Tagebuch von Victor Dondoya Lucisresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Der gefallene Händler

Wir schrieben den 20. Peraine als ich in Bethana eintraf und das Wetter war dem Herrn Efferd würdig – es goss wie aus kübeln. Der Himmel war verhangen und bleigrau. Kein schönes Wetter für eine Hochzeit, ich hoffte inständig für das Brautpaar, dass sich bald der Herr Praios zeigen möge. Auf der anderen Seite freute ich mich schon diebisch auf die bevorstehende Feier. Stunde um Stunde hatte ich mir während der Reise das Ereignis ausgemalt. Auch die jungen und hübschen horasischen Edeldamen, vielleicht eine Esquiria oder sogar Baroness, die meinem unwiderstehlichen exotischem Charme sicher reihenweise erliegen würden. Oh ja, ich gedachte durchaus meinen Spaß zu haben und lächelte still in mich hinein.

Ich war kaum beim Palazzo der Garangors angekommen, da stürmte mir Fabrizzio eingehüllt in einem tropfenden Mantel entgegen, den er sich wohl noch schnell übergeworfen hatte. Entgegen meiner sonst ja eher kühlen Natur empfand ich echte Freude, ihn gesund und munter wieder zu sehen und so lagen wir uns bald uns herzlich begrüßend in den Armen. Gut schien es ihm ergangen zu sein, was ich den kurzen Worten entnehmen konnte die wir wechselten. Leider musste er gleich weiter, noch einige wichtige Dinge regeln, aber wir würden und später am Nachmittag direkt wiedersehen. Er hatte einen Empfang für den heutigen Tag geplant, nur einige der wichtigsten Freunde der Familie. Aber ich wusste, was dies in den besser gestellten Kreisen bedeutete… mindestens 2 oder 3 Dutzend der lokalen Noblesse würde es sich wohl nicht nehmen lassen, die Garangors in Erwartung der Hochzeit schon einmal vorab zu beglücken um deren Wein- und Speisekammer zu leeren. Und denen sollte ich als alter Freund natürlich umgehend präsentiert werden… Aber diese Art Vorgeplänkel war wohl leider unumgänglich.

Ein älterer Diener brachte mich zu dem für mich vorbereiteten Zimmer, und da auf dem Gang traf ich schon wieder auf ein bekanntes Gesicht. Das junge Mädel Pamina Corner, das mir in der Mine so brauchbare Dienste als Ersatzmedica geleistet hatte, hatte ebenfalls hierher gefunden. Ich konnte mich noch gut an ihre naive aber freundliche Art erinnern und freute mich wirklich, sie hier zu treffen. Zumindest besser als diesen ungehobelten Thorwaler Schläger Ansgar von damals. Wir tauschten uns auf die Schnelle aus was uns in den zurückliegenden Monden geschehen war, und ich muss sagen, dass mein Leben – natürlich – doch deutlich spannender verlaufen war als das ihre. Ich erzählte ihr gerade von meiner etwas unrühmlichen Episode in der Garether Unterwelt, als wir ein rauschen um die Ecke herum vernahmen und dann ein sich räuspernder Diener seinen Auftritt machte. Hatte der alte Schlingel da etwa gelauscht? Aber das war an sich auch egal. Ein Diener war ungefähr genauso präsent wie ein Sklave wenn es darauf ankam, das machte einen guten Diener ja aus. Da, wenn man ihn brauchte, ansonsten unsichtbar und quasi nicht vorhanden. Da hätte genauso gut, sagen wir, ein Schrank stehen oder ein Gemälde hängen können – nützlich aber letztendlich irrelevant. Insofern war mir das an sich egal. Er fragte nach unseren Wünschen, brachte einen Happen zu essen und empfahl sich bis in einem halben Stundenglas wenn er uns wieder zum Empfang geleiten sollte.

Mein lieber Freund Fabrizzio hatte wirklich an alles für seine Gäste gedacht. Selbst eine passende Garderobe hatte er vorbereiten lassen, ein etwas Einfacheres und ein Festgewand. Während Pamina sich in ihrem Enthusiasmus wie ein Mädchen dem man Süßigkeiten schenkte quietschend die neuen Kleider ausprobierte – ihre Jagdkleidung wäre wohl wirklich fehl am Platze gewesen (aber einen hübschen Hintern hatte sie…), machte ich mir so gar nichts daraus. Diese Kleidungsstücke wären wohl einem liebfeldischen Stutzer angemessen gewesen, aber mir? Ich würde mich doch nicht in diesen albernen Pluder zwängen um gleich einem aufgeblasenen Pfau daher zu stolzieren. Nein, das kam gar nicht in Frage. Zweifellos hatte Fabrizzio es gut gemeint. Aber die einzige wahre Garderobe für einen Magus ist ja, nicht nur wegen dem Codex Albyricus, die Robe. Man soll doch dem Magus seinen ehrfurchtgebietenden Stand ansehen – und zwar auf den ersten Blick und nicht wegen seines Stabes, den er noch verschämt mit sich herumtragen mag. Und das geht nun einmal nur mit der klassischen Robe, am besten in der richtigen Farbe (Also schwarz) und mit den rechten Symbolen bestickt. DAS macht Eindruck beim einfachen Volk, und nicht so eine alberne Kniebundhose oder ein Seidenwams das auch ein Theatermime tragen mochte. Da hatte ich meine Prinzipien, und die waren klar. Eine ordentliche Robe (die ich zugegebenermaßen noch schnell am Kamin trocknen musste) war das einzige was hier angemessen sein würde. Und wer weiß, vielleicht mochte der sinistre Charme eines südländischen Schwarzmagus ja auf Grund seiner Exotik nur noch schneller die Herzen der Damen zum Schmelzen bringen. Und wenn nicht, würden sie wenigstens den angemessenen Respekt verspüren.

Die Zeit verging wie im Flug, bis wir von dem Diener zum Empfang geleitet wurden. Fabrizzio hatte es uns als kleinen Empfang angekündigt. Trotzdem hatten sich sicherlich 3 Dutzend Damen und Herren der hiesigen Prominienz gehüllt in die aktuelle Mode eingefunden, um auf DAS Tratsch-Ereignis des Jahres entsprechend vorbereitet zu sein. Man kündigte uns als Freunde der Familie an und kurz standen wir auch im Mittelpunkt des Interesses, bevor sich die Leute wieder ihren eigenen Gesprächen zuwandten. Viel interessanter war für mich, endlich Fabrizzios Verlobte kennen zu lernen. Ein junges Ding Namens Esmeralda Nivian, Tochter einer lokalen Händlerfamilie und offensichtlich nur ein weiteres naives Mädchen aus gutem Hause, dem die Flausen der ersten Liebe in den Kopf gefahren waren. Aber der Eindruck mochte täuschen, und für meinen Freund Fabrizzio wollte ich schon auf Nummer sicher gehen. Ich neigte mich also zum Handkuss, sah der Dame tief in die Augen und Sprach „Wertes Fräulein Nivian, ihr seid einfach Sensibar, ich meine wunderbar!“ während ich mich konzentrierte, wofür ich nicht nur mit einem sanften kichern belohnt wurde. Umgehend breiteten sich vor meinem magischen Blick die Gefühlswelt und das Innerste des Mädchens aus. Ein wenig Nervosität, Neugierde, aufrichtige Freude uns kennen zu lernen und ein Eindruck von Ehrlichkeit und Verliebtheit schlugen mir entgegen. Nein, hier konnte ich mir sicher sein wurde mit Fabrizzio kein falsches Spiel getrieben, diese junge Dame meinte es ernst mit ihm. Und das freute mich aus tiefstem Herzen, denn auch seine Gefühle schienen ja echt zu sein. Genau das war für mich der richtige Zeitpunkt, dem Brautpaar die Hochzeitspräsente mit den besten Empfehlungen meines Vaters zu überreichen – mochten andere dies auch für verfrüht halten, so konnte ich mir wenigstens sicher sein, dass es nur so angemessen gewürdigt werden würde. Am Tag der Hochzeit konnte jeder sein Geschenk darbringen – allein, es wäre so gut wie egal was es ist, es würde einfach in der Masse der Gaben verschwinden, wie bei einem Kinde das an seinem Tsatag von den Eltern, Großeltern und Anverwandten dermaßen mit Kram überhäuft wird, dass es das einzelne Geschenk schon nicht mehr zu würdigen weiß. Aber stellt man sich daneben, am besten noch vor all die anderen Geber, so kann man sich sicher sein, dass wenigstens dieses eine Geschenk die Aufmerksamkeit erhält, die es verdient und eben nicht achtlos auf den Stapel mit den anderen Dingen gelegt würde. Woher ich das weiß? Nun, diese Erfahrung bringen einem wohl nur kleine Geschwister wenn man reiche Eltern hat, aber mitnichten eine Studierstube…

So überreichte ich meine Geschenke, und ja, es fiel dem Brautpaar auf, mit den besten Empfehlungen meines Vaters. Ich erläuterte die Intention hinter Seidenschleier (Zeichen von Travia und Rahja) und Stockdegen (Zeichen des Phex und der Rondra zum Schutz der Familie), den Fabrizzio direkt mit einem Schlag auf den Boden und drehen des Knaufs in Augenschein nahm um die Klinge zu lösen. Die bewundernden Blicke bestätigten mich, nur die arme Pamina starrte verschämt zu Boden, weil sie vergessen hatte etwas zu besorgen. Armes Ding. Dafür kam ich direkt mit Fabrizzio und seinem Schwiegervater in spe ins Gespräch über die Geschäfte meines Vaters, unsere Unternehmungen, Plantagen, Handelsgüter… eben genau so wie er es sich wohl erhofft hatte. Die Aussichten waren bestens, dass ich nicht mit leeren Händen zurückkehren würde.

Leider wurden wir rüde unterbrochen. Es begann gerade, sich alles zum Besten zu entwickeln als ich den beiden von unserer Gewürzplantage, der Seidenlianenzucht und dem Edelholzabbau im umgebenden Dschungel erzählte, da wurde auf einmal die Tür lautstark geöffnet und ein Trupp Gardisten in den Wappen Bethanas betraten den Saal. Der Hauptmann verlas eine völlig widersinnige Anklage, wonach man eindeutige Beweise habe das Fabrizzio der Urheber der in letzter Zeit recht häufigen und brutalen Piratenüberfälle sei. Lächerlich! Zudem wäre sein Aufenthalt in der Mine damals nur eine Scharade gewesen um die Kontrolle darüber an sich zu reißen. Ich war mehr als Perplex. Ich kann mich noch gut daran erinnern wie ich ihn selbst von Borons Schippe holen musste und wie er unter den Hieben Donatos gelitten hatte. Das war sicher keine Scharade gewesen. Aber meine intervenierenden Worte fanden kein Gehör und so wurde mein guter Fabrizzio unter unwürdigstens Umständen abgeführt. Sogleich erhob sich im Saal ein eher weniger leises getuschel. Man hätte es ja gleich gewusst, bei dem raschen Aufstieg konnte es ja gar nicht mit rechten Dingen zugehen und ähnliches. Jetzt hätte man den Schuldigen wenigstens und würde dann ja wohl bald aus dessen Vermögen für die Verluste der vergangenen Monde entschädigt werden… ich sah die Geier schon über dem Hause Garangor kreisen, diese falschen Freunde. Zu allem Überfluss zerrte der Vater von Esmeralda Nivian die weinende Braut gerade aus dem Haus, lauthals verkündend das die Hochzeit abgeblasen sei und man mit solchem Gesindel nichts zu tun haben wolle, während das arme Mädel verzweifelt seiner großen Liebe hinterherjammerte. Wäre das Schauspiel nicht gar so grotesk das hier geboten wurde, es hätte eine herrliche Schmierenkomödie in einem der einfacheren Theater Al’Anfas abgegeben. Aber sei es drum, so etwas konnte ich weder auf mir, noch auf Fabrizzio sitzen lassen. Irgendwer spielte hier ein falsches Spiel, und ich war entschlossen den Drahtzieher schnellstens zu entlarven. Dann führten sie meinen Freund ab.

Der Verwalter Fabrizzios, ein gewisser Duardo, war mir von Fabrizzio erst vor wenigen Minuten vorgestellt und als verlässlich und treu über den grünen Klee gelobt worden, hatte er es doch sogar geschafft die Schiffe der Garangors weitgehend aus den schädlichen Piratenüberfällen herauszuhalten. Anscheinend hatte Fabrizzio Recht. Die Tür hatte sich kaum hinter den Gardisten geschlossen, da nahm mich dieser schon beiseite und bat mich inständigst um Hilfe in dieser Angelegenheit – natürlich war meine Zusage reine Formsache, und auch Pamina würde uns helfen. Wir vereinbarten, uns in spätestens einer Stunde in Duardos Arbeitszimmer zu treffen, um das weitere Vorgehen zu bereden, er würde gleich bei der Stadtverwaltung vorsprechen um zu erfahren was dies alles solle. Die Stunde verging wie im Flug, ich packte nur schon einmal meine paar Habseligkeiten zusammen, und dann standen wir auch schon in Duardos Büro. Er schien wirklich ein fähiger Verwalter zu sein. Nicht nur das er uns eine Kopie des Anklageschreibens besorgt hatte, damit wir es in Ruhe studieren konnten, nein, er hatte sogar ein kleines Kistchen mit immerhin 600 Dukaten der Beschlagnahme entzogen, um die nötigsten Geschäfte vorübergehend weiterführen zu können, auch wenn die Kontore, Schiffe und Fuhrwerke der Familie vorerst geschlossen und stillgelegt waren. Außerdem weißte er uns ein, dass Fabrizzio ihn trotz seiner erst 25 Götterläufe zu einem fürstlichen Salär beschäftigte und dies nach der Hochzeit sogar noch weiter hätte aufstocken wollen – aber unter den gegebenen Umständen wäre das wohl hinfällig und eine andere Anstellung, zumal zu solchen Konditionen, würde er wohl so schnell nicht wieder finden. Es hing also auch sein eigenen Schicksal an der Rettung Fabrizzios, weswegen wir unbedingt Beweise für dessen Unschuld finden sollten. Dazu gab er uns eine kleine Handkasse von 50 Dukaten die er gerade so entbehren konnte, um alle Auslagen zu Decken und evtl. noch weitere Handlanger anzuwerben. Außerdem hätten wir nur 3 Wochen Zeit, denn dann würde die Baronin von Bethana zurückkehren und es sich sicher nicht nehmen lassen, den Prozess selbst zu führen. Das war wenig Zeit, und bisher hatten wir kaum Anhaltspunkte. Die einzigen waren bisher dem Schreiben selbst zu entnehmen. Da war zum einen der Name, mit dem das Schreiben signiert war. Araknoxaio’ss, ein wirklich seltsamer Name. Duardo meinte, ein solcher wäre nur auf den Zyklopeninseln gebräuchlich. Dazu kam, dass einem Piraten Namens DeVeCa (Der verwegene Cajo), die überfälle angelastet waren, der ebenfalls in der Zyklopensee sein Unwesen treiben sollte. Und zuguterletzt das Material des ursprünglichen Schreibens. Ein seltsames Pergament das Duardo als Vellum bezeichnete, welches aus Kalbsdärmen gewonnen wurde. Diese Kunst sei, so sagte er, ebenfalls nur noch auf den Zyklopeninseln zu finden. Das war zwar alles nicht zu konkret, aber die Richtung schien klar. Und dass wir Bedeckung bräuchten, vielleicht ein paar Mietklingen und noch einen weiteren Magier, um und vielleicht vor unliebsamen Überraschungen zu sichern. Unser nächster Schritt sollte es sein, Verstärkung für die Reise zu finden, während Duardo die Stellung im Kontor hielt und vor Ort versuchen sollte mehr herauszufinden. Pamina würde die Suche nach den profanen Söldnern und Handlangern  obliegen. Ich erinnerte mich noch gut daran, dass man als ortsfremder Magus in der Akademie vorstellig werden und sich registrieren lassen sollte. Vielleicht würde ich dort direkt einen Hinweis auf derzeit durchreisende Magier finden, die an einer Anstellung interessiert waren.

Dann trennten sich Paminas Wege vorerst von den meinen, aber wir verabredeten uns zur sechsten Stunde, uns bei Flavio zu treffen. Die Idee war gut, kein Zweifel. Man erinnerte sich sogar noch an mich von meinem letzten Aufenthalt her (und wies mich noch einmal vorsichtshalber darauf hin, mich doch bitte wieder anzumelden, was ich auch tat). Der derzeit diensthabende Magus war mir nur zu bekannt, mit ihm hatte ich nicht nur einmal das Vergnügen, ihn als „Hilfe“ bei meinen Recherchen in der Bethaner Bibliothek an der Seite gehabt zu haben – andere würden behaupten er wäre mein Wachhund gewesen damit ich in deren Hort des Wissens keinen Unfug triebe. Leider scheitert auch die Beste Idee daran, wenn die Sachlage etwas anderes zeitigt. Es war schlicht und ergreifend kein anderer Magus außer mir derzeit als reisender Zauberwirker in der Stadt an der Akademie gemeldet, was ich doch sehr bedauerte. Auf die lokalen Weißmagier konnte ich bei unserem Vorhaben gut verzichten. Ein flüchtiger und unauffälliger Blick die Zeilen des Buches hinauf ergab nur einen einzigen mir bekannten Namen, der war aber dafür umso verdächtiger. Ulf Therwald, der Magus der neben mir in der Mine Dienst getan hatte war vor gut 2 Monden für wenige Tage in Bethana gewesen. Konnte dies Zufall sein? Aber auch seine Abreise war dokumentiert, so dass ich  hier wohl kaum einen Ansatzpunkt würde finden können, zumal ja Ulf selbst damals dank mir gut und mit heiler Haut davon gekommen war, wenn auch ohne großen Lohn. Ohne Ergebnis machte ich mich auf zum vereinbarten Treffpunkt.

Flavio, der alte Buchhändler, war nach wie vor im Geschäft und ich hatte noch einiges an Zeit übrig bis Pamina wohl erscheinen würde. Auch der alte Kauz erinnerte sich noch an mich (Merke: Eine schwarze Robe in einer weißen Stadt bleibt im Gedächtnis!), und er erzählte mir noch einmal einiges über das seltene Vellum-Pergament, wobei wenig neues dabei war, außer dass die Herstellung wohl recht aufwändig war und man deshalb einen guten Preis dafür zu zahlen hatte, was es in einer normalen Korrespondenz ungewöhnlich erscheinen ließ, nutzte man es doch eher für Urkunden und wertvolle Dokumente. Dann stöberte ich noch ein wenig in seinen Beständen und wurde, zum Leidwesen meiner Geldbörse, natürlich wieder fündig. Ein ordentlich erhaltenes handschriftliches Exemplar des Folianth der Kreutherkunde in Garethi. Zwar waren einige Blätter lose oder nachträglich eingelegt und auch der ein oder andere grüne Fleck deutete darauf hin, dass ein Praktiker das Buch vor mir besessen hatte, der es zugleich als Herbarium genutzt haben mochte, aber ich konnte trotzdem einfach nicht widerstehen. Ich hieß Flavio mir das Buch bis zu meiner sicher bald zu erwartenden Rückkehr zurücklegen, was er gegen die geringe Gebühr von 2 Silbertalernauch gerne tat. Der Folianth war zwar kein magisches Werk im eigentlichen Sinne, aber er galt ja gemeinhin als DAS Standartbuch zum Thema Kräuterkunde und zu welchen heilerischen Zwecken man diese verwendete, aus dem ich sicher viel lernen konnte. Ich wartete, auch wenn mir die Zeit beim Stöbern gar nicht so auffiel. Nicht gerechnet hatte ich mir der simplen Art Paminas, die anscheinend sichtliche Mühe hatte unseren Treffpunkt zu finden. Gut, ich hätte da auch vorher drauf kommen können, dass jemand wie sie davon ausgeht das wir uns wieder in einer Schänke treffen würden. Als sie etwas verspätet endlich eintraf klagte sie, sie hätte die ganze Zeit nach einer Taverne oder einem Gasthaus „Bei Flavio“ gesucht, das es gar nicht gäbe, bis ihr ein Passant den entscheidenden Hinweis gegeben hatte… Aber gut, ich kann ja nicht ständig und für jeden Mitdenken, oder? Dafür überraschte mich das Mädel dann doch positiv, als sie, da wir ja in einer Buchhandlung waren, eine Praiosausgabe des Breviers der Zwölfgöttlichen Unterweisung herauszog. Zwar konnte sie nicht lesen, aber sogar ihr war klar, dass sie wohl das falsche Werk an der Hand hatte, wenn sie etwas über Firun lernen wollte. Flavio tauschte ihr das Buch gegen die richtige Ausgabe aus, wieder für gerade mal eine handvoll Silber, die gute Seele. Und ich sollte Pamina dafür dann wenn es die Zeit erlaubte aus dem Buch vorlesen -  jetzt kam ich mir wieder ein wenig wie ein Kindermädchen vor. Sollte sie doch endlich einmal eine Praiostags- oder Hesindeschule besuchen! Zumindest schien sie erfolgreicher gewesen zu sein als ich, denn sie tat kund einige Mietlinge aufgetan zu haben, die in einem nahen Gasthaus auf  uns warten würden, wohin wir dann auch strammen Schrittes eilten.

Im goldenen Ochsen, so hieß dieses angeblich beste Haus Platz, waren bereits alle Aspiranten anwesend, und es erwarteten mich einige Überraschungen. Da wäre zuerst ein Zwerg Namens Arngrim zu nennen, der zwar wehrhaft aussah, wie die meisten Vertreter seiner Rasse, aber leider auch einen genauso unverkennbaren Odeur verströmte, dass man sich am liebsten ein Dufttüchlein beim Unterhalten unter die Nase gehalten hätte. Außerdem sah sein Gesicht aus, als wäre er damit irgendwann einmal erst durch einen Reißwolf und gleich anschließend gegen eine glühend heiße Bratpfanne gelaufen, was seinen Liebreiz mitnichten förderte. So eine Visage konnte nicht einmal eine Mutter lieben… aber was sollte mich das scheren, solange er seine Mordinstrumente vehement gegen meine Feinde schwingen konnte? Dafür fand sich am Tisch auch meine gute Azinajida, die treue Begleiterin deren Agilität ich bereits im Dschungel Brabaks bewundern durfte. Meine Stimmung hellte sich sofort auf, diese Frau wüsste ich nur zu gern an meiner Seite. Und zuguterletzt saß da, man mag es kaum glauben, die Elementaristin Junasia, dieses feurige Weib dessen Bekanntschaft ich schon im albernischen machen durfte.  Wir mögen zwar unterschiedliche weltsichten haben, aber  ich denke, im Zweifel würde ich mich auf sie verlassen können. Von wegen keine fremden Magier in der Stadt… die Wachen an den Toren wurden auch immer nachlässiger! Wir liesen uns zwecks des geschäftlichen ein Separee geben und schmausten Bier und Ochsenbäckchen, die wirklich hervorragend mundeten, während wir die Details besprachen. Da ich die Anwesenden weitestgehend als vertrauenswürdig einstufte waren die Hintergründe und unser Anliegen schnell erläutert. Beweise finden, die unseren Freund Fabrizzio entlasten würden, entgegen aller negativer Stimmung gegen sein Haus. In Sachen der Bezahlung, immerhin war es ja nur meinerseits und für Pamina ein Freundschaftsdienst waren wir uns schnell einig. Ich bot 8 Silbertaler je Tag und einen Erfolgsabhängigen Bonus in gleicher Höhe des angefallenen, die anderen verlangten 1 Goldstück je Tag und Person, und ich willigte ein. Pamina starrte mich mit Augen groß wie Suppentellern an und zweifelte entschieden an meinem Verhandlungsgeschick ob dieses horrenden Lohnes. Und vielleicht mag es ja stimmen das Phex mich in dieser hinsicht weniger begütert hat als manch anderes Mitglied meiner Familie, aber was soll der Geiz? Erstens war es nicht mein Gold, und zum anderen musste gute Arbeit auch gut entlohnt werden. Bei zwei der drei wusste ich, dass sie ihr Gold wert sein würden, und der Zwerg, so sagte mir meine untrügliche Menschenkenntnis, dürfte da kaum zurück stehen. Lieber jetzt etwas mehr gezahlt, als sich nachher mit Leuten unzuverlässiger Gesinnung herumärgern zu müssen! Und in einer Mischkalkulation gesehen war das Geschäft gar nicht so schlecht… Pamina hatte glaube ich keine Ahnung was der Tagessatz eines fähigen Magiers sein konnte… insofern war zumindes Junasia ein Schnäppchen und am Ende ging es schon auf irgendwie… Pamina hatte dann noch bei ihrer Runde durch die örtlichen Kaschemmen das ein oder andere aufgeschnappt. Von Bedeutung schien ihr gewesen zu sein, dass dieser DeVeCa angeblich eigentlich ein „guter Pirat“ sei, jemand der seine Opfer normal schone und sich nicht an Seeleuten vergreifen würde, was völlig entgegen der Berichte über die letzten Piratenüberfälle ging, die ja recht brutal gewesen sein sollen.

Dann ging ich mit Pamina zurück zu Duardo um noch einmal die aktuellen Sachstände auszutauschen. Der ältere Diener servierte uns hylailer Seemost, ein erfrischendes und schmackhaftes Getränk von angenehmer Frucht und leicht perlend, während wir uns besprachen. Duardo war bei den Stadtoberen vorstellig geworden, hatte gar unter Einforderung einiger gefallen eine Abschrift des fingierten Beweises erhalten können für uns und die Lage sondiert.

„Werter Fabrizio,

die Handelshäuser rüsten auf, Fahrten im Konvoi sind, wie Du sicherlich weißt, an der Tagesordnung,

das Aufbringen wird zusehendes schwerer, doch das Glück gehört dem, der bereit ist den eigenen Einsatz noch zu steigern. Glücklich bin ich Dir mitteilen zu können, dass DeVeCa der Meinung ist, dass es nur noch weniger Kaperfahrten bedarf um die ersten Handelshäuser so geschwächt, zu haben, dass es ein Leichtes sein dürfte deren Überreste günstig aufzukaufen oder die Geschäfte dauerhaft zu besetzen, die sie mangels Mitteln vernachlässigen mussten. Wenn uns nach dem Kunststück mit der Mine auch noch diese zweite Scharade gelingt, ist das, worauf Eurer Vater unter Beachtung der kaufmännischen Gepflogenheiten sein Leben lang umsonst hingearbeitet hat zum Greifen nah! - Das erste Handelshaus am Platz - Glück den Beherzten!

Araknoxaio'ss

P.S. Euren Vorschlag, Euren Verwalter Duardo einzuweihen, kann ich nicht gutheißen. Warum unnötigerweise einen Korb mit Wissen füllen, der geschäftsbedingt so oft am Arm der anderen Handelsfamilien und der Stadtgranden baumelt? 

„Ein wirklich fähiger und kluger Bursche! Das die Stimmung gegen das Haus Garangor in der Stadt recht schlecht war hatten wir bereits bemerkt – nicht zuletzt wegen der öffentlichen Anschläge und Ausrufer, die die Stimmung nur anheizten, dem stänkernden Pöbel der das Haus wohl am liebsten geplündert hätte und den daher vor Fabrizzios Anwesen postierten Gardisten die das Gut bis zur Verteilung sichern sollten. Ja, die Geier kreisten bereits über meinem Freund, bereit zuzustoßen und seinen noch zuckenden und nicht erkalteten Kadaver zu fleddern. Duardo bestätigte auch noch einmal das zu erwartende Zeitfenster bis zum 10. Ingerimm, wobei er eine eher kurze Prozeßdauer von vielleicht 3 Tagen erwartete, weswegen wir uns eilen müssten. Täglich kämen mehr und mehr Anklagen dazu, seien doch die lokalen Händler aufgefordert ihre Schäden zu beziffern um sich an Fabrizzios Vermögen schadlos zu halten. Da wurde natürlich einiges auf den Tisch gepackt. Außerdem kämen immer mehr fragwürdige „Beweise“ und Aussagen ans Licht, die zwar für sich nicht sonderlich beständig waren, aber im falschen Licht betrachtet den vermeindlich Schuldigen weiter belasteten oder zumindest in Zwielicht rückten. Es war sogar ein eigenes Sonderbüro für die Ermittlungen als spezielle Anlaufstelle in der Magistratur eingerichtet worden. Duardo sei, so sagte er, von Amts wegen unter Hausarrest gestellt worden. Zwar werfe man ihm selbst nichts vor, aber er müsse sich zur Verfügung halten und eine Inventur des Garangorschen Vermögens verfertigen. Auch konnte er die Herkunft des belastenden Dokuments zumindest ein wenig erhellen. Es handele sich um eine gewöhnliche Handelsdepesche, die wegen eines bestehenden dringenden Verdachts, den ein anonymer Informant genährt hatte, abgefangen worden war. Das war wiederum seltsam, hatten wir doch gerade erst vorhin erfahren, dass dieses Vellum-Pergament wegen seines Wertes nicht für gewöhnliche Korrespondenz genutzt würde.

Ein kühler Luftzug von der Tür her schreckte mich aus unserem Gespräch auf – wir wurden belauscht. Schon wieder! Diesmal war es mir weit weniger egal, war die Situation doch schon verfahren genug… Der Diener Perainion war schnell hereinzitiert. Sollte er gar die Schlange am Bußen der Garangors sein, die hier im Haus für die Feinde spitzelte? Wenig diplomatisch, aber dafür bestimmt konfrontierte ich den Lakai mit meinem Verdacht. Normal hätte ich jetzt irgendwelches Gewinsel und Gestammel erwartet, aber hier wurde ich überrascht. Der Alte war regelrecht eingeschnappt, hieß mich gar selbst einen Mann fragwürdiger Reputation, er hätte ja schließlich selbst gehört das ich andernorts des Mordes angeklagt sei und überhaupt sei er stets treu ergeben gewesen und habe Fabrizzio schon als kleines Kind in den Armen gewiegt, er würde nie etwas schlechtes gegen seinen Herren im Sinne führen. Während er sich so in Rag redete, wob ich erneut den Sensibar-Kantus um die wahren Gefühle meines Gegenüber zu ergründen. Und sein Ärger schien echt zu sein, ebenso wie seine Treue zu den Garangors. Hier hatte ich wohl leider doch nicht eine Verbindung zu den Schuldigen gefunden. Wir entließen den Diener, der eingeschnappt von dannen zog. Duardo war zu den gleichen Schlüssen wie wir gekommen, nämlich das die beste Spur wohl auf den Zyklopeninseln zu finden wäre. Wir sollten das Kontor der Garangors in Theremon, welches mit etwas Glück vielleicht nicht geschlossen war, aufsuchen und mit dem dortigen Verwalter Priapos in Verbindung treten. Dafür gab er uns noch ein Legitimationsschreiben mit, bevor wir uns verabschiedeten. Die Zeit drängte, und ich wollte noch zwei Dinge erledigen, bevor wir Bethana verlassen würden. Pamina sollte sich mit unseren Söldlingen treffen und die Schiffspassage organisieren, ich würde noch kurz meiner eigenen Wege gehen, bevor wir uns in wenigen Stunden am Hafen treffen wollten.

Mein erster Gang führte mich zum Moloch der Magistratur, vulgo Stadtverwaltung. Und ich sage bewusst Moloch, denn solche Verwaltungen waren üblicherweise ein Hort fauler, unproduktiver aber sich selbst ungemein wichtig nehmender Verwalter der eigenen Verwaltung, die den lieben langen Tag nichts anderes taten, als den wirklich arbeitenden Bürgern die Zeit zu stehlen und unnötige Hindernisse in Form sinnbefreiter Vorschriften in den Weg zu legen. Und genau in solch eine Hölle der Bürokratie würde ich mich nun wagen, die ich gedachte mit meinem scharfen Verstand zu bezwingen. Der Diensthabende Wachmann am Eingang wollte mich zuerst schon gar nicht vorlassen, offenbar behagte ihm meine Standesrobe nicht. Als ich aber darauf verwies das Sonderbüro in der Causa Garangor aufsuchen zu wollen, ließ er mich dennoch widerwillig passieren. Höflich klopfend, man ist ja ein kultivierter Mann und kein Thorwaler Barbar der mit der Tür unangekündigt ins Haus fällt, betrat ich die jämmerlich kleine Schreibstube des nicht minder jämmerlichen Secretarius Scribian. Der Empfang war weder besonders freundlich noch motiviert, und alles was ich zu erfahren gedachte schien ich der Schreibermade aus der Nase ziehen zu müssen. So erfuhr ich zumindest, das Fabrizzio bisher keinen Rechtsbeistand hatte, was aber, wie ich aus meinem zumindest theoretisch vorhandenen Wissen der Jurisdiktion, wusste, in den zivilisierten Landen sein gutes Recht war. Also stelle ich mich kurzerhand als sein potentieller Advocatus vor und verlangte, zu ihm vorgelassen zu werden. Dem winseligen Würstchen hinter seinem Schreibtisch (ein wenig körperliche Ertüchtigung hätte ihm sicher gut getan) schien das zwar nicht zu gefallen, aber ich wurde trotzdem  an die Wache verwiesen, die mir den Aufenthaltsort Fabrizzios bennenen würde. Diese wiederum verwies mich an einen Kameraden auf der Rückseite des Gebäudes, wo Fabrizzio zu seinem eigenen Schutz (erwähnte ich schon die schlechte Stimmung gegen die Garangors?) in Einzelhaft untergebracht war. Die Einzelunterbringung, bewacht von einem weiteren Gardisten, bestand dann auch nur aus einem Schuppen mit vergitterter Tür zu dem ich vorgelassen wurde, nachdem ich vehement darauf hinwies, dass Fabrizzio ja gar nicht die Möglichkeit hätte einen Rechtsbeistand zu benennen, wenn dieser im gar nicht seine Dienste anbieten durfte. Armer Fabrizzio. Durch die Stäbe eines Durchlasses in der Tür konnte ich sehen, dass es ihm schon nach dieser kurzen Zeit nicht gut ging. Wobei ich glaube, die seelische Pein primo wieder eingesperrt zu sein wie seinerzeit in der Mine und secundo so rüde von seiner Angebeteten kurz vor der Hochzeit getrennt zu werden hatten ihn psychisch gesehen recht mitgenommen. Zumindest wirkte er auf mich recht verzagt und gar nicht mehr so tatendurstig wie ich ihn schon erlebt hatte. Denn körperlich, das muss ich sagen, hatte ich ihn schon mehrmals in deutlich schlechterer Verfassung gesehen. Die paar Kratzer würden ihn nicht  umbringen. Wir unterhielten uns durch das Gitter, streng bewacht von dem Gardisten, der Fabrizzio jedes Mal mit dem Speer auf die Finger klopfte, wenn dieser versuchte zu mir hinaus zu greifen. Mein Angebot, ihm als Advocatus zu dienen, auch wenn mein Wissen eher theoretischer Natur war nahm er dankend an, wohl auch weil der Anwalt der Familie angesichts der Stimmung in der Stadt feige den Schwanz eingezogen und ihn im Stich gelassen hatte. Außerdem bat er mich, nach seiner Verlobten zu sehen und ihr Nachricht zu bringen, aber das hatte ich als nächsten Weg eh schon fest auf meiner Liste stehen gehabt. Bei näherer Betrachtung war ich mir sicher, im Notfall würde ich meinen Freund auch so aus dieser lächerlichen Bude von Aushilfskerker herausbekommen können, aber das würde ich mir wirklich als ultima Ratio aufheben, wäre doch eine Flucht zum jetzigen Zeitpunkt genausogut wie ein Schuldeingeständnis für etwas, das ja gar nicht der Wahrheit entsprach. Ich verabschiedete mich von ihm mit dem Versprechen, rechtzeitig zum Prozess mit den ihn entlastenden Beweisen wieder zurück zu sein. Er würde sich auf mich verlassen können.

Beim Haus Nivian angekommen war ich natürlich nicht so dumm, direkt an der Vordertür Einlass zu begehren. Ich konnte mir lebhaft ausmalen, wie willkommen ich als Fabrizzios Freund dem alten Wendehals von Schwiegervater gewesen wäre – ungefähr sosehr wie ein Siechenkranker mit Pockenbeulen im Gesicht am Stadttor es gewesen wäre. Daher nahm ich direkt den Dienstboteneingang ins Visier. Mein freundliches klopfen wurde belohnt, als sich die Tür einen Spalt breit öffnete. Leider war die dahinter befindliche Dame zunächst recht unzugänglich und warf die Tür mit einem „Mit so jemandem wie Euch reden wir nicht, schert euch weg“ direkt wieder zu. Erst bei meinem zweiten beharrlichen Versuch, der noch nicht einmal zur Öffnung der Tür führte sondern nur zu einer weiteren Abweisung durch die geschlossene selbige, konnte ich überhaupt erste Worte vorbringen und verkünden, dass ich eine Botschaft für die Dame Esmeralda von Fabrizzio hätte. So wenig willkommen ich auch sein mochte, Frauen waren eben doch alle am einfachsten bei ihrer romantischen Ader zu treffen. Eine Botschaft für die Tochter des Hauses von ihrer großen Liebe… so einer Geschichte konnte einfach keine Zofe widerstehen – und es war noch nicht einmal gelogen! Man musste dieses Weibsvolk einfach zu nehmen wissen wie es eben ist, und da kommt nun einmal noch vor den niederen Instinkten bei diesen der Hang zur Dramaturgie, den schmachtenden Schnulzen und den Liebesgeschichten. Kurz darauf stand Esmeralda mir in der nun wieder offenen Tür gegenüber. Mit verheultem Gesicht, aufgelöst und offensichtlich in höchster Seelenpein. Ich sollte doch etwas tun, durchbrennen würde sie mit Fabrizzio, nur weg solange sie zusammen sein könnten, etc.pp… die ganze Litanei des Schwachsinns, als wäre es direkt aus irgend einem Schmierentheater entnommen. Das arme Mädel war wohl einfach zu oft in der Oper gewesen oder hatte diese grässlichen Heller-Schundhefte der horasischen Schmierfinken verschlungen die genau solche Themen ja mit Vorliebe ausschlachteten. Ich versicherte ihr, ebenso wie vorhin Fabrizzio, das ich rechtzeitig zurück sein würde um seine Unschuld zu beweisen und damit doch noch die Hochzeit zu ermöglichen, sie solle sich nicht sorgen. Außerdem solle sie in ihrer Standhaftigkeit nicht wanken, denn die Vorwürfe konnten nur, und das wusste ich aus persönlicher Erfahrung genau, nur erlogen und fingiert sein. Offensichtlich war sie mir dankbar, so sehr sogar, dass sie mir noch eine Geldbörse mit weiteren 20 Dukaten in die Hand drückte um meine Spesen zu decken, bevor wir uns auf die Schnelle verabschieden musste, da ihr Vater im Anmarsch war. Jetzt konnte ich ruhigen gewissens zum Hafen gehen um zu sehen, was Pamina und die Anderen mittlerweile erreicht hatten.

Als ich ankam durfte ich mehr als erfreut sein. Meine Begleiter hatten nicht nur ein Schiff gefunden das uns nach Pailos bringen würde. Nein, sie hatten es sogar geschafft den Kapitän davon zu überzeugen uns als wehrhafte Bedeckung kostenfrei mitfahren zu lassen. Die Damen schienen wirklich geschickt im Verhandeln zu sein, da konnte ich nicht klagen. Leider verging meine Begeisterung genauso schnell wie sie gekommen war, als ich den Pott sah den sie uns eingebrockt hatten. Nicht das der Kahn nicht seetüchtig gewesen wäre, das nicht. Aber der Komfort lies gewaltig zu wünschen übrig. Die Kogge „Esel der Meere“ (was für ein leider zu passender, aber doch völlig dümmlicher Name!) hatte noch nicht einmal eine echte Kajüte zu bieten sondern wir sollten doch tatsächlich eingerollt wie Würste im Teigmantel in wasserdichten Schlafsäcken auf Deck nächtigen. Das kam aber so überhaupt nicht in Frage. Wenn schon die Überfahrt umsonst war, dann würde die Reisekasse zumindest für mich doch einen vernünftigen Schlafplatz hergeben. Kurzerhand nahm ich den Kapitän beiseite und bot ihm 3 Silbertaler je Tag dafür, meine Hängematte in seinem zumindest überdachten Quartier aufhängen zu dürfen. Zum Glück stieß mein Ersuchen auf offene Ohren und so sollte die Überfahrt zumindest nicht völlig unwürdig werden. Mein Beispiel machte anscheinend Schule bei meinen Kameraden. Insbesondere Junasia, die das Wasser ja so überhaupt nicht mochte und schon beim Gedanken an diese Seefahrt grün um die Nase zu werden schien, fand die Idee anscheinend hervorragend. Mit dem Ergebnis, das es im Kapitänsquartier bald recht eng wurde da alle hinein drängten und der Kapitän draußen bei der Mannschaft schlafen würde. Die Abfahrt war für den nächsten  Mittag geplant, so dass wir noch etwas in unseren festen Quartieren ruhen konnten. Leider machte das Abwarten die Situation nicht besser. Der nächste Tag erwartete uns mit noch schlechterem Wetter als bisher, die Wolken hingen tief und schwarz, der Wind blies heftig und die Wellen schlugen hoch gegen den Kai. Nicht nur, dass dadurch die Seefahrt ein höchst unerfreuliches Ereignis werden würde, nein, es dürfte uns auch etwa einen Tag Zeit kosten, wie der Kapitän meinte. Wir bestiegen das Schiff und legten ab. Mich focht das rauhe Wetter nicht an. Zwar schwappte ab und an etwas Wasser in unsere Unterkunft, aber insgesamt war es auszuhalten. Außerdem würden bei diesem Wetter auch kaum Piraten unterwegs sein, die uns Scherereien machen könnten. Junasia, die arme Kollega, hatte da sichtlich mehr mit sich zu kämpfen. Anfangs ertönte noch jedesmal ein spitzer Schrei wenn ein Spritzer salzigen Meerwassers sie erwischte, aber auch das endete irgendwann und ging in regelrecht katatonisches Schweigen über, so das von ihr während der gesamten Fahrt kaum etwas zu hören war. Nur einmal schien sie aus ihrer Starre zu erwachen. Ich unterhielt mich gerade und dabei kam das Gespräch auf Meister Galotta. Da eröffnete sie mir, sie hätte doch tatsächlich einige Silbertaler und Heller mit seinem Konterfei darauf, und ob ich diese denn gerne hätte. Natürlich, was für eine Frage! Sie wollte 9 Goldstücke dafür, die ich ihr anstandslos, natürlich aus der Reisekasse, zahlte. Das überlege man sich mal. Wie weit musste ein Magus es gebracht haben, wenn es sogar Geld mit seinem Bild darauf gab? Konnte es den einen noch größeren Beweis für Galottas Großartigkeit geben, als dass er sein eigenes Geld hatte? Etwas, das sonst nur Kaiser und Könige von sich behaupten konnten, und er hatte es ebenfalls geschafft. Was für ein unglaublicher Mann… ich würde jetzt nicht soweit gehen, dass die Münzen für mich eine Art Devotionalien seien, aber ein gewisses Glücksgefühl verspürte ich schon dabei, diese seltenen Kostbarkeiten in Händen zu halten, zumal noch so unerwartet und an einem so fernen Ort von seinem Herrschaftsgebiet. Diesen Schatz würde ich daheim gut verwahren. Aber ansonsten verlief die Reise recht ereignislos.

Wir kamen am 22. Peraine zur 3. Stunde nach Mittag in Theremon, der Hautpstadt der Insel Pailos, an. Leider war auch hier das Kontor der Familie Garangor bereits geschlossen. Alle Zugänge waren vernagelt worden, so dass hier wohl nichts zu erwarten war und wir lokal auf keine weiteren Ressourcen würden zugreifen können. Priapos der Verwalter, so wurde uns gesagt, sei bei Verwandten untergekommen, die wir recht schnell ausfindig machten. Der Mann war ob des Verlustes seiner Stellung und Karriere mehr als geknickt, so dass ich ihn erst einmal wieder aufmuntern musste, aber wirklich hilfreich war er uns nicht, da ihm die Hände gebunden waren. Lediglich die örtliche Vellum-Manufaktur konnte er uns benennen, die ich mit Junasia aufsuchen wollte, der es übrigens deutlich besser ging seit wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Wir besorgten uns noch Quartier in der Güldenfahrt, ein recht ordentliches Haus für die hiesigen Verhältnisse. Dann ging ich mit Junasia zu den Pergamentmachern, während Azinajida sich verabschiedete um in den Kneipen und Tavernen ein wenig im Bodensatz der Gesellschaft zu stochern um zu sehen welche Kröte denn bei den richtigen Fragen am höchsten aus dem Schlamm springen mochte. Die Vellum-Manufaktur war schnell gefunden. Der Besitzer war ein stolzer zyklopäer, der sich durchaus etwas darauf einbildete einer der letzten Handwerker dieses Gewerbes zu sein. Und man mochte über modernes Papier sagen was man will, aber dieses antiquiert wirkende Pergament hatte einen ganz eigenen, ursrpünglichen Charme, den wohl tatsächlich nur Kenner zu würdigen wussten. Junasia und ich erwarben jeweils einige Bögen, respektive Rollen des Materials, ich zusätzlich noch etwas vom dazu notwendigen Rohstoff, den Kalbsdärmen. Die würde ich als alchemistische Zutat für das ein oder andere Gebräu brauchen können, und sie hier sauber gereinigt und aufbereitet zu erwerben war doch um ein vielfaches angenehmer als selbst irgend ein Vieh auszunehmen und in den Exkrementen wühlen oder bei einem Metzger den Abfall erwerben zu müssen. Hie bekam ich tatsächlich für einen Spottpreis, nämlich als Dreingabe zum Vellum, echte Qualität! Leider konnte uns der Fabrikateur ansonsten aber wenig weiter helfen. Die letzte größere Position seiner Ware hatte er vor gut 4 Monden an einen Künstler verkauft, der darauf ein neues Meisterwerk der Dichtkunst (oder so) verewigen wollte, mehr konnte er uns nicht sagen. Aber weder eine Frage beim Hafenmeister der gerade Feierabend zu machen gedachte und uns wohl nur loswerden wollte, als auch bei unserer Wirtin erbrachten irgendwelche weiteren Hinweise in dieser Richtung. Dafür hatte Azinajida wohl mehr Glück gehabt, wie sie uns in trauter Runde auf unserem Zimmer mitteilte.

Sie hatte sich an einen ihr verdächtigen Kerl angehängt und diesen durch die Gassen gescheucht, war ihm über Dächer und um Ecken nachgejagt. Im Normalfall hätte ich da gut einen Dukaten auf sie gesetzt, aber dieser Kerl war wohl nicht nur ortskundig sondern auch erstaunlich flink. Auf jeden Fall hatte sie am Ende ein Treffen mit ihm arrangieren können, da er anbot gegen gutes Gold Informationen für uns zu haben, nachdem wir schon so auffällig herumfragen würden. Für das Gold war ich zuständig, also würde ich auf jeden Fall zu diesem Treffen mitkommen. Arngrim war der für solche Situationen eingestellte Leibwächter und sollte auch mit… und am Ende gingen wir einfach alle. Es war schon dunkel und nur unsere mitgebrachten Lampen erhellten den Weg. Über eine Straßenbeleuchtung verfügte Theremon nicht, aber das hätte ich von den wenig begüterten Zyklopeninseln auch nicht erwartet, denn immerhin waren Straßenbeleuchtungen eine Errungenschaft weit moderner Städte. Azinajida verschwand irgenwann, murmelte etwas von wegen sie würde von oben  auf uns aufpassen als wir am Treffpunkt ankamen. Wir mussten auch nur kurz warten bis ihr Kontakt sich uns offenbarte. Zu meinem Leidwesen, ich wollte gerade eine zivilisierte Konversation beginnen, hielt der Fremde sich gar nicht lange mit Höflichkeiten auf, sondern kam direkt zum Kern seines Anliegens. „Schnappt sie, es darf keiner Überleben, tötet sie“ vernahm ich noch, bevor ich die sich von vorne und hinten nähernden Schatten endlich erkannte. Eine Falle! Und wir waren arglos hinein getappt, auf Azinajidas Wort vertrauend. Ein gutes halbes Dutzend oder sogar eher mehr Kerle kamen auf uns zu, aber meine Begleiter schien dies nicht übermäßig zu belasten, und auch ich selbst sah noch keine Veranlassung jetzt schon in Panik zu geraten. Wir nahmen Verteidigungsposition ein, auf der einen Seite das Wasser des Hafens, auf der anderen die hohe Hauswand eines Kontors, eingekreist von vorne und hinten. Ich selbst schützte mich noch mit einem kleinen Armatrutz während die Schurken an uns heran kamen. Junasia hingegen ging zum präventiven Erstschlag über. Mit einem mächtigen Ignisphäro, den sie ballistisch aufsteigen und hinter dem vordersten Feind detonieren lies  jagte sie eine Hitzewelle über das Schlachtfeld, die ordentlich Verwüstung anrichtete. Im Nachhinein betrachtet hatten die Bewohner der Stadt wohl Glück gehabt, das nicht gleich das nebenstehende Haus  ebenfalls Feuer fing und dann die ganze Stadt abfackelte – wobei ich mir nicht sicher war ob Junasia das nicht sogar gefallen könnte. Drei der Kerle schrien gequält auf als die Flammen sie erfassten und waren stark lädiert, dann erwischte es Arngrim, Junasia selber und mich auch noch ein wenig, sowie einen weiteren Feind. Meine Treu, mit dieser Magierin war wirklich nicht zu spaßen wenn sie es ernst meinte. Im Alleingang hatte sie bald die Hälfte der Feinde so geschwächt, dass diese kaum noch Gegenwehr leisteten, dafür lag sie selbst angesengt und geschwächt ebenfalls so gut wie darnieder. Mich hatte durch den Armatrutz geschützt kaum etwas erwischt, nur ein paar leichte Brandflecken auf der eh schwarzen Robe zeugten von den Ausläufern des Zaubers bei mir, daher widmete ich mich meiner eigenen Zauberei und unterstütze unsere Seite hier und da mit einem schnellen „Blitz Dich find“ um unsere verbliebenen Gegner zu schwächen und zu blenden . Aber ich würd sagen, wir waren jetzt schon im Vorteil, kaum dass der Kampf begonnen hatte. Dann geschah etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Aus der Dunkelheit über uns knallte mit einem dumpfen Schlag erst ein Ziegel auf den Kopf und dann Azionajida selbst auf die Schultern eines Angreifers, der sich gerade an Junasia und Pamina heranmachen wollte. Diesem presste es die Luft aus den Lungen und er ging geplättet zu Boden, währen Azina geschmeidig wieder auf die Füße kam. Beeindruckend! Ich würde schätzen das Dach des Hauses müsste sicher 8 Schritt über uns gewesen sein. Arngrim hatte inzwischen einem weiteren den Gar ausgemacht, Pamina stichelte mit ihrem Speer mit einem gleich bewaffneten Kerl herum und wir begannen schon in die Offensive überzugehen. Ich rief noch, sie sollten auf jeden Fall den Anführer und mindestens noch einen am Leben lassen um diese befragen zu können, da ertönte erst ein dumpfen POPP und dann sackte der degenschwingende Führer unserer Angreifer zusammen, zwei Armbrustbolzen tief in seinem Rücken steckend, während sich noch mehr Finsterlinge aus den Schatten lösten. Freund oder Feind? Die kurze Ungewissheit wurde getilgt, als sie mit den ersten Angreifern kurzen Prozess machten und das aufräumten, was wir noch übrig gelassen hatten. Sie hießen uns, schnell zu folgen und mitzukommen, es gäbe da jemand der mit uns sprechen möchte. Einen der Verwundeten packten sie sich unter die Arme, dann ging es im Eilschritt durch die dunklen Gässchen von Theremon und ich hatte bald jegliche Orientierung verloren, sah ich doch im Dunkel eh schon schlecht.

Unser Ziel war ein einsames Lagerhaus. Es wurde an die Türgeklopft, geöffnet und wir hereingebeten. Drinnen erwarteten uns mehr Männer mit gespannten Armbrüsten, die uns deutlich machten, dass noch nicht klar war ob jetzt alles besser werden würde. Auf der anderen Seite… hätte sie es wirklich auf uns abgesehen gehabt, wir wären wohl längst gespickt wie die Seeigel. Insofern konnte ich wohl davon ausgehen, dass diese Sicherheitsmaßnahme eher dazu gedacht war, dass wir keine voreiligen Dummheiten unternehmen würden – wozu ich ja sowieso nicht tendiere. Azinajida nahm sich erst einmal der armen Junasia und Arngrims an, die beide doch einiges abbekommen hatten, bis hierher fast geschleift worden waren und jetzt an einer Wand zusammen sackten.  In den Schatten unter einer Treppe saß eine einzelne Person an einem Tisch, der uns ansprach, nachdem alle erst einmal zu Atem gekommen waren. Offensichtlich war ihm daran gelegen, nicht erkannt zu werden und in meinem Kopf ratterten die Gedanken mit der Geschwindigkeit zuckender Blitze. Offensichtlich wollte er uns seine Überlegenheit demonstrieren und das er Herr der Lage war, während wir at primo auf ihn angewiesen waren und ad secundo nichts wussten. Zeit das Heft selbst in die Hand zu nehmen, auch wenn meine Gefährten derzeit weitgehend außer Gefecht waren, aber diesen Kerl wollte ich erst einmal von seinem hohen Ross herunter holen – und was schien dazu besser geeignet als ihm die schützende Larve der Anonymität überraschend vom Gesicht zu reisen? Ich wagte einfach einen geratenen Schuss ins Blaue hinein und sprach den gesichtslosen direkt an: „Es freut mich Eure Bekanntschaft zu machen, Herr DeVeCa. Ihr könnt Eure Maskerade ruhig fallen lassen, Euch droht von uns keine Gefahr. Im Gegenteil, ich glaube, wir hätte da ein gemeinsames Interesse“. Wie ich darauf kam? Nun ja, ehrlich gesagt kannte ich auf den Zyklopeninseln sonst eh keinen einzigen Namen. Und der zudem ein Interesse an uns nach Azinas Fragerei haben könnte schon gar nicht. Insofern war es ein reines Glücksspiel, aber im schlimmsten Fall hätte mich mein Gegenüber ausgelacht, aber verlieren konnte ich ja nichts. Das Lachen blieb aber aus, dafür wurde es sekundenlang sehr still im Raum. Treffer, versenkt wie man als Richtschütze sagen würde. Ich war mit meiner Annahme wohl richtig gelegen, und dann ging eine Kerze an die den im Schatten stehenden erhellte. Ein gepflegter Mann mittleren Alters mit Bart und einer Verbrennungsnarbe im Gesicht, der einen Säbel an der Seite trug. Alles in allem eine recht angenehme Erscheinung, die nicht so recht in meine persönliche Vorstellung von einem gesetzlosen und widerwärtigen Piraten passen wollte. Dann gab er sich auch offiziell zu erkennen und stellte sich vor – ich stand also tatsächlich vor dem verwegenen Cajo, der mich auch sogleich an den Tisch bat und mir einen Becher Most anbot. Das sich entwickelnde Gespräch war insgesamt für uns sehr erfreulich. Es schien tatsächlich, dass wir mit diesem Piraten zumindest einen Zweckverbündeten würden finden können, nachdem wir einige Informationen ausgetauscht hatten. Ich erfuhr, dass die anderen Piraten Neulinge in diesen Gewässern seien und mit ihrem Verhalten extrem „Geschäftsschädigend“ für die lokalen Freibeuter waren. Es machten Geschichten die Runde, das seltsame Werber für eine beträchtlich höhere Heuer als sonst zeitlich begrenzt Mannschaften zwischen Methumis und Belhanka geworben hätten, von denen man seitdem nichts mehr gehört hatte. Ich zeigte dem Piraten, der natürlich sichtlich Mühe mit dem lesen des Schirftstücks hatte, das fingierte Beweisschreiben aus Bethana. Nachdem sich der arme Kerl mühevoll Zeile für Zeile hindurchgekämpft hatte, war er recht ungehalten dass da jemand seinen Namen zweckentfremdete. Dies schien er nicht auf sich sitzen lassen zu wollen, insofern hatte ich seine Unterstützung wohl gewonnen. Zudem äußerte er, dass die Schreibweise des Namens des Unterzeichners recht ungewöhnlich wäre, auch wenn der Name an sich recht häufig war, so komme diese besondere Variante wohl nur auf der Insel Putras vor. Was uns natürlich noch interessierte waren die Angreifer von heute Nacht. Einen Gefangenen hatten wir ja, der aber wenig hilfreiches Aussagen konnte. Der Rapierträger den die Armbrustbolzen niedergestreckt hatten war wohl der Anführer dieser gedungenen Mordbuben gewesen und erst seit kurzer Zeit hier. So blieben die Hintermänner leider weiter im Dunkel, das da würde ich schon Praios gerechte Licht hinein bringen, so war ich hier saß. Niemand hetzt einem Victor Dondoya d`Pelisario Meuchler auf den Hals, ohne dafür zu bezahlen! Mit DeVeCa hingegen waren wir uns bald einig. Er bot uns an, uns auf seinem Schiff mit nach Putras zu nehmen und von hier ab zusammen zu arbeiten – ein Angebot, das ich schon allein Mangels sinnvoller Alternativen oder weiterer Ideen mit Freude annahm. Morgen sollten wir uns auf seinem Schiff, der Kogge „Seebär“ vor dem Auslaufen einfinden. Das war jetzt wenigstens ein vernünftiger Name für ein Schiff! Wenn auch leider schon wieder so ein erbärmliche Kahn ohne vernünftige Unterkunftsmöglichkeit. Zum Glück war Putras nicht weit weg, so dass sich die Unannehmlichkeiten in Grenzen halten mochten.

Wir hatten noch eine Rest-Nacht, die gerade so ausreichte um meinem Bedürfnis nach Schlaf gerade so weit zu entsprechen, dass ich den nächsten Morgen annähernd als in ausgeruhtem Zustand seiend begegnen konnte. Auch Junasia und Arngrim sahen schon bedeutend besser aus, ich vermute, da hatte wohl jemand magisch nachgeholfen. Aber nach meiner Hilfe hatte ja mal wieder niemand gefragt. Vermutlich doch noch Vorurteile gegenüber dem Schwarzmagier. Ja, wir können auch Dinge heilen, nicht nur kaputt machen, aber das wollten die meisten Leute einfach nicht war nehmen…  Dafür war das Wetter zumindest etwas besser als auf der Herfahrt, so dass selbst Junasia nicht mehr ganz die Farbe eines schimmeligen Sembelquasts hatte sondern sogar ansprechbar war, auch wenn sie immer noch peinlich genau darauf achtete, ja keinen Wasserspritzer abzubekommen, was auf einem fast offenen Schiff gar nicht so einfach war. Der erste Teil der kurze Reise verlief erfreulich ereignislos und wir hatten viel Zeit uns zu unterhalten und Theorien zu spinnen, die aber alle irgendwo im Sande verliefen. Ich hatte fast schon die Hoffnung, wir würden unser Ziel tatsächlich ohne Zwischenfälle erreichen, als der Ausguck im Krähennest auf einmal hektisch nach seinem Kapitän schrie. Ein Segel in der Ferne, sich schnell nähernd. DeVeCa ging zum Heck uns zog ein Fernrohr heraus und Azinajida stellte sich neben ihn und tat es ihm gleich. Ein solch feinmechanisches Instrument in den Händen einer Medica, wer hätte das gedacht. So etwas kostete reichlich Gold, das schleppte man nicht zum Spaß mit sich herum! Die Frage war nur, wofür sie das gute Stück normalerweise überhaupt brauchte, aber eine schnelle Antwort darauf stellte sich nicht ein. Dafür kam der Ursprung des Tumults rasch näher – eine grandios anzusehende Schivonella. Ich war begeistert! Eine Schivonella gehört zu den modernsten, schnellsten, kampfstärksten und schönsten Schiffstypen die derzeit Efferds Meere befahren. Es war einfach herrlich zu sehen, wie der scharf geschnittene Bug von den havenisch getackelten Segeln getrieben durch die Wellen glitt und unseren ollen Pott einholte wie ein Windhund, der ein dreibeiniges Karnickel jagt. Auch ich konnte irgendwann an der Beflaggung sehen, dass wir es hier mitnichten mit Piraten zu tun hatten sondern mit einem Schiff der horaskaiserlichen Flotte. DeVeCa hingegen war ziemlich bleich um die Nase, während er uns zuraunte, wir sollten bloß keine Dummheiten machen. Dieses Schiff sei normal im Perlenmeer unterwegs, die Redonda sei einer der gefürchtetsten Piratenjäger und für ihn war dies natürlich ein ganz schlechtes Zeichen, so ein Schiff hier anzutreffen. Das konnte nur bedeuten, dass die Horas wohl die Faxen dicke hatte und ihren üppigen Hintern endlich hochgebracht hatte um in den Gewässern vor ihrer Palasttür endlich für Ordnung zu sorgen. Auf unserem Schiff wurden nach der Gabe einiger Flaggensignale die ich nicht deuten konnte, die Seefahrerei war ja nicht mein Metier, die Segel gerefft. Widerstand oder Flucht wären wohl eh zwecklos gewesen. Die Redonda setzte ein Beiboot mit Soldaten ab, die im Handumdrehen bei uns an Deck waren um eine Inspektion vorzunehmen. DeVeCa hatte sich gut im Griff und spielte den verschüchterten Händler, der nur einfache Waren zum nächsten Hafen nach Putras bringen wollte wirklich überzeugend, ich war beeindruckt. Man sah es ihm direkt an, dass er nicht zum ersten Mal in diese Rolle schlüpfte. Sogar ordnungsgemäße Papiere hatte er vorzuweisen, die der Kontrolle durch einen Schreiber standhielten, weswegen sogar auf die Inspektion des Frachtraums verzichtet wurde. Dann wand sich Kapitänin zur See uns zu und stellte sich als Genevieve Siamardis vor, um nach unseren Namen und Anliegen in diesen Gewässern zu Fragen. Bevor noch  irgendwer meiner Gefährten den Mund öffnen und am Ende irgendeine Dummheit von sich geben konnte übernahm ich das Reden, da wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen. Unsere Namen nannte ich wahrheitsgemäß, da gab es, hoffentlich auch bei den anderen, nichts zu verstecken. Nur den Grund unserer Reise schönigte ich etwas. Junasia und ich seien Zyklopenforscher auf dem Weg nach Putras um von dort weiter auf andere Inseln zu fahren, auf denen gesicherte Zyklopensichtungen bekannt seien. Die anderen seien unsere Leibwächter und Bediensteten, die uns vor den Gefahren der Inseln schützen sollten. Nach der ersten Überraschung fiel Junasia in die Scharade ein. Ich gestehe, auf die Idee war ich nur dank ihr gekommen, da sie mir erst vor kurzem erzählt hatte, dass sie sich für die einäugigen Riesen interessiere. Irgendetwas von deren Geheimnissen der Materialkunde und Edelsteine oder so etwas würde sie dort erlernen wollen, als wenn einer der Giganten sich für einen kleinen Wurm wie sie interessieren würde. Aber allein der Gedanke war schon so wahnwitzig, dass eine solche Ausrede zwei weltfremden Akademie-Magiern durchaus zuzutrauen war, die sehenden Augen in ihren Untergang rennen mochten. So sah es anscheinend auch die Kapitänin, die uns mitleidig anblickte aber anscheinend eine nähere Überprüfung unserer Personen – wir sahen wohl auch deutlich zu wenig nach Pirat aus - dann auch nicht mehr für nötig hielt. Man ließ uns weiter ziehen, nicht ohne uns vor den gefährlichen Piraten zu warnen die hier ihr Unwesen trieben – innerlich grinste ich in mich hinein, was für eine Ironie, wenn der wüsste… auf der anderen Seite wäre mir nichts lieber gewesen als wenn uns diese Piraten überfallen hätten, dann hätten wir wenigstens ohne lange Suche direkt klar Schiff machen können…

Am späten Nachmittag liefen wir die Rückseite der Insel Putras an. DeVeCa, sein Steuermann und ein Lotgänger manövrierten und höchst konzentriert, aber gekonnt durch ein gefährliches Archipel voll Untiefen. Bei einem Blick über die Bordwand wurde mir mulmig, konnte ich doch zum Teil schon kurz unter der Wasseroberfläche schroffe Felsen erkennen, die mit einem nachlässig geführten Schiff sicher kurzen Prozess gemacht hätten. Aber unserer Mannschaft merkte man an, dass sie diese Passage nicht zum ersten Mal nahmen. Sorgfältig, aber des Kurses sicher glitten wir langsam durch die engen Durchlässe, während Kapitän DeVeCa immer wieder mit kurzen Kommandos die richtung korrigierte. Dann waren wir da. Allerdings erwartete uns kein Hafen, sondern lediglich eine abgelegene Bucht, in der wir mit dem Beiboot zum Strand gefahren wurden. Und wir wurden bereits erwartet. Frauen, Kinder, eine ganze Dorfgemeinschaft hatte sich dort eingefunden um ihre zurückkehrenden Liebsten zu empfangen. Im Hintergrund sah ich ein ganzes Dorf, dass hier in den Hang der nach dem Strand folgenden Klippen und Hügel gebaut war. Ein perfektes Versteck für diese Piraten, dass musste man ihnen lassen. Ein sicherer Hafen, nah an den Handelswegen aber trotzdem gut versteckt und für nicht eingeweihte kaum zu finden. DeVeCa bat uns direkt zu sich, wir sollten in seinem Haus übernachten, wofür seine Familie etwas zusammenrücken und Platz machen musste. Freilich war diese Aktion nicht reine Gutherzigkeit. Viel eher, so offenbarte er uns, wollte er die anderen Mitglieder seiner Gemeinschaft nicht beunruhigen, indem wir vielleicht irgend etwas unbedachtes äußerten. Dann ließ er uns wissen, dass wir uns natürlich frei hier bewegen konnten, wir sollten nur nicht mit jedem über alles reden und später am Abend würde es ein Fest zu Ehren der zurückgekehrten geben. Bis dahin müsse er sich noch um seine eigene und die Familien der auf See gebliebenen kümmern, die Pflichten eines guten Kapitäns eben. Wir streunten erst ein wenig ziellos herum, viel gab es hier wirklich nicht zu sehen, bis wir die Taverne „Zum halben Piraten“ entdeckten. Noch war es leer darin, aber ich würde wetten, dass sich dies bald ändern sollte. Der Wirt, ein vierschrötiger Kerl, begrüßte uns fröhlich und lud uns sofort zu einem guten Trunk ein. Kaum war er hinter dem Tresen hervor gekommen wussten wir, woher die Taverne ihren Namen hatte. Ihm fehlten die Beine vom Oberschenkel ab, weswegen er sich von seinem Tresen auch nicht wirklich entfernte. Nichtsdestotrotz strahlte er einen Lebensmut aus, der mich beeindruckte und schlecht schien es ihm, im Gegensatz zu so manchem Versehrten der großen Flotten oder Heere nicht zu gehen. Ich bestellte einen gut gekühlten Weißwein, worauf ich ein schallendes Gelächter erntete. Solches Weibergesöff hätte er nicht, ich solle doch lieber etwas Vernünftiges bestellen. Die Wahl war sowieso recht eingeschränkt, wie wir direkt erfuhren. Es gab Bier und Premer Feuer. Und er meinte ECHTES Premer Feuer, diesen Rübenschnaps der Thorwaler, der weit über deren Grenzen hinaus berühmt war, wenn auch diese tumben Barbaren zu sonst ja wenig in der Lage waren. Diesen liesen wir uns kommen, wobei er jedem nicht nur ein Gläßchen, sondern gleich einen ganzen Krug servierte. Ich ließ mir gleich noch eine Flasche davon geben, da ich wusste, dass man dieses Höllengebräu auch für alchemystische Zwecke brauchen konnte (oder zur Wundbehandlung). Als ich zahlen wollte ereilte mich das nächste, aber durchaus wohlmeinende, Lachen. Hier zahle man nicht, sie hätten ja auch nichts für den Erwerb der Sachen zahlen müssen… daher also die unglaubliche Großzügigkeit. Wir sollten also gleich Diebesgut saufen! Aber sei es drum, ich war neugierig ob dieses Getränk seinem Ruf wirklich gerecht wurde – wir prosteten uns herzhaft zu und stürzten den Trunk die Kehlen hinunter. Nun war ich ja alles andere als ein Säufer. Um genau zu sein hielt ich mich normalerweise an einem Becher leichten Weißweins normal einen ganzen Abend fest, vertrug ich doch den Alkohol wohl auf Grund meines mohischen Blutes weniger gut als andere. Ich hustete. Ich keuchte. Mir tränten die Augen. Schmerzhaft verzog ich das Gesicht, als sich dieses niederhöllische Dämonenzeug seinen Weg meine Kehle hinunter brannte um in meinem Magen wie eine glühender Ignisphäro zu explodieren, bevor er, wie mir schien nahezu verzugslos, sein Vernichtungswerk in meinem Hirn fortzusetzen begann. Als ich wieder klar sehen konnte, obwohl das wohl wegen meines verschwommenen Blickes der falsche Ausdruck war, fühlte sich mein Kopf erstaunlich leicht an und ich war bester Stimmung. Vor der Taverne baute man gerade eine Art Festplatz auf, mit Feuer, Fässern, Bänken, Tischen, Essen, mehr Getränken… und das ganze Dorf schien zusammen zu strömen. Ich schleppte mich, wohl schon ein wenig debil lächelnd, hinaus, wo man mit den nächsten Krug in die Hand drückte. Dieser ging schon bedeutend leichter über meine Lippen, während Dere unter mir schwankte wie die Planken eines Kahns auf hoher See. Die örtlichen Bewohner begannen fröhlich zu singen, lustige Hüpftänze zu veranstalten und über das Feuer zu springen – woran ich mich aber leider nicht beteiligen konnte, da ich jedesmal wenn ich die schützende Hauswand loslies gefährlich ins Wanken geriet und umzufallen drohte. Fasziniert betrachtete ich meinen Krug aus dem dieses göttliche Gesöff geflossen war. Ich stupste ihn mit dem Finger an. „Aureolus“. Nichts passierte. Stups.  „Auauareeholus“. Nichts geschah. Stupsstups. „Aaaaureeeehoooluuus!“ lallte ich dem Gefäß zu und endlich begann es, in güldenem Schein zu schimmern, so als wäre es ganz leicht mit einen Hauch von Gold überzogen. Ich war unglaublich stolz auf mich und schwenkte den Krug triumphierend über dem Kopf. Das sah auch ein kleiner Junge, der neben mir gestanden und den lustigen Onkel in der dunklen Robe beobachtet haben musste. „Gugscht Du, Kleeinär, scho ged das…“ grinst ich ihn an und reckte ihm das verzauberte Objekt entgegen.“Hi..hicks…hier, kannscht maal nem“. Der kleine Balg, offensichtlich der Meinung ich hätte ihm den Krug jetzt geschenkt, schnappte sich das gute Stück und rannte damit zu seiner Mutter, glückliche jubellaute ausstoßend, während ich verdutzt zurück blieb. Als ich nach kurzer Zeit realisierte, dass er mir den Krug wohl nicht zurück bringen würde beschloss ich, ihn mir wieder zu holen und machte ein paar Schritte in seine Richtung. Bößer Fehler! Ich war noch kein dutzend Schritt weit, da lag ich schon Bäuchlings im Sand. „Der Krug, der Krug…“ stammelte ich, worauf eine gutmütig lächelnde Frau (sie könnte hübsch gewesen sein, aber das mag eine Illusion des Alkohols gewesen sein) sich zu mir beugte und meinte, ich solle es lieber lassen, ich hätte offensichtlich genug. Aber ich insistierte weiter. „Mein Krug, ein Krug, Krug…“ und schleppte mich weiter, eher zufällig in eine Richtung in der auch eines der geöffneten Fässer stand, und irgendwer erbarmte sich meiner, richtete mich etwas auf und drückte mir einen weiteren Krug mit leckerem Premer Feuer in die Hand. Wirklich, diese Thorwaler wussten, wie es geht! Ich legte den Kopf in den Nacken und ließ dieses flüssige Mana meine sandigen Lippen benetzen (wobei wohl etliches daneben ging, zum Glück war ich nicht zu nah am Feuer, denn soweit ich weiß ist dieser Alkohol hochbrennbar) und schien auch dann noch zu lächeln, als mich der Rausch endgültig in Bruder Borons Arme des Schlafs trieb.

Der nächste morgen brachte zuerst einmal einiges, wovon aber nichts erfreulich war. Meine Robe war völlig verdreckt, anscheinend hatte ich mich am Abend und in der Nacht zuvor hemmungslos im Sand gerollt wie ein Stück Fleisch das in Paniermehl gewendet worden war. Dann war da dieses fiese Gefühl der pelzigen Taubheit die Mund und Gaumen ausfüllte – und sogar über meinen seit meinem Unfall eingeschränkten Geschmackssinn hinweg vermochte ich eine unangenehme Note von Tier schmecken, das dort vermeintlich schon länger tot herum lag. Und zuguterletzt mein Kopf, in dem eine Gruppe zyklopischer Schmiede wohl gerade an ihrer Esse stand und aufs fröhlichste loshämmerte. So musste man sich wohl fühlen, wenn man an den Schlegel im inneren einer Glocke gefesselt wäre. Ich stöhnte. Irgendwer hatte mich wohl vom Platz weg auf eine ruhige Lagerstatt verfrachtet, zumindest lag ich nicht mehr in Reichweite eines Schnapsfasses. Beim aufrichten war ich vorsichtig, trotzdem stellte sich ein heftiges Gefühl von Schwindel ein. Hesinde, ich danke dir, dass ich ein Magier sein darf! Sanft legte ich meine Hände an die Schläfen, und konzentrierte mich, auch wenn es schwerfiel, auf eine der elementarsten Formeln meiner Ausbildung – Klarum, Purum, Kräutersud, befreit von Gift sei all mein Blut! Es klappte! Mit einem Schlag waren zumindest die alkoholinduzierten Unpässlichkeiten verflogen, als wäre nie etwas gewesen. Grinsend konnte ich meinen Gefährten unter die Augen treten, die ebenfalls so aussahen, wie ich mich noch vor kurzem gefühlt hatte. Würde ich nicht eine gewisse Sympathie für diese Leute empfingen, ich würde wohl Schadenfreude empfinden. Hier aber bot ich insbesondere Azina, der ich ja eh noch einen Gefallen schuldig war, gern meine Hilfe an und befreite sie ebenfalls von ihrem Elend.

In DeVeCa’s Hütte, mit dem wir wohl das weitere Vorgehen würden abstimmen müssen, trafen wir ihn im Gespräch mit einer schluchzenden, in Tränen aufgelösten Frau. Gerade setzte sich der Kapitän wohl mit einer frisch gebackenen Witwe auseinander. Im Tenor sagte er ihr, sie hätte ja gewusst das so etwas jederzeit geschehen könne, das sei nun einmal die Gefahr ihrer Tätigkeit, aber in der Gemeinschaft des Dorfes sei sie abgesichert mit allem was sie bräuchte, auch wenn ihr Mann nun fehle. Ein interessantes Konzept der Solidarität, wie hier alle Anderen für ein geschwächtes Mitglied der Gemeinschaft eintraten. Das hatte ich bei dem Wirt der Taverne für eine Ausnahme gehalten, aber offensichtlich nahm man diese Sacher hier mehr als ernst. Meine Hochachtung für diese Leute wuchs erneut ein Stück. Würde ich mich irgendwann einmal eine Zeit lang verstecken müssten, ich konnte mir gut vorstellen hier ausgestattet mit ein paar Büchern einige Monde lang unterzutauchen. Auf der anderen Seite war dieses Verhalten wohl reiner Selbstschutz. Dieses Versteck war nur solange sicher, wie niemand es verriet. So konnte jeder Aussteiger aus der Gemeinschaft, der sich den falschen Ohren offenbarte, den Untergang dieses Piratennests bedeuten. Und nichts dürfte Leute besser davon abhalten enttäuscht das Weite zu suchen, als hier kostenfrei ein Auskommen bis ans Ende ihrer Tage zu haben… schlau, wirklich schlau… jetzt zollte ich diesem Piratenkapitän innerlich wirklich meinen Respekt, auch wenn ich meine Gedanken natürlich nicht äußerte. Nach einigen Minuten kam der Steuermann der Seebär herein und flüsterte DeVeCa etwas ins Ohr, worauf hin dieser das Gespräch beendete und sich uns zuwandte. Später hätte eine dringliche Angelegenheit mit uns zu besprechen, aber davor müsste er noch etwas erledigen, wir sollten uns bis zum Essen zur 7. Stunde die Zeit hier vertreiben oder uns noch ausruhen.

Nach ausruhen war mir eigentlich gar nicht her, aber was sollte man hier draußen nur tun? Ich könnte ja noch nach ein paar alchymistischen Zutaten suchen, dachte ich bei mir. Das erste was mir einfiel was es geben könnte waren Landschildkröten. Deren Panzer brauchte man für das ein oder andere stabilisierende Gebräu. Leider wurde ich enttäuscht als ich die Einheimischen befragte, so etwas gäbe es hier nicht. Ich war mittlerweile mit den Anderen wieder in der Taverne gelandet mangels Alternativen, und im Gespräch kam mit die nächste Idee. Haifischzähne! So etwas musste es hier wohl doch geben! Ich fragte und erhielt vom Wirt die Bestätigung das es im Archipel natürlich Haie gäbe, grandios! Schon schmiedete ich Pläne, mit wem ich hinausfahren konnte um Pamina einen Hai harpunieren zu lassen, bis der Wirt sich noch einmal einmischte und fragte, was ich denn von den Viechern eigentlich wollte. Als ich im sagte ich bräuchte die Zähne lachte er, wieder einmal, herzhaft und ehrlich heraus. Irgendwie mochte ich diesen ungehobelten Klotz, seiner mangelnden Manieren zu jedem Trotz. Dabei deutete er mit dem ungewaschenen Daumen über die Schulter an die Wand hinter sich. Tatsächlich, dort hing das gewaltige Gebiss eines Tigerhais als Trophäe an der Wand. Wie hatte ich das übersehen können? Ich fragte, ob ich mir einige der Zähne nehmen dürfte, und wieder kam ein gelachtes „Jo, na klar mein Junge“ zur Antwort, und wieder wurde keine Bezahlung dafür verlangt, wo man mich in Bethana, Kuslik oder AlAnfa dafür sicher königlich zur Kasse gebeten hätte. Ich war richtig gerührt! Jetzt war ich mir sicher, dass ich dieses Fleckchen Deres nicht zum letzten Mal aufgesucht haben würde. Nur waren jetzt damit alle meine Pläne für den restlichen Tag endgültig aufgebraucht. Azina lieh mir daher ein Büchlein das sie herum trug, die Chroniken von Zorgan. Bei Hesinde, war das langweilig! Eigentlich bin ich bei sowas hart im Nehmen, muss man ja auch sein wenn man studiert hatte, aber dieser historische Kauderwelsch war noch um einiges Schlimmer als selbst die Enyklopedia Magica – nach kaum 5 Seiten war ich im Schatten eines Baumes liegend eingeschlafen…

Zum Glück erwachte ich, vornehmlich vor Hunger, rechtzeitig zu unserer Verabredung. Wir speisten mit DeVeCa ein einfaches Mahl, bis drei Männer eintraten. Zwei davon aus seiner Mannschaft, Burschen namens Kalixides und Simodes kannte ich bereits, der dritte den sie zwischen sich führten war mir neu. Er wurde uns als Arkanaxio`ss vorgestellt und bei mir klingelten hundert kleine Glöckchen. Mit diesem Namen war doch das Schreiben unterzeichnet worden welches Fabrizzio belastete. Wobei mir der Kerl nicht so aussah, als würde er überhaupt in der Lage sein eine Schreibfeder zu führen… DeVeCa nahm ihn, unterstütz von der ein oder anderen eingeworfenen Frage mit uns ins Kreuzverhör. Und das Bild das sich dabei zeichnete war nicht sonderlich erfreulich. Arkanaxio`ss war vor wenigen Wochen schuldbewusst zurück gekommen, er war einer von denen, denen die Gemeinschafft hier nicht genug geboten hatte. Im Gegenteil war er wohl eher vor Weib, Kind und Eintönigkeit geflohen. Dann hatte er sich in Belhanka zu einer unverschämt hohen Heuer von ein paar zwielichtigen Gesellen anwerben lassen, die am Ende der Dienstzeit hätte ausgezahlt werden sollen. Diese Masche kam mir bekannt vor, war es nicht damals in der Mine mir selbst genauso ergangen? Ich schluckte, gespannt was noch kommen würde. Aber er selbst für ihn als Piraten waren das wohl zu schlimme Leute, denn er floh irgendwann während einer Bordwache und schlug sich bis hierher zurück durch. Als wir ihm das Schriftstück zeigten verneinte er, dass dies seine Unterschrift sei, und ich glaubte ihm sofort. Das Schiff auf dem er gedient hatte war eine recht neue Schivonelle ohne Namen (sehr ungewöhnlich, selbst Piraten benennen ihre Schiffe normal, am liebsten besonders blumig oder furchterregend). An Bord herrschte eine Zweiklassengesellschaft. Die “Besseren“ um den Kapitän, die das Sagen hattenund die „Grauen“, die einfache Mannschaft die nichts zu sagen hatten. Auch das erinnerte mich frappierend an den sozialen Aufbau in der Mine damals. Gab es hier rein zufällig so viele Parallelen? Auf Rückfrage wurde mir bestätigt, dass zur Mannschaft (‚den Besseren) auch ein Magier in grauer Robe gehört hatte, ein bleicher und unheimlicher Geselle. Wobei für diesen armen Tropf wohl jeder Magier unheimlich sein dürfte… An Bord hatte wohl auf Grund der sozialen Spannungen und des Umgangstons eine recht schlechte Stimmung geherrscht, die sich dann beim Kapern der Beuteschiffe entlud. Im Gegenteil wurden die Piraten aufgefordert, sich ordentlich auszulassen, quasi als Ventil, was die in Berichten geschilderten Rohheiten erklären dürfte. Dafür hatte man irgendwo einen schönen Unterschlupf gehabt. DeVeCa holte eine Karte der Zyklopeninseln und breitete diese am Tisch aus. Zwar hatte die Mannschaft bis auf die Besseren beim Anlaufen des Unterschlupfs immer unter Deck gehen müssen um die genaue Lage geheim zu halten, aber Arkanaxio`ss kannte sich wohl soweit auf den Inseln aus, das er es trotzdem grob einordnen konnte. Eine südseite einer Insel musste es sein, und mit dem Finger wies er uns ein Eiland mit dem Namen Akidos. DeVeCa fragte ihnm, ob er sicher sei, er habe diese Insel selbst schon auf der Suche nach einem Unterschlupf erkundet bevor sie hier nach Putras kamen und nichts dafür Geeignetes gefunden. Im Gegenteil, selbst von einem Leibhaftigen Zyklopen seien sie dort angegriffen worden – Junasia wurde sichtlich hellhörig. Aber Arkanaxio`ss war sich sicher und bestätigte seine Annahme. Als die Besprechung sich dem Ende entgegen neigte bemerkte ich, wie sich DeVeCa seinem ehemaligen Matrosen mit Tränen in den Augen von hinten näherte. Ich hörte ein leises „Es tut mir leid mein Freund“, bevor sah wie er ihm von hinten einen Dolch ins Herz trieb. Ich riss wohl entsetzt die Augen auf, da er mich direkt anblickte und meinte, er wäre von diesem Mann einmal verraten worden, und er könnte sich ein zweites Mal nicht leisten. Es ginge nicht um ihn selbst, er könne ihm durchaus verzeihen. Aber seine Verantwortung reiche weiter, für alle Frauen, Greise und Kinder hier die nicht sicher wären, falls dieser Mann sich noch einmal davon gemacht hätte. Diese Zuflucht sei ihre Welt, und seine Aufgabe sei es, für ihre Sicherheit zu sorgen, egal wie schwer es ihm auch fallen würde einen alten Gefährten dafür zu Opfern. Kaltblütig? Ja. Konsequent? Ja. Begründet? Auch ja. Mit diesem Mann, trotz aller Freundlichkeit, sollte man es sich nicht verscherzen, das hatte ich jetzt gesehen… Kalixides und Simodes schafften die Leichte fort, ohne Aufsehen zu erregen.

Dann machten wir uns mit den neu gewonnenen Erkenntnissen an die weitere Planung, und diese war zügig zur Hand. Es war Eile geboten, denn die Tage bis zur Gerichtsverhandlung vergingen nur allzu zügig, Satinav, der Herr der Zeit, arbeitete hier eindeutig gegen uns. So erfuhren wir auch, wie unsere Piraten hier überhaupt ihrem Gewerbe nachgehen konnten. Sie hatten nämlich nicht nur die
Potte mit der wir hierher gekommen waren. Diese war nur dazu gedacht als harmloser Händler aufzutreten und das Beutegut loszuschlagen – hätte mich auch gewundert wie man mit diesem schwerfälligen Schiff überhaupt jemand hätte überfallen wollen. Nein, es gab auch noch einen kleinen Schnellsegler um flott zwischen den Inseln hin und her zu fahren und lohnende Ziele auszuspähen sowie eine schnittige Karavelle, die im eigentlichen Sinne das Kaperschiff darstellte, da sie die optimale Mischung aus Geschwindigkeit und Kampfkraft darstellte. Für unsere Zwecke war aber der kleine Schnellsegler, mit dem wir gut 20 Personen befördern konnten, das geeignetste Mittel. DeVeCa machte sich umgehend daran, eine Mannschaft aus Freiwilligen für diese Mission mit ungewissem Ausgang zusammen zu stellen.  Es sprach für ihn als Kapitän, das sich sofort mehr als genug Mann Besatzung meldeten um mit ihm zu kommen – die er nun danach aussortierte, wer am wenigsten Pflichten für die Familie hier zu erbringen hatte. Während er noch dabei war zu sortieren fiel es mir wie Schuppen von den Augen – der Leichnam von Arkonaxio`ss! Was für eine Verschwendung, den Kadaver einfach so zu entsorgen, man konnte doch mit Fug und Recht behaupten, er wäre ein Verräter hier an der Gemeinschaft gewesen. Was war ich für ein Trottel, dass ich das nicht sofort erkannt hatte. Seine Überreste wäre für mich wertvolle Paraphernalia bei der Beschwörung von Dienern aus der Domäne des Blakharaz! Ich ging sofort zu Simodes um mir den Ablageort des Unglückseeligen nennen zu lassen, aber dieser wollte mir keine Auskunft geben. Auch sein Kumpan war nicht gesprächiger, selbst als ich ihnen Gold dafür bot wollten sie nicht sagen, in welcher Schlucht der Klippen sie die Leiche entsorgt hatten. Ich redete mich in Eifer und verplapperte mich wohl ein wenig dabei, wofür ich das wissen wollte. Da hatte ich doch wieder einmal vergessen, wie unentspannt einfache Gemüter mit solchen Dingen umgingen – auf jeden Fall packte mich ein wutentbrannter DeVeCa am Kittel, riss mich hoch und drohte mir übelste Konsequenzen an, wenn ich es auch nur wagen sollte mich der Leiche seines ehemaligen Freundes zu nähern, geschweige denn diese zu schänden – als wenn es da etwas zu schänden gegeben hätte, ordnungsgemäß bestattet war er wohl kaum worden! Aber seiner grimmigen Miene konnte ich entnehmen das er es durchaus ernst meinte. Leider waren  wir hier sowohl auf sein Wohlwollen als auch seine Hilfe angewiesen, weswegen ich schweren Herzens von meinem Vorhaben ablies.

Am nächsten Morgen war alles Bereit und wir legten im Morgengrauen ab, während Praios seinen Gang über das Himmelsrund antrat. Der Schnellsegler hörte auf den schönen Namen Schaumwoge und trug uns wirklich flott über die Wasseroberfläche, nachdem wir das Archipel verlassen hatten. Wir segelten von Putras aus gen Efferd und umrundeten Pailos, so dass wir auf der zum Meer der Siebenwinde offenen Seite entlag fuhren, wo eher mit wenig Schiffsverkehr zu rechnen war, da das meiste sich zwischen den Inseln oder Richtung Festland abspielte. Zwei ereignislose Tage segelten wir mit der Strömung, die uns zusätzliche Geschwindigkeit verlieh an den Steilküsten der Inseln entlang, bis wir die praioswärtige Seite von Akidos erreichten. Schon von weitem erkannte man die beiden Vulkane, die die Insel dominierten. Dort musste man also auch den Zyklopen irgendwo finden. Ob wir wohl einen zu Gesicht bekommen würden? Zyklopenhaar könnte man sicher hervorragen für ein Kraftelixier gebrauchen, galten diese Wesen doch als ausgesprochen stark. Wir fuhren die Küste ab, aber nirgendwo war auch nur ein möglicher Unterschlupf oder eine dafür geeignete Bucht zu erkennen. Wenn wir hier etwas finden wollten müssten wir wohl von Landeinwärts aus erhöhter Position suchen. Wir ankerten in einer Bucht und wurden mit dem Beiboot an Land abgesetzt – von der Mannschaft begleiteten uns nur DeVeCa selbst, Simodes und Kalixides. Der Rest sollte das Schiff in Sicherheit bringen und auf ein Signal warten, uns wieder abzuholen. Leider versperrte uns schon direkt nach dem Strand die steil aufragende Felsküste den weiteren Weg. Und war nun einmal weder ein Mengbiller Affe noch eine Bergziege. Ich versuchte mein bestes, aber schon nach kurzer Zeit holperte ich unrühmlich wieder den Hang hinab, während meine Gefährten mit der Steigung eher wenig Schwierigkeiten zu haben schienen. Da man mich aber auch nicht zurück lassen wollte wurde ein Seil für mich zur schlinge geknüpft, mit dem man mich Stück für Stück die Felsen hinauf bugsierte. Liebend gern hätte ich dies aus eigener Kraft geschafft, aber so war es nun einmal – ein studierter Magus übt eben wenig in den Bergen zu Klettern – außer Junasia, die das recht gewandt machte, aber das war ja kein Wunder wenn man im Raschtulswall aufwuchs, dort gab es ja außer Bergen auch nichts. Wir benötigten mühevolle eineinhalb Stunden für den zweihundert Schritt hohen Aufstieg, aber dann hatten wir es endlich geschafft und befanden uns auf einem Hochplateau von dem wir eine grandiose Aussicht hatten. Aber ein Piratenversteck war auch hier noch nicht zu sehen, weswegen wir beschlossen soweit es ging am Rande des Plateaus die Küste abzugehen um von dort oben zu sehen, wo sich unten am Wasser vielleicht eine Einfahrt in eine versteckte Bucht finden mochte. Da wir die Praiossseite abgehen wollten führte uns der Weg zunächst erst einmal in Richtung des eines der beiden Vulkane, was ein gefährlich begeistertes glühen in Junasias Augen zauberte.

Die Landschaft hier oben war üppig grün, auch wenn eigentlich der karge Karst alles dominiert hätte. Aber jetzt, im Peraine und Ingerimm sorgten wohl auch hier auf den Zyklopeninseln, wo es im Sommer angeblich recht karg wurde,  für eine blühende Landschaft. Und über allem lag diese friedliche Ruhe, die man nur fern ab der Zivilisation fand, wo man selbst das Summen der Bienen über den Blüten und das hintergründige Rauschen des Meeres noch lauter hörte als jedes andere Geräusch. Nun ja, bis auf das leider vorhandene geräuschvolle Schnaufen und das Scheppern von Arngrim und seiner Rüstung, das die Idylle für mich doch etwas störte. Wir kamen gut voran, und dann war da erst sehr leise, aber je näher wir dem Vulkan kamen immer lauter noch ein weiteres Geräusch. Für das Grummeln des Herrn Ingerimm kurz vor einem zornigen Ausbruch war es zu regelmäßig. Ich brauchte etwas, um es schließlich zu erkennen, aber dann fiel es mir wie förmlich von den Ohren – das war das Hämmern einer Schmiede. Laut, regelmäßig, metallisch klirrend. Neugierig näherten wir uns dem feuerspeienden Berg. Unten am Fuß seines Kegels lag, direkt hinter einem kleinen Bach, ein gigantisches Felstor, das in den Berg hinein führte. Und genau daraus erklangen nun, schon fast in den Ohren schmerzend, die lauten Hammerschläge. Um den Torbogen herum zogen sich in den Stein gehauene Runen, deren Bedeutung aber keiner von uns ermessen konnte. Hatten wir hier wirklich die Heimstatt eines Zyklopen gefunden? Einerseits war ich äußerst neugierig darauf, wie so eine Kreatur in Natura sein mochte, auf der anderen Seite hatte ich schon Geschichten von diesen launigen Gesellen gehört, die mich fürchten ließen, dass hier nicht nur einer von uns sein Leben lassen könnte. Aber Junasia und Arngrim waren regelrecht Feuer und Flamme für unsere Entdeckung und eh nicht davon abzubringen sofort nachzusehen. So hießen wir also Arngrim vorgehen, wofür bezahlte man den sonst einen Leibwächter? Als wir durch das Tor traten leuchteten die Runen darum kurz auf, aber nichts weiter geschah. Gut, besser so als das gleich irgendein Fallbeil herunter kommen oder ein Feuerball explodieren würde. Langsam und vorsichtig arbeiteten wir uns einen dunklen Gang im Schein unserer Lampen voran. Je weiter wir gingen, um so wärmer wurde es. Ich begann jetzt schon zu schwitzen und nur noch schwer Luft zu bekommen, und auch den anderen schien es nicht besser zu ergehen, außer Junasia vielleicht. Arngrim musste unter seinem Rüstzeug regelrecht gesotten werden. Die Hammerschläge hallten laut im Gang, so dass ich zusätzlich den Drang verspürte, mir die Ohren zuzuhalten. Wir Bogen weiter im inneren des Vulkans um eine Biegung, und vor uns öffnete sich eine gewaltige Kaverne die von Lava und Feuer erhellt wurde. Mitten darin stand ein 5 Schritt hoher, einäugiger Kolos, der gerade ein Schmiedestück vom Ambos nahm und es mit einem zischen unter Dampf in einen Wasserbottich gleiten lies, bevor er sich uns zuwandte. Bei Hesinde, ich hätte nie gedacht wirklich eine dieser Fabelgestalten zu treffen. Ich kam mir, angesichts der Tatsache dass ich gerade einmal bis zu seinem Knie reichte, irgendwie winzig und verletzlich vor. Er begrüßte uns mit einer tiefen, lauten, brummigen, nicht gerade freundlich klingenden Stimme in gebrochenem Garethi und stellte sich selbst als Kul’Ein’Ur vor. Dann musterte er uns, wobei ein perlmuttener Schimmer über sein eines Auge zog. Danach war er auf einmal zu Junasia und Arngrim deutlich freundlicher, und eröffnete mir unverblümt, das er mich nicht mochte, ich sei ein Freund des Chaos. Damit war für mich klar wer hier reden sollte, ich würde wohl besser den Mund halten.

Die Geschichte die wir nach und nach von ihm in seinem Kauderwelsch erfuhren war ziemlich wirr. Ein Kerl namens Kyrhapta (anscheinend ein anderer Zyklop) hätte seinen Freund Xarbasch (ein Zwerg der mit ihm zusammen gearbeitet hatte) erschlagen als er einmal zum Fische fangen weg war. Das machte ihn wohl traurig und wütend. Dazu kam, dass Arngrim das ganze wohl irgend wie als Vision gesehen hatte um etwas aus Xarbaschs Besitz zu dessen Sippe zurück zu bringen. Es wurde immer seltsamer. Dann gab es da noch irgendwelche Faune, die den Zyklopen mit Früchten versorgten die dieser sehr mochte. Eine ganze Zeit lang bekam er wohl leichte Rätsel und beim Lösen einen Korb mit Früchten. Und wenn er gierig genug geworden war, kam ein schweres Rätsel, bei dessen Nichtlösung der Zyklop eine seiner Arbeiten hergeben musste. Auf die Art hatte er anscheinend schon ein Schwert verloren und würde als nächstes seinen geliebten Pailos (eine Waffe so groß das nicht einmal ein Trollzacker sie hätte schwingen können…) verlieren. Und jetzt stand er vor einem Dilemma. Seinen Pailos würde er ums Verrecken nicht hergeben, sondern eher den Faun zu Mus hauen. Aber dann würde ihm ja keiner mehr Früchte bringen, eine für ihn vertrackte Situation. Also sollten wir das Rätsel und noch ein weiteres kleines Problem lösen. Das kleiner von Beiden Problemen waren ein paar diebische Elstern, die eine Kette geklaut hatten die anscheinend Xarbasch angefertigt hatte. Und der massige Zyklop war zwar groß, kam aber nicht an das Nest in den Felsen heran und zu schwer um hinauf zu klettern. Das war leicht. Wir gingen vor die Höhle und Azinajida, hinter deren Geschick in solchen Dingen nicht einmal von einem Moosaffen übertroffen wurde, erklomm die Felsen als wäre es nichts. Ich hätte mir dabei vermutlich alle Knochen im Leib gebrochen, aber bei ihr sah es eher wie eine entspannte Übung beim Frühsport aus. Kul’Ein’Ur war glücklich und stellte uns vor das zweite Problem. Dieses Fauenrätsel war interessant. „Wer trinkt immer was er selbst nicht hat, aber wenn er es hat würde er es nie tringen?“ Wie von der Armbrust geschossen posaunte Azinajida, die mich schon wieder überraschte, eine Lösung heraus. VAMPIR! Ich durchdachte ihre Lösung, wog sie ab. Es kam mir durchaus möglich vor, dürfte auf jeden Fall nicht falsch sein. Aber war es die gewünschte Lösung. Verdammte Voreile, einmal eine Lösug im Ohr war es schwierig über andere Möglichkeiten nachzudenken. Wusste ein Faun überhaupt, was ein Vampir, immerhin eine Kreatur des Namenlosen, war? Und in den nächsten Minuten kamen mir mehrere andere, durchaus vertretbare, Lösungen in den Sinn. Der Boden trank den Regen, aber nicht mehr wenn er voll war. Ein Baby die Muttermilch, aber eine Mutter nie die eigene Milch. Der Schatten das Licht, der Schwamm das Wasser… es ging immer irgendwie um Gefäße und deren Füllung. Konnte es sein das der Faun gar kein eindeutiges Rätsel stellen wollte um den Zyklop zu linken und am Ende auf jeden Fall seinen Preis zu bekommen? Als ich dies dem Zyklopen gegenüber andeutete wurde der recht zornig, so dass ich lieber wieder den Mund hielt.  Aber immerhin war er mit den möglichen Lösungen so zufrieden, dass er uns helfen wollte. Es wüsste einen Weg zu der von uns gesuchten Bucht, wo es in letzter Zeit von Menschen nur so wimmelte. Aber er konnte sie und deren Schiff nicht vertreiben. Jedesmal wenn er einen Felsen auf das Schiff schleuderte, prallte dieser wie von Geisterhand noch vor dem Treffer ab und plumpste ins Meer, was sich der Riese nicht erklären konnte. Ich hingegen schon… wir wusste ja dass (mindestens) ein Magier an Bord war. Dieser beherrschte wohl den Fortifex-Cantus (der übrigens auch in Al’Anfa am Seekriegszweig meiner Schule gelehrt wurde), der ein unsichtbares und undurchdringliches Schild erschuf um Geschosse (oder eben geworfene Felsbrocken) abzuhalten. Nun ja, um dieses Problem würden wir uns ja bald kümmern, nicht wahr? Durch die unerträgliche Hitze der Schmiede hindurch, der Schweiß rann mir mittlerweile in Strömen über den Rücken durch die Pofalte hinunter in die Stiefel, gelangten wir zu einem zweiten Ausgang auf der Rückseite des Vulkans und von dort brachte uns Kul’Ein’Ur zu einer steil abfallenden Klippe, die eine hervorragend geschützte Bucht umschloss.

Von oben auf den Klippen wo wir standen hatten wir einen hervorragenden Blick hinab. Eine geradezu malerisch zu nennende Bucht, tief eingeschnitten in die umgebenden Felsen, kristallklares Wasser, ein weiß schimmernder Sandstrand. Der perfekte Ort wohin man eine romantisch veranlagte Grandentochter für ein kleines Techtelmechtel unter den Sternen entführen würde – wären da nicht ein Schiff gelegen und einige einfache Hütten wie Pickel am Strand verteilt gewesen. Das Schiff war eine nur wenig gebraucht aussehende Schivonella, an Deck wie Azina mit ihrem Fernglas bestätigte eine Gestalt in grauer Robe. Offensichtlich machte man sich gerade fertig zur Ausfahrt, denn es war einiges los auf dem Schiff und am Strand. Wir warteten ab und tatsächlich setzte sich das Schiff bald in Bewegung. Den Beobachtungspunkt verlagernd wollten wir sehen wo die Schivonella auf das Meer hinaus fahren würde. Der sich bietende Anblick war verstörend! Die Einfahrt zwischen den Klippen und dem überlappend vorgelagerten Felsen (weswegen man dich Bucht wohl von außen nicht sah), war für ein Schiff dieser Größe geradezu aberwitzig eng. Selbst von hier oben konnte man im klaren Wasser die zahlreichen Felsen und bis knapp unter die Wasseroberfläche reichenden untiefen sehen. Unmöglich einen solchen Pott da hindurch zu bringen. Und doch mussten sie es ja geschafft haben irgendwie. Dann passierte es. Entgegen jeglicher Logik des Segelns oder der Strömungen die es dort geben musste wurde das Schiff, ich würde es am ehesten beschreiben als „verschoben“. Statt gerad aus auf einen Felsen aufzulaufen oder sich beim Drehen zu verkeilen fuhr es auch mal seitlich quer ab, was ja nie und nimmer Möglich sein dürfte. Es drehte am Platz, rotierte wie um eine Mittelachse. Wer wie ich in einer Hafenstadt aufgewachsen war und wusste wie sich Schiffe bewegen, dem standen hier die Haare zu Berge. Das ging nicht mit rechten Dingen zu! Aber eine Lösung dieses Rätsels war von so weit weg natürlich nicht auszumachen. Vom Strand zurück zu den Hütten und zwischen die gegenüberliegenden Felsen, wo es anscheinend einen Pfad gab gingen lediglich 3 Personen. Was für eine Gelegenheit für uns, dort einmal gefahrlos nach dem Rechten zu sehen! Allein den Abstieg die Klippen hinab um anschließend auf die andere Seite der Bucht zu schwimmen wäre ein mehr als waghalsiges, geradezu selbstmörderisches Unterfangen gewesen. Aber auch hier wusste Kul’Ein’Ur Rat. Die Faune mit denen er im Zwist lag würden einen geheimen Eingang von der anderen Seite der Bucht her kennen, diese also sollten wir aufsuchen. Leider mussten wir dazu wieder durch sein Höllenloch von Schmiede zurück…

Wir verabschiedeten uns von dem Zyklopen nachdem er uns den Weg beschrieben hatte. Ein Wald mit See im Inselinneren sollte unser Ziel sein. Wir gingen los und wieder genoss ich die quasi unberührte Natur durch die wir gingen. Was für eine Verschwendung diese malerische Insel einem tölpeligen Zyklopen und ein paar aufrecht gehenden Ziegenböcken zu überlassen… Wir näherten uns durch den Pinienwald unserem Ziel an, als eine sanfte aber fröhliche Flötenmelodie unsere Ohren ereilte. Wunderschön! So etwas hatte ich noch nie gehört.  Mir wurde ganz leicht ums Herz, es drängte mich zu tanzen. Dann wurde mein Geist wie benebelt. Das nächste an das ich mich klar erinnere war Junasia und das die wunderschöne Melodie geendet hatte. Um genau zu sein hörte ich gar nichts mehr. Weder das Rauschen des Windes im Wald noch das Brummen der Bienen oder Arngrims gequietsche. Das war seltsam. Dazu  gestikulierte Junasia wild vor meiner Nase und machte Zeichen die ich nicht ganz verstand, aber ich sollte wohl nah bei ihr bleiben. Das erklärte es wiederum etwas – wahrscheinlich ein Silentium-Cantus zur Unterdrückung jeglicher Töne um uns vom betörenden Wirken der Musik zu befreien! Schlaues Mädchen… und ungeahnte Talente! Der Rotschopf wurde mir trotz seiner elementaren Engstirnigkeit immer sympathischer. Im Schutz ihres Zaubers gingen wir langsam weiter und kamen beim See schließlich zu einer Lichtung auf der sich uns ein grotesker Anblick bot. Ein männlicher Faun, zu erkennen an dem muskulösen Oberkörper und den… nun ja, anderen Merkmalen… flötete was das Zeug hielt und stakste auf Bocksbeinen herum, während sich ein weibliches Exemplar, zu erkennen an den langen Haaren und den üppigen Brüsten, auf einem Canape räkelte, Früchte aus einem Korb naschte und offenbar verzückt dem Spiel ihres Gefährten lauschte. Manche behaupten ja, dass diese Feenwesen eine gewisse Anziehungskraft auf Menschen ausüben würden. Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen. Allein der Gedanke mit diesem ziegenartigen Weib… wenn die genauso roch wie sie aussah… und diese Haare überall… mich schüttelte es innerlich. Ich meine, wäre das jetzt vielleicht eine dieser hübschen Quellnymphen von denen ich gelesen hatte, oder so ein zierliches Neckermädchen… aber das? Da musste man schon selten pervers sein, um daran Gefallen zu finden. Vielleicht die Novadis – von denen sagte man ja, die würde in ihrer Wüste auch mit ihren Kamelen und Ziegen… aber egal, ich schweife ab. Wir machten uns auf jeden Fall Bemerkbar als Junasia den Zauber enden lies und überraschten diese Zwitterwesen. Zumindest waren sie nicht aggressiv, aber da wäre ihnen wohl angesichts unserer Übermacht auch schwer gefallen. Sie stellten sich als Kisollos und Kasea vor und hatten, wen mag es verwundern, mit den Menschen auf „ihrem“ Strand ebenfalls ein Problem. Dort befände sich eigentlich ihr Festplatz, den sie nun schon eine ganze Zeit nicht mehr nutzen konnten um mit den anderen Feenwesen dort ihre Feiern abzuhalten – und dass, wo die beiden anscheinend die Wächter des Platzes und seines Zugangs waren. Nach einigem hin und her, die beiden waren sich selbst nicht einig was zu tun sei und ob man uns da einbeziehen sollte, einigten wir uns darauf, dass wir wohl am ehesten ihre Probleme würden beseitigen können, weswegen die beiden (eigentlich eher Kasea) einwilligten uns den Zugang durch ein mysteriöses Labyrinth zu ermöglichen, in dem es seit neuestem unheimlich spukte und gefährlich war, obwohl die Überwindung des Weges sonst eher einem Spiel das den Willen forderte geglichen hatte. Etwas sei dort, das dort nicht hin gehöre und von der anderen Seite könnten höchstens Wesen des Meeres in das Labyrinth gelangen. Nun ja, wir waren genug und mit Junasia und Arngim an meiner Seite hatte ich hier noch nichts gesehen was ich hätte fürchten müssen (außer dem Zyklopen vielleicht). Apropos… ich sprach die beiden darauf an, das es nicht sonderlich nett sei diesen so übes Ohr zu hauen und beim nächsten Mal müssten sie sich vorsehen, wenn sie nicht zu Matsch zerquetscht werden wollten… der Zyklop sei gerade nicht gut auf sie zu sprechen. Dabei, so kam es heraus, wollten die beiden eigentlich gar nichts bößes. Das Schwert, ich staunte nicht schlecht, steckte als Korbhalter zwischen ein paar Steinen, weil es so praktisch war. Und den Pailos wollten die beiden als zweite Stütze für ein Sonnensegel. Ich schlug mir an die Stirn. Auf den Gedanken, den Zyklopen für ein paar einfache Schmiedestücke mit den Früchten zu bezahlen, was ja nahe lag, waren sie einfach gar nicht gekommen, da der Zyklop ja auch so gerne Rätsel mochte. Man tat ihm ja nur etwas Gutes… ich hoffte inständig, dass die drei sich anderweitig einig wurden, aber anscheinend gab es hier eher ein Missverständnis. Wir legten ihnen zumindest nahe Kul’Ein’Ur sein Schwert im Tausch gegen eine einfache Eisenstange zurück zu geben… damit wäre schon einmal ein freundschaftlicher Anfang gemacht. Dann führten Sie uns  zum Eingang des Labyrinths, nicht müde werdend uns darauf hinzuweisen das wir doch immer nah beisammen bleiben sollten, ein einzelner wäre verloren, und gaben uns noch eine, wohl veraltete, Karte des Irrgartens.

Ich war Feuer und Flamme als wir dorthin kamen. Eine schimmernde, offensichtlich magische Barriere versperrte den Eingang, auf unserer Seite lediglich ein großer Stern aus lauterem Mondsilber. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was dieses Ding alleine an materiellem Wert hatte, sicher einige hundert wenn nicht sogar tausende Dukaten. Aber einen offensichtlichen Eingang konnten wir nicht erkennen. Die Barriere war zwar transparent, aber auch undurchdringlich. Wir probierten ein wenig herum, und schnell wurde uns klar, dass der eigentliche Eingang der Stern sein musste. Jedesmal wenn wir damit etwas anstellten war es, als liefe ein Beben durch die Barriere. Der Gedanke, dass diese vielleicht durchlässig wurde wenn wir alle gemeinsam darauf standen und uns dann beeilte sie zu durchschreiten war irgendwie naheliegend, hatten die Faune uns doch auch gemahnt immer eng beisammen zu bleiben. Also stellten wir uns gemeinsam auf den Stern, aber noch bevor wir lossprinten konnten verschwamm die Umgebung um uns herum und auf einmal standen wir im Labyrinth auf der anderen Seite der Barriere. Das Portal, also der Stern, hatte uns direkt hinein teleportiert. Laut Karte gab es 5 Räume hier und in einem davon sollte der Ausgang sein. Da wir keine weiteren Anhaltspunkte hatten wandten wir uns nach links, obwohl rechter Hand genauso weit entfernt nach der Karte und gerade aus ebenfalls Räume gewesen wären. Aber was soll ich sagen, der Weg der linken Hand liegt mir einfach… Die Stimmung zwischen den etwa zwei Schritt auseinander stehenden Wänden war, im besten Fall, unheimlich, melancholisch, ja schon fast deprimierend. Düsteres Halbdunkel, die Luft warm und muffig, es roch irgendwie nach ranzigem Fisch, und irgend etwas war wie eine unterschwellige, nicht greifbare Bedrohung. Das allein reichte schon, um uns nicht aufteilen sondern beisammen bleiben zu wollen. An ein paar Stellen merkte ich, dass die Karte wirklich nicht mehr ganz dem aktuellen Stand entsprach, war doch an zwei Stellen wo ein Durchgang sein sollte die Wand glatt durchgezogen und versperrte uns den direkten Weg. Aber das war eigentlich kein Problem, fand ich doch stets schnell eine alternative Route. Wir waren noch nicht lange, ich würde sagen keine 15 Minuten, hier drin, da sahen wir, wer, oder besser was, für die beklemmende Atmosphäre hier verantwortlich war. Stöhnend und blubbernd näherte sich von uns aus verschiedenen Richtungen Wasserleichen – widerwärtig anzusehende, faulig triefende und noch schlimmer stinkende Wesen Charypthorots. Natürlich! Der Faun hatte es ja gesagt, von der anderen Seite konnten nur Wesen des Meeres eindringen… das traf wohl auf die untoten Wasserzombies im weitesten Sinne auch zu. Wir suchten uns eine einigermaßen zu verteidigende Ecke heraus und machten uns Bereit. Ein Blick in die Gesichter meiner Gefährten zeigte lediglich eiserne Entschlossenheit, Angst hatte anscheinend keiner und so ließen wir die Schlurfer näher kommen, die Waffenträger vorne und hinten einen standhaften Wall bilden lassend – ich war richtig froh, das DeVeCa, Simodes und Kalixides dabei waren. Der Gang war nur zwei Schritt breit, so dass er leicht zu verteidigen war und schon bald stauten sich die Kreaturen der Herrin der nachtblauen Tiefen neben-auf und hintereinander, hatte der Untot sie doch jedes bisschen verstandes gekostet. Darauf schien Junasia nur gewartet zu haben. Wieder machte sie einen dieser furchterregenden Feuerbälle bereit und lies die Flammenkugel zischend aus ihren Händen – die sie sich dabei ordentlich verbrannte – lossausen. Ich hatte kaum Gelegenheit die Leichen richtig zu mustern, der zerschlissenen Kleidung nach wohl allesamt ehemalige Seefahrer, bis auf eine vereinzelte Gestalt die tatsächlich die Überreste der Robe eines Magier trug, da detonierte Junasias Vernichtungswerk hinter und über den Köpfen der Untoten. Es ein Massaker zu nennen wäre eine echte Untertreibung gewesen! Zischend stieg Rauch von den Wassergetränkten Körpern auf, die Kohortenweise zusammen sackten  oder mit übelsten Brandverletzungen kaum noch wankten. Es stank erbärmlich nach verschmortem fauligen Fleisch und Fisch, ich musste an mich halten um meinen Magen unter Kontrolle zu behalten. Erneut war ich von Junasias Effizienz erstaunt und begeistert. Mit dem Rest machten unsere Kämpfer kurzen Prozess. Zwar gab es ein paar Kratzer und Wunden die wir vor dem Weitergehen noch schnell versorgten und desinfizierten (das war wieder einmal Azinas Aufgabe), aber nichts was uns schwer behindern dürfte. Kurz darauf erreichten wir den Raum zu dem wir unterwegs waren. Das war fast zu einfach… tatsächlich sahen wir den Mondsilberstern genau dort vor uns, der uns wieder hinaus bringen sollte. Das einzige Hindernis zwischen uns und dem Stern war eine riesige Schildkröte. Das war fast schon lachhaft! Allerdings verging die in mir aufkeimende Heiterkeit schnell wieder, als die Schildkröte aus ihrem Panzer die Arme, Beine eines Menschen ausfuhr und mit schnappendem Schildkrötenschnabel eilends auf uns zukam. Was sollte das nun wieder? Unsere Kämpfer machten die Waffen frei und stellten sich der Bedrohung, aber der Panzer war recht dick und anscheinend schwer zu knacken, während die ungeschützten Extremitäten den Schlägen erstaunlich behände auswichen. Junasia stand neben mir und hatte die Augen fest geschlossen. Ich war hin und hergerissen ob ich jetzt dem Kampf folgen sollte oder lieber bei ihr sehen, was gleich passieren mochte. Einige Herzschläge später riss sie die Augen, die jetzt blau strahlten, wieder weit auf und rief „Kulminatio Kugelblitz!“. Daraus hervor schossen zwei grell gleißende blaue Blitzkugeln die knisternd auf die Schildkröte zujagten. Daher also wehte der Wind! Ein Kulminatio! Noch so eine Überraschung, diese Formel gilt ja, soweit ich weiß, als nicht gerade weit verbreitet. Was für Geheimnisse hüteten diese Bergschrate im Raschtulswall denn noch alles? Ein seltsamer metallischer Geruch lag in der Luft und als die Blitze kreischend in die Schildkröte schlugen zog diese ruckartig Arme, Beine und Kopf ein und plumpste scheppernd zu Boden. Junasia hielt sich den Kopf, als wenn dieser sie schmerzte, aber das konnte ich nachfühlen. Ich konnte kaum abschätzen, wie Kräftezehrend das jetzt schon für sie gewesen sein muss, aber es dürfte sie einen großen Teil ihrer Macht gekostet haben. Wie auf ein Kommando rannten wir los, vorbei an dem Panzertier und rauf auf den Stern, irgendwie hatte keiner von uns Lust sich noch weiter mit diesem seltsamen Gegner auseinander zu setzen.

Der Stern entlies uns auf der anderen Seite des Labyrinths in einer schmalen Schlucht, die genau einen Ausgang zu haben schien. Wieder an der frischen Luft schnauften wir erst einmal durch und begannen unsere Verletzten, die wir trotzdem hatten, zu versorgen. Dann begann Azinajida sich leise vorzuarbeiten. Wir anderen folgten ihr in knapper Sichtweite. Aber sehr weit kamen wir gar nicht. Der Bachlauf der hier entlang lief wurde bald in einem kleinen Talkessel zu einem künstlichen Teich aufgestaut, der einzige Ausgang, ein Durchgang im Fels, lag etwas knietief im Wasser. Das allein wäre nicht bedrohlich gewesen, wäre da nicht am Rande des Teichs eine Holzkonstruktion gestanden. Eine Art Podest mit Opferpfahl, von dem eine Rinne in das Becken führte. Und das Wasser war, anstatt klar und sauber wie man es von einem Bergbach erwarten würde, faulig stinkend und von einem dicken Algenteppich überzogen. Bei mir schrillten alle Alarmglocken und ich beschied den anderen, sich nur nicht dem Wasser zu nähern. Wobei sie dazu anscheinend eh keine Lust hatten, auch ihnen war das Ganze nicht geheuer. Ich inspizierte  das Podest und wurde fündig – ein Beschwörungskreis mit Pentagramm, darum herum Zeichen in Zahyad, der Sprache der Dämonenbeschwörung. Nun war das ja ein Gebiet auf dem ich mich durchaus auskannte, wenn ich auch noch nicht übermäßig viele wahre Namen der Dämonen kannte, aber die geläufigsten Gebrauchsnamen kannte ich als Kenner der Invocatio durchaus. Hier schien irgendwer sich bemüht zu haben einen Ulchuchu, den wachsamen Diener der Herrin Charyptoroth zu rufen. Und genährt worden war er wohl mit dem Blut der armen Opfer die man hierher geschleift hatte. Was für ein trauriges Schicksal, aber das erklärte auch die zahlreichen Wasserleichen die der Macht des Dämons unterstanden. Aber etwas war seltsam. Es dauerte einige Augenblicke bis ich darauf kam, aber dann stellte sich ein Grinsen auf meinem  Gesicht ein. Diese Anfänger. Amateure! Das erklärte auch den untoten Magier im Labyrinth! Natürlich, das wusste ja schon der blutigste Anfängerbeschwörer im ersten Semester. Ein Ulchuchu ist, wenn auch nur ein geringer Diener Charyptoroths doch immer noch ein eingehörnter! Und was braucht man um einen gehörnten Dämonen zu beschwören? Ein HEPTAgramm, das war so klar wie Praios Sonnenlicht! Und diese Laien hier hatten es mit einem PENTAgramm versucht, das konnte ja nur schief gehen! Ich lachte leise. Kein Wunder das der Bann nicht gehalten hatte und der Dämon statt einem Befehlt zu folgen sich lieber den dämlichen Beschwörer geschnappt hatte, der es gewagt hatte ihn herbei zu rufen. Ich schüttelte den Kopf ob so großer Dummheit. Nun ja, es war nicht jeder Zauberer der ein Pentagramm zeichnen konnte eben auch ein Rufer und Beherrscher der mächtigen Wesen. Auf der anderen Seite sollte mir das eine Mahnung sein, selbst vorsichtiger vorzugehen, wenn ich wieder einmal diese Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Ich stand immer noch sinnierend auf der Plattform als Bewegung in den Algenteppich kam. Verdammt! Natürlich, ich stand hier am Beschwörungsplatz, das Ungetüm mochte mich genauso erwischen können! Ich wollte gerade einen Satz nach hinten machen, da traf mich auch schon ein knochenhakenbewehrter Algententakel mitten in die Brust und riss mir eine klaffende Wunde. Es gelang mir gerade so eben mich loszureißen und aus seiner Reichweite zu flüchten, während mich ein hässlich-hämisches gluckern verfolgte. Es tat weh. Sehr sogar! Wir zogen uns ein Stück zurück und Azina sah sich meine Verletzung an und Verband mich während wir das weitere Vorgehen planten. So rechte Lust sich dem Dämon zu stellen hatte eigentlich niemand. Hier wäre wohl Junasia unsere effektivste Waffe gewesen, aber die hatte sich schon so verausgabt, dass sie kaum noch zum Zaubern in der Lage war. Und ich bot zwar an einen Hesthot zu rufen der dem Ulchuchu zu Leibe rücken konnte, aber das wurde mir – wieder einmal, diese engstirnigen Banausen – rundweg untersagt. Während wir noch ergebnislos planten und uns schon auf einen üblen Sturmangriff einstellten sah ich aus dem Augenwinkel, wie Junasia einen Schlauch mit Wasser an den Mund setzte. Wasser! Ich meine, ich hatte die Kollega noch nie etwas anderes wie Heißgetränke oder Alkohol in sich hinein schütten sehen, sie hasste Wasser! Was ging da vor? Auf einmal begann sie zu zucken wie vergiftet und ich meinte, kleine Dampfwölkchen aufsteigen zu sehen. Dann lag sie still. Wir eilten zu ihr, aber da erhob sie sich schon wieder, von innen heraus leuchtend und vor Kraft strotzend, dass es mir richtig bang wurde. Das Wasser hätten ihr die Faune gegeben und ganz genau verstand ich nicht was passiert war. Aber sie war soweit wieder hergestellt, dass sie nun einen Feuerdjinn rufen wollte um den Dämon zu bekämpfen. Das wiederum fanden alle eine gute Idee, da man dadurch am ehesten die eigenen Haut schonen konnte. Leider benötigte sie dazu ein großes Feuer und viel Zeit, und das einzige brennbare Material war das Holz vom Beschwörungsplatz am Teich. Unsere Piraten, Arngrim und Pamina machten sich auf und schafften es tatsächlich, einige Verletzungen einsteckend, diesen ausreichend zu demontieren damit Junasia ein ordentliches Feuer schüren konnte. Zwei geschlagene Stunden dauerte es, bis ihr Djinn erschien. In der Zeit hätte ich ihr ein dutzend Hesthots beschwören können… Dann bat sie das Flammenwesen, eine Mischung aus einem feurigen Unterleib und dem stattlichen Oberkörper eines in Flammen stehenden Mannes, um Hilfe. Irgend etwas musste sie falsch gemacht haben, denn das Wesen fauchte sie an, verweigerte ihr die Gefolgschaft, aber, immerhin, statt sie zu rösten, wandte sich sofort ohne zu warten dem Dämon in seinem Teich zu. Das war wohl der legendäre Hass der Elementare auf alles Dämonische, da brauchte es noch nicht mal einen Befehl um diese Dinger zur Kooperation zu bewegen! Nur aus unserem koordinierten Angriff wurde damit nichts. Wir rannten alle hektisch dem Elementar hinterher. Junasia schrie noch, wir sollten diesen Schützen, da er sonst nicht lange bestehen würde, dann ging es auch schon los. Der Feuerdjinn traf den Ulchuchu mächtig mit einer Flammenlanze, wurde aber seinerseits von den stinkenden Tentakeln und unheiligem Wasser selbst kräftig gebeutelt. Dann waren wir heran und die Kämpfer bildeten so etwas wie einen Schutzwall vor dem Djinn. Ich war erstaunt wie schnell dann alles ging. Es ging nur ganz kurz hin und her, dann verging der Ulchuchu auch schon mit einem hässlichen Kreischen und fuhr zurück in die Niederhöllen, weggebrannt von den Flammen des Djinns, der sich, ohne ein einziges Wort des Abschieds, in die Nacht davon machte. Hektisch leerte ich einen Lederbeutel aus und begann, die zurückgebliebenen restlichen und unverkohlten dämonischen Algen auszupressen und einzusammeln. Das war eine wertvolle Beute! Zumindest für einen Alchymisten der wusste, was man damit alles anstellen konnte. Von den anderen erntete ich nur mitleidige Blicke, aber das war mir egal. So war es nun einmal zwischen Wissenden und Unwissenden, das nahm ich ihnen noch nicht einmal übel. Zumindest war nun der Weg für uns frei. Wir beschlossen Azina erneut vorzuschicken, während wir anderen hier oben noch ein wenig Ruhen würden.

Während Azina weg war versuchte ich, mich nicht allzu sehr von den Schmerzen in meinem Brustkorb ablenken zu lassen – ein Balsam Salabunde half mir dabei ungemein weiter. Wie lange genau sie fort war vermag ich gar nicht exakt zu sagen, da ich zwischenzeitlich wohl eingedöst sein musste. Aber Anhand des Stands der Sterne und des nahenden Morgengrauens  müssen es wohl mindestens zwei Stunden oder mehr gewesen sein. Sie berichtete, dass sie eine Höhle gefunden hatte, in der sich die Schurken wohl verkrochen. Aber wie viele es genau sind, von mindestens dreien wussten wir ja seit der Ausfahrt des Schiffs, vermochte sie leider nicht zu sagen, soweit hatte sie sich alleine auch nicht hinein wagen wollen. Aber angesichts des Überraschungseffekts auf unserer Seite und wenn man die Uhrzeit bedachte – um diese Zeit mochten manche unserer Gegner noch schlafen oder so müde sein, dass sie kaum reagierten – war jetzt wohl unsere beste Gelegenheit hier ordentlich aufzuräumen. Azina führte uns den Bergpfad hinab bis zur besagten Höhle. Dabei kamen wir auch an einem Verschlag vorbei der roch und aussah, als hätte man dort Vieh gehalten. Aber an den Hinterlassenschaften erkannte ich eindeutig, dass man dort Menschen gefangen gehalten hatte. Arme Schweine! Das mussten die Gefangenen Seeleute gewesen sein, die man dem Ulchuchu als Opfer vorgeworfen hatte. Ein schlimmes Schicksal, erst so unwürdig dahin vegetieren zu müssen um dann als Dämonenfutter herzuhalten, das hatten diese braven Seeleute nicht verdient. Dieser amateurhafte Beschwörer hatte sein Los mehr als verdient!

Als wir uns dem Eingang der Höhle näherten ließen wir Azina, die im herumschleichen wohl am bewandertsten von uns allen war, wieder den Vortritt. Vorsichtig verschwand sie vor uns zwischen den Felsen, wir folgten ihr in gebührendem Abstand um sie nicht zu verraten, aber nah genug um ihr im Bedarfsfall zu Hilfe eilen zu können. Wir waren selbst gerade durch die Pforte getreten, als sie uns auch schon wieder entgegen kam und erzählte was sie gesehen hatte. Ein Stockwerk tiefer, wohin es weiter hinten über eine Holztreppenkonstruktion ging, befanden sich wohl alle Anwesenden Feinde, darunter hätte sie auch eine Frau in Magierrobe gesehen, die gerade irgendwelche Rituale an einem bedauernswerten Menschen vollführte. Das musste ich mir natürlich genauer ansehen! Vielleicht konnte man das Weib noch stoppen! Da erschallte auch schon ein schauerliches Geheul von unten wie von einem Mann, der aufs schlimmste gequält wurde. Ich eilte leise nach vorne und glitt so still es ging die Treppe hinab, gerade so weit, dass ich die Szenerie überblicken konnte. Das Blut gefror mit in den Adern beim Anblick der sich mir darbot. Vor meinen Augen verschmolz ein ziemlich großes hummerartiges Wesen mit einem Mann zu einer einzigen Kreatur, dabei schauerliche Töne ausstoßend als wäre das Ganze mit furchtbaren Qualen verbunden. So etwas sollte man verbieten! Halt, nein, so etwas war ja Verboten, man nannte es Chimärologie und das praktizieren mit Vernunftbegabten Zweibeinern stand unter höchster Strafe wenn ich mich richtig entsann! Was mich aber noch weit mehr aus der Fassung brachte war die Frau, die dafür verantwortlich war. Dort vor dem Beschwörerzirkel stand in ihrer ganzen, nach wie vor ungemein anziehenden Erscheinung Donata Efferdan da Costa. Ich bin ja ansonsten eher der rationale Typ und lasse mich selten von meinen Gefühlen leiten, würde ich zumindest von mir selbst behaupten, immerhin war ich ein analytisch und kühl kalkulierender Magus. Aber genau Donata hier wieder zu treffen… irgendwie hatte ich es innerlich tief in mir schon vermutet, dass sie ihre Finger in diesem durch und durch nach Rache aussehenden Plan hatte. Aber mein Gefühl jetzt so bestätigt zu sehen lies mich dann doch unbeherrscht reagieren. Ich stampfte mit dem Fuß auf die hölzerne Treppe, was einen dumpfen laut erzeugte und mir entfuhr ein gefluchtes „Ich wusste es!“ Satinav schien den Atem anzuhalten und die Zeit einzufrieren. Im gleichen Augenblick als sich aller Blicke ruckartig mir zuwandten wusste ich, dass war ein Fehler gewesen… verdammte Emotionen! Donata und die Anderen, ich erkannte noch mindestens Alves und Esteban, erstarrten ebenfalls als sie mich sahen und für einige Sekunden starrten wir uns gegenseitig an. Donata brach den Bann als erstes und hieß ihre Schergen und das Hummerwesen mich zu ergreifen. Das nahmen wohl auch meine Gefährten zum Anlass, zum Angriff überzugehen da sie an mir vorbei stürmten. Unser wilder Ansturm drängte die sich verteidigenden Verschwörer durch einen kurzen Gang zurück in die Höhle, in der die Chimäre erschaffen worden war. Selbst Junasia, die wohl vorher bereits all ihre Kraft verbraucht hatte, warf sich wild mit einem Schwert fuchtelnd (und diese Bezeichnung beschreibt ihre kämpferischen Fähigkeiten wohl am besten) ins Gefecht. Azina kletterte wie eine Spinne die Wand hinauf und lies sich über den feindlichen Linien auf einen der Burschen fallen um ihn niederzustrecken. Arngrim, Pamina, DeVeCa, Kalixides und Simodes fochten mit roher Gewalt um sich einen Weg zu bahnen. Und ich warf aus der zweiten Reihe wo immer nötig einen schnellen Blitz Dich Find oder Fulminictus auf unsere Feinde. Wir gewannen zügig die Oberhand, auch wenn der Hummer wirklich schwer zu knacken war. Dann waren wir durchgebrochen und Donata zog sich weiter in die Höhle, die sonst keinen Ausgang zu haben schien, zurück. Endlich würde ich ihrer habhaft werden, denn ihre Kraft hatte sie anscheinend vollständig für das Ritual verbraucht! Als ich auf sie zu rannte sah ich noch, wie sie sich ein Fläschchen an den Mund führte und tief schluckte. Nur kein Astraltrank! Wenn sie wieder bei Kräften wäre, würde sie wohl gefährlicher sein als alle ihre Schergen zusammen. Aber das war es nicht. Sie brach quasi auf der Stelle zusammen und ihr Gesicht verfärbte sich Purpurn – ein Gift. Und nicht irgend eines. Solche Symptome, das wusste ich als kompetenter Alchymist, hatte nur Purpurblitz. Ich fluchte. Azina eilte ebenfalls herbei und wollte unsere wertvollste Gefangene und Zeugin retten, aber da  war einfach nichts zu machen. Purpurblitz ist nun einmal eines der tödlichsten Gifte deres – ich hasse es sagen zu müssen, aber dafür reichen meine Kenntnisse des Klarum Purum noch lange nicht aus, ich habe wohl doch noch einiges zu lernen. Esteban, der den Kampf ebenfalls, wenn auch stark lädiert, überlebt hatte stürzte zu seiner Verwandten um die sterbende trauernd in die Arme zu schließen. Ich ließ ihn gewähren, da war eh nichts mehr zu machen, er würde uns hier unten nicht mehr entkommen und wir wollten uns eh noch den Rest der Höhle ansehen. Immerhin hatten wir ihn als lebenden Gefangenen um jemand vor Gericht zu zerren.

Ansonsten war die Höhle eigentlich recht übersichtlich. Neben den Schlaflagern und Aufenthaltsbereichen erweckten nur ein Schreibtisch und zwei Truhen unsere Aufmerksamkeit. Azina knackte mit ihren geschickten Fingern und machte sich an den Schlössern zu schaffen – wirklich unerwartete Qualitäten bei einer Heilerin… sie hatte so viele versteckte Talente, das ich schon wieder gespannt war was sie als nächstes vielleicht anstellen mochte. Zum Vorschein kamen mehrere relevante Dinge. Ich will hier auch gar nicht chronologisch vorgehen oder an welchem Ort wir sie genau gefunden haben, sondern zähle sie nun in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit auf, wobei ich bei den profansten Dingen anfangen werde. Da zuförderst so etwas wie die Handkasse unserer Gegenspieler. Die fiel schon recht üppig aus, einige Säckchen randvoll mit guten Dukaten, die wir uns erlaubten brüderlich zu teilen – ja, auch unsere tapfer kämpfenden Begleiter DeVeCa, Simodes und Kalixides erhielten ihren gerechten Anteil, hatten sie doch mehr als nur ihren Pflichtteil zu unserer Unternehmung geleistet. Ohne die drei wäre es uns wohl deutlich schwerer gefallen überhaupt bis hierher zu kommen. So blieben aber immer noch für jeden stolze 40 Dukaten, die nun schwer auch an meinem Gürtel zogen. Dann waren da noch Wechsel der Nordlandbank. Ich weiß nicht, ob diese Kapital der Verschwörer waren um Fabrizzio zu stürzen oder der Erlös aus den ebeuteten Schiffen – aber nachdem ich damit fertig war die Papiere zu sichten war mir schon ein wenig schwindelig. 26.000 Dukaten! Das war der Inhalt einer königlichen Schatzkammer, hier in einem armseligen Piratenunterschlupf. Es juckte mich in den Fingern, einen Teil der Wechsel ungesehen abzuzweigen, aber wer wusste schon ob bei einer solchen Summe nicht irgendwo doch jemand Buch geführt hatte? Ich verkniff mir einen persönlichen Griff in die Schatulle und steckte die Wechsel samt und sonders ein wie sie waren. Im schlimmsten Fall mochten sie mir dazu dienen Fabrizzio einfach frei zu kaufen… Trotzdem war mir fast übel von der Vorstellung, wie viel Wert ich nun bei mir trug. Dann waren da noch zwei Dinge, die wohl nur für mich persönlich von Nutzen waren. Ein paar Stangen Zauberkreide von gar nicht einmal schlechter Qualität die bisher wohl von diesen Hobby-Beschwörern genutzt worden war. Und die Anleitung der Anrufung, vulgo der Wahre Name, des Ulchuchu, niedergeschrieben in Zahyad ebenfalls von ordentlicher Qualität. Damit konnte ich tatsächlich etwas anfangen, auch wenn ich keine Ahnung hatte wofür ich wohl einmal einen Ulchuchu gebrauchen sollte. Aber das war jetzt egal, schon allein diese Formel zu besitzen zeichnete mir ein fettes Grinsen ins Gesicht. Und zuletzt, und dass war wohl das wichtigste, ein Briefdokument, welches mir, als ich es las, erst unglaubliche Freude bereitete da es Fabrizzio von allem entlastete, und dann die Zornesröte ins Gesicht trieb ob der Infamität mit der ich hintergangen worden war. Dort stand schwarz auf weiß zu lesen…

„Werte Zirkelschwester Donata, ehrenwerte Vorsteherin unseres Bundes,         20. Peraine

ich habe freudige Nachrichten, die Dinge laufen wie geplant. So Phex will, steht der baldigen Rückkehr an den Familienstammsitz der Da Costas und der Aufnahme unserer alten Geschäftsbeziehungen in Bethana nichts mehr entgegen.

Fabrizio di Garangor wurde vor zwei Tagen in Haft genommen, Geschäfte mit dem Handelshaus wurden bis zur endgültigen Klärung der Umstände mit Strafe belegt. Bargeld und Waren wurden einstweilen beschlagnahmt, Konten gesperrt, Lager- und Geschäftshäuser versiegelt.

Kurz: Das Handelshaus Di Garangor wird bald als unrühmliche Episode in die Geschichte Bethanas eingehen. Dank der wohlfeil formulierten Passagen im kompromittierenden Brief haben sie mich bislang in Ruhe gelassen.

Gerade wird der Prozess mit Hochdruck vorbereitet. Zwar weilt das Stadtoberhaupt derzeit nicht in Bethana und wird erst am 10. Ingerimm zurück erwartet. Dennoch dürfte die Verhandlung angesichts der Beweislage nicht allzu lange dauern, ich rechne hier mit rund 3 Tagen. Doch was ficht uns diese geringfügige Verzögerung an, wo wir doch die Dinge von so langer Hand geplant haben. Derzeit werden von den Händlern Aufstellungen über deren Verluste gefertigt, die wohl als Schadensersatz im Verlauf des Prozesses geltend gemacht werden dürften. Da die Pfeffersäcke eine Möglichkeit sehen ihre jüngst erlittenen Verluste zu kompensieren, werden Sie sich mit Vergnügen an der Zerschlagung des Handelshauses Di Garangor beteiligen und uns so unwissentlich in die Hände spielen.

Ich muss einstweilen der Obrigkeit auf Abruf zur Verfügung stehen. Des Weiteren wurde mir auferlegt, bei der Erstellung einer Vermögensübersicht mitzuwirken um evtl. Schadenersatzforderungen gegenrechnen zu können. Als ich Fabrizio di Garangor am Tag der Verhaftung noch einmal kurz besuchen durfte, bat dieser mich zwei seiner Hochzeitsgäste, Dondoya und Corna, mit der Aufklärung zu beauftragen. Er hat scheinbar großes Vertrauen in die Fähigkeiten der Beiden und meinte, Sie werden schon Entlastendes finden. Um den Schein zu wahren, habe ich den Beiden den Auftrag gegeben nach Beweisen für Fabrizios Unschuld zu suchen. Damit Sie nicht mit unangenehmen Fragen die Prozessvorbereitungen stören, habe ich Sie mit Verweis auf die Unterschrift unter dem Belastungsdokument nach Teremon auf Pailos entsandt. Sie konnten noch drei weitere anheuern. Insgesamt sind es also fünf. Viele Erkundigungen werden Sie dort ohnehin nicht durchführen können, denn Ihre Meuchler habe ich bereits gestern gedungen. Sie haben den Auftrag uns der Schnüffler in Teremon zu entledigen.

Die Vorbereitungen für unseren zweiten Zug habe ich allesamt erledigt. Da es mir mittlerweile ein leichtes ist die Handschrift Fabrizios perfekt zu fälschen, konnte ich das fingierte Tagebuch zu Ende bringen. Wie Du es wolltest, habe ich im Detail beschrieben, wie Fabrizio bei einem Jagdausflug zufällig die Mine gefunden hat und auf die Idee verfiel den Erwerb der Abbaurechte sowie die Ausschaltung von unliebsamer Handelskonkurrenz in einem Handstreich zu erledigen. Der kostspieligen Anheuerung von Mitverschwörern, die sich in Befragungen als „angebliche" Gefangene der Da Costas in der Mine ausgaben und so im Wesentlichen zum Gelingen der Intrige beitrugen, die den Zusammenbruch des Handelshauses Da Costa zur Folge hatte, habe ich besondere erzählerische Tiefe gewidmet. Fingierter Schriftwechsel mit Dondoya und dem ehemaligen Lehrling des Handelshauses, dieser Fermel, liegt den Unterlagen ebenfalls bei. Ihm kann entnommen werden, dass beide bereits an der Planung der Intrige Anteil hatten. Alles in Allem sollte an dem Wahrheitsgehalt dieser Unterlagen, vor allem im Lichte der jüngsten Ereignisse, kein Zweifel auftreten. Sie werden Fabrizio sicherlich auch diese Hinterhältigkeit zutrauen und damit zwangsläufig den Namen der Familie Da Costa reinwaschen.

Den Hinweis, dass sich im Haus Fabrizios ein geheimes Versteck befindet werde ich zeitnah, also kurz vor Prozessbeginn streuen, bei der dann sicherlich eingehenden Hausdurchsuchung sollte das von mir eingerichtete Versteck (die Vertiefung im Mauerwerk hinter der Vertäfelung in der Mitte des Treppenaufgangs von deren Zufallsfund ich Dir damals berichtete.) sicherlich zügig entdeckt werden, sodass die Unterlagen noch rechtzeitig zu Prozessbeginn in die Urteilsfindung einfließen können.

Die aus der Mine befreiten Personen konnte ich nach und nach alle aufspüren und beseitigen lassen. Vor einer Woche erreichte mich ein Finger von Ulf Therwald, dem Magier. Er kann seine Geschichte nur noch Boron erzählen. Dondoya und Corna sind wenn Dich dieser Brief erreicht wahrscheinlich schon nicht mehr! Diejenigen, die wir bislang noch nicht fassen konnten, den Thorwaler und Fermel, habe ich in den fingierten Dokumenten hinreichend diskreditiert um deren Glaubwürdigkeit nachhaltig zu erschüttern.

Natürlich werde ich weiterhin nach Ihnen suchen lassen um auch bei Ihnen sicher zu gehen.

Sobald der Prozess vorbei ist, werde ich mich absetzen und zu Euch stoßen. Da Fabrizio jetzt in Haft genommen wurde, könnt Ihr die Piratenüberfälle wie geplant einstellen. Zudem sollten zeitnah sämtli­che angeheuerte Piraten zu Efferd gesandt werden, damit die Scharade mit DeVeCa nicht doch noch im Nachhinein durch das Geschwätz eines besoffenen Matrosen auffliegt und Zweifel an der ganzen Geschichte aufkommen.

Dem Zirkel zur Ehre

Duardo“

Jetzt wurde mir einiges klar. Das ich diesen Hund Duardo nicht früher verdächtigt hatte kam mir jetzt wie eine sträfliche Nachlässigkeit vor. Das muss an der Vorfreude auf die Hochzeit und dem dann folgenden Schock gelegen haben, sonst hätte ich diesen Schuft sicher schneller durchschaut! Aber jetzt hatte ich ihn bei den Eiern. Mit diesem Schreiben als Beweis würde er mir und der gerechten Strafe nicht entkommen.

Eiligst packten wir unsere Gefangenen ein und machten uns auf den Rückweg. Im Labyrinth war es jetzt tatsächlich friedlich und freundlich, dass musste der Vernichtung des Ulchuchu und seinem nun fehlenden Einfluss geschuldet sein. Die Faune waren uns überaus dankbar und hatten sich anscheinend sogar dazu durchgerungen von jetzt an anders mit dem Zyklopen zu verkehren, dieser wiederum war anscheinend ebenfalls glücklich und lud Junasia und Arngrim auf später zu sich ein. Mit dem Schnellsegler, den wir eilig herbeiriefen wurden wir nach Theremon gebracht, das zur See gar nicht weit weg war, gerade mal ein paar Stunden. Dort schifften wir uns dann mit dieser lästigen „Esel der Meere“ Kogge Richtung Bethana ein, der Kapitän war in wunderbarer Regelmäßigkeit auf dieser Route unterwegs, was uns jetzt zupass kam. Auf der Rückfahrt zahlte ich Arngrim, Junasia und Azina aus. 13 Tage waren wir unterwegs gewesen, weswegen ich jedem von ihnen 13 Dukaten auszahlte – und das gleiche noch einmal als Erfolgsprämie. Die 2 Dukaten die übrig blieben gab ich Pamina, womit ich die Reisekasse aufgelöst hatte. Ich selbst nahm mir von dem Gold nichts, aber das hätte ich auch gar nicht gewollt. Dies war kein Lohnauftrag sondern eine Sache unter Freunden, da hätte ich niemals etwas von Fabrizzio genommen. Pamina hingegen konnte das Gold gut brauchen, ich glaube ihre Börse leidet an notorischem Goldschwund.

Zurück in Bethana ereilte uns eine dringende Nachricht – die Baronin war überraschend früher zurückgekehrt und der Prozess war vorgezogen worden und gerade im Begriff zu beginnen, obwohl wir noch 5 Tage Zeit hätten haben sollen. Sofort machten wir uns auf zum Gerichtsgebäude. Der Andrang der dort herrschte war enorm. Ich hatte den Eindruck, ganz Bethana wollte an diesem Spektakel teilhaben. Wir wurden nur noch eingelassen, da ich mich als Advocatus des Angeklagten auswies. Vorn auf der Anklagebank saß Fabrizzio, an dessen Seite ich eilte. Zuversichtlich zwinkerte ich ihm zu. Alles würde gut werden, auch wenn er ziemlich bleich und abgehärmt aussah. Hinter meinem Rücken machte sich die gute Azina, gelobt sei ihre Voraussicht, daran Duardo, der ebenfalls anwesend war, davon abzuhalten eine Flucht zu versuchen. Der Prozess begann, und nachdem die Anklage verlesen war erhob ich mich und sagte diesen Satz, den ich schon immer einmal hatte vor Gericht sagen wollen: „Einspruch euer Ehren!“ und begann dann meinerseits, die neuen Beweise vorzulegen und das wahre Geschehen zu schildern. Dann lief alles ab, als wäre ich nur stiller Beobachter, so unwirklich erschienen mir die folgenden Tage.

Nachdem die Herrin der Baronie Bethana, Hesindiane von Bethana-Aralzin den Prozess in der Causa Handelshaus di Garangor nach der Vorlage meiner umfangreichen Entlastungsbeweise vorerst zur Sichtung und Bewertung der Dokumente unterbrechen lies, wurden wir geheißen uns auf Abruf bereit zu halten.

Duardo Zerbero Perainea und sein Zirkelbruder Alvez Efferdan Da Costa wurden arrestiert. Zunächst schien es so, dass der Schriftwechsel, das Tagebuch, die Wechsel der Nordlandbank sowie Eure Aussagen ausreichend sein würden, die massiven Anschuldigen gegen Fabrizio entkräften zu können. Allerdings stellte sich bei Wiederaufnahme des Prozesses heraus, dass neben der Intrige des Zirkels noch ein anderes Gift seine Wirkung entfaltet hatte. Die noch  während unserer Recherchen zu Protokoll gegebenen „Zusatzbeweise“ entsprangen nicht selten den Interessenslagen einiger Bethaner Patrizier, die wegen dem rasanten Aufstieg des Handelshauses di Garangor Geschäftseinbusen zu verzeichnen hatten. Um die berechtigte Fragestellung zu vermeiden, warum Fabrizio di Garangor von Ihnen in dem Praios ungefälliger Art zu Unrecht beschuldigt wurde, gingen einige von Ihnen zu dem Versuch über, uns zu diskreditieren und zu behaupten, dass die erbrachten Gegenbeweise fingiert wurden. Insbesondere mich selbst versuchte man ein aufs andere Mal in ein schlechtes Licht zu rücken. Allerdings war die Stringenz der Gegenbeweislage nach wiederholt logischer Darlegung durch den Rechtsbeistand Fabrizios, also mich, sowie die sich ins Bild fügenden mehrmals von uns abverlangten Aussagen schlichtweg nicht mehr zu widerlegen.

Während des Prozesses erreichte die Kunde das hohe Gericht, dass die Kapitänin der Redonda, in den Gewässern einer kleinen Inselgruppe in der südlichen Zyklopensee, eine mit nur drei Personen besetzte Schivonella aufgebracht hatte (Azina hingegen meint sich daran zu erinnern, dass bei der Ausfahrt der Schivonella aus der Bucht inkl. Magier 5 Personen auf Deck zu sehen waren, da werden nicht doch noch einige Verbrecher entkommen sein?). Da die Aufgegriffenen nicht glaubhaft vermitteln konnten, wo der Rest der normalerweise an die einhundert Mann starken Mannschaft abgeblieben war, setzte die Kapitänin diese kurzerhand fest und übergab diese in Neetha der Gerichtsbarkeit. Nach Bekanntwerden dieser Episode lies die Baronin kurzerhand die Festgesetzten nach Bethana überführen. Bereits nach den ersten Befragungen bestätigten deren Aussagen die Unsrigen und dem Freispruch für Fabrizio stand nichts mehr im Wege, Hesinde und Praios seien gepriesen!

Insgesamt dauerte der Prozesses noch rund 14 Tage und erregte weit über die Grenzen der Baronie Bethana hinaus Aufmerksamkeit. Kein Wunder bei der Tragweite der vergangenen Vorkommnisse.

Während der Prozessdauer war es nur mir gestattet Fabrizio zu besuchen. Der Leibdiener Fabrizios brachte uns alle im Hause der di Garangors unter, es mangelte uns an nichts. Sogar mir gegenüber (den Diener hielt mich zu Beginn wohl für einen Lump und Verbrecher in Robe) legte er ein äußerst respektvolles Verhalten an den Tag. Die Familie Nivian stellte sich bereits nach den ersten beiden Tagen des Prozesses – ich hasse solche Opportunisten, aber für Fabrizzio freute es mich ungemein - wieder voll hinter Fabrizio und das Oberhaupt entschuldigte sich im Gerichtssaal persönlich im Namen der gesamten Familie Nivian bei ihm. Der Hochzeit, sofern Fabrizio Esmeralda noch wolle, stünde nichts im Wege. Und natürlich wollten die beiden Turteltauben, bei Rahja! Wofür hatte ich mir den sonst den Gluteus Maximus aufgerissen?

Als Fabrizio freigesprochen wurde kam er, noch bevor er Esmeralda in die Arme schloss, zu jedem Einzelnen von uns und bedankte sich mit Tränen in den Augen für die Hilfe. Noch am selben Abend luden Fabrizio und Esmeralda zu einer Feier in kleinem Kreise, bei der wir darum gebeten wurdet, die Ereignisse während unserer Recherche noch einmal im Detail zu erzählen. Anschließend sprachen Fabrizio und Esmeralda uns allen eine Einladung als Ehrengäste zur Ende Ingerimm anstehenden Vermählung aus. Die Vermählungsfeier, so Fabrizio, werde leider etwas kleiner ausfallen müssen, da die Einladung bestimmter Mitglieder der betahnischen Gesellschaft sich im Lichte der jüngsten Ereignisse quasi verbiete. Allerdings, so stellte er dann doch erfreut fest, hätte das Ganze dann doch auch sein Gutes gehabt, denn durch diese unrühmliche Episode sei, sozusagen, ein reinigendes Gewitter über seine bisherigen Geschäftsbeziehungen hinweggezogen. Viele seiner Geschäftspartner, Freunde und Bekannten hätten sich nämlich erfreulicherweise nicht an der Hetzjagd beteiligt und hätten ihnwährend seiner Inhaftierung offen unterstützt oder zumindest im verdeckten versucht zu helfen.

 

Am 20. Ingerim fand die Hochzeit von Esmeralda und Fabrizio im Kreise Ihrer Familien und rund 100 geladener Gäste statt. Auf der zwei Tage andauernden Festivität hatten wir Gelegenheit die wichtigen noch in der Bekanntschaft der di Garangor verbliebenen Bethaner Patrizierfamilien, sowie weitere wichtige Persönlichkeiten der Stadt kennenzulernen. Neben dem Brautpaar waren wir, die „Helden von Akidos“, die „Piratenhetzer“, die begehrtesten Gäste und wurden bei jeder Gelegenheit nach Details zu den Ereignissen gefragt. Ich kam mir manchmal mehr wie eine Jahrmarktattraktion denn als Gast vor. Nur Arngrim wurde ob seines „verstörenden“ Äußeren und der, trotz einer reichlich zur Verfügung gestellten Auswahl an Duftwässern, beständig neben ihm herschwebenden Note von „Nasser Hund“ weniger häufig angesprochen (Am zweiten Tag schien es sogar so, dass die anderen Gäste ihn „höflich“ mieden.)

Immer wieder wurde unser göttergefälliges Verhalten in der Causa „Nordlandbankwechsel“ hervorgehoben und mit viel Lob und Anerkennung bedacht. An Angeboten, im Falle wichtiger Angelegenheiten auf uns zukommen zu wollen, mangelte es nicht. Vielleicht sollte ich meinen Wohnsitz nach Bethana verlegen, hier hätte ich sicher ein gutes Auskommen. Aber da stehen natürlich noch meine Verpflichtungen dem Herrn Vater gegenüber im Wege. Ich hätte doch ein paar der Wechsel einstecken sollen um meine Schulden bei ihm zu tilgen… hinterher ist man einfach immer Schlauer…

 Pamina wurde von Esmeralda Nivian auf der Hochzeit dem herzöglichen Jägermeister vorgestellt, dieser erfreut sich so sehr an den „Fachgesprächen“, dass er Parmina fragte, ob diese ihm nicht während der nächsten drei Monde zur Hand gehen möchte, da er Hilfe bei der Vorbereitung auf die im Frühjahr anstehenden herzöglichen Festivitäten brauchen könnte. Kost und Logis wären gewährleistet. Für Pamina war ein ordentliches Auskommen die nächsten Monde also gesichert, das gönnte ich ihr  von Herzen.

Azina wurde eines Abends von Fabrizio in sein Kaminzimmer gebeten. Bei einem Becher vorzüglichen Weines, sprach er sie darauf an, ob Sie sich an die Passage in dem Beweisdokument erinnern könne, in der Duardo davon schreibt, dass er Xinda Fernel und dem Thorwaler Meuchler hinterher senden wolle. Er bat Azina sich in einschlägigen Bethaner Kreisen umzuhören und herauszufinden ob eine solche Order schon ergangen sei und was ggf. der Preis wäre das Unterfangen zu stoppen. Nach etwa einwöchiger Recherche gelang es Azina tatsächlich die entsprechenden Leute kennenzulernen und den Auftrag zu stoppen. Da Fabrizio keine Kosten gescheut hatte war dieses Geschäft für die vormals von Duardo beauftragten sehr ertragreich, weswegen Azina aus diesen Kreisen wohl derzeit einiges an Wohlwollen erfuhr. Dies zahlte sich bereits wenige Tage später aus, als Azina von einem dieser Männer aufgesucht und gewarnt wurde. Vor zwei Stundenglässern hätten sich zwei Männer im Hafenviertel nach ihr, der am Prozess beteiligten Maraskanerin erkundigt, sie hätten den gleichen Akzent wie Azina gesprochen und seiner bescheidenen Einschätzung nach nichts Gutes verheißen.

Yu und Angrim konnten sich nach den Festlichkeiten auf einem Handelsschiff der di Garangor, dass nach Teremon fährt, einschiffen. Über Papyroxides, den Vellumm-Manufakteur, stellten sie Kontakt zu DeVeCa her. DeVeca und seine Leute freuen sich sehr die beiden wieder zu sehen und nach einem festlichen Gelage während dem alle Neuigkeiten ausgetauscht wurden, wurden die beiden mit dem Schnellsegler nach Akidos verbracht. DeVeCa übergab den beiden noch einen Käfig mit zwei Brieftauben, die darauf abgerichtet sind Papyroxides anzufliegen. Dieser würde sich dann bei Bedarf um die Abholung kümmern und den beiden per Taube den Zeitpunkt mitteilen.

Chul Einur ist war Yu und Angrim wieder zu sehen. Nach der Begrüßung führte er die beiden auf das Plateau von dem aus die Bucht zu sehen ist und zeigt Ihnen, dass er die Zufahrt zur Bucht durch einen Felsrutsch weiter verengt hatte. Einem Schiff normaler Größe war es nun nicht mehr möglich in die Bucht einzufahren. Er erzählte den beiden während Ihres Aufenthalts auch davon, dass er mit den Faunen eine Übereinkunft getroffen hatte. Diese bringen im nun Früchte und er fertigt für Sie den ein oder anderen nützlichen Gegenstand. Rätsel stellen Sie ihm zu seinem Zeitvertreib nach wie vor. Er ermahnte die beiden während Ihrer Streifzüge auf der Insel vorsichtig zu sein, da Kyro Hapta, der Zyklop aus dem Norden sie wahrscheinlich töten würde wenn sie ihm zwischen die Finger kämen.

Während des Aufenthalts verstanden Yu und Angrim auch warum es heißt, das Zyklopen launisch seien. Es kamm bisweilen vor, dass Chul Einur die beiden nicht in seiner Nähe haben wollte (zumeist dann, wenn seine Arbeit ihn gerade sehr fesselte). Wenn die beiden dann zu lange zögerten die Schmiede zu verlassen, verlieh er mit seiner donnernden Stimme und mitunter einem Schubs mit seinem Pailos seinem Wollen Nachdruck. Einen guten Teil Ihres Aufenthalts verbrachten Yu und Angrim damit, für Chul Einur aus verschiedenen Adern unterschiedliche Erze zu brechen und Chul Einur beim Verhüttungsprozess über die Schulter zu schauen. Angrim konnte seine handwerklichen Fähigkeiten verbessern und Yu hatte die Gelegenheit durch geschicktes Fragen viel Wissen aufzusaugen. Insgesamt warder Aufenthalt bei ihm für beide wohl sehr lehrreich.

Angrim, der das Tagebuch von Xarbasch bekommen hatte, konnte anhand Xarbaschs Aufzeichnungen mit dessen Werkzeug und an dessen alten Amboss verschiedene Schmiedetechniken üben und verfeinern. Chul Einur blickte ihm dabei wohlwollend über die Schulter und korrigiert immer wieder mit wertvollen Hinweisen dessen Arbeit. Insbesondere hinsichtlich der Elastizität und der Härte des Materials erzielte Angrim nun bessere Ergebnisse. Angrim lernt vor allem, dass ein guter Verhüttungsprozess, im Sinne einer guten Materialvorbereitung, das Ergebnis der eigentlichen Schmiedearbeit nachhaltig positiv beeinflusse.

Für Yu war der Aufenthalt vor Allem deshalb interessant, da sie sich umfassend mit dem Element Erz befassen konnte. Mangels praktischer Fähigkeiten wurde sie sowohl von Chul Einur als auch von Angrim sehr oft zu Handlanger-Tägigkeiten herangezogen und war oftmals aufs zuschauen und fragen beschränkt. Neben den oben bereits erwähnten körperlichen Tätigkeiten, erfuhr sie dadurch jedoch einiges über die unterschiedlichen Eigenschaften der verschiedenen Erzarten (Härte, Struktur, Einschlüsse in und von anderen Materialien, mögliche Lagerstätten etc.). Zudem hatte sie die Möglichkeit die Reaktion der Erzarten auf das Element Feuer ausgiebig zu studieren (Schmelzzeitpunkte, Grad der Verflüssigung, Aushärtedauern, Materialschwund bei Erhitzung etc.).

Ich selbst bekam ausreichend Gelegenheit mit Fabrizio über mögliche Handelsbeziehungen zwischen unser beider Häuser zu sprechen. Fabrizio und Esmeralda baten mich eines Abends zum Gespräch und äußerten den Wunschm dem werten Herrn Vater mitzuteilen, dass sie zusammen mit einer Abordnung des Hauses Nivian gerne einmal zum Kennenlernen und der Planung des Ausbaus der Geschäftsbeziehungen in Al‘Anfa bei ihm vorstellig werden würden. Anvisiert sei der Besuch im Rondra. Sie überreichten mir ein Schreiben für meinen Vater, in dem sie Ihn für den Umstand beglückwünschen einen so ausgezeichneten Mann – also mich - seinen Spross nennen zu dürfen. Dieses Lob aus dem Mund meines Freundes erfüllte mich wirklich mit Stolz. Des Weiteren fragte Esmeralda was den angemessene Geschenke für den Herrn Vater und seine Frau Gemahlin wären. Ich musste zugeben, da war ich jetzt auf kaltem Fuße erwischt – aber Mutter freute sich eigentlich immer über Perlen von fremden Gestaden, da war ich mir sicher. Und Vater hatte, soweit ich das beurteilen konnte, eine versteckte Leidenschaft – nein nicht für hübsche Sklavinnen, die Leidenschaft war offensichtlich -  für nordländische Schnapsspezialitäten, je ausgefallener umso besser. Beim Buchhändler Flavio konnte ich noch den Folianten der Kreutherkunde abholen. Ein älteres, jedoch gut erhaltenes Stück das aus gebundenen Handschriften mit teilweise sehr schönen Zeichnungen bestand zum Preis von 40 Dukaten. Ich war glücklich. Eine Handschrift war mir allemal lieber als diese neumodischen unpersönlichen Druckerzeugnisse. Die wären zwar leichter Verfügbar, aber da bin ich von der alten Schule, in einem Buch sollten ruhig Blut und Schweiß seines Schreibers stecken, das verlieh ihm erst Charakter.

 An einem meiner letzten Abende in Bethana erreichte uns beim Abendessen ein versiegelter Brief. Im Umschlag befand sich ein Bogen Vellum auf dem das Zeichen von „La faccia seconda“ gezeichnet ist. Darunter die Worte.

Der Zirkel grüßt die Todgeweihten!“

Waren diese Schlangen denn gar nicht totzukriegen? Musste ich jetzt auch noch bei jedem Schritt über die Schulter blicken. Langsam wurde ich wirklich zornig, und dass so kurz vor meiner Heimreise! Noch am gleichen Abend suchte mich Azina auf

"Preiset die Schöhnheit Bruderschwester Viktor,
der Brief der uns erreichte lässt mir keine Ruhe. Ich möchte wissen, wer diese Leute sind, die uns mit dem Tod drohen und werde Nachforschungen anstellen. Kannst du mir sagen, was du bis jetzt über den Zirkel weißt? Wer gehört dazu, welchen Einfluss haben sie, über wen kann ich noch Informationen suchen? Ich werde keine Mühen und Kosten scheuen, um mehr über unseren Feind herauszufinden. Dies wird allerdings eine Weile dauern. Ich bin sicher, dich interessieren diese Informationen auch, daher würde ich dich gerne kontaktieren, wenn ich mehr herausgefunden habe. Wie kann ich dir also Nachricht zukommen lassen? ... fürs erste muss ich aber untertauchen, also such nicht nach mir."

Ich überlegte kurz, bevor ich ihr eine Anwort geben konnte.

"Meine liebe Azinajida, diese Fragen sind gar nicht so leicht zu beantworten. La Faccia Seconda - das zweite Gesicht -  ist eine Art Geheimorganisation, oder wie man hier im horasischen sagt Zirkel. Die gibt es wohl für alles mögliche, von der Erforschung Deres bis hin zu verbrecherischen Tätigkeiten wie im vorliegenden Fall. Einer ihrer Stammsitze war früher wohl auf jeden Fall Bethana, die Familie Efferdan da Costa, die vor gut zwei Jahren zerschlagen wurde, war zumindest ein wichtiger Beteiligter an diesem Bund, wenn nicht vielleicht sogar das Oberhaupt, aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Donata und Alves waren uns beim ersten Anlauf entkommen, ebenso anscheinend Esteban da Costa. Wobei natürlich jetzt die Probleme mit Donata die am Gift verstorben ist und Alves sowie Esteban denen der Prozess gemacht wurde erledigt sein sollten. Aus dieser Familie droht uns also kein ungemach mehr, es sei denn der alte Efferdan da Costa wäre damals nur zur Kerkerhaft und nicht zum Tode verurteilt worden, aber das weis ich gar nicht mehr so genau. Kerkerhaft bei so einem wohlhabenden und einflussreichen Mann kann natürlich noch einmal etwas ganz anderes sein als eine endgültige Lösung, da könntest Du wirklich einmal nachfragen.

Ich hoffte eigentlich, dieser Schlange jetzt engültig den Kopf abgeschlagen zu haben, aber anscheinend wächst da immer ein neuer nach. Wobei es jetzt doch hoffentlich etwas dauert, bis sie sich von diesem finanziell ruinösen Schlag erholen... wenn ich mir allein die Wechsel und das Schiff betrachte hat sie diese Aktion mindestens 40.000 Dukaten gekostet, das sollte eigentlich niemand so leicht wegstecken. Was natürlich das Betreiben persönlicher Rache in kleinerem Maßstab nicht ausschließt. Ein verhör von Duardo könnte dir da mehr Klarheit bringen, vielleicht kennt er noch Namen, die mir nicht geläufig sind. Auser mit den da Costas hatte ich bisher mit niemandem zu tun. Auch nach dem Schiff des Zirkels könntest Du Dich erkundigen. Dieser Schiffstyp wird in nicht einmal einer hand voll Werften hergestellt und sowas ist ja ein größeres Projekt. Irgendwer wird es in Auftrag gegeben und auch bezahlt haben. Wenn es dann nicht gerde eine Kaperprise war, dürfte derjenige sicher Verbindungen zum Zirkel haben und dir weitere Möglichkeiten bieten. So etwas kann man nicht Spurlos abwickeln...

Ich werde wohl bald nach Hause zu meiner Familie zurückkehren und Fabrizios Besuch bei uns ankündigen. Wenn Du Nachricht für mich hast, schicke diese einfach nach Al'Anfa an die Villa Pelisario, das sollte mich zumindest bis zum Rondramond auf jeden Fall ereichen. Wie lange ich danach dort verweilen werde weiß ich aber noch nicht.

Ich wünsche dir viel Erfolg und Phexens Segen, sei vorsichtig. Ich würde mich freuen Dich irgendwann wieder zu sehen."

Am übernächsten Tag ging ich an Bord eines Handelssegler der Garangors Richtung Al’Anfa, nicht ohne Fabrizio und Esmeralda zu ermahnen, auf sich Acht zu geben. Vom Heck zurück blickend winkte ich ihnen am Kai noch zu als wir den Hafen verließen. Hoffentlich würde ich sie wirklich im Rondra in Al’Anfa begrüßen können…

Dieser Eintrag wurde am 1.01.2018 (23:29) verfasst und 614 mal aufgerufen.
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