Tagebuch von Victor Dondoya Lucisresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Die Schatzinsel

 

Seit Fabrizios Besuch waren nun mehrere Monde ins Land gegangen. Vater hatte mich derweil ordentlich eingespannt, was mir wenig Freiraum für eigene Studien und Aktivitäten lies. Er meinte, ich könne ja jetzt ruhig schon einmal die Zeit vorarbeiten, die ich absehbar bald wieder ins Horasreich aufbrechen würde, dann hätte ich ja genug Freizeit. Der alte Fuchs. Aber immerhin war damit schon einmal geklärt, dass er nichts gegen meine Abreise einzuwenden hatten. Mit Mutter und Liliana, die immer noch ganz Begeistert von unseren neuen Freunden waren, hatte ich mehrmals darüber gesprochen, was man denn seinem Patenkind zur Geburt schenken sollte. Ich hatte da an ein sich selbst drehendes Mobile gedacht zum über die Krippe hängen, etwas lustiges, zum Beispiel mit einem halben Dutzend Hesthtotim und Zhantim dran. Aber die beiden fanden die Idee furchtbar und redeten so lange auf mich ein bis ich davon wieder Abstand nahm. Aber einen jungen Leibsklaven oder eine Amme konnte ich ja ins horasische hinein auch schlecht verschenken. So richtig konnte uns da noch keine Idee überzeugen.

 

Ich erwartete täglich eine Nachricht die mit den garangorschen Schiffen kommen würde. Als aber eine solche Eintraf hatte sie einen gänzlich anderen Inhalt als den, den ich erwartet hatte. Statt Fabrizio hatte mir Azinajida geschrieben, der ich mit einer kurzen Notiz die ich Fabrizio  mitgegeben hatte angeboten habe, ein paar Heiltränke für sie herzustellen. Sie schrieb also…

 

"Mein lieber Victor,

 

in den letzten Monden hat sich einiges getan. Ich bin an meinen Nachforschungen bezüglich des Piratenschiffes weiter dran und lasse sie von unseren gemeinsamen Freunden weiter verfolgen.

 

Nun war es mir auch endlich vergönnt Duardo zu verhören. Leider haben diese Stümper zugelassen, dass Alves Da Costa bei einem Gefangenentransport entkommen konnte. So blieb mir nur Duardo für eine genauere Befragung.

 

Leider wurde auch diese gestört, da er unter starken Kopfschmerzen litt und während der Befragung plötzlich ein Dämon aus seinem Kopf schoss und seinen Schädel quasi zum explodieren brachte. Der Dämon hatte eine Saugnapffratze und bestand wohl aus rotem Rauch. Als er uns angriff, wurde er von einem Gardianum aufgehalten. Könnt ihr euch einen Reim darauf machen?

 

Nunja ich schätze, das das Aktivwerden des Dämons mit der Befragung zusammenhing, da Duardo uns tatsächlich ein paar Details verriet. So glaubte Duardo, dass die Donata noch am Leben sei, trotz des Giftes, das sie geschluckt hat. Ist das möglich? Nunja auszuschließen wäre es vermutlich nicht, vor allem, da dieser Zirkel anscheinend mit Dämonen arbeitet.

 

Außerdem erzählte er das die Donata öfter Selbstgespräche geführt habe und etwas erzählt habe, dass die Piratenüerfälle nur dazu da wären den Obbulus zu sammeln. Dass sie Mächte evreinen müssten, was schwieriger sei und dass ein Gegenstand herzustellen sei. Auf letzteren haben wir unter Umständen einen Hinweiß durch Yus Meister bekommen. Diesen werden wir jetzt erst einmal nachgehen.

 

Was die Heiltränke angeht, würde ich mich sehr freuen, wenn ihr mich mit bedenkt. Kauft die Zutaten und sagt mir, was ihr dafür bekommt. Ansonsten passt gut auf euch auf.

 

Hochachtungsvoll

 

Eure Azinajida"

 

Das erste was ich feststellen musste war, dass Azinajida eine grauenhafte Rechtschreibung hatte. Da merkte man doch gleich, dass sie keine vernünftige akademische Ausbildung genossen hatte. Aber für einen Laien wiederum war es gar nicht soooo schlimm. Aber Alves entkommen? Das waren schlechte Nachrichten. Donata doch nicht tot? Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass die Schlange ihren letzten Atemzug getan hatte, waren doch die Anzeichen der Vergiftung mehr als eindeutig. Auf der anderen Seite… sie war nun einmal eine fähige Zauberin, und da ist vieles möglich. Vielleicht ein Klarum Purum in letzter Sekunde, oder ein Artefakt mit einer kombinierten Applikation von Balsam und Klarum mit recht spezieller Aktivierung? Ein letzter Schritt in die Kreise der Verdammnis um dem Schicksal von der Schippe zu springen? Auszuschließen ist da nichts! Beim Namenlosen, ich hätte das am Morgen nach dem Kampf noch einmal überprüfen müssen! Wie nachlässig von mir… wenn diese Natter wieder ihr Haupt erhebt könnte das echte Probleme für uns bedeuten. Wir sollten uns da anscheinend nicht zu sicher fühlen. Und ein Dämon der seinen Wirt davon abhält Geheimnisse auszuplaudern? Sehr interessant! Mir fiel zwar spontan keiner ein, auf den diese Beschreibung so recht passen wollte, aber da würde ich sicher bald in der Bücherei der Akademie recherchieren können. Die Heiltränke waren da schon fast was fürs Handgelenk… drei Stück sollten erst einmal reichen und die Zutaten waren ja leicht bei jeder Apotheke zu bekommen.

 

Für die nächsten dienstfreien Abende, die derzeit leider gar nicht so zahlreich waren, hatte ich also etwas vor. In der Akademie lies ich mir Zugang und Recherche in der Bibliothek gewähren, auch wenn ich dafür die Abendaufsicht über die Scholaren übernehmen musste. Keine Leistung ohne Gegenleistung… so konnte ich mich zwar nicht voll auf die Bücher konzentrieren, aber ich las eh mehr quer und überflog die Seiten nach einem Hinweis dem ich gezielter nachgehen konnte, als das ich studierte. Recherche nennt man das übrigens. Dabei nervten mich diese Zöglinge manchmal gewaltig. Ich frage mich, ob wir damals selbst ein so ungezogener Haufen junger undisziplinierter Quälgeister waren wie der aktuelle Jahrgang? Die hatten, bis auf wenige Ausnahmen, nur Unsinn im Kopf und trieben ständig Unfug, selbst in den heiligen Hallen der Bücherei. Einem Studiosus hätte ich fast die Hand mit meinem Stab platt gehauen, als er anfing im Lesesaal der Bibliothek nach den Zeichnungen in einem Buch, die „Magie des Kampfes“ war es glaube ich, die Gesten eines Ignifaxius nachzuahmen und dabei vor sich hin zu brabbeln. Ja geht’s nocht? Am Ende haut der Kerl ausversehen wirklich in seiner grenzenlosen Dummheit eine ungewollte Flammenlanze raus und brennt uns den halben Schuppen über den Köpfen ab! Und das während ich Aufsicht gehabt hätte! So viele Schulden hätte ich mein Leben lang nicht abzahlen können… er hat zwar ziemlich geschrien als das Ende meines Stabes auf seinen Fingern gelandet ist, aber besser das als alles demoliert… und eine seiner Freundinnen konnte sich dafür gleich im Anschluss im Balsam an ihm üben. Gefunden habe ich leider in den wenigen Tagen die ich suchen konnte nichts wirklich Ergiebiges. Dafür hatte mich anscheinend etwas, oder besser jemand gefunden, denn einer meiner ehemaligen Lehrmeister riss mich aus meinen Studien, weil er mir jemanden vorstellen wollte.

 

Magister Kalando, dessen Unterricht in Alchemie ich selbst schon genossen hatte und der einer der Gründe für meine Leidenschaft auf diesem Gebiet war, lies mich aus der Lesestube zu sich zitieren. Früher hatte er uns das Wissen um die elementaren Zusammenhänge, das sympathetische Geflecht und die Möglichkeiten der arkanogenen Manipulation von Stoffen näher gebracht, und dass auf oft sehr anschauliche und spannende Art und Weise, nicht so trocken wie manch anderer Magister. Gerüchte behaupten, das Werk „Explosionen und Stinkgase“ sei seine Gute-Nacht-Lektüre. Heute aber stellte er mir einen Jüngling vor, den er Dom Nestario Fortanez nannte. Zu meiner Überraschung ließ er mich dann aber in einem der Besprechungszimmer direkt mit dem Herrn Fortanez alleine stehen, der mich eingehend aber sichtlich nervös musterte. Ich musterte ihn meinerseits zurück, wobei ich natürlich keinerlei Nervosität an den Tag legte, das wäre ja noch schöner. Aber Neugierig war ich schon, was dieser Bursche, der wohl nur wenig älter war als ich selbst, wenn überhaupt, von mir wollte.

 

Zuerst schleppte er mich noch aus der Akademie heraus zur Familie Florios, unter deren Protektion er anscheinend stand. Gute Verbindungen muss ich sagen. Der Patron stellte uns auch direkt einen seiner Gladiatoren zur Seite. Ein Schönling namens Sandor Aureliano Esteban Delezar. Ich hatte sogar schon einmal von ihm gehört. Vor einiger Zeit meine ich hätte er 10 Kämpfe am Stück gewonnen und damit seine Freiheit errungen, also konnte er nicht komplett unfähig sein. Danach war es aber ziemlich still um ihn geworden, was sich erklärte, als er uns erzählte, dass er die jüngste Zeit im Andergastschen verbracht hatte, einem Hinterwäldlerkönigreich im Norden, kurz vor dem Orkland und dem Thorwallerland. Bei dieser Nachbarschaft kein Wunder, wenn dort nichts außer Wald und Schweinen zu finden ist! Wobei sie ja sogar eine eigene Magierakademie da haben, auch wenn diese sich bisher recht bedeckt gehalten hat was wissenschaftliche Errungenschaften angeht, um nicht zu sagen mit Abwesenheit geglänzt hat, im Gegensatz zu unserer eigenen glorreichen Lehreinrichtung! Auf jeden Falls meinte der Herr Florios, der sich davon anscheinend einen eigenen Vorteil versprach, er würde den Gladiator zu unserem Schutz mit auf den Weg geben. Mir sollte es recht sein, ein Waffenknecht an der Seite erhöhte die Sicherheit, und Vater meinte immer die Kämpfer aus der Honak-Arena seien in der Regel sehr verlässlich, er würde die selbst sogar hin und wieder einstellen. Und auf Vaters Wort konnte man sich in solchen Dingen normalerweise verlassen, also war mir dieser Sandor ein willkommener Reisebegleiter. Ob er sich zu benehmen wusste würde ich früh genug merken.

 

 Die Geschichte des Herrn Fortanez war schnell erzählt. Sein Großvater, Boron habe ihn seelig, Gordo Fortanez, war für die Marine unseres ruhmreichen AlAnfas im Südmeer und auf Entdeckungsfahrt unterwegs, und das wohl für viele Jahre. Vor 3 Wochen hat der Herr des Schlafes ihn dann zu sich gerufen und Nestario wurde darüber verständigt sein Erbe anzutreten. Dazu reiste er nach Hot Alem wo ihm ein Buch, genauer ein Reisebericht aus den Nordlanden und von den Nivesen, die aber laut seiner Aussage sein Großvater nie bereist hatte, ausgehändigt wurde, was ihm recht seltsam vorkam. Zwei Tage später wurde er überfallen und in einem Keller festgehalten, wo ihn unter Schlägen und Knüppelhieben zwei vermummte Kerle nach einem Schlüssel befragten, von dem er aber nichts wusste. Zwar gelang ihm dann tatsächlich die Flucht, aber das Buch hatten ihm die beiden Prügelknechte abgenommen und er musste es zurück lassen. Nachdem es ihm endlich gelungen war nach AlAnfa zurück zu fliehen fand er hier bei seiner Familie einen Brief mit seltsamen Zahlen darauf vor. Er zeigte mir den Brief, und ich erkannte mit meinem messerscharfen Verstand sofort seine Bedeutung. Koordinaten oder astrologische Angaben konnten es kaum sein, dazu passten die Zahlen nicht. Aber es sah wie eine typische Verschlüsselung über die Seiten, Zeilen und Worte eines Buches aus. Eine einfache, aber effektive Methode der Kryptografie, für uns aber leider nun völlig nutzloses Wissen wenn die Räuber nun über das Buch verfügten. Nestario vermutete, dass sein Großvater ihm den Weg zu einem Schatz weisen wollte, da seine Familie finanziell angeschlagen war und dieses Erbe deren Rettung bedeuten könnte. Leider waren seine Angaben zu seinen Entführern recht spärlich. Lediglich dass sie ein Seerosenhautbild auf der Hand hatten konnte er uns mitteilen, was wohl für irgendeine Piratengruppe aus Sylla sprach. Dorthin sollte unsere Reise also zunächst gehen.

 

Der Gladiator Sandor machte uns direkt darauf aufmerksam, dass wir AlAnfaner dort nicht gut gelitten waren und es recht gefährlich für uns sein würde. Hatte der Kerl etwa jetzt schon die Hosen voll? Das wäre kein gutes Zeichen gewesen. Andererseits schien er mir eigentlich nicht sonderlich furchtsam. Er empfahl mir auch direkt, mein Äußeres den Umständen anzupassen, vulgo mich zu verkleiden, was ich aber vehement ablehnte. Was sollte das denn? Ein Magier aus AlAnfa versteckt sich nicht wie ein gemeiner Strauchdieb! Er ist stolz auf sich, seine Stadt und seine Akademie! Da gibt es nichts zu verstecken, und das machte ich dem Kämpfer auch unmissverständlich klar. Immerhin versuchte er nicht, mir dahingehend etwas einzureden sondern nahm meine unverbrüchliche Meinung schlicht zur Kenntnis.

 

Als Ansprechpartner hätten wir in Sylla mit etwas Glück und Phexens beistand einen Freibeuter namens Adario Ramirez, so er nicht gerade auf See wäre. Dieser sei früher wohl gelegentlich mit Nestarios Großvater gefahren und er hatte ihn als kleiner Junge wohl sogar schon einmal selbst getroffen. Ich fragte kurz warum er sich nicht an die Admiralität wandte, dass wäre deutlich einfacher, aber Nestario scheute wohl deren Forderungen was die Beteiligung am Schatz betreffen würde. Aber das war seine Entscheidung. Uns bot er für die Begleitung im Falle falls die Suche erfolglos bliebe 25 Dublonen, im Falle eines Erfolgs aber sogar 5 Anteile vom 100 des Schatzes. Das war mal eine Aussicht! Wäre ich nicht eh schon Neugierig gewesen, was da noch kommen würde, spätestens jetzt hätte er mich als Reisebegleiter gewonnen. Ich sparte mir jegliches Handeln und schlug direkt in seine Hand ein.

 

Da wir im Hause Florios Quartier nehmen sollten eilte ich noch einmal nach Hause mein Reisegepäck holen – und um zuerst einmal Vater um Erlaubnis zu bitten die Reise überhaupt antreten zu dürfen. Ohne sein Einverständnis hätte ich mich es diesmal nicht getraut, einfach zu verschwinden. Erstaunlicherweise hatte er kaum Einwände, und als ich ansprach dass die Familie Florios ihren Segen über diese Unternehmung erteilt hatte ließ er mich ohne weiteres ziehen. Anscheinend versprach er sich einen eigenen Vorteil wenn er einem Schützling der Florios seinen Sohn an die Seite stellte. Aber was genau das wieder sein sollte konnte ich nicht einmal erahnen. Vielleicht sollte ich mich doch etwas mehr mit seinen Geschäften befassen als bisher, das war wie ein grauer Nebel der sich immer wieder vor mir schloss. Aber sei es drum, jetzt rief erst einmal Aves nach mir und zog mich erneut hinaus auf seine Pfade.

 

Kurze Zeit später befanden wir uns auf einem Schiff das uns zwei Tage gen Praios trug bis zu einem Ort namens Ylea, etwas firunwärts von Sylla, da dort wohl keine AlAnfaner Schiffe anlanden durften. Von dort folgten wir dem Küstenweg nach Sylla. Während der Reise gewann der junge Nestario sichtlich an Sicherheit, wurde zusehends selbstbewusster. Das gefiel mir, würde es doch leichter sein auf einen tapferen Burschen aufzupassen als auf einen Angsthasen. Er begann sogar mit dem Florett das er an der Seite trug zu trainieren, was ziemlich geschmeidig und gekonnt aussah. Irgendwie wie aus dem Lehrbuch, aber trotzdem, sehr flink und agil.

 

Als wir Sylla endlich erreichten war ich etwas überrascht. Die hatten sogar einen Leuchtturm hier. Aber kein typischer Turm, die Bezeichnung war eigentlich falsch und mit Türmen kenne ich mich als Magier natürlich aus. Eher eine Art Pyramide, wie man sie, soweit ich aus den Büchern weiß, von den Echsen kennt und Zigurate oder so nennt. Vor dem Tor standen doch tatsächlich Wachen! Der Gladiator Sandor hatte mich noch warnen wollen, es gäbe dort keine Obrigkeit, und ich solle mich nicht darauf verlassen wenn wir angepöbelt würden dort von irgendwem geschützt zu werden. Und sieh an, da war doch die Obrigkeit! Also hatte er sein vorgegebenes Wissen wohl doch eher von wilden Erzählungen als aus echter Erfahrung, das sollte ich mir merken. Meine Freude währte aber nur kurz. Der Empfang durch die Wachen als sie mich sahen und ich mich unverblümt vorstellte war mindestens genauso unfreundlich wie seinerzeit in Havena, wenn nicht sogar noch etwas rüder. Nicht per se gegen mich als Magier, das war hier wohl kein Problem, aber AlAnfaner schienen wirklich nicht sonderlich gut gelitten in dieser nach allen Richtungen wuchernden Stadt. Ich solle meine Finger bei mir behalten und nicht herum wackeln, keinen Blödsinn machen und falls man mich angehen sollte nicht auf irgendwelche Hilfe hoffen. Na toll! Soviel zu Ordnung und Anstand in diesem Loch. Hoffentlich waren wir schnell wieder hier heraus, denn mich für die tumbe lokale Bevölkerung unkenntlich machen würde ich mich trotzdem nicht, das Verbot mir schon mein Stolz. Da müsste schon echte und akute Lebensgefahr drohen, bevor ich das auch nur in Erwägung ziehen würde! Sollten Sie nur kommen… mich juckte es jetzt schon in den Fingern irgendwo ein Pentagramm hinzumalen und einen beliebigen Dämon hier ein wenig Amok laufen zu lassen – aber das war natürlich der Mühe und Kraft gar nicht wert.

 

Wuchernd war auch der passende Eindruck für die Stadt, als wir durch die engen Gassen zogen um zu einer Taverne zu gelangen, in der sich unser Kontakt finden sollte. Ehemals schien die Stadt einem gewissen Plan gefolgt zu sein, logisch angelegt und entworfen von einem Meister der Baukunst. Heute rückten die Gebäude planlos zueinander, ineinander, aufeinander, so dass dies kaum noch zu erkennen war. Ganze Straßen waren von Erweiterungen mancher Gebäude versperrt, so dass man Umwege gehen musste. Das Licht fiel teilweise nur schwach zwischen den sich gegeneinander neigenden Häusern in die Gassen, der Dreck stand auf der Straße, die kaum als solches zu bezeichnen war. Die schlimmeren Viertel AlAnfas sahen auch nicht schlechter aus als dieses Sauloch von einer Stadt. Ich meine, ich habe ja auch schon von dieser „Piratenstadt“ gehört, Geschichten werden ja immer erzählt. Aber die wurden dem waren Bild nicht gerecht, die Realität war da deutlich ernüchternder. Und überall liefen grobschlächtige Kerle und Weiber in Stoff, Leder oder gleich halbnackt herum und prunkten mit eingestochenen Hautbildern bei denen insbesondere der Haifisch ein anscheinend sehr beliebtes und wiederkehrendes Motiv war, ähnlich wie bei diesem Thorwallerpack der Walfisch. Ich frage mich ernstlich wie man sich freiwillig derart entstellen konnte. Das konnte ja auch Kunst sein, das will ich gar nicht bestreiten, an einer hübschen Sklavin konnte so ein Bild an der richtigen Stelle auch sehr zierend sein, oder das Symbol seiner Macht in der Hand eines Magus, absolut berechtigt. Aber das hier? Das war bestenfalls mit den Schmierereien an Wänden vergleichbar, die manch Halbwüchsiger hinterlässt um seinen Mut zu beweisen. Grotesk! Ich wette, bei der Applikation dieser Hautbilder war in vielen Fällen nicht nur der zukünftige Träger sondern auch der Ausführende „Künstler“ sturzbetrunken! Aber sei es drum… ich schüttelte beim Gang durch die Stadt immer wieder den Kopf, zog selbigen ein und rümpfte die Nase.

 

Als wir das Gasthaus Klabautermann erreichten, ein mehrstöckiges Gebäude in dessen Keller wohl die gesuchte Taverne lag, empfing uns der hauseigene Wächter wenig freundlich. Auf zahlende Gäste legten die hier also auch keinen Wert. Der Keller war, wie zu erwarten, ad primo ziemlich dunkel, erhellt nur von wenigen Lichtquellen was es meinen Augen ziemlich schwierig machte sich anzupassen, ad secundo stinkig und muffig, was mangels größerer Fenster kein Wunder war und ad tertio bereits ziemlich gut gefüllt und laut. Um die runden, massiven Tische des Gastraums hockten reichlich Gäste die bereits heftig zechten und der Lautstärke nach auch schon länger dabei waren und ihren Spaß hatten. Insbesondere ein Tisch erregte meine Aufmerksamkeit, an dem um einen beträchtlichen Haufen Dublonen Boltan gespielt wurde, während daneben eine unglücklich dreinschauende, halbnackte Mohasklavin stand und ein Thorwaler direkt daneben verbunden wurde. Als der Wirt zu uns kam hatte ich alle Mühe dem Trampel zu verdeutlichen, dass ich gerne einen gekühlten Rotwein mit Zitrusfrüchten darin hätte. Auf solche Wünsche war man hier anscheinend nicht eingestellt. Wollte mir der Dödel dann doch Wasser stattdessen servieren! Als wenn ich in diesem Loch Wasser saufen würde wie eine Ziege um danach davon krank zu werden. Also musste ich notgedrungen auf Bier umsteigen, da war die Gefahr zumindest nicht allzu groß. Dann fragten wir den Wirt nach Kapitän Adario Ramirez, und bekamen, kaum das Nestario 2 Silberlinge gezahlt hatte, den Verweis auf den Tisch an dem Boltan gespielt wurde. Der Glatzköpfige dort sei unser Gesuchter. Dort wurde es eben lauter, war der Batzen an Goldstücken doch noch einmal angewachsen, selbst die Sklavin schien mittlerweile zum Einsatz geworden zu sein. Gerade wurden die Karten auf den Tisch gelegt, ein Triumphschrei, einer Sprang auf, wedelte mit den Armen woraufhin sich eine Karte aus selbigen löste und zu Boden fiel, irgendwer schrie noch „Betrug“ und dann explodierte der Raum in einem Hexenkessel. Ich sah noch wie der von uns gesuchte Adario eine kleine, handliche Armbrust zog und dem vermeintlichen Betrüger in die Brust schoss und nach seinen Männern zum Sammeln rief, dann ging alles im Chaos unter. Ich versuchte einen der Tische umzuwerfen um dahinter in Deckung zu gehen, musste aber feststellen, dass diese, wohl aus leidvoller Erfahrung des Wirts, am Boden festgedübelt waren. So blieb uns nur, das Gröbste zu vermeiden und den Schlägern nach bester Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Adario hatte anscheinend in der Zwischenzeit ein gutes Dutzend Leute um sich gesammelt, die seinen Rückzug zur Tür deckten. Auf dem Weg dahin sammelte er seinen Gewinn ein, machte er am Tresen halt, sprach dort einen ranzig aussehenden Typen an (ich verstand bei dem ganzen Lärm natürlich nicht worum es ging), der sich dann auch noch am herumliegenden Gold bediente und sich dem Kapitän anschloss. Wir schafften es gerade so, Adario auf dem Weg nach draußen abzupassen. Nach kurzem Überlegen schien er sich sogar irgendwie an Nestario zu erinnern, aber unterhalten wollte er sich vor Ort nicht mehr mit uns, wir sollten ihm eben folgen, falls wir etwas von ihm wollten.

 

Was blieb uns also für eine Wahl? Durch die Stadt gen Hafen ging es weiter, immer abgesichert von den Männern und Frauen, die wohl zu seiner Mannschaft gehörten. Im Hafen machte man kein langes aufheben, wir bestiegen direkt eine kleine Kogge, die flinke Flunder, mit der er wohl unterwegs war. Für einen Freibeuter ein recht armseliges Schiff mit dem er wohl kaum auf Beute hoffen durfte. Andererseits… meine zyklopäischen Freunde liefen ja auch nicht mit ihrem Piratenschiff in den Hafen ein, wo man sie im Zweifel direkt aufknüpfen könnte. Nachdem wir an Bord gegangen und direkt ausgelaufen waren, die Ladung schien bereits an Bord verstaut zu sein, bat uns Kapitän Adario in seine und damit einzige Kajüte, in der es in der Folge äußerst beengt zuging. Neben ihm selbst und seiner rechten Hand Ulf (der Thorwaler, der in der Taverne verarztet worden war) und natürlich Nestario, mir selbst und dem Gladaitor Sandor waren, warum auch immer, noch 3 Weitere anwesend. Die erfreulichste davon war noch die Heilerin Yazinda, deren Bekanntschaft ich auf der Reise nach Brabak schon einmal für einige wenige Tage zur See gemacht hatte. Dann war da noch die junge Mohasklavin, die wohl jetzt in Adarios Besitz übergegangen war. Pamsheyu oder so. Obwohl Sklavin wagte sie sogar, dass Wort zu ergreifen, wenn auch auf Grund mangelnder Sprachkenntnis recht einsilbig. Aber sie war wohl nicht in Sklaverei geboren sondern ein echter Wildfang, was ihre deutlich zu wenig unterwürfige Art erklären würde. Aber als Eigentum wusste man wenigstens, warum sie da sein durfte. Und dann war da noch diese abgerissene Gestalt, die Kapitän Adario wie einen weggeworfenen Putzlappen hinter dem Tresen hervor geholt hatte. Tulef nannte sich der Kerl und war in meinen Augen eine mehr als nur unangenehme Erscheinung.

 

Nestario erhielt als erster das Wort und erläuterte in kurzen Zügen sein Anliegen. Adario schien zuerst ziemlich reserviert. Erst als Nestario die Seerosenhautbilder der Entführer erwähnte zuckte es in seinem Gesicht. Er kannte diese Gestalten also! Als Nestario zum Ende kam erklärte Adario uns direkt, dass unser Feind wohl ein Piratenkapitän namens Rodriguez „Der Rote“ Ramon sei, mit dem er auch selbst eine Fehde am Laufen hatte. Daher würde er uns für den lächerlichen Anteil von der Hälfte des Schatzes für sich und seine Mannschaft helfen. Nestario schluckte sichtlich, das würde seine finanzielle Ausbeute aus dieser Unternehmung schwer schmälern, aber hatten wir eine andere Wahl? Uns standen ja weder ein anderes Schiff noch eine andere Mannschaft zur Verfügung. Also willigte er sichtlich schweren Herzens ein. Ich denke, da hätte er auch gleich die AlAnfanische Admiralität um Hilfe bitten können, aber das behielt ich für mich. Kapitän Adario nahm dann noch die Heilerin Yazinda als Bordmedica in die Mannschaft auf und lies sogar diesen verwanzten Tulef anheuern, aber dann ging es los. Wir sollten uns nur an zwei Regeln halten: Der Kapitän (und seine Stellvertreter) hatten an Bord das sagen und ein im Kampf besiegter Gegner wird nicht getötet, wenn er sich ergeben hat. Schon wieder ein humanistisch veranlagter Freibeuter? Diese Einstellung kannte ich ja schon von DeVeCa, deswegen fragte ich Kapitän Adario, ob das irgendwie so ein normales Freibeuterding sei. Aber die Antwort war, wieder, so simpel wie einleuchtend. Nicht die Kuh schlachten, die man Melken will, wenn sie jemals wieder Milch geben soll. Na, mir sollte es recht sein. Die Herrin Tsa und der Herr Efferd dürften es so auch viel lieber haben als anders. Wir würden erst noch „das Schiff aufrüsten“, was auch immer das heißen sollte, bevor wir in etwa einer Woche in Gewässer kommen würden, wo mit Feindkontakt zu rechnen sei. Der Rote hätte seine Basis am praioswärtigen Ufer von Altoum, aber es sei am besten ihn auf seinem Schiff abzufangen, von denen er wohl 2 hätte, statt sein Lager anzugreifen wo nur noch mehr Feinde auf uns warten würden.

 

Unter vollen Segeln dümpelten wir mit der einer Kogge so eigenen, mangelnden Geschwindigkeit los. Das war doch kein Piratenschiff! Jedes Floß würde uns davon fahren! Und Waffen, geschweige denn Geschütze, fanden sich auch kaum an Bord. Aber das sollte sich später aufklären. Zuerst einmal bat ich Nestario, auf dessen Grandenhintern ich nun wohl aufpassen müsste, mir seine Fähigkeiten mit dem Florett zu demonstrieren, damit ich einschätzen konnte wie notwendig hier meine Aufmerksamkeit war. Unser Gladiator Sandor sollte dafür genau der richtige sein.  Wer wenn nicht ein professioneller Schaukämpfer würde sonst einen Kampf liefern können, ohne seinen Kampfpartner ernsthaft zu verletzen? Die beiden machten sich also fertig und ich schützte Nestario, rein vorsorglich falls Sandor doch die Klinge ausrutschen würde, mit einem Armatrutz, nur zur Sicherheit. Dann standen sie sich gegenüber, Sandor mit zwei Kurzschwertern, Nestario mit Florett und Buckler. Was mir geboten wurde war eine sehr beachtliche Demonstration von Fechtkunst auf beiden Seiten. Sandor wusste gekonnt mit seinen Schwertern gleichzeitig zuzuschlagen, aber Nestario parierte mit seinem Buckler jeden noch so geschickten Vorstoß, konnte aber im Gegenzug ebenfalls keinen Treffer setzen. Nach einigem hin und her erklärte ich den beiden, dass mir das völlig ausreichte und belobigte Nestario noch für seinen gekonnten Fechtstil. Damit hatte ich bei dem Sohn aus gutem Hause zugegebenermaßen nicht gerechnet. Aber seine Familie hatte wohl einen sündhaft teuren Fechtlehrer bezahlt, der ihn regelmäßig über die Planche getrieben hatte, auch wenn ihm laut eigener Aussage die praktische Erfahrung noch fehlte. Gut, die würde er jetzt wohl bekommen, davon ging ich zumindest aus. Bluttaufe nannte man das glaube ich unter den kämpferischen Professionen. Die Sklavin Pamyeshu schien davon richtig heiß geworden zu sein, stürzte sie sich doch gleich darauf selbst in eine hitzige Prügelei mit Sandor, diesmal aber ohne Waffen. Die beiden boten ein beeindruckendes Spektakel an Sprüngen, Tritten und Hieben, fast schon eher akrobatisch zu nennen, aber mit beeindruckendem Ergebnis. Beidetroffen danach vor Schweiß und Blut durch mehrere schweren Treffer wie zwei Boxer, die sich die Nasen eingeschlagen hatten, so dass die Heilerin Yazinda direkt Arbeit hatte. Wenn einem so etwas geboten wurde, konnte man sich den Gang in die Arena als Zuschauer glatt sparen!

 

Des nächstens ermittelte ich noch anhand der Sterne grob unseren Kurs, bevor ich schlafen ging. Da zahlte sich die Geschichte mit dem Sternenkundler in Brabak direkt aus. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, wusste ich doch nicht, ob man unserem neuen Kapitän auch wirklich trauen konnte. Wir fuhren in etwa gen Praios-Rahja, also tatsächlich in oder durch die Straße von Sylla und Charypso, was uns an die südlichen Gestade von Altoum führen müsste. Insofern hatte der Kapitän die Wahrheit gesprochen, so dass ich mich etwas entspannt ins Bett legen hätte können – hätte es ein Bett gegeben! Wir mussten uns wie die letzten Seeleute an Deck einfach einen Platz suchen und dort liegen, wo es eben ging. Nicht einmal der Überbau oder die Kajüte stand uns zur Verfügung, geschweige denn dass ich meine Hängematte irgendwo hätte aufhängen können -  ich hasse Koggen! Auf diesen Seelenverkäufern können vielleicht Händler fahren, aber doch keine respektablen Personen wie ich oder Nestario. Das war entwürdigend… aber leider nicht zu ändern, so dass ich eine eher unerfreuliche als besonders erholsame Nacht verbrachte.

 

Der nächste Morgen brachte dann Klarheit, wie Adario seine Geschäfte verrichtete. Eigentlich hätte ich es mir denken müssen. Unsere plumpe Kogge steuerte zielsicher einen im Morgendunst am Horizont auftauchenden stolzen Dreimaster an. Schon beim Näherkommen waren die Ausmaße des Schiffs beeindruckend. Eine Karake, quasi eine schwimmende Festung, mit hohen Aufbauten am Bug und sogar einem doppelten Deck achtern, sicherlich 35 Schritt lang und strotzend vor Waffen – wobei ich letzteres eher vermutete. Aber so ein Schiff würde sicher nicht ohne Geschütze unterwegs sein. Dabei sind Karaken für Freibeuter eher untypisch denke ich. Viel zu groß und zu schwer, zu wenig schnell um einfach mal so eben Beute aufzubringen. Aber dafür Kampfstark. Die Frage, wie ein Freibeuter an so ein Prachtstück kommt blieb Adario mir schuldig, dafür konnte ich bald den Namen entziffern, der am Bug prankte: Corona. Ob dieser Pirat wohl wusste, dass er ein Schiff mit der bosparanischen Bezeichnung für „die Krone“  über Efferds Meere schipperte? Ich bezweifelte das ehrlich gesagt. Über eine Strickleiter enterten wir an Deck, wobei dieser plumpe Tölpel Tulef uns wenigstens etwas zu lachen bot, als er sich wie ein Mehlsack erst an das Getäu hing und dann ins Wasser klatschte wie eine Ente, der man einen Armbrustbolzen in den Bürzel gejagt hatte.

 

Adario bat uns in seine Kajüte, um noch einmal unseren Plan und die dabei anstehenden Aufgaben durchzugehen. Immerhin schien er etwas von militärischer Planung und der Herangehensweise an solche Missionen zu verstehen, das gefiel mir. Dann meinte er, er sei zwar der Kapitän, aber die eigentliche Mission hätte ja Nestario ausgerufen, also solle dieser die Leitung des ganzen Unterfangens übernehmen, was dem armen Jungen sichtlich unangenehm war. Ich hatte den Eindruck er stand kurz vor der Schnappatmung, als Adario ihm aber auch schon einen Ausweg bot und meinte, er könne ja quasi stellvertretend für sich einen Missionsleiter benennen, der dann quasi im Range einem Offizier dieses Schiffes gleichkommen würde – und blickte dabei zu mir herüber. Nestario nahm diese Fluchttür dankend an, und ehe ich mich versehen konnte war ich zum Kommandanten unserer Schatzsuche ernannt worden. Eine gute, wiewohl natürliche Wahl. Wer, wenn nicht ein Magus wie ich hätte sonst den Weitblick um die Probleme rechtzeitig zu erkennen und Lösungen zu finden, und wer wenn nicht ich kannte sich mit der Menschenführung in unserer Bund zusammen gewürfelten Truppe aus? Immerhin hatte ich schon Bergmänner in einer Mine beaufsichtigt, da würden so ein paar Seebären auch kein Problem sein. Wie ich schon immer zu sagen pflegte, omnes magii facit – alle Macht den Magiern. Und das Führen will nun mal im Kleinen geübt werden, bevor man zum großen Übergeht. Einem eigenen kleinen Magierfürstentum vielleicht, oder einem Staat? Ich denke, auch ein Galotta, dieses strahlende Vorbild an echtem Potentatentum hat einmal klein angefangen, auch wenn das natürlich schwer vorstellbar war. Diese Entwicklung nun gefiel mir sogar  noch mehr.

 

Dann wurden wir von Adario und Ulf mit dem Schiff vertraut gemacht. Wirklich ein wundervolles Stück Baukunst, auf dem wir jetzt fahren durften. 120 Mann Besatzung lies Adario an Deck antreten, dabei war der Ton schon fast vorbildlich militärisch. Zwar trugen die Seebären keine Uniformen, aber an ihrer Kleidung konnte man doch den Matrosen vom Kämpfer, den Geschützmeister vom Rahgänger unterscheiden, aber trotzdem ein bunter Haufen. Überhaupt lief alles so diszipliniert ab, dass ich schon fast anzweifelte auf einem Freibeuterschiff zu sein sondern vermutete, hier ein getarntes Flottenkommando einer ernstzunehmenden Macht vor mir zu haben. Sogar ein Zwerg war an Bord, der anscheinend für die Geschütze zuständig war. Kurios, kurios.  Dann machten wir einen Rundgang über das Schiff, geführt von Ulf, der wohl so etwas wie der Bootsmann war. Das erste Oberdeck wurde dominiert von 2 Kajütenaufbauten. Eine davon stand Adario zu, die andere,  und da war ich nun tatsächlich baff, gehörte einer Frau. Durch einen klimpernden Perlenvorhang betraten wir ein schummriges Zimmer, voll mit Skurrilitäten wie man sie in der Behausung eines verschrobenen Magus erwartet hätte, aber nicht auf einem Schiff. Eine Frau unbestimmbaren Alters, ich war mir da einfach nicht sicher, sie hätte genauso gut 30 wie 300 Sommer zählen können, saß mitten im Raum im Schneidersitz und schien uns zu erwarten. Außerdem stromerte eine Katze herum, eine Eule hockte auf einer Stange und beäugte uns und eine Kristallkugel stand prominent auf einem Ständer. Ich konnte meine Neugier nicht zügeln, und ich  meinte das natürlich in keinster Weise unfreundlich, als ich ein Odem Arcanum murmelte. Schlagartig änderte sich meine Sicht, so wie es sein sollte, und das nichtmagische schwarz das mich umgab, kein Wunder auf diesem Schiff und umgeben von so vielen unarkanen Sauerbroten, wurde von der Aura dieser Frau gleißend hell überstrahlt. Ganz eindeutig, nicht nur ein bisschen eine Zauberwirkerin, sondern sogar eine von recht ordentlicher Potenz – der Aura nach wohl kaum, vielleicht ein kleines Quentchen weniger mächtig als ich selbst. Ich war beeindruckt. Eine Schamanin? Soll es ja hier im Südmeer ab und an auch auf Schiffen geben.   Die Dame stellte sich als Reha vor und nahm nun unsere Hände der Reihe nach in Augenschein, offensichtlich um aus unseren Lebenslinien zu lesen – was für ein Humbug! Vielleicht eine Scharlatanin? Meine Begleiter beeindruckte sie mit ihrem Geschwafel sichtlich, im Gegensatz zu mir. Ein gebildeter Mann weiß nun einmal, was man von solchem Geschwätz zu halten hat.  Bei mir wirkte sie, als sie meine Hand nahm, ebenfalls einen Odem, wie ich ihrem Gemurmel entnehmen konnte. Also keine Schamanin und keine Scharlatanin, sondern eine ordentliche Zauberin die echtes Spruchwerk benutzte. Sie gab sich mir dann als Seherin zuerkennen, also eine Hexe! Ich habe da ja keinerlei Vorurteile, im Gegenteil. Bei diesen Zauberweibern soll es ja nicht nur ausgesprochen hübsche Frauen geben die der Rahja enorm huldigen sondern auch wirklich fähige Arkanologinnen. Ich hatte zwar noch nie davon gehört dass es Schiffshexen statt Schiffsmagier gibt, aber man lernt ja nie aus. Und im Gegensatz zu diesen Waldwichteln aus dem Norden, die man Druiden nennt, waren diese Schwesternschaften der Hexen respektable Verbindungen, die man mit einem gewissen wissenschaftlichen Abstand durchaus akzeptieren konnte – denke ich zumindest. Auf jeden Fall würde ich diese Frau im Auge behalten – genauestens!

 

Das zweite Oberdeck war dann schon etwas weniger überraschend. Die Kombüse, das Heilerzimmer in dem Yazinda gleich eingewiesen wurde, das Zimmer des Navigators, die Messe, in der an einem extra Tisch der dann bedient würde auch die Offiziere – und damit auch ich – speisen durften und die auf Grund der schieren Masse an Mannschaft im Schichtbetrieb genutzt wurde. Wir waren in der ersten Schicht, sprich beim ersten Glockenschlag, mit dem Essen dran. Dazu noch ein Besprechungsraum, sowie die Offizierskajüten, von denen ich eine rechts hinten im Heck beziehen und für mich allein haben durfte. Soweit, so zufriedenstellend, das war schon etwas ganz anderes als auf dieser lausigen Kogge. Im ersten Unterdeck waren dann noch die Mannschaftsquartiere, wo die meisten meiner Mitreisenden unterkamen und im zweiten Unterdeck weitere Quartiere sowie eine Hand voll Gefängniszellen für Meuterer oder Gefangene. Also nichts sonderlich Erwähnenswertes. Ich erkundigte mich dann bei Ulf nach der Bewaffnung des Schiffes, den Geschützen, der Munition und dem Arsenal. Dieses lag Mitschiffs vor dem Laderaum und wurde von Durim, dem Zwergen den ich beim Antreten gesehen habe, geleitet. Mit ihm müsste ich nachher mal ein Wörtchen sprechen, ich hatte da so eine Idee, die ich unbedingt ausprobieren wollte.

 

Davor aber hatten die Götter noch eine Missionsbesprechung gesetzt, zu der uns Adario nun zusammen rief. Anwesend waren außer unserer bisherigen kleinen Gruppe (ich fragte mich schon wieder, was dieser Tulef und die Sklavin dabei zu suchen hatten, bei Yazinda als Bordmedica verstand ich es ja) noch ein jüngerer Schnauzbartträger namens Lucan Valero da, der die Nachtwachen als erste Offizier übernahm, eine stattliche Frau namens Imelda die den gleichen Posten in der Frühschicht hatte, der Zwerg Durin, der den Geschütz- und Waffenmeister gab, ein glatzköpfiger Bornländer namens Stormin Trabolla, der der Handwersmeister des Schiffs war sowie der Quartiermeister des Schiffs, ein Mittelländer namens Harkon Prem. Nur der Navigator fehlte, wohl weil er den neuen Kurs schon berechnete. Außerdem waren dann noch die mir bereits bekannten Ulf und Reha da, was die Besprechung zu einer recht beengten Angelegenheit werden ließ. Ich wünschte sie hätten wenigstens Tulef und die Sklavin weggeschickt, damit sie uns nicht die Luft wegatmen würden, die war unter Deck ja eh nie besonders gut.

 

Die Mission gestaltete sich dann am Ende der Besprechung folgendermaßen, wobei sich die Kontroversen in Grenzen hielten. Wir würden den Piraten Rodriguez angreifen und das Buch, welches den Titel „Nacht und Eis“ hatte, von ihm zurück erobern, um daraus mit Hilfe des Schlüsselmanuskriptes eine Art Schatzkarte zu rekonstruieren.  Da wir uns derzeit in der Straße von Sylla befanden würden wir dazu nur der Küstenlinie Altoums (der größten Insel hier unten, wie man leicht auf der Karte sah) folgen müssen, grob Richtung Südost. Sein derzeitiges Lager war Kapitän Adario vermutlich bekannt, zumindest meinte er, er hätte da so einen Verdacht, was für uns gute 3 Tage fahrt bedeuten würde. Da wir planten ihn auf seinem Schiff zu stellen, bevor er überhaupt die Möglichkeit hätte sein Lager oder sein zweites Schiff als Verstärkung zu erreichen, mussten wir dazu immer die Umgebende See auskundschaften. Da ich aber dabei wohl keine große Hilfe sein würde – ein Gotongi, das geflügelte Auge, stand mir leider mangels Kenntnis des wahren Namens nicht zur Verfügung -  würde diese Aufgabe in anscheinend bereits bewährter Manier die mystische Reha übernehmen. Ich war neugierig, wie sie das anstellen wollte.  Dann schnappte ich mir zum Ende der Besprechung sofort den Zwerg Durim, der mich argwöhnisch musterte. Andererseits fand ich es wohl genauso befremdlich einen seefahrenden Zwerg zu sehen, wie er einem Magus der linken Hand nicht so recht traute. Aber ich ließ mir selbstverständlich nichts anmerken und bot dem kurzen Kerl meine freundlichsten Grüße und mein offenstes Lächeln. „Auf ein Wort, Herr Durim“, eröffnete ich das Gespräch, bevor ich mich daran machte ihm klarzumachen, was ich von ihm wollte.

 

Ob wir den das berüchtigte Hylailer Feuer an Bord hätte, diese hochgefährlichen Brandgeschosse, mit denen ein geübter Richtschütze so vortrefflich den Feind bekämpfen könne. Er bejahte dies, wenngleich das Brandöl bis kurz vor der Verwendung nicht in den Geschossen, sondern in seinen Amphoren gelagert würde, alles andere war ihm zu riskant, und mein Herz hüpfte vor freudiger Erwartung. Ich fragte ihn, ob er mir erlauben würde, direkt zwei oder drei Geschosse abzufüllen, welche ich mit einem Zauber zu belegen gedachte, der eine Detonation ohne das riskante versehen mit einer brennenden Lunte ermöglichen könne. Beim Wort „Zauber“ schienen sich dem Zwergen die Barthaare zu sträuben und ich merkte sichtlich seine Missbilligung. Aber ich redete mit Alveranierszungen auf ihn ein und am Ende gelang es mir tatsächlich ihn zu überzeugen, das Experiment zu wagen, wohl auch weil ich etwas flunkerte was die praktischen Erfahrungen damit anging und das die ganze Flotte AlAnfas es mittlerweile so machen würde – Humbug. Das hatte ich mir schnell aus den Fingern gesogen, weil ich es einfach einmal testen wollte. Aber in der Theorie müsste das eigentlich funktionieren. Also gingen wir ins Arsenal, wo wir 2 hohle Tonkugeln mit Hylailer Feuer befüllten. Die Öffnung, in die üblicherweise der brennende Lappen gesteckt wurde, verschloss ich mit Wachs und ritzte die Zeichen der Wacht und des Feuers hinein. Anschließend wirkte ich auf beide Kugeln den Custodisigil-Cantus. Eigentlich war der dafür gedacht kleine Kisten mit geheimen Nachrichten zu schützen. Wenn ein Unbefugter das Siegel zerbrach entlud sich ein kleiner Flammenstoß um das Pergament mit der Nachricht zu zerstören. Nun war also meine Theorie, dass, wenn das Siegel auf der Kugel zerbrochen würde, was beim Auftreffen auf ein gegnerisches Schiff unweigerlich der Fall sein sollte, die arkane Inflamation statt ein Pergament zu zerstören genauso gut den Inhalt der Kugel, sprich das hochexplosive Brandöl, entzünden müsste, ohne dass man an der Kugel selbst auf unserem Schiff mit Feuer herumhantieren musste, was in der Tat schon den ein oder anderen Unfall hervorgerufen haben soll. Es sollte nur keiner auf unserem Schiff die Kugel fallen lassen beim Herumtragen, aber das würde ja wohl noch der dümmste Matrose hinbekommen… die Kugeln lagerten wir dann bis zu einer sich bietenden Gelegenheit für den praktischen Versuch in eine strohgepolsterte Kiste.

 

Dann passierte erst einmal eine ganze Zeit lang nichts. Unser Gladiator Sandor war so freundlich, mir von der Hexe Reha ein Eulengewöll zu besorgen, das man gut in der Alchimie verwenden konnte. Ich getraute mich erst nur nicht, sie selbst danach zu fragen. Hexen und Magier verstehen sich ja nicht immer so ganz gut. Aber diese Reha schien da keinerlei Berührungsängste zu haben, weswegen ich mir vornahm, ihr bei nächster Gelegenheit in aller Ehrlichkeit zu danken. Ansonsten war bis zum Morgen eigentlich nur noch erwähnenswert, dass ich beim ersten Glockenschlag zum Essen ging, das ich in Gesellschaft von Durin, Lucan und Harkon einnahm. Uns wurde eine Suppe und gebratener Fisch serviert, was mir einen neidischen Blick dieses Schmierlappens Tulef einbrachte. Die Mannschaft wurde anscheinend mit einer Art Fischbrei abgespeist, der wirklich nicht annähernd so gut aussah wie mein eigenes Essen. Aber so ist es eben, jeder bekommt, was er verdient. Dann verbrachte ich eine ruhige Nacht in meiner eigenen Kajüte, in der ich mich wirklich wohl fühlte. So sollte ein Magus reisen, das war wirklich standesgemäß. Am Morgen begab ich mich zu Hexe Reha, um ihr meinen Dank zu erstatten. Dabei teilte sie mir mit, dass auf 50 Meilen im Umkreis kein Schiff zu sehen war. Anscheinend verfügte sie über eine regelrechte Menagerie, denn sie hatte auch noch einen Raben, anscheinend eine zweite Katze und fragte mich, ob ich den Hund gesehen hätte, der ihr wieder einmal abgängig war. Leider hatte ich das nicht, aber ich wusste schon für wen die Suche nach einem Hund auf diesem Schiff eine angemessene Aufgabe war.

 

Tulef! Dieser Nichtsnutz von einem Tagedieb würde jetzt endlich einmal seinen Wert unter Beweis stellen können. Bisher hatte ich keine Situation gesehen, in der er auch nur irgendeinen vernünftigen Beitrag hätte leisten können, aber als Laufbursche könnte er ja zumindest einmal damit anfange. Ich rief den Burschen also zu mir aufs Oberdeck – aber was war das? Meuterei? Der dreckige Kerl ignorierte meine Rufe! Ich wiederholte das Ganze, aber der Bursche wollte einfach nicht hören! Das war ganz offensichtlicher ungehorsam, ich überlegte bereits, mir zwei Mannschaften zu nehmen und dem Kerl die Peitsche geben zu lassen, während sich der Prophet, in diesem Fall ich, sich zu dem störrischen Berg, also Tulef, begab. Aus nächster Nähe hies ich dem Burschen noch einmal mein Begehr, er solle sich auf die Suche nach dem Hund der Dame Reha machen, aber die kackfreche Antwort war dann so etwas wie, er sei ein freier Mann, liese sich nicht mit Bursche anreden und überhaupt… Ja geht’s noch? Der stinkende Hund wusste wohl nicht wo sein Platz war? Ich gab ihm den Auftrag noch einmal, diesmal nicht mit der Anrede Bursche, auch wenn ich das vielleicht hätte tun sollen, sondern mit einem hohntriefenden „Herr Tulef“ voran gestellt, woraufhin er sich dann tatsächlich trollte um meiner Aufforderung nachzukommen. Aber das würde ich mir merken! Mit so renitenten Gestalten die anderen den erforderlichen Respekt und Gehorsam verweigerten musste man vorsichtig sein und wissen, wie damit umzugehen war. Haifischfutter ist da zum Beispiel eine passende Verwendung, oder Paraphernalium für einen Dämon der auf Hochmut stand. Ich machte mir eine geistige Notiz, diesen Kerl, wenn sich sein Verhalten nicht bessern sollte, in der Zukunft einer entsprechenden Verwendung zuzuführen, bevor mich mein Weg weiter zu Yazinda in das Heilerzimmer führte, mit der ich noch ein paar unwichtige Kleinigkeiten zu besprechen hatte. Ich hatte ihr ja bei unserer letzten Begegnung eröffnet, dass ich in ihr ein geringes arkanes Potential festgestellt hatte. Dies fand sie mittlerweile bestätigt, konnte daraus aber noch keinen so rechten Nutzen für sich ziehen.

 

Am Nachmittag, es muss etwa zur 4. Stunde gewesen sein, überschlugen sich dann auf einmal die Ereignisse. Der Ausguck meldete schreiend 3 Segel am Horizont, die stramm Kurs auf uns zu hielten. Kapitän Adario, der gerade selber das Kommando führte, wurde sichtlich nervös, lies sich sein Fernglas geben und suchte den Horizont damit ab. Es dauerte noch etwas, aber als die Segel auch für uns unten sichtbar wurden, erbleichte sein Gesicht sichtlich.  Es waren Korsaren aus meiner geliebten Heimat AlAnfa, die dort anrückten. Eine kleine Flotte, die laut Aussage des Kapitäns einzig und allein dem Zweck diente, solche Schiffe wie das unsere, also Freibeuter unter fremder Flagge und Piraten, aufzubringen. Na toll. Da fuhr man einmal nichts Böses wollend auf einem fremden Schiff mit, und schon wird man dazu gezwungen, gegen die eigenen Leute angehen zu müssen. Unsere Karake war zwar stark, aber wie schon einmal gesagt nicht das schnellste Schiff auf den Wellen. Davonsegeln würden wir diesen schnittigen Jägern also kaum können. Mittlerweile konnten wir erkennen, dass es zwei Segler und eine Bireme waren. Jede für sich allein hätten wir mit unserer Karake ohne Probleme besiegen können, aber gegen den ganzen Verband wären wir wohl leider hoffnungslos unterlegen. Und sich aufbringen zu lassen hatte gleich zwei Nachteile, auch wenn ich denke, dass mir selbst nichts geschehen wäre, hätte ich mich aus den Kämpfen heraus gehalten. Ad primo wäre natürlich unsere Schatzsuche damit vorzeitig erfolglos beendet und darauf wollte sich Nestario auf keinen Fall einlassen. Ad secundo hätte ich irgendjemand dort drüben erklären müssen, was ich als Spross aus gutem Hause und respektabler Abgänger unserer Akademie auf einem fremden Freibeuterschiff zu suchen hätte, was unter Umständen meiner Reputation geschadet hätte. Ich überlegte Fieberhaft nach einem Ausweg, der weder uns noch meinen Landsleuten zu sehr schaden würde, während die Schiffe unaufhaltsam näher rückten. Leider war Reha anscheinend auch nicht in der Lage uns aus dieser misslichen Situation heraus zu holen. Und ich selbst habe dafür wohl einfach das falsche Seminar besucht. Hätte mein Vater mich statt zu den Leibmagiern auf den Seekriegszweig geschickt, ich hätte jetzt sicher davon profitiert. Bedauerlicherweise war es aber für eine Änderung dieser Entscheidung ein gutes Dutzend Jahre zu spät… Mittlerweile konnte Adario durch sein Fernrohr Einzelheiten ausmachen. Als ihm der Schweiß ausbrach und sein Gesicht einen entsetzten Ausdruck annahm, reichte er mir das Fernrohr, das solle ich mir einmal ansehen. Bei Hesinde, das hätte jetzt aber nicht sein müssen! Dort drüben auf der Galeere stand ein Kollege von mir, ebenfalls in schwarzer Robe, an Deck, beschwörend die Arme hebend. Ich musste nur kurz warten um zu sehen, was passierte. Tatsächlich tauchte nur etwas später ein Gotongi, ein geflügeltes Auge, auf. Offensichtlich hatte mein geschätzter Kollege dort einen ordentlichen Beschwörerkreis an Deck um Diener zur Unterstützung, oder wie in diesem Falle, zum Ausspähen herbei zu rufen. Ich konnte ihn zwar nicht so genau erkennen, dass ich hätte sagen können ob wir uns persönlich bekannt waren, aber auf einen Versuch wollte ich es lieber gleich gar nicht ankommen lassen. Was hätte ich jetzt darum gegeben, einfach einen Arunjoor zu rufen, den Meister der Stürme, um unsere Segel aufzublähen und davon zu brausen. Aber auch dessen wahren Namen kannte ich leider noch nicht. Aber zuerst mussten wir den feindlichen Späher loswerden, der rasend schnell auf uns zuflog. Ich wies Durin und seine Geschützmannschaften schreiend an, das Auge vom Himmel zu blasen. Und da konnte man mal sehen, was so ein echter Geschützmeister zu leisten in der Lage war! Plopplopplop machten unsere Hornissen, Sperrfeuer aus Bolzen legte sich in die Luft vor unserem Schiff, und mit einem satten platschen zerfetzte einer davon den Gotongi noch im Anflug, der sich sofort in einer stinkenden Wolke auflöste, noch bevor er die Gelegenheit gehabt hätte uns auszuspähen, geschweige denn Bericht zu erstatten. Soweit so gut, das machte unsere Lage aber leider noch nicht besser. Adario und Nestario bestürmten mich, ich solle doch endlich etwas tun! Aus der Not heraus, gebar ich schließlich eine kreative, wenngleich recht gewagte Idee. Ich fragte die beiden, ob es für sie ein moralisches Problem darstellen würde, wenn ich ebenfalls, zumal hier auf Adarios Schiff, einen eigenen Dämon herbei rufen würde. Aber Nestario schien das völlig gleichgültig zu sein und bei Adario war ich mir nicht sicher, ob da einfach keine moralischen Bedenken oder einfach die Angst überwog gefangen zu werden, auf jeden Fall stimmte er sofort zu.

 

Also machte ich mich ans Werk und eilte zu Reha hinauf. Ich wollte gerade anfangen ein Pentagramm aufs Deck zu zeichnen, da hörte ich ihren durchdringenden Pfiff, während sie mir winkte, ich solle zu ihr auf das Dach ihrer Kajüte kommen. Ich folgte, sie würde schon ihre Gründe haben und bisher hatte sie mir ja keinen Anlass gegeben ihr zu misstrauen – und wurde positiv überrascht. Auf dem Dach ihrer Kajüte fand sich, direkt neben einem Hexagramm zur Elementaranrufung, ein wunderschönes Pentagramm, das mit einem silbernen Metall dort in die Holzbohlen eingelassen war. Ich war begeistert, mit so etwas hatte ich nicht im Geringsten gerechnet! Sie war sogar so freundlich, mir auf Nachfrage eine Hand voll Beschwörungskerzen zu geben, auch wenn ich wohl besser zur Sicherheit meine eigenen genommen hätte, die wären wohl von besserer Qualität gewesen. Aber sei’s drum, einem geschenkten Gaul schaut man ja bekanntlich nicht ins Maul, und Zeit in meine Kajüte zu rennen hatte ich jetzt eigentlich auch nicht mehr. In der Zeit hieß ich Ulf, mir eine der präparierten Hylailer-Kugeln aus dem Arsenal zu bringen, dazu stabile Fesselstricke. Dann begann ich, mein gewagtes Gedankenkonstrukt in die Tat umzusetzen und konzentrierte mich auf das silbrig schimmernde Pentagramm und die im Seewind flackernden Kerzen an dessen Ecken. Was ich bisher die letzten Tage an Zauberei geleistet hatte war ja wirklich nichts Besonderes, mehr so Arkanes aus dem Handgelenk. Aber das nun war etwas ganz anderes. Nicht nur das es ungleich mehr Kraft erfordern würde, nein, ein Scheitern - und ein Misserfolg war in dieser Lage gar nicht ausgeschlossen -  hätte auch fatale Folgen für mich oder sogar das ganze Schiff haben können. Mein Geist versank im  komplexen Muster der Invocatio Minor, mit der ich versuchte das dämonische Chaos zu rufen und in die geregelten Strukturen der gildenmagischen Repräsentation zu pressen. Ich blendete die Welt um mich herum aus, sah wie durch einen Tunnel nur den schmalen Ausschnitt vor mir, das Pentagramm, die Kerzen, nahm kaum das schwanken der Planken unter meinen Füßen war, während sich mein Geist streckte, einen Riss im Saum der dritten Sphäre schuf, ihn Stück für Stück erweiterte, bis er groß genug war um den Diener nach dem ich begehrte hindurch zu lassen. Fast körperlich spürte ich diesen Spalt im Wesen der Welt, der sich bis hinaus in die 7. Sphäre strecken sollte, während um mich herum die Temperatur schlagartig abnahm. Mit stummem Ruf formte ich den wahren Namen der Bestie, die mir zu Hilfe eilen sollte, wieder und immer wieder ihn mit befehlendem Ton wiederholend, bis ich seine Antwort vernahm. Eine zischelnde, grausame, kalt klirrende Stimme, die aus den Sphären hallte, langsam lauter wurde, bis er schließlich mit einem leisen Kreischen und begleitet vom stinkenden Brodem der 7. Sphäre im Gefängnis meines Pentagramms erschien. Mein Ruf war erhört worden von ihm. Thalon, dem eisigen Jäger, einem der niedersten Diener des Nagrach, und jetzt, so hoffte ich, zu meinem Willen. Als er sich materialisierte, gezwungen in die Form die ihm unsere Sphäre aufdrängte, ein 3 Spann langes, hässliches wieselartiges Wesen, begann ich meinen Befehl zu formulieren und meinem Willen mit dem seinen zu messen. Würde er mir gehorchen, oder sich auf mich stürzen und versuchen mein Herz herauszureißen?  „Thalon, ich gebiete Dir, lass Dich von uns ohne Widerstand binden und dir diese Kugel – ich zeigte auf das Hylailer – auf den Rücken schnallen, dann eile, dich unsichtbar machend, hinüber zu dieser Galeere dort –ich zeigte auf das Schiff- und greife dort, deine Unsichtbarkeit fallen lassend, den Magier in der schwarzen Robe an, tue sonst nichts anderes, und verschwinde danach in Deine Sphäre.“ Unsere Geister stemmten sich gegeneinander. Meiner darauf bedacht, dem fremden Chaos meinen Willen aufzuzwingen, das Chaos versuchend, sich meinem ehernen Griff zu widersetzen. Mir kam es vor wie Stunden, die wir gerungen hätten, dabei können es in Wahrheit kaum mehr als Herzschläge gewesen sein, bis ich ein hasserfülltes „Ja, Meister“ in meinem Kopf vernahm. Ich war schweißgebadet, nachdem ich diesen Kampf der Willenskraft gewonnen hatte, und erschöpft dazu, hatte mich doch dieses Unterfangen einen Großteil meiner arkanen Kraft gekostet - war der Befehl zum Angriff und Kampf für diesen Diener nicht normal, da er eigentlich ein Mittel zur Jagd war und sich diesen besonderen Gefallen durch einen deutlich höheren Einsatz an Kraft bezahlen ließ. Zum Glück war meine Beschwörung so gut gelungen, dass ich dem Diener die Fähigkeit Verleihen konnte kurzfristig unsichtbar zu werden und sogar kleinere Wunden noch im Kampf zu regenerieren, nur so war der Befehl in genau dieser Variante möglich gewesen. Vielleicht sollte ich ja bei Erfolg ein wissenschaftliches Traktat darüber verfertigen und an der Akademie einreichen? „Der Einsatz des nagrachiden Thalons als zielsuchender Träger von Seekriegsmitteln“! Das wäre mal ein spektakuläres Werk. Andererseits hätte ich dann auch erklären müssen, woher ich die Idee und die Erfahrung hatte. Und dann käme man womöglich darauf, dass ich es gegen einen Kollegen eingesetzt hatte. Lieber nicht, auch wenn es mich gereizt hätte…

 

In der Zwischenzeit war Ulf mit der Kugel und den Seilen zu uns herauf geklettert. Als er sah was ich gerufen hatte riss er die Augen weit auf, bekam fast einen Anfall und wollte sich schon mit seinem Hammer auf meinen armen Thalon stürzen. Nur mit Mühe konnten Reha und ich ihn davon überzeugen, dass er das doch lassen sollte und stattdessen lieber die Kugel mit den Seilen auf dem Rücken des Wiesels festmachen müsse. Seine Skepsis stand ihm ins Gesicht geschrieben, offenbar traute er mir und dem Dämon nicht wirklich, ob das eine gute Idee wäre. Also musste ich das binden selbst übernehmen, was mir zum Glück auch leidlich gelang, während er mit erhobenem Hammer hinter mir stand um einzugreifen, falls der Dämon doch aggressiv werden sollte. Aber der Thalon gehorchte meinem Befehl aufs Wort, lies sich binden… und verschwand einfach, als ich ihm das Zeichen zum Angriff gab. Vor unseren Augen wurde das groteske Wiesel unsichtbar, nur die Tonkugel auf seinem Rücken und die Stricke zeigten noch an, wo er sich befand. Mit einem Satz sprang die Tonkugel über Bord, raste mit abnormer Geschwindigkeit über das Wasser. Dort wo die Pfoten des Dämons  das Meer berührten bildeten sich kleine Eisschollen, auf denen er sich bewegte, die sofort nachdem er weiter eilte dampfend wieder vergingen. So raste eine kleine Spur nebeliger Wölkchen auf das feindliche Schiff zu. Die Leute dort merkten erst im letzten Augenblick, dass sie angegriffen wurden. Ich beobachtete die Szenerie gebannt. Mein Kollege dort drüben griff sich an den Hals, als das Thalon zu seinem ersten Biss ansetzte und wieder sichtbar wurde. Die Leute um ihn herum schraken zurück, während er –geistesgegenwärtig wie wir gut ausgebildeten AlAnfaner nun einmal sind -  seine Hand zur Brust zog und die Faust nach vorne riss. Typische Geste, klassischer Ignifaxius, der würde den Thalon in Sekundenschnelle in der Luft zerreißen. Schnell gedacht, noch schneller gehandelt, ein gut ausgebildeter Mann! Woher hätte er auch wissen sollen, dass genau dies ihm jetzt zum Verhängnis würde? Die Flammenlanze schoss aus seinen Fingern hervor, umhüllte den Dämon, dessen Kreischen ich noch bis zu uns herüber hörte als er zurück in die Niederhöllen geworfen wurde, und dann umfing ihn eine gewaltige Explosion. Die Flammenlanze hatte natürlich nicht nur den Dämon zerfetzt, sondern auch die an ihn gebundene Kugel mit dem Hylailer Feuer, die ihre Wirkung nun auf kürzeste Distanz in einer ordentlichen Detonation zeigte, welche das Deck der Galeere verwüstete und meinen armen Kollegen in einen Feuerball einhüllte. Auf dem Schiff brach sofort Panik und Verwirrung aus, die beiden Begleitschiffe drehten direkt bei um zu helfen, und wir nutzten diese Gelegenheit um zu entkommen. Hesinde sei gepriesen für mein Talent, auf verschlungenen Wegen um die Ecke zu denken und gebe, dass meinem Kollegen dort drüben nichts allzu schlimmes wiederfahren war. Ich wollte ihm ja persönlich gar nichts tun, ich hätte nur kein anderes so gut zu identifizierendes Ziel gewusst, auf das ich den Dämon hätte hetzen können um seine Ladung zu überbringen! Aber für mich war es nun an der Zeit zu ruhen, ich fühlte mich ausgelaugt und schwach.

 

Reha war noch so freundlich mir aus Dankbarkeit, weil ich das Schiff wohl wirklich gerettet hatte, eine Portion Thonys zu überlassen um mir das Meditieren zur Rekuperation meiner arkanen Kräfte zu erleichtern, was für ein Segen. Danach, und nach einiger Zeit in Väterchen Borons Armen ging es mir schon etwas besser, wenn auch noch nicht überragend gut. Allerdings wartete auch schon die nächste Überraschung auf mich. Kaum das ich erwacht war holte mich ein Laufbursche zur Besprechung. Ich hatte wohl etwas länger geruht als gedacht, denn Reha hatte bei einer erneuten Erkundung – sie machte das wohl mithilfe ihrer tierischen Freunde – das von uns gesuchte Schiff von Rodriguez aufgespürt, gerade einmal 40 Seemeilen entfernt. Ich hatte wirklich gehofft, vor einer erneuten Konfrontation wieder richtig zu Kräften kommen zu können, aber daraus würde wohl nichts werden. Adario übernahm jetzt wieder selbst das Kommando, das war wohl auch besser in einem Seegefecht. Da war ich höchstens partiell hilfreich, aber noch bei weitem nicht in der Lage das Schiff selbst in die Schlacht zu führen. Nach kurzer Besprechung war klar, wir würden uns nachts dem Feind nähern, noch bevor er seine Heimatbasis erreichen konnte, daher gingen wir jetzt schon auf Abfangkurs. Außerdem würden wir bei Nacht angreifen, um möglichst nahe heran zu kommen und ohne Positionslichter segeln. Überraschung war hier alles. Es ging weder um das versenken des Gegners noch um das einstreichen von Beute, auch wenn dagegen sicher niemand etwas gehabt hätte. Nein, wir mussten nur das Buch herausholen, das wohl am wahrscheinlichsten in der Kajüte von Kapitän Rodriguez selbst sein dürfte. Adario hieß uns jetzt nicht im Weg zu stehen und am besten noch einmal Ruhe vor dem Kampf zu finden, er würde rechtzeitig nach uns schicken wenn es losginge. Diesem Rat folgte ich zwar, aber so richtig wollte sich keine Ruhe einstellen. Eher eine nervöse Bereitschaft, die sich in meinem Magen ausbreitete und die verhinderte, dass ich Ruhe fand. Angst war es eigentlich nicht, aber eine gewisse Anspannung, die mich schon fast erleichtert aufseufzen lies, als es endlich an meiner Tür klopfte und ein Schiffsjunge mir sagte das es wohl bald soweit sein würde und ich an Deck kommen sollte.

 

An Deck war es finster wie in Borons Arsch. Natürlich, bei Nacht, nur unter dem Licht von Sternen und Mond und ganz ohne Lampen wie wir fuhren, war für mich nicht viel zu sehen. Das hatte mir gerade noch gefehlt – im bevorstehenden Kampf wie ein blinder Maulwurf am Rockzipfel irgendeines Matrosen hängen zu müssen um vorwärts zu kommen. Verflucht sei dieses leidige Gebrechen meiner Luscitiosus, vulgo Nachtblindheit. Ich tastete mich zurück in meine Kajüte um eine Portion Carlogessenz zu mir zu nehmen. Zwar war dieses Mittel mehr als nur ein bisschen kostspielig, aber das war mir gerade egal. Wenn ich von Nutzen sein wollte musste ich etwas sehen, und die Essenz vom Carlog war da eines der wenigen Mittel die ich kannte. Langsam nahm die Welt um mich herum wieder Konturen an, als sich meine Augen vom Wirkstoff des Krautes gestärkt, an die Dunkelheit gewöhnten. Zurück an Deck entdeckte ich noch etwas Neues. Am Mitteldeck hatte jemand, wohl der Zwerg Durin mit seiner Mannschaft, einen veritablen Bock aufgebaut, während sich die gesamte Führungsriege des Schiffs an Deck sammelte, zu denen ich mich jetzt dazu gesellte.

 

Dann ging der Tanz los, als uns der feindlichen Ausguck erspähte, noch bevor wir in der richtigen Distanz für ein Entermanöver waren, und umgehend begannen unsere Geschütze Salven auszutauschen, wobei wir uns bemühten das feindliche Schiff nicht zu schwer zu beschädigen. Ein Treffer unserer Rotzen zerlegte das gegnerische Krähennest, während wir durch direktes Feuer eine Hornisse verloren. Dann hörte ich Schreie vom vorderen Deck, wo etliche Matrosen zusammen brachen. Diese Hunde feuerten mit Schrappnellbeuteln auf uns statt mir Kugeln! Diese Leinensäckchen waren gefüllt mit allerlei kleinem Eisen-und Stahlwerk, welches durch die Wucht des Schusses aufriss und sich im Nahbereich tödlich über das Deck eines Schiffes verteilte. Ich ging hinter der Reeling in Deckung, um nicht auch noch getroffen zu werden. Aber dann knallte es, mehrere Mann wurden von den Beinen gerissen und unsere Schiffe stießen aneinander. Kiel an Kiel lagen wir nun, während Enterhaken flogen und Haltestangen ausgefahren wurden um die Anderen nicht wieder wegkommen zu lassen. Erst jetzt erkannte ich richtig, dass unser Schiff wirklich ein gutes Stück größer und höher war als die gegnerische Schivonne. Auch diese war ein veritables Kriegsschiff, aber schlanker und mehr auf Geschwindigkeit ausgelegt als unser festungsartiges Gefährt. Aber viel Zeit blieb mir nicht, um mich in Betrachtungen zu ergehen. Ulf, der Thorwaler, setzte mit einem markerschütternden Gebrüll und einem gewaltigen Satz über den Spalt zwischen den Schiffen und machte mit seinem riesigen Hammer den Gassenhauer. Direkt hinter ihm folgte, wie ein dunkler, zu kleiner Schatten die Sklavin Pamyeshu, die sich von irgendwo her einen Speer organisiert hatte. Anscheinend wollte sie wirklich um ihre Freiheit kämpfen und sich beweisen. Wie einer der legendären Berserker warf Ulf die ersten Gegner zurück und verschaffte so mehr von unserer Mannschaft den Platz, um ebenso hinüber zu gelangen. Da wir ein Ziel hatten blieb uns gar nichts anderes übrig und wir folgten, grob zu einem Keil angeordnet, ebenfalls hinüber. Der Abgang zu den Quartieren der Schivonne war von Gegnern versperrt, die sich standhaft wehrten, aber es gelang uns schließlich durchzubrechen, wobei Ulf irgendwann unter den zahlreichen Hieben der Gegner einfach zusammenbrach, dann verlor ich ihn aus dem Blick. Nestario und Sandor machten ihre Sache recht ordentlich, auch wenn jeder ein paar Treffer einstecken musste. Ich hieb zwar enthusiastisch mit meinem Stab in die gegnerischen Haufen, aber ich glaube, so richtig habe ich dabei keinen erwischt. Selbst Tulef hatte sich an unsere Seite gestellt und machte seine Sache gar nicht einmal so schlecht. Zumindest schien er mehr Fähigkeiten im Kampf zu besitzen, als Manieren. So gelang es uns schließlich Fuß auf dem gegnerischen Schiff zu fassen und einen Brückenkopf um die Tür zu den Kajüten zu errichten. Nun hieß es für uns hinab in den Bauch des Schiffes – da musste ich natürlich mit, immerhin suchten wir ein Buch. Und dabei wäre jemand der Lesen könnte ob es sich um den gesuchten Titel handeln mochte wohl am besten aufgehoben. Auf die Sklavin Pamyeshu oder Tulef mochte ich mich da lieber nicht verlassen. Oben hielten die Unseren derweil die Stellung, ermahnten uns aber zur Eile.

 

Leider hörte der Widerstand unten nicht auf. Von einem dunklen und recht engen Gang, der unsere Speerkämpfer behinderte, gingen rechts und links je zwei Türen ab, sowie eine am hintersten Ende. Nur das dieser Gang von 4 Mann gehalten wurde. 2, die vorne mit ihren Schilden blockten und uns den Weg verwehrten, 2 die uns mit Armbrüsten – auf diese Distanz potentiell tödlich -  unter Feuer nahmen. Die erste Salve mussten wir noch hinnehmen, aber dann geschah etwas erstaunliches, was  ich so auch noch nicht gesehen hatte. Sandor und Pamyeshu nahmen Anlauf und sprangen die Schildträger mit gestreckten Beinen wie von einer Feder geschnellt an. Allein die Wucht so eines Angriffs hätte mich wohl zu Boden geschleudert. Die Schildträger hingegen schafften es dagegen, auf den Beinen zu bleiben und sich weiter hinter ihren tragbaren Schutzwänden zu verbergen, aber auf einmal waren sie soweit zurück gedrängt, dass sie nicht mehr ordentlich zuschlagen konnten, und ein zurückweichen war auch nicht mehr möglich, standen doch die eigenen Leute hinter ihnen. Faszinierend! Wir anderen folgten, und es entspann sich ein wilder Kampf, in dessen Verlauf ich mehrmals mit gezielten Fulminicti eingriff um bereits geschwächte Gegner gezielt auszuschalten. Nichtsdestotrotz war es ein hartes Brett das wir hier bohrten, und am Ende obsiegten wir zwar, aber unsere Kämpfer waren samt und sonders schwer angeschlagen und verwundet. Sowohl Pamyeshu als auch Sandor und Tulef waren danach fast kampfunfähig und ich selbst hatte nahezu meine ganze Kraft in diesen Kampf geschleudert. Nur Yazinda und Nestario waren noch einigermaßen bei Kräften und so machten wir drei uns daran, die Kajüte von Kapitän Rodriguez nach dem Buch zu durchwühlen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, den ganzen Plunder dieses eitlen Papageis zu durchsuchen, obwohl die Kajüte nicht wirklich riesig war. Neben dem Buch waren wir uns nicht zu schade, das ein oder andere interessante Objekt in meinen Rucksack zu stopfen, irgendwas an Lohn sollte bei den erlittenen Schmerzen und Mühen ja auch noch drin sein. Allerdings hatten wir keine Zeit alles gleich an Ort und Stelle zu sichten, denn die Mahnungen von Oben wurden immer eindringlicher, dass der Rückzug nicht mehr lange gehalten werden konnte. Schließlich hatten wir endlich das Buch gefunden, konnten uns aber nicht verkneifen, noch ein wenig weiter zu plündern, bevor uns die Schreie und der Kampflärm von der Treppe her dann doch zu laut wurden. Gerade so schafften wir es, uns vom Feind zu lösen und einen geordneten Rückzug anzutreten. Mit einem Ruck lösten sich die Schiffe voneinander, und dann ging das Feuern wieder los. Ich hieß Durin, die zweite und letzte Hylailerkugel zu holen. Wenn ihr Schiff brannte würden sie schon von uns ablassen. Und tatsächlich, kaum knallte unsere Rotze erblühte eine Feuerlohe auf der Schivonne, und schlagartig waren alle Mann dort drüben damit beschäftigt ihr Schiff zu retten, statt sich um unsere Flucht zu kümmern. Durin war so begeistert, dass er mich direkt bat ihm doch noch ein paar mehr von den Kugeln zu machen – aber die Kraft dafür würde ich die nächsten Tage wohl leider nicht aufbringen können.

 

Dafür nahm ich mir, noch direkt auf der Flucht, die Zeit, zusammen mit dem Gladiator Sandor das Rätsel zu entschlüsseln. Wie ich vermutet hatte ergab die Kombination aus Seite in dem Buch, Zeile und Wort, ermittelt anhand der Zahlen, einen ganz vernünftigen Sinn. Er las mir die Zahlen vor, und ich ermittelte das gesuchte Wort oder die Zahl, das ging ziemlich zügig. Nur an zwei Stellen hingen wir länger fest, wo am Ende der Triade von Zahlen noch einmal welche standen. Irgendwann kam es uns, dass dies wohl bedeutete, aus einem bestimmten Wort noch einmal eine bestimmte Anzahl, gezählt von einem bezifferten Buchstaben, zu nehmen. Darauf kamen wir aber erst, nachdem der Navigator gemeint hatte, so ergäben die Zahlen eigentlich wenig Sinn. Dann fiel ich in einen erschöpften, traumlosen Schlaf. Ich erwachte am späten Morgen. Yazinda arbeitete als Schiffsmedica derweil bis an den Rand ihrer Leistungsgrenze und darüber hinaus, denn genug zu tun gab es auf jeden Fall. 9 Tote hatten wir zu beklagen, dazu 27 Schwerverletzte, also etwas mehr als ein Viertel unserer Mannschaft derzeit nicht einsatzbereit. Das war bitter, aber leider nicht zu ändern. Ich sichtete dann die Beute. Neben einer erklecklichen Anzahl an Dublonen hatten wir noch 3 Phiolen mit Tränken sowie einen anscheinend recht gut gearbeiteten und wertvollen Dolch gefunden. Mit dem Dolch würde ich aber wenig anfangen können, außerdem gedachte ich alle die an unserem gefahrvollen Eindringen beteiligt waren gerecht zu entlohnen. Nestario war so freundlich mir für den Dolch 40 Dukaten zu geben, so dass ich Tulef, Yazinda, Pamyeshu und Sandor und natürlich mir selbst jeweils 13 Dukaten auszahlen konnte, wobei ich 2 Dukaten zurück behielt, da es so eh nicht aufgegangen wäre. Diese würde ich im nächsten Efferdtempel spenden für die Gnade, die uns der Herr der Meere bisher erwiesen hatte. Die Tränke wollte ich analysieren und bat Reha, die ebenfalls mit Heilerei beschäftigt war darum, ihre Kajüte und ihre Gerätschaften nutzen zu dürfen. Sie erlaubte mir dass, aber einiges notwendige musste ich mir dennoch aus der Bordküche ausleihen. 2 der 3 Tränke waren schnell ermittelt. Einfach Heiltränke, wie ich sie auch herstellen konnte. Diese händigte ich auch direkt Yazinda und Sandor aus. Die Heilerin und der Kämpfer würden am ehesten dafür Verwendung haben. Der dritte Trank entzog sich aber meinen Fähigkeiten, das musste wohl etwas Besonderes sein, aber ich schaffte es mit den hier verfügbaren primitiven mitteln einfach nicht, dahinter zu kommen. Den würde ich mir für später aufheben, wenn wir wieder zuhause waren. Das wäre ja wohl gelacht, wenn ich es in AlAnfa im Akademielabor nicht herausbekommen würde!

 

Nach dem Abendessen suchte ich noch einmal den Navigator auf. Wieder lernte ich etwas über die Seefahrt. Die Koordinaten die ich ihm aus dem Rätsel gegeben hatte machten Sinn. Aber je nachdem welchen Bezugspunkt man wählte, kam man woanders heraus. Es gab da horasische, bornische und AlAnfanische Nullinien, nach denen man rechnen konnte. Da Nestarios Großvater für die Flotte der Schwarzen Perle gefahren war, war es nur logisch die AlAnfanische Linie zu wählen. Der Navigator griff sich eine Holzgeräte und Schiebedinger und begann zu rechnen und auf seinen Karten herum zu fuhrwerken. Das dauerte gut 2 Stunden, aber dann war unser Kurs klar. Er würde uns praioswärts der Waldinseln führen, in einen bisher kaum erkundeten Bereich des Südmeers. Das machte zumindest Sinn, wenn man einen verborgenen Schatz suchte.

 

Noch einmal meditierte ich, diesmal leider ohne das hilfreichen Thonnys, dann ruhte ich wieder. Meine Kräfte waren immer noch ziemlich erschöpft. Drei Tage vergingen, in denen wir die Waldinseln passierten aber von weiteren Begegnungen verschont blieben. An der See merkte man deutlich, dass wir jenseits des schützenden Bogens segelten, den die Waldinseln bildeten. Es wurde deutlich windiger und der Seegang rauer. Eine Galleere dürfte hier ihre liebe Not haben.  Am Mittag des dritten Tages, ich fühlte mich mittlerweile wieder ausreichend erholt und gestärkt, erreichten wir schließlich die errechnete Position. Vor uns lag eine überwucherte, kegelförmige Insel. Wir näherten uns ihr von Firun und umrundeten sie langsam und beobachtend. Anscheinend war das Eiland unbewohnt, zumindest sahen wir keinerlei Zeichen einer Besiedlung. Noch nicht einmal einen Moha im Einbaum oder sonst eine Spur von menschlichem Leben. Die Praiosseite war dann steiler, hier ragten die Felsen direkt bis ans Wasser heran, durchsetzt von vereinzelten Buchten. Aber hier half unser Wegweiser. Tatsächlich fanden wir nach einigen Stunden eine Felsformation, die man mit etwas Fantasie als einen Rippenbogen  interpretieren konnte, der 60 Schritt hoch ins Wasser ragte. Adario, Nestario und ich beschlossen hier mit einem Teil der Mannschaft und Ausrüstung für eine Expedition mit Booten an Land überzusetzen. Unser Schiff sollte auf uns warten und uns so bald wie möglich mit dem geborgenen Schatz wieder an Bord nehmen.

 

Es dauerte einige Zeit, bis wir mit unserem Suchtrupp und der ganzen Ausrüstung an Land übergesetzt hatten. Pamyeshu und Tulef durften sich, standesgemäß, am Rojern der Boote beteiligen. Ich ließ natürlich rudern. Zum einen, weil das natürlich völlig unpassend gewesen wäre wenn der Leiter dieser Mission hier selbst Hand angelegt hätte. Zum anderen, weil mir schlicht und ergreifend die Erfahrung dabei fehlte ein Boot sicher durch die Wellen des Meeres zu bugsieren, geschweige denn von der entsprechenden Konstitution, Kraft und Ausdauer dazu. Dafür hatte man schließlich das Fußvolk, welchem die Götter die passenden körperlichen Attribute geschenkt, aber dabei leider meist die geistigen Kapazitäten vorenthalten hatte… so kam jeder zu seinem Recht und seinen Aufgaben. Vom Strand aus führte, wie in der Wegbeschreibung angegeben, ein Bach landeinwärts. Dabei war alles zu gewuchert und verwachsen, so als ob hier, was wohl auch der Fall war, schon lange keine Menschenseele mehr ihren Fuß hingesetzt hätte. Pamyeshu, als dschungelstämmige Waldmenschenfrau prädestiniert dafür, führte uns durchs dichte Unterholz. Ich glaube, sie hat das ganz ordentlich gemacht, zumindest sind wir vorwärts gekommen. Allerorten wuchsen bunte Blumen die der Gegend etwas malerisches und reizvolles verliehen. Ich hätte gern mehr Zeit gehabt meine botanischen Kenntnisse hier auszuprobieren, aber wir wollten keine Zeit verlieren. Leider gab es andererseits auch riesenhafte Insekten, die sich wie wildgewordene Blutsauger auf uns stürzten und nach unserem Lebenssaft trachteten. Ständig hörte man das klatschen und patschen welches davon kündete, dass wieder jemand einem der lästigen Plagegeister den Gar ausgemacht hatte – nur, damit an dessen Stelle gefühlt ein halbes Dutzend seiner geflügelten Freunde trat. Zum Glück hatte ich von meinem Ausflug in den Dschungel bei Brabak noch das Wickeltuch und den Mückenschleier, die das ganze etwas erträglicher machten. Die Hitze konnten aber auch sie nicht lindern, und so schwitzte ich mir gefühlt jegliche Flüssigkeit aus dem Leib. Die wenigen noch unbedeckten Körperteile rieb ich großzügig mit Egelschreckpaste ein, die das Insektenproblem endgültig lösten. Pamyeshu zeigte den Anderen, mit welcher Art von Schlamm man seine Haut schützen konnte und löste so das Problem auf ihre einfache, aber effektive Art. Dabei kam es zu einer kuriosen Situation, als dieser Idiot Tulef doch tatsächlich meinte, warum auch immer, mich mit einer Hand voll Schlamm bedrängen zu müssen. Er fuchtelte damit vor mir herum und wollte ihn mir anscheinend ins Gesicht klatschen. Ich hatte alle Mühe den wildgewordenen Torfkopf auf Abstand zu halten, hieß ihn vehement damit aufzuhören, allein, er gehorchte nicht. Nach wiederholter Aufforderung diesen Unsinn zu unterlassen riss mir schließlich der Geduldsfaden. Während ich ihn noch mit einer Hand auf Abstand hielt, damit er meine Robe nicht besudeln würde, holte ich mit der anderen Hand zu einer raumgreifenden Geste aus. Hesinde verzeiht, ich nutze meine Kraft normalerweise nicht leichtfertig, aber dieser Trottel hatte es nicht anders verdient! Ich stieß die Hand in seine Richtung vor: Fulminictus Donnerkeil! Kraft floss aus meinen Fingern entlud sich Körper des Unseligen, der sofort darauf wimmernd von mir abließ. Wirklich, hatte das sein müssen? Ich glaube, dem Kerl war die Hitze nicht bekommen, wie sonst sollte man es erklären, dass er so vergaß wo sein Platz war? Die Strafe war eindeutig gerechtfertigt! Mich dauerte nur die dafür verschwendete Kraft, die ich vielleicht bald hätte besser brauchen können in dieser wilden Umgebung.

 

Mittlerweile dämmerte es und wir beschlossen, ein Lager zu errichten. Die Stechtiere wurden dabei nur noch aktiver, aber mich scherte das ja nicht, auch wenn ich vom Egelschreck roch wie ein läufiger Iltis. Wachen wurden eingeteilt und Yazinda übernahm das Kochen. Dem Geschmack des Essens nach neben der Heilkunst wohl ein weiteres ihrer Talente, die nicht zu verachten waren, denn es war erstaunlich schmackhaft, was sie da aus unserem wenig Abwechslungsreichen Proviant machte. Ich kann das zwar seit meinem Unfall im Alchemielabor nicht mehr so gut beurteilen wie früher, aber mein Lob für die Dame! Wachen wurden aufgestellt und dann legten wir uns alle schlafen. Der morgige Tag dürfte weiter bergan führen und ebenfalls anstrengend werden. Mitten in der Nacht wurde ich von Geschrei aus dem Schlaf gerissen. Um uns herum flatterte und wuselte es, und irgendwelche Viecher hatten sich aus dem Dunkel heraus auf uns gestürzt. Ich sah quasi nichts, schützte mich aber rein prophylaktisch mit einem Armatrutz. Um mich herum war alles in hellem Aufruhr und in Hektik ausgebrochen. Als sich der Tumult wieder legte konnte ich im Schein des Lagerfeuer endlich erkennen, dass es sich bei den Tieren die uns angegriffen hatten anscheinend um eine Fledermausart handelte. Und zwar eine ziemlich große, mit ziemlich spitzen Zähnen, die sogar einige unserer Begleiter blutig gebissen hatten (was wieder ein Fall für Yazinda war). Ich war total begeistert! Sofort nahm ich mir ein Fläschchen und begann einigen der getöteten Tiere die herum lagen den Kopf abzuschneiden und ihr Blut abzufüllen. Fledermausblut frei Haus! Was könnte es schöneres für einen Alchemisten geben? Das Zeug konnte man zum Beispiel für einen Wachtrunk gebrauchen. Von meinen Begleitern erntete ich aber nur ein verständnisloses Kopfschütteln.  Ich begann, diese Insel zu mögen. Ob es hier noch mehr Ingredienzien gab die einem einfach so vor die Füße fielen, statt sie mühselig suchen oder teuer bezahlen zu müssen? Die Nacht war dadurch zwar weniger erholsam als Gedacht, aber dafür war ich ja reichlich kompensiert worden.

 

Am Morgen brachen wir nach einem kurzen Frühstück (ja, wieder von Yazinda) zügig auf, um noch etwas vorwärts zu kommen bevor die Hitze wieder unerträglich würde. Nach weiteren 2 Stunden Anstieg erreichten wir eine Höhle, von der in der Wegbeschreibung ebenfalls die Rede war, die vielversprechend aussah. Kapitän Adario, Nestario und ich einigten uns darauf, dass hier wohl ein guter Platz für ein Basislager sei, um nicht die komplette Ausrüstung den Berg hinauf schleppen zu müssen. Wir wollten uns nur kurz versichern, das darin keine unliebsamen Überraschungen lauerten die uns später in den Rücken fallen würden. Also machten wir uns an die Erkundung. Hinter dem gut zwei auf zwei Schritt messenden Eingang verbreiterte sich die Kaverne schnell. Und überall lag der Kot von Fledermäusen, die in dicken Trauben unter der Decke hingen. Wir waren so leise wie möglich, um die Tiere nicht aufzuschrecken. Gefühlt watete ich Knietief durch die Fledermausscheiße, aber leider wollte mir keine Verwendung dafür einfallen, sonst wäre ich hier wirklich reich beschenkt worden. Im Gegensatz zu meiner Erwartung, es hier mit einem kleinen Hohlraum im Fels zu tun zu haben, ging es immer tiefer in den Berg hinein. Erst etwas aufwärts, dann stetig abfallend. Wir stiegen immer weiter in das Dunkel, wobei meine Begleiter immer mehr unkten, das würde jetzt eh nichts mehr bringen, bis uns ein intensiver Gestand in die Nase stieg. So etwas hatte ich noch nie gerochen! Widerwärtig! Ich musste an mir halten, um mich nicht zu übergeben, das war ja schlimmer als im Schlachterviertel! Während wir noch unseren Ekel überwanden und weiter vorwärts drängten, schallte uns mit einem mal ein markerschütterndes Brüllen entgegen. Gleich darauf stürzte sich ein riesiges, hässliches Vieh auf uns, das noch schlimmer stank als es jeder Faulbaum gekonnt hätte. Ich war völlig perplex, während sich meine Begleiter schon zum Kampf bereit machten. Ich versuchte, das Vieh einzuordnen, durchforstete mein Hirn nach den Kenntnissen, die ich vom derischen Tierreich hatte. Konnte es sein? War das hier ein echter Tatzelwurm? Dann waren wir in ernster Gefahr! Aber zur Flucht war es jetzt zu spät. Unsere Kämpfer stürzten sich auf die Bestie, deren Haut zäh wie Leder war und so manchen Schlag abfing. Dafür teilte sie selbst mit Krallen, Schwanz und Gebiss ordentlich aus. Die Menschen neben ihr wirkten irgendwie mickrig im Vergleich zu dem Wyrm, aber dafür waren wir eindeutig in der Überzahl. Nur sich von diesem Monster treffen zu lassen war wohl keine allzu gute Idee. Das musste insbesondere Tulef am eigenen Leib erfahren. Der Tölpel schaffte es irgendwie zwischen die Zähne des Monstrums zu stolpern, das ihn genüsslich zerkaute. Die anderen Schlugen es noch tot, aber für den Kerl war es fast zu spät. Yazinda eilte sofort zum ihm um die zahlreichen Blutungen zu stoppen, die den Lebenssaft aus seinem Körper strömen ließen. Und ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass sie wenig Hoffnung für den armen Tropf hatte. Ich weiß nicht wie sie es geschafft hat, aber irgendwie gelang es ihr, den Burschen am Leben zu erhalten. Andererseits, ich wusste ja, dass sie eine besondere Gabe besaß – wahrscheinlich war in dieser Stunde der Not ihr latentes Talent wieder durchgebrochen unbewusst arkan zu wirken. Aber sollte sie nur. Ich hatte derweil ganz andere Gedanken. Tatzelwurmsekret! Schon wieder für umsonst! Das musste ein überaus potentes Substitut für Stinktierdrüsen oder Faulbaumessenz sein. Ich glaube, etwas noch übelriechenderes konnte es gar nicht geben. Und ich stand davor und musste mich nur bedienten. Sofort nahm ich einen Tiegel und ein Messer zur Hand, um den stinkenden Schleim zu ernten. Mein Wille war stark, natürlich. Aber der Körper… er lies mich schmählich im Stich. Ich näherte mich dem toten Wurm, setzte an um den Abstrich zu machen, hielt die Luft an, musste einmal kurz Atem holen… und mich umgehend übergeben. Bei Mishkara, konnte etwas wirklich so widerwärtig stinken? Ich erbrach meinen kompletten Mageninhalt und zog mich erst einmal zurück um den Schwindel loszuwerden. Auch Sandor und Pamyehsu schafften es nicht, mir beim Sammeln behilflich zu sein, ihnen erging es nicht besser, da half kein gutes Zureden. Erst Yazinda, die sich mit Riechsalz wappnete, hatte schließlich erfolg. Heureka! Ganze 2 Unzen Tatzelwurmsekret, und das auch noch für umsonst! Ich war heute ein sehr glücklicher Alchemist! Nach einer kurzen Überlegung auch noch etwas von der Kacke des Monsters einzusammeln, die mindestens genauso Stank, nahm ich aber nach einem ebenfalls missglückten Versuch schnell wieder Abstand (und musste meinen Stab waschen, den ich zum Einsammeln versucht hatte zu nutzen). Jetzt würde uns aber sicher aus der Höhle nichts mehr drohen, die wir vor den Fledermäusen mit einem Feuer sicherten. Im Lager zurück meditierte ich erst einmal und rastete, da wir ja sowieso darauf warten mussten, das Tulef sich wieder ein wenig erholen würde. Wirklich. Wie konnte man nur so dumm sein und sich vor das Maul von so einem Vieh stellen. Denn blanken Heldenmut mochte ich da bei allem was ich bisher gesehen habe nicht unterstellen, wohl eher die pure Blödheit…

 

Yazinda flickte den Unglücksvogel wieder leidlich zusammen. Für den Abmarsch am nächsten Morgen ließen wir einen guten Teil der Leute sowie das meiste schwere Gepäck zurück. Nur mit dem notwendigsten und Wasser für den weiteren Weg im Rucksack machten wir uns auf, den Berg weiter zu erklimmen. Für mich leidlich egal, da ich ja eh kaum etwas mit mir herumschleppte, ich war ja kein Lastesel. Drei Stunden stiegen wir die Kuppel hinauf bis wir im inselinneren ein Hochplateau erreichten. Da wir über der Baumgrenze waren war die Praiosscheibe hier im Süden gnadenlos und die Hitze und der Anstieg machten uns schnell zu schaffen. Aber wir klagten nicht. Es galt einen Schatz zu bergen, da darf man sich von so kleinen Unannehmlichkeiten nicht einschüchtern lassen! Oben angekommen hatten wir, neben einer wunderbaren Aussicht auf die endlosen Weiten des Ozeans, auch einen fantastischen Blick über das unwirtliche Hochland. Mitten darin befand sich ein See, an dessen Rand es verheißungsvoll gelblich glänzte und nach faulen Eiern roch. Natürlich, wir waren hier auf einem erloschenen Vulkan. Warum sollte es hier nicht mineralhaltige Gewässer geben, an deren Ufern beim verdunsten des Wassers eine satte Schicht von Elementen wie Sulphur, also Schwefel, zurück blieb? Grandios! Ich ließ die anderen die Suche nach dem Einstieg zur Schatzhöhle fortsetzen, ich selbst hatte noch etwas anderes zu tun. Yazinda lieh mir dankenswerterweise ihren Brotbeutel, in den ich, Stück um Stück, kleine Brocken kristallinen Schwefels schaufelte, die ich von den Felsen am Rande des Sees ablöste. Selbst wenn wir den eigentlichen Schatz nicht finden würden, für mich war das hier so oder so schon eine echte Schatzinsel! Jetzt auch noch Schwefel für umsonst! Wenn ich dran denke was ich in Brabak dafür gezahlt hatte… mir wurde ganz anders. Am Ende dürfte ich gut ein Stein zusammen gekratzt haben, als mich die Stimmen meiner Begleiter zu sich riefen, da sie anscheinend tatsächlich fündig geworden waren.

 

In einer von Gebüsch bestandenen Senke, mehr als ein paar Dürre Sträucher gab es hier oben einfach nicht, verbarg sich eine Höhle, die die gute Pamyeshu gefunden hatte. Das Mädel hatte sich jetzt schon mehr als einmal als nützlich und dazu auch noch als tapfer erwiesen. Vielleicht sollte ich sie Kapitän Adario versuchen am Ende abzukaufen? Praktische Fähigkeiten hatte sie, schlecht sah sie auch nicht aus… ich war mir sicher Vater hätte gegen so eine Investition nichts einzuwenden gehabt, dann hätte ich ihm sogar noch etwas Gutes von dieser Reise mitgebracht. Und das meine ich nicht despektierlich ihr gegenüber, sie müsste das eigentlich als Lob und Anerkennung ihrer Fähigkeiten auffassen. Aber Adario hatte ja schon angedeutet, dass er sie danach wahrscheinlich freilassen würde… was für eine Verschwendung! So stiegen wir die in der Höhle befindlichen Stufen hinab. Sauber gearbeitet, hier war ein echter Meister am Werk gewesen. Gerufen hatte man mich aber eigentlich, weil am Ende der Treppe eine Steintür wartete über die drei grässliche Fratzen in den Stein gehauen waren. Die abergläubischen  Männer und Frauen fürchteten sich! Aber ich natürlich nicht, insbesondere, da ich hier keinerlei Anzeichen für Magie erkennen konnte. Hier war schlichte Kraft gefragt! Sandor ließ seine Muskeln spielen, und Pamyeshu unterstütze ihn. Zusammen gelang es den beiden tatsächlich, die Tür aufzudrücken, auch wenn es wohl gar nicht so einfach gewesen war, wenn ich die Schweißperlen auf ihren Stirnen richtig deutete. Sandor klemmte noch einen Stein in die Tür, er hatte wohl Angst, dass sie gleich wieder zugehen würde und er dann noch einmal arbeiten müsste.

 

 Aus dem Inneren schlug uns ein modriger, abgestandener Geruch entgegen, so als wäre in diese Kaverne schon lange keine frische Luft mehr gelangt. Dafür waren die Ausmaße der Halle in die wir nun traten gewaltig. Sicher 40 Schritt im Quadrat und 3 Schritt hoch. An der Stirnseite uns gegenüber waren mehrere steinerne Feuerschalen aufgestellt. Dahinter war die schmale Statue einer Person ohne Gesicht, absolut glatt gearbeitet, die die Hände wie betend nach oben reckte. Aber wen sollte sie darstellen? Insgesamt erinnerte die ganze Anordnung ja an die Vorhalle eines Tempels. Aber dann wäre das hier vielleicht sogar ein Problem, denn der einzige Gott den ich kannte den man ohne Gesicht darstellte, war der Namenlose! Pfui Frevel! Allerdings zeigten die meisten Darstellungen diese böse Gottheit als liegenden Mann und nicht als stehenden Beter. So ganz passte es nicht. Aber auch eine nähere Untersuchung brachte da keinen Aufschluss. Hinter der Statue befanden sich noch 2 vom Raum abgehende Gänge. Man überlies mir die Wahl, wie es weiter gehen sollte und ich wählte den linken Pfad. Der Weg der linken Hand ist selten der Falsche… Auch hier waren die Wände glatt, der Boden gefliest. Eindeutig keine natürliche Höhle, das konnte sogar ein Laie wie ich erkennen. Was seltsam war, waren die fehlenden Fackelhalter an den Wänden. Es gab keine Lampen, keine Rußspuren, einfach nichts, was auf eine frühere Beleuchtung hingedeutet hätte. Da fiel auf einmal hinter uns die Eingangstür mit einem Knall zu. Ich erschrak, lies mir aber natürlich nichts anmerken. Die Anderen rannten sofort hin, schienen zum Teil einer Panik nahe, aber ich zeigte keine Regung. Einer muss ja einen kühlen Kopf bewahren. Innerlich war ich zwar schon etwas nervös, aber Sorgen machte ich mir keine. Ich würde ja mittels Transveralis eh jederzeit heraus kommen, egal ob Tür oder nicht. Nur die anderen dann zu befreien dürfte etwas schwerer werden. Aber das war ein Problem für später. Und irgendwie musste man ja hier rauskommen, wir hatten ja bisher auch keine vertrockneten Skelette unserer Vorgänger oder etwas Ähnliches gefunden.

 

Der linke Gang verjüngte sich zusehends, je weiter ich voran ging. Am Ende befand sich eine Wendeltreppe, die nach unten führte. Dabei wurde es, je weiter ich ging, wärmer und wärmer. Es erinnerte mich etwas an die Höhle des Zyklopen auf den Inseln, die ich vor einem halben Götterlauf bereist hatte, wenn auch natürlich deutlich besser gearbeitet und nicht so naturnah wie dort. Nach 5 Minuten abstieg kamen wir unten an, mittlerweile war es sengend heiß und der Grund war auch zu sehen. Hier unten war der Vulkan keineswegs, wie oben zu vermuten gewesen wäre, erloschen. Im Gegenteil! Hier wälzte sich glühende, orangerot schimmernde Lave und leuchtete mir ihrem underischen Licht eine riesige Höhle aus. Wir befanden uns auf einem Balkon, etwa 20 Schritt darüber und hatten einen grandiosen Blick über das Spektakel, aber lange würde ich es dort nicht aushalten, ohne bei lebendigem Leib gegrillt zu werden. Die Hitze trieb mir jetzt schon den Schweiß aus allen Poren und ich spürte das Glühen auf der Haut so, wie wenn man schon einen schweren Sonnenbrand hat und trotzdem unter Praios strafendem Auge wandeln muss. Lang blieb mir auch nicht, den Anblick zu genießen. Meiner ehemaligen Reisegefährtin Junasia hätte es hier sicherlich hervorragend gefallen. Vielleicht erzähle ich der Kollega ja einmal sogar davon, was wir hier gefunden hatten. Aber es mögen wohl nur Herzschläge gewesen sein in denen ich Zeit hatte solchen Gedanken nachzuhängen, als sich aus dem Lavasee ein riesiges Wesen erhob. Gesichtslos wie die Statue, die Arme in unsere Richtung reckend und wie eine flammende Wand auf uns zurasend. Was war das? Ein Feuergeist? Ein Dschinn? Etwas noch mächtigeres? Leider hatte ich keine Zeit das zu ergründen, denn die Hitze wurde noch einmal stärker und brannte mir schon in den Augen. Umso mehr, je näher das Wesen auf uns zuflog. Ich wollte es gar nicht darauf ankommen lassen, hatte ich doch erst vor kurzem einen Dämon beschworen. Und man sagt ja, das Elementare so etwas an einem Magus riechen können und darüber gar nicht erfreut wären. So drehte ich mich also um, nahm die Beine in die Hand, rief meinen Begleitern noch eine Warnung zu sie sollten fliehen, und stürzte so schnell es ging die Treppe wieder hinauf. Schweißgebadet und außer Atem kam ich oben wieder an. Dieser Weg würde uns auf jeden Fall nicht hinaus führen, und von einem Schatz war dort unten auch nichts zu sehen gewesen.

 

Der rechte Gang hingegen war ziemlich kurz. Er machte eine Biegung nach rechts und schon standen wir in einer zweiten Halle, welche, wenn die Erste eine Vorhalle war, wohl den Betraum darstellen würde. Wieder eine Statue mit Tür dahinter, davor eine Art Altar und Sitzbänke. In den Altarstein waren 3 Felsschalen eingelassen und um den Raum zogen sich die kunstvollen Malereien von Flammen. Nach einiger Zeit der Betrachtung schien es uns, als würden die Flammen einem Muster folgen, und noch etwas später erkannten wir es. Die mittlere Flamme war stärker als die anderen. Wohl eine Art Rätsel um seine Würdigkeit zu beweisen, wenn auch mit einem denkbar einfachen Strickmuster. Ich ließ mir von Yazinda helfen und wir nahmen 3 Fackeln zu Hand. Diese legten wir in den Altar. Die rechte brannten wir an und löschten sie dann, so dass sie gerade noch glomm, die mittlere ließen wir schön hoch brennen und die linke als letzte war gerade im Begriff sich zu entzünden. Die Schalen glommen auf, mehr noch als sie es durch die Fackeln vermocht hätten, und die Bilder um uns herum flammten elementar auf. Dort wo sich eben noch eine Tür befunden hatte, war diese verschwunden und durch eine Flammenwand ersetzt. Wir näherten uns der glosenden Barriere und Hitze schlug uns entgegen. Ich war skeptisch, konnte ich mir doch ausmalen was passieren würde, wenn man dort hinein trat. Mit Flammenwänden arkaner oder elementarer Natur ist nicht zu spaßen! Aber manchmal ist das Glück auch einfach mit den geistig armen. Sandor und Tulef rannten plötzlich vor, durch das Feuer hindurch und überstanden es offenbar ganz gut, da sie von der anderen Seite noch rufen konnten – und es waren keine Schmerzensschreie. Solcherlei ermutigt machte ich mich ebenfalls daran, das Hindernis zu überwinden. Ich spürte die Hitze, das wohl, aber sie versengte mich nicht. Es war ein befremdliches Gefühl, zwischen den Flammen hindurch zu eilen, das Feuer zu sehen, die Wärme zu spüren, aber dabei keine Schmerzen zu erleiden. Aus magietheoretischer Sicht würde ich vermuten, dass sich so ein Anwender des Leib des Feuers fühlen musste, eine nahezu mythische Formel des elementaren Kanonikums, von der ich mir nicht sicher bin, ob die Geschichten darüber erfunden sind, oder Junasia dieses Zauberwerk nicht sogar anwenden konnte. War sie nicht in Albernia sogar unverletzt aus einem brennenden Kornspeicher wieder heraus gekommen? Das würde ja darauf hindeuten. Aber hinlängliche Beweise fehlen mir jetzt natürlich leider…

 

Auf der anderen Seite befand sich ein weiterer Raum, aus dem es auch nicht weiter ging. In ihm befanden sich an den Wänden 4 Feuerschalen, die rückwärtige Wand wurde von einem großen Bild dominiert. Eine kleine Gestalt auf einem Balkon über einer feuergefüllten Kaverne, die ehrfürchtig vor einem Elementarwesen stand, gerade so wie es mir vor kurzem erst ergangen war. Viel interessanter für uns waren aber die 4 Truhen, die einfach so herum standen. Nachdem wir sie vorsichtig geöffnet hatten, stand uns allen ein fettes Grinsen ins Gesicht geschrieben. Genau deswegen waren wir gekommen. Münzen im Überfluss, Pokale, Ketten, Geschmeide… alles was schön und teuer war! Jede der Kisten wog sicher 80 Stein und war von einem Mann kaum zu bewegen. Ich war kein Händler der den Wert hätte taxieren können, aber es sah nach einer phexverdammten ganzen Menge an Gold aus. Und davon gehörte ein zwanzigstel mir! Wenn das kein Grund zum Feiern war… Die Tür draußen war mittlerweile sogar wieder aufgegangen, die Sorgen meiner Begleiter hatten sich also wie von selbst aufgelöst. Aber zum Abtransport würden wir mehr starke Arme brauchen. Also schickten wir einen Boten ins Basislager und schafften bis Einbruch der Dunkelheit auf denkbar mühselige Art und Weise, bzw. ich ließ schaffen, da mein Eingreifen hier keine Hilfe gewesen wäre, alles hinunter in unser Lager vor der Fledermaushöhle. Nach einer geruhsamen Nacht, die von der Hochstimmung des Moments und dem Gedanken an den kommenden Reichtum geprägt war, machten wir uns am nächsten Tag auf die letzte Etappe hinunter zum Strand. Wir hatten genügend kräftige Männer und Frauen dabei die sich abwechseln konnten beim Schleppen, und dennoch war es ein anstrengendes Unterfangen das uns den ganzen Tag kostete. Ich will gar nicht an die armen Schweine denken, die die Kisten irgendwann dort hinauf geschleppt haben musste!

 

Leider erwartete uns unten am Strand keine schöne Überraschung. Eher das Gegenteil. Unser Schiff lag zwar immer noch in der Bucht und wartete auf uns, aber trauriger Weise nicht allein. Um unsere Karacke herum hatten sich 5 weitere Schiffe gruppiert. Vom Rand des Dschungels aus sahen wir aus unserem Versteck, dass am Strand 20 Mann herum standen und debattierten. Praiosverdammich! Bei der Gruppe stand ein Mann in schwarzer Robe, der Magier, den ich eigentlich auf der Galeere in die Luft gejagt hatte! Offensichtlich hatte er sich irgendwie retten können, nur seine Haare schienen irgendwie zu fehlen, wohl abgebrannt. Das erklärte schon einmal drei der Schiffe. Die anderen Beiden, eins davon kannten wir, mussten dann die Kähne unseres Feindes Rodriguez sein. Hatten sich am Ende meine Landsleute aus AlAnfa mit den Piraten zusammen getan um uns aufzubringen? Wie heimtückisch! Fieberhaft überlegten wir, was wir nun tun sollten. Die Übermacht war überwältigend, also fiel ein Angriff schon mal aus. Die Besatzung von 5 Schiffen gegen unseren kleinen Expeditionstrupp, das wäre ein Alveranskommando geworden. Zuerst einmal mussten wir herausfinden, was diese Leute hier überhaupt wollten. Vielleicht wussten sie ja gar nichts von unserer Entdeckung, dann hätten wir uns ja womöglich rausreden können? Ich habe da mal so einen Kreuzerroman gelesen – eine meiner literarischen Verfehlungen wie ich zugebe, ein Lehrbuch wäre wohl schlauer gewesen – aber eine ähnliche Situation war darin auch vorgekommen. Diese Seeleute im Südmeer nannten diese Unterhandlung „Parlee“, was nichts weiter bedeutete, dass man sich auf neutralem Boden bei freiem Geleit traf um mal drüber zu reden, was man eigentlich wollte. Das würden wir jetzt auch machen. Ich ging mit Adario, die Hände zum Zeichen meiner friedlichen Absichten erhoben zum Strand, und forderte eine Parlee ein, welches uns auch gewährt wurde. Es ließ sich eigentlich alles ganz gut an. Leider wussten die Kerle von dem Schatz, woher auch immer, und forderten diesen für sich, dafür würden sie uns dann auch schonen und zurück bringen – für die Freibeuter leider mit einigen Unannehmlichkeiten verbunden. Bis dahin war alles gut, nur Adario verlor anscheinend die Nerven. Während ich noch mitten in einer gepflegten Unterhaltung war, zog er auf einmal – ich weiß bis heute nicht warum -  eine kleine Armbrust aus seinem Gürtel, und schoss einem der Unterhändler auf der anderen Seite in den Kopf. Ich blickte ihn wohl ziemlich verständnislos an, bis mir dämmerte, dass jetzt ein guter Zeitpunkt zur Flucht war. Ich nahm die Beine in die Hand, raffte meine Robe hoch und rannte zurück in den Dschungel, während hinter mir am Strand das Geschrei lauter wurde. Kurze Zeit später wurde uns ein Ultimatum gesetzt, uns zu ergeben, ansonsten würden die Gegner den Wald erstürmen und uns da raus holen. Toll gemacht Adario! Ich wahr ehrlich gesagt ziemlich angefressen…

 

Ein neuer Plan musste her, aber das war jetzt nicht mehr so einfach. Am Ende entschieden wir uns dafür, die Kisten so gut es ging zu verstecken. Eine versenkten wir im Bachbett, eine andere zogen wir hoch in die Bäume, zwei weitere versteckte Pamyeshu im Wald unter Pflanzen und Gebüsch. Als nächstes wollten wir bei Nacht sehen, ob es nicht möglich wäre unser Schiff zurück zu kapern. Meine Aufgabe war es unterdessen, vom Dschungel aus mit gezieltem Reden und hinhalten unsere Galgenfrist zu verlängern, aber das war für einen wortgewandten Mann wie mich natürlich machbar, auch wenn es zunehmend unangenehmer wurde. Aber schließlich hatte ich uns genügend Zeit herausgeschwätzt, dass Praios Antlitz im Meer versank, und in der Dunkelheit wollten sie uns anscheinend auch nicht holen kommen. Ein Teil unserer Mannschaft inszenierte nun eine auffällige, laute Flucht in den Dschungel hinein. Diese waren unser Ablenkungsmanöver und sollten sich im Tempel versteckt halten und verschanzen, während der verbliebene Rest den eigentlichen Plan umsetzte. Wir schlichen im Bogen um die Bucht um möglichst nahe an unser Schiff zu kommen. Hier zeigte sich für mich das erste Problem. Bis zur Corona wären es immer noch gut 300 Schritt zu schwimmen, und ich war zugegebenermaßen nicht der beste Schwimmer. Um genau zu sein konnte ich mich höchstens eine kurze Zeit zur Not über Wasser halten, aber für so eine Strecke würde ich ewig brauchen, wenn ich sie überhaupt bewältigen konnte.  Selbst mit einem treibenden Hilfsmittel das mich über Wasser halten würde, wäre ich mir nicht sicher ob ich die Strecke in die Richtung bewältigen könnte. Was wäre, wenn mich eine Strömung erfasst und aufs Meer hinaus zöge? Ich wäre Rettungslos verloren! Die anderen stürzten sich schon enthusiastisch in die Fluten und begannen leise durchs tintenschwarze Wasser zu gleiten. Zum Glück hat ein Magus wie ich noch andere Möglichkeiten solche Probleme zu überwinden – ich stellte mich an den Strand, kreuzte die Arme, nickte einmal kurz „Transversalis Teleport“ und stand von einem Augenblick zum anderen auf dem Dach von Rehas Kajüte. Jetzt musste ich einfach nur warten, bis der Rest kommen mochte. An Deck war es finster und ich sah nicht die Hand vor Augen, aber eine Fackel zu entzünden hätte mich jetzt nur verraten. Also benutzte ich schweren Herzens die letzte Portion Carlogessenz, die ich dabei hatte. Sofort wurden meine Pupillen größer und meine Augen passten sich an die Dunkelheit an. An Deck patrouillierten mehrere Männer, aber eher gelangweilt und unmotiviert. Einen Angriff schienen sie nicht zu erwarten. Warum auch, sie waren ja diejenigen, die die Situation derzeit unter Kontrolle hatten. Ein kurzer Blick durch die Falltür verriet mir, das Reha nicht da war, dafür Beobachtete mich ihre Eule aufmerksam. Wo mochte sie sein? Vermutlich auch gefangen, wie der Rest. Aber für die Befreiung der Mannschaft waren meine schwimmenden Freunde zuständig. Das Warten erschien mir ewig, Satinavs Zeit kroch dahin wie ein Morfu. Als ich das erste Mal Bewegung außerhalb des Schiffes wahrnahm, ich achtete natürlich besonders auf Anzeichen dafür um zu wissen wann es losgehen würde, passierte erst einmal nichts. Dann… immer noch nichts. Dann… wieder nichts! Was trieben die denn da? Ich überlegte hektisch, was schiefgegangen sein mochte. Später erfuhr ich, dass sich einige der Männer beim Erklettern der Bordwand angestellt hatten wie die letzten Tölpel, sehr ungewöhnlich für so erfahrene Seemänner. Ein paar von uns waren durch ein Bullauge ins Unterdeck vorgedrungen um die Mannschaft zu befreien. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Man hörte ein patschen von der Reeling her – einem der Männer war das Entermesser ins Wasser gefallen – und selbst die dümmste Wache schien jetzt mitzubekommen, das da gerade etwas passierte. Ich warf einer der Wachen die direkt unter mir stand etwas Poryphor über den Kopf – absolut harmlos, aber der dabei erzeugte Lichtblitz zog zumindest die Aufmerksamkeit aller auf sich und erschreckte den Mann gehörig. Und fast im gleichen Moment stürmte Kapitän Adario gefolgt von den Anderen und einem sehr, sehr kleinen Teil seiner Leute an Deck auf die überrumpelten Wachen zu. Das sich entwickelnde Handgemenge verlor ich schnell aus den Augen. Die Wache die ich kurzzeitig geblendet hatte wollte ich nun mit Schwung und Anlauf über die Reeling des Achterdecks nach unten stoßen. Ich rannte los, um ordentlich Geschwindigkeit zu haben – und prallte kläglich an dem riesigen Kerl ab. Unter Deck schien ebenfalls Tumult auszubrechen, offenbar stießen auch die Gefangenenbefreier auf Widerstand. Auch die nächsten Versuche den Kerl vor mir umzustoßen scheiterten, so dass ich mich jetzt seiner erwehren musste. Das gelang mir gerade so mehr schlecht als recht, so dass ich den einen oder anderen Treffer einstecken musste. Mit einem Blitz Dich Find nahm ich ihm zwar einen Teil seiner Gefährlichkeit, aber er war mir natürlich körperlich trotzdem noch weit überlegen. Ich muss wirklich etwas an meiner Kampftechnik arbeiten und ein paar kräftigende Übungen machen. Das war ja peinlich! Zum Glück sah es niemand außer uns beiden, da die anderen mit sich selbst beschäftigt waren.

 

Als wir es endlich geschafft hatten die Wachen zu überwältigen – so viele waren es gar nicht gewesen – und unsere Mannschaft auf den Quartieren befreit hatten, wandten wir uns zur Flucht. Auf einem der anderen Schiffe waren anscheinend auch Kämpfe ausgebrochen – waren die Piraten doch gar nicht so sehr mit den AlAnfanern verbündet, wie es am Anfang schien? Auf der Landspitze am Ende der Bucht machten wir im Dunkel eine einzelne, einsame Gestalt aus, die beschwörend die Arme hob. Erst fürchtete ich, das wäre der Kollege, der beim Feind Dienst tat und uns jetzt womöglich echte Probleme bereiten mochte, aber dann passierte etwas völlig anderes. Zwischen den gegnerischen Schiffen tauchte wie von Zauberhand – und genau das musste es wohl auch sein – ein Mahlstrom auf, der die noch nicht fahrbereiten Boote zu sich heranzog. Reha! Das konnte nur unsere Reha sein! Von so einem Zauber hatte ich schon einmal gehört, wird wohl am Seekriegszweig auch gelehrt, aber natürlich nicht bei uns Leibmagiern. Sehr praktisch, um einen Feind aufzuhalten oder zu binden muss ich sagen!  Während sich also die feindlichen Schiffe begannen ineinander zu verkeilen flohen wir hinaus aufs Meer, wobei wir natürlich Reha noch einsammelten. Kurz hinter uns folgte eine Karavelle, anscheinend das Schiff auf dem vorhin ebenfalls gekämpft worden war. Allerdings verfolgte es uns nicht, sondern schlug schnell einen eigenen Kurs ein. Offensichtlich hatte die Mannschaft dort auch genug von den Schwierigkeiten und Problemen. Wir entfernten uns erst ein gutes Stück, drehten dann bei und fuhren dann ans Firunufer der Insel zurück. In aller Eile, um nicht noch einmal mit heruntergelassenen Hosen erwischt zu werden, sammelten wir den Teil unserer Leute ein die es geschafft hatten sich bis zum Tempel zurück zu ziehen und bargen den versteckten Schatz, während die Gegner noch damit beschäftigt waren ihre Schiffe wieder flott zu bekommen. Leider hatten sich zwei der Verstecke als nur mäßig gut erwiesen, so dass wir nur 2 der Kisten zu uns an Deck holen konnten. Aber besser als nichts! Man muss Phex auch für Kleinigkeiten Dankbar sein, nicht immer nur jammern und klagen. Dann machten wir uns mit vollen Segeln auf den Rückweg. Noch eine Begegnung mit den Kaperfahrern würden wir wohl kaum lebend überstehen.

 

Adario ließ Nestario, Sandor und mich in Sylla von Bord gehen, wo wir uns herzlich voneinander verabschiedeten. Wie vereinbart behielt er die Hälfte des Schatzes, in diesem Fall also eine der beiden Truhen, um seine Mannschaft auszuzahlen und seine Unkosten zu decken. Ich bekam noch mit, wie er Pamyeshu formell die Freiheit schenkte und ihr einen Speer sowie etwas Handgeld als Zeichen ihrer neuen Unabhängigkeit gab. Ob sie jetzt wohl zu ihrem Stamm zurückkehren würde? Tulef der Taugenichts und Yazinda erhielten ebenfalls einen Mannschaftsanteil, wobei ich bei ersterem wirklich froh war ihn nicht mehr sehen zu müssen, auch wenn er am Ende sogar – wohl aus purem eigenem Überlebensinteresse – ordentlich mitgekämpft hatte. Nestario, Sandor und ich schifften uns auf einem Händler ein, der uns mitsamt Beute nach Hause brachte. In AlAnfa nutzte Nestario seine guten Kontakte und die Familie Florios um den Schatz, soweit er nicht eh schon daraus bestand, in bare Münze zu verwandeln. Davon erhielt ich immerhin 78,5 Dukaten, ein stolzes Sümmchen, mit dem ich schon gut etwas anzufangen wissen würde. Für Nestarios Familie war es aber eher wie ein kurzes Luftschnappen, betrug der Gesamte Wert unserer Beute doch „nur“ 1570 Dukaten, und nicht der große finanzielle Befreiungsschlag den er sich erhofft hatte. Irgendwie würde der Gute wohl noch einen anderen Weg finden müssen, seine Familie zu entschulden, wofür ich ihm alles Glück Phexens wünschte.

 

Für mich hingegen war diese Reise damit beendet und ich begab mich guten Gewissens zurück zu meiner eigenen Familie um auch von diesem spannenden Abenteuer zu erzählen. Außerdem würde ich eh nicht lange dort bleiben können, denn mein Aufbruch ins liebliche Feld würde dank der Reisezeit auch nicht mehr übermäßig auf sich warten lassen. Aber vorher waren noch einige Dinge zu tun, bei Hesinde!

 

Abenteuer: Die Schatzinsel
Dieser Eintrag wurde am 2.08.2018 (11:20) verfasst und 578 mal aufgerufen.
Kommentare:

Wirklich gut geschrieben!

 ... wie eine Ente der man einen Pfeil in den Bürzel jagt :-).

In der Rückschau merkt man nochmal, was für ein Pensum wir an nur einem Spieltag abgeleistet haben.

Da hätte wahrscheinlich gar nicht mehr untergebracht werden können.

Thomas
16
Geschrieben:
4.08.2018 (15:04)
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