Tagebuch von Victor Dondoya Lucisresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Interludium - Von Bethana nach Hause und Fabrizios Besuch

Die Reise zurück nach Al’Anfa auf dem garangorschen Schiff verlief, wenn auch wenig ereignisreich, doch erfreulich. Man hatte mir als besonderem Passagier auf Geheiß Fabrizzios eine eigene kleine, wenn auch etwas spartanische, Kajüte in der Achtertrutz zugewiesen. Aber das war völlig ausreichend für die nächsten Wochen auf See. Ich gedachte sowieso, die Zeit zu nutzen und mich bis zu meiner Rückkehr in das neu erworbene Buch zu vertiefen, da langte mir eine einfache Unterkunft genauso wie ein Palais. Leider war es im Dämmerlicht der des Bullauges in meiner Kajüte durchaus mühselig für die Augen, sich auf das geschriebene Wort zu konzentrieren und das stetige schaukeln machte mich auch immer wieder schläfrig wenn ich so auf dem Bett lag und las (der Schemel und das kleine Tischchen sorgten dabei auf Dauer eher für Rückenschmerzen als einen Studienfortschritt). So ging ich eben alle Stunde einmal kurz an Deck um frische Seeluft zu schnuppern und des Geist zu durchlüften.

Es war am zweiten Tag auf See, wir waren etwa in Höhe der östlichen Zyklopeninseln, als während so eines kurzen Spaziergangs der Ausguck von der Rah her Kontakt meldete, was aber in diesen Gewässern nichts ungewöhnliches war – hier gab es stets Schiffverkehr. Bei der nächsten Insel – mir ist der Name schon wieder entfallen, irgend so ein karges Eiland – hatte er ein kleines Boot ausgemacht, einfach getakelt, wohl eine Art Schnellsegler der sich zügig näherte und weit am Horizont, gerade noch erkennbar, die havenische Takelung einer Karavelle. Ich bummelte vor zum Bug und stellte mich an der Luvseite mit an die Rehling um ebenfalls einen kurzen Blick zu riskieren. Bei Efferd, das Schiff kam mir bekannt vor! Ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn dieser Windhund von einem Boot der da gerade um die Firunseite der Insel kam nicht DeVeCa’s Schnellsegler wäre. Das heißt die ferne Karavelle müsste eigentlich sein Kaperschiff sein. Der kleine Bruder späht die Beute aus, der große kommt dann und holt sich den Braten… Allerdings beschloss ich, meine Vermutung erst einmal für mich zu behalten, noch wäre es sinnlos, Kapitän und Mannschaft in Panik zu versetzen. Stattdessen baute ich mich demonstrativ vorne gut sichtbar auf, nahm die Kapuze der Robe vom Kopf und wartete. Ich war mir ziemlich sicher, dass dort drüber jemand mit Fernrohr stehen würde um uns zu beobachten. Ob sie davon absehen würden dieses Schiff zu überfallen, wenn sie mich erkannten? Die Zeit verstrich, und das kleine Schiff kam immer näher, die Flagge die es führte gehörte wohl zum Seekönig der Zyklopeninseln, keine Piratenflagge. Als sie soweit heran waren, dass man durch das Fernglas einzelne Gesichter erkennen musste, starrte ich bewusst zum Schnellsegler hinüber, lächelte und erlaubte mir sogar ein kurzes, grüßendes Winken. Ich konnte die Gestalt am Heck des anderen Schiffes nicht genau erkennen, jetzt hätte ich selbst Azina und ihr Fernrohr gebraucht, aber ich meinte zu erkennen, das mir von dort ebenfalls jemand zuwinkte. Dann drehte das Schiff flink wie ein Delphin in den Wellen bei und entfernte sich wieder von uns. Ich denke, ich war richtig gelegen und lächelte auf dem Weg in meine Kajüte still in mich hinein.

Am 6. Tag auf See stand das Madamal voll am Himmel, wir ankerten in einer kleinen Bucht – Sicherheit war dem Kapitän derzeit mehr Wert als irgendwelche Eile. Ich hatte seit meines ersten Aufenthaltes in Bethana nach der unglücklichen Episode in der Miene ja die Magie des Stabes studiert. Und dann immer wieder verpasst, meine dabei erworbene Kenntnis in die Tat umzusetzen. Aber heute sollte es soweit sein. Ich hatte die Muse, den ruhigen Geist und die Gewissheit, jetzt zum richtigen Zeitpunkt im Schein der Mada meinen guten alten Stab die nächste Stufe der Initiation angedeihen lassen zu können. Einsam und allein saß ich am Bug des Schiffs, eingehüllt vom sanften Licht der gütigen Mada die mir mit ihrer Tat wider Praios Gebot meine Kraft geschenkt hatte. Sanft schaukelten wir in den Wellen, ein Gefühl von Friede und Gelassenheit umfasste mich. Der Einzige, der mich hin und wieder beachtete war der Wachgänger, der alle Stunde seine Runde über das Schiff machte um auf unsere Sicherheit zu achten. So saß ich da, den Stab quer über den Knien, beide Hände fest um ihn geschlossen, mein Geist ganz auf ihn fokusiert. Er fühlte sich an wie eine Verlängerung meiner Selbst, wenn ich so in mich hinein lauschte. Mit tastenden mentalen Fingern suchte ich, die erste Kraft die ja sogar schon manche Scholaren beherrschen, ich aber noch nicht, in seiner Struktur zu verankern. Die ewige Flamme. Eigentlich so profan, einfach nur das Feuer einer Fackel in das astrale Gewebe einzubringen, aber in der Praxis dann so unendlich schwer. Ich sah, ich fühlte die Matrix meines Stabes. Klar strukturiert wie ein logisches Denkmuster, dem Verlauf des Holzes folgend, seine Essenz bis zur Unzerstörbarkeit verstärkend, ansonsten aber noch sehr einfach ich ihrem Aufbau. Linear, geometrisch-symetrisch, wunderschön und dort wo ich ihn berührte mit dem Muster meines eigenen Körpers verbunden. Klar zu erkennen, warum manch Magus den Stab als die Erweiterung seines eigenen Körpers bezeichnete. In diese noch so simple Struktur wob ich dort wo sie erscheinen sollte, also an der Spitze, zwischen die Freiräume der Matrix die elementaren Feuerkomponenten der ewigen Flamme. Nur gelegentlich erlaubte ich mir dabei ein gedankliches Abschweifen, aber wenn, dann galt dieses Junasia. Ich muss sagen, die gemeinsame Zeit mit ihr hatte mein Verständnis für das Feuer trotz allem ein wenig gefördert und das half mir hier weiter. Rein aus dem Geist heraus, immerhin verfügte ich über ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis, rezitierte ich die Passagen aus der Magie des Stabes und die notwendigen Schritte auf dem Weg zum Erfolg dieses Rituals. Und kurz vor Beginn der Morgendämmerung war es geschafft. In einem letzten Schritt nach all der Vorbereitung lies ich meine astrale Kraft, unterstütz vom milden Lächeln Madas die fast am Ende ihrer nächtlichen Reise angekommen war, in die frisch geschaffenen Muster fließen. Ein kurzer, banger Augenblick ob die filigranen Gewebe die ich geflochten hatte als Gefäß geeignet waren, und dann geschah es. Ein Erfolg! Das erste Mal leuchtete die Spitze meines Zauberstabs im Schein des Feuers der ewigen Flamme, dieser unverlöschlichen Magierfackel, die brannte, solange ich es wollte und meine Hand den Stab zu führen mochte. Ich war stolz auf mich – und unendlich Müde, hatte der Prozess der Erschaffung doch nicht nur ein erhebliches Maß an Kraft gekostet, sondern mich auch vollständig des nächtlichen Schlafs beraubt, den ich jetzt im Laufe des Tages nachzuholen gedachte.

Die restliche Reise verbrachte ich dann, meist unter Deck damit der Seewind die Seiten meines Buches nicht davon trug, mit dem Studium des Folianth der Kreutherkunde. Das Garethi in dem er geschrieben war, war zwar ein wenig altertümlich, aber das Wissen darin nichtsdestotrotz bewundernswert. Ich lass, verstand, memorierte, saugte die neuen Erkenntnisse regelrecht in mich auf wie ein zu trockener Schwamm das Wasser, bis ich meinte mein Hirn müsse mir von all diesem Neuen schwirren. Aber das, was ich dabei alles lernte war erstaunlich. Nicht nur das reine Wissen um die Pflanzen selber, ich war mir jetzt sicher die meisten Gewächse Deres mit Leichtigkeit an ihrem Aussehen bestimmen zu können, sondern auch der Nutzen, den der Kundige aus ihrer Anwendung ziehen mochte. Sei es um Wunden, Vergiftungen oder Krankheiten zu heilen, anscheinend gab es für so gut wie jedes Gebrechen ein passendes Kraut, das man nur in der freien Natur finden musste um seinen Mitmenschen helfen zu können. Ich war begeistert! Gleichzeit wurde mir bewusst, dass dieses jetzt theoretisch vorhandene Wissen mir wohl ohne die entsprechende Praxis wenig nützen würde. Da blieb ich Meilenweit hinter, zum Beispiel einer so hervorragenden Heilerin wie Azinajida, zurück. Ob sie dieses Buch wohl auch gelesen hatte? Das müsste ich sie bei nächster Gelegenheit einmal fragen. Und üben, üben, üben… vielleicht sollte ich mich einmal auf eine unserer Plantagen begeben, die Sklaven dort hatten von ihrer Arbeit immer die ein oder andere Blessur. Das wäre hervorragend geeignet um mein Wissen zu erproben, und wenn es schief ging war es im Zweifel auch nicht allzu schlimm, dann lag der Sklave eben einen Tag länger auf dem Krankenbett…

In Brabak machten wir Zwischenstation, da der Kapitän zur Umrundung des Kaps nicht nur die Ladung löschen und Ergänzen wollte, sondern auch die Vorräte bis zur Weiterfahrt nach Al’Anfa auffüllen musste. Wir würden wohl keinen weiteren Zwischenstopp mehr einlegen. Ich nutzte den Tag Aufenthalt um die Stunden bei Junicera zu verbringen, immerhin hatte ich ihr versprochen mich diesmal früher wieder bei ihr zu melden. Abgesehen von den körperlich sehr erfüllenden Momenten unserer Begegnung präsentierte ich ihr stolz mein Wissen um die Dämonen, die ich nun neu erworben hatte. Sie selbst hatte mir ja damals die Namen von Thalon, Nephazz und Shruuf beigebracht um mich für meine Reisen zu rüsten. Nun waren noch Hesthot, Difar und Ulchuchu dazu gekommen. Natürlich, keine Geheimnisse die sie nicht eh schon kannte, für sie eher Kleinigkeiten die wenig der Erwähung wert waren, aber für mich ein bedeutender Fortschritt. Und die restliche Zeit versüßte ich uns mit den Erzählungen meiner jüngsten Erlebnisse. Kurz bevor ich Aufbrach musste ich sie dann aber doch noch etwas fachlichen Fragen. Ich hatte gute Lust dem Verfasser der Drohbotschaft die uns vor meiner Abreise ereilt hatte einen Hesthot zu schicken, der ihn in die Niederhöllen reißen sollte. Allerdings wusste ich ja weder wer dies genau gewesen war, noch wo er sich derzeit aufhielt. Grundsätzlich, das wusste ich, war der Hesthot dazu durchaus in der Lage – Suche und Vernichte waren quasi eine seiner Spezialitäten. Aber Junicera klärte mich recht schnell auf, das in diesem Speziellen Fall das ganze wohl meine bescheidenen Kenntnisse der Beschwörung und meine persönlichen Kraftreserven übersteigen dürfte. Nur mit dem Schreiben und ohne körperliche Komponente des Schreibers (wie Blut oder Haaren) sowie einem quasi völlig offenen Suchradius und Einsatzgebiet von mehreren hundert Meilen würde dies nicht nur unglaublich schwierig, sondern auch extrem kraftraubend. Das Ganze war eher auf einen näheren, definierten Bereich und mit persönlichem Kontakt oder einem körperlichen Zielmittel zu bewerkstelligen. Daher verwarf ich den Plan auch wieder – waren mir doch die Risiken durchaus bewusst die ein Scheitern meinerseits dabei bedeuten konnte. Und meinem Vater erklären zu müssen, warum ich einen Dämon in unserer Villa herbeirief den ich eventuell nicht sicher beherrschen konnte, dazu hatte ich absolut keine Lust. Das war es nicht Wert… und meine Schwester würde ich einer solchen Gefahr mit Sicherheit nicht aussetzen. Ich hatte ja an diesem Hobby-Beschwörer des Ulchuchu gesehen, was dabei herauskommen konnte wenn man nicht entsprechende Vorsicht walten ließ.

Von Brabak nach Al’Anfa waren es nochmal einige Tage, aber die verliefen zum Glück für uns ruhig, da wir ab Brabak im Konvoi mit einigen anderen Händlern fuhren. Die Passage durch die Straße von Charypso war berüchtigt, aber gemeinsam als wehrhafte Flotte doch gut zu meistern. Zurück in Al’Anfa machte ich natürlich erst einmal Vater meine Aufwartung und berichtete ihm (fast) alles, was nach meinem Aufbruch geschehen war. Seine Zufriedenheit hatte ich mir gesichert, und als ich ihm erzählte, dass Fabrizzio mit seinem Schwiegervater uns zwecks der Anbahnung und Sondierung von Handelsbeziehungen im Rondra würde besuchen wollen war das Eis endgültig gebrochen und mein Vater richtiggehend glücklich. Nimmt man meinen Aufenthalt in Bethana und die Reisezeit blieben uns bis dahin gerade einmal noch wenige Wochen, immerhin war es schon Praios. Dem Rest der Familie erzählte ich dann am Abend beim Essen und anschließend auf der Dachterrasse bei einem Glas Dattelwein noch einmal die Geschichte, diesmal mit mehr Details und farbenfroher, als ich den nüchternen Bericht an meinen Herrn Vater gehalten hatte. Ich glaube, an mir wäre auch ein recht ordentlicher Geschichtenerzähler verloren gegangen, hätte ich nicht schon meine eigentliche Berufung gefunden. Insbesondere Mutter und Liliana waren ganz aufgeregt wegen des bevorstehenden Besuches und löcherten mich mit Fragen zu Einzelheiten der Hochzeit, der Braut, wie das Fest abgelaufen war, der Götterdienst, der Mode im Horasreich… wobei ich dann immer wieder, schlicht weil mich einiges davon wenig interessiert hatte, darauf verweisen musste, sie mögen das doch die Dame Nivian fragen wenn sie mitkommen würde. Ich sei bei diesen Themen einfach nicht so der Richtige… aber ich konnte mir lebhaft vorstellen wie die drei Frauen lachend und tratschend bald hier zusammen sitzen würden. Ich denke, Mama und Liliana würde Fabrizzios Frau mögen, sie würden gut zusammen passen.

Ich selbst machte mich am übernächsten Tag, Vater hatte mir bis auf wenige Termine zu denen ich ihn in den nächsten Wochen begleiten sollte, auf Grund meiner hervorragenden Leistungen frei gegeben, auf zur Akademie. Zum einen wollte ich wieder einmal einfach die Luft der ehrwürdigen Hallen schnuppern. Zum anderen hatte ich ein ganz konkretes anliegen – ich benötigte das Rezept für eine Substanz namens Phosphoros. Zwar war dies kein Werk der hohen, noch nicht einmal der gehobenen sondern nur der sehr profanen Alchimie. Aber nützlich würde mir das allemal sein. Beim Magister Bibliothecarius musste ich erst einmal wieder tief seufzen. Natürlich, wie konnte ich das verdrängen… in Al’Anfa gab es einfach nichts umsonst. Und da ich kein eingeschriebener Scholar mehr war für den Studiengebühren entrichtet wurden würde es mich natürlich etwas kosten, die Bibliothek zu nutzen. Ich schilderte mein Anliegen und wurde vor die Wahl gestellt. Entweder dürfte ich selbst eine Woche lang Aufsichtsdienst in der Bibliothek führen und die Scholaren des ersten und zweiten Jahres anleiten, was mir aber eindeutig zu viel meiner wertvollen Zeit gekostet hätte. Oder ich könnte ja gegen den geringen Obulus von 2 Dublonen einen Scholaren „mieten“, der mir „zur Übung“ das gewünschte Rezept kopierte. Oder ich entrichtete einfach die tägliche Gebühr von einer halben Dublone und könnte selbst in der Bibliothek recherchieren, alles weitere Notwendige müsse ich eben selbst mitbringen. Ich entschied mich für letzteres, lange dürfte mich das ganze eh nicht beschäftigt halten. Ich zahlte meine Gebühr und machte mich direkt ans Werk, mein Vademecum und Schreibzeug hatte ich eh immer dabei. Es war wie ich erwartet hatte. So ein simples Rezept war in der gut sortierten und strukturierten Bibliothek der Akademie einfach zu finden – in verschiedenen Fassungen. Ich konsultierte ein gutes halbes Dutzend Werke, vom einfachen Handbuch des Apothekarius bis hin zu „Explosionen und Stinkgase“. Regional schien es da verschiedene Grundrezepte der Herstellung zu geben, je nachdem aus welcher Gegend die Autoren kamen zum Beispiel auf Basis von Knochenasche, Eigelben oder destilliertem abgestandenem Urin. Aber zumindest alles Komponenten, die einfach zu bekommen waren. Gemeinsam war aber allen Herstellungsarten der wichtigste Schritt, das ausbrennen unter Ausschluss von Luft. Nachdem ich bis zum Abend sicher war alles richtig notiert und zusammen getragen zu haben ging ich heim. Am nächsten Tag beauftragte ich einen Diener mir alles Notwendige heranzuschaffen. Zuerst sollte er es mit den Knochen versuchen, z.B. bei den Seifensiedern oder Abdeckern. Das erschien mir am wenigsten ekelhaft. Wenn das nichts half könne er ja bei den Latrinenputzern nach nicht verunreinigtem Urin fragen. Und wenn das auch nicht ging blieb ja noch der Markt, Eier waren immer verfügbar. Ich gab ihm 2 Dublonen mit, das sollte für gut den achtfachen notwendigen Grundstoff reichen. Und tatsächlich kam, zu meiner Freude, über den Tag verteilt, mit Säckeweise gut gereinigten Knochen zurück. Sollten wir demnächst auf unsere Plantage gehen würde ich die Beschaffung optimieren… die Aufseher anzuweisen die Sklaven in Eimer pissen zu lassen, und die restliche Notdurft anderweitig zu verbringen müsste mir den ebenfalls geeigneten Urin eigentlich kostenfrei in der erforderlichen Menge bringen, aber dazu war jetzt leider keine Zeit.

Die nächsten Tage verliefen dann auch immer gleich. Am Morgen zersägte ich die Knochen zuerst und zerbröselte sie im Mörser. Die Knochensplitter erhitze ich anschließend im Calcinator bis sie ausbrannten (dies beseitigte wohl unerwünschte Nebenprodukte und Reste). Die verbrannten Knochenstücke und Asche nahm ich nun erneut und rieb sie nach dem Auskühlen im Mörser zu feinstem Staub von mehliger Konsistenz, welchen ich anschließend in eine Retorte gab. Diese wurde sorgsam verschlossen, so dass auch ja keine Luft mehr hinein kommen würde. Bei dem letzten, aber entscheidenden Arbeitsschritt lies ich es mir nicht nehmen, meine Fingerfertigkeit jedesmal mit einem vorsorglichen Attributo zu verbessern – sicher ist sicher. Über der Brennflamme, welche ich ordentlich durch Luftzufuhr aus dem Blasebalg aufheizte, erhitzte ich nun die Knochenasche, bis diese zu glühen begann. Wenn auch die Mengen nur gering waren, so war die Hitze in meinem Zimmer doch bald unerträglich und ich schwitzte wie ein Tier und musste am Ende des Tages vor dem Essen stets baden um nicht unangenehm aufzufallen. Aus der ausgeglühten Masse hatten sich nun zwei Phasen geschieden, und wenn ich das Fenster verdunkelte konnte ich auch erkennen welche die von mir gewünschte war. Unten hatte sich einfach ein Pulver abgesetzt, das wohl zu nichts zu gebrauchen war. Obenauf aber war eine wachsartige Substanz welche im Dunkeln schwach glomm, so wie ein nicht recht gelungener FlimFlam, aber ausreichend um in der Finsternis die nähe auszuleuchten. Anhand dieser Leuchtprobe erkannte ich, dass am Ende 7 meiner 8 Versuche den Phosphorus herzustellen gelungen waren. Die Ergebnisse meiner Arbeit legte ich in eine dicht schließende Metalldose, die ich mit Wasser gefüllt hatte. Nur so konnte man das Gemisch sicher aufbewahren, hieß es in den Lehrbüchern – ansonsten musste man mit spontaner Selbstentzündung rechnen, zumal hier im Süden. Und man solle sich tunlichst hüten davon zu kosten, denn das Produkt sei, wenn auch sehr eklig, aufs höchste giftig. Am Ende hielt ich dann 7 Portionen dieses alchemyschen Stoffes in Händen. Wer weiß, wozu dieser mir noch nutzen mochte? Mir fielen da zumindest schon ein paar einfache Anwendungen ein, auch neben dem Erzeugen von Licht – insbesondere wenn ich an diese Schlangen von La Faccia Seconda dachte.

Die restliche Zeit verbrachte ich damit, mit Vater, Mutter und einigen Geschwistern die Ankunft Fabrizzios zu planen. Wobei Vater und meine Brüder sich eher um den geschäftlichen Teil kümmerten, Mama und Liliana ein kleines Besichtigungsprogramm planten was man den beiden unbedingt von unserer schönen Stadt zeigen müsste und andere meiner Halbgeschwister sich darum zu kümmern hatten das Haus und unsere Plantagen im besten Licht erscheinen zu lassen, so dass auch die Horasier möglichst wenig Anstoß an unseren örtlichen Gepflogenheiten nehmen würden und alles schön ordentlich war. Sogar die Sklavenunterkünfte wurden, zumindest soweit das ohne großen Geldaufwand möglich war, wieder aufgebessert und gerichtet. Vater wollte wohl wirklich einen guten Eindruck auf seine Gäste machen. So war die Zeit gut mit Arbeit gefüllt und ich freute mich schon darauf Fabrizzio uns seine Begleitung hier bei uns zu haben.

Fabrizio, seine Gemahlin Esmeralda, sowie eine aus zwei Mann bestehende Abordnung der Familie Nivian trafen am 20. Rondra in meiner Heimatstadt zum vereinbarten Besuch ein. Der Verwalter des Al’Anfanischen Handelskontors der Familie di Garangor, Kornelio Kalandèr, hatte mich in regelmäßigen Zeitabständen über die Reiseplanung und den tatsächlichen Reiseverlauf informiert. Etwa 3 Tage vor dem geplanten Eintreffen wurde er letztmalig bei mir vorstellig und teilte mir die Ankunftszeit mit. Natürlich beauftragte mich Vater, die Gäste persönlich am Hafen in Empfang zu nehmen, was ich mir auch so nicht hätte nehmen lassen, und sie mit den Familiensänften sicher zu unserer Villa zu geleiten.

Das Handelsschiff mit dem Fabrizio und seine Begleitung in den Hafen zur vierten Stunde des Nachmittags einliefen war eine schöne Dreimastkaravelle mit dem Namen „Wellenschnitt“. Fabrizio entdeckte Dich am Kai bereits lange bevor die Wellenschnitt anlegt. Der Kapitän hatte ihm wohl sein Fernrohr ausgeliehen. Als er die Wellenschnitt verließ, tat er dies wie ein übermütiger Junge, der sich rasch an den anderen Passagieren vorbei drängte um als erster von Bord eilen zu können. Seine Frau zurück lassend rannte er die Planke hinunter, kam ob des schwingenden Untergrundes leicht ins Straucheln, fing sich und eilte schnellen Schrittes weiter. Er schloss mich fest in die Arme und es war schwer sich von seiner ehrlichen und ungezügelten Freude nicht anstecken zu lassen. Ich freute mich ja selbst schon seit Wochen ungemein auf den Besuch!

„Viktor, mein Freund, es tut gut Dich zu sehen! Du wirst es nicht glauben, es gibt fantastische Neuigkeiten!“ … Als er gerade ansetzte weiter zu sprechen, nahte Esmeralda heran und unterbrach ihn, indem Sie ihn leicht tadelnd mit den Worten, „Mein übereifriger Gemahl, zügle Dich, oder willst Du etwa schon vor der Zeit die ganze Überraschung verderben?“, von mir wegschob um mich ebenfalls zu umarmen und zu begrüßen. Nachdem mir die beiden Begleiter vorgestellt wurden (Horasius Nivian der Jüngere, Rhajan Nivian, beides Cousins von Esmeralda) machten wir uns auf den Weg zu dem Anwesen der d’Pelesarios. Ich war froh genügend Träger mitgebracht zu haben, denn das Gepäck der vier Gäste war nicht gerade wenig, insbesondere Esmeralda musste wohl ihren halben Kleiderschrank dabei haben.

Fabrizio und die Nivians führten auf dem Schiff eine große Auswahl an Proben von den Waren mit, die Sie im Handelsportfolio hatten und liesen diese einstweilen in die Niederlassung der di Garangor verbringen.

Beim ersten Zusammenkommen zum Abendessen mit meiner Familie überreichten Fabrizzio und Esmeralda im Namen Ihrer Familien als Dank für die Einladung artig eine Auswahl an erlesenen Geschenken. Kultiviert waren diese Horasier ja, dass musste man ihnen lassen, da gab es nichts dran auszusetzen, was ich auch meiner Mutter und meinem Vater ansah. Für Vater hatten sie eine kleine flache Dokumentenschatulle mitgebracht, die innen mit rotem Samt bezogen warund außen mit feinen Einlegearbeiten aus Mammut-Elfenbein verziert wurde. Zudem besaß sie ein hervorragend gearbeitetes Schloss zwergischer Machart, was meinem Vater sichtlich gefiel. Für Mutter und Liliana brachten sie zwei wunderbar gearbeitete Seiden-Fächer (nach der neuesten Mode im Horasreich wird der Stoff in den Farben des Regenbogens gewirkt, der je nach Lichteinfall von satten bis durchscheinenden Farbtönen reichte). Beide Fächer wurden in der Edelstoffmanufaktur der Nivians gefertigt, wie Esmeralda stolz erzählte.

Nachdem sich über die Geschenke ausgetauscht wurde und Fabrizio nebst Begleitung sich bei meinem Vater für seine Gastfreundschaft und die Aufnahme in seinem Haus bedankt hatte, merkte ich schon wie sich in seinem Gesicht eine gewisse Verlegenheit und Angespanntheit breit machte, die ich so an ihm bislang noch nicht kennengelernt hatte. Er schien nervös, als hätte er eine wichtige Angelegenheit zu regeln, für deren Erledigung es nur eine Gelegenheit geben würde. Er räuspert sich kurz und sprach:

„Werte Familie d’Pelesario, mein guter Freund Viktor, für das was ich jetzt kundtun möchte ist es sicherlich angebracht vorher noch einmal allen Anwesenden ins Gedächtnis zu rufen, dass ohne Deine uneigennützige Hilfe, Deinen Mut und Deine Überlegtheit und vor allem ohne den Wert den Du unserer Freundschaft beigemessen hast, wohl kaum noch eine Familie di Garangor in Bethana existieren würde. Dafür kann ich … können wir (er greift Esmeraldas Hand) Dir gar nicht genug danken. Phex hat es wahrlich gut gemeint als er uns damals in der Mine aufeinandertreffen lies. (Mit schelmischem Blick und einem Lächeln) Natürlich wäre es nicht Phex, wenn er nicht auch das Geschäft und seinen Anteil im Blick hätte. … ich schweife ab. Viktor, was ich damit sagen will ist, dass ohne Dich meine Familie keine Zukunft gehabt hätte und es mich deshalb umso mehr freut, Dir mitteilen zu können, dass meine Gemahlin Esmeralda in glücklichen Umständen ist. (Mit plötzlich ungezügelter Begeisterung) Stell Dir vor, im nächsten Phex soll es so weit sein. … (Nachdem sie Glückwünsche von allen Anwesenden entgegengenommen hatten strafft sich Fabrizzio wieder und richtet das Wort erneut an mich)… . Sollte es ein Junge werden, würden wir Ihn gerne Miguel Viktor di Garangor nennen. Esmeralda und ich haben beschlossen, dass fortan jeder männliche Nachkomme eingedenk der Taten die den Fortbestand der Familie di Garangor ermöglichten, den Namen Viktor als Bestandteil in seinem Namen führen soll. Viktor..., Esmeralda und ich wären überglücklich, wenn Du uns die Ehre erweisen würdest, für unser Kind in Patenschaft zu treten? Was sagst Du?“

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Mutter und Liliana Fabrizio verzückt ansahen und mein Vater mir anerkennend zunickte. Ich selbst war sowohl überrascht als auch überwältigt, damit hatte ich jetzt am allerwenigsten gerechnet. Hesinde, warum hast Du mir die Gabe der Prophezeihung vorenthalten? Ich musste kurz schlucken ob der Ehre, die mir zuteil werden sollte, und als ich mich schließlich räusperte fiel es mir nicht leicht, meiner Stimme einen ruhigen und sicheren Klang zu verleihen. „Esmeralda, Fabrizio, ich weiß nicht was ich sagen soll. Allein, das ihr daran denkt, einem Magus der linken Hand solch eine Ehre anzutragen... Ich bin gerührt und versichere Euch, dass ich mir der Bedeutung Eures Angebots bewusst bin. Natürlich werde ich mit Freuden Eurer Bitte entsprechen. Mögen die Götter geben, dass ich Eurem Kind ein guter Pate sein kann.“ Während ich aus Richtung von Mutter und Liliana ein leichtes Schniefen zu hören meinte, während ich mich vor unseren Gästen leicht verbeugte, kamen Fabrizio und Esmeralda freudestrahlend zu mir herüber um mich noch einmal in den Arm zu nehmen. So war es also beschlossen, ich sollte Patenonkel eines Kindes werden... auf welch seltsame Pfade wollten die Götter mich den noch führen? Aus den Augenwinkeln sah ich das schlecht verborgene breite Grinsen meines Vaters.

Die nächsten 14 Tage vergingen für uns mit Gesprächen über den Aufbau von Handelsbeziehungen zwischen unseren Familien, Besichtigungen der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Perle des Südens, abendlichen Feiern zu ehren unserer Gäste, einem Besuch auf unserer nächstgelegenen Plantage und langen Gesprächen. Liliana, Esmeralda und Mutter verbrachten die Zeit meist zusammen, wenn sich die Männer ums geschäftliche kümmerten, aber so wie ich es mir gedacht hatte verstanden sich die drei glänzend. Ich befürchte, ich würde nicht umhin kommen eine oder sogar beide als Gäste mit auf die Geburtsfeier im Phex nehmen zu müssen wenn das so weiter ging. Als sich Fabrizio, Esmeralda und die beiden Nivians verabschiedeten herrschte allgemeine Zufriedenheit. Ich glaube, so glücklich hatte ich meine Familie seit der Geburt Lialianas und ihres kleinen Bruders nicht mehr gesehen. Selbst Vater schien einen Narren an den Garangors gefressen zu haben, und das nicht nur aus rein geschäftlichem Interesse. Ich hatte den Eindruck, auch er mochte Fabrizio recht gern – ich vermute, insgeheim wünschte er sich selbst einen ebenso Geschäftstüchtigen Stammhalter, denn trotz aller Freundlichkeit waren die Geschäftsverhandlungen ziemlich Phexgesegnet verlaufen und ich hatte irgendwann überhaupt nicht mehr verstanden, wovon die anderen geredet hatte.

Über den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Niederkunft und das anstehende Taufereignis sollte mich der örtliche Verwalter Kornelio Kalandèr auf dem laufenden halten. Und ich machte mir jetzt schon sorgen, was man denn seinem Patenkind zur Geburt schenken konnte – da würde ich dringend noch einmal mit Liliana und Mutter reden müssen, die beiden konnten mir da bestimmt behilflich sein.

Bevor Fabrizio auf sein Schiff stieg, steckte ich ihm noch eine Nachricht zu, die ich in der letzten Nacht geschrieben hatte, mit der Bitte, diese Azinajida zu geben, so er sie denn irgendwann demnächst einmal sehen sollte. Ich hoffte ja inständig, dass sie bei ihren Ermittlungen etwas weiter gekommen war, damit wir die Bedrohung irgendwann endgültig beseitigen konnten. Dann stand ich noch winkend am Hafenbecken, bis das Schiff in der Ferne verschwand. Ich hoffte nur, Efferd möge meinen Freunden eine gesegnete Fahrt schenken.

„Meine liebe Azinajida,

ich hoffe, Euch geht es gut und Eure Ermittlungen haben bereits erste Früchte getragen. Ich für meinen Teil kann Euch leider hier aus Al'Anfa wenig neues Berichten, außer, dass ich wohl um den nächsten Phex herum wieder nach Bethana kommen werde. Es würde mich freuen, auch Euch dann wieder zu sehen. Sollte sich dann Anhaltspunkte ergeben haben, die wir weiterverfolgen können, so würde ich mich freuen, gemeinsam mit Euch Jagd auf diese schurkischen Verbrecher von La Faccia Seconda machen zu dürfen. Diese Bedrohung unseres eigenen Lebens und der Familie Garangor muss unbedingt beseitigt werden. Ich habe mich übrigens erkundigt. So notwendig, und ich nicht wieder durch unnötige moralische Hemmnisse einzelner Begleiter gehindert werde, erachte ich einen Shruuf als eine durchaus potente Möglichkeit, unsere Probleme ein für alle mal zu lösen.

Außerdem würde ich mich gerne bei Euch erkenntlich zeigen und Euch meine Dienste als Alchymist anbieten. Ich habe mich ein wenig intensiver mit den verschiedenen Rezepturen für Heiltränke auseinander gesetzt und werde wohl mein kleines Labor im Phex mit mir führen. So ihr in der Lage sein solltet mit die notwendigen Ingredienzien bis dahin zu beschaffen, würde ich Euch gerne den ein oder anderen Heiltrank herstellen, den ihr sicher zur Ausübung Eures Berufs als Medica benötigen könnt. Die Zutaten wäre alsda Büschel vom Wirselkraut, ein wenig reines Gold (und ich meine damit nicht das was man zu Dukaten verpresst, sondern sauberes Gold wie für bestes Geschmeide), Wasser, das sich aus gesammeltem Morgennebel niederschlägt sowie Eidechsenschwänze und Alraunenpulver (dieses nur, wenn ich von meiner Kraft zu Verstärkung des Trankes etwas einfließen lassen soll, aber dies wäred ihr mir wert).


 

Hochachtungsvoll,

Euer

Victor Dondoya d`Pelissario“

 

Dieser Eintrag wurde am 22.02.2018 (17:42) verfasst und 586 mal aufgerufen.
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