas suspekt. Sie fragte dann, ob wir ihn durchsucht hätten, was wir bejaren konnten. Als es auf den Säbel mit Dämonenfratze am Knauf kam und sie Jucho eröffnete, dass es eine Dämonenwaffe sein könnte ließ er die Waffe wie eine heiße Kartoffel fallen. Eigentlich wollte er sie verkaufen, aber nun würde sie wohl im Rondratempel geopfert werden damit keine Gefahr mehr von ihr ausging. Surjescha nahm den Säbel mit spitzen Fingern auf. Dann fragte sie nach dem fehlenden Schlüsselbund. Nadjescha tat etwas erstaunt aber übergab ihn dann anstandslos. So lag der Verdacht natürlich nahe, dass auch dieser von Grumpen gestohlen worden war. Und wir hätten damit ja eh nichts mehr anfangen können… Surjescha schien sehr erleichtert. Es wäre wohl teuer geworden die ganzen Schlösser auszutauschen.  Was mir auffiel war, das ich sie jetzt wohl Meisterin Schosko nennen musste, denn sie war in die Uniform der Akademieleitung gewandet. Dann ging sie zurück  um sich um den Säbel zu kümmern.

Dann gingen wir endlich hinein zu Koi und dem Meister der Brandung. Der lächelte uns an und sprach in seiner kryptischen Art zu uns „Rein wie Quellwasser. Die Ebbe zog etwas heraus, die Flut brachte es zurück. Meine Kinder, ihr habt wohlgetan, der Launenhafte blickt mit Wohlgefallen auf euch.“ Es war kühl im Tempel. Nadjescha schwitzte seltsamerweise mal wieder trotzdem. Wir wurden zur nassen Delfinstatue gebeten. Der Meister der Brandung hatte kleine  Amulette in der Hand. „Der Segen des Herrn Efferd lag auf eurem tun, und wird fürderhin auf euch liegen.“ Zuerst hing er mir und dann allen anderen ebenfalls eines um. Es war eine schlichte Kette aus einem blaugrünen Lederband mit einem tropfenförmigen blauen Stein, einem Aquamarin, dran. „Kommt um Mitternacht wieder, etwas ward gefunden was nicht gefunden werden sollte. Ihr wart die Flut die es zurückgespült hat, nun soll es wieder verborgen werden.“ Ich fühlte zwar nichts davon, aber er meinte, der Segen Efferds läge nun auf uns. Und für unsere Taten sollten wir auch nicht darben müssen und gab jedem noch ein kleines bläuliches, schön gearbeitetes Beutelchen mit 10 Batzen darin. Jucho und Melham grinsten, als hätten sie die Hände gerade in einem Marmeladentopf.

Danach ging es mit dem Kopf Grumpens rüber zu den Widern. Wir ließen uns von einem Fischer übersetzen. Tisa wartete schon am Tor der Bastion auf uns. Die Ordensmeisterin ließ uns grüßen und wir sollten nun tatsächlich bekannt gemacht werden. Meisterin Dobreschanja, eine ältere aber sehnige, grauhaarige Kriegerin in vollem Ornat, wollte selbstverständlich einen Beweis. Nadjescha hatte immer noch den Sack mit dem Kopf, der nun schon etwas streng roch… diesen gaben wir nun ab. Tisa stellte uns der Ordensmeisterin als gerechte Streiter des guten vor. Bosjews Kopf hier und der Säbel im Rondratempel mochten als Zeugnis unserer Taten reichen. Wir haben wohlgetan, wurde uns eröffnet, und dem Land und dem Orden einen Dienst erwiesen. So wie sie sprach schien es sich hier um einen förmlichen Vorgang, vielleicht gar etwas Rituelles zu handeln. Was wir wollten, fragte sie dann. Da ich nie etwas fordern würde und ein kurzes Schweigen eintrat sprang einer der Anderen hier ein. Das Kopfgeld, war die Antwort. Natürlich wussten wir nicht, wie viel auf den Mann ausgesetzt war, aber ich meinte, wir würden einfach was auch immer sie sagte glauben und nie unterstellen, jemand so hochgestelltes könnte hier unehrlich handeln. Die Antwort schien ihr zu gefallen, denn sie lächelte. Ein Page kam mit einer kleinen Truhe. „Der Lohn derer, die der Ordnung einen Dienst erweisen.“ Dann legte ich noch ein gutes Wort für die drei Sewerier ein, sie hatten ja geäußert in den Widerorden eintreten zu wollen. Und es schien zu helfen, denn sie würden wohl aufgenommen werden, wenn sie fertig ausgebildet seien. Tisa, die ebenfalls anwesend war nickte dabei immer wieder  zustimmend. Es würde ihnen eine Ehre sein, die jungen Männer aufzunehmen. Dann legte ich auch noch ein gutes Wort für Ragnild und ihre Leute ein. Das hinterfragte die Ordensmeisterin schon mehr, aber schien schließlich überzeugt. Der Widerorden könne zwar das Kopfgeld nicht offiziell zurücknehmen, aber wer nicht gesucht würde, der werde auch nicht gefunden, wenn ich verstehen sollte was sie mir sagen wollte. Ich musste sogar schwören, dass meine Worte wahr ware, aber das kam mir leicht über die Lippen, stimmte es doch alles. Tisa sollte sich inoffiziell mit Ragnild unterhalten und ein geheimes Bündnis schließen. Nun, das war besser als nichts, oder? In dem Kistchen fanden wir auf der Rückfahrt dann 120 Batzen, für jeden von uns also  24 Batzen.  Jetzt hatte ich schon wieder so viel Gold dabei, dass es mir fast die Hose herunter zog…

Zuletzt brachten wir dann den Bericht zu Meisterin Schosko. In der Akademie hatten anscheinend schon wilde Geschichten die Runde gemacht, die den drei Sewerier aber nur bedingt geglaubt wurden. Bär, Elch, Matikor, Hesthoth… ich versicherte Meisterin Schosto, die drei Sewerier übertrieben nicht!  Wir wurden in die Burg zum Tee gebeten, ins Zimmer das ehemals Meister Posan bewohnt hatte. Als wir unsere Trophäen zeigten, Bärenfell, Krallen und Zähne des Mantikors und alles noch einmal schilderten schien mir die gute Frau ehrlich beeindruckt, auch von der Leistung ihrer Zöglinge. Sie wirkte nun deutlich entspannter als damals als wir losgezogen waren.

Zur Mitternacht standen wir wieder vor dem Tempel. Jesidoro und Koi erwarteten uns schon und nickten uns zu. Die Tür des Tempels wurde uns einladend offen gehalten. Das Buch lag am Altar. „Etwas wird verborgen. Werdet ihr mir folgen und mich begleiten?“ Da keiner von uns das was nun folgte verpassen wollte kam natürlich nichts anderes in Frgae. Wir gingen hinter der Delfinstatue durch schmale Tür zu einem Ausgang direkt zum Hafen runter, die wohl nicht jeder nehmen durfte. Koi wartete schon im Mondlicht am Hafen auf uns. Hinter ihm lag ein Segelboot des Tempels bereit in See zu stechen. Wir gingen alle an Bord. Das Buch lag auf einem kleinen Floss aus geflochtenem Schilf verziert mit einer Muschel und einem schimmerndem GwenPetryl auf Deck. Wir fuhren nur kurz durch die Nacht an einer Sandbank die mir sehr bekannt vorkam vorbei zum Rand des Strudels. Die Strömung erfasste uns jedoch eigenartigerweise nicht. Das Floss wurde ins Wasser gesetzt, taumelte auf den Wellen und kreiselte langsam in enger werdenden Kurven in den Strudel bis es schließlich versank. „Efferd ist ewig, und dies ist sein Haus. Möge nun er es hüten,“ sprach der Meister der Brandung zuletzt salbungsvoll, ohne dies weiter zu erläutern. Koi brachte uns zum Tempel zurück, aber der Meister der Brandung segelte, uns anscheinend schon wieder völlig vergessend, erneut hinaus aufs Meer. Was für ein seltsamer Mensch…

Damit endete wohl unsere Aufgabe in Nersand. Aber eine Nacht wollte ich noch im Hotel verbringen, bevor es dann nach Festum zurück ging, um die bestellte Farbe dort abzuholen. Mittlerweile sollten die Alchemisten das ja gebacken bekommen haben, im wahrsten Sinne des Wortes.

Dieser Eintrag wurde am 8.07.2023 (16:55) verfasst und 114 mal aufgerufen.
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