Tagebuch von Victor Dondoya Aureumresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Jagd die Diener des Namenlosen

Aus dem verschreckten Diener war kaum eine vernünftige Auskunft herauszubekommen, während wir in den Garten eilten. Sei es echte Sorge oder die Furcht vor einer Strafe, auf jeden Fall waren seine alten Knochen noch zu erstaunlich schnellen Bewegungen fähig, wenn es darauf ankam. Trotzdem ließ ich ihn schon auf den ersten Schritt um das Haus herum hinter mir, spornte doch auch meinen Lauf die Sorge beträchtlich an. Das Bild das sich mir im Rosengarten bot war zunächst nicht schockierend, aber nichtsdestotrotz höchst unerfreulich. Die kleine Ulmjescha lehnte in Tränen aufgelöst und mit einer blutenden Wunde am Kopf an einem Baum. Sie hatte mit Nandurin im Garten verstecken gespielt und ihn noch im Gebüsch lachen gehört. Aber als sie ihn überraschen und erschrecken wollte und um die Hecke herumgesprungen war, wurde sie offensichtlich niedergeschlagen. Und als sie wieder zu sich kam, war Nandurin fort. Während sie dies berichtete sah sie mich furchtsam an, so als würde sie erwarten das ich jederzeit meinen Zorn an ihr auslassen würde. Und zornig war ich, das will ich gar nicht verneinen. Aber was hätte es für einen Sinn gehabt Ulmjescha zu dessen Ziel zu machen? Die Wächter unseres Anwesens, vielleicht. Aber in erster Linie doch diejenigen, die es wagten sich zutritt zu verschaffen und so töricht waren, Hand an Nandurin zu legen! Diese, und niemand anderen würde mein gerechter Zorn und die unvermeidliche Strafe treffen…

Die Wunde an Ulmjeschas Kopf blutete noch, also konnte das Verbrechen noch gar nicht so lange her sein. Pamina eilte von dannen um Saba zu holen und die Spur aufzunehmen, wozu sie sich auch noch von der Dienerschaft eines von Nandurins Stoffspielzeugen bringen ließ.  Ich sah mich etwas ratlos um, im Umkreis fand sich, untypisch für unseren ordentlichen Garten, nur ein abgebrochener Ast, mit dem Ulmjescha wohl niedergestreckt worden war. Vermutlich hatte die Kleine noch Glück gehabt, das sie nur niedergeschlagen und nicht gleich erstochen worden war. Pamina führte uns dann, als Saba die Spur aufgenommen hatte, zur Mauer unseres Anwesens, über welche die Schurken wohl geklettert waren. Auf der anderen Seite der Mauer nahm sie die Fährte erneut auf und folgte ihr in die Stadt. Ausgerechnet den Berg hinunter mitten in das pralle Leben hinein. Mir schwante nichts Gutes… eigentlich hätte ich sofort zurückgehen und einen Thalon auf die Sache ansetzen sollen… aber Faramuds und Saris Einwände hielten mich zunächst davon ab. Hätte ich diesmal nicht auf sie gehört, wir hätten uns einige Stunden unnütze Arbeit erspart. Aber sie hatten sich mein Vertrauen zuletzt ausreichend verdient, um ihnen zunächst zu vertrauen.

Es dauerte nicht übermäßig lange, bis wir im Gedränge und auf den Straßen in der Hafengegend die Spur verloren. Saba mochte vielleicht ein hervorragender Jagdhund sein, aber was hatte ich erwartet? Al’Anfa war einfach kein Wald wo man einem Häschen in Ruhe folgen konnte… An der Stelle wo sich der Hund schließlich nur noch unentschlossen im Kreis drehte saß ein betrunkener Bettler, dem ich in der Eile einen Silberling in den Rachen stopfte, dafür das er uns den Weg Richtung Hafen hinunter wies, wohin seiner Aussage nach ein Mann mit einem Kind auf dem Arm gerannt war. Dort versuchten wir die Spur wieder aufzunehmen, prüften insbesondere die Stege, die auf die Schiffe führten um eine Entführung Nandurins aus der Stadt hinaus zu unterbinden. Aber Saba schien sich angesichts der Massen an Menschen und des Trubels nicht mehr auf ihre Aufgabe konzentrieren zu können. Unnützes Vieh!

Sari, die wohl auch in Sorge war, erbot sich mit ihrem Geisterblick eine Spur Nandurins aufzunehmen, wenn er denn so wie ich von der Sternenkraft durchdrungen war – was ja unleugbar der Fall ist! Wir eilten zum nicht allzu weit entfernten Lagerhaus meines Vaters, wo sie die nötige Ruhe und vielleicht einen erhöhten Aussichtspunkt haben mochte, um ihre Geister anzurufen. Während sie sich noch daran machte das ihre zu tun wollte ich eigentlich auf meine Art und Weise in einer ruhigen Ecke nun doch einen freundlichen Thalon um Hilfe bitte. Aber wieder wandten Sari und Faramud etwas dagegen ein, als ich begann einen Fünfstern zu zeichnen und Kerzen aufzustellen – und Vater, der mittlerweile dazugekommen war, unterband meine Ausführung im Lagerhaus direkt, weil er „die Werte Dame aus dem Norden“ nicht vor den Kopf stoßen wollte. Also packte ich meine Sachen unverrichteter Dinge wieder ein, nicht ohne einen Disput mit Vater geführt zu haben, der mich zurechtwies, warum wir nicht die Wache und die Kontakte der Familie nutzen würden, um das Problem zu lösen. Als wenn ich auf die Hilfe irgendwelcher tumben Stadtgardisten angewiesen wäre! Aber da kamen unsere Meinungen nicht zusammen… Ich hatte nur den Eindruck, dass insbesondere Pamina ein Vergnügen daran fand, wie Vater mich zurechtwies und ich dies geschehen lassen musste. Sollte sie sich nur nichts einbilden… dieses Vorrecht hatten genau zwei Menschen auf Dere – Mutter und Vater, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Und vielleicht noch die Spektabiliät der Akademie. Aber mehr auch nicht!

Sari gelang es tatsächlich, eine Spur aufzunehmen. Ihre arkanen Sinne mussten ausgesprochen fein sein, wenn sie die Reststrahlung einer Präsenz solcherart wahrnehmen konnte – andererseits war Nandurins Astralleib natürlich auch etwas besonderes. Wir folgten ihr also durch das Gedränge bis zu einer Seitengasse und einem Laden, der von einem Schild als „Raswans Antiquitäten“ ausgewiesen wurde. Ich zögerte nicht, und Riss die Tür auf. Wenn das der Unterschlupf der Schurken war, würde ich kurzen Prozess mit jedem machen, der sich uns in den Weg stellen wollte. Wir überraschten einen alten Kerl, wohl den Inhaber, im Gespräch mit einem grauberobten Kollegen der Sehgläser auf der Nase hatte. Ich insistierte darauf, sofort gehör zu finden, aber beide wussten offensichtlich nicht worum es ging. Und Sari gestand kleinlaut ein, dass sie vielleicht einer falschen astralen Spur gefolgt sein könnte. Also hatten wir erneut Zeit vergeudet!

Auf dem Rückweg zum Lagerhaus gingen wir nun doch bei der Wache vorbei und erstatteten Anzeige. Ich beschrieb Nandurin und seine Kleidung, ein besticktes Wams und eine Hose im Festumer Schnitt, die ihn recht einfach erkennbar machen würden. Aber ich hatte nicht den Eindruck, auch wenn er es versicherte, dass der Weibel übermäßige Strebsamkeit an den Tag legte. Wie ich es mir dachte, meine Art das zu Regeln wäre wohl dich die aussichtsreiste Variante! Wenn man etwas dringliches erledigt haben wollte, musste man sich einfach am besten sofort selbst darum kümmern! Als wir zurück zum Lagerhaus gingen erwartete mich allerdings schon die nächste Standpauke von Vater, als er erfuhr, dass ich der Wache bei der Anzeige nicht auch noch einen Beutel mit Dublonen über den Tisch geschoben hatte. Stimmt, das hätte man tun können… andererseits sollte man wohl meinen die Wichtigkeit meiner Person und unserer Familie wären diesen uniformierten Lakaien Ansporn genug, oder?! Faramud, der überrascht schien das solche Dinge hier ähnlich wie in seiner Heimat geregelt werden konnten, machte sich noch einmal auf den Weg zurück zum Turm und kam kurz darauf wieder mit der Nachricht, dass dieses Versäumnis bereinigt sei, während ich mich noch im Streitgespräch mit Vater befand. Und er hatte sich bei diesem „Motivationsgeld“ wohl auch nicht lumpen lassen. 20 Marawedi hätte er den Wächtern zugesteckt, wie er meinte, die er von Vater direkt wieder ersetzt bekam und auch noch ein Lob dafür einstrich „ein so umsichtiger Mann zu sein, im Gegensatz zu dem verkopften und verstudierten Sohn, der wohl die Jahre in der Lehre nichts richtiges gelernt hätte“. Pah! Als ob! Wäre es nach mir gegangen und hätte man mich einfach machen lassen, hätten wir Nandurin schon längst wieder zurück gehabt! Meine Wut und mein Zorn kochten unter der nach außen ruhigen Oberfläche.

Wie ließen uns dann in Sänften zurück zum Anwesen tragen. Nun hatte ich die Nase endgültig voll. Von wegen, warten darauf das die Wache uns Nachricht zukommen ließ oder die Entführer uns ihre Forderungen schicken würden. Diese hasenherzige Passivität kam überhaupt nicht in Frage. Wofür hätte ich den jahrelang studiert, wenn ich mich dann im entscheidenden Moment wie ein hilfloses Opfer auf die Zuarbeit anderer verlassen musste? Während sich alle auf ihre Zimmer zurückzogen machte ich mich nun in meinen Räumen daran, dass zu tun was ich schon längst hätte machen sollen. Pentagram und Schutzkreise gezeichnet, die Beschwörerkerzen aufgestellt und wenig später manifestierte sich ein Thalon, der unbarmherzige Jäger vor mir. Gut, es stank nach Schwefel und Chaos, das hatte ich in meinem Zimmer eigentlich nicht so gern, aber das nahm ich diesmal in Kauf. Die form des Wiesels war zwar recht ungewohnt, eher eine giftgelbe Wolke als eine feste Form, aber ich brachte den Dämon mit eisernem Willen unter meine Kontrolle. Genau für solche Fälle hatte ich Nandurins Nabelschnur aufgehoben. Mit einem Stück davon als Spur schickte ich den Thalon los, Nandurin zu finden und zu mir zurückzukehren und mir seinen Aufenthaltsort mitzuteilen – und natürlich sonst nichts zu tun, blablabla… das übliche Eben, wenn man einen sorgfältig formulierten Dienst von einem Dämon forderte.

Als zum Abendessen gerufen wurde blieb ich vorsorglich auf meinem Zimmer unter dem Vorwand, auf Grund der Geschehnisse keinen Appetit zu haben. Es wäre dann doch etwas unerfreulich gewesen wenn der Dämon zurückgekommen wäre und mich aufgesucht hätte, während wir gerade bei Tisch saßen. Und das war wohl auch gut so. Als das Wiesel zurückkam, es roch anders und sah auch anders aus als bei seinem Aufbruch, hatte es genau das erfahren, was ich wissen wollte. Nandurin sei in einem Bordell zu finden, dem „Garten der Lüste“. Sofort schossen Bilder in meinen Kopf, die mich seit den letzten Namenlosen Tagen begleiteten. Dieses Haus kannte ich nur zu gut! Ich raffte meine Sachen zusammen, schickte den Dämon zurück in seine Sphäre und eilte die Treppe zum Ausgang hinunter.

Anscheinend machte die Wache meinem Vater gerade ebenfalls ihre Aufwartung mit einer gleichlautenden Information. Als ich an der Familie vorbei eilte, die anderen aufforderte mir zu Folgen und dabei erwähnte, dass ich dieses Haus kannte hörte ich noch während ich zur Tür hinaus eilte die Stimme meiner Mutter hinter mir „Sohn, woher kennst Du so ein Etablissement?“ Ich hatte keine Zeit zu verlieren, rannte direkt los und verzichtet auch darauf erst die Sänften fertig machen zu lassen. Das wäre Zeitverschwendung gewesen. Die Anderen folgten mir nach und nach, weil einige von ihnen zunächst ihre Waffen von den Zimmer holen mussten. Draußen war es bereits Dunkel, aber ich entzündete den Stab zur Fackel, während ich durch die Straßen meiner geliebten Heimatstadt eilte. Oh ja, an diesen Weg erinnerte ich mich – trotz des Zustands, in dem ich mich beim letzten mal befunden hatte, als ich ihn gegangen war. Im Bereich des Hafens waren wir wenige Stunden zuvor gar nicht einmal so verkehrt gelegen. Hätte dieser dumme Hund doch nur nicht kurz vor dem Ziel die Spur verloren! Hoffentlich erwartete uns keine allzu große magische Bedrohung, das rufen und beauftragen des Dämons hatte mich doch einen beträchtlichen Teil meiner Kraft gekostet.

Als ich vor der Tür des Bordells ankam, die Anderen hatten mich derweilen eingeholt, knallte ich fordernd an die Tür. Der Schläger der uns öffnete und süffisant angrinste fragte nach unserem Begehr, da das Haus in vollem Betrieb zu sein schien. Ich versuchte ihn zu Seite zu drängen und verwies darauf, dass mein Sohn hier sei, was ihn angesichts meines eigenen Alters zu verwirren schien. Erst später verstand ich, dass er wohl davon ausgegangen sein musste, das er meinen Sohn als einen der Kunden der örtlichen Damenwelt einzuordnen versuchte, was natürlich keinen Sinn ergab. Aber das verstand ich in meinem aufgebrachten Zustand an der Tür noch nicht. Da meine Statur nicht ausreichte um sich Zutritt zu verschaffen übernahm Surina dankenswerter Weise diesen Part und war sich nicht zu schade, den Schläger dabei mit der Spitze ihres Degens dazu zu bringen den Weg freizumachen.

Ich schlug direkt den Weg hinunter und in die verwinkelten Gänge ein, die ich schon kannte. Wo sonst hätten sie meinen kleinen Schatz auch sonst verstecken sollen? Ich ging nicht davon aus, das ihn eine der Huren gerade an ihrem Busen säugte während sie arbeitete… und wenn doch würde ich das Weib in Stücke reisen! Aber natürlich hatte ich recht. In dem Kellerraum, in dem mich damals die unheimliche Gestalt empfangen hatte fanden wir Nandurin. In der linken hinteren Ecke lag er auf einer Decke, achtlos zurückgelassen. Sofort eilte ich zu ihm und nahm ihn hoch. Dabei musste wohl ein Blatt Papier zu Boden gefallen sein das mir zunächst entging, aber von Surina aufgenommen und gelesen wurde, bevor sie mir es gab. Während ich mich umsah, der Raum hatte viel von seiner bedrohlichen Atmosphäre eingebüßt, eines der Kohlebecken lag in einer Ecke, das andere Stand noch an seinem Platz und war noch etwas warm, legte sich meine Aufregung langsam.

Nach diesem Schreiben wäre es notwendig gewesen Nandurin körperlich hier zu haben, um seine Bindung an den Namenlosen zu lösen, auch wenn „er“ sonst etwas oder jemand nicht mehr hergebe, das ihm einmal gehörte. Aber der Handel wäre nun damit endgültig eingehalten und Nandurin nun freigegeben. Ich Verstand den Ansatz der dahinter stand. Natürlich, auch ein Artefakt das man entzaubern wollte musste man vor sich liegen haben und das mochte sich hier so ähnlich verhalten. Aber war ich deswegen mit dem Vorgehen und der Entführung einverstanden? Natürlich nicht! Ein weiterer Affront gegen mich und meine Familie, die gesühnt werden musste. Und zwar mit Blut. Mit viel Blut! Ich würde diesen Kerl erwischen. Und dann diejenigen die hinter ihm standen. Und wenn danach immer noch jemand dahinter stand würde ich auch diesen erwischen… Darüber hinaus wurde ich in dem Schreiben auch noch verhöhnt, dass es ja sowieso nur eine Frage der Zeit war, bis ich mich umbenennen und ebenfalls ein Diener des Güldenen werden würde. Als ob! Eher würde ich mich der Praios-Inquisition anschließen, als diesen Idioten! Als Beweis meines Vertrauens zeigte ich den anderen den Brief ebenfalls und erklärte ihnen ein wenig zu den Hintergründen. Sie sollten ja verstehen warum wir als nächstes nach Rashdul musste um diesen Priester zu jagen.

Dennoch war ich beruhigt, Nandurin wieder sicher in den Armen zu haben. Als wir zurück ins Haus meiner Familie kamen war auch Ulmjescha sichtlich glücklich und wollte gar nicht mehr von seiner Seite weichen. Das gute Kind hatte sich ernsthaft um meinen kleinen Prinzen gesorgt. Und auch Nandurin schien glücklich zu sein sie wieder zu sehen. Sie schlug sogar ihr Lager direkt neben seinem Bettchen auf um den Rest der Nacht bei ihm zu sein. Und auch ich machte es mir im Sessel in seinem Zimmer gemütlich.

Bevor ich mich allerdings zu Bett begab suchte ich noch einmal Pamina auf. Ich empfand es nun an der Zeit, sie von Atzina zu unterrichten. Hier würde ihr dadurch nun keine Gefahr mehr drohen, und auch Pamina hatte sich dieses Vertrauen jetzt redlich verdient. Ihre Überraschung wurde von gemischten Gefühlen wie Schock, Freude und Ärger außen vor gelassen zu sein durchmischt, aber am Ende überwog doch ihre Erleichterung. Sie nahm mir dann noch das Versprechen ab, auch Faramud nicht mehr länger im ungewissen zu lassen, und da ich das sowieso vorgehabt hatte unterrichtete ich ihn am nächsten morgen. Außer mir war er wahrscheinlich sowieso der einzige Mitwisser, der das Geheimnis auch unter Folter für sich hätte behalten können.

Bevor sich mein Geist in Borons Traumlande verabschiedete geschah es wieder. Die Welt schien vor meinen Augen zu verschwimmen und eine underische Stimme säuselte mir zu. „Die Herrin ist sehr zufrieden mit Dir. Weiter so…“ Inmitten meines Zimmers glomm für einige Augenblicke ein waberndes grünes „A“ auf. R-L-P-A. Mir wollte allerdings partout kein Dämon einfallen, weder im Zahyad noch Garethi oder Tulamidia, bei dem sich diese Kombination an Buchstaben aufdrängte. Und das war das schlimme daran, denn meine Neugier zehrte doch gewaltig an mir. Am Anfang wäre meine Vermutung in Richtung Amazeroth oder einen ihrer Diener gefallen, das hätte irgendwie Sinn ergeben. Aber das würde ich angesichts der nun gestellten Buchstaben ausschließen. Auch der Namenlose selbst und seine dämonischen Diener, die vielleicht hätten versuchen können mich zu hintergehen… keiner davon passte in das Schema. Auch Blakharaz, der vielleicht versuchen könnte sich meiner Rachegelüste zu bedienen schied nach allem was ich wusste mittlerweile aus. Aber welche Entität war es, deren Aufmerksamkeit ich geweckt hatte? Ich hasse es, im Nebel zu stochern. Mit Sicherheit stand die Lösung im Arcanum, das wohlgehütet im doppelten Boden meines Schrankes ruhte. Ich müsste endlich die Zeit finden dieses unsägliche Aureliani zu lernen, dann würde sich die Lösung vermutlich förmlich aufdrängen! Mit diesen Gedanken glitt ich in Borons Arme und einen unruhigen Schlaf…

Pamina indes versetzte mich einmal mehr in Erstaunen. Wir hatten ja noch den Teil der Beute, den wir zunächst zum aufteilen des Geldes in Al’Anfa hätten versetzen müssen. Eine Arbeit, die auch noch Zeit in Anspruch genommen hätte und die ich daher gern auf nach unserer Rückkehr verschoben hätte. Pamina meinte jedoch, wir könnten diese Aufgabe doch meinen Vater übertragen, solche Dinge seien ja sein Beruf. Womit sie natürlich recht hatte. Das hatte ich bisher nicht in Betracht gezogen, bevorzugte ich es doch, Dinge lieber selbst zu erledigen. Aber sie hatte natürlich recht… einzig was mein Vater als Provision verlangen würde stimmte mich etwas skeptisch. Aber meinen Vorschlag, sie könnte seine möglichen Forderungen ja etwas drücken, indem sie ihr Dekolleté bei den Verhandlungen gezielt in Szene setzen könnte, verwehrte sie sich mit Hinweis auf meine Mutter. Aber im Grunde blieben wir bei dem Plan und auch Vater schien offen dafür – und neugierig, was wir denn alles gefunden hätten. Wir breiteten unsere Beute dann auf dem Tisch vor ihm aus, die er mit Kennerblick inspizierte. Für einige Dinge, die er als recht leicht verkäuflich einstufte, wollte er uns direkt das Gold noch vor unserer Abreise geben – immerhin 240 Dukaten für jeden! Anderes, wie die Barren der magischen Metalle und ähnlich teure Gegenstände, würde er veräußern und uns den Erlös nach unserer Rückkehr auszahlen. Dabei sprach er gar nicht an, das er am Verkauf beteiligt werden wollte, was mich erstaunte. Aber schlafende Hunde soll man ja nicht wecken…

Seltsam erschien mir, dass Sari nicht da war um ihren Anteil zu nehmen und Faramud diesen für sie einsteckte. Er meinte, sie sei noch in der Nacht überhastet aufgebrochen, weil sie wohl mit meiner Art der Problemlösung, die am Rande zur Sprache gekommen war als wir durch die Stadt eilten, nicht einverstanden war. Und auch er selbst war dies nicht und ließ sich auch nicht durch meinen Hinweis auf das rechtmäßige Vorgehen nach dem Codex Albyricus und das niemand zu schaden gekommen war überzeugen. Ja er drohte mir für den Wiederholungsfall sogar den Tod an. Aber das kannte ich ja schon von ihm… wir würden sehen, und ich müsste vielleicht beim nächsten mal einfach noch etwas vorsichtiger sein. Aber das Sari einfach so abgereist war enttäuschte mich schon ein wenig. Ich hoffte inständig, wir würden sie trotzdem bald wieder sehen. Sie war mir doch recht ans Herz gewachsen!

 

Unser Plan war es nun mit dem Schiff über Kunchom nach Rashdul zu reisen. Hier bot Vater sich an, für uns eine Passage organisieren zu können. Das dürfte für ihn ein leichtes sein, er ging ja beim Hafenmeister quasi täglich ein und aus. Aber natürlich ließ er auch keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen. Denn er hatte ein Dokument für einen seiner Handelspartner in Kunchom, dass ich doch bitte wenn wir eh dort vorbei kämen gleich überbringen könnten. Nun, das sollte dann doch kein Problem sein.

Dann schickte Vater die Diener hinaus, er wollte noch wegen dem Haus der 1000 Lüste mit mir sprechen. Ihm und Mutter kam es seltsam vor, dass ich dieses Haus kannte und nach allem was er gehört hatte recht zielgerichtet ansteuern konnte… Natürlich ging es ihm hierbei nicht um mich. Sondern vielmehr um den guten Ruf seines Hauses, den er ernsthaft in Gefahr sag, wenn ruchbr würde, dass ich in einer solchen Kaschemme verkehren sollte. Ich versicherte ihm aber, dass dafür keine Gefahr bestand. Ich hatte nie, und auch nicht vor, dort jemals mit irgendwem zu verkehren oder Verkehr zu haben. Mein Interesse an diesem Haus war rein geschäftlicher Natur. Allein bei dem Gedanken an die sicherlich syphilitischen Huren über die jeden Tag Dutzende Seeleute rutschen mochten juckte mir schon das Gemächt. NIEMALS! So verzweifelt konnte ich gar nicht sein… bevor ich eines dieser Weiber an mich heranließe, würde ich mir eher dutzendfach selber die Palme wedeln…

Nun brachen wir aber wirklich auf. Erst einmal würden wir die örtlichen Tempel besuchen und den ein oder anderen Einkauf tätigen. Anfangen wollten wir mit Phex, weil Pamina Pfeile braucht und der Tempel selbst ja ein Handelshaus war. Zu Fuß gingen wir los, ich hatte keine Lust an die Sänften und Träger gebunden zu sein, sollten sich unsere Pläne spontan ändern oder etwas Unvorhergesehenes geschehen. In der offenen Hand herrschte, wie immer, reges treiben und Handel. Ich ging zuerst zur Opferschale um dort 8 Dukaten als Phexens Anteil an meinem letzten Verdienst und als Tempelzehnt darzubringen. Einer der graugewandeten Geweihten nickte mir dankend zu. Bei allem was ich noch vor hatte konnte es nicht schaden, das Wohlwollen der Götter auf meiner Seite zu wissen, und dazu gehörte nun einmal, dass sie ihren Anteil erhielten.

Pamina wollte unterdessen schon einkaufen, bevor wir uns wieder treffen würden, kam aber unverrichteter Dinge zurück. Immerhin hatte man ihr am Markt einen Händler gewiesen, der ihr wohl Pfeile und die von ihr gewünschte Irianlederrüstung würde verkaufen können. Bevor wir uns aber dorthin begaben, gingen wir noch in das hintere Zimmer, wo wir den Mondschatten-Bibliothekar wie zuletzt antreffen. Verwundert es irgendwen, dass er uns äußerst gewogen war? Wir unterhielten uns zunächst etwas, bevor ich zum Kern meines Anliegens kam und ihn nach dem Szepter fragte, welches mir im Dschungel abhandengekommen war. Leider wusste er dazu auch nichts zu sagen, aber einen Versuch war es ja Wert. Irgendwer musste über das vermaledeite Stück doch etwas wissen! Wir verabschiedeten uns in Richtung des Marktes und Pamina und Faramud decktes sich mit Pfeilen für ihre Bögen ein. Es waren wohl besondere Pfeile, aber mit derlei Dingen kenne ich mich nun wirklich nicht aus. Und interessieren tat es mich, das gebe ich zu, eigentlich auch nicht… Faszinierender war da schon die Rüstung, die Pamina in Auftrag gab und die ein besonderes Aussehen haben und eine spezielle Machart haben sollte. Die Farbwünsche waren recht dezidiert und für eine Söldnerin auch nicht wirklich ungewöhnlich. Schwarz und Rot sah man ja doch immer wieder, wirkte die Kombination doch bedrohlich auf den Feind. Und irgendwas mit Sternbildern wollte sie noch hineinpunziert und gefärbt haben. Aber für die anstehende Reise nahm sie doch erst einmal ein Stück von der Stange zum sofort anziehen. Unterdessen fand auch Faramud noch etwas, das seine Aufmerksamkeit weckte. Einen Satz Kettenbeinlinge gönnte er sich, um unten herum etwas besser geschützt zu sein. Anscheinend taten ihm insbesondere die Treffer auf Schenkel und Waden besonders weh, wenn es denn jemand schaffte an seinem Schild vorbei zu kommen. Nun, warum auch nicht? An den finanziellen Mitteln für solche Dinge fehlte es uns ja nicht mehr. Ich würde mich trotzdem nicht in irgend so ein steifes Korsett zwängen. Im Schrank daheim hätte ich ja sogar eine Tuchrüstung hängen. Aber wo kämen wir denn dahin… das ist einfach keine Gewandung für einen ordentlichen Magus!

Als nächstes gingen wir zum Hesindetempel St. Argelion. Es war gerade zur Mittagszeit, die meisten Gläubigen machten sich soeben auf den Weg nach Hause und der Tempel stand kurz vor der Schließung für die heißen Tagesstunden. Der verbliebene Tempeldiener meinte, wir kämen etwas zu spät, worauf ich ihn freundlich darauf hinwies, dass ein Magier niemals zu spät kommt, sondern immer genau dann eintrifft, wenn er es für richtig hält…  Aber die 8 weiteren Dukaten die ich auch hier in den Opferstock legte sorgten schon dafür, dass der junge Priester seine Mahlzeit noch etwas nach hinten verschob. Auch ihn fragte ich nach dem Szepter, leider mit dem gleichen Ergebnis wie im Phextempel. Die Aufmachung, meinte er der Geweihte aber, deutete auf die Zuordnung zu einem Siebtsphärigen hin. Mochte das vielleicht die Lösung des Rätsels sein? Ein Dämon der dem Namenlosen zugeordnet ist? Davon gab es ja einige, nicht zuletzt die Tagherrscher der namenlosen Tage. Diese Spur musste man zumindest in Erwägung ziehen…  wenn es nicht unserem nächsten Ziel genau entgegen gelegen wäre, ich hätte gute Lust gehabt diesbezüglich einmal in Brabak nachzufragen. Dort hätte man sicher auch etwas dazu zu sagen gewusst… Leider gab es den dämonologischen Zweig an der Pentagramm-Akademie in Rashdul seit geraumer Zeit nicht mehr, sonst hätte ich dort sicherlich auch Hilfe erwarten können. Aber dieser war ja vor einem halben Dutzend Götterläufen oder so aufgelöst worden von seinen Neidern.

Unser nächster Weg führte, etwas unerwartet, und genau deswegen war es besser auf die Sänften verzichtet zu haben, zum Firuntempel mitten im Schlund, dem schlimmsten Viertel Al’Anfas. Das war zwar keines meiner Ziele gewesen, aber als ich erwähnte das es hier auch ein Haus Firuns gäbe, wollte Pamina sich partout nicht davon abbringen lassen dorthin zu gehen. Normalerweise würde ich keinen Fuß in den Schlund setzen. Aber tagsüber und für uns als wehrhafte Gruppe sollte es dennoch keine übermäßige Bedrohung sein. Der Schlund war, und ich warnte die Anderen vor, ein Viertel von verbrannten Ruinen voll von Bettlern, Rauschkrautsüchtigen und vom Hunger aufgedunsenen Kindern. Selbst der größte Schatz Aventuriens mochte nicht ausreichen, um all das Elend hier zu lindern. Und natürlich erweckten wir die Aufmerksamkeit der Strauchdiebe und Bettelkinder. Surina zog schon beim ersten Diebstahlversuch die Waffe blank um sich den nötigen Respekt zu verschaffen – aber das war in diesem Viertel auch die einzige Sprache, die das Gesindel verstand. Selbst wenn sie einen der Impertinenten einfach an Ort und Stelle niedergestochen hätte... es hätte hier niemand interessiert und die Stadtwache betrat den Schlund ohnehin nicht freiwillig. Wir hätten hier ein Blutbad anrichten können, und im schlimmsten Fall hätte uns das Schweigen der Leute ein paar Oreal gekostet. Am Rande erwähnt… was denkt ihr, wo wir an der Akademie die „Freiwilligen“ für unsere Experimente herbekamen? Sklaven waren zwar allzeit verfügbar aber teuer… und Leute aus dem Schlund hingegen… für ein bisschen Geld das ihnen das nächste Rauschkraut sicherte, ließen die fast alles mit sich machen!

Wie ließen uns dann von einem der Bettler zum Tempel führen, musste ich doch eingestehen dessen genaue Lage nicht zu kennen – In den Schlund verirrte ich mich sonst nicht. Der Tempel war ein einfaches Gebäude, ebenfalls nicht in bestem, sondern eher in einem ziemlich bedauerlichen Zustand. Wir wurden mit einem „Verschwindet, Bettelgesocks“ wenig freundlich empfangen. Der Geweihte meinte, als er seinen Fehler bemerkte, selbst der Tempel würde wie von den Raben, wobei er einen entschuldigenden Blick zum Visar hinüber war, beklaut. Der Geweihte wirkte auf mich recht verbittert und desillusioniert. Der Tempelraum war schmucklos, nur wenige verblichene Wandteppiche zeigten Szenen aus dem Norden und wirkten hier in Al’Anfa irgendwie deplatziert. Nur der kleine Altar aus dunklem Holz schien gut geölt und gepflegt. Pamina gab dem Priester 10 Dukaten und wir wohnten tatsächlich einem Gottesdienst bei, der nun extra für uns gehalten wurde. Ich vermutete, dass diese Menge an Gold mehr war, als der Geweihte sonst im ganzen Mond von seinen Gläubigen zu sehen bekam. Faramud wirkte erstaunlich interessiert an dem Ritus, so als wäre es auch für ihn etwas völlig Neues. Ich konnte leider nicht viel damit anfangen was hier geschah, die Jagd war einfach nicht meine Passion und von Schnee und Eis hatte ich seit dem Bornland die Nase voll. Aber der Geweihte selbst wirkte nach dem Götterdienst deutlich glücklicher und zuversichtlicher als zuvor, so als sei eine Verbindung zu seinem Herrn wiedergekommen, die mit der Zeit hier im Süden immer schwächer geworden war. Ich gönnte es ihm und ich vermute, Pamina könnte hier nicht das letzte Mal gesehen worden sein. Dann ließen wir uns von dem Bettler der auf uns wartete wieder zurückführen.

Jetzt ging es aber endlich zum Rahjatempel, der Halle der 1000 Lüste. DAS war mal ein Tempel! Ein rosa phallusförmiger Bau in dem alle nackt herumliefen. Auf diesen Besuch hatte ich mich am meisten gefreut – und versprach mir noch einiges mehr davon. Eine Frau mit kurzer Neunschwänziger kam energischen Schritts auf uns zu. Da ich die Gepflogenheiten des Hauses kannte zog ich mich ebenfalls aus und legte meine Sachen in eines der Fächer. Die Dame Karianna Klippstein hatte nicht nur einen energischen Schritt, sondern auch einen sehr bestimmenden Ton. Ich folgte ihr, sonst kam aber keiner meiner Begleiter mit. Sie waren von der Präsenz der Geweihten vermutlich eingeschüchtert, entsprach es doch kaum einem der Auftreten von Geweihten im alten Reich oder der Tulamidenlande. Nun ja, wir waren hier eben in Al’Anfa. Da waren die Dinge eben etwas anders… und intensiver! Die Geweihte führte mich in einen abgedunkelten Raum mit Kerzen und Holzbalken an der Wand. Dort wurde ich von ihr angebunden bevor sie mir Öl über den Rücken schüttete das nach Kräutern roch. Wenn ich es nicht besser wüsste, und natürlich wusste ich es besser, hätte das Ambiente genauso gut zu einer Belkelel-Herbeirufung gepasst. Noch so etwas, was ich unbedingt auch irgendwann einmal ausprobieren wollte… aber den Gedanken verdrängte ich angesichts des Ortes an dem ich mich befand schnell wieder. Ich vernahm die drohende Stimme der Priesterin: „Wenn ich einen Ton höre, nur einen Ton…“ ließ sie die Drohung unfertig ausklingen, bevor mich ihre Peitsche am Rücken traf. Ich verkniff mir einen Schrei – Rahja sei gedankt für meine eiserne Selbstdisziplin! Ich spürte die Blutstropfen über meinen Rücken perlen. Dann riss sie mir an den Haaren, blickte mir ins Gesicht und fragte mich süffisant lächelnd, ob ich mehr wollte. Als wenn so ein kleiner Hieb alles wäre, was ich vertragen konnte! „Ja, Herrin, mehr“, presste ich zwischen meinen Lippen hervor, bevor ich die Zähne wieder zusammenkniff. So wiederholte es sich mehrfach. Sie schlug weiter auf meinen Rücken ein, dann auf mein Gesäß. Schließlich langte es mir dann, noch ein Schlag, bevor ich mich vom Balken lösen ließ. „Mach mir im Separee bloß nicht schlapp, sonst binde ich dich wieder fest,“ hauchte ihr mir ihre jetzt rauchig-heißer erregte Stimme dabei ins Ohr. Der Akt danach war wild, zügellos und manchmal auch etwas schmerzhaft, aber mehr als leidenschaftlich. Und ich danach tatsächlich völlig erschöpft. Vielleicht war diese Frau genau die, die mir weiterhelfen konnte? „Meine dornenreiche Rose,“ säuselte ich in ihr Ohr, „ich hätte da noch eine Frage. Ich bringe einen Gruß der Hierophantin von Belhanka und wollte dich Fragen, ob Du hier vielleicht ein Gänseblümchen kennst das du mir vorstellen könntest…“. Ich benutzte bewusst den Verweis auf das Schreiben, dass ich kürzlich erhalten hatte. Aber sie wusste von nichts und führte mich stattdessen zur ältesten Geweihten des Tempels. Leider war die Tempelälteste, sie war nach Aussage der erhabenen Klippstein schon weit über 70 Götterläufe, derzeit unpässlich. Nun gut, dann vielleicht wann anders. Dieses „Gänseblümchen“ kennen zu lernen hätte mich ja wirklich interessiert, aber wenn die Geweihten noch nicht bereit waren, sich mir zu offenbaren, dann wollte ich das auch respektieren. Die Geweihte verabschiedete sich mit einem leidenschaftlichen Kuss und einem erneuten Griff in meine Wunden von mir – was für ein heiliges Miststück! Ich grinste in mich hinein, auch wenn ich völlig fertig war. Ich spendete weitere 8 Dukaten, als ich mit steifen Schritten und leicht gekrümmten Rücken zu meinen Gefährten zurück ging, die sich faul auf Liegen fläzten und Wein, Früchte und eine Massage genossen. Sie wussten ja gar nicht, was ihnen Entging!

Da es schon abends war gingen wir nun nach Hause, aßen noch ein spätes Mahl mit der Familie und begaben uns dann zur Ruhe. Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich mir ein wenig Salbe auf die wund geschlagenen Stellen meines Körpers strich. Da hatte mir mancher Strauchdieb weniger übel mitgespielt, als die Geweihte.

Vater buchte uns die Passage auf einem schnellen Schiff, dass am 1. Peraine ablegen sollte, also übermorgen. Bis dahin war ich im Beschlag durch meine Familie und Visaria, mit denen ich die schönen Seiten der Stadt vor meiner erneuten Abreise genoss. Nicht zuletzt wollte ich ja den Mädchen die mitgebrachten Geschenke aus dem Schatzhort überreichen. Was brächten mir den die schönsten Mitbringsel, wenn ich es versäumte sie auch herauszugeben.

Anfangen wollte ich mit Liliana am Morgen des 29 Phex. Mir blieb auch kaum eine andere Wahl, weil sie mich selbst direkt in Beschlag nahm. Ich sei so lange fort und hätte gar keine Zeit mehr für sie. Das gedachte sie nun zu ändern, solange sie die Gelegenheit dazu hatte. Wir wollten eine kleine Flussbootsfahrt in der Mündung der Hanfla machen. Vorher aber gab ich Liliana den Ring. In ihren Augen sah ich, dass er ihr gefiel. Sie verstand auch ohne Erklärung die symbolische Bedeutung der silberblauen Blüte. Und sie wäre nicht die Tochter ihres Vaters, wenn sie den Wert nicht erkennen würde. Es war ja kein billiger Tand, den ich ihr gerade überreicht hatte, sondern der Ring mochte gut und gerne 400 oder 500 Dukaten wert sein. Damit würde sie sich auch vor ihren Freundinnen nicht schämen müssen… Ein verschmitztes Lächeln, wie immer wenn sie sich freute, stahl sich in ihr Gesicht. Sie steckte sich den Ring direkt an den Finger und wollte ihn gleich Mutter zeigen. Sie so glücklich zu sehen füllte mein Herz mit Wärme und Stolz. Bisher war ich nie in der Lage gewesen, ihr ein angemessenes Geschenk zu machen. Es war auch zwischen uns nie nötig gewesen, wir waren auf andere Art als durch Materielles miteinander verbunden. Trotzdem fühlte es sich gut an, ihr auch so einmal meine Liebe und Zuneigung beweisen zu können. Sie wollte sich dann nur schnell zum Ausgehen fertig machen - was eine gefühlte Ewigkeit dauerte. Aber in diesen Dingen war sie eben schon eine richtige Dame. Als sie die Treppe herunter kam sah sie aus wie eine junge Herrin. Ich würde ein wachsames Auge auf sie haben müssen, dass ihr keines dieser verwöhnte Grandensöhnchen irgendwelche unpassenden Avancen machte. Hoffentlich konnte ich bald wieder länger zuhause sein! Sie war sichtlich stolz mit mir unterwegs zu sein, den Ring präsentierte sie subtil, aber so, dass jeder ihn sehen konnte und musste. Während wir uns den Hügel hinunter tragen ließen erzählte ich vom Kampf mit der Drachenchimäre und ließ auch die Verdienste von Faramud und Surina nicht außen vor. Gerade zu Surina schien sie zu interessieren, ob diese einen Mann hatte. Als ich sie fragte, wie sie darauf käme meinte sie, Surina wirke unzufrieden und frustriert, geradezu vernachlässigt, und solle doch einmal in den Rahjatempel gehen und sich entspannen. Ich grinste dabei nur. Der Mann, der es mit Surina aufnehmen konnte wäre sicher nicht leicht zu finden. Wir buchten uns auf einem der Vergnügungsschiffe für 2 Dublonen für jeden ein, die ich aber gerne zahlte. Den halben Tag fuhren wir mit dem Schiff durch die Mündung der Hanfla bei bester Unterhaltung und recht exklusiver Gesellschaft. Als wir danach noch in eines der Kaffehäuser gingen um noch mit etwas süßem unseren Ausflug zu beenden konnte ich mir nicht verkneifen sie mit hoffnungsvoller Stimme zu fragen, ob Visaria uns morgen vielleicht begleiten würden. Ihr glockenhelles Lachen und das Versprechen, ihrer Freundin eine Nachricht zukommen zu lassen ließen mein Herz schneller schlagen.

Am Nachmittag ging ich dann zu Ulmjescha, die wie immer mit Nandurin spielte. Seltsam. Ich kannte das kleine Mädchen gerade einmal ein paar Götternamen, aber sie war mir bereits so sehr ans Herz gewachsen, dass ich sie wie jeden anderen meiner Familie gegen Bedrohungen bereit war mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Und immerhin war ich es gewesen, der sie aus dem hohen Norden hinunter in den tiefen Süden geführt hatte, weg von allem was sie kannte in die Fremde. Ulmjescha war, wir mir jetzt überraschend bewusstwurde, der erste Mensch, für den ich aus freien Stücken und aus eigenem Antrieb die volle Verantwortung übernahm. Und dieser würde ich, bei allen Zwölfen, mit all meiner Kraft nachkommen, wenn es nötig war. Als ich ihr mitteilte, dass sie für mich nun Teil meiner kleinen Familie, dabei deutete ich auf mich und Nandurin, war, traten ihr Tränen in die Augen. Mir wurde auch bewusst, dass ich über das Mädchen eigentlich so gut wie gar nichts wusste. Was hatte sie in Festum erlebt? Was war mit ihrer Familie? Ich nahm mir vor, sie bei Gelegenheit einmal nach ihrer Vergangenheit zu fragen… aber nicht jetzt. Ich gab ihr die Goldkette mit dem Anhänger daran. Vermutlich das wertvollste, was sie in ihrem Jungen leben je besessen hatte. Ich taxierte das Schmuckstück auf nicht weniger als 200 Dukaten. „Gib gut darauf acht, Ulmjescha. Mit diesem Zeichen unserer Verbundenheit und dem Schutz der Zwölf unter dem Du nun stehst ist besiegelt, dass Du nun zu uns gehörst,“ sagte ich zu ihr, als sie mir um den Hals fiel. Als sie mit Freudentränen in den Augen den Anhänger Nandurin zeigte funkelten seine Augen. Die Kommode ruckelte, aber er bekam sie nicht hoch und schien deswegen zornig zu werden. Als er merkte das es nicht klappte, rauschte ein Apfel auf mich zu und traf mich an der Schulter. „Für Dich finde ich auch noch etwas Besonderes, mein kleiner Schatz, aber nicht von diesem Ort,“ sagte ich, als ich ihm durchs Haar wuschelte. Warum hatte er es nicht geschafft die Kommode zu bewegen? Ich grübelte versonnen, während ich noch bei meinen beiden Kleinen saß. Hat das verschwundene Band ihn auch seine besondere Kraft gekostet? Und welche Möglichkeiten konnte es geben, sein Potential wieder zu steigern? Oder war es am Ende gar nicht seine Kraft gewesen, die solche Wunderstücke ermöglicht hatte, sondern das Werk eines versteckten Dämons der in ihm geschlummert hatte? Nandurin spielte mit Uljescha und dem Anhänger. Ich musste wieder lächeln. Es war so schön zu sehen, wie die beiden so schnell gute Freunde geworden waren. Mein kleiner Zornbold, der endlich jemand hatte, der sich nicht vor ihm fürchtete. Und Ulmjescha, die meinen kleinen Prinzen so annahm wie er war, ohne die abergläubische Furcht, die alle anderen Diener hier im Haus gepackt hatte. Manchmal konnte das Schicksal auch gütig sein. Ich dankte stumm den Göttern für ihre Gnade. Während ich noch die schönen Stunden genoss, kam ein Hausdiener und klopfte an der Tür. „Herr, ich soll Euch von Eurer Schwester ausrichten, die Dame Visaria hat sich heute Abend zur 8. Stunde angekündigt.“ Konnte der Tag überhaupt noch besser werden?

Allerdings würde ich mich in meiner jetzigen Verfassung kaum Visaria gegenüber wagen. Die Geweihte im Tempel hatte doch ganze Arbeit geleistet, und Visaria Fragen nach den Wunden auf meinem Rücken oder meinem Hintern zu beantworten hatte ich tatsächlich keine Lust… Ich heilte mich daher vorher noch schnell mit einem Balsamsalabunde um die Striemen verschwinden zu lassen. Nicht auszudenken wie sie es auffassen würde, wenn sie mir vielleicht über den Rücken strich und ich unabsichtlich vor Schmerz zurückzuckte. Nein, da wollte ich kein Risiko eingehen… wir wollten uns zu einem Spaziergang am Abend im Rosenpark treffen. Ein angemessener Zeitvertreib für junge Leute aus gutem Hause. Die Sänfte mit der Visaria gebracht wurde war deutlich prächtiger, als diejenige welche Mutter mir zur Verfügung gestellt hätte. Kein Wunder, jemand wie sie der aus der Familie Ulfhart stammt würde sich natürlich nicht zurückhalten, wenn sie gekommen war um Eindruck zu hinterlassen. Dabei hätte sie sich gar keine Mühe geben müssen… selbst im einfachsten Leinenkleid wäre sie das wundervollste Mädchen gewesen, das ich jemals kennengelernt hätte. Ich hatte es schon bei Liliana gesehen, aber es traf genau so auch auf Visaria zu. Aus dem jungen Mädchen das gerade erst erblühte war, seit ich mich auf meine vielen Reisen begeben hatte, schon eine richtige kleine Frau geworden, der selbst Rahja ihre Schönheit neiden würde. Sie war jetzt 14 Götterläufe alt, aber ich schwöre bei der göttlichen Stute, in meinen Augen gab es keine Frau, die begehrenswerter hätte sein können. Ihr dunkles, langes Haar, ihr anmutiger Hals, die zarten blassen Arme, die schlanke Taille, um die herum sich gerade die ersten Rundungen einer heranwachsenden Frau entwickelten… niemand könnte je wundervoller sein als sie!

Wir wurden mit ihrer Sänfte in die Stadt getragen. Als die Vorhänge der Sänfte zugezogen wurden gab ich ihr den Anhäger. Es kam nicht oft vor, dass mir die richtigen Worte nicht einfach aus dem Mund flossen, aber in ihrer Gegenwart fühlte ich mich manchmal wie ein dummer kleiner Junge, der staunend einer Götting gegenübersteht. Ich versuchte ihr unbeholfen zu erklären, was die beiden Raben, der schwarze und der weiße, und das grüne Herz bedeuten mochten und machte ihr mit einem Flim Flam Licht, damit sie die Kette besser betrachten konnte. Wenn sie damit zu ihrer Familie zurückkam, würde sie sich nicht schämen müssen, ganz im Gegenteil. Ich hatte Vater gefragt, der hatte für solche Dinge ein besseres Auge als ich. Er hatte geschockt gekeucht, als ich ihm sagte wem ich das Stück schenken wollte und mich gefragt, ob das mein Ernst sei. Bei einem der örtlichen Juweliere hätte ich wohl um die 1200 Dukaten für diese Kette auf den Tresen legen müssen. Aber das war nun alles nebensächlich. Jetzt war eindeutig sie es, die alle Fäden in der Hand hatte. Ich sah das glitzern in ihren Augen, keine Gier sondern pure Freude. Sie hob ihr seidiges Haar etwas an und ich durfte ihr die Kette umlegen. Der leichte Duft von Orchideen stieg mir in die Nase, als ich mich ein wenig über sie beugte und sie mir danach einen sanften Kuss auf die Wange gab. Kurz schien sich die Welt um mich zu drehen, so glücklich war ich in diesem Augenblick. Dann setzte sie sich wieder hin, ließ aber ihre Hand in meiner liegen und lächelte mich an, während ich ihr von der Reise in den Dschungel erzählte. Trotzdem fühlte ich mich beobachtet. Natürlich, das hätte ich nicht vergessen sollen. Neben der Sänfte ging ihre Anstandsdame her, die auf uns achtete, damit es später kein unanständiges Gerede geben würde. Wir gingen nach dem Besuch im Rosenpark auf der Flaniermeile zwischen anderen Gutbetuchten spazieren und kehrten in ein Teehaus ein, wo wir zusammen an süßem Gebäck knabberten. Wie gern hätte ich in diesem Augenblick stattdessen an ihren Lippen geknabbert oder die kleinen Krümelchen von ihrem Mund geküsst. Aber der stechende Blick ihrer Anstandsdame verhieß mir die Niederhöllen, sollte ich es auch nur im Entferntesten wagen mich ihr unziemlich zu nähern. Ich würde wohl kaum umhin kommen, mich den Altvorderen der Familie Ulfhart zu stellen, wenn ich wieder da wäre. Visaria bedauerte aufrichtig, dass ich schon wieder gehen wollte und wir nicht sofort mehr Zeit zusammen haben konnten. Aber ich versicherte ihr, dass ich diesmal nur kurz fort sein würde. Ihre Eltern hätten, so meinte sie und das war der Lichtblick des Abends für mich, sich anscheinend damit anfreunden können, einen Abgänger der hiesigen Akademie für ihre Tochter zu haben. Was für ein Glück! Denn mein familiärer Stand als Bastard meines Vaters wäre ansonsten sicher kaum ausreichend gewesen, um mir einen Weg zu ihren Eltern zu Bahnen, auch wenn sie weit abseits der eigentlichen Erblinie der Familie stand. Die Ulfharts würden sicher nicht jeden in ihre Nähe lassen. Es war ein mehr als angenehmer Abend, bevor wir dann zurückgetragen wurden. Ich wünschte nur, er hätte ewig dauern können. Auch Visaria konnte sich ein paar Tränen beim Abschied nicht verkneifen. Es schien für sie mittlerweile mehr als nur eine Schwärmerei zu sein, die sie für mich empfand, und mir ging es nicht anders. Aber mehr als ein flüchtiger Kuss hinter dem Vorhang der Sänfte blieb uns nicht, als wir uns verabschiedeten. Unsere Lippen hatten sich kaum getroffen, als schon das vernehmliche Hüsteln der Anstandsdame keine zwei Schritt entfernt zu vernehmen war. Konnte das Hexenweib denn im dunklen durch den Vorhang sehen, oder was? Aber diesen kurzen, honigsüßen Moment schmeckte ich noch den Rest der Nacht auf meinen Lippen…

Dann brachen wir am 1. Peraine auf. Faramud schien froh zu sein das wir Al’Anfa verließen. Anscheinend hatte er die Schönheit der Stadt immer noch nicht verstehen können. Die Reise dauerte auf Grund einer ausgedehnten Flaute etwas länger als erwartet, aber das focht uns wenig an. Wir kamen zu später Stunde in Kunchom an und suchten uns eine ordentliche, aber nicht überteuerte Unterkunft. Kein Vergleich mit dem Goldenen Mahanadi, aber für heute ausreichend. Mit einem Lächeln dachte ich an Melissa und ihre schier unerschöpfliche Geldbörse. Was sie wohl gerade tat? Sicher war sie schon in Chorop und hatte es ihrer Familie unter die Nase gerieben, geschafft zu haben was niemand für möglich gehalten hätte. Es gab ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder hatte sie nun den uneingeschränkten Respekt ihrer Familie verdient und gute Chancen, später deren Oberhaupt zu werden. Oder ein Missgünstiger Verwandter mochte sich daran machen, ihr den Verdienst streitig zu machen und sie verschwinden zu lassen. So wäre es zumindest in Al’Anfa gelaufen… sollte ich nichts von ihr hören wenn wir zurückkamen, müsste ich wohl selbst nach Chorop reisen um nach ihr zu sehen und sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Wir bekamen noch ein spätes Essen und am nächsten Morgen gingen wir zuerst Vaters Brief abgeben und dann zur Drachenei-Akademie um Junasia zu treffen. Wir wurden zügig zu ihr geführt. Sie residierte in den Räumlichkeiten Magister Rakoriums und Empfing und im Voyer. Faramud übergab ihr Echs-Kalibur als Lohn für ihre Arbeit, so wie wir es versprochen hatten. Als sie uns in die Räume des Meisters bat trafen wir einen alten, unfreundlichen Zausel der überaus verwirrt wirkte. Sie stellte uns vor, aber er schien uns zu ignorieren und war auf das Schwert fixiert. Und trotzdem wirkte er sehr verwirrt, so als ob sein geist bereits schwach werden würde. Ich war froh, dass wir recht schnell wieder entlassen waren. Hoffentlich war das, was Junasia sich davon versprach die Mühe wert. Ich beneidete sie nicht, tagaus tagein mit diesem Greis verbringen zu müssen. Eine schreckliche Vorstellung…

Faramud meinte, eine schnelle Karawane gen Rashdul wäre das Beste, von hier nach dort gingen ständig welche. Die nächste würde in 3 Tagen gehen und 6 Tage bis Rashdul brauchen. Um die profanen Dinge wie die Reise sollte er sich gern kümmern, ich wollte solange in einem Teehaus warten. Als er zurück kam mit der Nachricht, dass er eine Passage auf einem Flusssegler gebucht hatte, gab es wohl einen neuen Plan. Aber so verloren wir keine Zeit, denn der Segler fuhr direkt am nächsten Morgen weiter und der Wind bliess günstig vom Meer her. Wir zahlten 3 Silber pro Tag für unsere Kabine, die Fahrt mochte wohl 4 Tage dauern unter diesen Bedingungen. Der erste Tag führte uns durch ein Delta und Gewirr von Flüssen und Seitenarmen. Am zweiten Abend kamen wir nach Jaiban. Am Rand der Stadt war eine neue große neue Arena errichtet worden, in der nach Auskunft unseres Kapitäns in Lebensgröße Rote und weiße Kamele mit echten Kamelen gespielt würde. Heute leider aber anscheinend nicht, denn die Arena lag dunkel und verlassen dar. Schade, das hätte ich mir gerne einmal angesehen. Das nächste Stück des Flusses war von Wäldern gesäumt und wies viele Sandbänke auf, die die Fahrt verlangsamten und komplizierter machten.

Nach einigen Stunden wurden wir von einem kleineren, schnelleren Segler überholt, der sich plötzlich vor uns in der Fahrtrinne mit gerefften Segeln quer stellte. Am Ufer eilten Bogenschützen herbei, die uns unter Beschuss nahmen. Wohl ein Überfall einer Horde dummer Flusspiraten. Faramud schoss einen Brandpfeil ins Segel des anderen Schiffes und Pamina nahm einen Mann unter Beschuss, der das Feuer löschen wöllte. Aber auch wir wurden vom Ufer aus unter Beschuss genommen und direkt in der ersten Salve wurde ich von einem feindlichen Pfeil getroffen. Das würde ein heißer Tanz werden!

 

Zwischen dem ganzen Geschrei, das wirr durcheinander hallte, übernahm ich das Kommando und legte meine lauteste Befehlsstimme auf. „Kappt die Segeltaue, Ruder hart Backbord, dreht, rammt die dreckige Pinasse, zurück und weg von ihnen.“ Erst war ich mir nicht sicher, ob die Schiffer auf mich hören würden, aber anscheinend hatte ich genug Autorität in meiner Stimme gelegt. Nach und nach nahmen die Seeleute, der Kapitän, ja selbst der Rudergänger den Befehl auf. „Er hat recht, die Segel ab, herum mit dem Kahn!“ Wieder einmal durfte ich feststellen, dass meine schärfste Waffe nicht aus Stahl, sondern mein Verstand war. Jetzt zahlte es sich aus, dass ich nicht zum ersten Mal auf einem Schiff unterwegs war und an meiner Akademie auch die Seefahrt gelehrt wurde. Wenigstens verstand ich wie ein Schiff funktionierte und konnte eine Sprache sprechen, die auch diese Schiffer verstanden. Trotzdem war ich mit der Geschwindigkeit, mit der sie meine Kommandos umsetzten nicht zufrieden.

Pamina erwiderte unterdessen unverdrossen das Feuer der Schützen am Ufer, Faramud zog seinen Kunchomer und das Schild, Surina Buckler und Rapier, um die enternden Piraten in Empfang zu nehmen. Ich erinnerte mich noch an die Hummerier die uns in der blutigen See entern wollten… diese Piraten mochten gleich ihr blaues Wunder erleben. Die Ruderboote kamen unterdessen näher, während die Männer und Frauen im feindlichen Segler darauf warteten das wir nah genug herankamen, damit sie eine Enterplanke auf unser Schiff legen konnten. Beim Drehen unseres Schiffs hörte ich ein unschönes schaben vom Bug auf dem sandigen Grund des Flusses, aber unsere Fahrt führte immerhin nicht mehr direkt auf das feindliche Schiff zu, dass nun in der Engstelle verharrte, so dass wir etwas Abstand gewannen.

Surina löst den auf ihrem Buckler applizierten Favilludo aus – ich glaube der korrekte Name für das Artefakt, das sie aus dem Schatzhort mitgenommen hatte war „Grandenretter“ - und begann zu glitzern und zu schillern. Und das so stark, das ich vermutete, wer auch immer dieses Stück geschaffen hatte war ein wahrer Meister der Illusionsmagie. Pamina feuerte immer weiter gegen die Schützen auf der Sandbank, erzielte auch Treffer, brachte aber niemand zu Fall. Links und rechts geschah es dann, wir wurden von den Besatzungen der kleinen Boote geentert. Faramud, der mittlerweile Mittschiffs Position bezogen hatte, durchschlug geistesgegenwärtig auf der rechten Seite eines der Enterseile, so dass die beiden Piraten zurück ins Wasser fielen. Surina nahm auf der anderen Seite den ersten Gegner auf, der an Deck kletterte und einen großen Sklaventot zog, aber noch bevor er sich kampfbereit gemacht hatte direkt einen sicherlich schmerzhaften Stich von Surinas Rapier abbekam.

Gleich darauf traf sie ihn noch einmal am Arm, worauf die Memme wimmernd zu Boden stürzte und die Waffe fallen ließ. Unsere Fahrt war unterdessen fast völlig zum Erliegen gekommen und das oberhalb im Fluss liegende Boot lenkte die Strömung etwas von uns weg. Da wir zu steuerbord hin anscheinend feststeckten änderte ich nun das Kommando: „Ruder hart Backbord, schwenkt die Richtung, anders herum“. Diesmal folgte der Rudergänger, der direkt bei mir oben auf dem Heckaufbau stand, sofort auf meine klare Ansage. Trotzdem was es eine träge Angelegenheit, bis unser Boot endlich begann sich in die andere Richtung und in den Flusslauf hinein zu drehen.

Auch die Matrosen unseres Schiffes gingen nun in den Kampf und die wenigen Feinde die es bisher zu uns geschafft hatten wurden zügig erschlagen, trotzdem hatten wir noch nicht genug Abstand gewonnen, so dass nach einiger Zeit die restlichen Feinde vom anderen Schiff über eine 5 Schritt lange Enterplanke im Gänsemarsch herüberzukommen versuchten. Surina hatte unterdessen einerseits ein wenig Pech und wurde an der Brust tödlich getroffen, das Blut sprudelte aus ihr wie aus einem Springbrunnnen im Stadtpark. Auf der anderen Seite hatte sie unverschämtes Glück… nämlich das ich dabei war. Eigentlich hatte ich gerade versucht vom Heckaufbau her mit seinem Bogen hinter Faramud herzueilen. Zuerst wollte ich ihm eigentlich einen Armatrutz angedeihen lassen, aber da war er schon davongelaufen. Dann wollte ich ihm folgen, damit er mit einem seiner Pfeile eine Ladung Phosphor auf das feindliche Schiff schießen mochte. Und nun brach ich meine Verfolgung, Faramud war mittlerweile am Bug des Schiffes angekommen, ab, um mich mittels Balsam um Surina zu kümmern und sie zu retten. Mir war durchaus bewusst, dass ich ein gewisses Risiko einging, denn meine Beherrschung des Balsam mochte man zumindest noch als „ausbaufähig“ bezeichnen. Und das Loch in Surinas Brust verhieß keine leichte Aufgabe. Dennoch gelang es mir glücklicherweise unter Zuhilfenahme aller Konzentration derer ich fähig war, und ich holte sie von der Schwelle des Todes zurück. Dafür war es mir, die Hand auf ihrer Brust, nun nicht mehr möglich mich auf andere Weise an dem Geschehen zu beteiligen.

Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, bis mein letzter Befehl umgesetzt war und sich unser Schiff mit einem Ruck losriss, wobei sich die Planke löste nachdem nur zwei Mann des feindlichen Schiffs es zu uns aufs Deck geschafft hatten und der Rest platschend ins Wasser fiel. Ich vernahm ein gedämpftes Krachen als wir eines der kleinen Ruderboote rammten. Registrierte es aber in meiner Konzentration kaum, standen mir doch vor astraler Anstrengung die Schweißperlen auf der Stirn. Der Feind war mit seinem Segler in der engen Fahrrinne gefangen die er nutzen wollte, um uns eine Falle zu stellen. Schrittweise entfernten wir uns langsam in der Strömung des Mahanadi, bis wir auch die Schützen am Ufer soweit zurückgelassen hatten, dass wir die gekappten Seile ersetzen konnten um wieder die Segel nutzen zu können als auch an Deck die letzten Feinde geschlagen wurden. Faramud schoss noch einige Brandpfeile zum Abschied auf das andere Schiff in der Hoffnung das Piratenproblem endgültig zu lösen. Wir fuhren nicht ganz ein Stundenglas zurück zur letzten Anlegestelle, wo wir uns in Sicherheit wähnten. Währenddessen verband Faramud einige der Matrosen notdürftig, an denen das Gefecht ebenfalls nicht Spurlos vorübergegangen war. Surina, die ich mittlerweile wieder Ansprechbar bekommen hatte, war mir natürlich dankbar – und wollte um nicht noch einmal so unglücklich getroffen zu werden bei nächster Gelegenheit dem Herrn Phex Opfern. Als wir endlich die Zeit fanden etwas Ruhe zu finden meinte der Kapitän, die Strecke wäre sonst vollkommen sicher, der Überfall sei ungewöhnlich für diese Gegend. Allein, was brachte uns diese Aussage? Zwischen Kunchom und Rashdul gäbe es sonst seit langer Zeit keine Flusspiraten mehr, das ginge sonst erst südlich von Rashdul ab dem Schuboch los. Was Wunder… das Konzeot der Flusspiraterie war ja an sich schon recht dämlich. Zum einen konnten sie sich mit ihren Booten kaum verstecken. Und wenn doch gab es hier magische Potentaten, die auch einfach einen Djinn schicken konnten, wenn das Unwesen Überhand nahm und die Handelsrouten gefährdete. Ich war mir ziemlich sicher, das sich jemand wie Sultan Hasrabal von solchem Pöbel nicht seine Bilanz verderben und die Schatzkammer würde leiden lassen. Bei diesen Gedankengängen wurde ich von Faramud auf dem Weg noch verbunden, die beiden Pfeile die mich getroffen hatten waren schmerzhafter Körperschmuck, den ich nicht länger als notwendig tragen wollte.

Von hier aus waren es noch etwa 2 und einen halben Tag bis Rashdul. Der Kapitän wollte bis morgen noch ein paar wehrfähige Männer anwerben um auf dem Rest der Fahrt sicher zu sein. Am Anlieger erwarteten uns nur einige wenige Häuser und Hütten, dennoch nahmen wir hier Quartier in der Karawanserei und speisten und tranken mit dem Kapitän. Das mindeste, das er uns für die Rettung seines Schiffs schuldete waren wohl einige Karaffen Dattelwein und ein gutes Essen, während ein paar Boten mit der Kunde über die Piraten gen Kunchom gesandt wurden.

Am nächsten Morgen ging es meinem Arm schon besser, ich war aber noch nicht bei voller körperlicher und geistiger Kraft. Das würde wohl noch ein oder zwei Nächte Dauern. Wir fuhren im Morgendunst weiter, erneut den Weg den wir schon kannten. Nach einer Stunde erreichten wir wieder die Engstelle. Kein Feind war mehr zu sehen, nur ein ans rechte Ufer gedrücktes, manövrierunfähiges kleines Schiff erinnerte an die Tat. Ihr Boot hatten die Piraten anscheinend nicht mehr flottbekommen, der Bugsprit war brandig und einzelne Glutnester glommen immer noch auf den Planken. Die Hylailer-Feuer-Pfeile Faramuds hatten sich eindeutig bewährt. Dafür dauerte es etwas, bis wir die Stelle passiert hatten, wurde die Engstelle doch noch etwas schwieriger zu durchfahren mit dem neuen Hindernis. Wie der Mund einer jungen Edeldame den man küssen möchte, der aber teilweise von einer Federmaske verdeckt war. Danach aber kamen wir wieder zügig voran.

Der weitere Weg verging zum Glück deutlich ruhiger und in der eigentlich erwarteten friedvollen Weise. Die nächste Rast legten wir in Temphis ein und fuhren dann weiter nach Rashdul. Der Fluss floss hier recht gemächlich, träge und breit mit wenig Schleifen, während der Wind uns gut vorantrieb. Als wir endlich in Rashdul ankamen war ich wieder gut erholt. Den Kapitän fragte ich, ohne große Hoffnung, nach dem Prediger den ich suchte, aber er kannte ihn wie erwartet nicht. Es war kurz nach der Mittagsstunde als wir in den Flusshafen einliefen. Als wir uns verabschiedeten versicherte der Kapitän, er würde sich freuen uns auf der Rückfahrt wieder mitnehmen zu können. Das glaubte ich ihm gern, eine bessere kostenlose Schutztruppe konnte er ja auch kaum finden!

Am Flusshafen wollten wir die Hafenwache nach einer annehmbaren Unterkunft fragen– ich war mir unschlüssig, ob ich luxuriösen tulamidischen Flair oder das dunkle innere einer Karawanserei erwarten sollte. Aber Rashdul war ja hier so etwas wie eine Metropole, alos würde sich sicher etwas Annehmbares finden lassen. Die Stadt war aus und auf rotem Kalksandstein gebaut und zog sich Stufenweise einen Berg hinauf, oben thronte ein gleißend weißer Palast. Das erinnerte mich fast etwas an daheim, nur das bei uns in Al’Anfa mit dem Visra und dem Silberberg natürlich ein etwas dunkleres Farbspiel vorherrschte. Aber die Grundarchitektur vom Hafen hinauf zu den Villen und Palästen der Wohlhabenden war sich recht ähnlich. Am Tor ließ sich allerdings keine Wachen finden, den als wir eintraten wand sich uns eine prächtig behauene Basaltstatue zu, musterte uns und ließ uns schließlich ein. Das war etwas befremdlich. Allerdings auch faszinierend. Eine Art Wächtergolem, oder ein Artefakt? Mir blieb jedoch kaum Zeit, darüber nachzugrübeln. Wir schlenderten eine große, baumbestandene Straße entlang in die Stadt hinein bis zu einem noch größeren zentralen Platz. Ein Gebäude, vor dem etliche Menschen knieten und zum Götzen Rashtulla beteten dominierte diesen Ort. Das singsangartig-heruntergeleierte Gebet in diesem typisch-weinerlichen Tonfall den nur die wirrköpfigen Novadis zustande brachten quälte meine Ohren. Der Vorbeter trug ein fließendes Gewand, ähnlich dem Faramuds, aber es war nicht blau, so dass er vermutlich nicht der von uns gesuchte Spinner war. Etwas weiter fand sich – das gefiel mir schon deutlich besser - ein großer Hesindetempel, davor ein kunstvolles Brunnenbecken aus dessen Mitte Wasser in einer lebhaften Fontäne gen Himmel sprudelte. Ich war in Betrachtung dieses Kunstwerks versunken, als ich meinte auf der Wasseroberfläche ein Gesicht zu erkennen, dass uns musterte und mit einem glucksen in den leichten wellen verschwand. So machten sie das also mit der Fontäne, ein Wassergeist! Sari hätte das sicherlich gefallen. Schade, dass sie jetzt nicht bei uns war. Wo die kleine Nordländerin sich wohl gerade herumtrieb? Ich hatte ja noch Blut vom verbinden ihrer Wunden, aber ich glaube, weder sie noch Faramud wären damit einverstanden, wenn ich sie jetzt aufspüren lassen würde um sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Vielleicht musste ich mich doch bei ihr für irgendetwas entschuldigen, sollte ich ihre Gefühle verletzt haben. Faramud begann unterdessen, sich mit dem Wasser zu unterhalten und pustete darüber, so als würde er ein Atemopfer bringen. Das Wasser spritzte ihn fröhlich mit einem gischtigen Nebel etwas nass, gar so, als würde es ihm Antworten. Dabei hatte ich bisher den Eindruck, er hätte es eher mit Sturm und Blitz, als mit Wasser. Oder ging seine Verehrung der Naturgeister darüber hinaus? Das würde ich ihn einmal Fragen müssen.

Ich blickte mich suchend nach der örtlichen Magierakademie um, diese waren üblicherweise ja in der Nähe von Hesindetempeln zu finden. Durch eine Lücke zwischen zwei Häusern konnte ich sie ausmachen. Ein imposantes, von einer hohen Mauer umgrenztes und von zahlreichen verspielten Türmen gekröntes Bauwerk. JA, genau so stellte man sich in den Geschichten eine tulamidische Akademie vor. Faramud meinte, er würde auch gern die Akademie sehen, also gingen wir zu zweit direkt dorthin, während sich Surina und Pamina um die Unterkunft kümmern wollten. Wir standen vor einer 4 Schritt hohen Mauer, zu der ein Aufgang hinaufführte und dann vor einem verschlossenen Tor, vor dem ein alter Mann stand, der aber ganz offensichtlich weder Portikus noch Wächter sein konnte. Ich tat das naheliegende und klopfte vernehmlich am Tor, nachdem ich den Alten freundlich gegrüßt hatte. Aber niemand reagierte auf mein Klopfen. Stattdessen sprach mich der Alte von der Seite her an. „Junger Herr aus fremden Landen. Mein Name ist Johas, und ich werdet keinen Zugang zur ehrwürdigen Panjashtra finden, nicht auf diesem Wege. Nur auf magische Art und Weise ist diese Stätte der Gelehrsamkeit zugänglich. Ich könnte euch aber behilflich sein…“ ließ er sein Angebot ausklingen. Faramud nahm das Angebot mit blumigen Worten direkt an. Ich hatte ja noch meine Zweifel, verfügte ich doch selbst über arkane Möglichkeiten mir Zutritt zu verschaffen. Aber wieder wäre mir dabei Farmamud im Weg, und ich meinte mich zu erinnern, dass auch die hiesigen Kollegen einen Zwist mit Dämonenbeschwörern pflegten. Zumindest in jüngerer Zeit. Also ließ ich mich von Faramud überreden, die Dienste des Alten anzunehmen. Er hatte, welch ein Klischee! einen fliegenden Teppich mit dem er uns hinein bringen würde für nur einen Marawedi je Flug für jeden. Zwar versuchte Faramud zu feilschen, aber er schien sich aber an dem Alten die Zähne auszubeißen, da der sich seines Monopols durchaus bewusst zu sein schein. Der Teppich hieß Djahaba und wirkte recht temperamentvoll und feurig, war aber anscheinend ein weibliches Exemplar, da er sich von Faramuds sanftem Gesülze einlullen ließ und ihn, Gipfel der Unverfrorenheit, bei der Frage wer nun zuerst in die Akademie zu bringen wäre, daher gnadenlos bevorzugte.

Ich sollte beim Sahib al Babim drinnen vorstellig werden, um mich des Weges zu vergewissern, wie man hinaus und hinein gelangen könnte, riet der Alte. Aber an seinem Ton hörte ich schon, das er der Meinung war ich würde seine Dienste erneut benötigen. Ha! Nicht mit mir! Der Ertrag der Flüge flösse wohl in die Pflege des Teppichs, dem er nur das beste angedeihen ließ. Und zumindest das glaubte ich ihm, da das Textilstück wirklich einen außerordentlich ordentlichen Eindruck machte. Faramud und dem Alten hinterher blicken, für zwei war es doch etwas eng auf dem Teppich, sah ich wie dieser auf das Tor zuglitt und dann anscheinend einfach hindurch flog. Das verschwand, als er es mit seinen Troddeln berührte und schien direkt danach wieder zu materialisieren. Mir war absolut schleierhaft, wie diese Magie funktionieren mochte, aber es war mit Sicherheit äußerst potentes arkanes wirken. Ich war, zugegebenermaßen, beeindruckt.

Als ich an der Reihe war zog ich die Schuhe aus, bevor ich auf den Teppich aufstieg. Ich brauchte keinen Wortschwall, um dem Geist des Teppichs meine Ehrerbietung zu zollen! „Der Herr hat Anstand und Respekt,“ war der wohlwollende Kommentar des Alten zu seinem Fluggerät. Auch ich wurde in das Torhaus gebracht. Ein abgehängter Kronleuchter, der nur auf den ersten Blick Kerzen zu tragen schien, fiel mir als erstes auf. Ein genauerer Blick offenbarte, dass sich auf dem Leuchter eher eine ganze Ansammlung kleiner Elementare versammelt hatte. Auch so etwas hatte ich noch nie gesehen… Ein Grollen ging durch das Torhaus, dann ertönte eine tiefe, hallende Stimme. „He, Feuergeistlinge, macht mal etwas heller, Besuch.“ Der Tonfall erinnerte mich an den tiefen bass eines Zwergen, der hallte weil er in einem leergetrunkenen Bierfass feststeckte. Oder an das grummeln von massivem Geröll. Eine zweieinhalb Schritt große schwarze Steingestalt aus Obsidian wuchs aus dem Boden und stand dann vor uns. Sahib al Bahim, Meister der Tore. Ich stellte mich vor, schließlich hatte ich ein legitimes anliegen diese Hallen zu betreten, ich wollte mich ja nur anmelden. Aber als ich meinen Namen nannte gähnte der Felsklotz recht unhöflich. Stein polterten aus ihm heraus, so als ob er alt und gebrechlich würde. Dann fragte er in seiner unverkennbaren Stimme: „Habt ihr mit Dämonenzeug zu tun?“ die Frage brachte mich natürlich, da davon auszugehen war das ihm das nicht recht wäre, ein wenig in die Bredouille. „Nicht in letzter Zeit“, formulierte ich vorsichtig und definierte diesen Zeitraum für mich als „Seit wir aus Al’Anfa abgereist waren“. Faramud, der einer derjenigen war, denen ich dies umgehend attestiert hätte, gab zu Protokoll, er beseitige nur Dämonen. Dem Djinn, denn um einen solchen handelte es sich offensichtlich, war langweilig, seit die Dämonen weg waren, weil er keine mehr zerhauen konnte, wie er nun meinte. Ich war mir nicht sicher, ob er dies so meinte, dass ich ihm einen Dämon beschwören sollte an dem er sich austoben konnte. Aber das würde Faramud wieder nicht gefallen und den warnenden Blick den er mir zuwarf kannte ich mittlerweile nur zu gut. Dafür war der Djinn an den Steinen unserer Heimat interessiert und ich erzählte ihm vom wunderschönen Basalt des Visra. Er hatte wohl einmal eine Djnnendame gekannt, die aus Basalt war. Aber auch daran verlore er bald das Interesse und wollte dann in die Sonne gehen um sich zu wärmen. Ich sollte für einen anderen Weg hinaus die Erlaubnis der Magister einholen, verabschiedete er sich von mir. Da musste ich wohl einen der örtlichen Kollegen fragen. Dann öffnete er uns eine große Flügeltür in die Akademie hinein.

Faramud meinte auf dem Weg, der Gründer der Akademie wäre ein gewaltiger Krieger, Rashdul selbst. Er beherrschte angeblich die Sternenkraft genauso wie das Kriegshandwerk. Ein muskelbepackter Magier? Eine seltsame Vorstellung, die ich auch weniger mit den Tulamiden, als vielleicht den grobschlächtigen Thorwalern in Verbindung brachte, die ja angeblich auch dritt- und viertklassige Magier hervorbrachten. Im Innenhof wurden wir von einem Scholaren der etwas jünger als ich selbst war Empfangen, der sich als Rasfan vorstellte. Er ignorierte Faramud, der sich suchend umblickte, während wir parlierten. Rechterhand führte er mich sodann in ein Geschäftszimmer, in dem ich mich in das Buch der Akademie einschreiben konnte. Als ich ihm mein Anliegen schilderte, die Suche nach einem blau verhüllten Prediger, der vielleicht den Deckmantel des Rastullah-Glaubens nutzte um seine Irrlehren zu verbreiten, wusste er natürlich von nichts. Aber wir sollten auf der Suche in den Bethäusern fragen, oder den Antiquitätenhändler Gaftar ben Asaf, einen betagten Mann, der an Rashtulla glaubte. Dort habe er auch einmal ein höchst interessantes Buch gekauft, das sei aber Zufall gewesen es dort zu finden. Auch das Teehaus von Abu Zucham könnte eine lohnenswerte Station sein um Erkundigungen einzuziehen. Nun, das waren zumindest einige Hinweise, denen man nachgehen konnte.

Ich fragte ihn auch nach einem anderen Weg als der Teppich und was mich daran hindern sollte auf meinem Weg zu gehen? Er lächelte überheblich und meinte nur, ich solle es doch probieren. Einen anderen Weg gäbe es wohl nur, wenn ich von einem Magister geladen worden sei oder mich zur Lehre hier einschreiben wollte. Das war zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber gerade weder in meinem Zeitplan vorgesehen noch von aktuellem Interesse für mich. Faramdu hatte er geflissentlich weiter ignoriert, bis dieser seine Neugier auf eine kleine Akademieführung bekundete, die er für 3 Marawedi auch bekam. Allerdings nur, nachdem ich mich für ihn verbürgt hatte. Unterdessen unternahm ich einen Versuche mich  aus der Akademie hinaus zu teleportieren. Der Transversalis gelang mir recht ordentlich, daran hatte ich keinen Zweifel, wurde aber in der Mitte des Dachs auf Höhe des Firsts unterbrochen. Ich polterte über die Dachschräge und stürze die letzten 4 Schritt herunter in den Innenhof auch, wenn ich mich reflexartig an einigen Dachziegeln halten konnte und dadurch den Fall dämpfte. So im Staub zu liegen empfand ich als würdelos, also rappelte ich mich schnell auf bevor es jemand bemerken konnte und versuchte, mir den roten Sand von der Robe zu wedeln. Der Obsidiandjinn stand erneut vor mir und meinte, mir fehle die Erlaubnis diesen Weg zu gehen…  aber immerhin half er mir dann auf. Der Teppich wartete bereits auf uns… Ein anderer zulässiger Weg, waren wohl nur Elementare. Dämonen, wurde mir gesagt, funktionierten heutzutage wohl nicht mehr, weil ein Kerl namens Hasrabal – das kam mir aus irgend einer Geschichte wage bekannt vor - das nicht mehr zu ließe.

Der Alte empfahl uns auf meine Nachfrage als Herberge die Karawanserei am Basar oder das Haus Festum, es gehörte den Stoerrebrands, sei aber eher beengt. Oder den „feurigen Shadif“, oder die Karawanserei Mahanadi. Am besten sei aber der Shadif, firunwärts außerhalb der Stadtmauer. Dort gingen wir gemeinsam hin um Quartier zu nehmen. Auf irgendeine verlauste Absteige hatte ich keine Lust, und rein monetär hatten wir das ja auch nicht nötig. Auf dem Weg passierten wir einen Platz mit zwei Borontempeln. Einer davon dem Al’Anfaner Ritus, also der richtigen Religionsauslegung zugehörig. Das sich die beiden Häuser allerdings in anscheinend friedlicher Eintracht gegenüberstanden hatte ich so auch noch nicht gesehen. Morgen würde ich unbedingt einmal den Tempel besuchen und mich erkundigen müssen, was es damit auf sich hatte. Wir kamen zu vorgerückter Stunde an der Karawanserei an. Ein feister Kerl mit vom Dattelwein roter Nase nahm uns in Empfang. Der Schmierling stellte sich als Djerdam ibn Aram, erster Vorsteher des Hauses, vor, der in der bedauerlichen Abwesenheit des Besitzers diesen Vertreten durfte und uns herzlich willkommen hieß. Heute Abend sei der Tanz einer Sharisad um Kurzweil zu bieten geplant, und das wollte ich mir dann doch nicht entgehen lassen. Wir ließen uns Zimmer für uns und noch ein Bad für die Damen geben. Das Dampfbad war aber, und ich hörte in Gedanken surina schon wieder toben, lediglich für die Herren. Die Damen bekamen nur einen warmen Zuber und Kernseife. Wir hingegen noch Rosenöle und Massage. Ich hoffte für den Concierge, dass Surina das nicht gehört hatte. Man war recht Stolz auf das kunstvoll gestaltete Dampfbad, welches wohl vom Obsidiandjinn der Akademie geformt worden war, bevor er dort seinen Dienst antrat. Diese Stadt hatte auf jeden fall Überraschungen zu bieten.

Auf die Zimmer bekamen wir Schalen mit Zitronenwasser, das aber zum Waschen, nicht zum Trinken gedacht war. Es gab auch eine kleine leichte Speise vor dem Dampfbad, Datteln, helles Brot und Honig. Das Bad war zwar klein, aber exklusiv in der Bauart und ich genoss seine Vorzüge mit allen Sinnen. Die Alabasterfließensteinchen und der schwarze Obsidian wirkten sehr edel. Danach folgte das richtige Essen und der bezaubernde Tanz der Sharisad, bevor wir uns für eine ruhige Nacht auf die Zimmer zurück zogen.

 

Nach einem typisch tulamidischen Frühstück lenkten wir unsere Schritte zunächst zum Phextempel, da es Surina ein dringliches Anliegen war sich dort von einigen Dukaten zu trennen. Ihren Beinahe-Tot auf dem Schiff schien sie weniger mit mangelnden eigenen Kampffähigkeiten, denn mit übermäßigem Glück ihres Gegners in Verbindung zu bringen, weswegen sie nun den Fuchs der Götter darum bitten wollte, doch das nächste Mal mehr auf ihrer Seite zu stehen. Der Tempel war in der Oberstadt gelegen, die von einer Mauer geschützt war und einigen Wachen mit schlangenförmigen Speeren bewacht wurde. Aber für mich als Mann von Stand – und mein Gefolge – war der Tempelbesuch ein ausreichender Grund ohne weiteres höflich durchgewunken zu werden. Ich muss sagen, dass die Leute dieser Stadt einem standesgemäß auftretendem Magus gegenüber genau das richtige Maß an Ehrerbietung und Respekt an den Tag legten. Das war überaus angenehm. Gegenüber dem Phextempel fand sich auch der Rahjatempel, der für mich -aus rein professionellen Gründen - von größerem Interesse war. Und da ich nach relativ kurzer Zeit und einem kleinen Disput mit dem örtlichen Phexgeweihten der sich um Dämonen drehte, gebeten wurde den Tempel zu verlassen, wand ich mich lieber dem Haus der Rahja zu.

Dort fand ich allerdings zur frühen Stunde nur eine junge Novizin vor, die von den Fließen die Überreste der letzten Nacht fortfegte und mich darauf verwies, ab der Mittagsstunde wiederzukehren, wenn die Geweihten ihren Schlaf beendet hätten. Das würde ich wohl tun müssen, war mein Anliegen doch kaum als so eilig zu bezeichnen, das es getaugt hätte die Erhabenen wecken zu lassen. So fand ich mich auch hier nach kurzer Zeit wieder auf dem Platz vor den Tempeln, wo einige Zeit später auch der Rest unserer Reisegruppe erschien.

Dann würden wir wohl den Vormittag über mit unseren Recherchen beginnen, und das taten wir als erstes Schule der hohen tulamidischen Kampfeskunst, deren Vorsteher Rashij ben Surkan ein glühender Anhänger Rashtullas sein sollte und vielleicht etwas über den von uns gesuchten wissen könnte. Nun war ich natürlich genau der richtige Mann, um Wissen an einer Magierakademie zu erlangen, aber an einer solchen Einrichtung für Kämpfer war ich sicherlich nicht der geeignetste Wortführer. Und Surina, die da andernorts in Frage gekommen wäre und ja auch nicht aufs Maul gefallen war, würde als Frau von einem Rashtula-Verehrer wohl nur wenig respektiert werden. Also würde Faramud diese Konversation übernehmen müssen. Wie ich bald erfuhr wurde hier der Kampf mit dem Säbel und einer kurzen Reiterlanze namens Dschadra gelehrt. Interessant anzusehen, wie konzentriert und diszipliniert sie dies durchführten, aber am Ende waren es eben nur Kämpfer, die ohne einen geeigneten Feldherrn der ihre Fähigkeit richtig einzusetzen wusste, auch nichts zustande bringen würden. Vielleicht sollte ich mich einmal mit dem Thema Taktik und Kriegskunst befassen, das war ein Teil dieses Geschäfts, für den man Intellekt und nicht rohe Kraft benötigte, also die wahre Herausforderung. Um es kurz zu halten, der Besuch lohnte sich, den Faramud erfuhr tatsächlich von einem Rastullah-Anhänger der eine recht krude Auslegung der 99 Gesetze vertreten solle, aber dessen derzeitiger Aufenthalt außerhalb der Stadt nicht bekannt sei. Immerhin hatten wir einen Namen: Samar al Regilor, was ja schon ein bedeutender Fortschritt war.

Als wir die Akademie verließen trugen draußen zwei mächtige Gestalten aus Lehm eine verhangene Sänfte vorbei. Das Volk um uns herum warf sich in den Staub und Pries eine Shanja Eshilia. Bei mir siegte die Neugier und ich versuchte einen Blick durch die Vorhänge der Sänfte zu werfen, konnte aber nur eine verschleierte Frau erkennen. Wie mir einer der Bürger danach furchtsam erzählte, er meinte auch ich solle nicht die Aufmerksamkeit des Sultan Hasrabal auf mich lenken, wäre dies die Frau des Sultans und zweite Tochter des Fürsten von Unau. Was mir gefiel war die Unterwürfigkeit, mit der das einfache Volk vor Hasrabal kroch. Der Mann war ja in Magierkreisen kein unbekannter, ganz im Gegenteil. Er war so etwas wie die Blaupause für einen erfolgreichen Magokraten in diesem Land. Also jemand, den ich als Vorbild bezeichnen würde! Ich hätte gar nichts dagegen seine Aufmerksamkeit zu erregen und mich bei einer Tasse Tee mit einer solchen Berühmtheit zu unterhalten. Aber auf so viel Glück konnte ich vermutlich nicht hoffen… und eine Aufgabe hatten wir ja auch noch zu erledigen.

Unsere nächste Station war dann der ODL, das örtliche Ordenshaus der Grauen Stäbe. Für übernatürliche Umtriebe waren diese sicherlich immer eine gute Ansprechstation, war es doch ihre Aufgabe einen Blick auf solche Dinge zu haben. Auch hier wurde ich als Magier gern vorgelassen und der Leiter des Ordenshauses Kamar ibn Suleiman ließ als wir unser anliegen schilderten den Ältesten Nemhar rufen. Dieser war zwar schon etwas tattrig und nicht mehr gut zu Fuß, aber sein Gedächtnis schien noch hervorragend zu funktionieren. Er erinnerte sich an den Verhüllten, konnte aber nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handeln würde – was sich mit meiner eigenen Erfahrung ja durchaus deckte. Er erzählte eine Geschichte, dass dieses Weib im Streit um die Auslegung der 99 Gesetze erst ihren eigenen Mann und dann dessen Anhänger erstochen hätte, bevor sie als Eremit (oder Eremitin) in den Süden gegangen sei. Man sage, sie (oder er) lebe nun auf einem markanten Tafelberg in der Nähe des Flusses Schuhob, der N’Bel Ganum genannt wurde, da auf seinem Plateau ein Gipfel wie der Docht einer Kerze aufrage und vom Fluss aus sogar zu sehen wäre. Das war ja schon einmal ein recht konkreter Anhalt. Konnte es wirklich so einfach sein? Und warum, fragte ich mich ohne eine Antwort zu erhalten, ließen diese Wickelköpfe ein Mörderweib einfach von dannen ziehen, anstatt sie vor den Kadi zu zerren und hinzurichten? Das ging ja wohl kaum mit rechten Dingen zu!

Unterdessen war es Mittag geworden, so dass ich mein Glück noch einmal im Rahjatempel versuchte. Ich wollte ja nur eine vertrauliche Nachricht nach Belhanka senden, damit die Kirche dort über unseren Fortschritt informiert war. Und bat die Tempelvorsteherin zugleich, noch eine Nachricht zu senden, sollten wir nicht binnen einer Woche zurückkehren, damit jemand anderes unsere Arbeit dann vollenden konnte. Pamina hatte sich anscheinend in die kleine fegende Novizin verguckt und wollte gar nicht mehr mit zurück in unsere Herberge, weswegen ich mich am Abend gezwungen sah den Tempel noch einmal aufzusuchen um sie dort wieder abzuholen – und natürlich den lokalen Gepflogenheiten folgend vorher an einem Rahjadienst teilzunehmen. Faramud wollte sich unterdessen wieder um solche profanen Dinge wie Proviant und eine Reisemöglichkeit kümmern.

Den späteren Abend nutzte ich mit Faramud, um auf dessem magischen Astrolabium die Sternenkonstellationen der nächsten Namenlosen Tage zu prüfen. Anscheinend saß sein misstrauen tief, denn er wollte zuerst von mir wissen wozu das dienen sollte und ich musste ihm schwören, dass es mir hier nicht um die Beschwörung eines Dämons ging – also nicht von mir. Ich wäre ohnehin nicht so verrückt, während dieser Tage einen Sieptsphärigen zu rufen. Das wäre ein völlig unverantwortliches und unkalkulierbares Risiko, da müsste ich ja schon entweder sehr blöd oder sehr verzweifelt sein! Mit dieser Erklärung konnte Faramud seltsamerweise jedoch gut leben, soweit traute er meinem Wort dann doch. Leider fanden wir im Schein des Sternenlichts und der fast vollen Mada in der Sternkonstellation, nachdem wir sie auf diesem faszinierenden Apparat aufgerufen hatten, keinerlei Besonderheiten, die uns einen Hinweis gaben. Das schwäche rund stärker werden der Wandelsterne um die Sternenleere herum in diesem Zeitraum war für uns beide ein gewöhnliches Ereignis. Schade, ich hatte mir mehr davon erhofft.

So kam es, dass wir am nächsten Tag mit einem kleineren Boot den Shuhob hinauffuhren. Eine ruhige Flussfahrt, dies diesmal nicht von irgendwelchen Piraten gestört wurde. Am ersten Abend machten wir, schon in Sichtweite des Tafelbergs der tatsächlich sehr markant war, an einem Anleger halt und übernachteten dort, bevor wir uns am nächsten Tag sehr früh zu Fuß in Richtung des Berges aufmachten. Der von uns anvisierte Gipfel lag in einem ganzen massiv von Tafelbergen und die Gegend war überhaupt nicht so unbelebt wie ich erwartet hätte. In den Seitentälern abseits des Weges schienen Bauern ihrer Arbeit nachzugehen und es war überall wunderbar grün, der Landstrich war fruchtbarer, als ich es erwartet hätte.

Es dauerte gerade einmal 2 Stunden, bis wir den Fuß des Berges erreichten und nach kurzer Suche eine Treppe fanden, die in eine Felsspalte geschlagen war. Wieder konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das alles viel zu einfach war. Gut, auch ein Eremit oder Leute die ihn aufsuchten würden nicht jedesmal herumklettern wollen… aber trotzdem. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Der Berg war insgesamt nur etwa 150 Schritt hoch, aber der Aufstieg nahm trotzdem einige Zeit in Anspruch, da sich der Weg in zahlreichen Windungen an der Außenseite des Bergs hinaufwand. An einer Stelle war der Pfad auf 2 Schritt Länge sogar weggebrochen, so dass wir gezwungen waren hinüber zu klettern. Ich war keine Bergziege, deswegen musste ich mich hier auf die helfende Hand Faramuds stützen, aber das konnte ich verschmerzen. Das Plateau erreichten wir schließlich in etwa 100 Höhenschritt ohne Zwischenfälle. Der Anblick hatte etwas Idyllisches. Die Hochebene war bewachsen, in einer Senke hatte sich Regenwasser gesammelt und bildete einen natürlichen Teich. An den „Docht“ angelehnt stand eine gut gearbeitete Holzhütte, zu der wir hinüber gingen.

Ich klopfte an die Tür. Auch wenn ich hier in grundsätzlich mordlüsterner Absicht erschien hieß das nicht, dass man die Formen der Höflichkeit außen vorlassen sollte. Es erfolgte jedoch keinerlei Reaktion. Ich drücke die Tür nach Innen auf, mich bereits in Gedanken auf Abwehrmaßnahmen einstellend, aber wieder geschah nichts. Die Hütte war klein und leer. Hinten rechts ein einfaches Bett, darauf eine gefaltete Decke und ein Strohkissen. Eine leere Truhe und ein Regal vervollständigten die Einrichtung. Offensichtlich war die Hütte verlassen und auch eine schnelle Suche im Raum bestärkte den Eindruck. Die Asche in der Kochstelle war kalt.

Unterdessen hatte Pamina sich in der Umgebung umgesehen und hinter der Hütte im Gebüsch einen Spalt gefunden, der in den „Docht“ hineinführte. Bevor wir dort hinein gingen sah ich verwundert, wie Faramud eine Decke nass machte und Wasserschläuche füllte – sein verhalten erklärte sich aber schnell. Er hatte mir anscheinend gut zugehört als ich von meiner letzten Begegnung mit dem Verhüllten und den beiden Ivash erzählt hatte und wollte auf die mögliche Anwesenheit von Feuerdämonen vorbereitet sein. Man konnte über Faramud sagen was man wollte, aber er dachte sowohl logisch als auch pragmatisch. Das gefiel mir so an ihm. Hätte er nur nicht diese strikte Aversion gegen Dämonen, er wäre der perfekte Begleiter auf meinem Weg zur Herrschaft gewesen. In dieser Gegend war man es ja gewöhnt, dass ein Magus über das Land herrschte, vielleicht sollte ich mir einfach ein kleines tulamidisches Dorf suchen und mich dort zum Potentaten ausrufen, so wie Hasrabal es in Rashdul gemacht hatte. Man kann ja durchaus klein anfangen, wenn man sich dann hocharbeitete. Diesen Gedanken sollte ich im Kopf behalten… ich müsste nur darauf achten, dabei keinem anderen Magier der schon da war uns Ansprüche erhob auf die Zehen zu treten. Oder zumindest nur einem, den ich im arkanen Duell besiegen konnte.

Der schmale Stieg war aus dem Felsen geschlagen, oder falls er natürlich war erweitert worden und der Boden machte den Eindruck bearbeitet zu sein. Kurz hinter dem Einfang löste der Trampel Faramud eine Falle aus. Leider hatte er das Glück der Dummen und der heranschießende Armbrustbolzen traf mich statt ihm am Arm. Das tat niederhöllisch weh, so dass ich mich mittels Balsam zunächst um mich selbst kümmerte, während die anderen nun vorsichtig geworden weitere Fallen fanden und sogar ohne größere Zwischenfälle entschärften. Hier war tatsächlich einmal Paminas Erfahrung als Großwildjägerin von Nutzen, die ihre Beute ja auch hin und wieder mit Fallen fing. Noch ein Stück weiter den Gang hinunter wurde der Weg von einer flammengefüllten Grube versperrt, an derem Grund glühende Eisenstangen auf ihre unglücklichen Opfer wartete. Vorsichtig geworden, warfen wir zunächst einige Steine hinüber, die auf der anderen Seite aber kollernd verschwanden. Daher machten wir uns nacheinander daran, das Hindernis zu überspringen. Faramud zuerst, dann ich. Ich blieb irgendwie mit dem Fuß an einem Hindernis hängen und wäre gestürzt, hätte Faramud mich nicht schon wieder gehalten. Trotzdem hingen meine Beine über dem Abgrund – und standen erstaunlicherweise auf festem Boden! Eine Illusion! Und auch noch eine verdammt gut gemachte… hier gab sich wirklich jemand Mühe seinen Unterschlupf zu sichern.

Da wir festgestellt hatten, das keine Gefahr drohte, konnten wir weiter gehen bis sich der Gang zu einer Art Wohnkammer erweiterte. Sofort waren wir in Habacht, als wir voraus ein leises vernehmbares Wimmern hörten. Kistenstapel, Stühle, ein Tisch und Regale vermittelten den Eindruck eines dunklen Wohnraums, eine Stufe führte zu einem leicht erhöhten Podest. Das Wimmern stammte von einem Kind, das auf einem weiteren Tisch angebunden war. Mögen die Götter diesen Frevler vernichten – wenn sie denn schneller wären als ich! Was auch immer er mit dem Kind vorhatte, es konnte nichts gutes sein.

 

 

 

Ich ging nach hinten in Richtung des Kindes. Das Opfern von Kindern war in den Kreisen die ich jagte ja anscheinend gängige Praxis, und ich wage zu behaupten bei manchen meiner Kollegen auch. Aber das bedeutete ja nicht, dass ich das gutheißen musste. Das Kleine, ich schätzte es auf vielleicht 8 Götterläufe, war mit schwarze-silber durchwirkten Kordeln an den Tisch gefesselt. Faramud, der sich das Podest zur Linken besehen hatte rief nach mir, ich solle doch einmal einen Blick auf seinen Fund werfen, hier sei ein Stern auf den Boden gezeichnet. Das war natürlich genau meine Fachrichtung… deswegen tauschten wir nun einfach den. Er kümmerte sich um das jammernde Kind, ich um das offensichtliche Pentagramm, dass ich mir nun in Ruhe ansah. Es war vollständig gezeichnet mit Bannkreis und allem, auch nicht verwischt oder auf andere weiße beschädigt. Grundsätzlich eine solide Arbeit, wie mir schien. Aber seltsamerweise konnte ich den verwendeten Zeichen keine Wesenheit zuordnen, obwohl ich ja in der Kunst der Bannkreiserstellung durchaus bewandert war. Ich hatte mir dieses Wissen ja nicht umsonst in Brabak angeeignet! Eine Wesenheit die ich kannte war damit schon einmal auszuschließen. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass ich die entsprechenden Sprachkenntnisse erwarb um das Arcanum zu studieren, dort hätte sich sicherlich eine passende Referenz gefunden. Wieder ärgerte mich die bisher nicht aufbringbare Zeit.

Unterdessen hörte ich das Kind weiter jammern. Sein, oder in diesem Fall wohl eher ihr Name war Mila, wie sie Faramud erzählt der die Fesseln löste. Sie war kaum in der Lage, vernünftig auf Fragen zu Antworten, so dass er nur wenig aus ihr herausbekam. Eine böse Person mit blauem Gewand mit etlichen Handlangern hatte sie entführt, damit sie noch „einen dienst erfüllen“ sollte. Dabei machte sie nur hilflose, schwache Bewegungen während sie dies erzählte. Als Surina dazukam, die es mit ihrem Gewn Petryl beleuchtete wand sich das Kind ab. Paminas Hund schien sich in dem Raum ebenfalls nicht wohl zu fühlen, daher stellte Pamina die Lampe ab und sicherte mit ihrem Bogen den Gang nach hinten ab. Vielleicht gar nicht verkehrt, denn irgendwer musste ja wohl ab und an vorbei kommen, um das Kind zu versorgen, sonst wäre es sicherlich schon längst gestorben. Wobei, und das schien mir seltsam, wenn es hier an den Tisch gefesselt war, und das vermutlich schon länger, wo waren die eigentlich zu erwartenden Spuren von Exkrementen und der damit verbundene Gestank? Gerade als ich diesen Gedanken äußern wollte, das Pentragram fesselte meine Aufmerksamkeit nicht mehr, geschah es.

Als sich Surina  dem Kind näherte um es genauer anzusehen drehte dieses sich zu ihr um. Es spannte sich im Licht des Gwen Petryl, fauchte Surina an und griff nach ihr. „Nimm es weg“, war undeutlich zischend zu vernehmen, die Stimme hatte nicht mehr viel Menschliches. Surina wich dem Griff gewandt aus und das Kind sprang zu Boden wo es sich erneut abhockte und anzuspannen schien. Es zwinkerte wegen des blauen Lichts, das ihm anscheinend Unbehagen verursachte und Geifer rann von auf einmal hervorstehenden überlangen Eckzähnen. Als Surina, wenig eingeschüchtert wie mir schien fragte „Was bist Du?“ war die lapidare Antwort des Kindes „Dein Tot“, bevor es mit auf einmal an den Händen befindlichen Krallen nach ihr schlug. Surina zog ihre Waffe, erstaunlich schnell, wie ich anmerken musste. Sie hatte ihr Rapier vom einen auf den anderen Augenblick in der Hand, kaum das ich der Bewegung mit den Augen hatte folgen können. Dann begann ein ungleicher und nur kurzer Kampf. Faramud und Surina schlugen das Kind mit wenigen Hieben zu Boden und Faramud dann in guter Tradition wider alles Unheilge am Ende den Kopf ab, noch bevor ich zur Untersuchung heraneilen konnte. Meine Rufe, es nicht kaputt zu machen ignorierte er einfach. Dieser Ignorant!

Faramud hielt den abgeschlagenen Kopf hoch, aber spitze Zähne waren keine mehr zu erkennen. Der Korpus blutete auch erstaunlich wenig, dafür das der Kopf vom Rumpf getrennt war. Da hätte ich eigentlich eine ordentliche Fontäne Lebenssaft erwartet. Faramud vermutete einen Vampir, einen Nachtschleicher. Und auch wenn ich nicht viel über diese Wesen wusste außer ein paar Gruselgeschichten schien es mir angesichts des Namenlosen Hintergrunds dem wir folgten auf mich plausibel. Nun, Spekulationen später, das praktische zuerst… ich füllte eine kleine Flasche mit dem Blut des Vampirs. Wer konnte schon sagen, wofür man dies einmal würde brauchen könnte? Pamina hießen wir auf Leichnam aufzupassen, während sie in ihrem Buch der Kreaturen des Namenlosen nach einer Referenz suchte, die sie uns kurz darauf präsentierte. Vampire wurden wohl von anderen Vampiren geschaffen, was natürlich die Frage aufwarf, wo sich diese „Anderen“ aufhielten. Ich sah mich verstohlen um…. Faramud begann aus einem Löffel einen Holzpflock zu schnitzen da er meinte gehört zu haben, das wäre ein probateres Mittel als pure Waffengewalt. Wobei die Waffengewalt hier ja tadellos funktioniert hatte. Also vielleicht nur ein Märchen, das mit den Pflöcken?

Als nächstes wurde der Wohnbereich weiter hinten untersucht. Dieser wirkte verlassen, war aber ebenso wie die Hütte draußen ordentlich hinterlassen. Dann rief Surina nach mir. Sie hatte dort anscheinend etwas gefunden und Pamina folgte mir ebenfalls dorthin. Saba sträubte sich sichtlich selbst an dem Leichnam der Kreatur vorbeizugehen. Das sollten wir uns merken, anscheinend konnte man den Hund, wenn man die Zeichen richtig deutete, als eine Art Vampirdetektor einsetzen. Man durfte nur nicht den Fehler machen gleich ohne weitere Prüfung jeden zu erschlagen, dem gegenüber Saba eine ängstliche oder widerstrebende Reaktion zeigte. Als ich ankam deutete Surina auf eine Bodenplatte die irgendwie anders war als die übrigen. Ich strich mit den Fingern darüber. Fester Stein, aber ich spürte eine leicht wackelnde Stelle und schaffte es mit den Fingern in einen Spalt zu kommen.

Es war nicht ganz einfach, aber mit Surina zusammen gelang es mir, die Platte anzuheben. Sie lag auf einer Ausschachtung, an deren Boden wir ein Kistchen sahen. Dunkles Holz, ein silbriger Rand umlief den Deckel. Pamina war zögerlich als wir sie aufforderten die Kiste herauszuheben und inspizierte vorher argwöhnisch den Schacht. Sie schein angesichts der bisherigen Erfahrung hier unten mit Fallen ein wenig Angst zu haben. Andererseits war es ja nicht unvernünftig und ich mochte es eher wohlwollend als angebrachte Vorsicht sehen. Sie fand aber nichts Verdächtiges und hob die Kiste heraus. Dann zuckte sie kurz, blickte sich hektisch um und rannte auf einmal in Richtung des Ausgangs, wobei sie mit einer Hand den Speer zog. „Das ist meins, alles meins“, rief sie uns noch zu, bevor sie im Dunkel verschwand. Ich ließ die Platte fahren, während Pamina flüchtete. Nun, natürlich, magische Sicherungen hatte sie nicht erkennen können… ich seufzte. Da es sich aber um eine non-letale Falle zu handeln schien, immerhin war uns kein Feuerball um die Ohren geflogen, würden wir genauso gut das das Ende der Wirkungsdauer abwarten können. Das war ja das Gute an solchen Dingen… kein noch so potenter Zauber der zur Verhaltensänderung führte, währte in der Regel ewig, sondern hatte immer eine begrenzende temporale Auswirkung, die man gemütlich aussitzen konnte, es sei denn der betroffene Schlug gerade wild auf einen ein, was ja hier nicht der Fall war. Aber ich kam gar nicht dazu, diese Gedanken zu äußern, da alle anderen schon wild hinter Pamina her hetzten. Geduld war ja eh offensichtlich weder Surinas noch Faramuds herausragende Tugend.

Also folgten wir Pamina, die mangels anderer Alternativen Richtung Ausgang gerannt war und dann auf das Plateau hinaus hetzte in Richtung der Treppe über die wir hinaufgekommen waren. Surina rannte etwas schneller hinterher als Faramud und ich. Das lag vermutlich einfach daran, dass ich noch nie ein besonders guter Langstreckenläufer gewesen war und Faramud an seinem Kettenzeug schwerer zu schleppen hatte. Surina holte sie am Rand der Ebene ein, was Pamina dazu veranlasste ihren Speer zu ziehen und sich zu stellen. Dabei musste sich aber das Kästchen ablegen, um die Waffe richtig greifen zu können. Ein einhändig geführter Speer war ja doch recht wenig effektiv. Surina, die es erst noch einmal mit guten Worten versuchte, stach bald wild auf Pamina ein, traf sie aber nicht. Ob das Absicht oder Unvermögen war vermochte ich jedoch nicht zu beurteilen. Immerhin drängte sie sie dabei aber Stück für Stück zurück. Pamina im Gegenzug stach Surina zweimal recht treffsicher in Arm und Bein. Dann kam Pamina unvermittelt wieder zur Vernunft und warf den Speer beiseite. Hatte ich nicht vorhin erst über die zeitliche Begrenzung von Magica Controllaria referieren wollen? Genau das meinte ich! Sie schien ihr zwanghaft hervorgerufenes Verhalten ehrlich zu bedauern. Surina dagegen schimpfte wie ein Gossengör mit Worten, die ich so noch nie aus ihrem Mund vernommen hatte und verpasste Pamina eine Backpfeife das man den Handabdruck in ihrem Gesicht sicher heute Abend noch sehen konnte. Auf der Schule für Töchter der besseren Gesellschaft hatte sie solche Wörter sicher nicht gelernt… dazu würde ich sie in einer ruhigen Minute einmal befragen müssen, dahinter steckte sicher eine interessante Geschichte!

Bevor wir uns erneut an dem Kistchen zu schaffen machten sprach ich einen kurzen Odem Arcanum darauf, sicher war sicher. Allerdings konnte ich nur noch sich schnell verflüchtigenden Restspuren astraler Strahlung mit dem Merkmal Einfluss erkennen, eine aktive Verzauberung schien nicht mehr vorhanden zu sein, so dass ein Öffnungsversuch gefahrlos möglich sein sollte. Ich äußerte dies gerade, als Faramud einen Brandpfeil auf die Kiste schoss. Der Narr! Wollte er etwa dem Feind helfen und unsere beste Spur vernichten? Hastig zog ich den Pfeil aus dem Holz und versuchte die Kiste zu öffnen, verbrannte mir aber dabei die Finger.  Ein weiterer Pfeil von Faramud flog heran und steckte in der Kiste, wobeim ich ein paar brennende Tröpfchen erwischten. Surina versuchte mich vor Faramud zu schützen und stellte sich in den Weg. Gutes Mädchen, manchmal hatte ich den Eindruck, sie war die einzige vernünftige Person außer mir in diesem Haufen! Beim zweiten Versuch bekam ich die Kiste, die kein Schloss hatte, geöffnet, ohne mir weiter weh zu tun. Ich sah einige Dokument, die ich zügig aber vorsichtig heraus nahm bevor sie ein Raub der Flammen werden konnten.

Dann zogen wir, nicht ohne Faramud auf die Dummheit seines Handelns Hinzuweisen hinauf auf das Plateau zurück. Ich fing direkt an zu lesen während mir Faramud über die Schulter sah und sich den Inhalt der Schriftstücke ebenfalls zu gemüte führte, während Pamina derweil eher schlecht als recht versuchte Surinas Wunden zu verbinden.

Es schien sich um das Tagebuch der von uns verfolgten Person zu handeln, zurück bis in das Jahr 1024 BF. Die Anhängerschaft zum Namenlosen war nun eindeutig bestätigt, nicht das ich daran irgendwelche Zweifel gehabt hätte. Über das uns bereits Bekannte Gedicht schien sie auf das Szepter gestoßen zu sein, wobei nun klar war, das es gebrochen war und ich nur den oberen Teil aus dem Hort geborgen hatte und der Feind bereits vorher über das zweite Stück verfügte. Das war nicht gerade beruhigend… Anscheinend gehörte es dem dämonischen sechsten Tagherrscher des Namenlosen, der, allgemein soweit mir bekannt überhaupt niemandem ein Begriff war, derzeit als gebannt gelten musste und mit diesem Objekt wieder herbeizurufen war. Keine besonders schöne Aussicht! Die verbündeten unseres Feindes scheinen eine Anzahl Anhänger zu sein die er um sich geschart hatte, vielleicht ebenso Vampire, da er sie als „mit Intelligenz und Kraft von unserem Herrn ausgestattet“ bezeichnete, sowie einem Kultistenzirkel, die er „Kreis der Wissenden“ nannte und die die Geheimnisse des Namenlosen zu hüten schienen. Diesen Zirkel würde ich mir direkt nach unserem Feind vornehmen. Der Schlange konnte man gar nicht genug Köpfe abschlagen! Leider fand sich kein Hinweis darauf, wo man diese Narren finden konnte, aber das würde sich sicherlich noch ermitteln lassen… Die Rückholung des Tagherrschers sollte bei einer bestimmten, leider nicht näher bezeichneten Sternenkonstellation stattfinden. Ich hasste es, wenn solche Schriften immer meine Neugier anregten aber am Ende so Vage blieben, dass man nichts konkretes darauf erfuhr! Auch Anspielungen auf Saris blauen Zahn fanden sich in dem Schriftstück, der eine zentrale Rolle dabei spielen sollte. Was im Umkehrschluss bedeutete, dass meine kleine Sari sich in akuter Gefahr befand, da sie ja jetzt alleine unterwegs war und nichts davon wusste. Wir mussten sie so schnell es ging wiederfinden! Ich würde nicht zulassen, dass ihr diese Trottel ein Leid zufügten würden! Aber da die Nivesen anscheinend die Bannung des Tagherrschers zustande gebracht hatten würden wir ihr Wissen sicher auch benötigen, um dessen Rückkehr zu vereiteln. Interessanterweise musste ich in immer wieder gewählte Formulierungen hinein interpretieren, dass diese verblendete Priesterin des Namenlosen selbst, zumindest noch, kein Vampir war, da sie sich „die Gabe“ erst noch vom Namenlosen wünschte um ihre Horden anzuführen. Es folgten lästerliche eine Ausführungen zu meiner Person an denen ich erkennen konnte, wie gnadenlos ich vom Feind unterschätzt wurde. Gut so, soll sie sich in Sicherheit wiegen… ich werde wie der Zorn der Götter über sie kommen und das Gegenteil beweisen! Nun klärte sich auch, warum ich beim Kontakt mit dem Szepter hinaus zum Feind gezogen worden war. Ein Teil des anderen Bruchstücks war in dem Ring den ich erhalten hatte und der die Teile dann zueinander gezogen hatte. Sehr perfide! Es folgte noch eine kurze Ausführung zu dem Kind-Vampir, das anscheinend ein Forschungsobjekt gewesen war, dann endeten die Schriftstücke mit dem Datum 06. Phex 1028. Also noch keine Ewigkeit her. Nun mussten wir aber erst einmal dringend Sari finden… ich war ziemlich überzeugt, das der Feind dann ohnehin zu uns kommen würde, ohne das wir ihn aktiv suchen würden müssen!

Ich las erst fertig, bevor ich die ständig herumnörgelnde Surina dann mit einem Balsam heilte. Pamina würde wohl an ihren Künsten als Feldscher noch ein wenig arbeiten müssen. Pamina wollte noch ihren Bogen aus der Höhle wieder holen, traute sich aber nicht allein zu gehen… Faramud begleitete sie. Als sie zurück kamen erzählten sie, ein grüner Wabernebel hätte über dem Tisch ein kleines Fläschchen mit einer dunklen, rötlich-braunen Flüssigkeit fallen lassen. Faszinierend! Nachdem ich es zuerst olfaktorisch und dann mit der Zunge probiert hatte war ich mir recht sicher, dass es sich um Blut handelte. Ich nahm einen Gegentest mit dem Blut an meiner Hand vor, das Surina gehörte die ich ja gerade erst geheilt hatte. Ich konnte keinen Unterschied erkennen, also war es vermutlich menschliches Blut. Das würde erklären wie der Vampir zu seinen regelmäßigen Blutrationen gekommen war um ihn am Leben zu erhalten. Ein dämonischer Kurier vermutlich minderer Art, deswegen vielleicht auch das Pentagramm auf dem Podest. Zumindest von der Logik her ergab dies alles einen perfiden Sinn. Dann machten wir uns an den Abstieg, überzeugt hier oben nichts weiteres Aufschlussreiches finden zu können. Ich bestand darauf den Körper des Kindes mitzunehmen um ihn im Borontempel zur Bestattung abzugeben. Wir wickelten es in Bettzeug ein, damit es keine dummen Fragen gab. Faramud meinte, dies wäre hier ohnehin die übliche Begräbnissitte.

Von Rahja her drohten uns dunkle Wolken, als wir uns an den Abstieg machten. Wir schafften es wieder nach unten und gelangten mit einsetzendem Regen wieder zur Anlegestelle. Dort mieteten wir uns für die Nacht ein. Der neugierige Wirt war wegen dem Toten Kind nach unserer Erklärung, wir verheimlichten ihm fast nichts, nur minder beruhigt, es war anscheinend nicht aus der Gegend. Er wollte es nur nicht im Haus haben, sondern in einem Schuppen nahebei. Das konnte ich ihm nicht einmal verübeln. Die Details unserer Erlebnisse auf dem Plateau schienen für die Einheimischen aber eher verstörend zu sein, so dass man uns bald wieder in Ruhe lies.

Am nächsten Morgen fuhren wir den Fluss mit einem Schiff hinunter nach Rashdul, und waren dank der Strömung flott unterwegs. Nach unserer Ankunft suchten wir zuerst den Borontempel des Al’Anfaner Ritus auf. Die Tür stand einen halben Schritt breit offen, von innen grüßte uns der schwere Duft von Räucherwerk. Eine angenehme Stille im Vergleich zur abendlich hektischen Stadt umfing uns. Im Inneren war es düster, trotz der großen Öllampen die in Reihen von der Decke hingen. Ich sprach den nächsten Diener des Raben an, der uns hieß den Leichnam zu einem der Bestattungstische zu bringen. Natürlich fragte er wegen dem abgeschlagenen Kopf… Die Erklärung ersetzte ihn zwar in Staunen, aber nicht in Entsetzen. Wir hätten das Herz mit einem Pflock von Ebenholz oder Mohagoni durchbohren sollen, war seine Meinung, denn Vampire schienen ihm nicht unbekannt zu sein. Den Fluch der auf diesen Wesen läge erkenne man aber erst, wenn man mit der Kreatur zu tun habe. Praios Sonnenlicht bereite ihnen üblicherweise Unbehagen und von Efferd verfluchte hätten Probleme im Wasser oder wie im vorliegenden Falle im Angesicht des Efferdsteins den Surina trug. Natürlich… mein Stab aus Zedernholz hätte dann in diesem Fall beim Pflocken tatsächlich auch geholfen, immerhin war er aus dem Holz des heiligen Baums Efferds. Man lernte nie aus… Nun war es aber Zeit den Leichnam ordentlich zu bestatten, damit wirklich nichts mehr passieren konnte.

Aber man lernt ja bekanntlich nie aus… und so erfuhr ich hier sogar, dass die erste Vampirin Marbo gewesen sei. Ich kannte sie nur als Heilige unserer Kirche, das mit dem Vampirismus musste mir bisher entgangen sein! Boron hielt den Namenlosen Fluch der seine Tochter getroffen hatte zurück, verlor sie am Ende aber trotzdem und nur ihr Kind konnte gerettet werden. Seitdem war in der Kirche Bekannt, dass eine allgemeine Schwäche der Nachwandler war, wenn sie mit Holz aus dem Baum der Gottheit, von der sie verflucht und der sie in ihrem Vorleben gedient hatten ins Herz gepflockt wurden. Die meisten Kenntnisse hätte man wohl bei der Hesindekirche im Lieblichen Feld, das war nun aber ein wenig weit weg um spontan nachzufragen. Dennoch, eine recht einfache Lösung lag ja nun Nahe… wir würden uns jeder wohl 12 Pflöcke aus den verschiedenen Hölzern besorgen müssen, auch wenn das dann ein wenig seltsam auf Dritte wirken mochte. Aber was sollte man machen, wenn diese Diener des Namenlosen seine Kämpfer im neuen Zeitalter sein sollten? Pamina mischte sich ein und gab dem Geweihten das Pamphlet, welches sie in Fasar erworben hatte. Der schien, ich war erstaunt die Streitschrift sogar zu kennen! Der Namenlose schwächte also über das geraubte Sikarian die göttlichen Zwölf, da dieses auch deren göttlichen Funken nährte, so die anscheinend allgemeingültige Theorie. Das hieß wohl im Umkehrschluss, ich musste dem Namenlosen seine Sikarian-Versorgung entziehen, wenn ich ihn schwächen und töten wollte. Nun, das war zumindest ein Ansatz…

Fürs erste bat ich aber um einen Satz Mohagonipflöcke damit wir boronverfluchte Vampire töten konnten. Die sollten wir auch bekommen bis zum nächsten Tag. Zu Samar al Regilor wusste der Geweihte zu sagen, dass sie mit Sicherheit eine FRAU war! Als er selbst Jünger war hatte er die Gerüchte über den Männermord ebenfalls gehört und meinte sich zu erinnern, dieser geschah weil sie von ihrem Mann mit einer Jüngeren betrogen worden war, obwohl dies bei den Rasthulahelis ja normal sei. Was uns dazu brachte, wie denn ein ehemals an Rastullah glaubender Vampir zu verletzen sei, denn das würde ja schlecht in die Theorie der zwölfgöttlichen Kirchen passen. Dazu sollte Faramud morgen einmal bei den Wickelköpfen nachfragen…. Wir waren uns aber einig, das sie vermutlich die Schöpferin des Vampirs auf dem Berg gewesen sei und das übergeordnetes Ziel verfolgte den „Sechsten“ wieder herbeizurufen um als Belohnung die Anführerin der Vampirarmee im kommenden Äon zu sein. Der Vampirfluch, so der geweihte, würde üblicherweise weitergeben indem ein Opfer das Blut des Vampirs zu sich nehme, wenn es vorher ausreichend geschwächt aber noch nicht tot war. Interessant… hieß das, ich würde einen meiner Gefährten mit der Flasche Vampirblut die ich bei mir hatte von der Schwelle des Todes zurückreisen können, wenn meine sonstigen Versuche ihn zu heilen versagten? Zu dem Preis, dass er dann ein Nachtwandler wurde? Und würde er dann automatisch dem Namenlosen anheimfallen? Oder vielleicht auf den Pfaden Etilias wandeln können? Das war ein faszinierender Gedanke… Pamina, der ich anbot diese Theorie zu testen verneinte aber rundheraus. Nun gut, ohne Not sollte man ein solches Experiment vielleicht nicht machen… aber im Hinterkopf behalten würde ich dies auf jeden Fall! Wie oft hatte ich die Anderen schon von der Schwelle des Todes zurückgeholt? Irgendwann mochte ich auch einmal versagen, und dann war es immer gut, noch einen zweiten Plan bei der Hand zu haben. Lieber eine Vampir-Pamina, als gar keine Pamina, oder nicht?

Morgen zur 10. Stunde wollte ich noch an der Bestattung des Kindes teilnehmen und dann auch die Pflöcke bekommen. Dann gingen wir wieder zum Shadif um dort zu schlafen. Für den nächsten Tag nahmen wir uns noch vor unser Wissen um Vampire Hesindetempel und beim ODL zu ergänzen, das würde ich tun. Pamina wollte in die Magierakademie um ein Artefakt das sie zwar besaß aber noch nicht nutzen konnte analysieren zu lassen und dort ebenfalls Erkundigungen einzuziehen. Und Faramud würde sich um die Rastulahelis zum gleichen Thema kümmern. Das war doch ein Plan, mit dem ich beruhigt in den Schlummer gleiten konnte…

 

 

Nach einem gemütlichen Frühstück begannen wir, die Pläne in die Tat umzusetzen und trennten uns dafür. Kurz bevor wir gehen wollten kam ein Bote und übergab mir eine gesiegelte Nachricht aus dem Borontempel. Die Beisetzung des Kindes würde nun erst in der Nacht zur 10. Stunde stattfinden, da es für eine so außergewöhnliche Beisetzung wohl angemessen sei die borongefällige Dunkelheit abzuwarten, die zu dieser Jahreszeit erst recht spät eintrat. Also würden wir wohl doch noch ein Tag länger als geplant in der Stadt bleiben müssen, immerhin hatte ich mich ja bereit erklärt dem Ritus beizuwohnen, da wohl sonst niemand dem armen Ding die letzte Ehre erweisen würde. Und da sollte noch einmal jemand behaupten, Schwarzmagier hätten kein Gewissen und keine Moral… Dann brachen wir aber doch endlich auf zu unserem Tagwerk. Ich stellte Pamina vor der Akademie ab und bat sie, Bescheid zu geben, dass ich die Stadt morgen verlassen wollte. Den Weg hinein würde sie schon alleine finden, es gab ja nur einen, und ging selbst zum Hesindetempel hinüber. Wenn es die Zeit erlaubte, würde ich wirklich dringend auch noch den Analys Arcanstrucur erlernen müssen. Ich wollt gar nicht wissen, was Pamina nun würde bezahlen müssen, aber ich hätte ihr da sicher einen Haufen Dukaten sparen können für diese magische Dienstleistung, wenn ich diese Fortbildung etwas früher angegangen wäre. Nunja… wenn es Pamina grade an etwas nicht mangelte war es ja Gold. Trotzdem… diese Lücke in meinem Repertoire würde ich bald einmal schließen müssen.

Ich betrat die große Halle, verneigte mich vor der Statue der Allweisen Herrin und wandte mich an einen herumstehenden Geweihten, der sein Gespräch mit einer anderen Gläubigen unterbrach, als er mich sah. Ich bat ihn höflich, mich als einen Wissensuchenden zu erhellen, was das Thema Vampire und deren Vernichtung anging. Allerdings erfuhr ich nicht übermäßig viel Neues, dieses Thema war offenbar bei den meisten Institutionen eher ein Randthema, mit dem sich wohl nur einige ausgewiesene Experten tiefergehend beschäftigten. Vampire nähmen den Hauch des Lebens, das Sikarian durch ihren Biss und saugten des Blutes ihrer Opfer, die dabei nicht nur das Leben, sondern auch ihre Seele verlören. Allerdings verlören Vampire angesichts von Blut oder Lebenskraft die Kontrolle über sich, soweit ihr Hunger nicht gestillt ist. Das war ein Punkt, den wir uns wohl zunutze machen konnten in der Zukunft. Ein Gegner im Rausch oder der Gier würde wohl weniger planvoll agieren und leichter zu besiegen sein, als einer der auf der Hut war und sich beherrschte. Darüber hinaus verwies mich der Geweihte auf mehrere schriftliche Quelle, die er für einschlägig hielt, aber leider nicht vor Ort zur Verfügung hatte. Ich solle im Bestiarium von Belhanka nachlesen, dort gäbe es wohl einen längeren Eintrag dazu. Dann nannte er noch die Encyclopedia Magica, die Wege ohne Namen und die Trollzacker Manuskripte. Vermutlich waren, wohl bis auf die Encyclopedia, von der Ausrichtung her keines dieser Werke an der örtlichen Akademie vorhanden. Und ich hatte, nach der letzten Erfahrung dort, nur bedingt Lust, mich jetzt zu den Kollegen zu begeben. Dann verwies mich der Geweihte noch darauf, dass auch die Boronkirche nach dem Puniner Ritus Wissen über die Vampire gesammelt hätte, vielleicht sogar etwas mehr… Naja, seien wir ehrlich, was sollte dieser abgespaltene Zweig vom richtigen Weg zum Herrn Boron über die Diener des Rabens aus Al’Anfa hinaus schon beizutragen haben? Eben. Nichts. Ich denke, diesen weg würde ich mir guten Gewissens sparen können. Ich meine, nichts gegen die Puniner, sie dienten ja auch dem Herrn Boron, nur eben auf eine etwas fragwürdigere Weise, als wir das im Süden taten. Deswegen musste man den Priestern natürlich trotzdem den zustehenden Respekt zollen, aber wenn ich schon die Wahl hatte, würde ich mich natürlich an die richtigen Vertreter der Kirche wenden. Ich erlaubte mir aber, den Hesindegeweihten  zur Bestattung des Kindes einzuladen. Ich konnte mir gut vorstellen, das er einer Vampir-Bestattung bisher noch nicht beigewohnt hatte und dies durchaus seine Neugier erregen dürfte. Und da er mein Ziel ja nun eh schon kannte fragte ich zuletzt noch höflich nach einem Pflock aus Blutulmenholz. Er führte mich nach hinten in den weitläufigen Tempelgarten, wo tatsächlich eine Blutulme in voller Pracht stand. Ich war hocherfreut, denn einen Baum hatte ich hier nicht erwartet, da diese Pflanzen üblicherweise eher in den Mittellanden gediehen. Dieser Baum war wohl extra einmal gepflanzt und hier unten irgendwie am Leben erhalten worden. Vielleicht mithilfe der örtlichen Elementaristen und ihrer Fähigkeiten mit dem Humus? Der Geweihte erlaubte mir für meinen hesindegefällige Zwecke einen Pflock davon schneiden, den er am Ende auch segnete. Die Holzbearbeitung gehört nicht gerade zu meinen Stärken. Um genau zu sein war das letzte Mal, das ich mich darin versucht hatte, als ich vor Jahren meinen Zauberstab gefertigt hatte. Daher dauerte es auch den größten Teil des Tages, bis ich ein zufriedenstellendes Ergebnis zustande gebracht hatte. Ich ließ mir lieber Zeit, als mehrere Versuche zu benötigen und den heiligen Baum mehr als nötig zu verletze. Aber am Ende war ich mit dem Ergebnis durchaus zufrieden. Nun befanden sich schon drei den Göttern zugeordnete Hölzer in meinem Besitz, ich konnte mich also statistisch schon einem Viertel aller Vampire erfolgreich erwehren. Für den Anfang nicht schlecht.

Danach ging ich zurück in den Shadif um mich auszuruhen und mit den anderen austauschen. Surina ging am Abend ein Duell mit einem der örtlichen Krieger ausfechten, den sie irgendwie im Laufe des Tages aufgetan hatte, wollte sich aber im Anschluss daran bei den Boronis einfinden – was, wie ich vorwegnehme, nicht geschah. Vermutlich hat sie sich nach dem Gefecht mit der Waffe noch im Nahkampf geübt, aber da mische ich mich lieber nicht ein… Ich ging später mit Pamina und Faramud in den Borontempel um der Beisetzung beizuwohnen. Im Tempel war deutlich mehr Betrieb als tagsüber, die Gläubigen standen nach persönlicher Präferenz vor beiden Tempeln auf dem weitläufigen Platz. Wir wurden von dem gleichen Geweihten in Empfang genommen, dem wir schon das Kind übergeben hatten – alles war vorbereitet. Der Leichnam des Kindes war gewaschen und in ein weißes Leinengewand gekleidet, ein Sarg aus dunklem Holz stand bereit um den Körper aufzunehmen. Gemeinsam hoben wir respektvoll den Leib in den Sarg. Der Körper war auf unheimliche Art kalt, regelrecht unnatürlich. Einen Odem Arcanum zu sprechen ob dies der Hauch der Niederhöllen war verkniff ich mir allerdings im Tempel. Die Geweihten wussten sicher, was sie taten. Wenn es Anlass zur Besorgnis gegeben hätte, hätten sie sich sicher darum gekümmert. Pamina bekam ein Fläschchen mit Weihwasser der Efferdkirche um es über Sarg und Kind zu sprenkeln, da nach der Reaktion des Vampirs dies wohl seinem früheren Glauben entsprochen hätte. Was es wohl gewesen war? Vielleicht das Kind eines Flussschiffers oder Fischers? Wir werden es wohl nie erfahren… dann wurde der Sarg geschlossen. Ein Novize kam als vierter Träger dazu, dann verliesen wir den Tempel in Richtung der Felsengräber. Mit diesem kleinen Geleit zogen wir zum Boronanger. Der Hesindegeweihte erwartet uns dort bereits mit zwei weiteren Boronis. Mit dem Grabsegen wurde das Kind dem Schutz Borons anempfohlen, ich empfand die Zeremonie als sehr bewegend, auch wenn ich das Kind gar nicht gekannt hatte. Es war deutlich, dass die Würde des verstorbenen Kindes hier im Mittelpunkt stand, nicht das zuletzt entweihte Leben. Das gefiel mir. Der Herr Boron fand immer einen Weg, die Toten zu Ruhe und Vergebung zu führen. Auch uns baten die Geweihten, ein paar Worte zur Vergebung und Erlösung zu finden, die wir dem Kind auf seinem Weg über das Nirgendmeer mitgeben wollten. Pamina war sichtlich überrascht und etwas überfordert, etwas passendes zu finden und Faramud, auf seine manchmal barbarische Weise, sagte etwas mir unverständliches und spuckte Blut auf das weiße Leinen des Totenkleids. Fasst hätte ich erwartet, dass er dafür eine Schelte von den Geweihten bekommen würde, aber diese wirkten nicht überrascht. Ich sammelte mich, und gab dem Kind ein Versprechen mit auf den Weg: „Wenn Du Uthar durschreitest wird Rethon zu Deiner Seite ausschlagen, denn im Leben warst Du unschuldig, und für dein Unleben tragen andere die Verantwortung. Für diesen Frevel schwöre ich, Rache an Deinen Verderbern zu nehmen.“ Ein zustimmendes Nicken der Geweihten bestätigte mir ihr Einverständnis. Der Geweihte legte 3 schwarze Rosen auf dem Sarg nieder und sprach den Segen, bevor sich der Sarg in den Boden senkte. Das Grab wurde mit einer Platte ohne Namen verschlossen. Um den Namen des Kindes zu erfahren hätte ich seine Seele im Totenreich suchen können, den Nekropathia hatte ich ja kürzlich erst erlernt. Aber ich wollte die Priester nicht unnötig provozieren, die meisten Diener des Borons würden dies als unnötige Störung der Totenruhe betrachten, und damit sollte man keine Spiele treiben, wenn es die Not nicht gebot. Dann kehrten wir in den Tempel zurück, wo uns der Geweihte in einem Nebenraum noch einmal dankte und dann die geweihten Pflöcke übergab, die uns versprochen waren.

Zurück ins Gasthaus kamen wir erst gegen Mitternacht. Es war nicht mehr viel Betrieb und ich ging direkt auf mein Zimmer, allerdings nicht um sofort zu schlafen. Ich versuchte mich zu erinnern, was im „Wege ohne Namen“ über Vampire stand, dieses hatte ich ja zufällig im Bornland gefunden und auf dem Heimweg studiert. Hesinde und meinem guten Gedächtnis sei dank… es noch einmal nachzulesen wäre sicher besser gewesen, denn einen Fokus auf dieses Thema hatte ich natürlich bei der Erstlektüre nicht gelegt, dennoch bekam ich noch einige Dinge zusammen. Die Kirche nach dem Puniner Ritus hätte auch nach dieser Quelle eine andere – wohlgemerkt nicht Bessere! - Wissensbasis dazu als andere Kirchen. Sollte ich dort noch vorstellig werden? Nur zur Sicherheit? Darüber würde ich doch eine Nacht schlafen müssen. Es gäbe gute und böse Vampire, manche seien sogar magisch wirkmächtig. Wenn ein Vampir sein Sikarian verlor würde er zum minderen Vampir und verliere dabei auch seine besonderen Fähigkeiten wie die Magie. Diese Dinge erzählte ich noch schnell den Anderen, auch wenn diese sich gerade zur Ruhe gelegt hatten. Faramud, wo wir schon einmal dabei waren, hatte bei den Rastulahelis nichts herausbekommen. Bei diesen gab es wohl nichts, was gegen Vampire insbesondere helfen sollte. Sind bezeichneten sie als nicht ganz Tote, die bösen Seelen würden zu Vampiren, weil sie nicht sterben dürften, also eine Art Fluch. Wenn man diese Theorie zugrunde legte musste es bei den Wickelköpfen ja eine schier unüberschaubare Anzahl an Vampiren geben! Trotzdem war man sich einig, dass auch diese Vampire als Strafe nicht weiterleben gelassen werden konnten, sondern trotzdem getötet werden müssten. Dann brachte mich Faramud noch auf einen spannenden Gedanken. War es möglich, Diener des Namenlosen in Gefäße zu bannen? Ähnlich der mythischen Rohalsgefäße? Vielleicht war der sechste Tagherrscher genauso in die Schamanensteine gebannt worden, von denen wir jetzt wussten? Interessanter Gedanke, der nicht nur eine Erklärung für unser aktuelles Problem bot, sondern mir auch einen möglichen Weg aufzeigte, den Namenlosen entscheidend zu schwächen! Man stelle sich vor es gelänge mir, auch die übrigen fünf Tagherrscher in Gefängnisse zu bannen und den unheilvollen Einfluss der Namenlosen Tage zurückzudrängen und diese Tage den Zwölfen zu schenken? Ich würde in die Geschichte als einer der großen Helden der Kirchen eingehen! Und so geschwächt würde es den Zwölfen vielleicht wirklich gelingen, den Widersacher endgültig zu vernichten? Aber vielleicht erst nach meinem späteren Tod. Ich könnte mir vorstellen, dass ein neuer Götterkrieg zu meinen Lebzeiten eine recht unangenehme Sache sein könnte. Mit solchen Gedanken ging ich dann wirklich ins Bett.

 

 

Die Nacht war, wie immer in diesem Gasthaus, eine recht ruhige und entspannte Angelegenheit, auch wenn Faramud auf der Nachbarliege gelegentlich seltsame Geräusche von sich gab. Vermutlich träumte er von irgendwelchen Stürmen, durch die er nackt hindurch tanzte. Da ich recht bald erwachte machte ich mich schon zeitig fertig für den Tag. Wir wollte ja heute wirklich los und ich hatte den Entschluss bei den Puniner Boronis vorbeizusehen nun endgültig gefasst. Pamina würde in der Akademie schon nicht trödeln, und da wollte ich nicht der Grund für eine weitere Verzögerung sein. Also gönnte ich mir ein schnelles Frühstück aus Datteln, Hirsebrei, süßem Tee und etwas Gebäck, bevor ich mit Surina im Schlepptau zum Tempel eilte.

Die Geweihten schienen, bis auf eine junge Frau in schwarzem Gewand welche die Treppe fegte, noch ihrem Herrn zu huldigen, sprich zu schlafen. Nachdem wir uns kurz gegenseitig vorgestellt hatten kam ich, ohne große Hoffnung in diese Nachwuchsgeweihte zu setzen, direkt zum Kern meines Anliegens. Umso erstaunter war ich, als sie sich als erstaunlich bewandert zeigte. Auch sie verwies mich zwar an die Tempel der Hesinde in Bethana und Belhanka, was ja zufällig meine beiden Lieblingsstädte im Horasreich sind, um dort unsere Erlebnisse vorzubringen. Aber sie wusste auch selbst einige Dinge beizutragen nachdem ich unsere Geschichte in einer etwas gekürzten Fassung vorgebracht hatte. Das Kopfabschlagen so wie Faramud es praktiziert hatte war wohl ein probates Mittel um die Wiederauferstehung der Blutsauger zu verhindern – denn wenn man sie nicht dermaßen behandelt hätten sie wohl die Kraft sich zu regenerieren und wiederzukehren.  Eine weitere Möglichkeit der finalen Beseitigung des Problems sei dann auch das Pflocken, wobei dies grundsätzlich mit jedem Holz möglich sei, aber eine besonders tödliche Wirkung habe dies nur mit dem richtigen Holz ins Herz. Was bei einem noch kämpfenden oder zappelnden Exemplar recht schwer werden dürfte, es sei denn man schlug oder rang es vorher nieder oder schlich sich vielleicht von hinten überraschend heran. Ich war auf die ersten Versuche an einem lebenden Exemplar nun erst recht neugierig. Das Vampire ohne Zugang zu frischem Blut mit der Zeit an Stärke und Kräften einbüßten und immer „menschenähnlicher“ wurden hatten wir auch schon gehört. Interessant fand ich, dass es auch Vampire, die dann „Kinder der Nacht“ geheißen wurden, in den Diensten der Boronkirche stünden. Sie würden als Gefallene aber Bemühte gelten und sich selbst als Söhne und Töchter Etilias bezeichnen. Auserwählte Borons zum ewigen Leben verflucht, deren Ziel es war die Menschen vor den „Kindern der Finsternis“, also quasi den bösen Vampiren, zu schützen. Um darüber mehr zu erfahren müsste ich aber zum Haupttempel nach Punin reisen, was jetzt nicht gerade auf meiner geplanten Route lag. Im Horasreich, so erzählte sie weiter, gäbe es sogar eine Vampirloge von Dienern des Namenlosen, deren Einfluss bis in die höchsten Kreise reiche und von denen manche sogar im Sonnenlicht des Herrn Praios wandeln könnten. Letzteres fand ich sehr beunruhigend, ersteres gab mir für die Zukunft ein langfristiges weiteres Ziel. Wenn ich das Übel weiter bekämpfen wollte war es nützlich zu wissen, wo ich danach suchen sollte… Und bot sich da nicht eine ungeahnte Möglichkeit? Was wäre, wenn man sich erst einem Erzdämon zuwandte und Macht in den Kreisen der Verdammnis sammelte, sich dann zum Vampir machen ließ und deren erstaunliche Fähigeiten dazu erwarb so dass sich Dämonen und Namenloser um die Seelte zankten und am Ende Vergebung in den Armen der Boronkirche fand, die dafür sorgte das man beim Ableben doch keine Probleme mehr mit Uthar und Rethon bekam? Oh Hesinde, führe mich nicht in Versuchung…

 

Das Gespräch dauerte etwas länger als gedacht und ich sorgte mich schon, dass wir nicht mehr rechtzeitig loskommen würden. Das hätte ich mir allerdings sparen können, denn Pamina trödelte noch viel mehr herum und kam erst nach Stunden aus der Akademie zurück. Sie hatte dort die im Schatzhort gefundenen magischen Artefakte analysieren lassen um sie nutzen zu können und jammerte jetzt herum, dass der Dienst so unverschämt teuer gewesen sei. Was erwartete sie denn? Das die Magier ihre speziellen Dienste wie Wasserträger auf dem Basar verramschten? Natürlich ließ man sich den Gebrauch seiner Kraft angemessen entlohnen. Gerade wenn man nicht wusste, wann der nächste unbedarfte Abenteurer vorbei kam der mal wieder etwas gefunden hatte und mit damit nichts anfangen konnte. Da musste das Geld vielleicht auch einmal für einen längeren Zeitraum die, manchmal beträchtlichen, Lebenshaltungskosten eines studierten Magus decken. Was mich noch einmal daran erinnerte dringend den Analys zu erlernen. Dann würde ich das selbst erledigen oder eben auch meine Kunst für gute Münze anbieten können. Hoffentlich fand ich dafür bald einmal Zeit… Dann ging es endlich los um Sari zu finden.

Wir fuhren erneut den Schuboch hinauf bis Bakir, was uns nur 2 Silber für jeden kostete und übernachteten dort wieder im Gasthaus, bevor wir am nächsten morgen zu Fuß weiter gingen. Ich setzte nach wir vor darauf, dass Sari weder Lust hatte durch die Wüste zu ziehen oder über See zu reisen. Also würde sie nur eine recht überschaubare Anzahl an Wegen einschlagen können auf der Reise in den Norden. Da die Küstenlinie entlang zwar eindeutig war und funktionieren würde, aber auch ein beträchtlich längere Strecke bedeuten würde, war ich recht zuversichtlich sie hier irgendwo wieder zu finden. Die Suche mittels Dämon verkniff ich mir nach wie vor, um sie nicht wieder zu verschrecken, das arme Ding. Das würde ich mir für den Notfall aufheben, wenn wir gar keinen Anhaltspunkt zu ihr finden sollten. Viereinhalb Tage reisten wir so gen Praios, vorbei an zahlreichen Dörfern die sich entlang der Straße zogen aber allesamt wenig spektakulär waren. Rab El’Dash, Al’Eamur, Khalim und weiter Richtung Sameach. Zumindest hatten wir jederzeit ein Dach über dem Kopf. Die Straße war ein gut ausgebauter Handelsweg, auf dem man ordentlich voran kam und die eine reiche Kulturlandschaft von Reisterrassen, Feldern und Obsthainen Durchschnitt.

Den ersten, leider beunruhigenden, Hinweis auf meine kleine Nivesin fanden wir in einem Kaff von gerade einmal 4 Häusern und einem kleinen Gasthof in dem wir einkehrten, weil es unangenehm regnete. Gerade einmal 30 Plätze bot der Gastraum, am Tresen waren sogar nur 3 Stühle aufgestellt und mehr als 10 Tiere hätte man in den angebauten Unterstand sicher auch nicht bekommen. Dafür führte der Wirt das Haus im Namen von Travias Gastfreundschaft und war kein Wickelkopf. Es gab sogar Bier! Wir zuvor erkundigten wir uns auch hier nach Sari indem wir sie und Wala beschrieben. Zwar war sie nicht durch den Ort gekommen, aber wir wären nicht die ersten, die nach ihr fragten. Er hieß seine Magd kommen, ein junges schüchternes Ding das zwar ein niedliches Gesicht hatte aber dafür recht drall um die Hüften war. Aus den beiden bekamen wir heraus, dass zwei Magier in Begleitung von gut eineinhalb Dutzend Söldnern anscheinend hinter Sari her waren. Ein ganz ordentliches Aufgebot will ich meinen, für eine einzelne Nivesin. Und es wären wohl, so hatten sie aus der Unterhaltung gehört, noch weitere Trupps unterwegs um die verschiedenen Pfade abzudecken. Das war beunruhigend… sahen sie Sari als so große Gefahr an, sie mit solch einer Meute zu jagen, oder was der Gegenstand den Sari besaß von solcher Wichtigkeit, dass sie alles daran setzten ihn zu bekommen. Oder beides? Der Wirt zeigte uns die möglichen Wege auf einer ausgeblichenen Karte. Ich entschied mich für einen Karrenweg der südlich von Sameach durch die Hügel nach Nabatil hinunterführte. Der andere Weg südlich des Stierbuckels hätte uns einen gehörigen Umweg gekostet, und Sari ging ja eh lieber die etwas einsameren Pfade als von Menschen überrannte Hauptstraßen. Die Magd meinte noch, einer der Krieger hätte eine recht markante Stimme gehabt. Und der ältere Magier hätte zum Jüngeren einen komischen Satz gesagt, aber nicht zu Ende, als er sie bemerkt hatte. „“Eligor hat recht, der Auftrag ist unmissverständlich, die Wilde finden und…“. 18 Söldner und zwei Magier… das nenne ich einmal eine Herausforderung. Aber nun war ich sicher, das Sari in konkreter Gefahr war, und da hieß es nicht zaudern, sondern handeln.

Am nächsten Morgen brachen wir zeitig auf, es sah aus als hätten wir tatsächlich keine Zeit zu verlieren. Wenigstens hatte der Regen aufgehört und es war bestes Reisewetter. Vier Stundengläser später erreichten wir Sameach, einen größeren Dorf mit Palisade am Ongalo, einem respektablen Fluss. Die Wache am Tor verwies uns, außer zu einem Gasthaus, dem „ehrwürdigen Khomkrieger“, für das Mittagessen, zu dem Karrenweg auf der anderen Seite des Ortes rechts ab. Beim Essen erfuhren wir vom Wirt, dass auch andere Gäste nach dem Weg gefragt hatten und erst heute morgen weitergezogen waren. Ein halbes Dutzend Söldlinge, erst waren es vier, dann seien noch zwei dazu gekommen, in schwarzen Rüstungen. Anscheinend hatte sich der Feind geteilt um mehr Pfade abdecken zu können. Das mochte uns zumindest eine kleine Chance verschaffen sie aufzuhalten.

Nach dem Essen folgten wir dem Karrenpfad in die Hügel hinein. Rechts von uns waren in der Ferne die deutlich höheren Unauberge zu sehen. Pamina nahm die Spuren auf, der Feind verfügte wohl über Pferde, lies sich aber auch von umgefallenen und quer über dem Weg liegenden Bäumen nicht aufhalten. Wir gingen stramm bis Abends weiter und machten das erste mal seit wir aufgebrochen waren ein Lager unter freiem Himmel. Nur Surina hatte ein kleines Zelt dabei und wollte partout nicht teilen… zum Glück blieb es trocken. Am Morgen trödelten wir nicht lange herum und brachen schnell auf. Ich war hungrig, wir hatten keinen Proviant mitgenommen da wir ja bisher immer irgendwo eine Herberge gefunden hatten. Aber das war egal, irgendwo würde sicher ein Gehöft kommen und eilig hatten wir es ohnehin. Es dauerte gute 3 Stundengläser, als ich vor uns auf dem Weg und hinter einer Biegung das Schnauben eines Pferdes zu hören meinte. Der Pfad zog sich hier durch ein Waldstück und wir versteckten uns, nur Pamina sollte sich einmal leise nach Vorne begeben um die Lage zu erkunden. Nun ja. Das mit dem Anschleichen hatte ich schon besser gesehen… und leider auch besser gehört. Sie war ein gutes Stück voraus, als sie mit einem vernehmlichen „Heda“ angerufen wurde. Ich seufzte… so viel zu unserem Überraschungsmoment.

 

 

Pamina, die anscheinend keinen Sinn darin mehr sah sich zu verstecken, begann freistehend auf ihren Hund Saba einzuschimpfen und beschuldigte sie, keine Fährten finden zu können. Dabei improvisierte sie etwas über einen Hirsch, dem sie schon seit Stunden folgte und begann, die Söldner zu beschwätzen. Auf mich wirkte das, wie das billigste Schmierentheater in der Havener Unterstadt -niemand würde ihr das abnehmen. Aber sie war anscheinend noch der Überzeugung, dass man aus dieser Begegnung friedlich herauskommen konnte. Armes Ding… eine gewaltfreie Option die nicht mit dem Tod dieser Schergen enden würde stand überhaupt nicht zur Debatte!

Auch oberhalb des Lagers knackte es im Gebüsch, und das veranlasste den Feind endgültig in Bereitschaft zu gehen. Aus meinem Versteck vernahm ich ein scheppern, wie von zerbrechendem Glas oder Ton, dem Wald jenseits des feindlichen Lagers, das ich nicht zuordnen konnte. Wir waren doch alle hier? Da der Feind nun seine Aufmerksamkeit endgültig in die Umgebung richtete, dauerte es nicht mehr lang bis wir entdeckt waren und der Feind ohne zu zögern seine Waffen zog. Verhandlungen waren damit auf jeden Fall schon einmal obsolet, gut so. Ein erneutes Scheppern aus dem Wald war zu hören und kurz darauf stießen zwei Wirbelwinde durchs Laub, die sich jeder einen Feind schnappten und diese nach kurzer Gegenwehr begannen in die Luft zu zerren. In der Zwischenzeit hatte ich noch flux einen Armatrutz auf Surina appliziert, nicht das ich sie nach dem Kampf wieder würde zusammenflicken müssen. Dann stürzten wir uns nach vorne, dem Feind entgegen. Ich stellte mich hinter Pamina, der ich ebenfalls noch einen Armatrutz gönnte, und Faramud auf. Dann begann ein wilder, wenn auch recht einseitiger Kampf, da die Söldner nun mehr auch keine Überzahl mehr hatten. Den letzten Armatrutz sprach ich für Faramud, allerdings waren da schon zwei Gegner gefallen und nur noch zwei auf den Beinen. Die Kraft hätte ich mir vermutlich sparen können. Aber sei es drum, so anstrengend ist ein kleiner Armatrutz ja auch nicht. Nach kurzer Zeit und ohne dass wir mehr als ein klein wenig getroffen worden wären lagen die Schurken bald im eigenen Blut am Boden. Aus dem Himmel hörte ich sich näherndes Geschrei, bevor zwei gerüstete Gestalten auf den Boden klatschten und starben. Was für eine Sauerei!

Und dann sahen wir die Ursache dieser seltsamen Erscheinung. Sari kam aus dem Gebüsch. Wir begrüßten sie freudig, Pamina rannte sogar auf sie zu und umarmte sie. Ich hatte meine Gefühle da schon besser im Griff und nickte ihr wohlwollend zu, auch wenn ich mich selbstverständlich ebenso freute, sie wohlbehalten wieder zu sehen. Allerdings wirkte sie mir gegenüber doch etwas reserviert. Pamina versuchte dann direkt wortreich, Sari von unseren guten Absichten zu überzeugen und am Ende war sie dann zumindest soweit, uns als Begleitung bei ihrer Reise in den Norden zu akzeptieren. Von den Reittieren der Söldner waren noch 4 da, zwei hatten sich bei dem Überfall wohl losgerissen und waren weggerannt. Aber das war ja ausreichend. So mussten wir wenigstens den Weg von hier ab nicht zu Fuß fortsetzen und Sari würde eh wegen Wala auf kein Pferd steigen wollen.

Eine Frage die mich aber noch brennender interessierte war, ob es sich bei unserem Gegner um bloße Schergen, oder echte Anhänger des Namenlosen handelte. Ich begann daher bei ihnen nach fehlenden Fingern, Zehen oder ähnlichen Anzeichen zu suchen. Aber sie schienen alle noch vollständig zu sein und damit keine Kultisten sondern lediglich einfache, gedungene Söldner. Ob ich das jetzt allerdings als Gutes oder schlechtes Zeichen werten sollte, war ich mir nicht sicher. Als nächstes verband ich Surinas Kopfwunde, die zwar nicht allzu schwer war, aber trotzdem stark blutete. Da der Verband die Blutung aber nicht zu meiner Zufriedenheit stoppte griff ich schließlich doch zu einem kleinen Balsamsalabunde, damit uns hier nicht noch weitere Verzögerungen aufhalten würden.

Wir waren gerade noch dabei zu diskutieren, wie nun mit den Kadavern der Toten zu verfahren wäre, insbesondere da wir keine Schaufeln dabei hatten, als ein fröhlich pfeifender Jäger des Weges kam. Er war sichtlich schockiert als er des Massakers ansichtig wurde. Und Sari schien er zu erkennen, denn er wurde schlagartig kreidebleich und stammelte etwas von der „Waldhexe die böse Rituale mit entführten Kindern macht“. Die Furcht ums eigene Leben war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, auch wenn wir überhaupt keine Anstalten machten ihm gegenüber bedrohlich aufzutreten. Als wir ihn fortschickten, er solle doch bitte die nächsten Boronis zwecks einer ordentlichen Bestattung benachrichtigen und hierherführen sah man von ihm nur noch eine Staubwolke auf dem Weg. Ich vermutete, oder befürchtete eher, das der arme Mann heute Abend ziemlich schreckliche Dinge in der Taverne zu erzählen hatte.

Daher machten wir uns auch umgehend aufbruchbereit. Von hier an ritt ich auf einem der erbeuteten Pferde. Einem, zumindest soweit ich das beurteilen konnte, einfachen Braunen, dessen Stammbaum wohl genauso kurz war wie der eines durchschnittlichen Sklaven. Sollte ich das Tier länger als ein paar Wochen behalten, würde ich mir vielleicht sogar einen Namen dafür einfallen lassen müssen. Schneller kamen wir aber auch nicht voran mit Sari als Fußgängerin, eben nur etwas bequemer. Am Abendlager übernahm ich die erste Wache, damit ich noch bei Feuerschein wach war und zumindest ein wenig sah. Jetzt ärgerte ich mich, dass ich kein Buch als Lektüre für solche Stunden mitgenommen hatte. Die Wache war eintönig und langweilig! Aber dafür verlief die Nacht ungestört, auch wenn der Boden etwas zu hart war, um als bequem gelten zu können. Der nächste Tag und die folgende Nacht verliefen ebenfalls Ereignislos, während wir uns vorsichtig und meist abseits der Wege gen Firun begaben. Als es darum ging mit den Pferden nicht in völlig unwegsames Hügelland zu müssen stellte sich heraus, dass wir auf der falschen Seite des Flusses waren und diesen nun überqueren mussten. Pamina fand zum Glück eine Stelle, die sich als halbwegs passierbar herausstellte. Ich ritt durch die Furt, wobei das Wasser den Pferden trotzdem bis zum Bauch ging, da ich keine Lust hatte den Weg klitschnass fortzusetzen. Hier mit einem Wagen durchzufahren wäre sicher nicht möglich gewesen. Das folgende Abendlager lag etwas ungünstig zwischen Fluss und Bergen, aber anscheinend war es schon spät genug das wir die letzten Reisenden waren und am Morgen brachen wir so früh auf, dass uns niemand überraschen konnte. Von hier an wand sich der schmale Pfad über den Berggrat, daher schickten wir Pamina etwas voraus, falls uns jemand auflauern oder entgegenkommen sollte. Wir hatten den halben Weg schon geschafft, als von hinten lautes Hufgetrappel zu hören war. Hastig sahen wir uns um und fanden gerade noch rechtzeitig eine Stelle zwischen zwei größeren Findlingen, wo man auch die Pferde außer Sicht vom Weg unterbringen und hinter den Felsen verstecken konnte, ein gutes Stück ab vom Weg. Es dauerte nicht lange, dann passierte eine große Reiterschar unser Versteck, sicherlich zwei Dutzend Reiter, die sicher dem Feind angehörten. Genau für solche Situationen hätte ich ja die perfekte Lösung. Einen Shruuf in die Gruppe hinein, und der Feind hätte sich in Streit und Zweitracht selbst in Stücke gehauen. Aber ich war mir recht sicher, das Faramud dann wieder böse gewesen wäre, und Sari, die sich gerade wieder an meine Anwesenheit gewöhnte, hätte ich damit sicher auch verprellt. Also ließ ich den Feind ziehen…

Pamina und Surina gingen im nächsten Dorf, Khalim, für uns Vorräte besorgen und blieben über Nacht dort in der Herberge. Wir anderen standen extra früh auf, um das Dorf zu umgehen bevor die Bauern auf die Felder gehen würden. Sie brachten uns nicht nur Essen mit. Auch die Geschichte von der Waldhexe mit dem Wolf, die jetzt auch von gedungenen Mördern, also uns, begleitet würde, breitete sich offensichtlich aus. Mittlerweile gäbe es ganze 25 Dukaten als Belohnung für Hinweise zu Sari, was mir nur bewies wie verzweifelt der Feind mittlerweile war. Wir gingen daher weiter abseits des Weges. Wir waren ja nicht gerade eine unauffällige Truppe und mehr Aufmerksamkeit als nötig sollten wir wohl nicht auf uns lenken. Abends sahen wir auf der Straße eine größere Gruppe, bestimmt ein halbes Banner, in einer Staubwolke wieder Richtung Süden reiten. Der Feind schien den Weg auf und ab zu patrouillieren. Das mochte aber auch bedeuten, dass wir hinter dem nächsten Dorf vielleicht wieder auf die Straße gehen könnten. Je nachdem, wie weit sie ihr Gebiet schon fassten. Sari und Faramud befragt, welchen Weg nach Norden sie zu nehmen gedachten und was am besten wäre, entschieden wir uns zunächst einmal gen Merwed zu gehen. Von dort aus würden uns dann verschiedene Möglichkeiten offenstehen.

Es war der 1. Ingerim, als wir uns nördlich eines Dorfs namens Rabe el Dash wieder auf die Straße trauten, da vom Feind nun nichts mehr zu sehen gewesen war. Pamina, mit der ich fruchtlos versuchte einen Diskurs über die 12 den Göttern heiligen Gehölze zu führen und wo man diese am besten finden mochte, hatte mir zumindest mittlerweile einen Rosenholzpflock geschnitzt, da hier an den Feldrainen durchaus gelegentlich Wildrosenstöcke wuchsen. Aber woran mochte man wohl einen Rahjaverfluchten Vampir erkennen? Waren diese dauerläufig? Eine interessante Frage… die ich aber hintenanstellen musste. Die Lösung wäre ja rein theoretisch und nicht überprüft. Ein solcher Vampir wäre vielleicht die einzige Möglichkeit des halbwegs konstruktiven Beischlafs mit einem Untoten, auch wenn man dabei vielleicht besser einen eisernen Kragen um den Hals tragen sollte. Eine seltsame Vorstellung…

An diesem Tag begegneten wir einem Bauern mit seinem störrischen Esel auf der Straße. Ein Wickelkopf, wie er im Buche stand, der beim Thema Frauen und Magier starke Vorbehalte hatte und eher das Gespräch mit Faramud als mit uns anderen suchte. Dieser versuchte sogar, den Bauern auf die Fährte zu locken das wir in Richtung Kunchom unterwegs waren, falls er uns doch verpetzen würde. Ansonsten war für mich diese Begegnung eher eine Randnotiz. Viel interessanter war ein Diskurs, den ich mit Sari und Faramud zum Thema Untote führte, da mich interessierte wie die beiden hierzu standen. Immerhin waren Untote keine Dämonen. Faramud war, wenig verwunderlich, strikt gegen das erheben von Untoten, egal in welcher Form. Sari, die Anfangs ähnlich vehement war, weil bei ihr ja alles auf Geistern und in diesem Fall wohl bösen Geistern, beruhte, brachte ich im Gespräch soweit, dass die Erhebung von Tieren, also keinen Menschen, doch in Ordnung sein könnte. Zunächst war die Frage für mich rein hypothetisch, den Skeletarius beherrschte ich ja nur, soweit ich mir die Grundkenntnisse aus dem Buch des Nekromanten im Bornland angeeignet hatte. Aber weiterführend mochte mir da ein Schlupfloch in der Interpretation meiner Gefährten später vielleicht einmal zum Guten gereichen, ohne ein erneutes Zerwürfnis heraufzubeschwören.

Als es schließlich darum ging bei Mherwed den Mhanadi zu überqueren trennten wir uns. Sari und ich, immerhin die auffälligsten in unserer kleinen Gruppe, würden den Fluss mit einem von ihr beschworenen Windgeist im Morgengrauen überqueren. Der Rest würde mit meinem Pferd am Zügel ganz profan die große Brücke nehmen, die bei der Stadt den Strom überspannte. Dann wollten wir uns am anderen Ufer, wo die Straße gen Fasar verlief, ein gutes Stundenglas nördlich der Stadt wieder treffen.

Als wir im morgendlichen Nebel am Rand des Stroms standen, er mochte hier gute 200 Schritt breit sein, so genau konnte ich das nicht sagen, da die Sicht nach einigen Dutzend Sicht im grau verschwamm, war es zwischen Sari und mir wieder, als wäre nie etwas vorgefallen. Die friedliche Stimmung des Morgenerwachens an ihrer Seite konnte ich richtiggehend genießen. Kein Zweifel, ich würde für ihre Sicherheit sorgen, ob sie das nun wollte oder nicht. Bedauerlich nur, dass dies anscheinend bedeutete, dass ich wieder länger von zuhause fort war als gedacht. Ich hatte mich ja verabschiedet, nur eine kurze Reise nach Rashdul machen zu wollen. Das würde wohl doch mehr Zeit in Anspruch nehmen, als ich gedacht hatte. Der Luftgeist den sie rief brachte uns ohne große Umstände hinüber. Nur Wala schien von dieser Art des Reisens wenig angetan zu sein – ihre jaulen und jappen hörte man weit durch die morgendliche Stille hallen.

Da wir davon ausgingen, dass die Anderen deutlich länger als wir brauchen würden, beschlossen wir noch auf Entenjagd zu gehen, um ein Frühstück zu haben. Mich packte die Neugier, deswegen begleitete ich Sari, auch wenn ich nicht einmal in der Lage war ihren Kurzbogen halbwegs zu spannen. Nun, meine Waffen waren ja sowieso eher geistiger Natur – wenn ich in der Lage war mit einem Cantus einen Feind zur Strecke zu bringen, würde das mit einer Ente sicher auch funktionieren, oder? Also schlichen wir gemeinsam am Ufer entlang, bis wie eine Gruppe Enten fanden, die auf einem Altarm trieben. Auf dem letzten Stück Weg das wir uns näherten blieb ich jedoch mit dem fuß hängen, und das schreckhafte Federvieh wollte davon stieben, bevor Sari einen Schuss auf die schwimmenden Tiere abfeuern konnte. Ich rief in aller Eile einen Fulminictus auf, bevor die Enten zu weit weg waren und erwischte eine, die zuckend wieder ins Wasser fiel und ihr Leben aushauchte. Sari sah mich ungläubig an und kann nicht leugnen, dass sich ein gewisses Hochgefühl meiner bemächtigte. Das erklärt vielleicht auch, warum ich nun meine übliche Vorsicht fahren ließ. Da Sari keine Anstalten machte die Beute aus dem Wasser zu holen entkleidete ich mich und wollte die paar wenigen Schritt hinüber schwimmen die Ente zu holen. Dabei merkte ich recht schnell drei Dinge. Ad primo war der Untergrund des Flusses recht sumpfig und rutschig. Ad secundo konnte ich mitnichten weiter hinauslaufen, da das Ufer schnell steil abfiel. Und ad tertio war Schwimmen keines der Dinge, die ich besonders gut beherrschte – nach wie vor nicht. So kam es, das ich recht unwürdig begann unterzugehen und Wasser zu schlucken, aber nicht in der Lage war die Ente zu erreichen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was das für ein unwürdiges Bild vom Ufer aus war, als am Ende es Wala war, die mich aus dem Wasser zog. Zum Glück war Sari, die anscheinend Verständnis für mich aufbrachte, die Einzige, die diesen Anblick zu sehen bekam. Da ich aber nicht bereit war mit den Jagderfolg zunichtemachen zu lassen, bastelte ich mir aus meinen beiden Wasserschläuchen, die ich mit Luft aufpustete, Schwimmhilfen für die Arme und paddelte dann damit hinaus aufs Wasser und wieder zurück. Sicher nicht besonders elegant anzusehen, aber es funktionierte zumindest. Kaum war ich mit der Ente am Ufer zurück und hielt diese triumphierend hoch, schnappte sich allerdings Wala die Beute und verschwand damit hinter den nächsten Busch. Üblicherweise hätte ich mich darüber unbändig geärgert. Aber angesichts der Tatsache, dass mich der Wolf vorhin aus dem Wasser geholt hatte, mochte ich ihm die Ente auch als verdient zugestehen. Davon wollte ich mir den Tag nicht verderben lassen!

Während wir dann warteten, dass die anderen endlich kommen mochten plauderte ich noch ein wenig mit Sari. Sie erklärte mir den Unterschied zwischen Zähnen und Fängen der Wölfe und ich versuchte zu verstehen, wie es ihrem Volk wohl möglich gewesen sein mochte, eine solch mächtige Wesenheit wie einen Tagherrscher zu bannen. Leider schien auch sie noch nicht besonders tief in diesen Geheimnissen eingeweiht zu sein. Aber das es wohl nichts war, was ein einzelner Schamane ihres Volkes allein vollbrachte, sondern es davon einer Gruppe bedurfte, schien am Ende recht klar. Aber die Möglichkeiten, die sich damit nun boten! Wer weiß, vielleicht sogar in der weiteren Zukunft alle fünf verbliebenen Tagherrscher des Namenlosen von Dere bannen zu können? Das war ein Magnum Opus, dem ich mich gerne widmen würde!

Als Faramud, Surina und Pamina endlich kamen waren sie nicht allein. Vielleicht erklärte dies, warum sie so getrödelt hatten. Sie wurden von einem halbelfischen Mann begleitet, der sich als Sterndeuter Alfun ibn Nimar vorstellte und uns zum Mittagessen und Tee in seinen Turm einlud. Zunächst wunderte ich mich darüber, dass Faramud, der ja sonst eine eher misstrauische Seele war, sich so leichtfertig auf einen Fremden einließ. Es stellte sich aber heraus, dass der Sterndeuter, so wie auch unser Freund Hablet in Fasar übrigens und anscheinend auch Faramud, einer Gruppe von Sternkundlern angehörte, die sich untereinander an irgendeinem geheimen Zeichen erkennen konnten. Und da Faramud ihm sein Vertrauen schenkte entspann sich im Turm angekommen schnell ein interessanter Gedankenaustausch, den wir recht offen führten. Es stellte sich heraus, dass er noch einige Wissenslücken schließen konnte, die wir hier hatten. So waren es wohl nicht nur die Schamanen der Nivesen, die die Bannung des Tagherrschers vollbracht hatten, sondern sie hätten wohl Hilfe von einigen Elfen oder Hochelfen gehabt. Wie lange mochte das Ereignis denn dann nun schon her sein? Sogar mit Faramuds magischen Astrolabium befassten wir uns, dass aber nach seiner Beurteilung unvollständig war. Es fehlten wohl zwei Schnüre aus magischem Metall, weswegen es vielleicht in seiner Nutzbarkeit eingeschränkt war. Allerdings funktionierte es soweit, dass man einen Gegenstand oder einen Körperteil hineinlegen konnte und dann etwas angezeigt bekam. Beispielsweise die Sternkonstellation zur Geburt eines Menschen. Oder ein bestimmtes Datum, zu dem ein Gegenstand mit einem besonderen Ereignis verknüpft war. Er hatte sich wohl mit Niobaras Schriften befasst, denn er versuchte den Anderen die Grundlage der karmalen Kausalknoten zu erläutern – stieß dabei aber, wenig verwunderlich, auf nur geringes Verständnis. Er schien die Theorie sogar soweit zu verfolgen, dass es nicht nur große Knoten in der Geschichte geben würde, sondern sogar jede Geburt eines Menschen ein wenn auch nur verschwindend kleiner Knoten war. Auch interessant. Das verfolgend bat ich ihn, für Nandurin mittels des Astrolabiums ein Geburtshoroskop zu erstellen, wenn denn nachher Zeit wäre.

Nach der tulamidischen Zeitrechnung würden sich die Äonen, und damit die Sternkonstellationen alle 2808 Jahre wiederholen. Und er kannte sogar die Streitschrift, die sich mit dem Namenlosen, den Zeitaltern und den reißenden Zähnen die er im 12.Äon senden wollte befasste. Wobei wir uns nun unsicher waren, ob es genügen würde die nächsten Namenlosen Tage zu überstehen ohne das Sari und der Zahn dem Feind in die Hände fiel, oder das erst in der Zukunft passieren würde. In ersterem Fall war der Zeitraum den wir noch auszustehen hatten ja recht überschaubar. Als Sari den blauen Zahn herausholte und ich, nur um zu sehen ob etwas geschehen würde, den Amethystring aus dem Gepäck fischte, entlud sich erneut ein Blitz von dem Zahn her und verpasste mir einen kleinen Schlag. Aua! Aber den Zahn legten wir dann ins Astrolabium, nur um festzustellen, das es wohl ohne die Schnüre nicht funktionierte. Vermutlich war seine Funktion ohne diese limitiert und das Ereignis lag zu weit zurück. Allerdings hatte der Sterndeuter einen bekannten, der sich gerade auf der Suche nach einem hochelfischen Kloster befand, in dem Faramud sogar schon einmal gewesen zu sein schien, und wo sich vielleicht solche Ersatzteile finden mochten. Wir kannten also das Ziel, irgendwo am nördlichen Rande der Khom. Und auf dem Weg in den Norden würde dies, außer wir wollten später durch die Heptarchien reisen, gar keinen so großen Umweg bedeuten. Und der Sterndeuter würde uns sogar begleiten wollen. War das nun ein Glücksfall, oder schon wieder verdächtig? Ich solle mich dessen vorsichtshalber später vielleicht doch einmal mit magischen Mitteln versichern….

 

Zunächst aber, wenn wir schon bei all dem Blicken in die Zukunft und Vergangenheit waren, wolle Sari wieder einmal mit Knochen herumorakeln. Da ich in der Vergangenheit schon erlebt hatte, wie gut das manchmal funktionierte, hatte ich auch nichts dagegen. Allerdings benötigte sie dazu wieder „weise Vögel“, also Eulen. Und da ich immer Eulengewölle für meine Tinkturen benötigte und es in einem Hain in der nähe zufällig sogar solche Tiere geben sollte, machten wir uns gemeinsam auf die Jagd. Langsam fand ich gefallen daran, mit meiner kleinen Sari durch die Landschaft zu streichen, zumindest solange die Landschaft in der Nähe war und nicht zu wild.

Auf dem Weg dorthin, es war wirklich sozusagen um die Ecke, gingen wir ein Stück den Weg entlang und winkten freundlich einem vorbeireitenden Reisenden zu, der auf der etwas weiter entfernten Straße unterwegs war – wohl ein Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellte. Zunächst aber suchten wir die Bäume in dem Hain nach auffälligen Löchern in den Stämmen ab, in denen Eulen wohl den Tag verschliefen, und den Boden darum herum nach ausgewürgten Gewöllen. Es dauerte nicht lang, bis wir einen vielversprechenden Baum fanden. Während Sari ihren Bogen schussbereit machte sammelte ich 3 Gewölle am Boden ein und klopfte dann beherzt mit dem Stab an den Stamm, um das Federvieh herauszuscheuchen, allerdings ohne Erfolg. Dann versuchte ich ein halbes Dutzend Steine in die Öffnung zu werfen, aber Zielen und Werfen von Dingen war ja noch nie meine besondere Stärke gewesen. Nur einer der Steine landete überhaupt in der Nähe der Höhlung, der Rest flog in weitem Bogen an dem Baum vorbei. Es tat sich immer noch nichts und Sari meinte, die Jahreszeit würde passen, das die Vögel vielleicht gerade brüteten und nicht herauskommen wollten. Also machte ich mich, es sah ja zum Glück außer Sari niemand zu, daran, mit ihrer Hilfe den Baum hinauf zu klettern, nachdem sie mir bis zu den untersten Ästen mit einer Räuberleiter geholfen hatte. Ich mühte mich ein wenig, denn auch das Erklettern von Bäumen war nichts, was man auf der Akademie lernte, aber zum Glück war das Loch gerade einmal in 4 Schritt Höhe, so dass ich bald ausreichend genug heran war, um mit meinem Stab darin herumzustochern. Das schien die Vögel nun tatsächlich ausreichend aufzuschrecken, denn mit einem erbosten kreischen kamen die Bewohner des Nests nun heraus.

Saris erster Pfeil ging noch fehl und steckte auf einmal neben mir im Baumstamm, während die Eule begann flügelschlagend auf meinem Stab entlang zu laufen um nach mir zu hacken. Weit kam sie aber nicht, denn mit dem nächsten Schuss setze Sari der Eule ein Ende. Ich zog mich noch ein Stückchen weiter hinauf um in das Loch zu blicken und sah dort drei Jungsvögel mit aufgerissenen Schnäbeln hocken. Gerade wollte ich Sari fragen, ob sie diese auch bräuchte, da hörte ich von hinten ein rauschen herankommen und einen weiteren heißeren Eulenschrei, bevor mich ein scharfes Paar Krallen in den Rücken traf. Ich biss die Zähne zusammen und zog meinen Dolch, aber bevor ich reagieren konnte hatte Sari die grantige Mama-Eule schon mit zwei weiteren Pfeilen vom Himmel geholt. Die Babyeulen, nur der Vollständigkeit halber, holte ich aus dem Nest und warf sie für Wala hinunter – sie dort oben verhungern zu lassen wäre ja auch nur ein unnötig grausamer Tod gewesen. Dann kletterte ich wieder hinab und Sari versorgte sogar noch kurz die Kratzer auf meinem Rücken, bevor wir uns auf den Rückweg zum Turm machten und dort ein recht schmackhaftes Abendessen erhielten. Kochen konnte dieser Sterngucker anscheinend sehr ordentlich.

Während wir den Hammel mit Reis genossen und uns unterhielten, hörte ich das erste mal von Saris Geburtstag. Und das konnte im aktuellen Zusammenhang ja wohl kaum ein Zufall sein… es war laut ihrer Aussage der 1. Praios, und damit ja, im Umkehrschluss, der 6. Namenlose. Einer meiner Lehrmeister hatte einmal gesagt, Zufälle sind nur die unergründlichen Wege der Götter, für die wir sterblichen noch zu dumm sind um sie zu erkennen. Und nach all den Erfahrungen der letzten Jahre würde ich ihm da mittlerweile zustimmen. Auch dieses Puzzleteil musste etwas bedeuten. Nur was? Das Problem mit solchen Rätseln war leider, dass man sie oft erst verstand, wenn es bereits zu spät war… da Sari sich jetzt aber an die Vorbereitung ihres Orakels machen wollte, nahm der Rest von uns sich das Orbitarium vor, um die Sterne nach Dingen zu befragen, die uns interessierten.

Mich interessierte ja zuförderst die Zukunft Nandurins. Also versuchten wir, da seine Hand ja zuhause in Al’Anfa weilte, diverse Dinge der Reihe nach durch, ob eines davon die Sternenkarte auslösen könnte. Faramud hatte noch Nandurins Kreisel dabei, der allerdings nichts brachte. Auch das Kindspech, das ich wohlverwahrt immer mit mir führte und beim Astrologen heftiges Stirnrunzeln auslöste – „Wie könnt ihr annehmen, dass ein Haufen Scheiße hier funktionieren soll?“- brachte uns nicht weiter. Erst mit Nandurins Nabelschnur – ich musste Faramud zunächst einmal erklären was das überhaupt war – erzielten wir ein Ergebnis. Nun ist die Sterndeuterei ja, ähnlich wie die Rechtspflege, keine eindeutige Wissenschaft. Frag 3 Astrologen zu ihrer Interpretation der Sterne, und Du erhältst, mindestens, 5 verschiedene Aussagen. Oft noch abhängig davon, aus welchem Kulturkreis sie stammen. Allein die Interpretation der Mada, die hier im Tulamidenland kursierte war eine fundamental andere, als zum Beispiel Sari sie auslegen würde. Aber sei es drum, ich fand das, was der Halbelf zum 16. Peraine 1027 BF, Nandurins Geburtstag, zu sagen hatte, sehr interessant.

Interessant, seht ... das nenne ich einmal eindeutig! Die volle Mada (Rad) zieht über das Schwert. So wisset, Praiosgestirn und Mada sind die einzigen Himmelskörper die in der Lage sind andere zu verdecken bzw. zu überstrahlen. Wenn das geschieht, wird das gemeinhin als Vorrang der Eigenschaften des Praiosgestirns bzw. der Mada gegenüber den Eigenschaften des verschwindenden Gestirns ausgelegt. Dass die volle Mada sich über das Schwert schiebt, kann z.B. bedeuteten, dass im Leben dieses Kindes, die Magie eine größere Rolle spielen wird als z.B. der Kampf. Im Übrigen Fürsorge und Pflege, die Attribute des Storches, dürften angesichts des Standes des Praiosgestirns eher eine, sagen wir einmal, nachgeordnete Rolle im Leben dieses Menschen spielen. Aber das mag nur eine Randnotiz sein, denn die Eigenschaften, welche die Zukunft eines vernunftbegabten Wesens bestimmen, werden, so sagt es zumindest die Lehre von den Sternen, maßgeblich durch die Wandelsterne vorgegeben. Sie heißen so, da sie sich aus unserer Sicht unvorhersehbar, nicht planbar bewegen. Deswegen wird ihrer Position zur Geburtszeit viel Gewicht beigemessen. Konkret: Stehen Sie für sich alleine oder nicht. Wenn nicht, welche Art von Einhegung erfahren sie. Welcher steht zentral. Wichtig ist insbesondere auch ob sie sich innerhalb des Zwölferkreis befinden oder außerhalb. Nun wollen wir einmal sehen, ... Nandus nimmt innerhalb der Wandelsternanordnung die zentrale Position ein... also ist Intelligenz die Leiteigenschaft, was ja vordergründig betrachtet zunächst nicht von Nachteil ist. Die starken Prägungen geben sich durch die Wandelsterne außerhalb des Zwölferkreises. Aah sehr selten ... Ucuri innerhalb des Greifen, mmmh... . Der Greif hegt Ucuri ein. Gesetz und Ordnung werden den Ucuri zugeschriebenen Bewegungsdrang, also die Bewegungsfreiheit des Kindes deutlich einschränken. Mmmh ... Hinsichlich der vollen Mada und des vom 12er Kreis eingehegten, wenn auch alleinstehenden, Nandus könnte hier wahrscheinlich die geistige Bewegungsfreiheit gemeint sein. Dieser Aspekt ist umso bedeutender deshalb, da Ucuri eigentlich außerhalb des Zwölferkreises befindlich ist und direkt auf der Nord-/Süd Scheide steht, was widerum sehr selten vorkommt und explizit als „Freiheit ohne Grenzen“ interpretiert werden kann. Oooh, misslich.... Aves steht an der Stirn der Stute – möglicherweise wird es im Leben des Kindes des Öfteren passieren, dass Leidenschaft und Gefühl die von Aves gegebene Entschlossenheit konterkarieren. Soll heißen, wenn die Hitze in den Lenden aufsteigt könnten sehenden Auges offensichtliche Nachteile durch das abweichen von den eigenen Vorsätzen, hingenommen werden. Naja, zumindest muss man hier hinsichtlich des schwachen Storches noch nicht die Hoffnung aufgeben. Nun die Ucuri und Aves Konstellationen deuten doch sehr auf stärkere Einhegungen hin, lasst es uns ein ... Korsett im Leben des Kindes nennen, das über die Zeit auch ein Gefühl der Unzufriedenheit, möglicherweise sogar Widerstand erzeugen kann. Ja, jaaaa... unbedingt, dass Kor, dem Aggression zugeschrieben wird, komplett uneingehegt, außerhalb des Zwölferkreises steht, lässt den Widerstand realistischer erscheinen als sich in einer dauerhaften Unzufriedenheit einzurichten. Nun .... vielleicht macht es ein Blick auf die grundsätzlich eingehegten Wandelsterne wieder etwas besser. Ungewöhnlich, ... gleich zwei Wandelsterne in einem Sternbild hier ... Horas und Simia, also Ausstrahlung und Geschicklichkeit im Sternbild Drache. Mmhh... normalerweise wird der Drache mit Macht, Sieg und Triumph assoziiert, wozu Ausstrahlung und Geschicklichkeit ja wunderbar passen würden ... aber .... angesichts der Einhegung von Ucuri und Aves ... fraglich, ob von diesem Kind Großes zu erwarten sein wird ... möglicherweise steht der Drache hier als Symbol des Teils der Schöpfung der den anderen Teil stets herausfordert, was wiederum als ein Dauerhaftes sich Abwenden gedeutet werden könnte. Vielleicht aber auch nicht ... denn Marbo, die für Beharrlichkeit, Levthan der für Einfühlung und Nandus der für Intelligenz steht, sind zwar vom Zwölferkreis grundsätzlich eingehegt, haben aber ansonsten größtmögliche Bewegungs- bzw. Entfaltungsfreiheit. Marbo und Nandus stehen zudem Kor am nächsten, das heißt ihre Aspekte kommen am ehesten noch in Frage, wenn es darum geht ein Gegengewicht zu bilden, das es dem Kind ermöglicht innerhalb der gesetzten Grenzen zu bleiben und dennoch viel zu erreichen.

Ich will nicht sagen, dass ich bereit war allen seinen Auslegungen zu folgen, aber an einigen Stellen hatte er Punkte angesprochen, denen ich durchaus bereit war zuzustimmen. Was mich besonders interessierte und dann beruhigte war die Tatsache, das Nandurins Sterne alle weit weg von der großen Leere, also dem Namenlosen waren. Diesem Einfluss wollte ich ihn ja gerade entziehen, und das schienen die Sterne zu begünstigen. Wobei ich, gerade bei diesem Thema, einen schnellen „Blick in die Gedanken“ des Sterndeuters war, nur um sicher zu gehen, dass er uns nicht hinterging. Aber da war nichts, was über seine wissenschaftliche Interpretation hinaus ging, keine Hintergedanken oder bösen Absichten, die er nicht in Worte fasste. Das beruhigte mich schon einmal. Nein, meinem Jungen war zweifellos großes Vorherbestimmt!

Der Vollständigkeit halber legten als nächstes Faramud und dann ich die Hand in das Orbitarium und wir beobachteten fasziniert, wie die Sterne zu wandern begannen. In der Kurzfassung blieb zu sagen, dass die Sterne es bestätigten. Der loyale Faramud wurde von seinen Impulsen gesteuert und war nicht die hellste Kerze auf der Torte – wobei ich da schon erstaunliche Ausnahmen in der Vergangenheit festgestellt hatte. Und bei mir stand die Macht der Mada dermaßen zentral, dass an meiner Bestimmung zu einem der größten Magiewirker Deres aufzusteigen kaum ein Zweifel bestehen konnte – vom Praiosgestirn war da weit und breit nichts zu sehen…

Wir hatten darüber ein wenig die Zeit vergessen, als Sari schließlich mit ihren Vorbereitungen fertig war. Die eine überzählige Eule verspeisten wir – ein zähes Vieh, das kaum als Delikatesse taugte – während die Andere von ihr in einem heißen Feuer kremiert wurde, bis nur noch die Knochen und der Schnabel übrig waren. Für mich lagen da nun wieder einmal ein Haufen verkohlter Knöchelchen – aber auch Sari schien sich nicht sicher, wie sie diese Anhäufung von Gebeinen diesmal interpretieren sollte und machte einen eher betrübten, oder vielleicht nachdenklichen Eindruck. Eine eindeutige Hilfe, wie es früher schon einmal der Fall war, brachten uns die Knochen aber diesmal nicht bei der Frage, was wir nun tun sollten. Dafür wurden wir mit einem mal rüde unterbrochen. Surina, die sich gelangweilt nach draußen verabschiedet hatte, kam aufgeregt herein, da sich Leute dem Turm nähern würden.

Wobei das eine Untertreibung war, als wir einen Blick nach außen warfen. Was dort heran kam war ein veritabler Mob von mehreren Dutzend Männern mit Fackeln und Forken, der lautstark forderte die Hexe und ihre Handlanger auszuräuchern. Wie konnten die uns nur finden? Hatte der einsame Reiter heute Nachmittag etwas damit zu tun? Jemand anderes hatte uns hier in der Gegend ja nicht gesehen… Hesinde sei’s geklagt! Am meisten von allen Reaktionen – Faramud machte sich kampfbereit, Surina begann einen Ausweg zu suchen – überraschte mich Sari. Der platzte anscheinend der Kragen, dass hier unten im Süden jeder Lügen über sie verbreitete und ihr ans Leder wollte. Mit den Worten „Tu Dein schlimmstes“ erlaubte sie mir sogar, einen Dämon herbeizurufen, um das Problem zu lösen. Und ich hatte da genau das richtige… Ein Shruuf würde das Volk in heilloses Chaos stürzen und dazu bringen, sich gegenseitig zu massakrieren! Ich begann schon ein Heptagramm zu zeichnen, während ich nach meiner verbliebenen Kraft fühlte – so eine Beschwörung eines Gehörnten war ja nicht grade ein entspannter Spaziergang und dauerte auch seine Zeit, als mich die Erkenntnis eiskalt erwischte und ich fluchte. Die Entenjagd und die Hellsicht auf den Sterndeuter hatten mich zu viel Kraft gekostet. Ich würde es nicht schaffen, alleine ein so mächtiges Wesen herbeizuzitieren und zu beherrschen. Und Hilfe war keine in Aussicht… resigniert steckte ich die Kreide wieder ein. Einmal hatte man die Chance, etwas Großes zu tun, und dann scheiterte es an dem profanen Tagewerk – es war zum Verzweifeln!

Mittlerweile hatte der Mob, es müssen auch mindestens ein oder zwei Magier dabei gewesen sein, das Dach des Turms in Brand gesteckt – und uns damit ohne es zu wissen einen Gefallen getan. Sari, in ihrem Zorn, warf jegliche Zurückhaltung von sich und Beschwor ein Wesen, wie ich es noch nie zu sehen bekommen hatte. Einen Titan aus Feuer, der sich am brennenden Turm nährte und dessen Hitze und Wut über uns hinwegfegte, als sie ihm befahl alle die sich dort draußen versammelt hatten um uns zu Schaden einzuäschern. Die Macht die ich dabei spürte ging über einen Djinn, und von denen hatte ich mittlerweile ja mehrere erlebt, bei weitem hinaus. Sollte meine kleine Sari tatsächlichen den Meister des Feuers zu ihrer Rettung gerufen haben?

Das Element verzehrte derweil auf spektakuläre Art den Turm, das oberste Geschoss und Dach wurden regelrecht davongesprengt und in der Umgebung verteilt. Anfangs wirkte das Wesen noch unwillig, Saris bitte zu folgen, ihre Haare verschmorten und der Zorn war fast körperlich zu spüren, bis sie ihm darlegte, dass die dort draußen Diener des Namenlosen oder zumindest unter seinem Einfluss standen, und das Ziel am Ende wäre, der Schöpfung einen weiteren Tag zu entreißen, wenn wir sie nicht aufhalten konnten. Ich spürte, wie sich die Wut der elementaren Gewalt von uns abwandte, sich auf ein neues Ziel richtete und mit einem Zischen wie ein glosender Waldbrand hinaus vor den Turm vor. Aus den ungläubigen Rufen wurden Schreie der Angst und dann das Geheul der Totgeweihten. Ich muss gestehen, dass der Schweiß der mir am Körper herab ran nicht ausschließlich von der monströsen Hitze gestammt hatte…

Sari verlor schließlich das Bewusstsein, und ich fing sie auf. Ich hatte die freigesetzte Kraft gespürt. Ein Meisterstück der Magie, das sie hier gewirkt hatte, aber was mochte sie das gekostet haben? Wir verloren nun keine weitere Zeit, packten unsere Habseligkeiten und die Packtaschen der Pferde und flohen Hals über Kopf durch einen unterirdischen Tunnel, der wie durch den Felsen gewachsen aussah, hinaus in die Ferne. Der Tunnel erstreckte sich 2 Meilen unter der Erde entlang und zu meinem erstaunen erfuhr ich, das der Elementar der ihn angelegt hatte vom Sterndeuter selbst damit beauftragt worden war. Wer war dieser Kerl, und was verheimlichte er mir? Das würde ich noch ergründen müssen!

Ein unrühmlicher Abgang, ja, aber immer noch besser als massakriert zu werden oder im brennenden Turm selbst zu vergehen. Als wir den Tunnel verließen, er endete in einer kleinen Höhle, versorgte ich erst einmal Saris Brandverletzungen mit einem Balsam, damit wir direkt weitergehen konnten. Und soviel natürlich zu unseren Pferden… die hatten nicht durch den Tunnel gepasst und waren sich selbst überlassen worden – also jetzt entweder friedlich grasend in irgendeinem Nebental, oder zu Röstfleisch verwandelt vor dem Turm. In jedem Fall hatte ich recht… es lohnt sich nur einem neuen Pferd frühestens zwei Wochen nach dessen Akquisition einen Namen zu geben. Alles vorher war vergebene Liebesmühe. Nach übersteigen der 14-Tages-Schwelle stieg jedoch meiner Meinung nach die Chance auf eine längerfristige Verfügbarkeit des Reittiers überexponentiell an. Wir jedoch machten uns jetzt jedoch zu Fuß auf den Weg...

Faramud führte uns nach Norden, abseits der Wege, da wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nun nicht mehr besonders gut in diesem Landstrich gelitten waren. Wenn die hiesige Obrigkeit sich um den Fall erst einmal kümmern würde, dürfte auch das ausgesetzte Kopfgeld sich noch einmal deutlich erhöhen. Immerhin hatte Sari soeben das äquivalent eines mittelgroßen Dorfes ausgelöscht. So einen Schwund an Arbeitskräften mochte üblicherweise keiner der leidigen Dorfdespoten ohne nach Vergeltung zu rufen hinnehmen. Die Landschaft war hier sehr kulturell geprägt, selbst neben den Straßen zogen sich allenthalben Feldwege durch die Gegend und wir mussten wiederholt der arbeitenden Landbevölkerung ausweichen. Bis zum frühen Nachmittag trieb uns Faramud voran, ehe wir eine Ras bis in die Nacht in einer geschützten Senke einlegten. Den Weg bis dahin nutzte ich, um den Halbelf mit einem kleinen Odem zu taxieren – seine Aura war etwa so stark ausgeprägt wie bei Sari, und damit ungefähr die Hälfte der meinen. Umso verwunderter war ich über die Dinge, die er angeblich vollbracht haben wollte. Erst hinter Borbra wagten wir es, wieder auf der Straße zu gehen um weiter Richtung Samra zu kommen. Allerdings trennten wir uns zur Sicherheit, da man ja entweder die Waldhexe oder, alternativ, sie in Begleitung ihrer Mördertruppe, suchen würde. Nicht jedoch vereinzelte Reisende, die es in dieser Gegend ansonsten ja ausreichend gab. So zumindest unsere Hoffnung. Allerdings trennten wir uns nur soweit, das wir auf der Straße immer jemanden voraus und oder hinter uns in Sichtweite hatten, um uns im Notfall beistehen zu können.

Auch durch Samra gingen wir getrennt, um dann die Brücke über den Fluss zu nehmen. Ich ging als erster und allein voran, als ich selbst. Ich war respektabler Magus, da brauchte es keine Verkleidung. Das graue Reisegewand eines Magiers stand ja auch jedem Gildenangehörigen, nicht nur denen der Linken Hand. Surina ging als Edeldame mit Sari, die sich mittels Paminas Rüstung als Söldnerin und Surinas Leibwächterin ausgab. Pamina gab erneut das gefolgsames Weib Faramuds und Alfun hatte schließlich Wala dabei, die ihm erstaunlicherweise nahezu aufs Wort folgte.

Das Tor Samras wurde von 2 Gardisten bewacht, die wissen wollten wohin ich unterwegs war. Ich gab an den Fluss hinauf über den Raschtullsturm nach Punin unterwegs zu sein – ohne zu ahnen, dass dies später tatsächlich unsere Richtung sein würde. Dann bezahlte ich die obligatorischen 2 Heller pro Bein und schlenderte über den Markt wo ich einen Apfel aß und ging endlich über die Brücke, welche nur Richtung in die Stadt hinein erneut bewacht war. Auf der anderen Seite des Flusses sah ich zwischen den Flüssen Gadang und Mahanadi ein Ruinenfeld liegen. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trog, ich hatte da eine Vorlesung über die Historie der aventurischen Magie Hinterkopf, lag dort eine alte Siedlung der Leviatanim Namens Zamorra. Versonnen blieb ich stehen und betrachtete die Ruinen, während ich darüber nachdachte, ob sich vielleicht ein kurzer Abstecher dorhin lohnen mochte. Allerdings war, vermutlich zumindest, alles Interessante in den vergangenen paar hundert Jahren bereits von ruchlosen Räubern geplündert worden, über das man eher zufällig stolpern konnte.

Von hinten kamen derweil Sari und Surina, gingen aber ohne auf mich zu achten an mir vorbei. Alfun und Wala waren die nächsten und der Sterndeuter riet mir nicht dorthin zu gehen, da die Ruinen noch von irgendwelchen Rondra-Kultisten bewacht würden. Daher ging ich mit ihm weiter. Die Zeit nutzte ich heute, um mit einem Blick aufs Wesen ein wenig weitere Erkenntnisse zu ihm zu erlangen, mit dem ich aber gerade so gegen seine geistigen Barrieren ankam. In Teilen war er wohl sehr fähig, vermutlich was seine Gelehrsamkeit anging, aber das hatte er ja schon in seinem Turm gezeigt. Dazu in guter körperlicher Verfassung, was sich auf der Reise als hilfreich erweisen sollte, gerade wenn es in die Berge oder die Wüste gehen würde. Und durchschnittlich kompetent was sein Zauberwirken und den Umgang mit dem Bogen anging. Es wäre jetzt nur noch spannend, ob er den Wegen des Elfenvolkes oder der Gildenmagie folgte, was sein Zauberwirken anging. Aber das würde ich sicher noch erfahren…

Eine halbe Stunde flussauf trafen wir wieder aufeinander. Surina berichtete uns von einem Boten, der in Samra Hilfe gegen die böse Hexe suchte, die angeblich den Turm des Sterndeuters, dessen Leib bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war, abgefackelt hätte. Wieder gingen wir dann getrennt aber in Sichtweite zueinander weiter. Die Straße war hier sehr gut ausgebaut und wir kamen zügig voran bis an eine Ortschaft namens Ivrinno. Dort lagerten wir aber noch außerhalb abseits der Straße zur Übernachtung, nur zur Sicherheit. Als ich am Morgen erwachte fühlte ich mich endlich wieder gut erholt.

Am Morgen gingen wir um die Stadt herum und in loser Abfolge weiter. Am späten Nachmittag vor Bagfua hieß es erneut eine Brücke über einen Zufluss des Mhanadi zu überqueren. Zwei weitere Gardisten und schon wieder 6 Heller Zoll später setzte ich meine Reise fort. Die örtlichen Herrscher schienen eine wahre Freude an ihren Zolleinnahmen zu haben – die reinsten Brückentrolle, dieses Raubgesindel! Aber immerhin waren wir nun wieder in zwölfgöttlichen Landen wie es schien. Der Ort hatte zwei Gasthäuser und schon vor dem ersten blieb ich stehen und wartete, denn es roch lecker nach Hammelbraten. Surina und Alfun gingen dann mit mir hinein, als sie vorbei kamen, der Rest ging weiter um draußen zu lagern. Endlich wieder einmal eine ordentliche Unterkunft, gepflegtes Essen und Wein. Für 6 Silberne erhielten wir eine fürstliche Behandlung, verbrachten einen guten Abend und eine ruhige Nacht in der Herberge. Als wir am nächsten Tag früh loszogen waren die Wachen noch recht verschlafen, aber das sollte mir nur recht sein.

Unsere Reise ging so unbehelligt weiter bis Selicum. Anscheinend waren wir weit genug aus dem Einflussbereich unserer Feinde und der Herrscher in Mherwed heraus. Unterwegs verzauberte ich Pamina wieder einmal ein Brot mit dem Delicioso Gaumenschmaus, weil sie sich ohne Tier essen zu müssen nach dem Geschmack von Hühnchen sehnte. Weiter ging es nach Erkenstein um über die Berge zu gehen, denn Faramud meinte, wir könnten auch einen Weg von der nördlichen Seite der Berge her zu unserem Ziel gehen. Für diesen Teil schlossen wir uns als Bedeckung einer Karawane über die Berge an, die zwei Tage später aufbrechen wollte. Aber außer einem kleinen Felsrutsch der den Weg schon am Anfang des Passes versperrte geschah nichts Bemerkenswertes. Schade, ich hätte ja gehofft auf Ferkina-Berserker oder Koramsbestien zu treffen, von denen ich wieder etwas für die Alchemie gebraucht hätte. Alfun sah mit Sari auf der Passhöhe am Abendlager einmal in Faramuds Orbitarium nach deren Geburtsterne. Auch spannend, aber weit weniger Eindeutig als zum Beispiel meine, Nandurins oder Faramuds. Die restliche Übersteigung des Passes bis Then hinauf verlief unspektakulär und auf der anderen Seite der Berge waren wir nun in der Region Almada des Mittelreichs. Eigentlich wäre ich jetzt wirklich gerne auf einen Abstecher nach Punin, das musste gar nicht weit von hier sein. Aber die anderen konnte ich mit der Aussicht auf die wahrscheinlich größte Magierakademie Deres nicht locken. Wir verbrachten die Nach in Then und genossen dort einen Wein in der Taberna „Zum almadinenen Auge“. Dann führte unser Weg weiter die Reichstraße 4 hinunter gen Westen. Nach 8 Tage waren wir in Brig-Lo angekommen, dem Ort der zweiten Dämonenschlacht. Wieder so ein historisch bedeutsamer Platz, den ich mir jetzt aber wirklich auf jeden Fall ansehen wollte!

Dieser Eintrag wurde am 19.01.2025 (14:19) verfasst und 60 mal aufgerufen.
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