Tagebuch von Victor Dondoya Lucisresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Eine verkehrte Welt - Im Farindelwald

Ich war gerade dabei, einen kleinen Schluck aus meinem Glass Wein zu nehmen und mich in der „Magie des Stabes“ zu vertiefen. Wirklich, ein höchst bemerkenswertes Buch, geschrieben von jemand, der wirklich wusste was er tat. Die manchmal schrägen Blicke der anderen Gäste ignorierte ich dabei völlig. Das kennt man ja mittlerweile zu genüge, gerade hier oben in diesem Landstrich voll abergläubischer Bauerntölpel und besonders hier nahe Havena. Damit hatte ich noch keine halbe Stunde zugebracht, als mir aus dem Augenwinkel der Wirt ins Auge fiel. Nicht weil er so besonders wäre, nein, aber er tuschelte seinem Schankburschen etwas zu und deutete dabei auf mich, woraufhin der Bub im Obergeschoss verschwand, nur um kurze Zeit darauf mit einem spießbürgerlich gekleideten Mann die Treppe wieder herunter zu kommen und dabei in meine Richtung zu zeigen. Das letzte Mal, als mir das in Havena passiert ist, hat sich ja aus einer ähnlichen Situation nicht das erfreulichste ergeben… ich wartete gespannt ab, den Blick leicht über den Bücherrand erhoben um unauffällig dem Geschehen zu folgen. Tatsächlich schob sich der Mann, eigentlich eher ein junger Bursche so ziemlich in meinem Alter, quer durch den Schankraum zielgerichtet zu mir herüber. Ich wartete gespannt ab und tat, als würde ich nichts bemerken. Als er an meinen Tisch kam fragte er höflich nach, ob er sich setzen dürfe, was ich selbstverständlich bejahte, Anstand ist eben Anstand, während er sich als Hesindion Herberger vorstellte. Ich stellte mich ebenfalls vor, und wir kamen schnell ins Gespräch, man merkte gleich an seiner ganzen Art, das er ein kultivierter und Gebildeter Mann war der ein intelligentes Gespräch allemal dem tumben Geschwätz des Volkes vorzog.

Wir parlierten über das woher, in meinem Fall Honingen, und das wohin, wiederum in meinem Fall Nostria, und er eröffnete mir, dass sein Lehrmeister, ein gewisser Magister Galrick Dergelsaum der in einem Kaff Namens Orweil residieren würde, einen wissensbringenden Auftrag für mich hätte, wenn ich mich denn von meinen aktuellen Plänen lösen könnte. Sein Meister ist ein alter Mann, der das eigene Anwesen wohl nur noch selten verlässt, aber dafür ihn, seinen jungen Schüler, losschickt, das Notwendige zu erledigen. In letzter Zeit haben sich wohl, trotz eines bisher nicht schlechten Verhältnisses zueinander, Spannungen mit der örtlichen Bevölkerung ergeben. Diese leide unter unerklärlichen Vorfällen, die sie, wie sollte es anders sein, dem ortsansässigen Magus zuschreibt. Dieses Problem ist mir ja nun leidlich bekannt. Kaum passiert etwas, heißt es wie immer, die Hexe ist schuld. Und hat man davon keine zur Hand, dann war es eben der Magier. Oder wer als üblicher Sündenbock eben gerade greifbar ist im Notfall, Kräuterfrauen, durchreisende Zahori oder auch Elfen passen da auch immer hervorragend ins Bild. Da kann der Leumund bisher noch so gut sein, das einfache Volk ist eben nicht in der Lage, über den eigenen, extrem begrenzten Rand der Suppenschüssel hinaus zu blicken. Kein Wunder, wenn doch der einfache Landmann kaum einmal über den Nachbarort hinaus gekommen ist, es sei denn er hätte einmal in einer Wehr im Krieg dienen und seinen Lehnsherrn auf einem Feldzug begleiten müssen und das auch noch zufällig überlebt hätte. Da meine Pläne weder in Granit gemeißelt noch unaufschiebbar waren sagte ich kurzerhand zu. Des weiteren erfuhr ich,  das der Magister wohl Magier, aber keiner Gilde mehr zugehörig war und sich in der seltenen Profession der Magomechanik versuchte, zumindest interpretierte ich es so. Das dürfte spannend werden, da ich darüber bisher kaum mehr als bloße Geschichten gehört habe.  Hesindion stammte selbst aus Orweil, war also quasi persönlich betroffen, hatte aber eine Zeit lang in Punin studiert und ist über ein Arrangement des Magisters mithilfe eines Stipendiums oder einer ähnlichen Konstruktion als persönlicher Schüler, der aber in Punin Examinieren dürfte, zurück zu dem Lehrmeister gekommen. Allerdings hatte der alte Herr wohl das ein oder andere Zipperlein, weswegen Hesindion noch in Havena einen Medicus suchen müsse, der auch Hausbesuche macht. Er lies mich mit 2 Dukaten für die Spesen im Gasthaus zurück, wovon ich einen direkt dem Wirt für Kost und Logis in den nächsten Tagen gab. Dann hieß es warten, was mich aber nicht weiter störte, da ich ja in dieser Zeit auch noch auf Kosten eines dritten meine Studien der Magie des Stabes weiter vertiefen konnte und schon einmal zu planen begann, mit welchen veritablen Verzauberungen in was für einer Reihenfolge ich meinen geliebten Stecken belegen würde. Der Anfang, so lernte ich, war auf Grund der Simplizität wohl immer die ewige Flamme, die ich mir sogleich für eine der nächsten Vollmondnächte vorzunehmen gedachte, so ich denn einen passenden Ort finden könnte.

Zwei Tage später kam Hesindion zurück, eine Dame im Schlepptau die sich mir als Yazinda vorstellte. Eine Heilerin, die ihr Handwerk in Mengbilla erlernt hat, also immerhin aus dem zivilisierteren Teil Deres kam. Sie war eine recht fröhliche, offene aber auch wortgewandte Person, mit der sich vortrefflich parlieren und diskutieren lies. Freilich merkte man ihr die mangelnde akademische Bildung an, Handerker, und so einer ist ein profaner Medicus nun einmal, bleibt eben Handwerker, aber  sie hatte eine Wachen Geist und gab nicht leicht bei. Das gefiel mir außerordentlich, ebenso wie ihr im Übrigen auch nicht ungefälliges äußeres. Sie mochte wohl zwei oder drei Götterläufe älter sein als ich selbst, aber sie war doch eine recht ansehnliche Frau. Umso überraschter war ich, als sie äußerte, selbst Magie wirken zu können. Das, muss ich zugeben, hatte ich nun nicht erwartet. Ich wollte dies sogleich prüfen und wirkte den Odem-Kantus, aber es tat sich…. Nichts. Sollte sie gelogen haben? Geistesgegenwärtig hob ich meinen Stab vors Auge… nichts. Da muss mir doch dieser simpelste aller Sprüche glatt einmal misslungen sein. Ich hob von neuem an, und siehe da, es stimmte. Eine schwache, unausgeprägte Aura umgab sie. Armes Ding. Hätte man sie rechtzeitig, statt zu einem Kurpfuscher und Zahnreißer zu einem richtigen Magier in die Lehre gegeben, was hätte aus dem Mädel für eine prächtige Magierin werden können, wenn es die Götter gewollt hätten. So? Ein verkümmertes Potential, für dessen Ausbildung es eindeutig zu spät war. Verschwendete Möglichkeiten. Aber sie trug es mit Fassung. Über verschüttete Milch soll man ja im Nachhinein nicht weinen. Sie schien das Beste aus ihrer Lage zu machen, und das wiederum gefiel mir erneut. Nicht jammern, sondern handeln, so sollte man sein Leben anpacken. Wir unterhielten uns also über das eine oder andere, Methoden der Heilung, Krankheiten, gebrechen, medizinische Themen eben, bei denen sie offensichtlich tatsächlich einen beträchtlichen Erfahrungsschatz aus ihrer Tätigkeit an Bord von Schiffen mitbrachte.  Und ihr Hobby, die unzivilisierte Sitte des Hautbildstechens, die ich aber für mich rundweg ablehnte. Dabei war sie wahrlich nicht einfach zu überzeugen, ja widersprach mir sogar immer wieder einmal wenn es z.B. darum ging, warum die Magier zum herrschen bestimmt waren. Als aber die Sprache auf Gifte kam, und ich ihr das neulich erst gefundene Arachnea zeigte das eine rechte Begeisterung bei ihr auslöste, und auch das Schlafgift, wurde es mit einem mal um uns herum im Gastraum auffällig still. Da hatte ich in meiner Begeisterung im Gespräch doch tatsächlich die übliche Vorsicht fallen lassen und nun sahen uns die Anwesenden an. Neugierig, feindselig, abwartend. Ich war mir eigentlich recht sicher, dass keines der beiden Mittel indiziert und auf dem Kodex Werheimium stand, der Liste verbotener Substanzen. Aber Rechtskunde, das muss ich zugeben, gerade das Recht des Mittelreichs, ist nun wirklich kein Fachgebiet meiner Person. Ich bin schließlich Magus, und kein Winkeladvokat. Hesindion gab den Reichsbedenkenträger und schlug vor, das wir doch zügig aufbrechen sollten, das Gespräch könnten wir ja auf der Reise fortsetzen, was wir dann auch taten, bevor jemand auf den Gedanken käme die Büttel zu holen. Insofern packten wir unsere Sachen und machten uns auf den Weg gen Honingen, wo dieses Orweil wohl irgendwo bei einem anderen Ort namens Ortis abseits der Reichsstraße liegen würde. Da kam ich mir doch irgendwie genarrt vor, genau den gleichen Weg hatte ich ja erst vor wenigen Tagen in genau die andere Richtung zurück gelegt… aber so ist das nun einmal, und machen konnte ich dagegen ohnehin nichts. So machten wir uns bei kühlem Efferd-Wetter und bewölktem Himmel auf den Weg.

Um es kurz zu halten, die Reise war sehr Ereignisarm, öde und für meinen Geschmack auch zu kühl, aber immerhin kostenfrei da Hesindion uns aushielt. Wir passierten Orte in die andere Richtung, die ich doch gerade erst durchwandert hatte. Ohne die interessanten gespräche mit Hesindion und Yazinda wäre es ein echtes Trauerspiel gewesen. So konnte man wenigstens sagen, dass zumindest die gelehrte Unterhaltung dabei nicht zu kurz kam. Kurz nachdem wir diese Reichsstraße verlassen hatten kam uns auf dem deutlich schlechter bestellten Weg nach Orweil ein von 2 kräftigen Zugochsen angetriebener Planwagen entgegen, auf dem ein Bäuerlein versucht hatte, seinen ganzen Hausstand zu verzurren. Er wackelte und schunkelte, dass man glattweg Angst bekam, alles würde sich beim nächsten Schlagloch lösen und zu Boden kollern. Aber es hielt. Nun waren wir zu Fuß, und das Gespann brauchte eh die ganze Breite der Straße, also machte ich einen Schritt zu Seite. Bringt ja nichts, hier auf sein Recht zu bestehen und weiter auf dem Weg zu schreiten, wenn man doch klar erkennbar sieht, dass das Gefährt keine Möglichkeit hat einem Auszuweichen. Neben dem Bauern auf dem Kutschbock saß eine Frau, wohl seine Gemahlin. Eine dicke, runde Kugel spannte sich unter ihrem einfachen Kleid. Das konnte nicht mehr lange dauern, bis ein neuer Derenbürger geboren wurde, Tsa sei's gedankt. Beiden, dass sah man schon aus der Ferne, stand die Angst im Gesicht. Hesindion schien die beiden zu kennen und sprach sie an, aber die blanke Panik trieb sie weiter, kaum willig uns Auskunft zu geben. Die Aussage war: „Wir müssen weg“. In Orweil ist es wohl immer schlimmer geworden. Ich hörte einiges aus dem Gespräch heraus. Ein Mord, sogar ein Doppelmord ist geschehen, ein Praioti verschwunden (gut, den wird niemand vermissen), und die Dorfkinder sind am helllichten Tag im Gänsemarsch aus der Schule verschwunden, ohne dass die Lehrerin es bemerkt hätte. Die Jäger des Dorfes hätten sich gegenseitig mit den Bögen, obwohl der eine doch Fallensteller ist, mit einem Pfeil ins Auge geschossen. Das wahr erstaunlich und seltsam. Die Stimmung im Dorf ist wohl sehr gedrückt und nicht gut auf den Magister zu sprechen. Wärend wir noch sprachen tat die Heilerin Yazinda das, was man von einer Heilerin erwartet. Sie untersuchte die Schwangere. Es schien aber alles gut zu sein, wenn ich das richtig verstanden habe, soweit die Beiden nur  bald wieder ein festes Dach über dem Kopf hätten, welches sie im Nachbarort bei Verwandten zu finden gedachten. Nunja, diese Landbevölkerung ist ja eh immer gleich mit allen Versippt und Verschwägert, da wird sich in der Nähe schon ein Obdach finden. Nichts, was jetzt mein Problem wäre. Schlussendlich entschlossen wir uns aber zu einem kleinen Umweg, nicht durch das Dorf sondern auf einem anderen Pfad zum Anwesen des Magisters. Der Wald durch den wir dabei kamen war irgendwie anders als sonst. Ich konnte das nicht genau greifen, ich bin ja auch kein Waidmann. Aber Yazinda konstatierte, er sei zu ordentlich, aufgeräumt. Und sie hatte recht. Wenn man ein Auge dafür hatte konnte man sehen, das kaum Äste oder Totholz herum lagen. Es war, als hätte ein Putzsklave hier seine Aufgabe in der Reinlichkeit gesucht.

Als wir bei dem Anwesen anlangten war ich positiv beeindruckt. Genau so hatte ich mir das Domizil eines Magiers in diesen Landen vorgestellt, wie aus dem Bilderbuch. Eine alte, rankenbewachsene Mauer im Karree herum, darin die Giebel zweier Häuser uns als Krönung des Ganzen ein runder Turm, der gut ein Dutzend Schritt in die Höhe alles überragte. Herrlich! So, stellte ich fest, sollte ein Magier von Stand in diesen Landen residieren. Das war natürlich nichts für uns im Süden, da musste das anders aussehen. Aber hier oben, da war das, als hätte man es direkt aus einem Märchenbuch heraus gebaut. Vor der Tür standen 2 grobschlächtige Kerle mit schwarzen Gesichtsmasken und schweren Streithämmern, denen man schon auf die Ferne zwar die Kraft, aber auch das mangelnde Hirn ansah. Aber das brauchten sie bei ihrer Arbeit wohl genau so wie es war. Auf Sicherheit schien Magister Dergelsaum also Wert zu legen. Wir näherten uns und wurden auch sogleich mit bedrohlich erhobenen Waffen aufgehalten. Aber Hesindions  „Lasst uns ein, dies sind Gäste des Turms“ öffnete uns das Tor. Die Wachen stellte er uns als Quinn und Sed vor, auch wenn das vergebliche Mühe war. Unter den Masken waren Gesichter nicht zu erkennen, so dass ich sie später eh nicht mehr hätte unterscheiden können. Darin erwarteten mich weitere Überraschungen. Gepflegte Zierhecken rahmten alles ein, etwas seitlich fand sich ein mehrere Schritt durchmessendes Heptagramm im Boden, welches aus blank poliertem Silber zu bestehen schien und dass ich sogleich begeistert inspizierte. Ich kam mir vor wie ein kleiner Junge im Bonbonladen am Praiostag, der seine paar Heller das erste Mal selbst ausgeben durfte. Hier wohnte offensichtlich jemand, in dem ich einen verwandten Geist finden würde. Umso mehr erstaunte mich der Anblick, als ich die Augen vom Boden hob und weiter schweifen lies. Neben dem Turm, auf einer offensichtlich mit aller Kunstfertigkeit gezimmerten Terrasse aus poliertem Holz, fand sich der Herr dieses stolzen Anwesens. Ja, er trug einen langen, wallenden, grauen Bart der seinem Stand und Alter durchaus angemessen war. Aber ansonsten? Übermäßig legere fläzte sich der Magister, gekleidet nicht in standesgemäße Robe sondern einen bloßen Bademantel in einem Liegestuhl, und dass trotz des kühlen Wetters. Seine Augen wurden von einer Bernsteinbrille verschattet und ein weiterer maskierter Diener fächelte ihm Luft zu. Das wirkte, man könnte sagen im besten Fall, befremdlich. Wir wurden herangewunken und durften uns vorstellen. Magister Galrik Dergelsaum, so ergab sich im Gespräch, war wirklich ein Unikum. Wenn ich mir nun die Informationen die mir Hesindion gegeben hatte und das Gespräch mit seinem Meister durch den Kopf gehen ließ, so formte sich ohne Zweifel das Bild eines ältlichen, aber körperlich durchaus noch rüstigen Meisters des Arkanen, der losgelöst von den Zwängen und Konventionen der Gilden und der Gerichtsbarkeit in der Abgeschiedenheit Albernias seinen Forschungen und Vorlieben frönte. An finanziellen Mitteln schien es ihm indes nicht zu mangeln, finanzierte er doch anscheinend, ohne darauf angewiesen zu sein Werksaufträge ausführen zu  müssen, nicht nur seinen Lebensunterhalt und den seines Lehrlings, sondern darüber hinaus noch ein wahrscheinlich exorbitant teures Stipendium am Institut der hohen Magie zu Punin, welches wiederum seinem Schüler nach der Ausbildung die Möglichkeit eröffnete, dort die renommierte Prüfung abzulegen. Allein, in welchem Gebiet genau Hesindion sich, anscheinend weitestgehend im Selbststudium, ausbildete und welche Art der Magie der Magister, der wie ich dem Pfad der linken Hand zumindest gefolgt war,  pflegte konnte ich allenfalls vage erahnen anhand der Zeichen, die sich bisher gezeigt hatten. Aber, so wie Hesindion es gesagt hatte, war sein Meister wohl zumindest nicht geizig. Wir einigten uns, das er meine Bezahlung in Wissen vornehmen würde, da meine finanziellen Mittel derzeit noch ausreichend vorhanden waren. Und ich glaubte anhand des Heptagrammes ahnen zu können, dass ich hier genau das lernen könnte, was ich derzeit dringend suchte. Kenntnisse im Zhayad und die waren Namen von Dämonen, um das Risiko bei einer Beschwörung zu minimieren. Wofür sonst hätte er eine solche Einrichtung in seinem Vorgarten unterhalten sollen?

Im Anschluss führte uns Magister Dergelsaum persönlich über sein Anwesen und klärte uns über die, tatsächlich recht simple Regel auf. Wir konnten hier überall hin, nur seinen Turm sollten wir nicht unaufgefordert betreten. Das war normal, auch keiner der Dozenten an der Akademie hätte es zugelassen, das ein Scholar sich ungefragt in seine Gemächer drängt. Da konnte man noch von Glück sagen, wenn die Tür nur Laut Alarm gab oder man vielleicht zur Steinsäule erstarrte, statt gleich im Feuerball zu explodieren. Das restliche Gelände barg dann noch eine hervorragend ausgestattete Holzwerkstatt, die wohl dem Hobby des Meisters diente, ein Gäste- und Gesindehaus mit Speise- und Schlafmöglichkeiten und einem kleinen, aber sehr gepflegten Park hinter dem Turm, der wohl der Obhut seines Gärtners Tamlin oblag. Dabei hatte er den Ort dieser Heimstatt gut gewählt, denn wie er erläuterte und sich zeigte befanden wir uns an einem Ort der Kraft, an dem nicht nur das Zaubern leichter von der Hand ging, sondern Dere so von astralen Strömen durchdrungen ist, dass man auch die verlorene Kraft schneller zurück gewinnen konnte. Faszinierend, so etwas möchte ich auch irgendwann haben! Aber bis dahin würden wohl noch etliche Götterläufe vergehen.

Yazinda war anscheinend nur hier, um so etwas wie eine alljährliche Routineuntersuchung an der Gesundheit des Meisters zu vollziehen. Das war wenig spektakulär und interessierte mich nicht weiter, allerdings machte ich mir, natürlich in Abwesenheit des Meisters, einen Scherz darauf sie immer wieder darauf hinzuweisen, dass bei Untersuchungen in diesem Alter die Rektalprobe mit dem blanken Finger zur üblichen vorsorge zählte. Allerdings schien sie mir dies nicht zu glauben, was dann bei rechtem Licht betrachtet wohl auch besser war. Ich mag mir gar nicht ausmalen wie der Magister unvorbereitet darauf reagieren würde…

Nach der Führung wurde uns noch einmal die Lage im nahen Dorf geschildert, in dem sich seit 2 Monden seltsame Ereignisse ereigneten. Anfangs waren diese noch eher erheiternd oder seltsam, aber mit fortschreitender Zeit wurde es anscheinend immer bedrohlicher. Zuerst hatte es den Schreiner Swafnian, eine thorwalschstämmigen Kerl, erwischt, der nach dem Tavernengang unversehens und unerklärt kopfüber im Abbort steckte. Tatsächlich wäre er wohl in den Exkrementen ersoffen, wenn man ihm nicht sogleich aus der anrüchigen Lage geholfen hätte, aber es ging alles nochmal gut. Dabei schwor er Stein und Bein, das es nicht am übermäßigen Zuspruch zum Trunke gelegen habe sondern jemand oder etwas ihn ohne das er es gesehen habe dort hineingestopft hätte. In der Praiostagsschule waren dann auf einmal, was für ein Hesindefrevel,  die Seiten der Bücher leer. Blank wie der Po eines Neugeborenen, bar jeder Schrift. Die Lehrerin Rabenstein hatte keinerlei Erklärung dafür. Dann war da noch der unerklärliche Doppelmord, von dem schon der Bauer und seine Frau früher am Tag berichtet hatten an den beiden Waidmännern. Dies hatte wohl das erste Mal dazu geführt, dass die Dörfler mit Fackeln und Forken vor den Turm gezogen waren, aber dank der kräftigen Wachen unverrichteter Dinge wieder von hinnen gingen. Außerdem war ein Praioti, den man zur Untersuchung der Fälle eigens aus Havena herbestellt hatte, einfach mir nichts dir nichts aus der Taverne verschwunden. Sein Hab und Gut sei aber noch da. Und vor 2 Tagen schließlich seien am helllichten Tage die Kinder dann vor den Augen der untätigen Lehrerin im Gänsemarsch aus der Schule gegangen, hinein in den Farindelwald, ohne das diese sich hernach erinnern konnte. Wahrlich, das waren seltsame Umstände, die nach der Aufmerksamkeit eines wachen Geistes schriehen. Also genau nach mir. Meine Neugier war geweckt. Die Untersuchung der Umstände nahm ich mir direkt für den nächsten morgen vor.

Am Abend wollte ich noch ein wenig Zaubern üben. Nicht nur ein kleiner FlimFlam, der hier tatsächlich leichter von der Hand ging, nein auch den Blitz Dich Find konnte ich üben, da Yazinda sich davon überzeugen lies, dass es auch der Abhärtung ihres Geistes dienen könnte, wenn man ihn immer wieder mit Magie zu überwinden suchte. Ein gutes Arrangement, von dem ich hoffte noch öfter Gebrauch machen zu können. Alles in allem hatte sich die Situation doch sehr angenehm entwickelt bisher, ein größeres Problem konnte ich noch nicht erkennen. Und mit ein paar wildgewordenen Bauern musste ein gebildeter Mensch wie ich doch noch allemal fertig werden.

Am nächsten morgen machten Yazinda und ich uns auf den Weg hinunter ins Dorf, nachdem Hesindion uns den Weg gewiesen hatte. Quasi ein Katzensprung, gerade einmal 5 Minuten brauchten wir bei normalem Schritt durch ein Wäldchen hindurch den Hügel hinunter, um zu einer erbärmlichen Ansammlung von folkloristisch angehauchten Bauernhäusern zu kommen, an denen, dem Lokalkolorit entsprechend, allendorten irgendwelche Blumenkästen hingen die in der letzten Blüte des Efferdherbstes standen. Ich schätzte das Dorf auf etwa 100 Seelen, mehr könnten es beim besten Willen wohl nicht sein. Die einzigen bemerkenswerten Orte hier schienen eine kleine Taverne die dem tumben Landvolk zum Umtrunk dienen mochte und ein etwas erhöht liegender Boronanger zu sein. Das Volk begegnete uns reserviert bis ängstlich. Entweder nahmen diese armen Menschen einfach Reisaus, als sie meiner schwarzen Robe ansichtig wurden, schlugen hastig die Türen zu als wir vorbei gingen oder erstarrten zu Salzsäulen wenn wir sie passierten und konnten nicht einmal mehr den höflichsten Gruß erwidern. Solcherart geschnitten begaben wir uns zur Taverne.  In selbiger trafen wir dann nicht nur die Wirtin Firinia, eine wenigstens etwas aufgeschlossenere Person, sondern auch eine mehr als seltsame Reisegruppe. Unter der (natürlich!) Führung einer Magierin in der weißen Robe der Elementaristen mit dem roten Symbol des Feuers auf der Stirn, hatten sich ein Landadliger aus Andergast und ein affenartiges, rotbepelztes Wesen auf zwei Beinen, welches ich zuerst als entarteten Orang-Utan identifizierte, dann aber belehrt wurde das es sich um einen Goblin handelte. Sie stellten sich als Junasia, Hagar vom Rosenfels und Argaal vor. Wobei mich insbesondere erstaunte, das dem letztgenannten tierartigen Wesen überhaupt Sprache möglich, und dann auch noch rederecht in seinem geradebrechten Kauderwelch eingeräumt wurde. Zumindest bekam ich in diesem Augenblick eine Vage Vorstellung davon, was es heißt wenn im Codex Albyricus von "im weitesten Sinne Kulturschaffenden Zweibeinern"  die Rede ist. Wobei ja der Kulturbegriff an sich schon einer gewissen Interpretation Bedarf, in der ich mit Sicherheit nicht mit jedem anderen Gelehrten insbesondere der nördlichen Hemisphäre übereinstimmen würde... aber das war eine andere Sache. Wir tauschten uns aus und stellten Fest, das wir im weitesten Sinne tatsächlich das selbe Anliegen hatten, wenn auch aus anderen Beweggründen. Jene andere Truppe war von der Kirche des Praios zur Aufklärung geschickt worden, nachdem einer ihrer Angehörigen verschwunden war. Da sah man gleich einmal wieder, das es diese Praioti doch nicht so genau nahmen wie sie immer tun. Wen schicken sie los wenn es mal wieder brenzlig wird? Doch tatsächlich eine Magierin, gegen die man Vordergründig doch so streng vorgehen müsste. Und einen verlausten Fellträger, der daheim in AlAnfa höchstens getaugt hätte um Ställe zu misten oder den Kanal zu reinigen. Einzig wie sich der arme Wohlgeboren Hagar in diese Gruppe einfügen wollte, blieb mir ein Rätsel. Den hätte ich noch am ehesten bei so einer Unternehmung gelten lassen. Er schien ein durchaus ehrenwerter, leidlich gebildeter und durchaus weit herumgekommener Mann zu sein, wie man seinen lebhaften Schilderungen entnehmen konnte. Dabei erfuhren wir auch, warum das Landvolk uns so reserviert begegnete. Die Bauern, denen Yazinda auf dem Herweg noch so fürsorglich geholfen hatte und sogar die Schwangere fürsorglichst betreut hatte, waren eben diesen 3 Gestalten auch begegnet, die dann natürlich nichts besseres zu tun hatten, als den armen Leuten und dem Dorfvolk hier einzureden, die Frau in Begleitung des Schwarzmagus sei sicher eine böße Hexe und hätte beim Handauflegen das Kind im Mutterleib verflucht oder so. Na Mahlzeit. Da brauchten wir uns nicht wundern, dass der einfach gestrickte Albernier der er nun mal war, sogleich das schlimmste annahm und sich furchtschlotternd in seine Hütte zurück zog. Genau gesehen hatten wir noch Glück das sie nicht erst mit Zaunlatten und Forken auf uns eingedroschen haben um hernach zu Fragen. Aber das haben sie sich dann wohl bei meiner respekteinflößenden Erscheinung doch nicht getraut. Gut so... Außerdem erfuhren wir noch, das die Leute hier ihre Toten, derer es ja gegeben hatte, nicht bestatten konnten, weil ein ausheben von Gräbern stets scheiterte. Da brachen Schaufelblätter, bogen sich die Stiele von Werkzeugen oder lösten sich die Axtköpfe, so dass es schlechterdings unmöglich war, ein Loch in den Boronsanger zu treiben. Das wollten wir uns dann doch näher ansehen, deswegen machten wir uns alle zugleich auf, dem Friedhof einen Besuch abzustatten. Der Goblin Argaal rannte vornweg, deswegen machten wir uns alle zugleich auf, dem Friedhof einen Besuch abzustatten.

Dort angekommen sahen wir schon, wie der Rotpelz sich daran machte im Gras nach Spuren zu schnüffeln.  Zuerst wollten wir das Phänomen der Arbeitsgeräte, die den Boden nicht disruptieren wollten widmen. Ein Versuch bestätigte das erzählte, die Mitgebrachte Schaufel eines Bauern, der sich dafür von Herrn Rosenfels hatte entlohnen lassen,  scheiterte daran, den Boden aufzustechen und verbog sich auf dem Boronanger. Das außer mir, der ich das natürlich sofort erkannt hatte, keinem aufgefallen war in den letzten Wochen, das dieses Ereignis nur hier eintrat und nicht im Rest des Dorfes wunderte mich schon fast nicht mehr… während also die anderen noch debattieren und Gesichter zogen wie eine Herde Schafe die nicht wussten ob links oder rechts, deduzierte mein Geist sofort die nächste Option. Ich hieß den Bauern mit der bloßen Hand ein Loch in den Boden zu graben. Der verdutzte Gesichtsausdruck wurde von der neuen Anweisung nicht besser, aber siehe da, dies ging. Das Denken war tatsächlich nicht allen anerzogen worden, aber dafür hatte man ja mich hinzu gezogen. Dann widmeten Yazinda und ich uns den Aufgaben für Gebildetere, nämlich der Leichenschau.  Den Anblick kannte ich ja schon leidlich aus den Medizinkursen der Universität, da hatten wir auch schon den einen oder anderen Leichnam betrachtet. Aber was mich hier erwartete schreckte wohl auch den Abgebrühtesten. Seit 4 Wochen verwesten die Leichen vor sich hin und stanken, das man am liebsten seinen Mageninhalt direkt von sich geben wollte. Nur mein eiserner Wille setzte mich in die Lage, überhaupt den Raum zu betreten und mich den beiden Kadavern zu nähern, während der Herr von Rosenfels sich zwar ein Tüchlein vor die Nase hielt, aber doch lieber draußen wartete. Yazinda begann nun, die Leichen zu untersuchen und aufzuschneiden. In Beider Augen steckte je ein Pfeil, der am Schaft abgebrochen worden war. Ich hieß sie, die Pfeile zu entfernen und mir einen Beutel zu geben, was sie auch mit großem Geschick tat. Dies steckte ich erst einmal ein, wer weiß für welche Tinktur man so etwas als Substitut würde gebrauchen können. Eine weitere Untersuchung der Leichname brachte Schürfwunden zu tage, die aber nicht näher zu spezifizieren waren und an den Oberseiten von Armen und Beinen auftraten. Die Examination mittel Odem indes ergab keinen Hinweis auf den Einfluss von Magie, aber das mochte auch der langen Zeitspanne seit dem Ableben geschuldet sein, ganz sicher konnte man so etwas schwer sagen. Beim öffnen der Bauchdecke durch Yazinda wurde mir dann doch noch einmal ganz anders zumute. Von den Organen war kaum mehr als eine erbärmlich stinkende, üble Zersetzungsbrühe übrig. Allerdings, und das bemerkte Yazinda etwas vor mir, war es höchst seltsam keinerlei Käferlarven, Maden, Fliegen oder ähnliches Gekreuch zu finden. Die beiden Leichen hätte davon eigentlich nur so strotzen müssen, aber es war nicht ein einziges Tierchen darauf zu finden. Höchst seltsam.

In der Zwischenzeit hatten sich der Herr von Rosenfels und die Dame Junasia mit den örtlichen Volksbräuchen vertraut gemacht und der pelzige Geselle tatsächlich Spuren in den Wald gefunden, wohin die Kinder gegangen sein mochte. Die hießige Folklore besagte, dass man den Wald nur betreten dürfe, wenn man als Gaben an die Waldwesen Kuchen, Brot und Blumen dabei hätte. Das war ja noch schlimmer als der Aberglaube der Mohas, die in jedem Baum und lauem Wind gleich irgend einen Naturgeist vermuteten. Ich wollte direkt losziehen, aber die anderen befanden, es seien diese örtlichen Torheiten durchaus zu respektieren. Und ohne Führer konnte ich ja schwer gehen. Ja, im Gegenteil hegte man auch noch den Verdacht, ich sei ein Gesandter des Magisters Dergelsaum der nur dabei wäre, um alles zu vertuschen und wollte mich schon von der Expedition ausschließen und stellte mich dann doch „nur“ unter Beobachtung und nahm dafür 2 kräftige Dörfler mit. Abgesehen davon, das diese Maßnahme natürlich völlig sinnfrei war, was dachten sich diese Tölpel denn? Das man einen Magus einfach so mit ein paar Bauern außer Gefecht setzen könnte? Lächerlich!

Wir folgten also diesem Goblin durch den Wald, der eine mehr oder weniger große Ordnung auch hier aufwies und gelangten schließlich, ich muss gestehen die Orientierung hatte ich recht schnell verloren, an einen Findling. Dieser leuchtete und schimmerte in einem güldenen Glanz und entlockte dem Landvolk so einige ohs und ahs. Ich jedoch, nachdem ich die erste Überraschung rasch überwunden hatte, deduzierte  eiskalt den magischen Einfluss, der auf den Stein herrschen musste. Da brauchte ich noch nicht einmal großartig analysieren, dies war ohne Zweifel eine grandios gewirkte Art des Aureolus-Kantums, den ich ja auch selbst beherrschte und der einem am Fürstenhof durchaus den ein oder anderen Dukaten einbringen konnte. Allein die Herkunft… es stellte sich aber schnell heraus, das der Goblin wohl, auf welchem verschlungenen Wege auch immer, ein Objekt in seinem Besitz hatte, welches diesen Zauber hervorrief. Unglaublich, was für eine Verschwendung. Vorzeigen wollte er es allerdings nicht. Im Geiste machte ich mir Bereits eine Notiz für später, ihn von diesem Gegenstand befreien zu müssen. Weiter führte unser Weg zu einem nicht einmal sonderlich hohen, dafür aber einigermaßen steilen und rutschig aussehendem Hügel. Anstatt darum herum zu gehen wie es ein vernünftiger Mensch täte, machten sich auf einmal alle daran den Hügel erklimmen zu wollen als ginge e hier um die Bezwingung des Ehernen Schwertes. Und damit nahm das Drama seinen Lauf. Wir kletterten mehr oder weniger behände den Hügel hinauf und den meisten gelang es auch recht ordentlich. Die Ausnahmen bildeten, zu meinem echten erstaunen, der Goblin Argal, der heftig ins Rutschen geriet, mich dann mit in die Tiefe riss und sich dabei auch noch ins blank im Gürtel  ohne Scheide getragene Schwert (wie dumm muss man eigentlich sein???) des Herrn von Rosenfels stürzte in diesen ebenfalls mit nach unten zog. Wir prellten uns ordentlich den Steiß, und der verwanzte Rotpelz trug auch noch einen tiefen Schnitt davon,  den sich die Medica Yazinda, nachdem wir mit Seil dann doch oben angelangt waren, erst einmal ansehen durfte und einen Verband anlegte. Dieser Leichtsinn in Verbindung mit der Tollpatschigkeit des Rotpelzes hätte durchaus noch schlimmer ausgehen können. Andererseits, es wäre ja nur ein Goblin gewesen, also kein Grund sich darüber weiter Gedanken zu machen. Allerdings war das noch nicht der letzte seltsame Vorfall des Tages. Während Yazinda sich noch um Argal kümmerte, begann auf einmal der Herr von Rosenfels sich seltsam zu benehmen. Entweder halluzinierte er, hatte Rauschkräuter genommen ohne das ich es bemerkt hätte, oder um seine geistige Gesundheit stand es nicht zum Besten, denn auf einmal erzählte er etwas von einem weißen Wolf den er gesehen hätte, und der ihn gewarnt hätte, nachdem er ihm die mitgebrachten Blumen dargebracht hatte. Schade, bisher schien er mir eigentlich noch eine ganz annehmbare Gesellschaft gewesen zu sein, aber vielleicht wären hier doch die Noioniten angebracht.  Dann setzten wir unseren Weg, den Spuren weiter folgend, fort. Argal führte uns zu einer Lichtung mitten im Nirgendwo, auf der ein einzelner Baumstumpf stand. Höchst merkwürdig, waren wir doch ein gutes Stück in den Wald hinein. Kein vernünftiger Holzfäller würde hier, wegen einer einzelnen, wie sich herausstellte Eiche, einen Einschlag beginnen, wo es doch so viele andere Bäume näher an Wegen gab. Allein der Transport des Baumes hätte mindestens ein kräftiges Rückepferd und einen immensen Aufwand bedeutet. Erneut schien der Herr von Rosenfels entrückt, und wieder faselte er etwas von seinem Wolf, der ihn gewarnt hätte das gleich ein großes Übel passieren würde, und damit scheuchte er uns von der Lichtung. Wir müssten eine alte Hexe des Waldes aufsuchen, eine lokale Legende die ein Wächter dieser Wälder sei und der die Dörfler jedes Jahr an einem Schrein zu einem bestimmten Tage opferten um sie gewogen zu machen… hatte ich eigentlich schon die parallele dieser seltsamen Menschen hier mit den abergläubischen Mohas erwähnt? Die opferten ja auch, statt wie jeder vernünftige Mensch den Zwölfen, lieber irgendwelchen Waldgeistern. Und das nun hier im ach so zivilisierten Mittelreich? Soweit konnte das wirklich nicht her sein mit der Zivilisation, aber dieser Gedanke war mir ja schon öfter gekommen und wurde stets aufs Neue bestätigt…  mit diesen Erkenntnissen machten wir uns auf, zurück ins Dorf. Dabei konnte ich es mir nicht verkneifen, Yazinda auf den nunmehr verpassten Untersuchungstermin bei Magister Dergelsaum hinzuweisen, was die Dame, als sie ihres Fehlers gewahr wurde, sichtlich erschreckte.

Als wir zurück kamen um Rapport zu erstatten erwartete und selbiger auch schon, wieder auf der Terrasse sitzend, diesmal jedoch ordentlich in eine Robe gekleidet. Ich erstattete meinen Bericht, den der Magister auch neugierig aufnahm. Anschließend zog er sich mit Yazinda allein zur Untersuchung in seinen Turm zurück, während ich ihm das Buch hielt, welches er bis zu unserer Ankunft gelesen hatte. Die Zeit konnte ich genausogut nutzen, und ein kurzer Blick in das Werk zeigte mir, dass es sich mit der Animatio-Thesis befasst. Das passte eindeutig ins Bild eines Magomechanikus. Ich überflog die ersten Seiten bis zum Abschluss der Untersuchung, aber natürlich hätte es eines deutlich intensiveren Studiums bedurft um daraus mehr als ein paar Oberflächliche Erktenntnisse über einen Zauber zu ziehen, der mir bisher außer dem Namen nach vollkommen unbekannt war. Yazinda hatte kaum den Turm verlassen und sich zu mir auf die Terrasse gesellt, da hörten wir einen gewaltigen Donnerschlag vom Dorf her ertönen und eine Rauchsäule in den Himmel steigen. Was war das denn? Hatten diese einfachen Menschen hier ein Militärmagazin mit Hylailer Feuer versteckt das explodiert war? Denn so sah es zumindest aus. Aber das konnte ich  mir beim besten Willen nicht vorstellen, war doch weit und breit keine Garnison zu sehen gewesen. Wir beschlossen hastig, dem ganzen auf den Grund zu gehen und trabten in unziemlicher Hast erneut los hinunter zum Dorf. Wir kamen in kürzester Zeit am Rande der Siedlung an und erkannten sofort den Ursprung des Lärms. Bei einem am Rande des Dorfs gelegenen Bauernhof war eine Art turmförmiger Kornspeicher in Brand geraten und explodiert, die darin eingelagerten Wintervorräte, offensichtlich Mais den bei uns daheim gerade einmal die Sklaven als Brei zu fressen bekamen, hatte sich weiträumig verteilt und der verbliebene Inhalt begann, auf wundersame Weise, sich in kleine, weiße fluffige Wölkchen zu verwandeln. Das hatte ich bisher noch nie gesehen. In weitem Umkreis begannen diese Wölkchen den Boden zu bedecken, während es aus dem Speicher immer wieder vernehmliche Plopp-Geräusche gab, der daraufhin mehr dieser Wölkchen ausspuckte wie ein kleiner Vulkan. Von allerorten rannten die Bewohner des Dorfs herbei, bewaffnet mit Eimern und Decken, und auch die drei Gestalten mit denen wir vorhin in den Wald gezogen waren hatte ich schnell im Trubel ausgemacht. Aus dem neben dem Silo gelegenen Bauernhaus, auf das die Flammen glücklicherweise noch nicht übergegriffen hatten, zogen sie dann auch einen Toten. Man sagte mir, er sei der Besitzer des Anwesens, Bauer Rik,  und man habe ihn mit einer Lampe zu seinen Füßen Tot auf seinem Bett sitzend gefunden.  Das erschien mir seltsam. Gut, er war an Rauchvergiftung gestorben wie die Medica meinte, aber warum war er nicht einfach aus seinem Haus heraus gegangen? Und was sollte die Lampe? War er des Lebens überdrüssig geworden und hatte beschlossen den Freitod zu wählen? Sein Eigentum in Flammen zu setzen und dann Borons Umarmung im eigenen Bett zu erwarten? Das war zwar nicht völlig auszuschließen, aber beim einfachen Volke doch keine allzu verbreitete Einstellung, das hätte man eher bei einem Priester erwartet, einem Attentäter oder einem Kultisten. Aber hier? Ich schor dem armen Kerl das Haupt um zu sehen ob er niedergeschlagen worden war, aber er hatte weder Beule noch Rötung am blanken Schädel. Die Haare steckte ich vorsichtshalber ein, man weiß ja nie wofür man sowas mal braucht. Ich glaube, in einem Elixier der Feuerunempfindlichkeit könnte man sowas schon nutzen. Junasia war derweil zu nichts zu gebrauchen, die Dame blickte nur mit seeligem Blick in die Flammen, als würde sie darin etwas Heiliges sehen und nahm ihre Umwelt kaum war. Der eilig gewirkte Odem Arkanum, denn Zeit war jetzt ein entscheidender Faktor bevor die Spur verblassen würde, brachte Licht ins Dunkel. Ein Beherrschungszauber, gewirkt in so etwas wie schelmischer Repräsentation hatte wohl dieses Verhalten hervorgerufen. Ich war erstaunt. Nicht nur, das ich diese mir eigentlich unbekannte Repräsentation so klar erkennen konnte. Nein, waren doch Schelmenzauber wie man sagte üblicherweise zum Spaße gedacht, und nicht zum Mord. Und eine Beeinflussung des Geistes, die den gesunden Menschenverstand und Selbsterhaltungstrieb aussetzte, das war schon hohe Kunst. Ich kenne und beherrsche ja selbst den Banbaladin, daher kenne ich mich da ein bisschen aus. Aber so etwas? Das müsste ja eher die mir nur aus der Theoretika bekannte Imperavi-Formel gewesen sein, und die dürfte es in einer schelmischen Variante mit Sicherheit nicht geben denke ich. Alles sehr rätselhaft.

Beim Löschen war ich keine große Hilfe, und die Anderen beschlossen, das es nun dringlichst an der Zeit wäre diese Hexe aufzusuchen, daher schloss ich mich erneut dem Tross an. Auf dem Weg kamen wir bei der Dorfschulzin Niamh vorbei, welche, wie man mir sagte noch die Schäfte der abgebrochenen Pfeile aus den Augen der Jäger hätte. Diese lies ich  mir bringen um sie noch vor unserem Aufbruch schnell zu untersuchen. Nun ja, ein Schreiner bin ich nicht, aber jemand anderes bemerkte, dass einer der Pfeile seltsam war wenn man ihn mit dem anderen verglich. Meine erste Theorie mit nagrachischen Freipfeilen war schnell dahin, und die Dame Junasia war auch recht ungehalten darüber das ich den Namen des Erzdämon so frei aussprach. Der Pfeil also war irgendwie, bei genauerer Betrachtung, nicht wie von Menschen gemacht, die Federn schienen direkt aus dem Holz zu wachsen, die Spitze wie mit dem Schaft verschmolzen (nachdem ich das Auge entfernt hatte) und nicht wie sonst üblich verleimt. Die Umwicklung schien eher reine Zier oder zur Irreführung. Wer konnte so etwas machen? Ein Elementar? Man kennt ja Geschichten von Dschinnen, die Gänge und Paläste wie aus dem Fels heraus wachsen lassen. Dies Bestätigte auch Junasia, die sich wohl aus Drakonia her mit so etwas auskannte, mich aber partout nicht mit dorthin nehmen wollte. Einig waren wir uns nur, dass er durchaus magischer Herkunft sein konnte. Wir waren kaum einige Minuten aus dem Dorf heraus, da kehrten wir noch einmal um. Unsere Führerin hatte nämlich beschieden, dass auch die Mordwaffen, die beiden Bögen der Jäger, noch bei der Dorfschulzin waren. Warum musste man diesen dummen Menschen eigentlich alles aus der Nase ziehen und konnte nicht einmal etwas Eigeninitiative erwarten? Sogleich gingen wir zurück, besahen die Bögen, und ja, auch hier war einer wie gewachsen, die Leimschichten (wie man mir sagte, ich selbst habe ja keine Ahnung von Bögen), die nötig wären um dem Bogen Stabilität zu verleihen nur oberflächlich angedeutet wie als Scharade. Und wir konnten ihm dem Fallensteller zuordnen, der ja üblicherweise gar keinen Bogen brauchte. Auch diesen nahmen wir als Beweis mit, der Magister Dergelsaum hatte ja eine Holzwerkstatt, vielleicht könnte er näheres dazu sagen wenn wir zurückkämen. Dann gingen wir erneut in den Wald, nicht ohne das sich von Rosenfels und Co wieder mit Brot, Kuchen und diesmal einem ganzen Geranienkasten (es sollten lebende Blumen sein!) ausstatteten. Man mag es kaum glauben…

Wir kamen beim „Schrein“ an, einer bloßen Anhäufung von Feldsteinen, wie erbärmlich. Und ab hier begann die ganze Geschichte ins unangenehme zu kippen. War es bisher einfach nur interessant und eine Herausforderung, musste ich nun mehr und mehr mit meinem Schicksal hadern. Nicht nur, dass das Wetter Umschlug und es zu regnen begann wie aus Eimern (immerhin hatten wir Zelte dabei), und es kalt und neblig war. Zu allem Übel war auch das Feuer welches wir entfachten eine Lächerlichkeit, die den Namen nicht verdiente. Warum? Diese Spinner die mich begleiteten bestanden darauf, kein Holz von den Bäumen zu brechen um die Waldgeister nicht zu erzürnen. Gut es hätte eh keiner eine Axt dabei gehabt um ordentlich Holz zu machen, aber trotzdem… und auch hier war der Wald wie aufgeräumt, so dass kaum etwas auf dem Boden lag das man hätte verschüren können. So saßen also Junasia und ich zitternd in unserem Zelt, eingehüllt in unsere Decken und versuchten, in einer lausigen Nacht etwas Schlaf zu finden. Als ich mich über das widerliche Wetter beklagte wurde mir nur Häme zuteil und das es hier bald noch viel kälter würde, ja gar Schnee sollte es demnächst wohl geben. Junasia, die wie ich wohl eher der Wärme zugetan war schlotterte ebenfalls, und wir beide beschlossen, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit in den Süden zu ziehen wo es etwas wärmer ist. Scheiß auf selemitische Schergen die mich suchen oder rachsüchtige Magierinnen aus Fasar. Bevor ich mir hier den Arsch abfrieren würde, nehme ich es lieber mit diesem ganzen Pack auf einmal auf.

Mitten in der Nacht, es war wegen Regen, Nebel und der mangelnden Feuerbeleuchtung kaum etwas zu sehen, erklang auf einmal ein Alarmschrei. Wie aus dem nichts war eine bucklige, hässliche Alte gekommen, anscheinend tatsächlich die gesuchte Hexe, die sofort begann den mitgebrachten Kuchen und das Brot in sich hineinzustopfen. Ich folgte der sich entspinnenden Unterhaltung, um meine eigenen Schlüsse zu ziehen, beteiligte mich aber kaum daran. Hexen… diese ungebildeten Naturzauberinnen mochten einem auch genauso gut den blanken Unfug erzählen, da musste jemand mit klarem Geist erst einmal Märchen von Wahrheit und Aberglaube von Tatsachen scheiden ohne gleich alles zu glauben. Die Alte warnte uns also vor einem mysteriösen Bößen (war ja klar), dessen Name unbekannt sei, aber das kein Dämon war. Der „junge Magier aus dem Turm“ (damit meinte sie wohl Hesindion), hätte es freigelassen, als er den Wächterbaum gefällt und direkt vor Ort zu einer hölzernen Statue verarbeitet hätte. Dabei habe er Linien in den Waldboden gemalt, aber es sei ihm wohl misslungen, auf jeden Fall sei ihm seine Statue dann weggelaufen. Hesindion ein Golembauer? So weit, und das noch in der Ausbildung? Ich war baff, das hätte ich ihm nie zugetraut. Auf der anderen Seite erklärte das auch so einiges. Die Holzwerkstatt des Magisters also nicht nur ein Hobby, die Ausbildung im Selbststudium in der, wie es schien Hesindion mehr ein Kraftspeicher für seinen Meister als echter Schüler war, die tumben maskierten Wächter und Diener des Herrn Dergelsaum… da musste ich noch einmal genau drauf achten. Dann zog die Hexe eine leuchtende Laterne und lies tatsächlich eine etwa Spanngroße Blütenfee daraus hervor. Wunderschön anzusehen und faszinierend umschwirrte uns das kleine Ding, bevor es sich niederließ und eine Geschichte erzählte. Das böse Wesen hätte in unserer Welt die Gestalt eines kleinen Mädchens, nicht größer als der Rotpelz Argal,und bringt mit seiner Zauberkraft Menschen dazu, schlimme Dinge zu tun. Der gefällte Baum stand als eine Art Sicherung auf dem Tor zu seiner Welt, einer finsteren Festung und der Übergang sei nur einmal am Tag für 5 Minuten eine Stunde nach der Mittagsstunde möglich. Danach sei man in seiner, oder es in unserer Welt für einen Tag gefangen, wenn man den Übertritt gewagt hätte. Aber es kann sich lediglich in den Wäldern bewegen. Dafür entführt es immer wieder Menschen in seine Welt, um diese zu seinen Dienern zu machen.  Seine Kräfte sind quasi riesig, wie man ja auch schon an den bisherigen Taten sehen konnte, unterscheiden sich aber zwischen beiden Welten, weswegen man es besser nicht direkt konfrontieren sollte, und wenn, dann besser in seiner als in unserer Welt. Wenn es seine eigene Welt manipuliere schaffe es dort Regeln, an die es sich auch selbst halten müsse und die man dann gegen es wenden könnte. An dieser Stelle sprang die Hexe wieder ein. Sie kenne das alte Ritual um das Siegel wieder herzustellen und das Wesen aus Aventurien auszusperren und würde uns auch gerne helfen. Aber dazu benötige sie einen persönlichen Gegenstand oder einen Teil des Wesens. Gut, das kenne ich, ein magischer Fokus wird für solche Dinge ja oft herangezogen. Je stärker das Objekt sei, umso länger würde der neue Wächterbaum dann auch halten. Da schwebten mir natürlich direkt ein paar Dinge vor… worauf es dann später aber heraus laufen würde hätte ich mir aber weitem nicht zu träumen gewagt.  Ein Körperteil, der wahre Name, ja, aber dann… aber ich greife hier der Erzählung sonst vor. Das Wesen sei einst ein Mensch gewesen, der aber von einem Kobold zur macht verführt und verdorben worden war (aha, daher also dieses böse Schelmische), und irgendetwas war auch noch mit einem Biestling, aber das habe ich dann nicht ganz verstanden. Aber unsere Aufgaben waren nun klar. Wir mussten die entführten Menschen (insbesondere die Kinder, bei dem Praioti würde ich wohl erst einmal schauen…) retten, den Fokus für das Ritual besorgen, uns dabei nicht erwischen und töten lassen und schließlich das Siegel wieder herstellen. Das hörte sich doch, wenn auch etwas wirr, gar nicht einmal so schwer an. Damit verließ uns die alte Fettel und wir blieben in einem Unwetter zurück, das langsam begann auch in die Zelte zu dringen. Junasia wich angsterfüllt vor dem hereinkommenden Wasser zurück und schlotterte am ganzen Leib. Sie mochte das nasse Element wohl wirklich nicht, aber bei einer Feuermagierin mochte das noch nicht einmal so wunderlich sein. Am nächsten morgen machten wir uns im schlimmsten Regen auf den Rückweg. Junasia bestand darauf, nicht nass zu werden, aber da ein Mantel nicht zur Verfügung stand beschlossen wir, das Zelt wie einen übergroßen Regenschirm zu nutzen, wobei uns der Herr von Rosenfels unterstützte. Ich weiß nicht warum, aber der Rückweg war furchtbar. Anscheinend hatte sich der ach so spürsichere Goblin dann im Weg vertan. Aber ich war selbst schuld, so einem halben Tier die Führung anzuvertrauen statt selbst das Kommando zu übernehmen. Diese Aberration  muss am Wetter gelegen haben. Also irrten wir durch den Wald, rutschten, schlitterten und schleppten uns über einen Umweg zurück, im schlimmsten Wetter das man sich vorstellen mochte. Als wir den Wald verliesen hörte das Unwetter schlagartig auf. Wie mit dem Lineal gezogen durchschritten wir eine Grenze, hinter der es keinen Tropfen regnete. Das war unheimlich, nichtsdestotrotz wollte ich baldmöglichst in wärmere Gefilde.

Yasinda und ich erstatteten erneut Bericht bei Magister Dergelsaum. Am Turm angekommen war ich diesmal aufmerksamer. Ja, die Wächter waren unnatürlich Steif, wenn man es genau betrachtete. Ein Mensch zuckte doch bisweilen zumindest, oder wechselte das Gewicht von einem aufs andere Bein wenn er länger stand. Diese nicht… Wir wurden in den Empfangsraum des Turms gebeten und gaben unsere Erkenntnisse weiter. Ich hatte Yazinda vorher eingeschärft mich reden zu lassen. Das musste behutsam angegangen werden. Hesindion wurde  herbeizitiert, und tatsächlich schien er, in seinem Eifer dem Meister zu gefallen, bei seiner Unternehmung etwas übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Zur Strafe musste er in der Bibliothek ein paar Bücher abschreiben. Den Magister überzeugte ich, dass es wohl besser wäre die Dörfler noch zu entschädigen um Ärger zu vermeiden. Und wir kamen überein, dass der Praioti wohl nicht zwingend zu retten wäre, denn dann käme es sicher zu einer unangenehmen Untersuchung. Um die weiteren notwendigen Schritte sollten wir uns kümmern, dafür stellte er uns erneut eine Belohnung in Aussicht. Jetzt waren wir eh schon dabei, insofern hätte es keinen Sinn gemacht auf halbem Wege die Arbeit abzubrechen. Und Neugierig war ich ja auch ein wenig, wie sich das weiter entwickeln würde. Hätte ich gewusst, was jetzt noch passieren sollte, ich hätte mich wohl anders entschieden… Da wir wieder in den Wald mussten, und das ganze bis Mittag, lieh er mir noch einen Ledermantel gegen das Wetter und auch Yazinda erhielt etwas vom unglücklichen Hesindion. Außerdem sollte uns einer der Wächter begleiten und auf unsere Anweisungen hören. Das war praktisch, so ein paar Muskeln zusätzlich konnten nicht Schaden fand ich. Aber mit dieser Meinung war ich anscheinend allein… den als wir ins Dorf zurück kamen wollten die anderen den Schutz nicht einmal. Wir debattierten, aber am Ende schickte ich die Wache wieder zurück zum Turm. Dabei beobachtete ich sie genau und spähte durch die Augenschlitze der Maske. Tatsächlich, leichte Verzögerung bei der Umsetzung von Befehlen, keine echten Augen, hölzerne Gesichtszüge… ein waschechter Golem. Ich war begeistert! Kein Wunder das der Magister ihre Gesichter hinter Masken verstecken musste, das hätte bei den Leuten wahrscheinlich einen Aufstand gegeben. Und nun war mir auch klar, was mit seinen wohl einst immensen arkanen Kräften geschehen  und er nun auf die Hilfe seines Schülers angewiesen war. Das Schaffen solcher Kreaturen muss unglaublich kraftrauben sein, ähnlich wie der Artefaktenbau. Und wer mochte schon sagen, wie viele dieser Wesen Magister Dergelsaum in seinem langen Tun schon zum Leben erweckt hatte? Ein grandioser Magus, fürwahr.

Dann gingen wir, wieder alle zusammen, zurück zum Stumpf der Eiche, der das Tor in eine andere, verrückte Welt war. Der Plan war simpel. Wir würden uns alle verstecken, warten bis das Wesen seinen Bau verlässt und dann hinter seinem Rücken in sein Domizil vordringen. Beim Verstecken würde ich freilich Hilfe benötigen, das war weder Ausbildungsinhalt noch geziemt es sich für einen aufrechten Magier, sich wie ein gemeiner Dieb zu verstecken, selbst wenn es bisweilen unumgänglich ist. Aber der Herr von Rosenfels sicherte mir zu, mir dabei behilflich sein zu können. Wie er als adliger aber zu seiner solchen Fertigkeit gelangt sein mochte, erschloss sich mir dann doch nicht ganz. Vielleicht beim Versteckspiel mit irgendwelchen Hofdamen in den Labyrinthen irgendwelcher Lustschlösser? Das würde zumindest zu ihm passen. Beim Goblin wiederum wunderte es mich nicht, dass er Erfahrung im Verstecken haben sollte. Das passte ganz hervorragend zu der kleinen pelzigen Ratte. Auch einigten wir uns, dass keiner der Namen der anwesenden Personen richtig ausgesprochen werden sollte, um dem Wesen nicht unnötig die Möglichkeit zu geben Macht über uns zu erlangen. Da mochten die Gesetze seiner Welt durchaus andere sein als die in unserer Welt. Als alles bereit war, ich lag in einer Erdkuhle, einen braunen Mantel über mich gebreitet, hieß es abwarten. Damit hatte Argal, der ständig herumzappelte und hampelte wie ein kleiner Vorschüler wohl so seine Probleme. Aber als das Wesen erschien, waren alle gut versteckt. Mit einem mal, ich war wohl kurz etwas abgelenkt gewesen, stand es auf der Lichtung. Ein hübsches Mädchen von vielleicht 9 Jahren, das einen zerzausten braunen Bären im Arm trug. Ein ganz und gar nicht bedrohlicher, her reizender Anblick, der mich unwillkürlich an meine Schwester denken ließ. Gerade dies, hatte uns die Hexe eingeschärft, sollten wir im Kopfe behalten. Einen Anker, der uns mit unserer Welt verband, eine Emotion, eine Erinnerung, die uns immer daran gemahnte, zu welcher Welt wir gehören würden. Nicht das Rationale würde uns hier davor  retten, uns selbst zu verlieren, sondern das, was uns im innersten ausmachte. Und bei mir war dies meine Schwester Liliane, die ich wohl am schmerzlichsten vermisste, seit ich in die Fremde gezogen bin und deren Bildnis und deren Haarlocke mein teuerster Schatz war den ich stets bei mir trug.

Der erste der losrannte als das Kind außer Sicht war, man hätte es sich denken können, war der zappelige Argal. Nach und nach sah ich in kurzen Abständen die Anderen aus ihren Verstecken aufspringen und auf den Baumstumpf zueilen. Der letzte war ich, da ich zur Sicherheit noch einige Herzschläge abzählte, ob das Wesen nicht doch zurückkäme. Aber dem war nicht so, also machte auch ich mich auf. Vor mir verschwanden meine Begleiter einer nach dem anderen, als sie den Stumpf erreichten mit einem Plopp und Lichtblitz im Nichts. Dann war auch ich heran, sprang… und fiel. Und damit begann für mich ein Martyrium, in einer Welt, der ich die Realität gar nicht absprechen will, die aber jeder geordneten Logik die ein klar denkender Verstand nun einmal braucht, völlig zuwider lief. Die Welt um mich herum schien sich zu verzerren, dann war es dunkel, nur das Gefühl zu fallen blieb für eine kurze Zeit, bevor ich hart auf dem Boden und der Extremität einer anderen Person aufschlug. Das nächste was ich vernahm als ich mich hochrappelte war das schlagen von Feuerstein auf Stahl. Ein Lichtfunke wurde größer und Argal entzündete eine Laterne, die er wohl im Gepäck mitgeführt hatte. Sehr gut, dann brauchte ich mich schon einmal nicht darum zu bemühen. Ich war noch ein wenig benommen, konnte aber klar erkennen, dass wir uns in einem Raum wiederfanden, der nicht mehr und nicht weniger als eine Besenkammer war und durch dessen Decke!!! wir anscheinend gefallen waren, obwohl dort weder Luke noch Tür zu erkennen war. Kein protziges Tor, keine mysteriöse Tür, kein Portal, nein, einfach ein dreckiger Putzraum. Um die These des Fallens zu testen hob ich einen Eimer auf, schleuderte ihn mit aller Kraft nach oben und er verschwand tatsächlich in der Decke, nur um kurz hernach wieder herunter zu fallen. Dies war also unser Ausgang, das galt es sich zu merken. Unterdessen hatten die Anderen sich an der einzigen Tür der Kammer zu schaffen gemacht. Man hörte von draußen etwas, das wie Hufgetrappel klang. Argal und Hagar, die das spähen übernahmen zischten überrascht etwas von einem aufrecht gehenden Esel in Plattenrüstung. Die beiden waren dann wohl auf dem Kopf gelandet beim Fallen wie es schien. Als es ruhig wurde, man hörte eine Tür gehen, verliesen wir die Kammer. Vor mir öffnete sich ein großer, rechteckiger Saal mit einem Säulengang in der Mitte, Tischen die zu einer Art Tafel zusammengestellt waren und Fenstern durch die diffuses Licht herein drang. In den Ecken sah ich Brunnen stehen und zwei Flügeltüren führten an den Stirnseiten hinaus. Alles in allem machte es einen völlig überdimensionierten Eindruck. Während sich jeder seiner eigenen Erkundung widmete wagte ich einen Blick aus dem Fenster. Im trüben Licht, die Praiosscheibe war nicht zu sehen, nur graue Wolken, sah ich in einen Burghof von sicher 50 auf 100 Schritt hinunter, eine Uhr! (ein seltenes, mechanisches Meisterwerk), zierte eine der Wände und ein Tor führte aus der Burg heraus. Was ich bei dem Tor sah, forderte das erste Mal meinen Verstand und mein Begreifen heraus. Da waren tatsächlich mehrere schwarze, gerüstete und bewaffnete, aufrecht gehende Esel statt richtiger Wachen! Erst weigerte sich mein Geist, dies als Wahrheit anzuerkennen, aber sehen heißt glauben, und ich musste schlucken. Wo waren wir hier hin geraten?

Mangels besserer Alternativen wurde beschlossen, dem Esel der gerade durch den Saal gekommen war zu folgen. Im Gang hinter der Flügeltür hingen dutzende Bilder, die einen großen, stämmigen Mann mit schwarzem Schnauzbart zeigten, den Imperator. Wer so viele Bilder von sich selbst auf hing, die geschmacklich auch noch höchst fragwürdig waren, musste sehr von sich selbst überzeugt sein. Ich meine, ganz ehrlich, der Stil entsprach mehr den alten eslamidischen Malereien vergangener Jahrhunderte und war wirklich zeitlos hässlich! Der Esel war zum Glück schon weiter, auf eine Begegnung legten wir erst einmal keinen Wert. Die ganze Sache wirkte zwar surreal, aber die Rüstung und Waffen, er trug Schwert und Hellebarde, deswegen nicht weniger bedrohlich. Nun mochte meine Magie hier durchaus noch funktionieren, aber wie und mit welchen Nebeneffekten? Und der Weg zur 7. Sphäre mochte hier sogar kürzer sein und das Beschwören von Dämonen sogar leichter, aber ob Junasis Elementarzauberei  fernab der dritten Sphäre ebenfalls noch ausreichend stark wäre, wollten wir noch nicht ausprobieren. Wahllos öffneten wir eine der abgehenden Türen und fanden uns unvermittelt in einem Alchemistenlabor. Das an sich wäre ja noch angegangen, aber dann erblickte ich den Alchemisten selbst. Eine Schlange, die sich auf uns zuwand, aufrichtete, uns Ansprach und sich als Xsasa vorstellte. Mein Hirn machte einen Satz in die hintersten Winkel des logischen Denkens, ich war erst einmal sprachlos. Was sollte das! Ich wollte so schnell wie möglich weg von hier, dorthin wo die Gesetze Khas richtig gelten. Ich hatte mich noch kaum gefangen, da begannen meine weniger gebildeten Begleiter schon eine Konversation mit dem seltsamen Ding und tischten ihm Geschichten und Lügenmärchen auf, das sich die Balken bogen. Offensichtlich war es Leuten, die von einfacherem Gemüt waren auch leichter, Dinge die einfach nicht zu sein haben zu akzeptieren wie sie sind. Das mochte daran liegen, dass es ihnen eben gerade nicht vergönnt war, allem auf den Grund zu gehen und die Dinge zu hinterfragen, sondern sie einfach so zu nehmen wie sie waren. Gut, so hatte das ja auch zu sein in einer Welt, in der die Götter eine Ordnung vorgegeben hatten. Das einfache Volk hatte seinen Platz, und den sollte es behalten. Da half einem das Hinterfragen auch nicht weiter, das stand eben nur den Gebildeten und Hochgeborenen zu.  Insofern mag es einem nutzen nicht alles verstehen zu wollen. Aber ich? Ich war nun einmal von der Vorsehung dazu außersehen, mehr als der Rest zu verstehen, und genau deswegen hatte ich nun meine Probleme mit dem unverständlichen. Es war schlichtweg zum Verzweifeln. So mag sich der Insasse eines Noionitenklosters fühlen, der den Verstand und die Hoffnung schwinden fühlt. Immerhin war ich nach einigen Augenblicken der Sammlung   wieder Aufnahmefähig und bekam mit, was uns diese durchaus geschwätzige Schlange mitzuteilen hatte.  Wenigstens die Fakten wollte ich meinem gepeinigten Geist zuführen. Der Imperator kehrte alle 6 Stunden, die man draußen an der Uhr ablesen konnte, zurück oder ging. Das war es dann wohl, was in unserer Welt einem Tag entsprach, wenn man die Geschichte der Fee bedachte. Es kamen wohl immer wieder einmal Menschen wie wir hierher, die sich dann „Ihr Fell erst verdienen“ mussten. Solange wäre uns die Bewegung im Schlosse verwehrt. Die Aufgabe der Alchemistenschlange war es, dem Imperator wohlschmeckende Tränke zu brauen. War ich hier in einem Labor oder einer Schnapsküche? Die Zutaten, Phiolen und Tiegel waren zumindest alle mit nicht lesbaren Symbolen beschriftet, so dass der Inhalt unklar blieb. Auf die Frage, wie man am besten die Gemächer des Imperators erreichte, fragte uns die Schlange erst nach dem Datum (ich gab den 18. Efferd zur Auskunft), woraufhin wir eine verwirrende Abfolge von Stockwerken, Treppen, Zimmerfluchten und Wegen beschrieben bekamen, deren Lage und Position zueinander, sowie die Aufgabe der einzelnen Stöcke sich ja mit dem Datum ändere. Mir schwirrte der Kopf. Von der 22 in die 8 zur 3 über die 5, aber die 11 hätte heute ja frei und die 14 sei gerade der Kerker? In meinem Geist schoben sich die Stockwerke des Schlosses auf einmal wild unter- über und durcheinander, begannen Treppen sich zu verbiegen und ich verstand… gar nichts mehr. Der Ausdruck in meinen Augen muss wohl dem blanken entsetzen recht nahe gekommen sein, oder einfach bar jeglichen Verständnisses. Und so war es ja auch. Ich verspürte große Lust, meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen, um die Gedanken wieder in die richtige Reihenfolge zu klopfen. Wir verabschiedeten uns erst einmal  vom Alchemisten, Hagar hatte vielleicht verstanden wohin wir zuerst gehen müssten, und ich folgte geistesabwesend.

Wir kamen bis zu einer Tür, die von einem wiederkäuenden, gerüsteten Esel bewacht wurde. Um es kurz zu halten, das Tier ließ uns nicht durch, lediglich Argal durfte passieren, da er ein Fell hatte. Was war das denn nun wieder? Diskriminierung von Menschen? Ich hatte große Lust dem arroganten Vieh ordentlich einen Fulminictus zu verpassen, überdies merkte ich, dass meine astralen Kräfte sich hier in erstaunlichem Tempo erholten. Aber der Zorn, der in mir aufwallte verschwand recht schnell hinter einer Wand der dumpfen Verzweiflung angesichts der Absurdität der Situation. Ein gebildeter Magus wird an einer Tür von einem Esel zurückgewiesen. Gab es eigentlich noch ein Bild, das mich mehr hätte demütigen können? Die anderen gaben nach kurzem Disput klein bei und wir gingen zurück zur Schlange. Dieses leichtgläubigste aller Reptilien umspannen sie mit einem Geflecht von süßholzgeraspelten Lügen, bis es uns Tränke gab, die uns Fell, Federn oder Schuppen verleihen würden, so dass wir unserer Aufgabe zu Ehren des Imperators nachkommen könnten. Außerdem sollten wir doch für ihn noch bitte einen Brief zur Post bringen mit neuen Bestellungen. Was war das nun schon wieder? Wieso die Post? Die auch noch ganz wo anders war, als wir eigentlich hin wollten! Ich protestierte erst vehement, dann kleinlauter, schließlich verzagt, und dieser dämliche Goblin erbot sich doch tatsächlich, den Boten zu spielen. Ich kapitulierte vor so viel Dummheit. Dafür entschied ich mich für einen Trank, der mir ein seidiges, schwarzes Katzenfell verlieh und nach hochgewürgtem Fellknäuel schmeckte. Ein Esel wollte ich dann beim besten Willen nicht sein. Um mich herum wuchsen den anderen Schuppen, Pelz, Federn… es war grotesk. Nun gehörten wir also auch zu diesem Kuriositätenkabinett. Mich überkam der ein unwillkürlicher Drang, und ich leckte mir die befellte Pfote. Da ging es dahin mit meinem brillanten Verstand…

Beim folgenden Anlauf ließ uns der Esel, der uns vorher noch abgewiesen hatte, anstandslos durch. Es gab wohl einen recht langen Weg zu den Räumen des Imperators, man empfahl uns sogar Wegzehrung, deswegen gingen wir zuerst in die Küche. Mit der dort Dienst tuenden Ziege (es war so lächerlich, ich hätte sie am liebsten gleich auf einen Spieß gesteckt und gegrillt), berieten wir und erfuhren, dass es noch einen kürzeren Weg gäbe. Den Speisenaufzug. Aber den könnten wir ja nicht nehmen, wir wären ja schließlich kein Essen. Mir platzte fast der Kragen und ich wollte das meckernde Tier schon packen, als mir die Sinnlosigkeit desselben bewusst wurde. Wie blöde glotzte ich Argal und Hagar an, die dabei waren sich mit Kohlblättern zu dekorieren und der sabbernden Ziege zu erklären, das sie ja jetzt wohl Essen wären und den Aufzug nutzen könnten. Und die Ziege? Sie stimmte dem einfach zu! Ich wurde schier verrückt, schlug mir den Magierstab an den Kopf vor so viel Dämlichkeit und überlegte, welche Torheit als nächstes geschehen mochte. War ich vielleicht in einem schlechten Traum gefangen oder hatte zu viel Rauschkraut erwischt? Aber bei Magister Dergelsaum hatte es doch außer Wein gar nichts gegeben. Resigniert nahm ich mir von einem Tisch einen Kürbis, hieb wütend meine Faust von unten hinein, zog mir das Gemüse über den Kopf, bohrte noch mit meinen Katzenpfoten ein paar Augen, einen schief grinsenden Mund und eine Hakennase hinein und wollte mich einfach nur rächen. An irgendwem. Egal wem. Ich wollte einfach nur irgendjemand wehtun für diese Schmach. Leider war, da sich der Aufzug schon mit uns in Bewegung setzte die Ziege nicht mehr greifbar…

Der Aufzug beschleunigte, rumpelte und ratterte hinauf (oder hinunter, so genau konnte ich das gar nicht mehr feststellen, mein Empfinden war empfindlich gestört). Als die Fahrt endete standen wir in einer Art Thronsaal voller dinierender Esel, an dessen Ende eine bewachte Treppe zum Herrschersitz führte. Die Anwesend Esel ignorierten uns weitgehend, nachdem wir nicht mehr wie Essen aussahen. Ich musste unbedingt mein seidiges, schwarzes Fell von den glibberigen Überresten des Kürbisses reinigen und putzte mich erst einmal. Zum Glück hatte ich einen Holzkamm in meinem Rucksack, mit dem ich das Fell ausbürsten konnte. Der Weg zum Thron wurde uns verwehrt, Hagar hatte wohl gehofft dort einfach ein paar Haare erbeuten zu können. Endlich einmal wieder ein Gedanke, den ich nachvollziehen und greifen konnte. Guter Mann! Allein, es ging nicht. Und uns mit all den Eseln hier prügeln war auch keine Lösung. Die Situation war einfach so Sinnlos. Kurz vor dem Ziel und doch so weit weg… in meiner Verzweiflung fragte ich den diensthabenden Esel, wo den der Ort sei, an dem auch der Imperator zu Fuß hin ginge. Darauf erntete ich ein verständnisloses Gesicht des Grautiers. Zum Abort wollte ich, dem königlichen Scheißhaus! Das sei in seinen Gemächern erhielt ich dann als Auskunft, zu unserer linken, worauf ich Hagar vorschlug, er solle doch einfach imperiale Kacke als Fokus nehmen. Der Satz war, ich gebe es zu, nicht einer logischen Überlegung sondern wirklich nur der Verzweiflung entsprungen, aber er entbehrte, jetzt im Nachhinein betrachtet, noch nicht einmal der Logik. Damals aber war es der pure Wahn der aus mir Sprach und kein ernst gemeintes Ansinnen. Das jedoch hatte Hagar nicht verstanden, weswegen er sich laut rufend auf machte um genau das zu tun. Scheiße zu holen. Und zwar royale Scheiße! Er sei der neue königliche Latrinenreiniger und müsse sofort Zugang erhalten, den wieder ein Esel bewachte. Kurz, Hagar konnte kein Latrinenreinigungszertifikat das ihn befähigte vorweisen und sollte erst das bringen. Was sollte das nun wieder? Das Kloreinigen hätte ich sogar diesem Goblin ohne Fähigkeitsnachweis zugetraut, da braucht es doch keinen Kriegerbrief für. Aber hier, so schien es, war einfach alles anders und nur darauf getrimmt, meinen armen Geist zu martern. Ich resignierte, ging zum Wachesel und begann mit selbigem Karten zu spielen während Hagar loszog sich einen solchen unerhört aussagekräftigen Bildungsabschluss zu besorgen. Ich weiß nicht, was er dafür genau getan hat, aber nach einiger Zeit kam er zurück. Stinkend wie eine Sinkgrube selbst, aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht und ein Blatt schwenkend, welches ihn als zum Reinigen eines Klos befähigte Person auszeichnete. Sogar Summa cum Laude. Der Oberscheißebeseitiger sozusagen! Ich hielt schwer an mir selbst, um ihm dieses Papier nicht direkt in den Hals zu stopfen, so absurd kam mir alles vor. Aber der Esel zuckte nur die Schultern, für ihn war damit alles in Ordnung und Hagar durfte hinein um seine „Aufgabe“ zu erfüllen. Und das tat er. Nachdem er etwas später wieder heraus kam war er im Besitz eines Beutels königlicher Exkremente (zumindest hoffte ich, dass sie wenigstens königlich waren und nicht nur königlich stanken). Außerdem hatte er von einem Sessel noch schwarze Haare geerntet. Aber darauf wollte ich mich nicht verlassen, die meisten der Esel hier hatten ja auch schwarze Haare und schwarze Mähnen.

Wie sollten wir nun hier weg kommen. Die Kinder, so hatten wir erfahren, seien zur Erziehung  im Dorf außerhalb der Burg, bis sie „ihr Fell verdient“ hätten, und dürften selbige bis dahin nicht betreten. Der Weg hinaus über die verschiedenen Stockwerke war weit, selbst mit Aufzug. Und die Zeit begann zu drängen, da die Uhr die erneute Öffnung des Portals in immer größere Nähe rücken lies. Und der Praioti war zwar in der Nähe, aber wurde hier als Hofnarr missbraucht. Seine Zitate aus Gesetzeswerken und glaubensgefälligen Sprüchen schien hier dem zu entsprechen, was man bei uns als Humor bezeichnet hätte, weswegen er als größter aller Komiker und König des Klamauks galt. Ich hätte kotzen mögen. Mir war mittlerweile fast alles egal. Ein Blick durchs Fenster offenbarte mir, das der Hof nur 5 Schritt unter mir war. Das Fenster hatte keinen Griff um es zu öffnen, deswegen wollte ich es kurzerhand einschlagen um mich abzuseilen. Sollten doch andere Treppen ohne Ende steigen, aber nicht mit mir. Nicht mit Victor Dondoya di Pellisario. Der, ja der kannte eine Abkürzung! Ich holte gerade aus um die Scheibe zu zertrümmern, da sprach mich das Fenster an. Vor Schreck, Überraschung und Konsternierung hielt ich inne. Was war das nun wieder? Ein sprechendes Fenster? Ja das wäre hier doch normal, man könne ja auch über alles reden. Ich kippte aufs Gesäß und wusste nichts mehr zu erwidern. Wider sprangen die Simpel die mich begleiteten hilfreich zur Seite und so erfuhren wir, dass das Fenster ein guter Freund von ein paar Treppen!! war, die uns sicher einfach in den Hof brächten, es würde sich ja auch freiwillig öffnen. Aber dafür wollte es einen guten Witz hören und mal wieder etwas zu lachen haben. Ich hätte weinen können so lächerlich war das alles. Nach kurzem Überlegen gab ich einen Schwank zum Besten, aber Witze erzählen gehört nun mal nicht zur Ausbildung eines ernsten Magus. „Was machen ein Praioti und eine Rahjageweihte im Tempel? Nachkommen!“ Den fand sogar ich selbst lahm, und das Fenster wirkte auch wenig erheitert. Es wollte einen Witz hören, so einen wie der lustige Hofnarr immer erzählt. Ich begann zu schluchzen. Mit bebender Stimme, die Stirn hatte ich  mittlerweile an die Wand gelegt und war nur dankbar das diese mich nicht auch noch ansprach, zitierte ich, von Weinkrämpfen geschüttelt, eine Passage aus dem Codex Albyricus: „Das Anwenden von schädlicher Magie gegen Menschen oder kulturschaffende Zweibeiner oder andere dem denken fähige Wesen ist bei einer Strafe, die sich nach Schwere des eintretenden Schadens richtet, untersagt. § 18 Abs. 3 Satz 1 C.A.“ Ich brach zusammen. Und das Fenster? Bog sich vor Lachen glatt durch und ging auf. Mein Geist begann, sich in ein kleines, sicheres Schneckenhaus der eigenen Realität zurück zu ziehen.

Während das Fenster uns stehen ließ um einen Gefallen bei einer Treppe einzufordern und sein Versprechen zu erfüllen machte irgendetwas in mir einen Sprung. Vielleicht war es mein Schädel, der mein Hirn nicht mehr halten konnte weil es vor Anstrengung auf das doppelte seines Maßes angewachsen war. Wieder flutete mich der Drang jemandem weh zu tun. Und diesmal wusste ich auch genau wem. Hier war jemand, der mich verstehen würde. Der es zu schätzen wusste. Dem man mit den Mitteln von Logik, Rhetorik und meinetwegen auch körperlich Schmerzen zufügen konnte. Ich hatte ein Opfer, das ich verletzen konnte. Ich sprang aus meiner gekauerten Haltung auf und lief zur Zelle des Gefangenen Praioti. Das war endlich ein Ziel für meinen Zorn, ein Ventil, an dem ich mich so richtig austoben konnte. Ich rannte förmlich zur Zelle und lies mir vom dort stehenden Esel Zugang geben. Voll Vorfreude riss ich die Tür auf, die Worte schon im Kopf die ich dem Kerl an seinen bornierten Paffenschädel werfen wollte. Und wurde enttäuscht. In dem Raum saß ein Mann im Ornat, oder war es ein Narrengewand, ich war mir da nicht mal mehr sicher, und brütete über seiner nächsten humoresken Einlage, brabbelte irgendetwas von Hexen, Verbrennung und Scheiterhaufen, und ob den 4 Meter Höhe dafür genug seien und als Lacher so richtig taugen würden. Etwas brach in mir. Ich glaube, es war mein letztes Fünkchen Hoffnung oder Verstand, das sich gerade keckernd davon machte. Lahm hob ich an, wohl wissend, dass mein Spott sein Ziel nicht treffen würde, aber ich musste es  versuchen. Um meinetwillen. Statt erfüllt von beißendem, brennenden Spott aber war meine Rede eher ein lahmes Lüftchen das kaum den Atem wert war. „Schöne Grüße von Gaius Cordoban Eslam Galotta“, sagte ich, „Praios am Arsch, du Sau!“ Und erhielt keinerlei Reaktion, so wie ich es befürchtet hatte. Nur einen verständnislosen Blick. Was war denn das für eine Welt, wo man einen Praioti als Schwarzmagier einfach so beleidigen kann ohne dafür verdammt zu werden? Keine Widerworte. Keine Anfeindungen. Kein heiliger Sonnenstrahl der einen versengt, nicht einmal ein Sonnenszepter das einem auf den Kopf geschlagen wird, nicht einmal eine Drohung desselben. Nichts! Ihm war nicht mehr zu helfen. Und mir auch nicht. Ich hatte einfach keine Lust mehr. Und ging. Es war alles so furchtbar traurig. Ich schlurfte zurück, Tränen in den Augen, die Welt um mich herum nicht verstehend und suchte Trost beim Bildnis meiner Schwester. Ich nahm die Kette hervor, öffnete das Medaillon, und blickte auf das Bild einer schwarzen Katze. Liliane, Schwesterherz, wo warst Du nur? War jetzt alles vorbei? Ich wollte einfach nicht mehr. Ich ging hinaus zu den Anderen. Die Treppe war mittlerweile fertig und wir gingen hinunter in den Hof. Es war mir egal. Argal wollte noch zur Post, er hatte noch mehr Briefe eingesammelt. Es war mir egal. Wir verliesen die Burg, ich glaube, die anderen haben vorher noch beim Alchemisten mehr Tränke für Fell besorgt um die Kinder herein zu bekommen. Es war mir egal. Draußen vor der Burg war ein schwarzer Weg in ein Dorf hinab. Links und rechts drohte schwarzes Wabern, das musste der Limbus sein, eine unglaubliche Sache für einen Magier, allein, es war mir… egal.

Im Dorf angekommen sahen wir schäbige Hütten. Ich hatte keine Lust zu suchen, ging einfach in die nächste Hütte hinein. Niemand da. Es war mir egal. Ich wollte die nächste Hütte aufsuchen, da rief einer von uns. Wir fanden ein Gebäude mit Schild dran, eine Schule. Es war mir egal. In dieser Schule fanden sich ein Kobold und die Kinder. Mein Geist nahm nicht alles war, was passierte, es war mir einfach … egal.

Ich warf dem Kobold vor, dass er derjenige gewesen wäre, der das Monster erschaffen hätte. Es stimmte wohl. Er wollte die Kinder nicht hergeben, lies sich aber von den anderen dann doch Überzeugen, würde uns gar Begleiten um sieweiter auszubilden. Na toll, noch mehr Schelme auf Dere, die Unfug trieben und keine ordentlichen Zauberer wurden… es war mir egal. Man entschied sich, die Kinder nicht mit den Tränken zu traktieren, der Kobold meinte das sei für sie gefährlich weil sie schon so lange hier wären. Mir war es egal, den anderen nicht. Dafür würde man sie als Hühnchen verkleiden, Federn gälten ja auch als Passierschein und der Kobold würde das ankleben übernehmen. Eine Kissenschlacht wurde ausgerufen. Daran beteiligte ich mich. Ein letztes aufwallen meines selbst, ich steckte einen Ziegel in ein Kissen und hieb es jemand kräftig auf den Kopf. Ich glaube es war der Herr von Rosenfels, da wir dann gestritten haben und der Kobold uns durch aufblasen oder so zur Räson gebracht hat, aber sicher bin ich mir da nicht mehr. Dann war mir wieder alles egal. Meine Schwester hatte ich quasi vergessen. Ich leckte meine samtige, schwarze Pfote. Ich brauche Stiefel. Hohe, glänzende, schöne Stiefel, das gehört sich so für eine Katze.

Als nächstes fand ich mich in der Besenkammer wieder. Ich muss den anderen hinterher gegangen sein. Wir versteckten uns alle in einem Schrank. Der Kobold ließ uns schrumpfen. Eigentlich interessant, früher hätte ich das wohl analysiert. Aber es war in Anbetracht der Situation auch egal. Der Imperator erschien. Verlies die Kammer. Wir warteten, gespannt, atemlos. Als er weg war und wir den Schrank verließen begannen wir auf einmal zu wachsen, uns in die Länge zu recken bis wir an die Decke heran reichten. Nach und nach verschwanden alle in der Decke. Ich folgte einfach, ohne mir groß Gedanken zu machen. Meine Welt verzerrte sich. Dann saß ich auf einmal auf einer Lichtung im Wald, neben dem Stumpf einer abgesägten Eiche. Langsam, ganz langsam begann sich mein Geist zu klären und ich erinnerte mich. An Dere. An Aventurien. An meine Schwester. Hier gehörte ich her. Das hier, das war meine Welt. Der Ort an dem ICH Macht hatte. Aber warum war ich eine schwarze Katze? Nebelhaft schälten sich Fetzen von Erinnerung aus meinen Gedanken und ließen mich ob ihrer Absurdität taumeln. Die alte Hexe schien uns schon erwartet zu haben, zumindest war sie da. Sie ließ sich von Hagar den Beutel mit Scheiße geben, ich fand dies höchst widerlich, und Yazinda von ihrem Blut darüber tropfen. Das wäre mir nicht im Traum eingefallen zu tun, aber sie war in dieser Hinsicht sowohl willig als auch ob der Gefahr ignorant. Auch ein weißer Wolf war da. Die Hexe meinte, er würde sich für uns opfern und das Portal versiegeln, quasi als Wächter einfahren.  Dann brummelte sie etwas und krächzte in einer mir unbekannten Sprache wie ein hustenkranker Rabe, woraufhin rasant eine stattliche Eiche emporwuchs, durch die Stadien des Gedeihens hindurch innerhalb weniger Minuten, bis an der Stelle des Stumpfes ein stattlicher Baum stand. Dann verschwand das Weib.

Zurück blieben wir. Ich hatte mich in der Zwischenzeit ein wenig erholt, konnte wieder klar denken. Mein erster Blick galt dem Bild meiner Schwester. Sie war wieder da, keine Katze. Wie wunderbar. Wie kam ich überhaupt auf so einen Blödsinn? Ach ja, ich war ja selbst eine Katze. Ganz so absurd war das also nicht. Warum war ich nochmal eine Katze? Ich versuchte mich zu erinnern, aber mein Geist scheint davor auch irgendwie zurück zu schrecken, so als wollte er sich gar nicht an alles erinnern. Ich sollte das hier aufschreiben, solange ich noch kann. Zurück bei Meister Dergelsaum, dessen Wachen uns erst nicht erkannten und einlassen wollten, klärten wir alles was ging auf. Wobei es so viel gar nicht mehr zu bereden gab. Der Praioti war kein Problem mehr, die Kinder wieder da, die Bauern wurden wohl entschädigt, so dass wieder alles gut war. Der Golem war wohl irgendwie auch gefangen worden, vielleicht von den anderen, größeren Golems. Magister Dergelsaum war auch in der Lage uns alle zurück zu verwandeln, er meinte nach einem kurzen Blick, das es zwar auch von selbst ginge, aber wir dann wohl ein halbes Jahr warten müssten. Das hieße also, hier zu überwintern. Das wollte ich nicht. Auf keinen Fall. Da er selbst nicht die nötige Kraft besaß uns alle zu entzaubern brachte er mir den Unitatio-Cantus bei, so dass ich ihm zumindest meine Kraft für die Entzauberung zur Verfügung stellen konnte. Das war ein erfreulicher Nebeneffekt, denn diesen Spruch sollte eigentlich jeder beherrschen. Nun gehörte ich auch dazu. Außerdem erfüllte er sein Versprechen und teilte in den nächsten 3 Wochen sein Wissen mit mir. Ich erlernte von ihm die Grundzüge des Zhayad, der Schrift und Sprache, in der das Wissen um Dämonen üblicherweise hinterlegt ist und die auch zur Anrufung genutzt wird. Endlich kann ich selbst eine Beschwörung durchführen, und nicht nur als Schüler assistieren. Außerdem brachte er mir die wahren Namen der Dämonen Hesthot und Difar bei, unerlässlich zum gefahrlosen Rufen und Kontrollieren solcher Wesen. Das war es wahrlich Wert gewesen…

Von den Anderen trennten sich die Wege nun. Die einzige, von der ich wusste dass wir uns bald Wiedersehen würden war Junasia, mit der ich ja in den Süden ziehen wollte. Sie ging erst noch einmal nach Havena um ihre Belohnung einzustreichen und ein paar Dinge zu erledigen. Ich hatte keine Lust auf Havena oder eine Seefahrt, außerdem musste ich ja bleiben um zu lernen. Aber danach kam sie wieder nach Orweil zurück und sammelte mich auf. Wir planten, gemeinsam über Gareth, das war ja an der Reichsstraße entlang gar nicht so weit weg, hinunter nach Punin zu ziehen und von dort wollten wir versuchen eine Reisemöglichkeit hinüber z.B. nach Kunchom oder noch weiter südlich zu bekommen. Wir werden sehen… Aves mit uns.

Out-Game Beitrag
Dieser Eintrag wurde am 26.11.2016 (15:52) verfasst und 677 mal aufgerufen.
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