Tagebuch von Marnek Espenhain
Unter Goblins

Das Wetter an der Küste war naturgemäß deutlich milder als im Hinterland. Entsprechend war die Reise auf der Küstenstraße auch ein Honigschlecken, zumindest gefühlt für mich auf meiner treuen Gosha, während die anderen ja immer noch zu Fuß unterwegs waren. Melham begann regelrecht anhänglich zu werden. Er biederte sich so lange als Wildhüter für mein Schloss an, obwohl ich ja gar keinen brauchte, bis ich schließlich entnervt zustimmte. Sollte er doch bleiben und mit dem Wild machen was er wollte! Zumindest würde dann wohl öfter einmal frisches Fleisch auf den Tisch kommen, ich selber konnte mit der Schleuder ja im besten Fall, und das auch nur mit viel Glück, mal einen Hasen erlegen. Also was solls... vermutlich fühlt er sich in der Einöde bei mir und den Goblins mit seiner Visage sowieso wohler, als unter anderen Menschen. Manchmal bedauerte ich diesen von Rahja verlassenen Tropf ja sogar.

Als wir nach Festum kamen und ich die Farben besorgt hatte, machten sich am Hafen einige Städter einen Spaß daraus, einer bedauernswerten Gestalt, die dort im Wasser herumplatschte, beim Ertrinken zuzusehen. Ein Goblin, einem Menschen hätten sie wohl geholfen, johlten sie zu und feuerten ihn an, machten aber keine Anstalten dem armen Kerl zu helfen, obwohl er nur wenige Schritt vom Kai im Wasser war. Melham sprang beherzt ins Wasser um zu helfen. Das zeigte wieder einmal zwei Dinge. Erstens: Trotz seines Aussehens hatte er im Grunde ein gutes Herz. Und zweitens: Denken war nicht so seins – dem Goblin ein Seil zuzuwerfen hätte vermutlich völlig gereicht... aber egal. Das Ergebnis zählte, und das war positiv. Der gerettete Goblin machte sich in windeseile aus dem Staub und die Städter waren beleidigt, das wir ihr Vergnügen unterbrochen hatten, bis wir sie scharf zurecht wiesen und sich die Meute dann zerstreute.

Ein großer blonder Mann mit Rauschebart war dabei anscheinend auf uns aufmerksam geworden, der sich als  Waladur Ragnarson aus Thorwal vorstellte und uns zum Trinken in eine nahe Spelunke, den „Rettenden Hafen“ einlud. Da sagten wir natürlich nicht nein. Er schien sogar meinen alten Freund Aknarson zu kennen, ich mochte es kaum glauben. Der Rondrianer schien in seiner Heimat mittlerweile so etwas wie eine Berühmtheit zu sein. Wir waren gerade erst beim zweiten oder dritten Glas, als mich ein Goblin in einer speckigen Schafffellweste am Gewand zupfte. Er brachte uns eine Einladung und wir sollten ihm doch dringend folgen und zu Mantka'riba mitkommen, wer immer das auch sein mochte. Nachdem wir ausgetrunken hatten gingen wir mit, ich war Neugierig, was uns der Vorfall am Nachmittag jetzt wieder einbringen mochte.

Im Gerberviertel, das den obligatorischen die Nasen beleidigenden Gestank verbreitete, kamen wir an ein gutbürgerliches Haus, das aus der Umgebung herausstach weil es viel zu gut für diese Gegend war und eine recht niedrige Tür hatte. Innen war es behaglich eingerichtet, ja die Pelze vor dem Kamin wirkten regelrecht edel. Auf einem Schwarzbärpelz schien eine alte Goblinfrau Hof zu halten, die uns zu sich winkte. Anscheinend war unsere Tat in der Gemeinschaft der Goblins positiv aufgefallen und irgendwie ging sie jetzt davon aus, dass wir ihr auch bei einer anderen Sache helfen würden. Mich wunderte es nicht, sie war wohl nicht nur so etwas wie die Anführerin der Festumer Goblins, sondern auch eine Schamanin die nicht nur meine Goblins auf Strobanoff kannte, sondern sogar Argaal. Sie war wohl selbst so etwas wie eine Hüterin des Landes, ähnlich wie ich, worüber wir kurz philosophierten, auch wenn ich nicht alles Verstand, was sie von sich gab. Das wichtige war aber, das wir mit einer ihrer Schülerinnen und Argaal ins Eherne Schwert ziehen sollten wo eine Grotte des Nagrach von Goblins gehütet wurde. Böße, in ihren Worten „graue“ Menschen wären auf dem Weg um dort das Böse zu befreien, weswegen sie Ruckuuka schicken wollte, um den Stamm dort zu warnen. Argaal und wir sollten das Goblinmädchen auf dem Weg begleiten und Beschützen.

Dabei gab es aber zwei Dinge zu beachten, die es uns nicht leichter machen würden. Zum einen waren diese bösen Menschen wohl schon auf dem Weg und somit vor uns, wir würden ihnen also nur folgen können. Und zum anderen war der Aufstieg in die Berge wohl alles andere als ungefährlich. Es galt in jedem Fall zu verhindern, das jemand, auch wir nicht, die verfluchte Grotte beträte. Wir sollten auch nicht auf das Flüstern hören, falls uns Stimmen locken sollten. Dann erzählte sie irgendwelche Goblin-Geschichten über Mailam Rekdai, ihre Tochter Mitrida die von Nagrach erschlagen wurde, die Tränen der Muttersau, das Blut der Giganten und die Sichelgebirge. Von dem Aberglauben verstand ich wieder nur die Hälfte. Ich machte mir da eher über die praktischen Gefahren Gedanken, denn der Weg hinauf in die Gletscher war wohl eine Reise in eine eisige Hölle. Es würde jedenfalls keine Vergnügungsreise werden. Aber wenn Goblins den Weg gehen konnten... wie schwer konnte es am Ende schon sein?

Nachdem wir entlassen waren gingen wir lieber zurück in die Spelunke zu unserem thorwalschen Freund um den Abend zünftig ausklingen zulassen, bevor wir schon am nächsten Tag aufbrechen sollten. Ich hatte eigentlich alles was für einen längeren Aufenthalt in Eis und Schnee für mich nötig war, nur ein paar Schneeschuhe für den Gletscher besorgte ich mir noch. Melham musste etwas mehr einkaufen, solche Sachen wie Eispickel, Kletterzeug und ähnliches. Ich frage mich sowieso, wie es der Südländer in der Kälte aushalten würde, aber das war sein Problem. Für die kommende Reise legte ich meine schwarzen Kleider an, bevor wir uns außerhalb des Neersander Tors mit Argaal und der Goblinin trafen. Ich freute mich richtig, den kleinen Stinker wiederzusehen! Die Goblinin in seiner Begleitung, deren Autorität er wie immer nicht anerkannte, war eine Überraschung, denn sie trug ein Leinenkleid und einen großen Rucksack. Also ging es den Weg zurück, den wir gerade erst gekommen waren... allerdings gingen wir nicht ganz die Küstenstraße entlang bis nach Neersand, sondern über Rivilauken. Die Goblinin Rukuuka wusste wohl, das sie außerhalb Festums bei den Menschen nicht gern gesehen war und versprach sich im kleineren Rivilauken wohl weniger Ärger als in Neersand.

Dort angekommen machten wir, nicht zuletzt wegen unserer kürzlich zum Widerorden geknüpften Verbindungen recht gute Erfahrungen, weil nur Melham mit mir ins Dorf ging und die Goblins im Wald zurück blieben. Für die weitere Reise stellte ich mein Pferd bei einem Bauern für 5 Groschen unter und in der Taverne fragten wir beim Abendessen nach einer Bootspassage flussaufwärts. Das Glück war uns Hold, denn morgen sollte die Walserritze wieder vorbei kommen. Da wir den Kapitän ja kannten düfte es so am wenigsten Probleme geben. Auch unsere Frage nach einer größeren Gruppe in schwarzer Kleidung wurde beantwortet. Bedrohliche Gestalten, etwa drei Hand voll, der Anführer groß mit Augenklappe und einem stechenden Blick seien vor etwa sechs Tagen hier durchgekommen. Der Anführer hörte auf den Namen Gerstacker oder Gerstbach Tranzig oder etwas ähnliches, sicher ein Sewerier. Nun, der Spur einer solchen Horde war zumindest nicht schwer zu folgen...

Am nächsten Tag bedurfte es etwas guten Zuredens beim Kapitän, und ich bin mir sicher ohne das er uns gekannt hätte, hätte er die Goblins sicher nicht mitgenommen sondern eher ins Wasser geworfen. Aber Rukuuka bezahlte für die Passage für uns alle bis Walserwacht 25 Groschen ohne mit der Wimper zu zucken, bevor es dann aber wiederrum erst am nächsten Tag losging, so dass wir einen weiteren Tag verloren. Andererseits... wie schnell konnten die Gerüsteten schon in den Bergen vorwärts kommen? Wir würden sie sicher irgendwann einholen, falls wir das überhaupt wollten.

Als wir losfuhren fiel mir direkt auf, dass der Walsach nun deutlich schmaler war als zuletzt – anscheinend ließ das Schmelzwasser aus den Bergen langsam nach. Während der Fahrt passierte nicht viel. Fünf Tage bis Brinbaum, dann weitere fünf bis Walserwacht, einem kleinen Dorf mit Holzpalisade und Burg. Immer wenn wir fragten schien der Vorsprung der Verfolgten in etwa gleich zu bleiben, aber das war ja kein Wunder – die Flusskähne waren ja alle ähnlich schnell unterwegs. In Walserwacht kaufte ich dann doch noch, etwas überteuert, einen weiteren Satz lange Unterwäsche, warme Handschuhe und Essen für 10 Tage sowie etwas Kohle. So schwer war mein Rucksack schon lange nicht mehr gewesen.  Dann fuhren wir weiter bis zur Mündung des Nagrach, der aber jetzt nr noch ein schmales Rinnsaal in einem breiten Schuttbett war.

Wir folgten dem verfluchten Fluss einen Trampelpfad hinauf. Trotz des Sommers wirkte die Sonne hier manchmal fahl und kraftlos und die Vögel waren ungewöhnlich stumm. Nach einer Übernachtung im freien erreichten wir am nächsten Tag ein unwirkliches Kaff namens Nagrakskoje. Vier Schläger nahmen uns in Empfang und wir konnten zu völlig überzogenen Preisen im örtlichen Gasthaus, dem „schiefen Füllhorn“ Essen und übernachten. Mit dem Gold das wir hierfür zahlen mussten war aber wohl auch eine einigermaßen ungestörte nacht abgegolten, was vermutlich nicht selbstverständlich war. Zumindest hielten wir vorsichtshalber auch im Schlafsaal wache und ich vertrieb nachts einmal jemand, der vor der Tür herumschlich. Immerhin erfuhren wir, dass die von uns Verfolgten vor 9 Tagen hier durchgekommen waren, einen der Dörfler erschlagen hatten weil sie nicht zahlen wollten, und seltsame Hautbilder mit einem purpurnen Kreis umgeben von 13 Punkten  trugen. Das war, auch wenn diese Information noch einmal unverschämt teuer war, zumindest aufschlussreich. Sie hatten auch 2 Jäger dabei und eine recht große Menge an Trockenfleisch für den Weg durch dir Berge. Ich freute mich schon darauf, es dem Gesindel zu zeigen!

Als wir am nächsten morgen los gehen wollten war Melham auf einmal für eine Stunde verschwunden und erklärte uns das er im Tannenwald erfolglos Kräuter suchen war. Als würden sich seine südländischen Kräuter hier irgendwo am Rande der Welt finden lassen... aber immerhin waren wir direkt abmarschbereit. Rukuuka führt uns ostwärts aus Nagrakskoje hinaus auf einen Trampelpfad. Irgendwie war es faszinierend zu sehen, dass sie einfach so einen Weg wählte, den sie vorher nur einmal in ihren Träumen begangen hatten. Es ging noch leicht, aber beständig bergauf. Zunächst gingen wir am Nagrach entlang, ein eher angenehmes wandern als eine anstrengende Tour. Für die anderen war es vielleicht unerheblich, aber mir war der heutige Tag sehr bewusst. Heute war Sommersonnwende, der längste Tag des Jahres war gerade angebrochen. Daheim hätte ich heute sicher eine kleine Feier zu ehren Sumus abgehalten. Und trotzdem war es hier am Fluss unheimlich kalt, nur der Marsch wärmte uns auf. Das Herbeirufen eines Elementaren Geistes dürfte hier nicht gerade einfach sein, ein unheiliger Einfluss ließ sich fast körperlich spüren, wenn man ein wenig sensibel dafür war.

Mit der Zeit wurde der Pfad immer schmaler und weniger ausgetreten. Wir waren vielleicht nicht die ersten die hier gingen, aber heute oder diese Woche vermutlich die einzigen. Aber wen wundert es? Hier ging es ja an sich nur ins nirgendwo. Vermutlich wollten nicht einmal Zwerge hier draußen nach Erzen suchen. Rukuuka führt uns immer weiter zielsicher gen Ost und Nordost, dabei pflückte sie beständig Beeren auf dem Weg und gab uns zu Mittag auch etwas von ihren Funden ab. Hätten wir die beiden Goblins nicht dabei gehabt, es hätte auch ein gewöhnlicher Spaziergang in der Einöde sein können. Ob es hier draußen wohl irgendwo andere Druiden gab? Hier war man so ungestört von allen anderen Menschen, wundern würde es mich nicht. Aber natürlich bekamen wir keinen zu Gesicht. Wenn man sich hierher zurückzog um ungestört zu sein würde man auch solchen Gruppen wie die unsere einfach ungesehen vorbei ziehen lassen...

Am Nachmittag wurde es merklich kühler, als würden wir in einem kalten Lufthauch stehen. Rukuuka fragte uns wo wir lagern sollten und Argal suchte einen passenden Platz während Melham direkt auf Jagd ging und Rukuuka noch einmal nach Beeren und wurzeln suchte. Das sollten für die nächsten Tage zu einem bewährten Ablauf werden. Wir fanden eine kleine Höhle nur wenige Dutzend Schritt vom Pfad entfernt wo eine Rehspur vorbei führte, versteckt hinter einer Brombeerhecke. Das Essen trugen wir zusammen und hatten genug für alle. Etwas Hase, Wurzeln und Beeren ergaben eine richtige Mahlzeit. Und sollte es so bleiben war mir recht wenig bange für die nächsten Tage. Dann teilten wir noch Wachen ein und gingen zur Ruhe.

In der Nacht wachte ich auf. Über mir war der Himmel aus dem etwas großes auf mich niederstieß. Ich rollte mich instinktiv weg, aber zu langsam! Ich fand keine Deckung. Dann wachte ich wirklich auf und der Kopf tat mir weh, ich hatte ihn mir wohl gestoßen. Es war dunkel um mich in der Höhle. Der 28. Ingerimm 1028 BF es war eine fast tote Mada, so dass es auch draußen stockdunkel war. Nur die normalen Waldgeräusche, wenn auch gedämpfter als auf Strobanoff oder im Bornwald waren zu hören. Eine heimelige Gegend war es nicht, durch die wie gerade gingen.

Praios ging sehr früh auf, und wir standen deswegen auch bald auf um Weg auf die Grauen Menschen aufzuholen. Ich fragte Rukuuka, ob sie die körperlose Reisen ausführen konnte, damit wir zusammen den Verfolgten hinterher spähen könnten. Sie bejahte das,  wollte es aber nicht hier, sondern eher morgen oder übermorgen versuchen – worüber wir, soviel sei vorweg genommen, dann auch wieder hinwegkamen.

Wir hatten alle den Eindruck, als würden wir beobachtet, als wir am Flussufer entlang gingen, insbesondere Argal schien sich bedrückt zu fühlen. Aber wir sahen niemand außer uns weit und breit. Zum Glück  ging es nur noch bis morgen Mittag am Fluss entlang. Irgendwie wurde der Fluss aber nicht schmaler, selbst als wir immer weiter hinauf gingen obwohl ich kaum Zuflüsse auf dem Weg bemerkte. Alles an diesem Wasser wirkte irgendwie unnatürlich und seltsam. Am frühen Nachmittag beendeten wir die Wanderung wieder um zu Lagern und Essen zu besorgen. Heute fanden wir Platz im Wurzelteller einer umgefallenen Tanne.

In der Nacht fühlte ich mich wieder unruhig, als wäre ich nicht alleine und träumte erneut schlecht, was für mich ungewöhnlich war. Ich war eine kleine Maus die über den Boden huschte und gefangen war. Krallen packten mich von oben, in den Klauen erstarrte ich zu Eis. Die Andere wälzten sich während meiner Wache auch herum, sie schienen alle schlecht zu träumen. Wir brachen wieder früh auf, um vom Fluss wegzukommen, noch eine Nacht wollte keiner von uns an diesen Ufern übernachten müssen. Es war aber erst am späten Vormittag, als wir endlich nach Norden abbogen, weg vom Fluss.

Endlich hatten wir auch wieder den Kopf frei um auch an andere Dinge zu denken. Ich erkannte frische triebe am Gebüsch in das wir abbogen, hier war vor einiger Zeit wohl eine größere Gruppe Menschen achtlos durchgetobt. Ich hieß Melham und Argaal auf Fährten zu achten, aber vermutlich war das überflüssig, wenn Rukuuka meinte der Weg würde schon stimmen. Das Gefühl beobachtet zu werden und die schlechten Träume bleiben am Fluss hinter uns zurück. Ich fragte Rukuuka wie lange wir ihrer Meinung nach von hier aus noch zu gehen hätten. Mehr als zwei Dutzend Tage war die etwas entmutigende Antwort. Sie meinte, wir sollten an der Waldgrenze noch einmal jagen, bevor es in die Steine ginge, um die Vorräte ein letztes mal aufzufüllen was natürlich ein guter Hinweis war. Die nächsten Tage ging es einfach konstant aufwärts, auch wenn der Weg noch gut gangbar war für jemand der es gewohnt war abseits von Straßen zu laufen.

Als sich vor uns der Tannwald einige Tage später öffnete sahen wir eine steile Schutthalde, die zu einem Pass hinauf führte. Morgen sollte es also über den ersten Pass gehen. Melham legte sich daher an einem Tümpel auf die lauer und erlegte tatsächlich ein kleines Wildschwein. Was wir nicht wussten war, das dieses Fleisch einige Zeit das beste Fleisch sein sollte, das es geben würde.

Der Aufstieg dauerte nur etwa ein halbes Stundenglas. Hinter dem Grat sahen wir die hohen Berge vor uns aufragen, hinter uns lagen die bewaldeten Hügel. Die majestätischen Bergreihen verschlugen mir regelrecht die Sprache. Ich meine, die Geschichten über das unbezwingbare Eherne Schwert kannte ich alle, aber es war noch einmal etwas ganz anderes, wie ein Winzling im Schatten dieser Giganten zu stehen. Im Tal hinter dem Pass wuchsen noch kleinere Tannenbäume, Föhren, Latschen und mickrige Kiefern. Eine tiefe Schlucht schien quer zu unserem Weg zu liegen. Aber die Anderen vor uns waren ja auch irgendwie hinüber gekommen.

Rukuuka ging bis zur Schlucht und blieb an einem Baumstumpf stehen. Leider war der Baum anscheinend auf die andere Seite gezogen worden. Der Spalt war etwa 6 Schritt breit und sicher über 10 tief. Und wir hatten nur ein kleines Beil  für Feuerholz. Einen Baum auf unserer Seite fällen würde ewig dauern. Dann würden wir es wohl etwas riskanter machen müssen. Zum Glück hatte Melham einen Wurfhaken dabei den Argal hinüberschleuderte und es schaffte, den drüben ordentlich zu fixieren. Der Haken steckte fest an einem Baum.

Wir knoteten das Seil auf unserer Seite höher im nächsten Baum fest, um eine Seilrutsche zu bekommen. Argal ging zuerst und kam gut rüber. Ich schmierte die Unterseite meines Gürtels mit Lederfett ein und flutsche dann entspannt ebenfalls hinüber. Rukuuka kletterte mehr als zu rutschen, aber es sah sehr gekonnt aus. Der Letzte war Melham, der am Gürtel seinen Rucksack rüber schickte, dann das Seil losmachte, sich selbst fest band um damit dann herüber zu springen. Argal rannte mit dem Seil nach hinten als er lossprointete um seinen möglichen Fallweg zu verkürzen. Ich blieb stehen um zuzupacken, falls er in die Wand einschlagen würde, wovon ich ausging. 6 Schritt übersprang man nicht einfach einmal so!

Melham sprant elegant, aber natürlich zu kurz. Ich griff das Seil rechtzeitig und ausreichend kräftig, um seinen Sturz zu dämpfen.  Nur Argal war anscheinend etwas zu langsam, aber nicht so viel, das Melham tief in die Schlucht gefallen wäre. Der einschlag in die Wand der Schlucht war zwar dumpf, aber er konnte sich sogar mit dem Oberkörper dann selbst über den Rand ziehen. Das lief besser als ich es erwartet hätte.

Der Waldbestand wurde langsam weniger, nur noch kleine Föhren die im eisigen Wind von oben gebeugt dastanden. Bald dürfte uns das Feuerholz das man am Wegrand sammeln konnte ausgehen. Das gehen wurde ebenfalls mühsamer, auch wenn es noch recht normal bergauf ging. Wir schienen den Anderen konstant zu folgen, immer wieder sahen wir abgeknickte Zweige und Spuren, die noch nicht wieder zugewachsen waren.

Am Abend des nächsten Tages blieben die letzten Föhren hinter uns zurück. Von hier an gab es noch Blumenwiesen und Grasmatten, aber keine Bäume mehr. Rukuuka meint, Nakarachti, das Böse, das die Kinder der Goblins vergiftet hatte, sei begraben unter dem höchsten der Berge, also wirklich mitten im Gebirge.  Dimitridai sei die Gelbe Gigantin, heute eines der Sichelgebirge, die die vielleibige Bestie begraben hat im Kampf des Namenlosen gegen die Götter. Irgendwie wusste ich doch viel zu wenig über die Geschichten der Goblins, um ihr völlig folgen zu können.

Durch den Hochsommer blühten viele bunte Blumen in den prächtigsten Farben. Ich fing an welche zu sammeln, einfach weil sie mir gefielen. Enzian, Eisenhut und anderes mehr. Daheim hätte ich mir einen schönen Trockenstrauß für den Winter daraus gebunden. In der Ferne  sah ich eine kleine Trübung in der Luft. Argal meinte sogar Brandgeruch zu riechen. Es könnte Rauch hinter dem nächsten Grad sein, also stiegen wir weiter auf um nachzusehen.

Oben angekommen sahen wir eine Senke, eher kleines Tal. Es ging steil runter und wir blickten überraschend auf Steindächer, aus denen der Rauch kam. Tief unter uns, sicher mehrere hundert Schritt, war ein richtiges kleines Dorf in dem winzige Gestalten herumliefen. An den Hängen weideten Schafe. Wir mussten aber den Grat entlang in die andere Richtung. Der Abstieg und wieder rauf wäre, so sehr es mich interessiert hätte, zu umständlich und zu lange, daher gingen wir weiter. Aber für den Rückweg merkten wir uns das Dorf als eine mögliche Raststation auf dem Heimweg!

Auch das letzte Gras ging langsam in Moos über und es gab fast nur noch blanken Fels. Nur weit unter uns waren noch Wiesen zu sehen. Morgen würden wir ein letztes mal jagen. Die Luft wurde immer dünner. Ich schlief tief und fest, sicher wegen der Anstrengung, aber die Wache fiel mir schwer. Melham  jagte direkt am morgen nochmal und schaffte gerade genug für zwei knapp bemessene Tage heran, nachdem wir die Beute erst einmal geborgen hatten, daher kamen wir erst am Nachmittag weiter. Der Wind hier oben war mittlerweile eisig.  Von hier ab ging es fast nur noch von einem Pass zum nächsten und von Bergkuppe zu Bergkuppe, unterbrochen nur hin und wieder von zerklüfteten, unwirklichen Hochebenen die sich immer wieder vor uns erstreckten .

Wir kamen gefühlt nur langsam voran, und jeder Tag wurde mühseliger. Auch Rukuuka fand nicht immer auf Anhieb den richtigen Weg, manchmal mussten wir auch umkehren und einen neuen Weg suchen. Irgendwann zog dicker Nebel auf und hüllte uns ein, was das Vorankommen noch schwerer machte. Oder waren wir schon in den Wolken? Hier war alles nur noch grau, es wirkte wie eine Wüste aus Steinen. Gelegentlich griffen wir jetzt auf die mitgenommene Feuerholzvorräte zurück, aber nur sparsam und nur zum kochen und schliefen jetzt nur noch im Schlafsack.

Wir konnten gar nicht mehr wirklich sagen wie wir voran kamen, was sehr deprimierend war. Manchmal war ein leises Poltern in der Ferne zu hören. Es war, als wären wir wie in unserer eigenen Welt. So ging es noch mehrere Tage. Bis wir über einen Pass aus dem Nebel und in grelles Licht traten, das uns blendete. Ich setzte die Kristallbrille auf. Wir befanden uns am Fuße einer Eisfläche, die vereiste Berge vor uns und ein Meer aus Wolken hinter uns. Diesen Anblick werde ich sicher nie wieder vergessen, eine so erhabene Majestät habe ich noch nie gesehen. Das Gefühl der eigenen Bedeutungslosigkeit war regelrecht erdrückend.

Rukuuka meinte, jetzt begänne erst der schwere Teil. Zwischen zwei Bergspitzen durch sollten wir durchs Eis entlang klettern. Über mir sah ich einen Punkt am Himmel, oder sogar zwei? Als ich nach oben winken wollte, das Leben begrüßen, hielt mich Rukuuka fest und wollte sich unter einem Fels verstecken. Der Speiseplan ab jetzt würde etwas einseitig werden, wir fingen an das Dörrfleisch zu essen, das zwar gut aber recht salzig schmeckte.

Nachts wurde es endgültig bitterkalt, so dass nun alle die dicksten Sachen anzogen, die wir dabei hatten. Melham sah aus wie eine ausgestopfte Puppe auf Beinen. Argal in seinem Mantel wirkte dagegen recht dünn angezogen, schien aber trotzdem keine Probleme zu haben, ähnlich wie Rukuuka. Vermutlich das Fell der Goblins, das sie auf natürliche Art wärmte.

Am nächsten Tag ging es hinauf auf den Gletscher, der Wind pfiff uns eisig entgegen. Die Goblins kletterten vor und kamen gut zurecht, ich und Melham taten sich deutlich schwerer. Ich handelte mir einige blaue Flecken beim Aufstieg ein. Die glitzernde schräge Eisfläche vor uns, die wie ein rießiger weißer Spiegel wirkte, würde mich wahrscheinlich blind machen ohne meine Brille. Rukuuka schien sich des Weges aber sicher, immer weiter den Gletscher hinauf. Da es aber kein tiefer Schnee sondern eher eine gefrorene Eisfläche war, rutschten wir immer wieder ab und seilten uns dann zur Sicherheit an.

Einmal stürzte Argaal fast in eine Gletscherspalte, die wir gerade noch rechtzeitig erkannten und dann umständlich umgehen mussten. Rukuuka meinte, wir müssten die nächsten Tage auf dem Eis übernachten, was keine schöne Aussicht war.

Kurz vor dem Nachtlager  sah ich zwei Schatten, die über uns am Himmel flogen und anscheinend auf uns zuhielten, Vögel die immer größer wurden. Sie brausten in 10 Schritt Höhe über uns, und liesen etwas fallen. Ich war überrascht, als mich ein Stein traf. Melham meinte, das wären Riesenalken. Im zweiten Anflug stellten Melham und ich uns den Biestern, das Abendessen wollte gesichert werden! Auch Melham wurde von einem Stein getroffen, jagte seinen Pfeil aber einem der Alken rein. Mit dem Nachschuss holte er ihn dann endgültig vom Himmel. Das musste ich ihm lassen, mit seinem Bogen konnte er umgehen!

 

 

Den Alken schleiften wir in die Abenddämmerung und Dunkelheit Richtung einer Felsnadel, die wir als Lager auserkoren hatten. Ich hörte auf der Rückseite der Felsnadel etwas kratzen und krähen. Wahrscheinlich war das Nest des verbliebenen Riesenalken dort zu finden. Argal schlich sich an und berichtete von einem Horst in etwa 5 Schritt Höhe. Den würden wir uns als zusätzlichen Proviant nicht entgehen lassen! Ich musste zwar mit einem FlimFlam und etwas Licht aushelfen, weil es da oben nicht vorwärts gehen wollte, aber am Ende war der Vogel kein Gegner für uns. Auch das Nest, erstaunlicherweise aus Holz, würde uns als Brennmaterial dienen um die beiden Alken zu grillen. Sie schmeckten, zugegebenermaßen ziemlich eklig, aber machten satt. Aus den Überresten des Nests fielen diverse Knochen. Innen war es ausgepolstert mit glatt bearbeitetem, gekürschnertem  Leder, vielleicht Kinderkleidung? Melham meinte aber, die Knochen wären nicht von einem Kind, sondern eher von einem kurzen stämmigen Humanoiden, vielleicht einem Zwerg. In den Überresten fand er außedem Metallhaken und einen Faustgroßen tropfenförmigen klaren sehr ungewöhnlichen Bergkristall. Im Licht des Feuers sah glatt und gewachsen aus, aber Magie konnte ich mit einem Odem Arcanum an ihm nicht feststellen. Das Feuer machten wir im Kessel gemacht, damit es nicht im Wasser des Gletschers ausgehen konnte, das Fleisch wurde darüber  in Melhams Pfanne angebraten. Es war eine vergleichsweise erholsame Nacht. Nur bei der Wache außerhalb des Lagers merkte man schnell, wie niederhöllisch kalt es in der Dunkelheit war.

Der nächste Morgen begrüßt uns mit heller Sonne, so als könnte er meine gute Laune spüren. Argal meckerte wieder einmal herum, als wir mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen losziehen wollten.  Er hatte ja eigentlich recht… aber ich war für die letzten Tage ungewohnt euphorisch als wir die Gletscherzunge querten. In der Mitte änderten wir die Richtung nach links und gingen dann bergauf weiter. Hier mussten wir auch die Schneeschuhe nehmen, um ohne größere Probleme vorwärts zu kommen, auch wenn ich immer noch bis zum Knie einsank, so dass der Weg jetzt sehr anstrengend wurde. Ich bekam auch immer weniger Luft und fühlte mich kurzatmig wie ein keuchender alter Greis. Auf dem nächsten Grad ging es aber zum Glück deutlich weniger mühsam weiter. So wurde es schnell wieder Abend. Außer dem Wind hatte uns die ganze Zeit nur Stille begleitet. Am Ende einer Gletscherspalte fanden wir eine Mulde, aus der wir den Schnee raus schaufelten und die als halbwegs windgeschütztes Lager diente. Der Wind frischte auf und pfiff uns eisig um die Ohren, weswegen wir die letzten Holzreste verfeuerten. Trotzdem war die Nacht ist eisig und anstrengend.

Ich möchte es hier nur einmal festgehalten haben, kalter Riesenalk zum Frühstück schmeckt scheiße! Aber um Brennstoff zu sparen, wir hatten jetzt nur noch Kohle, machten wir noch kein neues Feuer am morgen. Die Sonne war heute weniger klar als gestern. Melham erwartete für heute wechselhaftes Wetter oder Schnee und er hatte recht. Gegen Mittag schossen Wolken über die Gipfel vor und über uns, es wurde kälter und windiger, als würde man sich Firun selbst entgegen stemmen. Wir suchten uns wieder einen halbwegs geschützten Platz den wir notdürftig herrichteten, um etwas Wetterschutz zu haben. Im Lager war es ausreichend warm um nicht zu tote zu frieren und das Wetter endete so schnell wie es begonnen hatte. Draußen blickten wir auf eine frisch verschneite Landschaft, als die Sonne am Nachmittag schon schräg stand. Weitergehen hätte sich nun einfach nicht mehr gelohnt, so blieben wir am Lagerplatz um Kraft für Morgen zu sparen. Wieder schlief ich nicht besonders gut.

Am nächsten Tag ging es immer weiter bergauf bis zu einem Pass und danach in eine Eisschlucht. Mühsahm kämpften wir uns durch ein Eislabyrinth, das wir am Abend erst wieder verließen. Ohne Rukuuka hätten wir den Ausgang vermutlich gar nicht gefunden. Ich fragte mich, wie die Menschen vor uns in der Lage waren diesen Weg zu finden! Dann standen wir vor einer Eiswand, von der Rukuuka meinte, die müssten wir morgen ersteigen. Keine gut Idee wie ich fand… Bis Melham im letzten Tageslicht einen Pfad zu erkennen meinte und diese Vermutung nach einer kurzen Kletterpartie bestätigte. Argal fühlte sich derweil beobachtet. Ich erkannte am oberen Ende der Eiswand einen winzigen dunklen Umriss, der aber schnell wieder verschwand. Sollten wir die Menschen vor uns vielleicht doch endlich eingeholt haben? Zur Sicherheit suchten wir unter einem Überhang ein Lager, das von oben nicht mit Fels oder Eis beworfen werden konnte.

Am nächsten morgen machten wir uns an den Aufstieg, auch wenn ich wegen der dünnen Luft kaum richtig erholt war. Melham ging vor um Rukuuka zu beschützen. Es war lausig kalt und hatte wieder zu schneien begonnen. Der Einstieg in die Eiswand war relativ leicht, weil Melham einen Haken in die Wand geschlagen und ein Seil befestigt hatte. Aber den Pfad zu finden war nicht einfach. Als wir ihn endlich entdeckt hatten war es ein Weg der sich im Zickzack steil nach oben wand. Es dauerte den ganzen Vormittag, bis wir endlich oben waren. Vor uns lag ein kleines Tal, hinter uns stürzte die steile Kante in den tiefen Abgrund. Am Nachmittag gingen wir das Tal entlang nur leicht bergauf, was deutlich erholsamer war als der steile Aufstieg. Argaal fühlte sich schon wieder beobachtet.

Am nächsten Tag sahen wir einen schwarzen Punkt am Himmel gegen die Sonne. Rukuuka hatte Angst vor Drachen, die es hier geben sollte. Auch ich hatte diesmal den Eindruck das es sicher kein Vogel sein konnte, das passte irgendwie nicht. Wir versteckten uns am Rande des Tals an einer Eiswand in einer Klamm, als der Schatten näher kam. Melham sicherte des Ausgang mit einem aufgelegten Pfeil, der aber gegen einen Drachen wohl kaum etwas gebracht hätte. Schließlich drehte das Untier aber irgendwann ab ohne sich weiter für uns zu interessieren. So ging es noch drei Tage weiter und langsam der Proviant zur Neige, er mochte wohl nur noch einige Tage ausreichen. Argaal suchte immer wieder nach Anzeichen der Leute vor uns, fand aber weder Spuren noch Lagerplätze. Eigentlich hätten wir sie jetzt in dem langen Tal vor uns sehen müsse, aber sie waren dann wohl doch weiter vor uns als gehofft. Aber wen oder was hatte ich dann an der Eiswand gesehen?

Nach dem Tal wurde es wieder steiler und die Pfade schmaler. Es ging jetzt oft über Grate und schmale Steige über immer noch höhere Bergketten. Ich verlor irgendwann das Zeitgefühl, nur am immer weniger werdenden Essen in meinem Proviantbeutel erkannte ich, wie die Tage vergingen. Auch Rukuuka musste jetzt öfter einmal neu ansetzen um den richtigen Weg zu finden. Als wir an einem Hang in einem improvisierten Schneeunterstand übernachteten fühlte Argal sich rneut beobachtet. Rukuuka meinte nun bedrückt, es sei zu wenig Essen für noch zu viel Weg übrig. Keine gute Aussicht und wir gingen alle mit einem schlechten Gefühl zu Bett. Während der Nacht weckte uns auf einmal Argal bei seiner Wache. Ich kam nur langsam aus meinem Schlafsack und plötzlich stürzte über mir der Schneeunterstand ein. Ich schien unter eine Lawine gekommen zu sein und wurde unter Schnee begraben und niedergedrückt. Der Schnee war sehr pulverig, daher konnte ich halbwegs atmen, bis mich die anderen wieder ausgegraben hatten, aber das war eine Erfahrung, die ich nicht noch einmal machen wollte und insgesamt trotzdem eine recht schmerzhafte Angelegenheit. Wir legten uns notdürftig ein neues Lager an, aber der Rest der Nacht war nur wenig  bis gar nicht erholsam.

Am nächsten morgen konnte man sehen, dass es eine recht große Lawine war, mehrere hundert schritt breit und wir waren sogar nur am Rande und nicht in der Mitte mitgezogen worden. Über den Trichter der Lawine zu kommen war eine sehr mühsame Angelegenheit und zu allem Überfluss war es anscheinend auch der letzte Tag, an dem wir noch zu essen hatten. Rukuuka meinte, es seien nur noch wenige bis wir am großen Pass ankommen würden. Aber ich hatte ernsthaft Sorge, dass wir es bis dahin ohne Essen kaum schaffen würden. Wie lange würden unsere Körper diese Anstrengung ohne Nahrung ertragen? Zwei Tage? Vielleicht drei? Wenn überhaupt! Ich wog jetzt schon sicherlich einige Stein weniger als noch bei der Abreise in Festum!

Mir wurde ab und zu schwindlig und ich musste gelegentlich husten, bekam nur schwer Luft. Selbst eine kleine Eisstufe war jetzt ein anstrengendes Hindernis. Wir gingen mittig wieder durch ein kleines Tal, als Argal erneut meinte das wir beobachtet würden. Zu unserer rechten oben am Hang sah ich mehrere Gestalten laufen, sicher 300 oder 400 Schritt über und hinter uns. Sie wirkten dunkel, aber nicht schwarz, eher blau und folgten uns in konstantem Abstand bevor sie am späten Nachmittag einfach verschwanden.

Nach der letzten Erfahrung mit der Lawine nahmen wir uns besonders Zeit um einen geschützten Lagerplatz zu finden und diesen etwas zu befestigen gegen weitere Schneebretter. Dennoch konnte ich  mich in der Nacht so gar nicht erholen. Es war viel zu kalt und erschöpfend und am nächsten Tag hatten wir nun endgültig alle Vorräte aufgebraucht. Das Tal endete am späten Vormittag an einer kleinen Eiswand, die wir hochsteigen wollten, als Argal unvermutet von einem Speer von oben getroffen wurde. Oben über der Kante sah man gerade so eine blaue Hand und einen blauen, fremdartigen Kopf mit riesigen schwarzen Augen, aber ohne Nase, eher zwei Schlitze. Hinter uns stürmten 4 blaue, geschuppte Gestalten mit Speeren auf uns zu. Ich nahm meinen Speer in Vorhalte und erwarte den Feind, wer oder was das auch sein sollte und woher auch immer diese Wesen auch kamen hier oben.

Einem weiteren Speer von oben wich Argal aus, warf selber einen zurück und traf. Ich gönnte mir vorsorglich noch einenArmatrutz, Zeit die Rüstung anzulegen blieb ja nicht. Dann ging es ins Getümmel. Ich stand mit Argal vorne, Melham mit seinem Bogen und Rukuuka hinter uns. Das obere Wesen hängte sich in die Eiswand, bekam einen Pfeil in den Kopf und sprang dann auf Melham. Das schienen ziemlich zähe Biester zu sein. Dann wurde es unübersichtlich. Argal erwischte es schwer, Melham schoss von hinten wie ein wilder. Ich entfernre einen der Gegner mit Zwingtanz aus dem Gefecht, spürte dabei aber eine enorme Widerstandskraft. Einen der schon von mehreren Pfeilen getroffenen erlegte ich mit dem Speer. Ein Mensch der so oft getroffen worden war, wäre sicher schon lang am Boden gelegen. Dem nächsten rammte ich den Speer durch den Bauch, das er hinten wieder heraus kam. Der letzte nahm die Beine in die Hand und rannte weg, aber Melham schoss dem flüchtenden in den Rücken und lies ihn nicht entkommen. Auch dem letzten zwingtanzenden machte er den gar aus, ein Risiko das ein Flüchtender noch Verstärkung holen würde konnten wir uns nicht leisten. Argal lag im Schnee und blutet vor sich hin, aber Rukuuka ging direkt zu ihm und versorgte ihn. Ich half ihr mit der Erstversorgung bei Argal, und sammelte dabei sein Blut im Lappen. Wenn er sich jetzt noch einmal aus dem Staub machte ohne Bescheid zu sagen, würde ich ihn sicher wiederfinden...

Die Speere waren aus dunklem Holz, vermutlich irgend eine Kiefernsorte, und die Spitzen aus Obsidian. Ich nahm die Spitzen der Speere mit für Ma’Luf, der würde damit ein wenig Dolche schlagen üben können. Mit den Schäften könnte man sicher ein kleines Feuerchen machen. Melham meinte, die Wesen sähen aus wie Meeresmenschen, Risso aus dem Süden, sie hätten nur die falsche Farbe. Aber kannte sie auch nur aus Geschichten von seiner Oma. Ich meinte mich, an eine Geschichte zu erinnern, das überlebende aus der Fuldigor-Expedition von blauen Geisterwesen erzählt hätten, die eigentlich ins Wasser gehören würden, kam aber nicht auf den Namen der dort benutzt wurde.

Als wir zurück kamen briet Rukuuka gerade einen Schenkel von einem der Wesen. Eigentlich hätte mir davon übel werden müssen, aber es roch auf seltsame Art gut und mein Magen knurrte verdächtig. Trotzdem versuchte ich standhaft zu bleiben, ich hatte eine natürliche Scheu davor, etwas zu essen, das auf zwei Beinen wie ein Mensch ging. Sie mampfte sich das Bein genüsslich rein. Und nachdem Argal und Melham auch zu essen begannen, nahm ich schließlich vor lauter Hunger auch etwas. Das Vieh war zäh, aber lies sich dank Rukuuka tatsächlich Essen. Vor dem einschlafen versorgt Rukuuka auch noch meine Wunden, denn auch an mir war der Kampf nicht spurlos vorbei geganen. Und diesmal schlief es sich mit vollem Bauch deutlich besser als in der letzten Nacht.

Am nächsten Tag war auch unsere Stimmung deutlich besser als wir weitergingen. Das Tal zog sich  nach der Stufe im Eis weiter nach oben. Am Ende sahen wir rechts und links jeweils einen gewaltigen Berg, die wie Säulen den Himmel zu tragen schienen. Als wir im Pass zwischen den Bergen angekommen waren, war der Anblick nach hinten unglaublich. Berge und kleinere Berge soweit das Auge reichte, in der ferne winzig klein wo das Bornland sein musste etwas grün… es wirkte völlig unwirklich. Ich konnte nicht ansatzweise abschätzen, wie hoch wir waren, aber sicher höher, als ich jemals zuvor in meinem Leben gestiegen war. Und vor uns, das war ziemlich entmutigend, nur noch mehr Berge, wie ein Wall aus Zacken. Ich konnte kaum noch Atmen, so dünn war hier die Luft.

Rukuuka meinte, wir müssten nun vor uns den Pass hinunter weitergehen. In der ferne vor einem weiteren Berg ragte eine riesige Eiswand auf. So wie sie grinste mussten wir uns aber dem Ziel nähern – oder sie war in der Höhe verrückt geworden. Auf dem Weg unterhalb des Passes fand Argaal einen Pelzhandschuh, ein Zeichen, das wir noch auf dem richtigen Weg sein mochten. Wir erreichten die Eiswand, die ist von einer tiefen Kluft durchzogen war, am Abend. Der Spalt der die Wand teilte sah aus wie von einem riesigen Schwert geschlagen, wie eine Axtkerbe im Holz. Aus einem Eishaufen am Eingang der Spalte schimmerte etwas dunkles. Ich schickte Argal vor zum schauen. Ein Mensch war dort unter dem Eis begraben.

Melham suchte uns einen Lagerplatz, während ich mir mit Argal die frisch aussehende Leiche ansah. Nach und nach legten wir eine schwarz gekleidete Person frei. Und dahinter lag sogar noch eine weitere. Gute Kleidung nach neuester festumer Mode wie mir schien. Einem fehlte der kleine Finger und am Oberarm sahen wir einen tätowierten Kreis mit 13 purpurnen Punkten. Unter der Kleidung trrug er ein Pergament direkt auf der Haut. Es war zerfetzt und großteils unleserlich, aber am letzten Namenlosen, soweit man das entziffern konnte, sollte es irgend ein Ritual geben. Das bedeutete wohl auch, das wir nicht mehr sehr viel Zeit hatten.

Argal und Melham hatten ein gutes Lager errichtet, Melham hatte es sogar mit den Kleidern der Leichen ausgepolstert. Ich wollte das Lager dann mit einem kleinen Manifesto wärmen, aber der Zauber ging mir nicht gut von der Hand. Rukuuka meinte sogar, morgen würde es schlimmer, wir müssten wohl in der Schlucht übernachten, die sie das eisige Tor nannte. Das waren furchtbare Aussichten.

Am nächsten Tag kämpften wir uns in aller Stille durch die Schlucht. Nach hinten raus wurde es im laufe der Stunden immer enger, bis es am Ende nur noch ein dünner Spalt war durch den wir uns quetschen mussten. Kein Himmel war mehr zu sehen. Immer wieder sah ich Schmirgelstellen im Eis, wo sich vermutlich die Festumer vor uns durchgequetscht hatten. Der Wind pfiff scharf und kalt durch die Spalte. Es dauerte gefühlt ewig, bis sich die Spalte wieder weitete, aber es wurde nicht heller. Über uns nur endlose Eiswände und diffuses graues Licht. Rukuuka kauerte sich einfach auf den Boden, als es dunkel wurde. Glatter Fels unter uns, kein Schnee und nur Kälte. Ich war mir nicht sicher, ob wir diese eisige Nacht überstehen würden. Es war unwirtlich, als ich leises singen hörte. Rukuuka hielt sich neben mir die Ohren zu. Der Gesang klang erst schön, wurde aber bald misstönig. Wir lagen gemeinsam unter einer Plane um uns gegenseitig wenigstens etwas zu wärmen, trotzdem wachte ich immer wieder auf, weil es selbst im Schlafsack zu kalt war um Ruhe zu finden.

Es begann dann nicht wirklich ein neuer Tag, nur das graue Zwielicht kehrte zurück. Wir passierten noch weitere Engstellen, aber gefühlt ging es sogar einmal bergab. Dann wurdeves mit einmal neblig und die Luft änderte sich. Zuerst weigerte sich mein Geist es einzuordnen, bevor ich es verstand. Es roch nach Wiese, Harz und Wald. Täuschten mich die Sinne, das durfte es hier oben gar nicht geben! Dann ein Vogelschrei. Ich blieb überrascht stehen. Mehr Vogelzwitschern, und dann ein rauschen wie von einem Wasserfall.

Als wir aus dem Spalt traten war es, als würden wir eine andere Welt betreten. Grünes Sommergras und Hügel vor uns, Wald und alles umgrenzt von den schroffen Felszinnen, die im norden das fast kreisrunde, grüne Tal begrenzten und rötlich bluteten. Vulkane! Ein kleiner See lag in dem Tal, das südlich etwas tiefer als im norden lag, wo wir jetzt hineinliefen. Zwei Bäche speisten den See, einer sah aus als würde er direkt aus dem Vulkan kommen, der andere von den eisbedeckten Bergen. Wir standen erst einmal wie versteinert da und wussten nicht so recht, was wir sagen sollten. Dann hörten wir nach einiger Zeit etwas wie Hufgetrappel näher kommen.

Aus einem Wald schossen Reiter auf uns zu, dann weitere von oben und vom Wasser her. Goblins, die auf Widdern ritten und mit Speeren bewaffnet waren begannen uns einzukreisen. Rukuuka sprach die Wächter an und fragte nach der Anführerin. Ein großer Goblin erwiderte ihr „Ich bin Grom, und ihr seid gefangen.“ Sie unterhielten sich dann, wir wären Gesandte die Helfen sollten gegen die Grauen Menschen. Rukuuka lies nicht locker und wollte die Schamanin sprechen, woraufhin wir zu einem Dorf geführt wurden, bei dem es sogar kleine Felder mit Dinkel und Hafer gab. Das Dorf war von einer löchrigen Holzpalisade umgeben. Die große Steinstatue einer Goblinfrau mit Wildschweinkopf, wohl Mailam Rekdai, die einen kleinen Goblin und ein Wildschwein säugte schmückte den zentralen Platz. Ihr gegenüber, etwas kleiner, stand ein Goblinmann mit Jagdspeer, der einen Widderkopf hatte, Orwai Korim. Beide Statuen sahen nach Osten, als würden sie Wache halten. Eine große Goblinfrau die sich Kashka nannte und auf ein Wildschwein stützte sah uns überrascht an, sie wusste wohl nicht was sie mit uns anfangen sollte. Glatthäute im Tal, also wir auch, brächten Unglück. Vor 3 Tagen war ein Jagdtrupp des Dorfes von Glatthäuten angegriffen und 2 Suulak getötet worden, bevor der Rest sich zurückgezogen hatte. Die Menschen waren beim eisigen Tor zurück in die Berge verschwunden. Und wieder führte Rukuuka eine Diskussion, wir wären die Menschen mit den helfenden Händen. Leider hatte diese Vision die Goblins hier oben auf dem Berg aber wohl noch nicht erreicht...

Uns wurde aber immerhin ein Lager zugewiesen, wo wir übernachten durften, auch wenn wir wohl erst einmal gefangene waren. Die „Hütte“ war ein einfaches Erdloch, das nach oben durch eine Lederplanen wie eine Jurte abgegrenzt war. Der Verschlag sah unbewohnt aus und roch nach kaltem Rauch. Aber immerhin erfuhren wir den Namen des Dorfes: Tuulam.

Im Norden sah man auch von hier das rötliche Schimmern der drei Vulkane in der Ferne. Kashka schien recht überrascht, das Melham und ich Goblinisch sprechen und sie verstanden. Wir bekamen etwas Brennholz und einen Beutel mit Essen, getrocknetes Eichhörnchen mit Fell, gebracht. Dazu gab es irgend eine Art von Brei, vermutlich aus dem Getreide von den kargen Äckern vor dem Dorf.

Vor dem Zelt tuschelte eine Rotte Goblinfrauen, die kreischend zurückschreckten als Melham heraustritt. Ich lachte etwas. Die Reaktion von Goblinfrauen auf ihn war zumindest die gleiche wie von Menschenfrauen. Er diskutierte mit ihnen den minderen Wert der Männer, insbesondere Argaals, im Vergleich zu Frauen. Das war irgendwie recht amüsant. Aber da ich noch müde von der nletzter Nacht in der Klamm war, ging ich recht bald schlafen. Die Nacht war hier viel erholsamer als ohne richtiges Lager, auch wenn die dünne Luft uns weiter erschöpft hielt und ich mich fühlte, als würde ich mich nie wieder richtig erholen können.

Ich wachte auf, weil es ungewöhnlich still um uns war. Ich träumte etwas von pelzigen Füßen auf warmen Fels, Wind in rotbraunem Fell, Nakarachtis Säure die den Felsen in der tiefe zerfrisst. Blut und Menschen die Goblins töten. Aber auch Menschen wie wir die sich gegen das Böse stemmten. Wir sind rote Menschen, die den Grauen die Stirn boten. Dann schlief ich wieder ein – oder müsste wohl eher sagen, ich schlief traumlos weiter. Wir wachten im Morgengrauen endgültig auf und lauschten den lebendigen Geräuschen des Lagerlebens.

Als wir gerade Frühstücken wollten kam Kashka, nickte uns zu und setzte sich ans Feuer. Sie war etwas verwirrt und hielt Melham kurz für eine Frau, weil er den Brei gekocht hatte. Aber sie verstand jetzt, das wir die helfenden Menschen seien und was Rukuuka damit meinte. Wir müssten das Böse aufhalten, das die anderen Menschen befreien wollten. Sie erzählte wieder eine Geschichte davon wie das Böse Nakarachti unter dem Fels gefangen wurde. Ein Teil des Steins sei aber schon aufgelöst.  Eine gäbe eine Höhle unter dem Feuerberg tief unten, dort spüre man den Herzschlag des Bösen. Die  Goblins bewachten schon immer den Eingang und niemand der dem Bösen gehorche dürfe dort hin.

Die Blauen Wassergeister aus den Bergen erinnern mich jetzt an eine Geschichte aus meiner Jugend, das an der Weltengrenze verfluchte Wasserkreaturen lebten, die sich dem Meer nicht mehr nähern dürften und deswegen in die höchsten Höhen der Weltengrenze gezogen seien, die Menschen nennen sie blaue Mare.

Schön war, das wir nun von Gefangenen zu geschätzten Gästen geworden waren und uns jetzt frei bewegen konnten. Ganz viele Goblins warteten draußen auf uns. Ich zeigte den verwunderten Goblins, warum es Glatthaut heißt. Aber selbst als ich nackt war spürte ich keine Kälte, es war eher wie ein lauer bornischer Herbsttag.

Dann gingen wir mit Grom und einer Rotte Krieger das Lager der grauen Menschen in den Bergen suchen. Ich stellte mir vor, dass wir mit der richtigen Idee einem Angriff der Menschen auf die Goblins würden zuvor kommen können. Die Goblins ritten mit Widdern los, wir sollen uns am Aggar, also am See treffen. Auf dem Weg sah ich am Fluss sogar einen Hain Apfelbäume stehen. Gerade das Wasser des Flusses schien die Wärme ins Tal zu bringen. Im oberen Tal waren keine Spuren von den Menschen zu finden meinte Grom. Auch im unteren Tal fand er keine Glatthäute, nur einen Schwarzbär. Auch zwischen den beiden Flüssen waren keine Spuren zu finden, die Menschen waren also recht sicher nicht mehr im Tal selbst.

Ich ging dann Abends im warmen Fluss baden, um den Dreck der Reise endlich abzuspülen, nachdem wir den ganzen Tag nichts gefunden hatten. Viele Goblins am Ufer starrten uns an. Einige bedauerten uns wegen des fehlenden Pelzes, tatschen und fingerten uns auch öfter einmal neugierig an. In  ihren Augen waren wir wohl so etwas wie unvollständige Goblins. Rukuuka wartete an der Hütte auf uns. Sie hatte einen Brei für uns, der gegen die Kopfschmerzen helfen sollte. Goblinfrauen spuckten einen grün-gelblich schimmernden Glibberschleim in Schalen, den wir essen sollten. Ich mischte das Zeug mit Haferbrei, so war es wenigstens halbwegs verträglich. Das war fast so schlimm wie im Dschungel den Affen zu essen. Aber der Druck am Kopf der mich schon zwei Wochen plagte verschwand fast vollständig. Die Nacht war jetzt richtig erholsam...

Ich erwachte erholt wie seit Wochen nicht mehr. Die Sonne schien, es würde wohl wieder ein milder Sommertag werden. Heute gingen wir mit Grom dahin wo die Menschen die Goblins getötet hatten, damit von dort Argal und Melham spuren aufnehmen konnten. Sie fanden auch welche und wir folgten ihnen durch den Wald in die Berge hinauf. Hier wurde es wieder kalt je weiter wir aus dem Tal hinaus in die Berge gingen. Wir schickten die jungen Goblins auf den Widdern zurück um unsere warmen Sachen zu holen. Es dauerte dann bis Nachmittag, als wir um eine Ecke bogen und auf 3 große schwarze Zelte blickten. Wir gingen direkt in Deckung und lauschten.

Der Wind heulte wie auf dem Gletscher, aber ich meinte einen leisen Pfiff zu hören. Argaal ging mit Melham nach vorne um sich besser umzusehen. Sie wurden aber entdeckt. Argaal rannte zuerst zurück, dann folgte Melham mit Bolzen im Rücken. Über uns am Berg war ein Vorsprung wie eine Aussichtsplattform zu der Melham nun versuchte mit seinem Bogen zu klettern. Aber er stürzte ab und tat sich arg weh. Ich sah nun selbst um die Ecke. Etwa 30 Schritt von der Ecke weg standen die Zelte auf einem kleinen Hochplateau etwa 2 Schritt vor einer höheren Eiswand. Aber dorthin zu kommen ihne gesehen zu werden war fast unmöglich, insbesondere wenn man auf dem Schnee ein ein dicker schwarzer Punkt war. Daher gingen wir im Anschluss zurück, immer darauf achtend ob uns jemand folgte.

Ich kümmerte mich am Dorf um Melhams Wunde und zog den Bolzen heraus. Das Blut wischte ich mit meinem Lappen ab – wieder einer mehr für die Sammlung. Wenn mein Gedächtnis nicht so hervorragend wäre, ich wüsste mittlerweile sicher nicht mehr, welcher Fleck von welchem meiner Gefährten war. Von Rukuuka bekam ich noch Kräuter die ich in den Verband einarbeitete, wohl Wirselkraut. Leider mussten wir noch einmal, und jetzt wohl täglich, den ekligen Schleim gegen die Kopfschmerzen essen. Eigentlich wollte ich noch das genaue Datum am Stand der Sterne bestimmen, die waren ja zu den Namenlosen Tagen hin recht eindeutig. Leider war durch die Vulkane in der Nähe das Tal dermaßen in Dampf gehüllt, dass ich den Himmel nur erahnen konnte. Dann gingen wir wieder zu Bett und unterhielten uns beim Einschlafen noch darüber, wo und wie wir den Feind aufhalten konnten.

Der nächste Tag brach an, und eigentlich wollte ich nun mit Rukuuka in die Nähe des feindlichen Lagers ziehen, während Melham und Argaal beginnen sollten mit den Goblins das Dorf zu befestigen. Unser Erlebnis auf dem Gletscher und wie ich unter der Lawine begraben wurde hatte mich inspiriert. Wenn der Feind schon so freundlich direkt unterhalb einer Eiswand lagerte könnte ihm dies genauso gut geschehen. Und da Eiselementare in der Regel dem Leben gegenüber eher neutral bis sogar feindlich eingestellt waren wäre es sicher relativ einfach hier oben im ewigen Eis einen herbeizurufen und dann dazu zu bringen, die Wand über den Zelten und Schurken einstürzen zu lassen. Und was dann noch übrig blieb würden wir sicher besiegen können, wenn sie einige Tage ohne Ausrüstung auskommen mussten. Zusätzlich, so hatte ich es mir gedacht, könnte ich am Tag des Angriffs, wenn wir Späher aufstellten, Erzelementare rufen und diese in die zwei großen Goblinstatuen fahren lassen, um das Dorf von seinen eigenen Gottheiten verteidigen zu lassen. Das würde sicher eine fantastische Erfahrung für die Pelzigen – und eine böse Überraschung für den Feind!

Aber es kam ganz anders… wir waren kaum mit dem Frühstück fertig, als wildes Geschrei ertönte. Wir rannten hinaus und sahen, wie eine kaum zu überschauende Menge der blaugeschuppten Bergwesen unter Führung von zwei Menschen in das Goblindorf drängte und alles Angriff, was ihnen nicht schnell genug ausweichen konnte. Ich stellte mich mit Argaal der blauen Flut, während sich Melham irgendwohin verzog, vermutlich um aus dem Hinterhalt mit seinem Bogen zu schießen. Wir standen auf dem Weg der durch das Dorf führte, und hätten wir die erste Welle nicht aufgehalten, wäre das Dorf vermutlich einfach überrannt worden. So hielten wir gerade lang genug aus, um auch den Goblins die Möglichkeit zu geben sich zu sammeln und nach und nach zu uns zu stoßen – was auch bitter nötig war, sonst wären wir einfach umgangen und eingekesselt worden. Schon der erste Ansturm drängte uns mehrere Schritte zurück, bevor wir den Feind zum Stehen brachten.

Als wäre die schiere Masse an blauen Maren nicht genug begannen die beiden Menschen mit finsterer Stimme unheilige schwarze Wolken und Flammen auszustoßen, die Verzweiflung und Schmerzen unter uns sähten. Auch mich traf so ein Stoß der mir unglaubliche Schmerzen verursachte. Zwar gelang es mir mit Argaal mehrere der Mare auszuschalten, aber das fühlte sich wie ein Tropfen auf den heißen Stein an. Über die Blaugeschuppten hinweg sah ich, wie Pfeil um Pfeil in einen der Menschen einschlug, bis er schließlich zu Boden ging. Und erst als auch der zweite Kerl zu Boden ging begann der Sturm der Mare zu versiegen, so als hätte sie nun die treibende Kraft verlassen. Es war überstanden, auch wenn Argaal und ich einige schwere Treffer hatten einstecken müssen und schlecht dastanden. Noch schlimmer schien es allerdings Melham zu gehen, der zwischen den Zelten lag und seltsam aussah – so als hätte er einen schweren Sonnenbrand. Er war Meterweit weg vom Kampfgeschehen und hatte auch so keinerlei offensichtliche Wunden – vermutlich hatten in die namenlosen Mirakel niedergestreckt – und er röchelte sich Borons Hallen entgegen.

Zu seinem Glück beherrschte ich die magische Heilung mittlerweile ziemlich gut und stellte seinen geschundenen Leib mit einem ziemlich anstrengenden Balsamsalabunde wieder her. Kashka war unterdessen recht aufgeregt. Der Rest der Feinde schien währenddessen irgendwie, sie wusste selbst nicht wie das möglich gewesen sein sollte, das Dorf umgangen haben und befand sich nun in der Grotte des Bösen. Wunderbar! Damit waren auch all die schönen Pläne nur noch für den Arsch und schlecht ging es uns obendrein. Argaal und ich schluckten direkt jeder einen Heiltrank, damit wir wenigstens wieder halbwegs kampffähig waren und eilten dann mit Kashka und Rukuuka durch dichtes Unterholt hinter dem Dorf, das augenscheinlich selten oder nie begangen wurde, in Richtung der Vulkane wo die Höhle zu finden war.

Schon aus der ferne sahen wir, das uns der Weg zur Höhle abgeschnitten war. Wie von Geisterhand gelenkt hatten sich zwei Lavaströme um das dunkle Loch im Berg gelegt und schirmten es von allen ab, die noch dorthin gehen wollten. Sicher hätte ich einen Elementar rufen können, der uns den Weg dorthin ermöglicht hätte. Aber die Heilung Melhams hatte mich einen Großteil meiner Kraft gekostet, und wenn ich das nun auch noch getan hätte wäre ich beim sicherlich folgenden Gefecht kaum noch in der Lage gewesen irgendetwas außer meinem Speer beizutragen. Kashka meinte dann, sie könnte das ebenfalls, keine Überraschung für mich, aber sie würde dafür blaue Steine benötigen um die richtige Farbe zur Beschwörung herzustellen. Lapislazuli, Aquamarin, Saphir… zwar hatte ich einige kleinere Exemplare davon in der Tasche, aber das war wohl nicht ausreichend. Wo sollte man hier oben am Berg so etwas herbekommen? Irgendwie war ich in letzter Zeit nur noch unterwegs, um die Zutaten für Malfarbe zu besorgen.

Allerdings meinte Kashka, an der Quelle des kalten Wassers würde es diese Steine geben – bewacht von einem geflügelten Grauen. Wunderbar! Also mussten wir uns jetzt auch noch bestenfalls mit weiteren Riesenalken und schlimmstenfalls mit einem Drachen herumschlagen? Aber Melham prahlte ja immer damit, das er schon mit Drachen verhandelt hatte und diese Wesen persönlich kannte. Vielleicht konnte er sich ja nützlich machen… aber erst nachdem wir seine Wunden noch verbunden und eine Nacht darüber geschlafen hatten, auch wenn mir die verlorene Zeit dauerte. Aber in seinem jetzigen Zustand würde er nicht einmal den Weg den Bach hinauf gehen können.

Am nächsten Morgen machten wir uns mit düsteren Vorahnungen direkt auf den Weg, Rukuuka begleitete uns wieder. Vor diesem Goblinmädchen musste man wirklich Respekt haben – sie war ganz anders als die sonst eher feigen und furchtsamen Goblins die man allgemein kannte. Wir zogen einige Stunden den Wasserlauf hinauf, bis wir am Rande des Tals und bei den umgebenden Bergen ankamen. Aber eine Höhle oder etwas ähnliches war nicht zu erkennen. Das Wasser entsprang anscheinend irgendwo weiter oben, da es sich in einem kleinen Wasserfall über eine Kante stürzte. Wie wir bald erfuhren als wir zu suchen begannen war nichts zu sehen, weil der Bewohner der Höhle sein Heim hinter einer Illusion vor uns verbarg. Denn wie aus dem Nichts wurde Argaal von einer regelrecht gigantischen Klaue in die Luft gehoben, während in unseren Köpfen eine machtvolle, dumpfe aber lachende Stimme ertönte.

Kurz darauf löste sich etwas auf, das wohl eine Illusion gewesen sein muss, den nun sahen wir eine Höhle, aus der ein mächtiger, großer Drache mit blau-grünlichen Schuppen auf uns herabblickte. Das mächtige Wesen schien sich einen Spaß daraus zu machen, sich von uns erzählen zu lassen was wir hier wollten und mit uns um die benötigten Lapislazuli zu feilschen. Aber wir hatten ihm kaum etwas zu bieten, mit dem wir sein Interesse wecken konnten. Er bot dann an mit uns um die Steine zu spielen, irgendetwas mit Kamelen und Oasen. Da keiner von uns das Spiel kannte erklärte ich mich bereit, mich auf das Spiel einzulassen, wenn er es mir erklären würde. Nun ja… ich begann gerade erst die Regeln zu verstehen, als das erste Spiel auch schon mit einer vernichtenden Niederlage endete. Und auch das zweite dauerte nur unwesentlich länger, so dass der Drache sichtlich die Lust daran verlor… am Ende, ich hatte nicht einmal den Eindruck das es ihm überhaupt um die Steine ging, einigten wir uns darauf, dass er von mir den herzförmigen Bergkristall den ich bei den Maren gefunden hatte erhalten würde und dazu noch eine menschliche Dienerin, die ich ihm im laufe des nächsten Jahres besorgen sollte. Nur abholen würde er sie selbst müssen, eine Frau hier hinauf zu schaffen würde ich vermutlich nicht bewerktstelligen. Aber da ich ihn ohnehin, sein Name war übrigens Avalaskaan, zu mir aufs Schloss einlud, würde das wohl kein Problem sein. Ich hatte nur noch keine Idee wie ich eine Frau dazu überreden sollte, ein Jahr lang einem Drachen auf einem Berg im Nirgendwo zu dienen… aber wir machten uns mit den Steinen auf zurück zu Kashka, bereit den Finsterlingen in den Hintern zu treten!

Kashka war hoch erfreut, aber auch irgendwie seltsam – ich sollte bald wissen wieso. In den überresten des Gemeinschaftshauses der Goblins machte sie sich daran, die Elemente anzurufen. Ich hatte sie vorher noch gefragt, für wie entbehrlich sie einige der Männchen halten würde. Zur Not hätte ich, auch wenn ich es eigentlich verabscheue Lebewesen für solche zwecke zu opfern, einen Geist herbeirufen können um uns einen Weg über die Lava zu bahnen. Auf ihre Männchen schienen die Goblinweiber ja keinen größeren Wert zu legen… am nächsten Morgen wusste ich, das sie genau verstanden hatte worauf ich anspielte. Ich durfte mit Rukuuka bei ihrer Beschwörung teilhaben. Einige Wildschweine und auch ältere Goblinweiber kamen ebenfalls dazu und schienen Kashka mit grunzen, klatschen, stampfen und Singsang zu unterstützen. Während sie wirkte schien es, als würde das Feuer der Lava am Berg erst aufglühen und dann nach und nach verlöschen. Feuer, Wasser und Eis oder Luft schien sie gerufen zu haben, und als sie fertig war, lag sie als tote, ausgemergelte Hülle zwischen ihren Bildern. Einige der Schweine und mehrere der Goblins hatten das Zauberwerk ebenfalls nicht überlebt – sie hatte sich und einen Teil des Stammes geopfert, um uns den Weg zu bereiten.

Rukuuka übernahm nun, ungewohnt konsequent, die Führung und würde wohl die neue Schamanin des Dorfes werden. Jetzt aber führt sie uns und die Stammeskrieger aus dem Dorf zur Höhle von Nacka Rachti. Der Weg über die Lava, die immer noch heiß und nur oberflächlich verkrustet war, war dennoch umständlich und recht gefährlich. Melham brach einmal mit seinem Fuß durch und hätte er ihn nicht so schnell wieder herausbekommen, er wäre ziemlich sicher nur noch ein Ascheklumpen gewesen. Aber auch so qualmte sein Lederstiefel… hätten wir gerade den Berg hinauf gehen können, es wäre wohl höchstens ein halbes Stundenglas gewesen. So brauchten wir derer 3, weil wir immer wieder Spalten, Klüfte und wegen der Hitze nicht erkletterbare Felsbrocken umgehen mussten, bis wir schließlich am Eingang standen.

Der Weg in die tiefen des Feuerbergs war zunächst von absoluter Finsternis geprägt. Nur Argaals Öllampe spendete uns etwas Licht, als wir den mit der Zeit immer steiler werdenden Weg entlang gingen. In der Tiefe begann erst Argaal, dann auch Melham, abwesend zu wirken und bisweilen sogar Selbstgespräche zu führen. Ich konnte nur vermuten, für mich schien das Böse kein Interesse zu haben, vielleicht weil ich den Verlockungen des Namenlosen seit Simyala schon wiederholt widerstanden habe, das sie jetzt die flüsternden Stimmen hörten, vor denen wir in Festum gewarnt wurden. Ich konnte nur hoffen, was auch immer ihnen geboten wurde, dass sie standhaft blieben – ansonsten hätte ich vielleicht einen von ihnen auch noch töten müssen. Tief unten schienen wir dann endlich unser Ziel zu erreichen. Eine riesige Kaverne, die von seltsamen rötlich-violetten Licht erfüllt war.

Zwischen Steinsteelen standen und lagen die Festumer Kultisten. Ein Teil anscheinend schon tot, die übrigen sichtlich geschwächt von ihrem unheiligen Treiben. In ihrer Mitte sahen wir den einäugigen Anführer, der sich wie im Wahn gerade als wir eintraten auch noch schreiend mit bloßen Händen sein zweites Auge herausriss – ein wahrhaft widerlicher Anblick – und dann begann zu zerfließen wie ein zu lange gekochter Pudding. Dabei schossen aus seinem Körper völlig unkontrolliert purpurne Blitze, die sich ihre Opfer unter Freund und Feind suchten, als wir in die Höhle stürmten um dem Treiben ein Ende zu setzen.

Es war ein mörderisches Gemetzel. Die Feinde hatten keinen Gedanken an Rückzug oder aufzugeben – nicht das wir sie es gelassen hätten. Aber auch wir zahlten unseren Blutzoll, sowohl den Waffen der Feinde als auch den zuckenden Blitzen. Manchmal schien es, als würden die Hiebe der Feinde von unsichtbarer Hand um unsere Paraden herumgeleitet zu werden, so dass der Stahl in unsere Haut biss. Melham schoss von hinten wie ein Besessener auf den langsam vergehenden augenlosen Anführer. Ich hielt mit Argaal erneut die Front und wir rangen Stück um Stück den Feind nieder, auch wenn wir immer wieder einmal einen Schritt zurückweichen mussten, um den Reichweitenvorteil unserer Speere zu erhalten. Dennoch trafen uns schmerzhafte Hiebe und auch Melham weiter hinten wurde irgendwann von den purpurnen Blitzen niedergestreckt, die ihn recht gern zum Ziel erkoren zu haben schienen. Zuletzt erhob sich gar ein feuriger Dämon aus den Überresten des zerfließenden Kultisten. Während wir ihn mit Waffen kaum gebändigt bekamen gelang es mir am Ende, ihn mit einem elementaren Zorn des Wassers zum verlöschen zu bringen. Und das einzige Wasser, das mir dafür zur Verfügung stand entsprang meiner Blase…

Als der letzte Feind zu Boden sank standen nur noch Argaal, ich, Rukuuka und Groom. Das war ein teuer erkaufter Sieg, denn die Krieger des Stammes lagen allesamt erschlagen im eigenen und dem Blut der Feinde am Boden. Wir schafften mühsam die Körper der Goblins und Melham nach oben, hier unten in der Höhle des Bösen wollten wir sie dann doch nicht liegen lassen. Zu finden war beim Feind wenig. Sehr bedauerlich, denn ich hatte gehofft hier Hinweise auf weitere Schurken die vielleicht noch in Festum wären zu finden. Aber es sollte anscheinend nicht sein.

Zurück im Dorf der Goblins wurden wir gefeiert wie die Helden, die wir ja auch waren. Rukuuka würde die Berge wohl nicht mehr verlassen, ihr Platz war nun hier als Hüterin der Höhle. Und sogar Argaal wollte noch etwas bleiben, er genoss anscheinend seinen Status als großer Krieger bei den Weibern. Was vermutlich nicht schlecht war, denn um das Dorf wiederzubevölkern würde es vermutlich mehr als nur Groom brauchen, auch wenn den Goblins das Konzept woher ihre kleinen Babys kamen anscheinend gar nicht klar war. Aber so konnte Argaal wenigstens noch einen sinnvollen Beitrag leisten – auch wenn ich mir sicher war, übermäßig lange würde er es hier oben am Ende auch nicht aushalten.

Aber auf ihn warten wollten wir dann auch nicht, daher machte ich mich mit Melham allein auf den Abstieg, als wir wieder bei Kräften waren. Der Abstieg ging deutlich leichter als der Aufstieg und dauerte auch nicht ganz so lange. Dank meines hervorragenden Gedächtnisses schafften wir es auch recht gut, den Weg wiederzufinden. Aber immer abwärts wäre im Zweifel auch nicht verkehrt gewesen. Als wir auf dem Rückweg wieder das Dorf der Menschen passierten machten wir diesmal wirklich aus reiner Neugier – und weil es eine willkommene Pause war – dort einen Tag Rast. Die Leute dort waren einfachste Männer und Frauen, die hier oben abseits von jeder Obrigkeit ein bescheidenes aber freies Leben führten. Sie kannten die blauen Mare, und hätten uns sicher vor ihnen gewarnt, hätten wir ihr Dorf schon auf dem Anstieg besucht. Unser Fehler. Dafür konnten sie mir bei einer anderen Sache Helfen, nach der ich sie fragte. Das Eherne Schwert war ja bekanntlich der einzige Ort, an dem die Atanax-Kiefer wuchs, ein seltenes Heilmittel gegen Fieberkrankheiten. Und tatsächlich konnten sie mir in der Nähe einen Ort zeigen, an dem die Bäume wuchsen, so dass ich einige Zapfen als Samen mitnehmen konnte, um diese später in meinem Kräutergarten beim Schloss heranzuziehen. Sicher nicht der beste Ort dafür, aber dank der dort herrschenden Kraft und mit einem hilfreichen Elementaren würde sicherlich auch diese Pflanze dort gedeihen, genauso wie die Gewächse aus Maraskan.

Der weitere Weg über Nakrakskoje, den Walsach, unsere Tiere wieder einsammelnd bis nach Festum verlief im Vergleich zu allem vorher regelrecht ereignislos. In Festum, das hatte ich mir schon oben am Berg geschworen, suchte ich nach jemandem, der mir dieses Drachenspiel – es nennt sich Rote und Weiße Kamele – erklären konnte. Wenn man sich damit befasste war es eigentlich gar nicht so schwer. Ich traf mich mit einigen gebildeten Herren, Magistern von der Akademie, einem Geweihten der Hesinde und mehreren Mitgliedern der tulamidischen Gemeinschaft Festums, die nächsten Abende in einer Schenke im Hesindedorf. Mit jedem Abend wurde mein Spiel besser, die Regeln hatte ich mir recht schnell gemerkt, und der Rest schien einfach Übungssache zu sein, so dass ich zügig fortschritte machte. Ich mochte noch kein Meister des Spiels sein und vielleicht auch keinen Drachen darin besiegen, aber die Grundzüge dahinter hatte ich mit Sicherheit verstanden. Das wäre sicher etwas für lange Winterabende, ich musste einmal sehen, ob in einem der Schränke im Schloss auch so ein Spiel herumlag. Dafür hatte ich mich bisher noch gar nicht interessiert. Mittlerweile war es Ende Praios.

Der nächste Weg führte uns dann nach Ouvenmas, wo ich die Zutaten für die Farben bei meiner süßen Künstlerin ablieferte, mit dem Versprechen, dass sie mich über den Winter wieder auf dem Schloss besuchen mochte, um dort ihre Werke zu vollenden. Ich freute mich schon – weniger auf die Bilder, als auf ihre Gesellschaft. Dann ging es weiter zurück nach Strobanoff. Mal sehen wie lange es diesmal dauern mochte, bis Argaal sich wieder einfand. Ich hoffte nur, der kleine Stinker war in der Lage den Weg durchs Eis alleine zu finden.

Am Schloss selbst hatte sich nicht viel verändert, seit wir aufgebrochen waren, obwohl das ja jetzt schon einige Monde her war. Die Orks waren noch da und damit zu Frieden für sich selbst zu sorgen, ohne von Menschen erschlagen zu werden. Die Goblins saßen immer noch hinten im Labyrinth und ihrer Schamanin berichtete ich ausführlich von unseren Erlebnissen, insbesondere oben am Berg und mit den Angehörigen ihres Volkes. Mir scheint langsam, das die Goblins doch einen Sinn auf Dere erfüllen und nicht nur eine lästige pelzige Plage sind. Und da sich in der letzten Zeit mein Goblinisch deutlich verbessert hatte konnten wir unsere Unterhaltung sogar weitestgehend verständlich in ihrer Zunge führen und mussten nur noch manchmal ins Garethi wechseln, wenn mir einfach die Worte fehlten – die dummerweise dann oft ihr nicht geläufig waren. Aber mit den nötigen Umschreibungen und Erklärungen machten wir uns doch immer wieder verständlich. Erfreulich war, so berichtete sie mir, dass Sumus Ader nun endlich wieder an ihren angestammten Platz im Schlossgarten zurückgekehrt war.

Das musste ich natürlich sogleich überprüfen, und tatsächlich. Das grelle Leuchten das ich von früher kannte war wieder da. Und die Kraft, die meinen Garten am Leben hielt damit auch. Ich freute mich wie ein kleines Kind zum Dorffest. Dabei viel mir auf, dass die Struktur der Kraft hier sehr ähnlich der war, die ich oben im Goblindorf Tuluum gesehen hatte. Konnte es gar sein, dass die beiden Punkte in einer Verbindung standen? Das das erwachen des Bösen die Kraft abgelenkt hatte? Dazu wollte ich unbedingt Väterchen Melcher befragen!

Es dauerte einige Zeit, bis ich den alten Zausel, der wieder als Baum auf einer Lichtung herumstand, endlich gefunden hatte. Aber er bestätigte mir meine Vermutung. Und offenbarte mir darüber hinaus noch so einige andere Dinge, die meine bisherigen Erlebnisse in ein völlig neues Licht rückten. Das Bornland, ja ganz Dere, war wohl wie von einem Netz von Sumus Adern über- und durchzogen. Und wenn man diese Punkte und Linien fand und richtig nutzte, konnte man an solchen Orten erstaunliches vollbringen – wie hier in Strobanoff. Das, so meinte er, sei die eigentliche Bestimmung von uns Hütern der Macht. Und meine Aufgabe als Hüter sei es nun, diese Quelle der Kraft im Schloss weiter zu Hüten und vor schädlichen Einflüssen zu bewahren, wenn er einmal nicht mehr da wäre. Auch wenn ich mir sicher war, das die alte Eiche noch ewig bestehen würde… die Bürde würde wohl irgendwann auf mich übergehen. Er zeigte mir sogar wie man gerade den Knoten hier am Schloss, es waren tatsächlich zwei Linien, nutzen konnte – jetzt wunderte ich mich nicht mehr, das der Garten so prächtig gedieh und dank der Verstärkung durch die Glyphen hier auch im Winter Pflanzen wuchsen, die es eigentlich gar nicht geben dürfte an solch einem Ort.

Das gerade eben erfahrene setzte ich dann in die Praxis um, indem ich aus einem der Atan-Zapfen mit dem Haselbusch und Ginsterkraut im Garten eine krüppelige kleine Kiefer wachsen ließ und aus der ersten Ernte direkt einen fiebersenkenden Absud braute. Nicht das ich es gerade brauchen würde, aber ich freute mich einfach so, wieder ein neues Gewächs im Garten zu haben, das war einfach schön. Bevor Väterchen Melcher dann wieder im Wald verschwand, ihm war das Gewusel der Goblins und Orks eh zu viel und der ständig schwätzende Melham schien ihm besonders auf den Sack zu gehen, brachte er mir noch einen neuen Zauber bei, von dem er meinte, den hätte ich eigentlich schon längst lernen müssen und meine Lehrerin würde ja überhaupt nichts taugen, wenn sie mir nicht einmal den gezeigt hätte. Der Spruch hieß Attributo, war recht simpel in der Ausführung und diente dazu die eigenen oder fremde Fähigkeiten zu stärken, wenn es einmal erforderlich sein sollte besondere Leistungen zu bringen. Oder mit dem Reversalis zu senken, wenn man der Meinung war Melham würde einen Schwächeanfall benötigen… dann waren wir wieder ganz unter uns auf dem Schloss.

Melham als Wildhüter hatte da auch durchaus seine Vorzüge. Zumindest gab es jetzt deutlich öfter einen Braten auf dem Tisch als früher. Aber was wichtiger war, ich musste mir jetzt Gedanken machen über die Zukunft. War das Böse jetzt wirklich aufgehalten? Oder nur verlangsamt und es kroch immer noch heran? Wer waren die übrigen Hüter des Landes, außer diejenigen, die ich schon kennen gelernt hatte? Kannten die noch andere? Mir schwebte ja vor, sie alle auf das Schloss einzuladen, damit wir uns hier einmal ungestört von den Nichtwissenden in aller Ruhe austauschen konnten. Aber würden diese Eigenbrötler am Ende einem Ruf folgen und gar noch andere mitbringen? Das war etwas, was mir wohl nur die nächsten Monde oder Jahre offenbaren würden…

Abenteuer: Unter Goblins
Dieser Eintrag wurde am 21.09.2024 (19:12) verfasst und 24 mal aufgerufen.
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