Tagebuch von Victor Dondoya Lucisresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Interludium

Wenig verwunderlich, dass mich mein Weg auf schnellstem selbigen aus Havena heraus führte. Noch nie habe ich eine so magophobe Stadt gesehen. Ich bin hier einfach nicht willkommen. Und das Klima hier oben ist auch mehr als nur unangenehm. Ein weiterer Grund, den Schritt wieder etwas gen Praios zu richten. Ich habe gehört, das Horasreich soll um diese Jahreszeit seinen Reiz haben.

Hätte ich vorher gewusst was mich erwartet, ich hätte wohl um Havena einen großen Bogen gemacht. Aber wer erzählt einem so etwas schon, wenn man tausende Meilen weit entfernt aufwächst. Ich muss mir wohl ein Schriftwerk zulegen, in dem solchen Hinweise verzeichnet sind. Soweit ich mich erinnere, meinten die Dozenten zu denjenigen meiner Mitstudiosi, die zuerst einmal auf Wanderschaft gehen wollten, was ich ja nie geplant hatte, sie sollen sich zum Zwecke der Vorbereitung einen Hilfreichen Leitfaden für den wandernden Adepten zu Gemüte führen. So etwas, brauche ich jetzt wohl auch. Alldieweil, in Haven dürfte so etwas kaum zu bekommen sein. Ich muss also das angenehme mit dem nützlichen verbinden. Liebliches Feld plus Ort an dem ich ein Magierbuch kaufen kann: Mir fällt da spontan nur Kuslik, Vinsalt oder Bethana ein. Vinsalt ist zu groß, Kuslik zu weit, also werde ich mich nach Bethana aufmachen.

Kurz gesagt, die Reise war unspektakulär. Wieder musste ich, um mein Gold zusammen zu halten, in einfachsten Verhältnissen leben und meine Künste regelrecht verramschen. Es war unwürdig. Aber wenn man kein Krösus ist, kann man eben auch nicht leben wie ein solcher. Ich sehne mich richtig nach den Annehmlichkeiten der Villa meines Herrn Vater. Vielleicht sollte ich doch in Erwägung ziehen, jetzt schon zurück zu kehren. Die Selemiten werden kaum die Dreistigkeit besitzen in die Villa eines Al’Anfaner noblen einzudringen.

Zwei Wochen später ereichte ich Bethana. Mit jeden Schritt in den Süden, wir haben mittlerweile Peraine, hatte ich den Eindruck das Wetter würde besser, das Klima milder. Wirklich, diese Mittelreicher sind ein wenig primitiv und unzivilisiert. Aber man kann es ihnen kaum verdenken, bei diesem Wetter. Da hat der Mensch einfach keine Muße sich um Kultur zu kümmern, da geht es ums überleben. Hier im Horasreich entgegen, das merkte man gleich, sah das schon etwas anders aus. Da konnte man schon so etwas wie Zivilisation bemerken. Eine klare Konklusio: Je besser das Wetter, um so gebildeter das Volk. Freilich, es reicht noch nicht ganz zu einer Hochkultur wie in Al’Anfa, dazu waren wir einfach noch zu weit im Norden. Aber bei uns ist es ja auch stets gleich warm und schön. Praios lächelt ja beständig über der Perle des Südens. Und ja, diese These kann eigentlich nur stimmen, wenn ich es recht überlege. Sieht man sich diese Nordvölker wie Bornländer oder gar Thorwaler an, ist der logische Schluss regelrecht augenfällig.

Wie dem auch sei, Bethana war durchaus eine, wenn auch nach meinen Maßstäben kleine, aber sehr gepflegte und altehrwürdige Stadt. Fachwerk wohin das Auge blickt, gepflegte und gepflasterte Straßen, Ruhe und Ordnung. Anscheinend kein schlechter Ort. Vom Hügel, den ich herunter Schritt konnte ich zahlreiche Schiffe, Boote und Schoner im Hafen und der Bucht ausmachen. Offensichtlich prosperierte die Stadt. Am Tor hielt man mich, schon der Ordnung halber, an und fragte mich nach dem woher und wohin. Etwas barsch wie ich fand. Dem Gewand das ich trage und meinem Stand wird hier wohl nicht der nötige Respekt entgegen gebracht. Trotzdem lies man mich schließlich ein, hatte ich doch einen guten Grund die Stadt aufzusuchen. Ich solle mich lediglich bei der örtlichen Akademie als Wirker der Künste registrieren lassen. Ich hatte zwar eigentlich nicht vorgehabt dort vorstellig zu werden, aber wenn das eine der örtlichen Gepflogenheiten war, so hatte ich kein Bedürfnis gleich zum Beginn meines Aufenthaltes mit den Behörden in Konflikt zu geraten.

In der Halle des vollendeten Kampfes zu Bethana, die nicht schwer zu finden war, fertigte mich der diensthabende Jüngling auch recht schnell ab. Die Strenge ist wohl einem Vorfall geschuldet, bei dem ein abgewiesener Bewerber an die Akademie sich unziemlich randalierend in einem Gasthaus verhalten hat und der in Schimpf fluchtartig die Stadt verlassen musste, bar der Insignien seines Standes. Nun fürchtete man wohl, er würde versuchen, sich diese wieder auf die ein oder andere Weise wieder zuzueignen. Mein Name war der Dritte auf der Liste. Rein vorsorglich, man will ja wissen was um einen herum geschieht, prägte ich mir die anderen beiden Namen, eine Donata Efferdana da Costa und ein Alrik von Irgendwo ein. Auf meine Frage nach der besten Erwerbsmöglichkeit für Schriftwerk nannte man mit den Krämer Fulvio am Marktplatz.

Der Laden war einfach zu finden. Gut, alles andere hätte auch für einen Händler keinen Sinn ergeben. Fulvio war ein ältlicher, gebeugter Mann, der seine eigenen Schriften nur noch mit Lesehilfe entziffern konnte. Ich musste schon auf mich aufmerksam machen, damit er mich als Kunde wahr nahm. Dafür war sein Laden mehr als gut sortiert. Nur Schriften über Dämonen schien er, auf Nachfrage, nicht zu führen. Er machte dabei einen recht reservierten Eindruck. Aber das Buch, nach dem ich suchte, hatte er da. Sogar mehr als reichlich! 19 Exemplare in mehr oder weniger gutem Zustand nannte er sein eigen. Einfach so, in einer Kiste verstaut. Von fast zerfallenden, zerfledederten Exemplaren bis hin zu einer Goldprägung reichte die Spanne. Ich entschied mich nach durchblättern der Büchlein für ein gedrucktes Werk in Garethi, das gebraucht, aber zumindest noch fast neu schien, und für das er 10 Goldstücke forderte. Anscheinend kaufte er regelmäßig die Werke der fertig studierten Adepten der nahen Akademie auf. Was für ein Glück für mich. Diesen Laden werde ich mir merken. Verhandeln war noch nie meine Stärke, daher zahlte ich den geforderten Obulus. Auch eine gewachste Lederhülle, um das gute Stück vor Nässe zu schützen gönnte ich mir. Nicht auszudenken, sollte ich einmal in einen Platzregen kommen oder gar einen Bach stürzen, und dabei das Buch zerstören. Das schöne Gold wäre ja verschwendet gewesen! Nun nannte ich also einen Hylfreichen Leitfaden für den wandernden Adepten mein eigen.

Der Krämer empfahl mir noch die Kapitänsstube als angemessene Unterkunft, zu der ich mich auch sogleich begab. Ich verspürte Hunger und erhielt dort, neben einem Schlafplatz, auch ein sehr genehmes Mahl aus Fisch und Reis kredenzt, dazu zur Feier des Tages ein Gläschen Wein. Den Rest des Nachmittages verbrachte ich damit, in meiner Neuerwerbung zu schmökern und dabei ein paar Tässchen Tee zu konsumieren. Bei offenem Fenster in Sonne und Seeluft müßig zu sitzen… ein herrlicher Tag. Als es dunkelte machte mich die Schankmagd darauf aufmerksam, das sich auf dem Markte abendlich Vergnügen in Form von Gauklerdarbietungen offerierten. Nach kurzem überlegen und zögern lies ich mich doch dazu hinreißen, dem ganzen eine Chance zu geben. Bei Kerzenschein liest es sich eh nur mäßig gut, und ein wenig die Beine vertreten konnte nach dem ganzen Sitzen auch nicht schaden.

Zum Glück waren die Straßen Bethanas gut ausgeleuchtet, ich hatte keine Probleme meinen Weg zu finden. Auf dem Markt hatte sich eine Gauklertruppe, die auf den Namen „Renaldis“ hörten ihr Lager aufgeschlagen und zeigten ihre Künste. Durchaus sehenswert, insbesondere der Feuerspucker verstand sein Handwerk. Freilich, die professionellen Künstler daheim übertrafen das hier gezeigte bei weitem, aber für eine fahrende, quasi semiprofessionelle Truppe nicht schlecht und ein angenehmer Zeitvertreib. Aber das Publikum, einfach unglaublich. Hatte ich schon eine gewisse Meinung von den Horasiern, ich sag sie hier bestätigt. Ein Jahrmarkt, im wahrsten Wortsinn, der Eitelkeit. Stutzer, herausgeputzt wie Pfauen, man hätte sie genausogut im Zoo bewundern mögen. Und wer etwas gab und in den herumgereichten Hut warf, der legte nicht nur Wert darauf zu sehen, dass er gab, nein auch gleich noch wie ach so großzügig er sich zeigte. Was für ein Protzertum. Ein paar meiner Gedanken mussten wohl statt leise gedacht meinem Mund entwichen sein, zumindest wurde ich kurz zur Stille aufgefordert, bevor man meine Erscheinung wahr nahm und sich ein leerer Platz um mich bildete.

Als die Vorstellung zu Ende ging, trat hinter mir jemand an mich heran. Ich dachte mir nichts dabei, immerhin waren wir auf einem öffentlichen Platz, bis ich an meiner Seite plötzlich einen Dolch spürte, der sich in meine Seite bohrte und man mich zum gehen aufforderte. Kurz meine Optionen wägend, folgte ich dem liederlichen Zeitgenossen in eine nahe liegende Gasse. Wir waren wohl nicht allein, er hatte Kumpanen mitgebracht, was die Aussichten nicht besser machte. Allein, der Dolch der mich piekte überzeugte mich, mich erst einmal zu Fügen. Selemer Schergen. Wo um alles auf Dere und wie kommen die nun hier her und haben mich gefunden? Anscheinend sollte ich die Sache doch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Man hatte wohl tatsächlich 50 Dukaten auf meine Ergreifung ausgesetzt. Ich wähnte mich schon in äußerst misslicher Lage, als sich das Blatt wendete.  Unversehens betrat eine nicht zu große, von der Stimme her wohl weibliche Gestalt die Gasse und forderte die Schlagetots auf, sich zurückzuziehen. Als diese keine Anstalten machten, der Aufforderung nachzukommen, griff sich der Dolchstecher, dessen Werkzeug mittlerweile an meiner  Kehle stak, an den Kopf, als hätte er einen schweren Fall von Dumpfschädel. Die anderen wollten sich aufmachen, der hinzugekommenen Dame entgegen zu treten, schienen aber vor Angst zu schlottern und zu zittern. Faszinierend. Die Dame kam auf uns zu, und trat, ganz undamenhaft, dem Dolchträger mit ihren gestiefelten Füßchen kräftig ins Gesicht, so dass er mit blutender Nase zu Boden ging und wir uns anschließend entfernten. Ich folgte ihr erst einmal dankbar und bereitwillig. Sie führte mich in ein Haus der gehobenen Klasse, das Hotel Horasbanner. Auf dem Weg stellte sie sich als Donnata Efferdana da Costa vor, ein Name, der mir dann doch bekannt vorkam. Ihr Auftreten in der Gasse, der Eintrag in der Magierakademie… ich verifizierte das Ganze noch kurz mit einem Odem Arcanum, der das vermutete schlicht bestätigte. Sie war ohne Zweifel eine Magierin.

Im Horasbanner, sie war wohl Stammgast, so wie der Concierge sie behandelte, setzten wir uns in recht gemütliche Sessel und begannen eine Konversation. Erhellend war, dass sie ihre Ausbildung in Fasar genossen hatte, obwohl sie von hier stammte. Der Steife Pinguin von einem Diener meinte bei der Bestellung, einen Scherz auf meine Kosten machen zu müssen, aber ich wusste ihm wohl, Antwort zu geben. Offensichtlich nahm man mich hier nicht für voll. Egal, die Dame Efferdana hatte ein nicht uninteressantes Angebot zu machen. Sie suchte, meine Dienste für den stolzen Betrag von 100 Dukaten, eine monatliche Apanage, freie Kost und Logi sowie die Aussicht, von ihr das ein oder andere erlernen zu können zu erringen. Das Angebot war verlockend. Wie ich sagte, verhandeln ist nicht meine Stärke. Und in Anbetracht der Situation, dass ich wohl nicht einmal hier richtig sicher war, lies ich mich darauf ein. Die geforderte Gegenleistung war weniger, als ich gedacht hätte. Meine Dienste würden auf einen Götterlauf hinaus als Wärter (ich denke in gehobener Position ob meines Wissens) in einer Mine gebraucht. Nun ja, eigentlich auch nichts anderes als Aufseher daheim auf einer Plantage. Zwar keine Arbeit, die ein Magus normal in Erwägung ziehen würde, aber die Entlohnung und sich bietende Sicherheit waren durchaus zu bedenken. Darüber hinaus schien die Dame ein gewisses Interesse an mir zu haben, und ich gestehe, mir ging es nicht unähnlich. Die Aussicht, diesen Dienst gemeinsam mit ihr zu versehen war verlockend. So war es schon immer: Macht zieht Macht an. Noch ein Beweis dafür, dass die unweigerliche Folge irgendwann in einer Magokrathie enden würde, sobald die Zeit reif dafür ist. Also, nahm ich das Angebot an und besiegelten den Kontrakt mit Handschlag. Ich sollte mich zum morgen wieder hier an ihrem Hotel einfinden, dann würden wir weitersehen. Ein wenig hatte ich wohl noch Zeit mich vorzubereiten. Aber was gab es da schon noch zu tun? Ein wacher Geist ist allzeit bereit. Kurz überlegte ich, ob ich sie fragen sollte, nicht einfach gemeinsam in diesem Haus quartier zu nehmen. Aber nicht, dass ich die Signale falsch deutete und dieses Auftreten dann doch etwas zu forsch wäre. Ich mochte sie dann doch nicht so bald verprellen. Lieber nächtigte ich in meiner eigenen Unterkunft.

 

Am nächsten Morgen erwachte ich frisch und ausgeruht, so wie es sein sollte. Ich wollte ja auch nicht zu spät kommen, wenn die Dame da Costa zum Frühstück ruft. Im Horasbanner angekommen erwartete sie mich bereits trotz der frühen Stunde. Heute trug sie tatsächlich ihre Fasarer Robe, schwarz, elegant mit einem dunklen Stab neben sich, der auf den ersten Blick einfach, auf den zweiten aber gut gearbeitet wirkte. Dazu trug sie einen einfachen Silberring mit schwarzem Stein und den eingravierten, überlagernden Buchstaben SF. Es mag auch der dunklen Robe geschuldet sein, aber die Dame machte einen etwas übernächtigten und zerstreuten Eindruck, während wir uns gemeinsam ein recht exquisites Frühstück gönnte. Dazu gönnte sie sich trotz der Morgenstunde schon drei Glas Wein, die ihre Wirkung auch nicht verfehlten. Ihr benehmen wurde lauter, aufdringlicher und arroganter, ganz anders als ich sie gestern kennen gelernt hatte. Dabei erzählte sie auch, dass die Mine wohl als eine Art Straflager im Auftrag der Obrigkeit betrieben würde. Warum sollte man die Gefangenen auch Faul herumlungern lassen, wenn sie doch produktiv sein könnten? Ein Konzept, das ich durchaus nachvollziehen konnte. Sklaven lässt man ja auch nicht am Strand in der Sonne liegen, sondern ein nutzbringendes Tagwerk verrichten. So unterschiedlich war das Horasreich von Al’Anfa in diesen Dingen anscheinend nicht, man gab den Kindern hier einfach nur einen anderen Namen…

Zur Praiosstunde trafen wir uns an der Postkutschenstation wieder. Sie hatte noch einen Lakai dabei, der ihr ein Köfferchen und eine Aktenschatulle hinterher schleppte, ansonsten aber wohl eine unwichtige Person war. Mit der Kutsche machten wir uns, auf den erstaunlich gut ausgebauten Straßen des Horasreichs, auf durch die erwachende Landschaft des Perainemondes. Überall sah man fleißige Bauern auf den Feldern, die Straßen wurden von den Schäden des Winters repariert, Gräben freigeschaufelt. Dabei umwehte uns ein angenehm sanfter und warmer Fahrtwind. Eine liebliche, aber sehr dicht besiedelte Gegend muss ich zugeben.

Die Fahrt führte uns zuerst gen Rahja. Wir machten regelmäßig halt an den reichlichen Kutschenstationen und Gasthäusern, die allenthalben an der Straße standen. Trotzdem ging die Reise sehr zügig voran. Unser Weg ging über Horasia, Pertakis und Ilistan gen Vinsalt, welches wir aber umfuhren und firunwärts davon in Baliri nächtigten. Von dort ging es in einer weiteren Etappe nach Bomed. Die Abende verbrachten wir regelmäßig gemeinsam bei einem Gläschen und gepflegten Gesprächen. Dabei erfuhr ich einiges, sowohl über unser Ziel, als auch über Donata selbst. Zum einen wurde in der Mine ihres Onkels Silber gefördert, dass anscheinend zur Zeit im Horasreich ein recht einträgliches Handelsgut darstellte und es kaum eigene Vorkommen hat. Kein Wunder, wenn man sich diese Gecken ansah, die herumstolzierten wie schmuckbehangene Vögel. Zum anderen schien die Dame dem Trunke recht zugetan. Jeden Abend gönnte sie sich ein vielfaches der Menge, die ich selbst konsumierte, was zwar erneut zu den bereits bemerkten Ausfälligkeiten und Anflügen von Arroganz führte, aber auch auch weitere interessante Einblicke in ihre freimütig geäußerte Gedankenwelt brachte. Die Weisheit „In vino veritas“ war wohl nicht von der Hand zu weisen. Nicht nur waren wir uns darin einig, dass den Magiern eigentlich die Herrschaft zustünde, nein, sie schien auch für sich selbst noch großes vorzuhaben. War es doch ihrer Meinung nach ihre Bestimmung, auch die großen Magier, die Bethana schon hervorgebracht hatte, dereinst in den Schatten zu stellen. Dass sie dabei wenig moralische Bedenken hatte, zeigte sich, als sie auf die durchaus gewaltigen magischen Leistungen des Tarsonius von Bethana verwies. Ich wurde stutzig. Borbarad als Vorbild? Nun ja, nicht in allem, aber seine Macht musste man schon anerkennen… und immerhin würde ich mich selbst auch als Bewunderer des Meisters Galotta bezeichnen, der ja auch nicht überall unumstritten ist. Mir schwante mehr und mehr, das wir verwandte Geister sein könnten.

Auf meinen Vorschlag hin, wir könnten uns ja im kommenden Jahr gemeinsam der Vertiefung unserer Kenntnisse der Invocatio widmen, willigte sie nach kurzem zaudern ein. Vielleicht aus anderen Motiven als ich selbst, aber immerhin. Müsste mich ihr gemurmelter Ausspruch „Mache stark was dir nützt, halte schwach was du nur brauchst“ bedenklich stimmen? Ich denke nicht, denn immerhin schien sie mich auf der „nützlichen“ Seite zu sehen, und da mag ja noch mehr draus erstehen!

In Bomed erreichten wir einen neu eröffneten Kontor, den die Familie wohl günstig aus einer Erbmasse erworben hat. Der nur leidlich gepflegt aussehende lokale Verwalter bekam erst einmal einen ordentlichen Einlauf, weil er offensichtlich auf der faulen Haut herumlungerte, bis wir kamen. Dafür war er nun um so eiliger, sich um Papiere und Ausrüstung zu kümmern. Ich erhielt eine spartanische Kammer bis zum nächsten Tag zugewiesen und wir gönnten uns noch einen letzten Besuch im Gasthaus, den ich in Ruhe lesend ausklingen lies, nachdem sie sich zu einigen Besorgungen verabschiedet hatte. Zurück im Kontor fiel mir in der Schreibstube ein Wandteppich ins Auge, der das gleiche Emblem wie der Ring der Dame Efferdana zeigte. Auf dieses angesprochen vermochte mir der Verwalter aber seltsamerweise keine Auskunft zu geben. Und auch die Frage nach der Lage der Mine brachte nur ein Stirnrunzeln hervor, wir seien schließlich dabei Proviant in ein Holzfällerlager zu schaffen. Das mutete nun doch etwas seltsam an…

Früh am nächsten Morgen war hektische Betriebsamkeit im Kontor zu hören, daher erhob ich mich ebenfalls zeitig. Die Dame war bereits dabei noch vor unserer Weiterreise die Bücher und Papiere zu prüfen. Mit einem Begleiter und mehreren Maultieren machten wir uns auf weiter den Yaquir hinauf auf der Kronstraße. Es war ein unangenehm kalter und nebliger Morgen, der Ostwind schneidend von den Bergen herabfallend. Ein gutes Stück die Straße hinauf setzten wir schließlich mit einem Kahn, der aus dem Nebel auftauchte heimlich über den Fluss. Offensichtlich legte man Wert darauf, den Standort der Mine geheim zu halten. Auf der anderen Seite wurde das Boot wieder versteckt, unsere beiden neuen Begleiter, ein schlaksiger Kerl namens Alves und ein untersetzter, griesgrämiger Ringertyp namens Pablo, begrüßte Donata als „Schwester“, sie diese als „Brüder“. Meinen scharfen Augen entging nicht, dass auch diese beiden den gleichen Ring trugen. Ein dritter Kerl namens Ramirez wurde ebenso behandelt. War ich hier in einen Sektirerzirkel vorgestoßen? Ein wenig mulmig wurde mir doch langsam zumute. Wir folgten einem, wiederum versteckten, Eselspfad, der wohl von Straße und Fluss aus kaum zu sehen gewesen sein dürfte, später aber besser wurde. Hinzu kam, das wir mit jedem Meter Höhe den wir in Richtung der Berge machten das Wetter besser und sonniger wurde. Die wärmenden Strahlen der Praiossscheibe waren mir mehr als willkommen. Wir unterhielten uns wenig, aber ich erfuhr zumindest, dass es sich bei den anwesenden, sowie einigen weiteren Personen die ich noch treffen würde, um Cousins und Cousinen von Donata handelt, daher auch die vertrauliche  Anrede. Gut, das erklärt einiges, aber nicht alles.

Am Ende des Pfades lag eine Berghütte, an den Hang heran gebaut mit Stallung für die Maultiere und einer vorgelagerten, befestigten Terrasse., die aber von unten kaum zu sehen war. Auch hier wieder ein hohes Maß an Heimlichkeit. Heraus stürmte ein weiterer Kerl namens Esteban, noch ein „Bruder“ und wie die anderen eher vom Typ Waldläufer. Ich wurde erst einmal allgemein vorgestellt, der Proviant verräumt. Der Minenvorsteher muss dann wohl ein richtiger Bruder der Dame sein und auf den einfallsreichen Namen Donato hören, aber sich derzeit in der Mine befinden. Ich möge ihm mit Respekt begegnen, da er hier der erste Mann am Platze ist. Sogar ein paar Zwerge soll es da unten geben. Allein, einen Eingang zur Mine konnte ich nicht erspähen. Dieser tat sich wenig später in der Hütte vor mir auf, versteckt hinter einem Wandregal. Auch hier Heimlichtuerei vom feinsten, kein Brocken Abraum zu sehen. Man hielt alles gut versteckt, um vor zufällig vorbei kommenden Jägern und Vaganten sicher zu sein, hieß es. Während ich noch in der Sonne wartete und ein wenig las, hatte ich den Eindruck, die „Brüder“ würden abschätzig über mich sprechen, auch war ich nie allein.

Die  Mine selbst stellte sich dann als echte Überraschung heraus. Ich gebe zu, ich wusste nicht genau was ich zu erwarten hatte, aber das übertraf alles was ich mir vorgestellt hatte. Hinter dem Eingang lagen erst einmal ein paar Tische zur rechten und eine verschlossene Waffenkammer zur linken, der Gang war recht breit. Um eine Biegung herum gelangte man auf ein hell erleuchtetes Plateau von sicher fast 1000 Rechtschritt, welches von Fackeln aber auch natürlichen Lichtschächten erhellt wurde. Hier dürfte ich wohl kaum Probleme haben etwas zu sehen, eine meiner größten Sorgen unter Tage. Manigfache Eindrücke stürmten auf mich ein. Eine mechanische Hubvorrichtung mit Ochsen und 2 Gefangenen, ein freier Blick auf eine rießige, teifer liegende Höhle, Wächter vor einer Zugbrücke über einen 6 Schritt breiten Spalt, weiter unten Hütten, ein gestampfter Platz mit Pfahl, ein tieferligendes Wachplateau und ein Pfad der sich an der Kavernenwand nach unten schlängelte und wohl Wohnausbuchtungen aufweist. Reichlich Dinge, die ich versuchte schnell zu erfassen und mit meinem eiskalten analytischen Verstand zu verarbeiten. Hier oben befanden sich wohl nur noch die Wohnkammern von Donato und Donata, in die ich nun geführt wurde. Ihre Kammer behaglich mit Kamin und kleiner Bibliothek, seine gut ausgestattet, aber offensichtlich nicht die eines Magus. Wandteppich mit Emblem, abgetrenntes Bett, Teppich am Boden, Regale, Bücher, Stehpult, Tisch, Truhe, einer kleinen Sammlung Peitschen… alles sehr ordentlich. Donato war eher ein aufbrausender Stutzer, gepflegt aber eben nur ein Händler oder etwas ähnliches. Trotzdem strahlte er eine gewisse Autorität und Machtbewusstheit aus, die es geraten scheinen lässt, sich nicht mit ihm anzulegen. Aber dazu war ich ja auch nicht hier.

Im weiteren Gespräch, bei dem wir uns vorgestellt wurden, bot er mir auch direkt das hier anscheinend unter den weiter oben in der Hierarchie stehenden übliche „Du“ an. Gut, soll es mir recht sein, zumindest schien mein Status damit geklärt und ich in der Befehlskette so weit herausgehoben zu sein, dass ich mir keine Sorgen machten musste. Auch so erschlossen sich direkt weitere, interessante Erkenntnisse. Arbeitskräfte, die hierher kamen, blieben wohl in der Regel lebenslänglich. Der Abbau erfolge in einem Stollen, dessen Zugang weiter unten liege. Die Mine habe zwar einen zweiten Ausgang, aber nur in ein sekludiertes Tal ohne weiteren Zugang. Es sind wohl außer mir noch ein weiterer Magier (aus Lowangen) und 16 Wachen sowie noch etliche Brüder und Schwestern mit dem Betrieb der Mine betraut, dementsprechend gab es bisher auch keine gelungenen Fluchten, wiewohl es schon solche Versuche gab. Der Eigner und Betreiber dieser Mine ist der Onkel Agosto Efferdan, der wohl auch der größte Gönner der daCosta-Geschwister sei. Die Arbeitsschicht geht wohl solange der Tag währt, im Winter dann aber etwas länger. Just zu diesem Zeitpunkt strömten unten im Kessel auch reichlich Arbeiter aus dem Stollen, an dessen Eingang grün gewandete Zwerge mit Peitschen standen, alle in graue, einfachste Gewänder gehüllt und mit geschorenen Köpfen. Der Geräuschpegel konnte allgemein als „laut“ bezeichnet werden. Im übrigen gäbe es hier Regeln einzuhalten, und zwar zwingend.

Die ersten, die ich kennen lernen durfte waren: Frage nie nach dem Emblem auf den Ringen (zum Glück habe ich nur Donata darauf angesprochen), und die Mine werde ich das nächste Jahr höchstens in das Tal hinaus, aber nicht wirklich nach „Draußen“ verlassen. Was passiert wenn man die Regeln bricht, sollte ich gleich erfahren. Wir machten uns auf den Weg hinunter in den Kessel, vorbei an Schlafkammern (auch meine neue eigene, die ich mit dem anderen Magus zu teilen hatte), Vorratskammern und einer Heilerkammer. Die Heilerin sei eine privilegierte Gefangene und als Bindeglied zwischen den Gefangenen und Wärtern zu sehen. Zwischen dem oberen Plateau und der Kesselsohle war ein kleineres „Wachplateau“, verbunden mit einer Felsnadel an die eine hölzerne Plattform angebaut war, und auf der ein Magus und mehrere Bogenschützen wacht hielten. Das antreten und sammeln unten ging wohl nicht schnell genug, weswegen der Magus einen Zaudernden mit einem hellen Lichtblitz, vielleicht ein gedrosselter Ignifaxius?, antrieb.

Unten angekommen kehrte schnell ruhe ein, als Donato eine zornige Ansprache hielt. Ein Mann wurde mit entblößtem Oberkörper an den Pfahl gebunden, und kräftig ausgepeitscht. Er hatte wohl die Regeln gebrochen. Auch nachdem er ohnmächtig geworden war, gab es noch einmal ein paar obendrauf, das Fleisch hing in Fetzen vom Rücken. Ein klarer Fall für die Heilerin, die ich in der Gefangenen vermutete, die mit gelber Schärpe etwas abseits der anderen stand. Aber gut, Strafe muss sein und bei uns daheim wird es mit renitenten Sklaven ja nicht anders gehalten. Ich persönlich finde es ja in Ordnung, wenn dem Pöbel ein wenig Zucht und Ordnung eingebläut wird. Diese Personen sollten einfach wissen, wo ihr Platz ist.

Was mir aber dabei augenscheinlich aufgefallen ist, war ein Charakterzug, den ich an schon so manchem Plantagenwächter gesehen habe. Der ein oder andere liebt diese Art der Arbeit einfach zu sehr, ja zieht regelrecht Befriedigung daraus, Menschen zu erniedrigen oder zu quälen. Und ich meine, diese Hingabe bei der Bestrafung auch bei Donato gesehen zu haben, genauso wie ein begeistertes aufblitzen in den Augen seiner Schwester… wahrlich, was für ein Paar. Sie scheinen hier doch eine Aufgabe gefunden zu haben, die ihnen wirklich gefällt…

 

Nach dieser Erfahrung sah ich mich unversehens alleine am Grund der Höhle. Di daCostas waren schon wieder auf dem Weg nach oben, ihre Arbeit wohl getan, während die Wachen begannen, die übrigen Gefangenen zurück in ihre Hütten zu treiben – mal mehr, mal weniger forsch. Es gibt da wohl solche und andere… Lediglich eine auffällig bunt gekleidete Wache mit prächtigem Schwertgehänge schien sich um den Verprügelten zu kümmern, weckte diese doch die Frau mit der Schärpe aus ihrer Schockstarre um sie anzuhalten, sich um den Verletzten zu kümmern, was sie auch recht kompetent tat. Ich gesellte mich schweigend dazu um ihr über die Schulter zu blicken. Heilen ist nun nicht gerade mein Fachgebiet. Alles in allem schien sie ihre Arbeit sehr ordentlich und gewissenhaft zu machen.

Während dessen wurde ich von der Wache angesprochen. Julio Hatenzaro oder so, auch aus dem Süden, Al’anfaner Gegend von einem Weingut kommend. Er ist schon seit 10 Monden hier und will eigentlich nur noch weg. Hat wohl die Nase voll von ein wenig Grausamkeit und Willkür. Dabei ist alles gut, solange man sich an eine Sache hält: Klappe halten und gehorchen. Daheim sind sie wohl nachsichtiger mit ihren Sklaven umgegangen… hier scheint es jedoch ein bis zwei Tote im Mond durch diese Form der Bestrafung zu geben, obwohl sie in diesem Fall wohl sogar gerechtfertigt war. Einsturz eines Stollens, weil der Kerl die Anweisungen des Minenpersonals nicht befolgt hat. Das kann ja heiter werden, offensichtlich sind auch Wachen und Magier nicht davon ausgenommen. Wir werden sehen, wie weit meine Freiheiten reichen. Die Heilerin sprach er dann mit Gabrielle an, recht vertraut wie mir schien. Sie konnte noch nicht sagen ob der Delinquent die Nacht überstehen würde, aber da wird der Herr Boron schon seinen Ratschluss fällen. Nichts, wo ich mich jetzt einmischen würde, auch wenn ich könnte.

Daher habe ich mich als nächstes daran gemacht, meine Kammer zu beziehen. Gar nicht mal so schlecht eigentlich. Ordentlich gehauen, vielleicht sogar magisch bearbeitet von einem meiner Vorgänger. Mir stehen ein Bett mir Vorhang, ein Lesepult, ein  Regal, ein Tisch und Stühle sowie eine Truhe und sogar ein Kleiderdiener zur Verfügung. Mein, nennen wir es Zimmergenosse, der kurz darauf dazu kam, heißt Ulf Breitschwerter, Lowanger Absolvent und seit 3 Monden hier im Dienst. Er wurde ebenfalls von Donata in Bethana rekrutiert, als er sich dem Studium des Ignifaxius widmete und klagt über die hohe Arbeitsbelastung die er hat, seit er hier alleine Dienst tun musste. Aber jetzt würde es ja besser. Ich habe den Eindruck, wir werden ganz gut miteinander auskommen.

Er gab mir dann einige tiefere Einblicke in das Leben und die Abläufe vor Ort. Zum einen sind diese berühmten „Regeln“ wohl sehr stimmungsabhängig ausgelegt, je nachdem wie die daCostas so pässlich sind. Aber insbesondere Fragen nach dem Emblem sind wohl sehr ungewollt, wie er mit Verweis auf eine Peitschennarbe feststellte. Da habe ich wohl noch  Glück gehabt. Am besten folgt man Anweisungen ohne zu Fragen, kündigt oben sein kommen an, stöbert nicht herum, geht nicht durch den Haupteingang hinaus und hält die Klappe. Viele der Wachen sind wohl frustriert ob ihres Dienstes hier, eben wegen ihrer obersten Herren, nicht unbedingt wegen der Bedingungen an sich. Leute die ihren Dienst hier verlängern hätten wohl eine Art an sich, die sie den brutalen Teil des Dienstes hier genießen lassen würden. Nur der Abschaum schein länger als ein Jahr zu bleiben, und vor dem solle ich mich hüten. Außerdem hütet Donata wohl ihre Bücher für sich und gewährt anderen nur ungern Einblick. Nun, wir werden sehen ob sie meinem Charm widerstehen kann. Nach unten könne ich mich wohl im Gegensatz zu nach oben recht frei bewegen. Wir selbst stehen wohl etwas über den normalen Wachen und haben deren Verstöße nach oben weiterzumelden. Den Rest wollte er mir am nächsten Morgen am praktischen Beispiel zeigen. Ist auch besser so, als alles nur theoretisch erläutert zu erhalten.

Früh ertönte direkt ein Horn, das in der Kaverne stark hallte und zur morgendlichen Zusammenkunft rief. Das konnte man unmöglich überhören und verschlafen. Ulf gemahnte mich zur Eile, auch für uns als Verantwortliche war es wichtig, pünktlich unsere Pflicht zu versehen. Alle Gefangenen strebten auf den Platz, wo am Vorabend die Bestrafung durchgeführt wurde. Die Leute nahem sehr ordentlich unter murmeln Aufstellung, ja selbst Lücken in den Reihen wurden eingehalten, wo einer fehlte. Eine meiner Aufgaben wird dieser morgendliche Apell sein. Anhand eines Buches die Anwesenheit prüfen und zählen, augenscheinlich kranke aussortieren und der Heilerin übergeben und anschließend die Gefangenen mit ihren Arbeitstrupps, deren Führer in den Stollen wohl die Zwerge sind, abmarschieren lassen. Im Tal arbeiten andere Gruppen mit Aufgaben, die wohl keines Zwerges bedürfen. Insgesamt mögen es etwa 80 Gefangene sein die wir aufnahmen. Anschließend gingen wir nach ganz oben, liesen uns bei Donato ankündigen und übergaben ihm das Buch. Er sah ziemlich übernächtigt aus und war kurz angebunden. Offensichtlich war er dem Trunke ähnlich zugetan wie seine Schwester.

Danach gingen wir auf die Wachplattform, wo ich feststellte, das hier 8 Schritt über dem Boden alles wunderbar einseh- und mit dem Bogen beschießbar war. Eine schlau angelegte Anlage, fürwahr. Die Wachen trugen neben ihren Bögen und reichlich Pfeilen auch noch Speere, um sich ggf. Leute vom Hals halten zu können. Mit der Brüstung war die Plattform eine nahezu uneinnehmbare Festung. Als letztes zeigte er mir noch den vorderen Teil des Tales. Eine wahrhaft riesige Höhle von 20 Schritt stellte hier den Eingang dar, dahinter Stallungen, Vieh, Verschläge für Hühner und etwas weiter weg auch noch Schweine. Alles was man zum Leben benötigte war hier. Im Osten bei einem Bach wären noch die Schmiede und das Hüttenwerk, ganz hinten ein großer See in dem man im Sommer sogar Baden könne. Der Wachwechsel würde mir wohl durch ein Hornsignal angekündigt, dann sollte ich ihn ablösen und vorher noch bei der Heilerin vorbei sehen, ob ich ihr behilflich sein könnte. Dann trat er selbst seinen Dienst an.

Ich begab mich daher in die Heilerkammer, in der beide Betten belegt waren. Der eine fieberte, das war der Kranke der am Morgen aussortiert worden war. Der andere war der Gezüchtigte von gestern Abend. Die Heilerin Gabrielle raunte dem einen Kranken Dinge zu, offensichtlich hatte sie mich nicht bemerkt. Aufrührerisches Zeug, das ihr wohl selbst die Knute eingebracht hätte. Ich räusperte mich vernehmlich, worauf sie ziemlich erschrak, beschloss aber für mich, das ganze erst einmal für mich selbst zu behalten. Es hätte wohl auch keinen Vorteil für mich gebracht, wenn ich schon an meinem ersten Tag hier für ihre Bestrafung gesorgt hätte. Der Geprügelte stand, wie es aussah, kurz vor dem Exitus. Sein Rücken war wund, schien gar entzündet zu sein, trotz ihrer Behandlung, und Medikamente waren anscheinend auch keine zur Hand die helfen würden. Die Heilerin bekannte, dass sie wohl vergessen hat mit der letzten Bestellung die Bestände aufzufüllen. Sie flehte mich an zu helfen, da es hier ihre eigenen Kräfte überstieg und ich als Magus doch sicher wisse was zu tun sei. Ich bat mir etwas Bedenkzeit aus, ich musste selbst erst einmal darüber sinieren, was man tun könnte. Weder bin ich allzu bewandert in der Heilung von Wunden, geschweige denn von Vergiftungen und Krankheiten. Das hatte nun wirklich nicht zu unserem Lehrplan gehört.

Aber noch bevor ich mich entschließen konnte was zu tun sei, kam Donato in die Kammer. Mit Schlagseite wie ein Seemann im Sturm und mit schwerer Zunge ging er die Heilerin erst verbal, dann brachial an, bevor er mich nach meiner Meinung fragte. Ich hätte dem armen Kerl wohl noch zu helfen vermocht, aber offensichtlich war Donato dessen Arbeitskraft den Aufwand nicht Wert. Er packte den eh schon verwundeten am Kragen, und schnitt der dürren Gestalt mit einem Dolch einfach die Kehle durch. Nun, dass wiederum war schon fast Verschwendung, so etwas machen wir noch nicht einmal mit den Sklaven auf unserer Plantage – außer sie haben es wirklich verdient. Gabrielle sollte den Leichnam entsorgen, und ich später das Apellbuch abliefern. Dann ging er wackelnd aber besser gelaunt pfeifend davon. Ich fragte Gabrielle noch, für welches Vergehen sie eigentlich hier sei, aber sie tischte mir tränenreich eine Geschichte auf, die erst einmal alles andere als verbrecherisch klang. Sie hätte für ein Holzfällerlager als Küchenkraft und Heilerin angeheuert, aber sei schließlich hier gelandet. Nun ja, jeder Gefangene sagt erst einmal, er sei unschuldig. Trotzdem… ich hatte einiges zu verarbeiten und ging erst einmal auf meine Kammer um über das bisher erlebte nachzudenken.

Zum Wachwechsel stelle ich dann fest, dass ich wie auch die folgende Zeit mit Julio zusammen auf einer Schicht gelandet zu sein schien. Aber immerhin war er noch einer der angenehmeren Zeitgenossen hier, wenn auch etwas geschwätzig, doch eine Frohnatur von angenehmen Wesen, auf den man sich verlassen konnte, der sich aber auch immer wieder Ärger einhandelte, weil er gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen beliebte.

Das Wetter besserte sich in den folgenden 2 Monden merklich, ich erkundete auch das 200 auf 800 Schritte messende Tal das ein oder andere mal, aber die Zeit verging recht eintönig. Nach nicht einmal einem halben Mond war mein Büchlein ausgelesen und durchstudiert.Daher verbrachte ich einige Zeit damit, der guten Gabrielle zur Hand zu gehen. Eine gute Möglichkeit, ihr über die Schulter zu sehen und mir einige praktische Dinge zeigen zu lassen, die ich nicht von den Studien im anatomischen Saal her kannte. Einmal fragte ich Julio, woher eigentlich die ganzen Gefangenen kommen würden, aber auch er erzählte mir, das es zwar offiziell hieß, es wären Gefangene der Krone, aber wenn man die Leute fragen würde, erzählten alle ganz andere Geschichten. Ich nahm das zum Anlass, mich bei der einzigen Gefangenen zu versichern, mit der ich in letzter Zeit etwas engeren Kontakt hatte. Ich bat in einer Freischicht Gabrielle in der Heilerkammer, hinter vorgezogenem Vorhang, mochten die Wachen denken was sie wollten, mir zu vertrauen, und mir ihre Geschichte noch einmal zu erzählen, während ich in ihren Geist blicken würde. Sie stimmte etwas zitternd zu, aber lies es geschehen. Ich stellte ihr die Frage, die ihren Geist in die richtige Richtung lenken würde und wirkte einen Blick in die Gedanken. Und es schien wahr zu sein. Sie kam aus dem Örtchen Kulbach, heuerte in Bomed in einem neuen Kontor bei einem schmierigen Verwalter für ein Holzfällerlager an, wurde eingesackt und erwachte hier on Kittel und ohne Haare. Dessen konnte ich mir nun sicher sein, sie log nicht, schien gar Depressionen darüber zu haben. Das war… interessant. Danach lies ich mich, natürlich nur zu Übungszwecken, sogar von Zeit zu Zeit herab, in besonderen Notfällen mit einem Balsam zu helfen. Was war hier wirklich schwer zu sagen, wer zurecht, und wer aus den falschen Gründen hier landete. Allerdings ging ich sehr sparsam mit meiner Kraft um.

In den folgenden 2 Wochen wurde ich weiterer Dinge gewahr, während Julio immer lockerer wurde, weil der Tag seiner Abreise näher rückte. Einzelne wurden deutlich stärker bestraft als andere, schon wegen kleinster Vergehen oder auch einfach so. Es herrschte regelrechte Willkür, was das anlegen, anwenden oder erfinden von Regeln anging. An den Tischen fanden sich die Gefangenen zu Grüppchen und Gruppen zusammen, trugen ihre eigenen Händel und sogar Schlägereien aus, die sogar toleriert wurden wenn es nicht zu toll zuging, worüber sich manche Wachen noch amüsierten. So eine Zuchtlosigkeit hätte es auf unserer Plantage nicht gegeben. Mit der Ordnung war es wohl weit nicht so weit her wie ich dachte. Tatsache war eher, das sich hier der versangende Abschaum der Gegend versammelte. Daher begann ich, systematisch die Wächter, Zwerge und Brüder&Schwestern mit einem Blick aufs Wesen zu untersuchen. Ich wollte, nur für den Fall eines Interessenkonflikts, darauf vorbereitet sein, welcher der Wächter vielleicht zu übermäßigem Sadismus neigte, und wer sich vielleicht doch einen Hauch Menschlichkeit bewahrt hatte. Man müsste doch wissen, welche im Zweifel verzichtbar waren.

Julio indes begann, fast pausenlos von daheim zu schwadronieren. Dem Weingut das er wieder aufbauen wollte, seiner Familie, dem letzten Erbstück das er an der Seite trug in Form des Schwertes. Er würde sich nie davon trennen, sollte selbst Borbarad hand an ihn legen, zeigte mir die Gravuren, die schmiedearbeit (von der ich freilich nichts verstand)… sein Redeschwall war schier endlos.

In der Zeit musste ich immer wieder feststellen, dass in meinem Besitz noch die ein oder andere Kleinigkeit fehlte. Da ich monatlich über einen Wert von 1 Dukatem im Minenladen verfügen konnte, besorgte ich mir nach und nach einige Dinge. 1 Stange roten Siegelwachs, 2 Stück Seife,1 Holzkamm,1 Rasiermesser, 1 Paar Hausschuhe, Nadel und Garn und 1 Dolchscheide sammelten sich so mit der Zeit an.

Am Tage von Julios Entlassung wurden alle Dienstfreien nach oben beordert. Die Verabschiedung war hier wohl eine feierliche Zeremonie, die gebührend Begangen wurde. Dabei fiel mir auf, dass die Wachen oben an der Zugbrücke ausnahmslos von Mitgliedern der „Familie“ gestellt wurden. Nachdem sich alle aufgestellt hatten, kam nach kurzem warten Donato aus seiner Kammerm einen schweren, schwarzen Geldsack mit Silberkordel in der Hand, aus dem es verheißungsvoll klimperte. Diesen übergab er an Julio, hielt eine feierliche Rede, lud ihn gar ein wieder zurück zu kommen, wenn er es sich doch noch einmal überlegen sollte und verabschiedete sich herzlich von ihm. Selbst Donata drückte den guten Julio noch einmal an sich, hatten die beiden ein innigeres Verhältnis als gedacht? Dabei warf sie Alvez einen irgendwie seltsamen Blick zu. Wir alle warteten bis Julio zum Tor hinaus war, lediglich aus den Augenwinkeln sah ich, wie ihm Alvez und Pablo folgten. Dann gingen wir alle wieder zur Arbeit, ich löste Ulf direkt danach ab.

Am Abend, als ich zur Übergabe des Apellbuches nach oben ging, war die Zugbrücke herabgelassen und unbewacht. Auch stand die Tür einer Kammer offen, die sonst immer verschlossen war, weit und breit niemand zu sehen. Nun wollte ich mir eigentlich keinen Ärger einhandeln, aber die Neugier war schon immer eine starke Triebfeder, also riskierte ich einen Blick. Meine Treu! Regale voll persönlicher Habseligkeiten, Waffen, Rüstungen und Kram, alles fein säuberlich sortiert. Und am Ende eines vollen Regales angelehnt, unverkennbar Julios Schwertgehänge. Er sagte doch, davon würde er sich nie trennen? Justamente kam eine Wache zurück, scheuchte mich fort, aber machte keine Anstalten mich anschwärzen zu wollen. Hatte sich wohl selbst unerlaubt entfernt. In Donatos Kammer regte sich nichts. Ich kündigte mich wie gewohnt mit einem freundlichen „Donato, das Buch wie jeden Abend“ lautstark an und trat ein, obwohl keine Reaktion erfolgte. Dort lag er, den Kopf auf der Tischplatte, vor sich eine Flasche Gebrannten. Daneben ein schwarzer Sack mit silberner Kordel und ein aufgeschlagenes Buch, in dem wohl Finanzdinge verzeichnet waren. Zuletzt: „Julio, Rückbuchung, 88D“. Weiter oben ein ähnlicher Eintrag, und noch einer und noch einer… DAS wiederum gab mir jetzt wirklich zu denken. Hatte ich mich da etwa selbst in eine ausweglose Lage gebracht?

Out-Game Beitrag
Dieser Eintrag wurde am 1.01.2016 (22:36) verfasst und 814 mal aufgerufen.
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