Es war der 30. Firun, als wir in Festum mit der Kaleschka am Abend ankamen. Ohne Sonne wurde es, wie zuletzt schon so oft, richtig kalt in diesem, zumindest klimatisch betrachtet, ungastlichen Land. Dem zum Trotz muss ich zugeben, dass an der traviagefälligen Gastfreundschaft der Bornländer trotz der schlechten Voraussetzungen die das örtliche Klima bot, nichts zu bemängeln war. Aber vielleicht lag es ja genau daran. Während man im Süden einen Fremden ohne Schaden die Tür weißen konnte, im schlimmsten Falle litte er ja etwas Hunger und Durst, würde derselbe Fremde hier im Freien bei Nacht elendig erfrieren, was einem Mütterchen Travia dann wiederum nicht verzeihen mochte. Insofern war die Gastfreundschaft der Bornländer auch ein Ausdruck ihrer Göttergefälligkeit, und das wusste ich wohl anzuerkennen! Wir bezogen dann in Festum auch die gleiche Unterkunft wie zuletzt. Die Wirtin Elwine Berensen empfing uns wieder herzlich, wir bekamen sogar die gleichen Zimmer wieder. Zu unserem Glück schien es Festum nach wie vor an zahlenden Gästen zu mangeln, was uns die ungeteilte Aufmerksamkeit der Wirtsleute sicherte. Wir machten uns zunächst von der Reise frisch, was auch einen Besuch in Bad und Schwitzhütte beinhaltete. Streng getrennt nach Männlein und Weiblein versteht sich - leider.
Draußen bei den Schwitzhütten bekamen wir auch Nusslikör serviert, der sehr gut schmeckte. Etwas in dieser Art hatte ich im Süden bisher nicht kosten dürfen. Wohl ein lokales Erzeugnis, dass sie aus Walnüssen und Honig fermentierten. Die Damen hatten eine separierte Hütte und Sari wirkte ein wenig weggetreten als ich sie das nächste Mal sah, aber insgesamt ging es uns nach der ersten Runde des Aufwärmens sehr gut. Zwischen den warmen Hüttenbesuchen hüpfte Faramud wieder einmal nackt wie Tsa ihn geschaffen hatte durch den Innenhof und streckte sich in kriegerischen Posen im Schnee. Die Ästhetik seiner Darbietung war ja unbestritten, aber im Innenhof unseres Hotels wirkte es doch irgendwie fehl am Platz. Und sein in der Kälte rapide schrumpfendes Würmchen nahm dem ganzen auch etwas von seiner Dramatik. Man frage mich jetzt aber bitte nicht, warum mir genau dieses Detail so aufgefallen war…
Zwischen dem ersten und zweiten Saunagang Faramuds änderte ich, um Faramud einen kleinen Streich zu spielen, die Temperatur vermittels Caldofrigo zu einer deutlich stärkeren als ohnehin herrschenden Hitze und den Geruch durch einen Auris Nasus Oculus dahingehend, was, wie ich vermutete einem Drachenfurz entsprechen müsste. Faramud reagierte recht heftig, als er die Schwitzhütte erneut betrat und schrie herum, diese würde brennen wobei er mit den Händen Schnee drauf und hinein schaufelte. Ich verließ die Hütte natürlich rechtzeitig. Dann schubste er einen Diener hinein, der ihm nicht glaubte. Natürlich stand die Hütte weder in Flammen noch war sonst ein Unglück zu erkennen. Um seine Blamage zu übertünchen wagte Faramud, infam aber geistesgegenwärtig, sogar mich zu beschuldigen, ich hätte einen Haufen in die Sauna gesetzt! Gipfel der Frechheit und natürlich ebenso wenig haltbar, da es nirgends einen Haufen zu finden gab! Dennoch beschuldigte er mich weiter und ließ sich auch nicht davon abbringen. Das Ganze hatte seinen Stolz wohl schwerer verletzt, als er zuzugeben bereit war… Nun sei es drum. Für mich war es in jedem Fall ein faszinierendes Experiment. Wenn man mit recht wenig Aufwand die Hitze in einer Schwitzhütte schon dermaßen steigern konnte, was mochte Gleiches erst in, sagen wir einer Schmiedeesse, bewirken? Oder einem Schmelzofen zur Glasherstellung? Die entstehende Hitze mochte gar reichen einen Körper binnen Sekunden zu kremieren! Vielleicht sollte ich das im Hinterkopf behalten und meinen namenlosen Widersacher in der Hitze seiner eigenen Ivash vergehen lassen? Das wäre auf jeden Fall ein Spaß… bei dem Gedanken stahl sich ein niederhöllisches Grinsen in mein Gesicht.
Die kleine Ulmjescha arbeitete, wie wir erfuhren, seit unserer Abreise fest im Gasthaus für die Wirtin. Diese lobte ihre rasche Auffassungsgabe und war recht unwillig, sie gehen zu lassen. Die Kleine stand etwas hinter der Wirtin und schien mitgehört zu haben, bevor sie von der Wirtin mit Sari zum Lagerbau im Garten geschickt wurde, die erneut lieber im Garten schlief als ein ordentliches Zimemr zu beziehen. Allerdings brauchte Sari natürlich keine Hilfe beim Bau ihres Schneehauses und hieß die Kleine einfach mit einem Glas Honigschnaps zuzusehen, anstatt im Weg zu stehen. Aber bei allem stand ich natürlich zu meinem Wort und bekräftigte es erneut, Ulmjescha mit mir nach Hause nehmen zu wollen, so sie denn dazu bereit sei – und bei Hesinde war das Kind enthusiastisch bei der Aussicht sowohl die harte Arbeit bei der Wirtin als auch dieses lausig kalte Land hinter sich zu lassen! Auch wenn meine Reisegefährten den Plan nicht vorbehaltlos teilten, da uns ja noch einige Gefahren erwarten mochten – aber ob ich jetzt neben Melissa und den Anderen auch noch auf ein kindliches Wesen mehr oder weniger aufpasste… darauf kam es nun wirklich nicht an.
Melissa ließ uns dann etwas später zum Essen rufen, wohin ich auch ging, nachdem ich mir den Schweiß aus der Schwitzhütte abgewaschen hatte. Wir trafen uns dann alle im Salon wo üblicherweise gegessen wurde, den wir aber mangels anderer Gäste ganz für uns allein hatten. Trotzdem setzten wir uns in den hinteren Bereich abseits der Küche und des Tresens, um auch vom Personal ungestört zu sein. Es gab eine Kastaniensuppe, Wildbrett und zum Nachtisch Honigschnitten, alles ganz vorzüglich zubereitet. Ich hoffte, Ulmjescha hätte sich vielleicht in der Küche bei der Wirtin das ein oder andere abgeschaut. Melissa richtete dann eine kleine Ansprache an uns. Sie hatte Bedenken, falls ihr etwas zustoßen sollte, wer das Werk zu Ende führen würde. Deswegen ließ sie uns nun an ihrem Wissen, einen Brief teilhaben, der uns später weiterbringen sollte. Kurz zusammengefasst beschrieb er den letzten Teil des Weges zum Schatz. Nahe dem Stammesgebiet der Napewana, einem Volksstamm der Mohas im südlichen Regengebirge wie ich wusste, folgte eine Wegbeschreibung und das Stück einer Karte. Wo das Gebiet jedoch genau sei, war ihr leider unbekannt, weswegen wir dies noch erkunden sollten, bevor wir den Landmarken folgen könnten. „Der Blick vom Berg offenbart das Gesicht. Die Nase rechts umrundet und du findest das kleine Tal und kommst an den See. Dort gibt sich der Rest.“
Unsere Besprechung wurde kurz von Ulmjescha unterbrochen, die eine Nachricht für Pamina brachte. Eine Freundin, die ihr eine gute Reise wünsche, aber deren Namen Pamina uns nicht nennen wollte hatte anscheinend vor sich heute noch mit ihr treffen. Ich war erstaunt, dass Pamina hier im Norden wo sie doch anscheinend das erste Mal war irgendwelche Freunde hatte. Aber Pamina verließ uns trotzdem nach einer kurzen Diskussion über das Thema Freunde und Vorsicht, das hier manch einer recht unterschiedlich aufzufassen schien. Ich war versucht ihr zu folgen um auf sie acht zu geben, entschied mich aber am Ende dagegen. Würde es ein Problem geben, wovon im ansonsten ja auch recht korrekten Festum fast nicht auszugehen war, könnte ich es auch im Nachhinein noch bereinigen. Zumindest schien Pamina recht erfreut über die Nachricht, also war vielleicht nicht das allerschlimmste zu erwarten.
Dann klärte ich die anderen über unser mögliches Ziel, die Umgebung von H’Rabaal auf, wo Mysob und Jalob entspringen und das Stammesgebiet der Napewanah liegt. Das ist ja nicht allzu weit von Al’Anfa entfernt und die Handelsbeziehungen meines Vaters reichten durchaus bis dorthin, weswegen es mir ein leichtes war die Hinweise in einen groben Kontext zu bringen. Ich meinte sogar, mich an eine Dozentin an der Universität von Al’Anfa, Notia Montero Botes, eine Urwaldforscherin und ausgewiesene Expertin zu erinnern, in deren Vorlesung zu den Stämmen der Regenwälder, Waldinseln und des Regengebirges ich einst gesessen war. Ihr Ausruf „Spinnen, ich hasse Spinnen“ als es um ein Tal Namens Kun’Kau’Peh ging wird mir ewig im Gedächtnis bleiben. Nach ein wenig weiterer Diskussion und Planung für den Folgetag begaben wir uns zu Bett – das weitere Vorgehen hatten wir ja schon seit längerem festgelegt. Während die meisten am Morgen zu einem Besuch im Hafen zum Finden einer Schiffspassage aufbrechen würden, sollte ich im Hesindedorf zur Erkundung unseres Ziels vorstellig werden und mich nach möglichen Reiseberichten, Karten oder ähnlichen Dingen erkundigen.
Am Morgen wurden wir von Ulmjescha zum Frühstück geweckt. Melissa wartete schon auf uns und schien voll Tatendrang zu sein, ihre Melancholie des letzten Abends war komplett verflogen. Mich begleitete lediglich Surina, die einen erstaunlichen Wissendurst nach geschriebenem Wort an den Tag legte. Wir gingen direkt in die Bibliothek und entrichteten unsere Nutzungsgebühr. Man erinnerte sich an dort noch mich, was hilfreich war um uns die ohnehin gastlichen Türen zu öffnen. Ein dicker Foliant „Die südlichen Gestade des Handelsimperiums“ wurde uns gezeigt, der möglicherweise hilfreich sein sollte. Eine Karte von Al’Anfa ausgehend und die südlichen Ausläufer des Regengebirges zeigend skizzierte mir vertraute Landmarken. Ich konnte das Ziel anhand der Karte bald eindeutig identifizieren. Es lag am Oberlauf des Jalob, im oberen Drittel des Flusses. Insofern bot es sich an von Al’Anfa aus zu reisen, was mir nur entgegenkam, hatte Faramud doch den völig sinnlosen Wunsch geäußert, einmal ums Kap Brabak zu segeln und unser Ziel von der anderen Seite des Kontinents her zu suchen. Völlig widersinnig! Das würde uns einen Umweg von mehreren Wochen einbrocken! Mit so einem Unsinn würde er sich bei Melissa – hoffentlich – nicht durchsetzen können. Anscheinend war ihm der Gedanke in die schönste Stadt deres – Al’Anfa natürlich – zu reisen unverständlicherweise im höchsten Ma0ße zuwider. Nun, ich würde ihn vor Ort sicher vom Gegenteil überzeugen können.
Beim Mittagessen fragte Ulmjescha schließlich noch einmal, ob ich sie nun wirklich mit nehmen würde. Sie hatte etwas gehört über Sklavenhandel in meiner Heimat und ein wenig bedenken, die ich aber mit Leichtigkeit zerstreute. Sie war frei, würde von mir bezahlt werden und könne jederzeit ihrer Wege gehen, wenn sie das wollte. Abgesehen davon war das, was wir Sklaverei nannten im Endeffekt auch nichts anderen, als die Leibeigenschaft die hier im Bornland so verbreitet war. Ich sah zumindest keine wesentlichen Unterschiede bei näherer Betrachtung. Sari ging dann mit Wala und Pamina nach dem Essen aus der Stadt, nach den befreiten Wölfen sehen. Ich hingegen ging, erneut mit Surina, zum Borontempel, um dort Meldung über unsere Erlebnisse zu machen, so wie ich es versprochen hatte. Thargunitot wollte nicht handeln? Gut, war sie doch selber schuld, wenn sie bald ein Unheiligtum weniger auf Dere haben würde…
Der Borontempel lag im südöstlichen Stadtteil Jodekspitze, wo wir in Stille und Ruhe empfangen wurden und von unseren Erlebnissen berichteten. Ich zeichnete den Priestern dann sogar eine Karte des Gewölbes um ihnen die Arbeit zu erleichtern. Wir schmückten unsere Erzählung nur wenig aus, das war angesichts der Wahrheit auch gar nicht nötig, um die schweigenden Brüder wie eine Meute gieriger Hunde auf die Fährte zu setzen. Sie wollten dann noch Dinge um den örtlichen Bronjaren und seinen Anteil an der Misere wissen, aber da konnten wir ja nur bedingt helfen. Erfreulicherweise konnten die Dinge, die ich aus dem Gewölbe geborgen hatte bei all dem völlig unerwähnt bleiben. Ich hätte es als sehr unangenehm empfunden, die Priester anlügen zu müssen - noch unangenehmer wäre es mir aber gewesen, all die schönen Dinge und Bücher beschlagnahmt zu sehen. Also breiten wir lieber den borongefälligen Mantel des Schweigens darüber, nicht wahr, und ich lenkte ihr Interesse auf völlig andere Dinge… Nach einiger Auskunft unsererseits und Mahnungen ihrerseits bei den Gefährten zu Sicherheit trotzdem auf Anzeichen von Besessenheit zu achten besuchten wir auf dem Rückweg noch den Rahjatempel Festums, um vor der Seefahrt noch ein wenig Zerstreuung zu genießen. Pamina, die sich uns mittlerweile angeschlossen hatte, ließ sich sogar von einem der örtlichen Geweihten verknuspern. Das kleine Luder war vergnügungssüchtiger, als ich gedacht hatte! Aber wer wäre ich, bei einem Rahjadienst Einwände zu erheben? Sollte sie vor der sicher wieder unerfreulichen Seefahrt alle Zerstreuung genießen, die sie benötigte.
Aber auch die Anderen waren erfolgreich gewesen. Bereits am nächsten Morgen gingen wir nach einem zeitigen Frühstück in den Hafen um unser Schiff nicht zu verpassen, ein Lastensegler mit dem vielversprechenden Namen „Schneller Kunchomer“. Der Kapitän hieß Brahim und die Route, die wir nehmen würden, sei sogar nach ihm benannt. Einen sicheren Konvoi hingegen gab es diesmal jedoch nicht. Und Kabinen gab es für uns, zu meinem Bedauern erneut nicht. Aber es wurden Felle transportiert, aus denen wir uns ein Lager machen durften, was zumindest ein Mindestmaß an Komfort sicherstellte. Das hatte ich auch noch nicht erlebt, das sich Besatzung oder Gäste in der Fracht breit machen durften. Mein Vater wäre angesichts dessen wahrscheinlich die Wände seines Kontors hinaufgerannt und hätte dann den Verantwortlichen dermaßen die Peitsche gegeben, dass er keines Stuhls mehr bedurft hätte. Aber so schienen sich die Sitten doch ein wenig zu unterscheiden. Wir verließen am 3. Tsa zur 8. Stunde den Hafen von Festum und damit das ungemütliche Bornland. Aves weiß, wann und ob es mich noch einmal hierher verschlagen würde. Falls nicht, wäre das jedenfalls nicht zu meinem Bedauern, egal wie gastlich das Volk hier sein mochte. Und meiner Leber würde die Abfahrt auf Dauer sicher auch guttun…Der Wind wehte zwar eisig aus Nordost, aber ansonsten war das Wetter recht gut und trieb uns mit vollen Segeln unserem Ziel entgegen.
Der erste Tag verlief, wie rückwirkend betrachtet die ganze Fahrt, ruhig. Am zweiten Tag kreuzte uns ein anderes Schiff unter Festumer Flagge, das mit Soldaten besetzt war. Ein kurzer Austausch mit Flaggensignalen bewirkte, dass der Kapitän den Kurs wechseln ließ und wir etwas weiter südostlich fuhren als ursprünglich angedacht. Voraus hatte das andere Schiff wohl eine unangenehme Begegnung gehabt, die wir zu umschiffen trachteten. Weitere zwei Tage vergingen ohne große Ereignisse, während wir uns stark an der Küstenlinie zu unserer rechten hielten. Anscheinend war es in Sichtweite der Küste zwar insgesamt etwas länger zu fahren als quer über die offene See, dafür aber bedeutend ungefährlicher. Nach fünfeinhalb Tagen kamen wir am 8. Tsa spätnachmittags in Kunchom an, ohne dass uns die Schrecken der blutigen See ereilt hatten. Ich war mir unschlüssig, ob ich mich darüber freuen oder ärgern sollte, aber am Ende überwog der positive Aspekt, dass unsere Reise nicht unnötig verzögert oder gefährdet wurde. Wir blieben dann auch nur zwei Tage in Kunchom, wieder im Hotel Alter Mahanadi, bevor wir uns einer Karawane auf dem bekannten Weg nach Fasar anschlossen, wohin wir eine gute Woche benötigten. Die meiste dieser wenig ereignislosen Reisezeit verbrachte ich erneut mit den Studien meiner neu "erworbenen“ Bücher. Falls diese Wissen enthielten, das sich noch als nützlich erweisen mochte auf unserer Reise, würde mir dies nicht entgehen.
Wir kamen in die örtliche Regenzeit der Tulamidenlande, weswegen Flüsse und Bäche deutlich voller waren als bei unserem letzten Besuch. Überhaupt wirkte dadurch das Land grüner und frischer, der vertrocknete Eindruck den ich noch vor wenigen Monden bekommen hatte war nun ein gänzlich anderer. Wir kamen am16. Tsa Abends in Fasar an und durschritten das „Tor“ kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Für die erste Nacht bezogen wir direkt ein Zimmer in der Karawanserei am Eingang Fasars, in der wir schon die Kamele verkauft hatten. Der Herbergsvater hatte uns noch in guer Erinnerung und nötigte uns in blumigen Worten, Gäste seines Hauses zu sein. Ulmjescha nächtigte bei Pamina, die für sie anscheinend wie eine große Schwester war. Erfreulich für mich, da ich mich so auch weniger um sie sorgen musste. Mit dem Kram und den Sorgen kleiner Mädchen hatte ich ja bisher nicht wirklich Erfahrung sammeln müssen, und konnte auch gut darauf verzichten. Meine Schwester einmal ausgenommen, aber zwischen ihr und Ulmjescha bestanden dann doch gehörige Unterschiede! Am nächsten Morgen wechselten wir aber trotzdem in den „Tanzenden Derwisch“. Auch unser alter Führer Hamid al Rechem stand uns nach kurzer Suche wieder zur Verfügung. Das erinnerte mich erneut daran, wie sehr ich die Unterstützung Atzinas vermisste. Sie hätte unsere anstehende Aufgabe sicher um einiges erleichtert. Zumindest erfuhren wir schnell, das Reisende aus Lowangen wohl durch das Südwest“tor“ in die Stadt kommen würden, wenn sich die Pläne unserer Widersacher nicht geändert hatten. Dort wollten wir zuerst mit profanen Mitteln nach Alriik suchen, da der ein oder andere in unserer Gruppe wieder einmal seine Vorbehalte gegen Beschwörungen zum Ausdruck brachte. Wohlgemerkt nur meine Beschwörungen. Die von Sari schienen ja allgemein in Ordnung zu gehen. Eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn man mich fragte, aber was sollte man von unstudierten Leuten die das Ganze nicht verstanden auch erwarten? Zunächst würden wir aber auf den Basar gehen und Ulmjescha etwas Neues zum Anziehen kaufen müssen, ihre Kleidung war für das hiesige Klima eher ungeeignet. Und danach wollte ich mich noch an der Al’Achami anmelden. Das sollte alles heute noch zu erledigen sein.
Auf den Basar wollten dann aber doch alle mit, insbesondere die jungen Damen schienen bei der Aussicht auf eine ausgiebige Einkaufstour sehr angetan. Kaum das wir den Markt betreten hatten, wurden wir von dem Kerl angesprochen, der Pamina beim letzten Mal ihren roten Schleier verkauft hatte. Der ehemals verhärmte Händler wirkte heute deutlich gepflegter und schien ein gutes Auskommen gefunden zu haben. Islem ibn Kadar hatte mit unserem Geld ein neues Geschäft aufgezogen, in das er uns, als Bringer seines neuen Wohlstands, nun auf Tee und Honiggebäck einlud.
Für seine Waren interessierte ich mich nur wenig, denn Bücher führte er nicht. Aber er verwies mich an einen Händler namens Rastafan, unweit der Al’Achami zwei Seitenstraßen vor dem Fuß des Hügels auf dem die Akademie stand. Dann machten sich die Damen ans Kleider einkaufen. Diese Begeisterung für Kleider und alles was damit zusammenhing muss etwas sein, das dem weiblichen Geschlecht angeboren war. Für Ulmjescha gab ich ein schwarzes Wollkleid mit goldenen Borten bei dem Händler in Auftrag. Sie sollte ja auch passend für die Gegend gekleidet sein und vernünftig aussehen, wenn sie mich begleitete. Ich hatte das zwar nicht beabsichtigt, aber mit dem Kleid wie ich es mir vorstellte würde sie wahrscheinlich wirklich einer Scholarin der magischen Künste ähneln, auch wenn ihr die Gabe bedauerlicherweise nicht in die Wiege gelegt worden war. Aber niedlich würde sie damit alle mal aussehen, da war ich mir sicher!
Als nächste war dann Pamina dran sich ein Kleid auszusuchen. Ich begleitete sie bei diesem Unterfangen zu einer anderen Händlerin, die sich als die Tochter unseres gönnerhaften Krämers entpuppte. Zwar zeigte sie uns ein Kleid, das Pamina auch brav anzog, aber es passe ihr nicht, meinten die anderen. Surina bezeichnet sie gar, wenig schmeichelhaft, als Presswurst, obwohl ja an ihr nun wirklich nicht allzuviel dran war! Da hatte ich schon manch Matrone in noch knapperen Miedern gesehen, wo die üppige Fülle sich tatsächlich ihren Weg gebahnt hatte. Aber doch nicht Pamina! Die hätte man wahrscheinlich noch in das knappe Röckchen eines Schulmädchens stecken können, und es hätte irgendwie süß ausgesehen. Aber gut, ich muss zugeben in Modedingen war ich jetzt dann nicht so bewandert wie auf anderen Feldern… die Wahl meiner Garderobe fällt ja meist recht einfach. Robe bleibt am Ende Robe. Wobei es auch da unterschiede in Schnitt und Stil gibt, grade bei den Modellen für weibliche Vertreter unserer Zunft… man mochte gar meinen, manche der Damen wären zu arm sich mehr Stoff zu leisten, so knapp sitzen diese Röbchen gelegentlich! Aber ich will mich darüber ja gar nicht beschweren, auch wenn das einen strebsamen Studiosus schon einmal ablenken kann!
Mehr oder weniger unverrichteter Dinge gingen wir dann weiter zu Rastafan, nach einem oder mehreren Büchern sehen, je nachdem wie das Angebot sein mochte. Rastafan war ein alter Händler, der vor seinem Laden saß, erst etwas plaudern wollte und wie das Urbild des tulamidischen Krämers wirkte. Leider hatte er die „Entwicklung übernatürlicher Willenskraft“ nicht vorrätig, womit ich aber auch nicht zwingend gerechnet hatte. Das Werk war leider, mir völlig unverständlich, viel weniger verbreitet, als es verdient hätte. Dafür konnte ich jedoch für den unfassbar günstigen Preis von 2 Marawedi eine alte, sehr abgegriffene, zerfledderte und obendrein noch kommentierte Fassung von „Praios größtes Geschenk“ erwerben. Kein Prachtstück für den heimischen Bücherschrank, aber zum Lesen und studieren würde es langen. Auch wenn die Kommentierung einen ketzerischen Eindruck machten und ich, wie ich beim Überfliegen feststellte, damit nicht von Praioten erwischt werden sollte. Man mochte meinen, der Vorbesitzer würde die göttliche Zuordnung des Intellekts zu Praios in Frage stellen – bot aber eher keine Alternative, außer sarkastischen Anmerkungen. Faszinierend! Als sich die Tür schloss meinte ich etwas zu hören, als würde der Händler jemand zurufen er hätte einen Trottel gefunden, der ihm das gefährliche Ding bereitwillig abgenommen habe. Was für ein Einfaltspinsel! Keine Ahnung vom wahren Wert des geschriebenen Wortes, dieser Kamelschubser! Aber es soll mir recht sein, so ein Schnäppchen macht man selten. Nun war also die Lektüre für die nächsten Abende auch schon gesichert!
Faramud wollte sich wegen eines sich zusammenbrauenden Sturmes oder Unwetter von uns trennen, vermutlich um wieder seinen Göttern zu huldigen und nackt durch den Regen zu hüpfen. Der Rest kam daher mit mir zur Akademie, da sie entweder keine Lust hatten nass zu werden oder Faramuds baumelnde Glöckchen zu bewundern. An der obligatorischen Warteschlange aus Bittstellern und Pöbel gingen wir einfach vorbei, das kannte ich ja mittlerweile vom letzten Besuch. Während draußen Gebrabbel und Lärm die Sinne belästigte, war im Inneren alles groß, gewaltig, dunkel, sehr ehrfurchteinflößend – und ruhig. Gerade die richtige Atmosphäre um den Geist mit Hesindes Geschenken zu füllen. Ich kannte den Raum zur Anmeldung schon und steuerte ihn gezielt an. Ein Blich in das Gästebuch zeigte, dass seit meinem letzten Aufenthalt ein reges kommen und gehen, vermutlich auf Grund des Fests der Magie wo die meisten gekommen waren, geherrscht hatte. Danach wurde es übersichtlicher, aber dennoch konnte man kaum leugnen, dass die Anzahl der Kollegen und Kollegae die sich immer wieder in Fasar aufhielten wirklich beachtlich war. Ich hatte meinen persönlichen Eintrag gerade vollzogen, als ich aus dem Hintergrund jemand eine Schar an Schülern in die Duellräume zu einer Lehrstunde rufen hörte. „Contraria graduatii Al’Anfa“. War das ein persönlicher Affront gegen mich? Ein Schabernack eines dieser überheblichen Fasarer Popanzen? Schon aus reiner Neugier reihte ich mich in die Riege der Schüler ein und folgte ihnen bis ins Klassenzimmer. Als der Dozent begann nahm ich in den hinteren Rängen Platz. Wie sich herausstellte fand das Seminar auf Grund des Todes einer Abgängerin der Akademie durch einen Magus aus Al’Aanfa statt. Zufälle gibt’s… Um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern forderte die Spektabilität nun, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt und man sich mit den Al’Anfanern und ihren Methoden und Kontraria dagegen vertraut machen müsse… ich lauschte dem Sermon nur wenige Minuten, war mir doch sehr bewusst, dass es eigentlich um meine Person ging…
Daraufhin verließ ich schnell wieder die Akademie – einen Streit mit einem ganzen Lehrinstitut muss man nun wirklich nicht beginnen. Draußen zog bereits ein Gewitter auf, dass schweren Regen versprach. Wir gingen zum Basar zurück um bei einem Tee auf Faramud zu warten. Als wir schlussendlich den tanzenden Derwisch erreichten begann auch schon der Regen. Nach kurzer Diskussion mit den Gefährten widmete ich mich aber lieber der Lektüre der Neuerwerbung auf meinem Zimmer. Und ich muss sagen, stellenweise waren die eingefügten Kommentare auch gar nicht so weit von meiner eigenen Meinung entfernt, was die Pfaffen des Praios anging, die sich ja für die Krone der Priesterschaft hielten. Aber man muss das natürlich alles mit der gebotenen wissenschaftlichen Neutralität bewerten. Und da war ich dann tatsächlich immer wieder hin und her gerissen zwischen den Aussagen des Buches und denen des Kommentators. Vielleicht fand sich ja irgendwo ein Hinweis auf den Vorbesitzer. Mit diesem hätte ich gerne einmal ein gepflegtes Gespräch bei einem Glas Wein geführt…
Beim Frühstück erreichte uns unvermittelt eine Nachricht von Islem, der sich für Pamina umgehört hatte. Torm Thomsen hätte vor nicht zu langer Zeit in einem Gasthaus am Südwesttor Quartier genommen. Wir gingen also noch einmal zu ihm und sprachen wegen der Herberge mit ihm, während Pamina ihn vollschwafelte wegen einem Schleier und ihn dann befragte wo der Gesuchte sich finden mochte, da Islem nicht mit der Sprache herausrückte. Anscheinend war er uns dann doch nicht so dankbar, dass er aus seinem Wissen nicht noch Kapital schlagen wollte. Ich wirkte einen Blick in die Gedanken, da die Summe, die er Pamina im Laufe der Unterhaltung nannte in meinen Augen unanständig hoch war. Es dauerte nur Sekunden bis ich wusste, das Thorm Thomsen in der verdorrten Dattel abgestiegen war. Aber noch bevor ich eingreifen und das unwürdige Schauspiel beenden konnte, hatte Faramud ihm für das gleiche Wissen bereits 4 Marawedi in den Rachen geworfen. Narr der er war… warum ließ er mich nicht einfach meine Arbeit machen? Nun war das schöne Gold weg, und Islem grinste in sich hinein. Verschwendung sage ich. Verschwendung!
Von unserem Führer Hamid wollten wir uns vom Derwisch sogleich zur verdorrten Dattel führen lassen, ein nach seinen Worten verderbten Haus, für unsereins völlig unangemessen. Aber noch bevor es dazu kam, traf ein Bediensteter in den Farben des Erhabenen Hablets ein und gab Faramud eine kleine Schriftrolle mit den besten Wünschen und Empfehlungen seines Herrn. Der Diener machte jedoch keine Anstalten zu gehen, sondern wartete wie eine Statue auf Antwort. Es handelte sich um eine Einladung zum Essen, die sich auf uns alle erstreckte. Nun wollte Pamina erst recht ein neues Kleid und hatte sogar eine recht konkrete Vorstellung davon. Die verdortte Dattel wurde daher zunächst hinten angestellt und wir suchten erneut Islem und seine Tochter auf. Diesmal fand Pamina ein passendes Kleid. Blaue Seide auf dem Sternenmuster angebracht waren mit einer Scherpe dazu, auf der die Sternbilder der Zwölfe sich in der rechten Reihenfolge angebracht fanden. Sehr hübsch! Und diesmal waren sich alle einig, dass die Garderobe wohl gewählt war. Pamina bekam das Kleid sogar geschenkt für das Versprechen, den Namen der Händlerin zur rechten Zeit inn den Ohren des Erhabenen zu platzieren. Ich bezahlte auch gleich den Marawedi für Ulmjeschas Kleid, da die Schneiderin ja die Tochter Islems war und er dieses bei ohnehin ihr in Auftrag gegeben hatte. Sie sah wirklich entzückend aus in dem schwarzen Stoff mit der goldenen Borte. So stellte ich mir meine Bedienstete und das Kindermädchen für Nandurin vor, bei Hesinde!
Aber dann ging es endlich weiter auf unserer Jagd nach dem Feind. Die verdorrte Dattel war laut unserem Führer ein Umschlagplatz für allerlei Dinge unter den Augen des Phex. Oder besser, hinter diesen. Das Haus lag in einem von Bettlern und Straßenkindern verseuchten, heruntergekommenen Viertel weit im Südwesten von Fasar. An der Fasade hing ein Dattelzweig aus Metall, dessen Früchte verdorben aussahen. Ein Wunder, dass diesen angesichts der schäbigen Gegend noch niemand gestohlen und zu Geld gemacht hatte. Was vielleicht für den Status oder die Gefährlichkeit des Inhabers sprach. Man muss solche Dinge ja nur richtig hinterfragen und zu interpretieren Wissen! Ein Zechpreller wurde gerade aus dem Haus geworfen und erst einmal beschimpft als wir eintrafen. Die Tirade endete erst, als mein Gewand erkannt wurde und sich der Wirt dann wortreich entschuldigte. Skeptisch betraten wir das Haus und bestellten Tee und Bier. Allein schon der Anblick der schlecht gespülten Becher und Krüge würde bei mir unter normalen Umständen Übelkeit erregen – Mishkara war stark an diesem Ort! Faramud erkundigte sich nach Thorm Thomsen und der Wirt erinnerte sich sogar an den Kerl. Er sei erst vor zwei Abenden abgereist. Gegen ein Salär könne er uns auch jemand vermitteln, der sich mit ihm getroffen hatte und uns weiterhelfen könnte. Wieder war es Faramud, der seine Geldkatze öffnete und 2 Marawedi auf den Tisch legte. Ich seufzte. Nachdem ich noch einen weiteren dazu legte plaudert der Wirt endlich. Der Gesuchte hat sich mit einem Kerl namens Alriik getroffen. Dieser hätte nach einigen Bier und Schnaps etwas von einem kleinen schwarzen Magier geschwafelt, der sich in einen Echsenmenschen verwandeln konnte und ihn erpresst hatte. Bei der Erinnerung an Kunchom musste ich unweigerlich grinsen. Alriik ist wohl nicht der hellste unter der Sonne… ein Junge in abgeranzter Kleidung sollte uns sogar zur Hütte von Alriik führen, wofür er vom Wirt einen mickrigen Muwlat erhielt.
Der Junge führte uns durch das schäbige Viertel im Südwesten bis zu einer traurigen Hütte, in der Alriik hausen sollte. Irgendwer schnarchte in der Hütte… wir traten einfach ein. Beim Klopfen hätte man ja Angst haben müssen, die windig zusammengezimmerte Behausung könne einfallen. Das Innere war regelrecht widerlich – von Putzen hatte dieser lausige Möchtegernverbrecher sicher noch nie in seinem Leben gehört. Pamina zog ihren Dolch, ging leise zu ihm, legte die Hand auf seinen Mund und näherte ihre Hand seinem Hals. Eindeutig unser Alriik. Eine Ratte floh quiekend von der Szene und Pamina, sonst eigentlich nicht so schreckhaft, zuckte zurück, verletzte Alriik aber nicht dabei. Dann hielt sie ihn unter Kontrolle, als er endlich aufwachte. Er war sehr eingeschüchtert von uns. Insbesondere mich schien er über allen Maßen zu fürchten, was mir sehr gut gefiel. Als Faramud ihn nach Thorm fragte meinte er, er hätte nur eine versiegelte Nachricht an diesen weitergegeben, die danach direkt verbrannt worden sei. Aus seiner vergammelten Jacke förderte er aber einen halbkokelten Zettel zutage, auf dem unsere Feinde ihre Reiseroute und Treffpunkt vereinbart hatten. Wenn das nicht eine erfreuliche Wendung war! Im Tausch gegen den Zettel war ich gerne bereit das Blut und seine Haare an ihn zurück zu geben, die ich in Kunchom genommen hatte, was ihn sehr zu erleichtern schien.
Nach dem was wir dann herausfanden waren es nach O’Habin, einem Ort im Süden Fasars, etwa 2 oder 3 Tagesreisen. Faramud, der zeitweise irgendwo zwischen viel zu großzügig und naiv einzuordnen war, schenkte dem armseligen tropf für seine Dienste sogar noch einige Zechinen! Nicht das es finanziell drauf angekommen wäre, seine Geldbörse schien dank Melissas Großzügigkeit tief genug zu sein, aber mir wäre es da ums Prinzip gegangen. Einen Verbrecher für seine Taten auch noch zu entlohnen, anstatt einfach auf die gerechte Strafe zu verzichten… auf diese Art und Weise hatte der Pöbel irgendwann gar keinen Respekt mehr vor den Höherstehenden. Innerlich schüttelte ich den Kopf, aber eine Diskussion mit Faramud war das Thema nicht Wert – sie wäre sowieso verlaufen wie Wasser im Sand der Wüste. Meine Weisen Worte wären in ihm ohne jegliche Wirkung versickert. Als wir Alriik verließen war es kurz nach Mittag, bis zu unserer Verabredung heute Abend blieben also noch einige Stunden Zeit. Für den Nachmittag hatten wir allerdings nichts weiter vor, als uns für die kommende Einladung beim erhabenen Hablet ordentlich herzurichten. Was in meinem Fall vergleichbar schnell ging, bei unseren Damen jedoch einiges an Zeit in Anspruch nahm – der Pfau ist eben mit natürlicher Pracht gesegnet, die Henne muss für den gleichen Effekt deutlich mehr Aufwand betreiben…
Am Abend zur 8. Stunde ließen wir uns zum Turm des Erhabenen Mondwesirs bringen. Seine Wächter erwarteten uns schon am Fuß des Turms und boten uns den bequemen Weg an. Bereitwillig stieg ich in den Aufzug – es würde ja nichts bringen dem Erhabenen verschwitzt vom Treppensteigen unter die Augen zu treten. Nur Sari und Faramud wählten den beschwerlichen Weg, so dass wir auf der oberen Plattform auf sie warten mussten. Besonders Pamina schien der Begegnung regelrecht entgegen zu fiebern. Um ihr einen gebührenden Auftritt in ihrem Sternenkleid zu geben wollte ich eigentlich einen Favilludo auf sie legen, aber der Stock des Majordomus schlug früher als Gedacht auf den Boden, so dass ich mich in der Eile in der Matrix verhaspelte und nicht den gewünschten Effekt erzielen konnte. Schon ging die Tür zum großen Saal auf, der dunkel und nur schwach beleuchtet vor uns lag. Lediglich beim Wesir, der umringt von Essen und Getränken auf seinem extrabreiten Thron saß, war es etwas heller. Auf seinem Gesicht stand ehrliche Freude als er uns sah – ein geradezu kindlicher Ausdruck von Glück und kaum unterdrückter Erwartung, so als würde ihm eine Überraschung unter den Nägeln brennen die er fast nicht zurückhalten konnte. Und dieser Eindruck bestätigte sich, als er uns ankündigte, uns etwas zeigen zu wollen – aber erst nachdem wir gegessen und die Erlebnisse seit unserer Abreise ausgetauscht hatten. Nun hatte er es geschafft, auch meine Neugier zu wecken. Aber auch ihm schien es so zu gehen, denn während als des Geplauders stand sein mächtiger Körper regelrecht unter einer kaum unterdrückten, ungeduldigen Spannung, die man ihm gar nicht zugetraut hätte.
Als das Essen beendet war, zumindest für uns, Hablet stopfte sich trotzdem immer wieder etwas wie eine beiläufige Gewohnheit in den Mund, sah Pamina den rechten Zeitpunkt gekommen, ihm ihr neues Kleid zu präsentieren. Als sie, stolz und gerade, um die eigene Achse wirbelte um dem Wesir die eingestickten Sternbilder zu präsentieren nutzte ich die Gelegenheit, um es noch einmal ganz unauffällig mit dem Favilludo zu probieren. Ein allgemeines Staunen, auch bei Pamina selbst, war der Lohn, als die Funken wie kleine Sterne begannen um sie herumzutanzen. Wirklich ein schöner Anblick! Auch der Erhabene war sehr angetan, und als Pamina pflichtschuldig den Namen der Schneiderin erwähnte, von der sie das Kleid erhalten hatte, ließ der Wesir seinen Schreiber direkt festhalten, dass er dort die Tage einmal vorstellig werden wollte.
Dann aber kamen wir zum eigentlichen Grund, warum er uns eingeladen hatte. Er erzählte, dass er nach dem Fest der Magie, also nach unserer Abreise, einige der anwesenden Magier aus Kunchom zu sich zitiert hatte, um seinen Himmel vervollständigen zu lassen. Dabei deutete er an die Decke. Man mag sich meine Überraschung vorstellen, als auf das Kommando Hablets „Nordhimmel“ genau dieser in hell leuchtenden Sternen und Bahnen an der Decke erschien. Sari wurde nun die Ehre zuteil, mit dem Wort „Wolfshimmel“ den gleichen Effekt zu erzeugen, nur in der Variante des Himmels, wie sie ihn aus ihrer Heimat und mit anderen Sternbildern kannte. Dann erzählte Hablet, das gefiele ihm dermaßen gut, dass er es noch um den „Südhimmel“ und andere, seltene Konstellationen erweitern lassen wollte. Ich war, gelinde gesagt, perplex. Das war doch genau die Art von Umsetzung, über die ich bei unserem letzten Besuch nachgedacht hatte! Meisterhaft ausgeführt mittels des Menetekel Flammenzeichen, natürlich, wie man es von den Kunchomern erwarten konnte. Aber die Idee war unzweifelhaft die meine. Dabei hatte ich diese doch bei unserem Besuch gar nicht laut geäußert! Hatte Hablets Leibmagier etwa während unseres Besuchs weiter in unseren Gedanken gestöbert und diese grandiose Idee dann seinem Herrn als die eigene verkauft? Der Hund! Hesindeloser Ideendieb! Oder war der Erhabene am Ende ganz alleine auf diesen Gedanken gekommen? Wobei… eher unwahrscheinlich, ich würde nicht vermuten, dass er von der arkanen Kunst ausreichend Wissen besaß, um eine solche kreative Idee zu entwickeln. Meine anfängliche Freude und das Staunen schlugen recht schnell in ärger auf den Leibmagier des Wesirs um, der Verdacht lag einfach zu nahe! Den Kerl würde ich mir vorknöpfen, wenn er mir über den Weg liefe… ich musste wirklich noch an meiner mentalen Feste arbeiten, um mein geistiges Eigentum in Zukunft besser zu schützen! Es half nichts, ich würde um jeden Preis das Buch „Vom Eisernen Willen“ brauchen.
Auf Faramuds bitte hin schenkte uns der Mondwesir, als wir unser nächstes Reiseziel nannte, noch eine Karte der Umgebung von Fasar bis O’Harbin hinunter. Dieser kleine Ausflug sollte eigentlich recht entspannt verlaufen. Was uns dann am Ziel erwartete, war dann wieder etwas ganz anderes. Als unsere Audienz für beendet erklärt wurde verabschiedeten wir uns alle frohen Mutes von Hablet – nur an mir nagte nach wie vor im Inneren der Ärger über die gestohlene Idee. Wer mochte schon wissen, welchen Lohn ich von Hablet erhalten hätte, wenn ich ihm diesen Gedanken verkauft hätte? Auf dem Weg vom Turm hinunter hatten wir noch eine kurze Begegnung mit dem Arenameister, der zur Besprechung der nächsten Volksbelustigungen zum Wesir gerufen worden war. Da sein Versuch Sari und Wala anzuwerben erneut scheiterte, verwies Pamina ihn auf einen Korgeweihten mit einem Reitbären, den sie gestern wohl bei ihrem Spaziergang zufällig in der Stadt getroffen hatte. Da hörte ich aber nur noch am Rande zu…
Am nächsten Tag wollten wir zeitig aufbrechen. Trotzdem dauerte es am Ende bis zur 10. Stunde das wir Fasar gen Süden verließen, da wir uns vorher noch um die Anmietung von Reittieren kümmern mussten. Ich hatte ein extrem zappeliges Tier erwischt, das mich, Schande auf mein Haupt, schon kurz nach dem Aufsteigen wieder in den Straßenstaub warf. Pamina ging es ähnlich, aber als wir die Tiere dann tauschten ging es auf einmal. Es lag also nicht an meinen Reitkünsten, sondern an dem vermaledeiten Zossen! Mit dem neuen Pferd kam ich heute und auch die nächsten Tage wunderbar aus. Vermutlich mochte diese dreckbraune Mähre die unter mir gebuckelt hatte einfach keine Magier… Im nächsten Ort hinter Fasar, dessen Namen ich mir schon wegen seiner Bedeutungslosigkeit gar nicht erst gemerkt hatte, fanden wir vor den Toren ein novadisches Hirtenlager. Faramud unterhielt sich mit einigen der älteren Männern, Teils sogar auf Urtulamidiya. Aber ihre despektierlichen Worte über seinen „Harem“, womit unsere Begleiterinnen gemeint waren, ärgerten mich gewaltig. Und wirklich etwas interessantes erfuhr er von diesen Viehtreibern auch nicht. Um meinem Groll Luft zu machen hinterließ ich ihnen ein kleines „Geschenk“. Als wir weit genug vom Lager entfernt waren wob ich einen schnellen Menetekel und ließ kurz in tulamidischer Schrift das Wort "Ziegenficker" auf Ihrer Zeltwand aufleuchten. Die entstehende Aufregung und das Geschnatter waren mir Lohn genug, als ich mein Tier in einen etwas schnelleren Trab fallen ließ um mich eilig vom Ort des Geschehens zu entfernen…
Als wir den Ort Nagilach erreichten schlugen wir dort in der Karawanserei „Oase“ unser Nachtlager auf.Völlig unpassend mussten wir aber, statt vernünftige Zimmer zu erhalten, in einem Stall nächtigen. Das war schon wieder so empörend, dass ich dem faulen Wirt am liebsten ein dämonisches Geschenk hinterlassen hätte. Über diesen Gedanken kam ich aber völlig hinweg, weil Pamina meinen Rat suchte und sich dabei unerwartet höchst interessante Dinge auftaten. Sie hatte sich in Fasar das Buch „Namenlose Kreaturen“ gekauft, in der Hoffnung das dies eine gute Ergänzung zu ihren Tier- und Pflanzenbüchern sein könnte. Darin fand sich, offenbar nicht zur übrigen Schrift gehörend, ein Einleger aus wenigen losen Blättern, vermutlich von einem der Vorbesitzer darin vergessen. Es handelte sich um eine gut 50 Götterläufe alte Abhandlung, eher ein Redemanuskript, das zu einem Konvent in der Akademie von Methumis verfasst worden war und sich mit dem Wirken des Namenlosen in den vergangenen, dem gegenwärtigen und den kommenden Zeitaltern sowie dem anstehenden Karmakorthäon befasste. Ich war so fasziniert davon, dass ich erst einmal alles andere vergaß, dass mich gerade noch beschäftigt hatte. Paminas Wunsch zu erfüllen, ihr zu erklären worum es da ging, schaffte ich aber nicht. Die Thesen waren dermaßen gut postuliert und die Zusammenhänge so komplex, ich hätte eines schier unermesslichen Vorrats an Buntstiften bedurft, um es Pamina in einfachster Form nahezubringen. Unmöglich, das mit ihrem simplen Gemüt zu erfassen. Andererseits war ihr gar nicht bewusst, was sie da für einen wahrscheinlich einmaligen Schatz an schriftlicher Ausarbeitung mit sich trug. Natürlich, ein Schriftstück, dass sie nicht jedem Priester unter die Nase halten brauchte, aber für den Verständigen und Gebildeten eine echte Inspirationsquelle.
Da unser Nachtlager so unerfreulich war, ich hatte auch nur wenig geschlafen, weil ich über das Gelesene nachsann, brachen wir zeitig auf. Als wir an dem Tal, eher einer kleinen Schlucht an derem Grund mehrere Flüsschen zusammenliefen, ankamen, schickten wir in bewährter Manier Sari und Pamina nach vorne um mögliche Gefahren auszuspähen. An einem Wasserfall trennten wir uns zunächst, gingen dann aber alle gemeinsam weiter als die beiden nichts Verdächtiges fanden. Wir folgten einer kleinen Klamm den Fluss entlang bis zu einer marode aussehenden Brücke. Diese wirkte so wenig vertrauenserweckend, dass wir uns zur Sicherheit ein Seil über den Abgrund spannten, an dem wir uns zusätzlich festhalten konnten. Zuerst ging Pamina mit leichten Schwierigkeiten hinüber, dann nach und nach der Rest, wobei sich unsere tierischen Begleiter als dezente Probleme entpuppten. Für mich war, dank meiner katzenhaften Eleganz, die Passage jedoch keine Schwierigkeit.
Als wir dem Weg nun weiter folgten wurde klar, dass wir uns dem Ziel unserer Suche näherten. Vor uns hielten 3 Männer Wache, die wir jedoch erblickten, bevor sie unserer Gewahr wurden. Schnell fasste wir einen Schlachtplan auf dem beschränkten Gelände, zu dem Pamina und Sari als Bogenschützen aus erhöhter Position beitrugen, während Faramud und Surina sich gemeinsam auf dem engen Weg den Gegner stellen wollten. Damit auch niemand flüchten und Alarm schlagen konnte beschwor Sari noch einen ihrer Luftgeister mit dem Auftrag, den nächsten der die weiter vor uns liegende Brücke überqueren wollte von dieser herunter in den Fluss zu stoßen. Ich würde mich mit meinem Stab hinter Faramud stellen, um hier bei Bedarf unterstützen zu können. Der Kampf begann, als einer der Wächter, offenbar seinem Wachgang folgend, auf die Brücke stieg und schreiend von dort hinabstürzte. Wir stürmten den Feind und hatten die beiden verbliebenen Wächter binnen kürzester Zeit niedergerungen, ohne dass es einem gelungen wäre zu fliehen oder mit einem mitgeführten Horn Alarm zu schlagen. Wobei sich letzteres sowieso als unsinnig erwiesen hätte, da auch ein Signal sicher vom Rauschen des Wassers übertönt und der Distanz bis zum später folgenden Lager verschluckt worden wäre. Ich hatte mich nicht groß in das Gefecht einbringen müssen, lediglich ein paar Hiebe mit dem Stab konnte ich landen, wobei es ja immer die Frage war, ob meine Gegner sich davon überhaupt beeindrucken ließen. Der Stab eines Magus ist nun einmal kein Schwert – zumindest bis er zu einem Flammenschwert wird, aber davon war ich leider noch ein gutes Stück entfernt.
Wir folgten dem Weg nun auf der anderen Flussseite für sicherlich weitere 20 Minuten, bis wir zu einem Lager aus Zelten und teilweise verfallenen Hütten kamen. Das musste das beschriebene Söldnerlager sein. Hier war es auch deutlich ruhiger, der Lärm des Flusses war so gut wie verklungen. Leider gelang es uns nicht erneut, völlig unbemerkt den Feind zu überraschen. Zunächst an einer einzelnen Wache scheiternd wurden wir bald von den erhöhten Rändern des Lagers her unter Beschuss genommen, so dass wir hinter Mauern und Bäumen Deckung suchen mussten. Sari wollte die Schützen erneut mit ihrem Luftgeist wegschubsen, ich legte ihr aber nahe, den Geist doch lieber damit zu beauftragen, die heranfliegenden Pfeile von uns fernzuhalten. Der Gedanke gefiel ihr außerordentlich gut und wurde von ihr, meisterhaft wie ich sagen muss, in die Tat umgesetzt. Solchermaßen geschützt fühlten wir uns sicher und setzten zu einem Sturmangriff gegen das feindliche Lager an. Unsere Kämpfer voraus nahmen wir Position ein. Der vor uns liegende Treppenaufgang in das, ich nenne es der Einfachheit halber „obere Lager“, erwies sich sowohl als Flaschenhals im Kampf, wie auch als Glücksfall für uns. Denn als wir den Platz stürmten stellten wir schnell fest, dass uns die Gegner zahlenmäßig weit überlegen waren. Auf jeden von uns kamen sicher eineinhalb, wenn nicht sogar zwei Feinde! Das diese uns nicht einfach überrannten und niedermachten lag nur daran, dass Faramud und Surina den Treppenaufgang eisern hielten, mit dem Rest als Unterstützung dahinter und gut geschützt vor den anfliegenden Pfeilen. In der Masse der Gegner, es mochten von der Aufmachung her Piraten sein, machte ich auch zwei aus, die herausstachen. Der eine, ein hünenhafter Mann, musste Thorm Thomsen sein. Die andere, eine gut gekleidete Frau und die Wortführerin der Schar, war dann wohl Phelicitas. Und beide damit meine Hauptziele. Bevor es zum Gefecht kam entspann sich ein hitziger Wortwechsel zwischen Melissa und Phelicitas, die uns anbot uns zu ergeben und die Schlüssel auszuhändigen – lächerlich! Ich denke nicht das es ihre Absicht war Zeit zu schinden, aber für mich war es genau das – die nötige Zeit, um taktisch agieren zu können. Nicht nur, dass ich Faramud als unserem stärksten Kämpfer den obligatorischen Armatrutz auflegte, damit er länger durchalten mochte. Nein, mit Phelicitas als dem Feind schlechthin vor Augen den es auszuschalten galt gönnte ich es mir, Einwände die sicher von meinen Begleitern gekommen wären wenn sie es gemerkt hätten, vermittels der Invokation Minor nach einem Hestoth zu rufen. Die Beschwörung solcherart, in Fachkreisen auch „Herbeirufung aus dem Handgelenk“ genannt, da man dafür weder mit Kreide gemalte Zeichen noch Kerzen oder anderen Schnickschnack verwendete, ging mir gut von der Hand. Lediglich die Anreise des Dämons aus den Niederhöllen war ein unkalkulierbarer Faktor, der oft einige Zeit in Anspruch nahm, gerade wenn es pressierte. Aber um dieses Übel kam man nur herum, wenn man ihn vorbereitend in ein Objekt bannte, was ich aber weder getan hatte noch zum jetzigen Zeitpunkt beherrschte. Ziel würde es sein, dass sich der Hestoth mit Phelicitas als der Anführerin dieser widmen sollte, um den Feind, seines Kopfes beraubt, verschreckt leichter in alle Winde zu zerstreuen. Dann begann die Schlacht zu toben!
Gleich zu Beginn gelang es uns Thorm Thomsen recht schnell zu eliminieren. Zwei Hiebe von Faramud, ein Speerstich von Pamina sowie ein gezielter Fulminictus von mir schickten ihn binnen Herzschlägen zu Boron, woraufhin einer der Piraten seinen Platz an der Front einnahme. Das Kampfesglück war uns Hold. Von Sekunde zu Sekunde mehr tränkte das Blut unserer Gegner die Treppe. Freilich blieben auch wir nicht ohne Blessuren, insbesondere Sari und Faramud bekamen einige schmerzhafte Wunden ab. Und als Phelicitas und die letzten Gegner zu Boden sanken, zwei ergriffen dann doch lieber das Hasenpanier, bevor der Hestoth sich überhaupt manifestiert hatte, lag Surina heftig aus der Brust blutend und kurz vor dem Übertritt in Borons Reich zu unseren Füßen. Ich fluchte innerlich. Ihr war anzusehen, dass es einiger Kunst bedürfen würde, um sie von der Schwelle des Todes zurückzureisen. Wieder vermisste ich Atzina schmerzlich, das wäre genau ihre Aufgabe gewesen. So blieb mir nichts anderes übrig, als meinen teuersten und potentesten Heiltrank in ihren Hals zu kippen. Und selbst dieser reichte gerade so aus, um das schlimmste zu verhindern, gut ging es ihr danach immer noch nicht! Das war ein teurer Spaß, aber ich würde mir sicher nicht nachsagen lassen, dass ich nicht alles Erforderliche zur Rettung eines Gefährten bereit gewesen wäre zu tun. Und am Ende, man muss es einfach so sagen, war auch ein Heiltrank nur Gold und Dukaten im Gegenwert. Ein verlässlicher Freund, oder zumindest eine Gefährtin bei der ich etwas guthatte, an meiner Seite waren monetär überhaupt nicht aufzuwiegen. Surina hatte sich auf jeden Fall schon als ausreichend verlässlich bewiesen, um diese Mühe wert zu sein. Auf eine Heilung vermittels Balsams wollte ich mich jedoch aktuell nicht einlassen. Dazu war erstens Surinas verbliebene Lebensspanne zu knapp bemessen, dass ich meine Fähigkeiten darauf hätte verwetten wollen, zweitens waren ihre zahlreichen Wunden dermaßen schwer, dass ich es vermutlich auch gar nicht geschafft hätte und drittens und am wichtigsten… wenn ich damit nun begonnen hätte, hätte ich nicht mehr die erforderliche Konzentration nebenbei aufbringen können, um den gleich erscheinenden Hestoth zu beherschen! Das wäre ein Problem geworden…
Als der Hestoth schließlich erschien, es mochte noch einmal eine gute halbe Minute seit dem Ende des Kampfes vergangen sein, schickte ich ihn direkt wieder fort, da er keine Aufgabe mehr zu verrichten hatte. Da einige meiner Gefährten immer wieder darauf herumgeritten waren, dass ich ja doch nur große Töne spucken und von dieser Art der Magie schwadronieren würde, nutzte ich diese Gelegenheit dennoch zur Demonstration meiner Kunst und wies sie genüsslich auf das Erscheinen des Dämons sowie meine Dominanz über das Wesen hin. Nicht nur Pamina schien sehr erschreckt zu sein, in mehr als einem Gesicht las ich die natürliche Furcht, die die erste Begegnung mit einem solchen Wesen in schwachen Geistern oft hervorruft. Aber die Demonstration meiner Macht hatten nun wenigstens alle einmal gesehen, dass mochte die Zweifler nun endgültig zum Verstummen bringen!
Faramud schien, wie nicht anders zu erwarten, wenig erfreut zu sein, obwohl ja gar nichts passiert war, und schlug mich strafend mit der breiten Seite seines Kunchomers auf den Kopf. Das tat tatsächlich weh! Ich verwarnte ihn, dies nicht noch einmal zu tun. In seinem jetzigen Zustand hätte ich ihn mit dem leichtesten Hauch eines Fulminictus entsorgen können. Ansonsten hielt ich mich aber zurück und verzieh ihm auf Grund unseres glorreichen Sieges großmütig diesen Fauxpas. Um einen Streit vom Zaun zu brechen war meine Laune im Augenblick einfach zu gut. Ich fühlte mich regelrecht euphorisch nach der gewonnenen Schlacht! Dann hinkte Faramud anstatt meine angebotene Hilfe nun anzunehmen, beleidigt wie ein kleines Kind, fort in das Dorf, während sich der Rest um sich selbst und die eigenen Wunden kümmerte.
Ich selbst war, bis auf den Klopfer von Faramud, körperlich unverletzt, lediglich geistig etwas ermüdet, wenn auch noch bei weitem nicht völlig ausgebrannt. Dennoch spürte ich eine leichte Umnebelung und mir wurde etwas schwummrig. Ich wischte mir über die Augen, und sah dann grüne Kugel erscheinen, in der sich der Buchstabe E manifestierte. „Die Herrin ist sehr zufrieden mit Dir!“ säuselte eine Stimme sanft dazu. Dann ploppte die grüne Kugel und verlosch genauso schnell wieder, wie sie erschienen war. Es waren nun also RR und E.
Insbesondere Pamina, auf die das Erscheinen des Dämons wohl einen nachhaltigen Eindruck gemacht hatte, meinte dann noch den nutzen und das Wesen der Dämonen mit mir diskutieren zu müssen. Angesichts der Erfahrung schien sie nun gewillt, eher Faramuds Standpunkt zu teilen, anstatt, wie es logisch wäre, sich auf meine Seite zu schlagen. Hatte ich nicht ausreichend demonstriert, dass von einem gut kontrollierten Dämon keine Gefahr drohte? Dass er ein nützliches Werkzeug sein konnte? Aber Pamina, in ihrer unbedarften Sturheit, wollte es anscheinend einfach nicht recht begreifen. Da hätte ich mir ihr diskutieren können, bis sich Staubfusseln in meinem Mund gesammelt hätten. Wessen Geist flexibel wie ein Stück Koschbasalt ist, dessen Meinung braucht man auch nicht mit logischen Argumenten kommen – diese Erfahrung musste ich leider immer wieder machen.
Schließlich galt es noch, sich schon aus Gründen des Anstands, um die verstorbenen zu kümmern, auch wenn es nur Piraten waren. Da begraben zu anstrengend und aufwendig gewesen wäre schlug ich eine Seebestattung in den am Fluss liegenden Booten vor. Das fanden Pamina und Melissa angemessen. Es fand sich sogar ein Karren, um die Leichen leichter in die Boote zu transportieren. Mein, zugegebenermaßen eher spaßhalber gemachtes Angebot, die Toten von selbst zu den Booten laufen zu lassen, wurde natürlich ausgeschlagen. In diesem Falle zum Glück, denn der Kraftaufwand dafür, sei es vermittels Skeletarius-Erhebung oder Beseelung durch einen Nephazz wären völlig unverhältnismäßig gewesen! Ich hatte nur den Eindruck, Pamina und Melissa konnten noch nicht so recht abschätzen, wann ich solche Dinge eher zum Scherz, denn im Ernst anbot. Bei der Bestattung durchsuchte Pamina die Toten noch, um nichts gutes verkommen zu lassen. Bei den Piraten fanden sich lediglich 33 Silber, ein mit Wachs verschlossenes Tontiegelchen und ein Fläschchen schweres Parfum. Der Rest war eher Tand und Müll. Bei Felicitas fand sie ein schönes rotes Kopftuch sowie einen kunstvoll verzierten, scharfen Säbel in einem Prunkgehänge und natürlich, in eingenähten Taschen in ihrem Mantel, die zwei Schlüsselstücke. Thorm Thomsens wertvollster Besitz schienen die beiden Orknasen gewesen zu sein, die er gerade nicht erfolgreich gegen uns geführt hatte.
Melissa gab die Schlüssel an Faramud weiter. Ich erhalte das wachsverschlossene Tiegelchen um es später zu identifizieren und nahm mir die beiden Orknasen als Andenken mit. Die würden einen schönen Wandschmuck daheim abgeben. Das hätte so einen rustikal-barbarischen Charme! Pamina ließ von Faramud den Säbel inspizieren und wollte sich für die Zukunft gern den Kampf damit von ihm zeigen lassen. Ihr Argument war dabei durchaus einleuchtend. Es gab einfach Umstände, da war ihr Speer zu lang, um sich damit effektiv dem Feind stellen zu können.
Da es gerade Surina und Faramud immer noch nicht wirklich gut ging würden wir wohl unser Nachtlager vor Ort einrichten müssen. Ich inspizierte daher die Häuser um das beste Domizil zu finden. Die Zelte der Feinde waren mir weder vertrauenserweckend noch sauber genug. Vier Häuser waren in halbwegs passablen Zustand - wir wählten das größte Haus um alle beisammen übernachten zu können. In dieser Gegend sollte keiner allein und unbeschützt schlafen müssen.
Beim ersten Versuch der Bestattung verweigerte Efferd die Annahme der Toten. Sprich, die Strömung trieb das Boot, welches ich mit einem kleinen Gebet dem Fluss überantwortete, immer wieder an Land zurück. Nach dem dritten Anlauf war ich doch etwas genervt und kurz davor, einen der toten das Boot selbst hinausrudern zu lassen. Aber Pamina kam mir noch rechtzeitig zur Hilfe, stieg ins Eiskalte Wasser und zog das Boot weit genug hinaus, dass es vom Strom erfasst und mitgezogen wurde. Sie drohte mir sogar, mich wie Faramud zu schlagen, falls ich solches tun sollte! Als wenn ich vor ihren zarten Händen Angst gehabt hätte… das wäre sicher eher ein sanftes Streicheln gewesen… Was ist nur aus dem Respekt vor Männern Stand geworden? Das Boot kam aber nicht wirklich weit, gerademal bis zur nächsten Stromschnelle, bevor es kenterte… nun, ich wertete das als Zeichen, dass Efferd die Brüder zu sich genommen hatte.
Die halbwegs unverletzten teilten sich die Wache: Melissa die erste, Pamina die zweite, ich die Dritte. Der Rest musste ruhen, auch wenn es Faramud schwer ankam, sich die Schwäche einzugestehen. Als ich an der Reihe war, bis dahin war alles ruhig, lauschte ich in die Dunkelheit – mit den Augen erkennen konnte ich eh nichts außerhalb des Feuerscheins. Das monotone Rauschen des Flusses und des einsetzenden Regens wirkt ermüdend. Ich nickte kurz ein. Während ich eindöste bildete sich ein Bild in meinem Kopf. Von einem echten Traum wollte ich noch nicht sprechen. Ich im Disput mit den großen Magiern meiner Zeit, ich auf dem Rednerpodest. Sie sanken ehrfürchtig vor mir auf ihren Stühlen zusammen und feierten meine gewagten aber zwingend logischen Thesen, nachdem ich geendet hatte. Dabei hörte ich eine leichte Stimme in meinem Ohr „All das ist möglich…“ ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Ich erwachte, weil die knurrende Wala vor mir stand. Wie bedauerlich! Das Gefühl hätte ich gerne noch etwas länger genossen… Aber sie wollte mich wohl nur aufwecken, das gute Tier, obwohl sie mich im ersten Moment durchaus erschreckt hatte. Zumindest musste ich mir nicht die Blöße geben, von einem Gefährten geweckt zu werden, der dann sicher auf meinem Lapsus bei der Wache herumgeritten wäre. Insofern sollte ich Wala wohl dankbar sein…
Ich ließ die Anderen Ausschlafen und setzte früh einen Kessel mit Tee auf, um sie damit sanft zu wecken. Auf ein paar Stunden hin oder her kam es jetzt nicht mehr an. Ich hätte eher damit gerechnet, dass wir auf unsere Feinde länger hätten warten müssen. Das es nun so schnell gegangen war, gab uns einen ordentlichen Vorsprung in meiner Zeitplanung. Da Melissa wegen Surinas Zustand skeptisch war, ob sie den Weg zurück nach Fasar gehen konnte, kümmerte ich mich mit einem Balsam um ihr Bein und schloss dort die Wunden. Faramud, der ebenfalls wie ein kranker Esel lahmte, verweigerte meine Hilfe aber nach wie vor, so dass wir ihn recht unwürdig über die morsche Brücke schaffen mussten.
Bevor wir gingen durchstöberten wir aber noch das Zeltlager. Einige gut gefüllte Proviantbeutel und im hintersten Zelt, wohl das von Phelicitas, ein Rucksack mit einem Lederbeutel, der eine Lederrolle die eine Karte enthielt. Diese ähnelte der Melissas, war aber nicht identisch mit unserer Karte des Ziels, wenn aucheine fast gleichlautende Wegbeschreibung dabei lag. Dazu fanden wir eine Geldkatze mit 80 Dukaten und zwei Fläschchen mit klarer Flüssigkeit sowie ein Tiegelchen mit einer Paste, die ich alle zwecks späterer Identifizierung an mich nahm. Das Gold gaben wir Melissa, da die Ausstattung der Expedition in den Dschungel sicher auch noch den ein oder anderen Dukaten kosten würde. Um es nur am Rande zu bemerken, Ulmjescha schien den Anblick des Massakers das wir angerichtet hatten und des Dämons der erschienen war recht gut verkraftet zu haben. Weder wirkte sie besonders verängstigt noch abgestoßen. Ein gutes Zeichen, dass ich mit ihr genauso eine Dienerin gefunden haben mochte, wie ich es mir vorstellte.
Nach 3 Tagen Reise kehrten wir zum 24. Tsa zurück nach Fasar und bezogen für eine Nacht unser gewohntes Quartier. Weiter nach Kunchom nahmen wir wieder ein Schiff flussabwärts und kamen dort zum 2. Phex an. Bis dahin hatte ich auch die unbekannten Salben und Tränke weitestgehend bestimmen können. Eine profane Wirselsalbe, 2 Heiltränke und möglicherweise ein Gift oder eine Droge, die ich ohne mein Labor noch nicht genau identifizieren konnte. Ich wusste aber intuitiv, dass ein Geschmackstest wohl keine gute Idee gewesen wäre. Das musste bis daheim warten, genauso wie die Qualitätsbestimmung der Heiltränke.
Am 12. Phex erreichten wir dann Al’Anfa. Der beeindruckende 50 Schritt hohe Koloss und der belebte Hafen ließen mich jedes Mal wieder ehrfürchtig staunen. Dieses Gefühl nach langer Fahrt zurück in die Heimat zu kommen war einfach wunderbar. So schön wie hier war es einfach nirgends sonst auf Dere, auch wenn es sicher noch andere reizvolle Orte wie zum Beispiel Fasar geben mochte. Aber die Heimat blieb nun einmal eben die Heimat! Wir verließen das Schiff und ich führte die Anderen zum Haus meiner Eltern. Ach, Al’Anfa. Warmes Wetter, Regen, drückende Luft und Lärm. Diese unverwechselbare Mischung war hier einfach am schönsten! Ich grüßte den Wächter unseres Anwesens, der sofort nach Dienern schickte um uns mit Schirmen ins Haus zu geleiten und die freudige Nachricht meiner unerwarteten Rückkehr zu verbreiten.
Die große Treppe kamen dann auch direkt meine Mutter und meine Schwester Liliane herunter, die sich stürmisch in meine Arme warf und mich zum taumeln brachte. Ach, mein liebes Schwesterchen… und wieder ein Stück weiter zu einer bezaubernden jungen Frau herangewachsen! Zum Glück bestand unsere Gruppe zumeist aus Frauen und dem frigiden Faramud… da musste ich mir keine Sorgen machen das jemand unzüchtige Gedanken hegte. Auf Liliana aufzupassen kam mit an oberster Stelle auf meiner Prioritätenliste. Ich stellte kurz aber angemessen meine Begleiter vor, insbesondere die Dame Zeforika, die meine Mutter herzlich willkommen hieß, zum Verweilen einlud und sich dann direkt absentierte um sich um das Willkommensessen zu kümmern. Ich konnte mir direkt vorstellen, wie sie die Küchensklaven nun in hektische Wallung versetzte, weil aus dem beschaulichen Familienessen nun ein spontanes kleines Festmahl wurde.
Ich jedoch ging direkt in meine Zimmerflucht zu Nandurin, um meinen kleinen Schatz auch denen zu zeigen, die ihn noch nicht kannten. Er schlief friedlich in seinem Bettchen mit einem leichten Leinendeckchen über sich gebreitet und die Hestothfigur wie ein Wächter neben sich auf der Matratze. Es wurde wirklich Zeit, dass ich die Kunst der Dämonenbindung erlernte. Dann wäre die Figur endlich nicht mehr nur symbolisch zu sehen… Als er aufwachte erschrak er wohl etwas wegen der vielen Fremden in seinem Zimmer. Der Hestoth, von Zauberhand geschleudert, knallte mir an den Kopf und ein zorniger Blick aus dem das Temperament seiner Mutter sprach traf uns. Die Amme kam herein und wollte schon loslegen zu zetern als sie mich gerade noch rechtzeitig erkannte, bevor sie das Keifen beginnen konnte. Ich wies sie an sie solle Ulmjeschas Ausbildung übernehmen und sie einweisen, dürfe aber nach wie vor weiter ihren Dienst verrichten. Wirkte sie im ersten Moment noch besorgt und erschrocken, besänftige sie die Aussicht ihre Arbeit behalten zu können dann doch. Am Ende vielleicht nicht die schlechteste Lösung – Ulmjescha war ja selbst noch ein Kind, und ob sie mit Nandurins Temperament so aus dem Stand klargekommen wäre… so war es für alle Beteiligten auf jeden Fall sicherer. Und so blieb es uns auch erspart Ulmjescha mit in den Dschungel zu nehmen, den potentiellen Gefahren dort wollte ich sie nicht unbedingt aussetzen.
Vor dem Essen machte ich mich frisch und verstaute die Neuerwerbungen meiner Reise die ich nicht weiter mitzunehmen Gedachte in die Schränke, Regale und Schubladen. Da war doch einiges zusammengekommen! Am liebsten würde ich ja einige Tage daheim verbringen, auch um für die kommende Reise für meine Gefährten noch jedem einen Heiltrank brauen zu können. Ob Melissa dieser Idee zugänglich war? Außerdem hätten mir ein paar Tage mit der Familie auf jeden Fall gefallen, bevor es wieder los ging. Auch wenn die nächste Etappe im Vergleich zu unseren letzten Zielen quasi vor der Haustür lag. Und an der Akademie würde ich die Professorin für Mohakunde auch noch aufsuchen müssen, um wenigstens die wichtigsten Dinge über die Stämme in unserem Zielgebiet zu erfahren. Nachdem wir uns fertig gemacht hatten, wurden wir von einer Dienerin zu Tisch gebeten. Ich musste allerdings vorher noch zu meinem Vater, der mich rufen ließ um zuerst unter vier Augen sprechen zu können, was natürlich ich umgehend tat.
Bei Tisch stand jedem von uns ein eigener Leibdiener für Essen und Getränke zur Verfügung – was gerade Pamina, Sari und Faramud anscheinend recht befremdlich fanden. Ich kam mit Vater etwas verspätet nach, der dann „seine“ Gäste begrüßte. Es wurde lange gegessen und getafelt, Mutter hatte sich wieder einmal selbst übertroffen was die Auswahl der Speisen anging. Und Vater hatte offensichtlich schon ein Auge auf Pamina geworfen, was auch Mutter nicht entging. Aber das kannten wir ja, und ich hatte Pamina ja auch vorgewarnt deswegen. Vater war eben, wie er war, und konnte nur schwer aus seiner Haut. Und so ein hübsches junges Ding wie Pamina in seinem Haus… nun ja. Es würde schon gutgehen, denke ich, egal wie. Nandurin saß in einem höheren Stuhl bei uns, es flog auch nur einmal eine Banane über den Tisch. Die Sache mit der Telekinese schien er immer besser im Griff zu haben und schon recht bewusst einsetzen zu können. Die hatte ja sogar gemeint, auch den Stuhl in seinem Zimmer hätte er zuletzt einmal an der Wand zerschellen lassen. Um die Entwicklung begleiten zu können würde ich wohl nicht umhinkommen, den Motoricus selbst zu erlernen. Eine weitere Angelegenheit auf der langen Liste, die ich noch vorhatte. Liliana bot beim Essen an, Visaria für heute Abend ebenfalls einzuladen, da ich doch sicher wie immer eine spannende Geschichte von meiner Reise zum Besten geben würde. Allein die Aussicht Visaria endlich wieder zu sehen ließ mein Herz noch einmal einen höheren Freudenhüpfer machen!
Als wir in den Salon verlegte kam Visaria dann tatsächlich in einem Traum von einem Kleid hereingeschwebt und gesellte sich höflich zu uns als ich gerade von unserem ersten Aufenthalt in Fasar und den fliegenden Teppichen erzählte. Sie setzet sich zu meiner Schwester auf einen der Diwane und überschlug koket die schlanken Beine. Ich konnte kaum meine Augen von ihrer lieblichen Gestalt wenden. Da würde ich mir bei den Erzählungen noch einmal besonders Mühe geben müssen! Das einzige etwas störende Element waren diesmal tatsächlich meine Begleiter, die an der ein oder anderen Stelle doch meinten, ihre Meinung zu dem Geschehenen beisteuern zu müssen. Aber Mutter und Vater schien dies seltsamerweise sogar sehr recht, so als ob ihnen dies eine Bestätigung der von mir dargebrachten Dinge war – völlig unnötig, da ich ja stets die Wahrheit zu erzählen pflegte! Mit einigen kleineren Auslassungen natürlich, über die ich lieber schwieg. Meine Zwiesprache mit Thargunitot im Bornland zum Beispiel würde ich sicher keinem in der Familie auf die Nase binden wollen.
Im Anschluss, es war schon reichlich spät geworden, wurde ich noch einmal zu Vater gerufen, da er noch einiges mit mir besprechen wollte. Ich hätte ja lieber mit Visaria noch auf dem Teppich gesessen, geplaudert und ihre Nähe genossen, aber das war mir wohl erst nach dem endgültigen Abschluss unserer Reise vergönnt. Als Vater mich schließlich entließ war es schon mitten in der Nacht. Trotzdem machte ich mich noch daran, endlich das Balsam-Amulett aufzuladen, dass ich bisher sträflich vernachlässigt hatte. Und anschließend analysierte ich noch die Heiltränke, einer von mittlerer, einer von besserer Qualität, und das Pulver im Tiegelchen. Die Analyse der Heiltränke war mittlerweile eher eine Routineangelegenheit, das hatte ich ja nun schon oft genug gemacht. Mit dem Pulver verhielt es sich etwas anders. Allein das schillernde Funkeln im Licht meiner Laborlampe gab mir den ersten echten Hinweis. Und dieser wurde durch eine anschließende Geruchsbestimmung sowie die Verbrennung eines winzigen Bruchteils des Pulvers im Kalzinierofen bestätigt, welcher einen spezifisch glänzenden Rauch und ein unverwechselbares Aroma im Raum verbreitete. Kein Zweifel, irgendwie war diese Piratin an eine Dosis Regenbogenstaub gekommen. Eine der eher teuren und seltenen berauschenden Substanzen, die man schon eher der höheren Alchemie zuordnen musste. Zwar nur von mittlerer Güte, wie ich mir sicher war, aber dennoch… das hätte ich nun wahrlich nicht erwartet!
Am Ende der kurzen Nacht war ich zwar Müde ob des wenigen Schlafs der mir geblieben war, aber insgesamt dennoch recht zufrieden mit der Gesamtsituation. Wir nahmen das Frühstück zuerst gemeinsam mit meiner Familie ein, die sich aber nach und nach wegen der Tagesgeschäft absentierte, bis wir zuletzt völlig unter uns waren. Das kam nicht ungelegen, hatten wir doch noch einiges vorzubereiten und zu planen. Faramud, den Melissa zum Hüter der Schlüsselstücke auserkoren hatte, holte diese aus einem Beutel und legte sie auf den Tisch. Auf den ersten Blick wirkte es einfach wie ein wirrer Haufen Metallstücke, die keinen Zusammenhang zu haben schienen. Auch waren weder Verbindungsstellen noch Bruchkanten zu erkennen, die darauf schließen ließen wie er zusammenzusetzen sein sollte. Also machten wir uns einfach daran sie stückweise so zu gruppieren, wie es irgendwie passend schien. Aber bereits nach den ersten Stücken, die sich scheinbar zusammenfügten, keimte ein Verdacht in mir auf, der sich mit jedem weitern Teil verstärkte. Der Rest war recht einfach, nachdem ich dieser Spur folgte, die auch konsequent in meine lange gehegte Vermutung passte. Der Schlüssel war nichts anderes als das antidodekarische Symbold des Tasfarelel, der vom blutenden Pfeil durchbohrte Diamant. Zu behaupten ich wäre überrascht wäre gelogen… außer das ich etwas mehr Subtilität erwartet hätte.
Allerdings schien ich der einzige zu sein, dem die Bedeutung des Zeichens klar war – wiederum wenig überraschend, bis ich meine Gefährten aufklärte. Insbesondere Melissa war von dieser Offenbarung nur wenig angetan, passte sie doch so gar nicht in das Bild, das sie von ihrem Ahnen hatte. Nichtsdestotrotz unterwarf ich das Objekt sofort einer schnellen Untersuchung mittels Odem Arcanum, die direkt einen deutlich sichtbaren roten, chaotischen Schimmer zeigte. Die dämonische Pertuberanz des Schlüssels war für das wissende Augen offenkundig. Und seine Auswirkungen zeigten sich bereits kurz, nachdem wir die Teile zusammengefügt hatten. Mich überkam das schier unbändige Gefühl, für meinen überproportional wichtigen Anteil an dieser Expedition im Vergleich zu den Anderen deutlich zu unterproportional entlohnt zu werden – und dass, obwohl ein Übermaß an Gier sonst nicht zu meinen Eigenschaften zählte. Auch die anderen schienen ähnlich zu empfinden, wenn natürlich in ihrem Fall völlig zu Unrecht! Es begann sich bereits eine streitähnliche Diskussion anzubahnen, als ich beschloss die Teile des Schlüssels lieber sofort wieder zu trennen um sie erneut Faramuds Obhut anzuvertrauen. Das ungewöhnliche Gefühl legte sich darauf schnell wieder, aber ein schaler Beigeschmack blieb. Nun, angesichts der Domäne der ich diesen Schlüssel zuordnete hatte man mit einer solchen Einflüsterung rechnen können – und ich denke, das war der letzte Beweis den Melissa benötigte, um ihr klar zu machen, welche Gefahren auf uns lauerten.
Ich bat sie daher, da ja mit Pamina und Surina zwei unserer Begleiter erst später zu uns gestoßen waren, die über ihren Ahnen überlieferte Geschichte noch einmal zu wiederholen. Und ich erneuerte dabei meinen bereits vor Monden geäußerten Verdacht, dass dieser dem Kult Tasfarelels angehört haben mochte. Neu hinzu kam durch Melissa die Geschichte, wie ihr Ahn sein erstes Geld verdient hätte. Ihre Mutter hätte ihr erzählt, dass er sich bei seinem ersten Geschäft und fortan von einer inneren Stimme hatte leiten lassen – die genausogut eine dämonische Einflüsterung gewesen sein mochte! Ein Detail viel mir bei der ganzen Diskussion aber erstaunlicherweise auf. Während sich meine Gefährten bisher immer angstvoll verweigert hatten die Namen von Dämonen oder gar Erzdämonen in den Mund zu nehmen, während ich diese ja in der Regel frei heraus aussprach, war dies bei Tasfarelel völlig anders. Nachdem ich ihnen den Feind offenbart hatte, hielt sich eigentlich keiner dabei zurück, den Erzdämon wie beiläufig bei seinem Namen zu nennen, anstatt wie sonst in furchtsame Umschreibungen zu verfallen. Es half ihnen anscheinend, dass ich mit gutem und furchtlosem Beispiel voran ging, ihre unbegründete Angst hinter sich zu lassen! Ich konnte stolz auf mich sein!
Wir waren gerade mitten in diese Diskussion vertieft, als ich die furchtsame Stimme der Amme hörte, die nach mir rief. Augenblicke später kam sie die Treppe herunter geeilt und hinter ihr her flog eines von Nandurins Stofftieren wie ein flauschiges Wurfgeschoss. Und deswegen stellte sich das dumme Ding so an? Es war ja nicht einmal ein Messer oder etwas ähnlich Gefährliches… ich wollte gerade zu einer Schelte ansetzen, da vernahm ich vom oberen Rand der Treppe ein verräterisches Geräusch. Ich blickte hinauf und sah dort Nandurin und Ulmjescha, die sich vor Lachen am Boden kugelten. Mein erster Zorn war von diesem fröhlichen Kinderlachen wie weggeblasen – und ich verzichtete sogar darauf die Amme zu schimpfen, sondern ermahnte sie nur, sich nicht so anzustellen. Als ich erneut zu Nandurin und Ulmjescha blicke sah ich, wie mein kleiner Schatz seine geliebte Hestoth-Figur an Ulmjescha reichte. Die beiden verstanden sich offenbar glänzend! Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, hatte ich doch wie es schien bei Ulmjescha genau das richtige Gefühl gehabt. Vielleicht mochte sie ja sogar nicht nur so etwas wie Nandurins Amme, sondern sogar wie eine große Schwester für ihn zu werden. Konnte der Tag überhaupt noch besser beginnen? Ich ging die Treppe hinauf um Nandurin zu holen und in die Arme zu nehmen.
Da ich die Äxte von Thorm Thomsen als Andenken mitgenommen hatte, würden diese natürlich einen passenden Platz als Wandschmuck in meinem Zimmer benötigen – jedoch mit einer ausreichend stabilen Halterung, dass Nandurin sie nicht als Wurfgeschosse würde einsetzen können! Ich diskutierte mit Faramud, ob sie besser über dem Fenster oder der Tür zur Geltung kommen mochten und wie er die Befestigung am sichersten gestalten würde. Er meinte zwar, es wäre besser sie nicht so fest zu machen, denn dann könnte man sie ja zur Not noch gegen eindringende Attentäter verwenden, aber mal ehrlich… weder wäre ich in der Lage einen Attentäter mit der Axt abzuwehren, noch würde dies die Gefahr aufwiegen das Nandurin so ein Ding im Zorn jemand in den Schädel treiben würde. Also wurde natürlich am Ende mein Vorhaben gebilligt. Und sollte ich doch einmal eine der Äxte benötigen, die sicher mit dem Blut unzähliger unschuldiger Erschlagener getränkt waren, um sie als Paraphernalium einzusetzen, konnte ich sie immer noch von einem Handwerker wieder von der Wand nehmen lassen.
Die nächsten Schritte für den Tag sahen nun einen gemeinsamen Besuch an der Akademie zu Al’Anfa vor. Dort würde ich meinen Namen noch einmal ändern lassen, und darüber hinaus, so sie vor Ort war, die Professora Notia Botero-Montez von der naturkundlichen Fakultät aufsuchen müssen. Eine bessere Quelle über das, was uns im Dschungel erwarten würde könnten wir kaum finden. Und wenn danach noch Zeit war würde es sicher, angesichts des Feindes mit dem ich rechnete, nicht schaden vorab im Phextempel um Hilfe zu ersuchen. Das es erneut regnete als wir losgehen wollten nahmen wir eines der Transportmittel meiner Familie. Die zuerst angedachte Kutsche wurde wieder verworfen, da Melissa und Pamina unbedingt einmal eine Sänfte ausprobieren wollten. Als ich diese kommen ließ konnte ich, ob der gut gebauten Trägersklaven, die weiblichen Triebe der Beiden regelrecht in ihren Körpern durchgehen sehen. Dieser Blick… wie zwei hungrige Tigerinnen, die ihre nächste Mahlzeit vor sich hatten…
In der Akademie angekommen trennten sich zunächst unsere Wege. Während ich zunächst meine eigenen Angelegenheiten regeln wollte, sollten die anderen schon einmal vorgehen und nach der Professora sehen. Ich war überrascht als neuen Convocatus im Verwaltungsbüro einen Studienkollegen aus meinem Jahrgang von mir zu finden. Alabastus Zornbrecht war zwar, wie sein Name schon nahelegte, aus gutem Hause, aber weder so abenteuerlustig noch so weit herumgekommen wie ich – dafür schien der bebrillte Sprößling sich recht schnell in der Akademieverwaltung hochzudienen. Nachdem wir einige Höflichkeiten ausgetauscht hatten erläuterte ich ihm mein Anliegen – eine reine Formsache an und für sich. Aus meinem Namen sollte das „Lucisresistis“ lediglich gegen ein „Aureumresistis“ getauscht werden. Angesichts dessen, wen ich mir nun zum erklärten Feind erhoben habe, wäre das nur angemessen und eine klare Botschaft! Dieser Kleinkrämer Zornbrecht wollte für diesen Verwaltungsakt dann unverschämte 25 Dublonen Gebühr erheben. Lächerlich! Wir begannen zu handeln, aber am Ende bekam ich die Änderung tatsächlich kostenlos – ich würde ihn lediglich heute Abend besuchen kommen müssen – und ihn den wahren Namen Arunjoors lehren, den ich seit Fasar kannte. Nun, ein kleiner Preis in meinen Augen. Ich konnte nur hoffen, dass er dieses Wissen zu bändigen wusste und sich damit nicht selbst ins Verderben riss. Aber das sollte nicht mein Problem sein… So war es also besiegelt und ich würde mich heute Abend zur achten Stunde noch auf einen Besuch in der Villa Zornbrecht einstellen dürfen. Andererseits gab es weit schlimmere Schicksale, als in dieses Grandenhaus eingeladen zu werden… gerade solche Verbindungen durfte man in Al’Anfa nicht unterschätzen!
Nachdem dies erledigt war machte ich mich auf den Weg die anderen zu suchen. Gleich mein erster Abstecher erwies sich als erfolgreich – im Lehrsaal der naturkundlichen Fakultät, den ich schon aus meiner eigenen Studienzeit kannte, befand sich die Professora bereits im Gespräch mit meinen Gefährten. Natürlich war dieser sowohl dieser Bereich des Dschungels als auch der Stamm der Napewanha bekannt – sogar sehr gut, wie sich herausstellte. Nicht nur, dass sie uns empfahl das nötigste schon hier in Al’Anfa zu besorgen anstatt in der Handelsstation auf dem Weg nach H’Rabal wo es teurer und vielleicht nicht verfügbar war. Sie riet uns auch auf Grund der Regenzeit dringend, mit dem Boot auf dem Jalob zu fahren anstatt über Land zu gehen. Nur das der Jalob wohl derzeit auf Grund der Wassermassen ein Strom von mehreren Meilen Breite sein würde, der sich durch den Dschungel wälzte. Kundige Männer und Frauen die wussten wie ein Boot zu fahren wäre, würden wir also ebenfalls benötigten – am besten Sklaven aus der erstenGeneration. Keine Wildfänge die nur schwer zu kontrollieren waren und keine zu bequemen Haus- oder Plantagensklaven, die mit dem Dschungel nichts mehr anfangen konnten, wie sie meinte. Da würde ich Vater fragen müssen, ob er uns hier würde helfen können. Und es wäre angesichts der Spinnen und Schlangen auch unerlässlich, ein oder zwei wirkungsvolle Antidot einzupacken. Gerade das giftige Getier flüchtete sich in der Regenzeit wohl gerne einmal in ein trockenes Boot das den Fluss hinabfuhr, anstatt auf einen Baum. Die größte Überraschung erlebten wir aber, als sie uns anbot uns ihren eigenen Moha Hanato mitzugeben. Dieser würde sich wohl in der Gegend auskennen. Er hatte sie begleitet, nachdem sie bei einer ihrer eigenen Expeditionen sein Dorf besucht und kennengelernt hatte und dann ihr „Dorf“ ebenfalls sehen wollte. Das, wie er nun hatte feststellen müssen, war keine gute Idee, denn Al’Anfa als „Dorf“ schien ihn etwas zu überfordern. Man konnte ihn zwar leidlich verstehen, aber sein Garethi war bestenfalls rudimentär zu nennen. Ich würde wohl darauf abstellen, mich im mohischen mit ihm zu verständigen, wenn es erforderlich war. Erfreulich war hingegen, dass er unser Ziel zu kenen schien. Der Iok Nipakai, das „große Fels Gesicht“ oder der „Fels der Geist hat“ war ihm bekannt und seines Wissens nach für die Napewanha auch kein Tabu. Darüber hinaus erfuhren wir, dass dieses Volk auch keine Echsenmenschen mochte, was sie in Faramuds Augen direkt sympathisch machte. Als dies alles geklärt war beschlossen wir, bis alle Vorbereitungen erledigt wären, noch eine gute Woche in Al’Anfa zu bleiben. Eile hatten wir ja jetzt keine mehr…
Der nächste Weg führte uns dann in den Phextempel „Die offene Hand“, den ich mit meinem Vater schon häufig besucht hatte um Handel zu schließen. Faramud, der ein völlig anderes Bild von Phex, oder „Ferkol“ wie er ihn nannte, hatte, war überrascht, das der Tempel so offen und frei zugänglich und nicht heimlich und versteckt war. Der Tempel glich tatsächlich eher einer großen Handelshalle. Überall fanden sich die Symboliken von Fuchs und Fledermaus mit türkisenen Augen, es herrschte lebhaftes Treiben und schon am Eingang verloren wir Pamina aus dem Blick, die anscheinend ein eigenes Anliegen hatte. Faramud und Melissa spendeten großzügig an den Opferschalen um die Gunst und Aufmerksamkeit von Phex zu erregen. Dies gelang anscheinend auf Umwegen, denn als Pamina sich uns wieder anschloss, hatte sie bereits Kontakt zur örtlichen Geweihtenschaft geknüpft.
Sie führte uns zu Fuchsian, dem Bibliothekar mit dem sie wohl einen Handel geschlossen hatte. Und dieser wiederum, nachdem ich unser Anliegen vorbrachte, verwies uns an den Vogtvikar Garon Davida, zu dem er uns direkt brachte. In einer großen, reich verzierten Kammer deren Decke von einem nachgezeichneten Nachthimmel geschmückt wurde wartete ein grauhaariger Mann in grau-silberner und mit türkisen besetzter Robe auf uns. Erneut schilderte ich unser Anliegen und die von mir vermutete Gefahr, dass wir am Ziel unserer Reise mit den Dienern des Tasfarelel würden konfrontiert werden. Ich schwor, bei den Zwölfen, dass keine Lüge in seinem Haus über meine Lippen kommen würde, denn unsere Reise stand ja bereits von Anfang an unter dem Segen des Phex. Welche Dreistigkeit wäre es nun gewesen, seinen Diener hier nicht die Wahrheit zu sagen?
Unsere Geschichte schien ihn nachdenklich zu machen – wie jeder gute Phexensjünger schien er abzuwägen, welchen Gewinn er daraus ziehen mochte. Und er schien bald mit seinem Herren einig zu sein, dass sich in uns auch ihm eine gute Gelegenheit ergab. Ich hätte jetzt damit gerechnet, dass er für seine Hilfe einen exorbitanten Preis von Melissa fordern würde, aber dem war mitnichten so. Im Gegenteil! Er bot uns seine Hilfe an, wollte aber weder Gold noch Silber dafür. Jedoch das Versprechen, dass wir, sollten sich in dem Hort Heiligtümer des Herrn Phex finden die von seinem Widersacher gestohlen worden waren, wir diese ebenfalls zu Bergen und zurückzubringen hätten. Wir würden sie schon erkennen… Füchse, Mungos, Fleermäuse, Elstern, Sterne, Sternbilder oder nachtblaue Wandteppiche. Diesen Preis waren wir alle gern bereit zu zahlen!
Am liebsten wäre es ihm, wenn wir, nach dem Motto „Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Phex“ die Probleme selbst lösen würden. Der Listige siegt, ein Raub ohne jemandem zu Schaden, wie er mit Verweis auf die Sterne und Kinder Phexens am Nachthimmel zeigte. Aber sollte dies in Tasfarelels Hort nicht möglich sein, so würde er zumindest dafür sorge tragen, dass unsere Waffen mit dem Sternenglanz-Segen des Phex belegt wären, damit wir uns unserer Haut erwehren könnten. Wir müssten nur den Versuchungen widerstehen, und uns Phexens würdig erweisen. Dies entsprach in etwa dem, was ich mir vor dem Besuch des Tempels erhofft hatte – aber während alle anderen ihre Waffen würden Segnen lassen – bis auf Sari, die weder Anwesend noch Zwölfgöttergläubig war – verzichtete ich auf den Segen. Zum einen hätte dies auf meinem Stab eh nichts gebracht. Zum anderen würde einer von uns den verfluchten Schlüssel zusammensetzen und nutzen müssen. Und diese Gefahr gedachte ich auf mich zu nehmen, damit keiner meiner gesegneten Gefährten in Gefahr geriet, den Einflüsterungen Tasfarelels zu erliegen und seinen Segen aufs Spiel zu setzen.
Ich bedankte mich, meinen vollen neuen Namen benutzend, bei dem Vogtvikar. Dieser sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Genau die richtige Konnotation in meinen Namen hineininterpretierend, die Namenswahl war ja auch wenig subtil, gab er mir den Hinweis, dass auch Tasfarelel den Namenlosen, den Güldenen Gott, insbesondere unter den Zwölf Erzdämonen nicht mochte. Mein stets rasender Geist verknüpfte sofort diese Eröffnung mit dem bisher gehörten und meinem eigenen Wissen. Mochte es aus dieser Feindschaft heraus sein, dass Tasfarelel seine Diener, so wie er Kultobjekte der Phexkirche stahl, sich auch geweihte Objekte des Namenlosen unter den Nagel riss? Das würde passen… ein verschollenes Szepter des Goldenen in diesem Schatz machte vor diesem Hintergrund auf einmal einen ganz neuen Sinn… oh, wie würde ich diese gesichtslosen Knechte leiden lassen, wenn ich Erfolg hatte! Wozu auch immer dieses Szepter diente… ich würde es gegen sie wenden bis von ihnen nur noch Aschehäufchen übrig wären!
Nachdem der Handel besiegelt war vereinbarten wir, die zu segnenden Waffen 3 Tage vor unserer Abreise in den Tempel zu bringen, damit die Priester ihr Werk verrichten konnten. Auf dem Rückweg zum Haus meiner Familie ließ ich Pamina noch die Zutaten für ein halbes Dutzend Heiltränke besorgen. Es war recht amüsant zu sehen, wie sie sich mit dem Händler mühte, aber der Erfolg gab ihr am Ende recht. Es schien ihr sogar richtig Spaß gemacht zu haben in dieser Scharade einer Preisverhandlung verbal mit ihm zu ringen. Aber sie machte dabei eindeutig Fortschritte, denn der Preis den sie aushandelte konnte man als gut angemessen bezeichnen! Mit den Ingredienzien im Gepäck machten wir uns dann endgültig auf zurück. Ich hatte den Nachmittag über nun genug zu tun auf meinem Zimmer, wollte ich bis zu meiner abendlichen Verabredung mit allen Vorbereitungen und Verarbeitungen fertig sein. Aber auch ich freute mich schon darauf, endlich einmal wieder mein kleines Laboratorium aus der Kiste holen zu können!