Tagebuch von Victor Dondoya Lucisresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Das Geheimnis der Zyklopen.

 

Mein Name ist Victor Dondoya d’Pellisario. Und gerade jetzt hatte ich den Eindruck, ich hätte den Zorn der Götter auf mich gezogen. Warum? Nun, das könnte damit zu tun haben, das Efferd, der Herr der Wogen, mir auf meiner Reise gerade erneut unmissverständlich und launisch klar gemacht hatte, das ihm etwas überhaupt nicht recht war. Um genau zu sein hatte er mich bei der Überfahrt von Brabak nach Bethana vor Neetha mit dermaßen schwerer See gestraft, dass dem Schiff auf dem ich unterwegs war nicht nur einer der beiden Masten gebrochen war (verdammte Pfuscher in Brabak, die mussten die Reparatur  vermasselt haben!). Nein, auch die Ruderpinne war zu allem Überfluss gebrochen, so dass wir mit einem Behelfssteuer und mit letzter Kraft den Hafen erreichten. Abgesehen davon  hatte ich auch die Fische füttern müssen, was mir ansonsten schon lange nicht mehr passiert war. Bei den Göttern kann man sich natürlich nie sicher sein, aber ich argwöhnte, dass Efferd das Opfer, das ich in seinem Tempel in Al’Anfa gebracht hatte, einfach zu mickrig ausgefallen war. Woher sollte ich auch da schon wissen, dass es mitnichten der Zorn des Gottes, sondern viel mehr der Götter weißer Ratschluss und Fügung war, die mich dazu zwangen unfreiwillig halt in dieser Hafenstadt im Lieblichen Feld zu machen. Ja, ich behaupte jetzt im Nachhinein –also Retrospektiv wie der Fachmann sagt - fast, dass ich mich eher zu den Günstlingen der Götter zählen sollte. Nur wusste ich es eben da einfach noch nicht besser.

 

Und man soll nicht meinen, dass so ein gebrochener Mast innerhalb weniger Stunden repariert ist. Oh nein, das dauert seine Zeit… und ein anderes Schiff mit meinem Ziel fand sich gerade auch nicht ein – was nicht weiter schlimm war, da ich (noch) keinen Zeitdruck hatte – aber ärgerlich war es allemal, dass ich zum Verweilen gezwungen war. Zumal es in Neetha auch keine Magierakademie oder ähnlich qualifizierte Studieneinrichtung gab, wo ich mir die Zeit hätte vertreiben können. Und auf den Besuch dieser Theater- und Sängerschule… naja, das sollen andere machen. Es war schon eine gute Woche vergangen, in der ich viel Zeit am Hafen und mit müßigem Schlendern in der Stadt verbracht hatte, als die triste Warterei unversehens von jemandem durchbrochen wurde, mit dem ich am allerwenigsten gerechnet hätte, dessen Auftreten mir aber einige abenteuerliche, gefahrvolle und mitunter sehr schmerzhafte Tage bescheren sollte.

 

 

 

Ich stand gerade wieder einmal mit wartendem Blick am Hafen. Es hieß, der Mast wäre wohl in den nächsten 5 Tagen oder so fertig. Da tippte mir ein junger Bursche in einem einfachen, weißen Gewand auf die Schulter. „Verzeiht, seid Ihr der Herr Pellisario? Man wünscht Euch im Haus des Götterfürsten zu sprechen.“ Instinktiv zuckte ich schuldbewusst zusammen. Ich? Eine Vorladung in den Praiostempel? Aber ich hatte hier doch gar nichts… ich straffte mich. Wäre der Grund eine Anklage gewesen, man hätte sicher keinen Novizen geschickt, sondern gleich die Tempelgarde. Aber warum dann also eine Audienz bei den Dienern des Lichts? Meist bedeutete das für jemanden meines Standes nichts Gutes und bisher hatte ich mit den Göttern im Allgemeinen und mit Praios und seinen Dienern im Besonderen ja eher wenig zu tun gehabt. Oder hatte sich mein Ruf von Bethana aus mittlerweile dermaßen verbreitet, das man sogar hier auf mich zukam? Oder war sogar etwas in Bethana vorgefallen von dem man mich unterrichten wollte? Meine Neugier gewann die Oberhand und ich folgte dem Burschen. Auf dem Weg, ich grübelte die meiste Zeit weiter was mir diese „Ehre“ einbrachte, erinnerte ich mich an ein Gerücht in den Gasthäusern, wonach die Geweihten des Tempels des Praios Schwierigkeiten hätten und Ausschau hielten nach einem fähigen und Unerschrockenen Helden. Wobei… das die Wahl dabei auf mich fallen würde war ja dann doch eher unwahrscheinlich – oder die Praioti sehr verzweifelt. Im Tempel wurde ich direkt zum Obersten Geweihten  geführt. Man wollte wohl doch kein so großes Aufsehen erregen. Der Mann, er stellte sich als Vater Horas vor, musterte mich lange und Eindringlich.

 

„Meine Brüder haben Erkundigungen über Euch eingezogen. Man hat Euch mehrere Tage beobachtet (Wieso war mir das nicht aufgefallen??) und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ihr unter Umständen der rechte Mann für eine schwierige und heikle Aufgabe wärt. Wie wir von unseren Brüdern in Bethana gehört haben habt ihr Euch dort schon zweimal für Recht und Gesetz eingesetzt und kennt bereits die Zyklopeninseln. Das prädestiniert Euch. Aber ich muss vorher das Versprechen abnehmen, Stillschweigen zu wahren. Seid ihr grundsätzlich bereit, für die Geweihten des Praios eine gefahrvolle Reise zu unternehmen, mein Sohn?“ Mein Sohn? So hatte ich nicht erwartet von einem Praioti angesprochen zu werden. Ketzer, ja. Oder dreckiger Magier, das war ich gewöhnt. Ich war etwas verwirrt. Auf der anderen Seite… es konnte nie Schaden beim Fürst der Götter einen Bernstein im Brett zu haben, insbesondere wenn man nicht sicher sein konnte, ob man nicht doch einmal dem Scheiterhaufen enthüpfen müsste. Also gelobte ich Stillschweigen und erklärte mich bereit mir zumindest anzuhören, worum es ging.

 

„Ich will Euch nun über Ziel und Zweck eurer Reise aufklären,“ fuhr der Geweihte fort. „Den Zwölfgöttern und der Geweihtenschaft ist ein großes Unglück widerfahren. Ein Schiff mit unseren Brüdern war unterwegs von Nostria nach hier. Aber es ist nie angekommen. Es verschwand spurlos und mit ihm eine Kette von unschätzbarem Wert. Es ist die Kette der Zwölfgötter, die aus Zwölf Amuletten besteht, von denen jedes eine unserer Gottheiten zeigt. Für sich allein schon wäre jedes Amulett ein Kleinod, zumal sein Träger über dessen karmale Fähigkeiten verfügen kann. Als Ganzes ist die Kette aber ungleich wertvoller, denn sie beschert ihrem Träger geistige Macht über andere Menschen, und das über beliebige Entfernung hinweg. Wir ließen nichts unversucht, Näheres über den Verbleib der Kette herauszufinden. An ein Unglück glaubten wir nicht; schließlich wurden uns keine Stürme gemeldet, als das Schiff unterwegs war. Vor einigen Wochen dann erhielten wir endlich einen Hinweis: Unsere Brüder erfuhren von einem Sterbenden, das ein Verräter unser Schiff versenkt hatte und die Kette mit sich nahm. Er floh auf eine der Zyklopeninseln – der Sterbende sprach so undeutlich, dass unsere Brüder den Namen nicht verstanden- wo ihm die Kette abhandenkam. Bei einem Handgemenge mehrerer Parteien zerriss die Kette und die einzelnen Amulette verschwanden spurlos. Wir wissen das alles so genau, weil der Sterbende selbst der Verräter war. Weiterhin konnten unsere Brüder in Erfahrung bringen, dass besonders eine Gruppe hinter dem Amuletten her ist: die Geweihten des Gottes ohne Namen – unsere größten Feinde. Ja, selbst noch mehr als die Magier wie ihr es einer seid. Sie können aber noch nicht alle Amulette besitzen, da sie große Aktivitäten an den Tag legen. Nicht auszudenken, wenn ihnen alle Amulette in die Hände fielen. Außer uns beiden und zwei Kundschaftern kennt NIEMAND die genauen Umstände, auch unsere Brüder auf den Zyklopeninseln wurden davon nicht informiert, weil der Seekönig von Hylailos ein etwas absonderliches Verhalten an den Tag legt. Eure Aufgabe soll es nun sein, die Kette zu beschaffen. Wir haben bereits drei Mann ausgesandt die Kette zurück zu bringen. Einen Abenteuerer namens Sprigg, einen Krieger namens Volkos und eine zwielichtige Gestalt namens Zabdiel. Aber keiner ist bisher zurückgekehrt.  Bei Euch hingegen  können wir uns auf jeden Fall sicher sein,“dabei musterte er mich noch einmal von oben bis unten,“ dass euch niemand mit den Geweihten des Praios oder einer anderen Gottheit in Verbindung bringen wird. Ihr erhaltet als Reisegeld 100 Silbertaler und einen wattierten Waffenrock, aber für eine Waffe müsst ihr selbst sorgen. Bevor ihr aufbrecht aber noch eine Formalität, ihr versteht sicher, dass wir euch nicht vorbehaltlos trauen können, und ein so mächtiges Artefakt einmal zu verlieren ist ärgerlich, aber es noch ein zweites mal… ihr versteht sicher.“ Nachdem ich, etwas überrumpelt und perplex meine Hilfe zugesagt hatte hob der Geweihte segnend die Hände über meinen Kopf. „Schwört bei Praios, dem Herrn der Wahrheit und seinen Elf Geschwistern diesen Eid, dass ihr alles in eurer Macht stehende tun werdet das Amulett der Zwölfgötter wieder zu beschaffen und es uns hier zu übergeben, es nicht für Euch selbst zu behalten und seine Macht nicht zu missbrauchen.“  Ein Eidsegen, davon hatte ich schon einmal gehört. Man traute mir wohl doch nicht ganz und wollte verhindern, dass mich die Gier überkäme… Der Gedanke war mir ja bei seinen Ausführungen durchaus gekommen, damit hätte ich diesen Finsterlingen von La Facia Seconda durchaus einheizen können… aber sei es drum. Ich schwor den Eid, und meinte es auch so. Schwarzmagier hin oder her, aber die heiligen Zwölf bedeuteten mir ja durchaus etwas, ich hatte mir dem Schwur also keinerlei Gewissenskonflikt. Für Hesinde, Phex und Boron konnte ich das allemal tun. Dann schickte mich der Geweihte fort, nicht ohne noch einmal zu betonen, niemandem davon zu erzählen, aber das mir eine hohe Belohnung winken würde, wenn ich Erfolg hätte.

 

Ich verließ den Praiostempel, nicht ohne einige seltsame Blicke der dies sehenden Passanten zu registrieren. Nun ja, jemand wie ich war nun nicht gerade ein alltäglicher Gast im Haus des Lichtfürsten, aber umso besser dürfte meine Tarnung sein, sogar ohne dass ich mich würde verkleiden müssen.  Vor mir, auf dem großen Platz, waren die Buden und Stände der Händler, Bauern und Fischer aufgebaut, die hier ihre Waren feilboten. Der Lärm der Marktschreier schlug über mir zusammen, fremdartige Gerüche drangen mir in die Nase. Da ich nicht gedachte, alle meine Besitztümer mit auf die Zyklopeninseln zu nehmen  - es wäre ja ein Drama wenn wegen eines kleinen Dienstes Zwischendurch die Tsagaben für meinen Patensohn Schaden nehmen würden, besorgte ich mir das notwendigste für die nächsten Tage lieber direkt. Waffen benötigte ich ja keine außer meinem Stab und meinem Dolch. Aber etwas Proviant, eine Flasche Wein sowie eine einfache Ersatzrobe in grau komplettierten meine Reiseaussattung, was mich 6 Dukaten kostete. Das Gros lies ich allerdings in der Obhut der Praioten zurück, bevor ich mich auf dem Weg zum Hafen machte. Sicherer als dort würde meine Habe wohl nirgends sein.

 

Durch schmale, unebene Gässchen führte mich mein Weg zum Hafenviertel hinunter. Ein Weg, den ich in den letzten Tagen schon mehrfach gegangen war. Schon nach wenigen hundert Metern begann die Luft ein bisschen salzig zu schmecken – der Duft nach Reisen und Abenteuern, bei Efferd und Aves! Lagerhäuser und billige Tavernen bestimmten hier das Stadtbild. Aus einer Seitengasse heraus kreuzte ein bärtiger Kerl mit Glatze meinen Weg, dann trat ich aus dem engen Labyrinth der Gässchen hervor und stand auf einer kopfsteingepflasterten breiten Straße. Unmittelbar dahinter begann das Hafenbecken, in dem eine Vielzahl kleiner Fischerboote und einige größere Segler vertäut lagen. Zwar gab es genug Möglichkeiten, sich nach einer Passage zu erkundigen, mein Ziel waren ja die Zyklopeninseln, aber der einzig echte Weg für einen Mann von Welt ist natürlich der Offizielle. Und der führt bekanntlich über den Hafenmeister. Dieser war leider ein mürrischer Geselle. Er musterte er mich eindringlich, was ich schon fast als unhöflich empfand, als ich mich nach einer Überfahrtsmöglichkeit auf die Zyklopeninseln erkundigte. Dann empfahl er mir, wenn ich über das nötige Geld verfügen würde, die „Galeanta“, ein stolzer Segler der über Hylailos nach Havena unterwegs war. Die anderen Optionen, nämlich als Ruderer auf einer Galeere oder die Überfahrt mit einem der Fischerboote verwarf ich direkt.

 

Die Galeanta war ein elegantes Schiff, dass sah ich auf den ersten Blick. Ein größerer Kauffahrer, der offensichtlich auch Passagiere beförderte, denn vor mir begaben sich gerade vier in teure Stoffe gekleidete Personen an Bord. Diesen folgte ich und sah mich sofort mit dem Zahlmeister des Schiffes konfrontiert. „Holla Bursche! Was will denn einer wie Du hier? Wir brauchen keine Matrosen mehr, aber du siehst eh nicht aus als würdest du das Seehandwerk beherrschen.“ Die nobel gekleideten Fremden wurden auf mich aufmerksam und die beiden herausgeputzten Damen begannen zu kichern, während ihre blasierten Begleiter mürrisch dreinblickten. Am liebsten hätte ich diesem frechen Tropf von einem Zahlmeister Manieren gelehrt, aber das hätte mich wohl auch nicht näher an eine Überfahrt gebracht. Also schluckte ich den Ärger hinunter, zahlte die unverschämten 2 Dukaten für die eintägige Überfahrt und bezog eine winzige Kajüte, die mir der Zahlmeister zuwies. Kaum hatte ich mein weniges Gepäck in diesem Mauseloch verstaut, da wurde die Tür aufgerissen. Ein junger Stutzer, der ebenfalls der Reisegruppe von aufgeblasenen Horasiern anzugehören schien blaffte mich an, was ich in seiner Kajüte verloren hätte. Frechheit! Gerade eben hatte mich der Zahlmeister ja erst hier einquartiert! Ich drückte den Geck ein Stück zurück und schlug ihm ohne ein Wort die Tür vor der Nase zu. So leicht ließ sich der Bube aber nicht abweisen. Er polterte an die Kajütentür, bis ich mich tatsächlich genötigt sah diese zu öffnen, um endgültig für Ruhe zu sorgen. Kaum war die Tür offen, schlug mir schon unvermittelt eine schallende Ohrfeige ins Gesicht. Potztausend! Der Flegel war offenbar auf Krawall aus. Aber in körperlichen Auseinandersetzungen dieser Art zog ich leider meist den Kürzeren, das war eine denkbar schlechte Option. Zwar hob ich selbst die Hand zur Maulschelle, eine Reaktion, die der grinsende Geck wohl erwartet hatte und sich bereit machte. Aber anstatt nun zuzuschlagen, starrte ich ihm in die Augen „Bannbaladin, Dein Freund ich bin“. Von etwas weiter hinten tauchte eine junge und durchaus hübsche Dame auf die ihm nachrief „Demetrius, was geht hier vor?“. Während sich seine finstere Mine zu einem freundlichen Lächeln entspannte, der Zauber hatte sofort seine Wirkung entfaltet und ihn mir gegenüber freundlich gestimmt, machte er sogleich ein sorgenvolles Gesicht und raunte mir zu: „Bei Phex, wenn jetzt nichts passiert bin ich vor meiner Süßen bloßgestellt.“ Ich stutzte. Pfeilschnell sausten meine  Gedanken durch den Kopf. Meine Kajüte wollte ich nicht hergeben, nur das der Kerl hier ein Schäferstündchen halten konnte. Aber der Einfall lag nicht weit weg. Ich beugte mich vor und raunte ihm zu „Dann lasst uns einfach so tun als ob, ich hoffe für Euch ihr könnt den Verletzten überzeugend spielen um ihr Mitleid zu erregen…“ Bevor ich mich auf ihn stürzte, den überraschten zu Fall brachte und mehr raumgreifend  als ernsthaft in die Seite knuffte und boxte. Seine Abwehrversuche wirkten zwar für meinen Geschmack etwas übertrieben, aber er ließ sich dann tatsächlich theatralisch fallen, wobei er seine Begleiterin mitriss. „Ah, mein Bein“ stöhnte der Stutzer, „es ist gebrochen…“ Ich hoffte inständig, dass dies nicht zu viel des Guten war. Ich hingegen eilte zu der Dame um ihr aufzuhelfen. Als sie wieder stand begann sie mit ihren kleinen Fäusten auf mich einzutrommeln. „Du roher, schmutziger Kerl. Du hast Demetrius verletzt“, dem sie dann auf die Beine half, bevor er auf sie gestützt davon humpelte, was angesichts eines „gebrochenen“ Beins schon wieder recht gut ging.

 

Damit hatte ich erst einmal etwas Ruhe in meiner Kajüte und döste, bis das Schiff ausgelaufen war. Als wir Fahrt aufgenommen hatten begab ich mich auf das Vorschiff und genoss den schönen Tag. Das tiefblaue Meer, der blaue Himmel an dem sich keine Wolken zeigten, das sanfte Schaukeln des Schiffs, das gute Fahrt machte, das Gekreische der Möwen… das laute Lachen einiger anderer Passagiere riss mich aus meinen Tagträumen. Mitglieder der vornehmen Reisegruppe, der auch der Stutzer und seine schöne Begleiterin angehören mochten. Kaum hatte ich an die beiden Gedacht, da tauchte Demetrius auch schon wieder auf, diesmal aber in Begleitung eines kahlköpfigen Mannes mit schwarzem Bart. Beide lehnten sich an die Reling um leise miteinander zu reden und blickten dabei gelegentlich zu mir herüber. Darauf hatte ich nun wiederum keine Lust, also begab ich mich unter Deck. Sollten diese beiden Tölpel ruhig reden, ich würde mir den Tag nicht verderben lassen!

 

Über die Achtertreppe begab ich mich unter Deck und inspizierte die Galeanta ein wenig. Mit Schiffen war ich ja jetzt in letzter Zeit oft genug unterwegs gewesen, um das etwas beurteilen zu können. Mittschiffs ein paar Kajüten, Mittelgang, zwei Treppen, Kapitänskajüte am Heck, am Bug der große Laderaum mit den Mannschaftsquartieren. Hinten ein kleinerer Laderaum. Als ich gerade dabei war dort einen kurzen Blick hinein zu werfen vernahm ich ein leises Geräusch. Hinter einigen Säcken mit Getreide lag da doch tatsächlich ein Mann auf Tuchrollen und schnarchte. Der Kerl war klein, also ähnlich wie ich, machte aber selbst schlafend einen verschlagenen Eindruck. Ich stupste ihn an. Der Mann zuckte zusammen und fuhr hoch. Wie aus dem nichts hatte er auf einmal ein Messer in der Hand. Schnelle Reflexe, sehr bewundernswert. Ich wollte gerade ansetzen ihn zu Fragen was er hier wollte, als ich Schritte hinter mir hörte. Zwei Seeleute kamen die Treppe herunter. Und nun? Der Kerl vor mir sah nicht aus als würde er zur Mannschaft gehören, andererseits war sein Verhalten für einen Passagier recht ungewöhnlich und er sah auch nicht so aus als könnte er sich eine Überfahr t leisten, ich wusste ja was der Zahlmeister dafür aufrief. Ein blinder Passagier?  Das wollte ich lieber erst einmal für mich geklärt haben. Deswegen raunte ich dem Kerl eine leise Warnung zu. Mit einem schnellen Satz brachte sich der Fremde in Sicherheit. Die beiden Männer, die gerade die Treppe herab kamen waren der Zahlmeister und der Kapitän. Mich beachteten sie nicht weiter, sondern prüften den sicheren Stand mehrerer Fässer an der Heckwand. Kurz darauf waren sie auch schon wieder nach oben gegangen, ohne den Fremden bemerkt zu haben.  „Danke“, hörte ich es leise sagen, als beide wieder fort waren. Er kroch aus seinem Versteck heraus und musterte mich. „Bist Du auch ein Dieb?“ fragte er mich. Ich sah an mir herunter, verwundert wie er auf diese Idee kam, aber dann meinte ich nur „Nein, normalerweise nicht, auch wenn das nicht immer so einfach zu beantworten ist.“ „Na, ich mein ja nur, sonst haben mir immer nur Kollegen aus der Patsche geholfen. Ich bin Relf, Mitglied der Diebesgilde von Methumis auf dem Weg nach Sienna. Und so ist das einfach die billigste Art der Seereise.“ Irgendwie war mir der zähe kleine Bursche fast schon sympathisch. Eigentlich hätte ich ihn jetzt wo Klarheit bestand immer noch an den Kapitän verraten können, aber stattdessen redeten wir noch bis in den Abend hinein miteinander. Ich denke, Phex hätte es nicht lustig gefunden, wenn ich eines seiner Kinder jetzt einfach ohne Not ans Messer geliefert hätte, und der Fuchs hatte mir ja oft genug selbst in der Vergangenheit nahe gestanden und geholfen. Da konnte ich mich auch einmal einem seiner Günstlinge gegenüber erkenntlich zeigen. Relfs Diebesgilde, immer gut informiert über die Vorgänge hier, hatte Wind davon bekommen, dass auf einer der Zyklopeninseln der Gott ohne Namen angebetet werden soll. Schwarzbärtige, kahlköpfige Geweihte führten etwas im Schilde, trieben sich wohl überall herum. Auch an Bord dieses Schiffes sei angeblich einer. Da musste ich mich vorsehen. Und hatte ich nicht sogar in Neetha schon jemand gesehen, auf den diese Beschreibung zutraf? War ich schon enttarnt? Das wäre doch sehr ärgerlich! Und der Seekönig der Zyklopeninseln sei durch Schmuggler, die seine Zölle unterlaufen schwer geschädigt worden. Nun wolle er ihre Organisation zerschlagen. Das konnte ja heiter werden auf den Inseln… Später am Abend ging ich dann wieder an Deck, um eine Kleinigkeit zu Essen.

 

Während den Edelleuten an Deck erlesene Speisen gereicht wurden, saß ich mit einem Stück Weißbrot, Käse und einem Krug Rotwein auf dem Achterdeck und genoss die Aussicht auf die Küste von Hylailos, die langsam vorbeizog. Ich hatte gerade mein Mahl beendet, als ein bärtiger Kahlköpfiger (AHA!) Mann zu mir trat und sagte, ein gewisser Demetrius wolle mich sprechen. Das war doch der Geck von vorhin? Mit einer Entschuldigung konnte ich wohl kaum rechnen, also was wollte der Kerl? Der bärtige nahm mich beim Arm, und ich war schon versucht mich zu wehren, aber da zog er mich schon zum Vorschiff, wo eine Gruppe Edelleute beisammen stand. Demetrius trat vor und beschuldigte mich, den Ring seiner Verlobten Lydia gestohlen zu haben. Natürlich wies ich den Vorwurf entrüstet von mir, so also lief der Hase! Was für eine billige Art, sich für die vorhin erlittene Schmach rächen zu wollen, jetzt wo der Zauber von ihm abgefallen war. Trotzdem ergriffen mich ein paar Kerle und durchsuchten mich. Man mag sich meine Bestürzung vorstellen, als einer dabei tatsächlich einen kleinen Goldring hervorzog, der Lydias Initialen trug. Der Bärtige musste ihn mir zugesteckt haben, wie hatte ich das nicht bemerken können? In Havena hatte ich doch selbst die Kunst des Taschenspiels gelernt. Der Hund war wohl ziemlich geschickt! Ich funkelte den Bärtigen an. So leicht würde ich meine Mission nicht scheitern lassen, auch wenn man mir anscheinend schon auf die Schliche gekommen war. Um über Bord zu gehen und zur Küste zu schwimmen würden meine Schwimmkünste kaum ausreichen, also rief ich den Kapitän als obersten Richter an Bord an. Leider nutzte mir meine Verteidigung wenig. Alle Edelleute standen gegen mich und als der Kapitän hinzukam redete ich mit Alveranierszungen auf ihn ein. Zumindest Wortgewand war ich ja, hier kamen mir durchaus die Diskursforen während meiner Ausbildung zugute. Mit allergrößtem rhetorischem Geschick gelang es mir zwar, den Kapitän von meiner Unschuld zu überzeugen, aber dieser musste sich aus mir unerfindlichen Gründen dem Druck der Edelleute beugen, die mich bestraft sahen wollten. In seiner Funktion als oberster Richter an Bord verurteilte er mich dann zu einer Geldstrafe von einem Goldstück.  Damit war ich die Hälfte meiner verbliebenen Barschaft auch noch los, langsam wurde es eng. Zwar wühlten jetzt einige Rachegedanken gegen diesen Demetrius in meinem Kopf, aber ich musste in Sienna dann trotzdem von Bord gehen. Einen kleinen Vergeltungsfeldzug gegen diesen Kerl, der auch noch gleich weiterfuhr, konnte ich mir angesichts meiner wartenden Aufgabe nicht leisten. Aber man sieht sich immer zweimal im Leben, und dann… ich machte mir eine geistige Notiz, die ihn ziemlich weit oben auf meiner Opferliste platzierte. Gleich hinter Donata und ihren Schergen.

 

Meine Barschaft war schon ziemlich geschrumpft, zumindest der Teil den mir die Praioti gegeben hatten, und mehr hatte ich ja nicht mitgenommen. Daher musste eine billige Absteige für den Rest der Nacht langen. Zur Übernachtung nur in einem stinkenden Stall konnte ich mich einfach nicht durchringen. Am nächsten Morgen machte ich mich, etwas erholt, auf den Weg nach Rethis. Die Straßen auf den Inseln waren der Bezeichnung kaum wert, eher staubige Pfade, auch wenn ich unterwegs Glück hatte (danke Phex!) und von einem Bauern mit seinem Fuhrwerk mitgenommen wurde. Der einfache, aber freundliche Landmann erzählte gerade etwas von „steinernen Monstern“ an denen wir gleich vorbeikommen würden, als plötzlich ein zerlumpter Bursche angerannt kam, der von fünf aufgebrachten Männern verfolgt wurde. Er blieb neben dem Fuhrwerk stehen und rief „Steht mir bei gegen diese Dämonen, es soll Euer Schaden nicht sein!“ Von den aufgebrachten Männern hingegen schallte es uns schon entgegen „Haltet den Lump! Er hat einen von uns schwer verletzt. Und alles nur wegen einem Medaillon!“ Der Bauer riet mir gerade noch, mich da nicht einzumischen, aber ich musste dem ganzen natürlich nachgehen. Ein Medaillon konnte genauso gut eines der von mir gesuchten Amulette sein, auch wenn es mir ansonsten eigentlich herzlich egal war was diese Leute hier trieben. Aber so musste ich dem natürlich nachgehen. Mit einem Satz war ich vom Fuhrwerk herunter und hielt den hielt den Flüchtenden am Arm fest. Dann waren die Verfolger auch schon heran und fesselten den Fremden. Die Verfolger waren anscheinend Bauern aus dem nächsten Dorf, die sich herzlich bei mir für die Hilfe bedankten. Der geflohene hatte bei einem Streit einen jungen Mann aus ihrem Dorf wohl im Zorn fast erstochen. Der Gefangene begann sich zu rechtfertigen, er wäre in Rethis gedungen worden, wo sein Kontrahent einen Wertgegenstand gestohlen hätte, und er sei beauftragt worden diesen seinem rechtmäßigen Besitzer zurück zu bringen. Allerdings ließen die Bauern seine Einwände nicht gelten, entwaffneten ihn und führten ihn zurück ins Dorf, aus dem er geflohen war. Da dieses eh auf unserem Weg lag folgten wir mit unserem Fuhrwerk dem kleinen Zug, wo der Gefangene ganz offen auf dem Dorfplatz verhört wurde. Etwas für mich interessantes kam dabei aber nicht heraus, weswegen ich meinen Weg nach Rethis dann zu Fuß fortsetzte. Das Medaillon war auch nur ein profanes Schmuckstück und hatte leider so gar nichts mit den Zwölfgöttern zu tun.

 

Rethis, die Perle von Hylailos! So zumindest nannten die Einheimischen hochtrabend ihre Stadt. Diese war in einer weiten Bucht gelegen und der wichtigste Hafen und das Tor zu den westlichen Zyklopeninseln. Das pulsierende Handelszentrum, welches wie man sagt vor Leben und Geschäftigkeit strotzt. Nachdem ich mir die Stadt eine Weile angesehen hatte und mit daheim verglich, sozusagen von Perle zu Perle, kam mir der Pulsschlag aber dann doch ziemlich schwach vor, eher wie der eines komatösen Patienten oder so. Ich sah mich ein wenig im Hafenviertel um, hier hätte ich wohl die größten Chancen, interessante Leute zu treffen und Neuigkeiten zu erfahren, immerhin ging hier quasi der gesamte echte Verkehr und auch zwischen den Inseln hindurch. Im Hafen lagen vorwiegend Fischer- und Segelboote, aber auch einige größere Koggen und die drei (!!! Ich musste innerlich lachen…) Kriegsgaleeren des Seekönigs von Hylailos. Als ich genug gesehen hatte musste ich mich entscheiden, wo ich weitersuchen wollte. Eine Taverne käme da wohl am ehesten in Betracht. Die Optionen waren alle nicht übermäßig verlockend, aber ich entschied mich für ein Haus das auf den klangvollen Namen „Silberkrug“ hörte. Das pompöse Wahrzeichen des Silberkrugs fiel mir schon von weitem auf: ein großer Krug aus silberfarbenem Blech an einer Stange, die weit in das Gässchen hinein ragte, in dem sich das Gasthaus befand. Das Haus selbst war mit Blumenkästen geschmückt und machte einen guten Eindruck. Nachdem ich eingetreten war forderte man mich auf meine Waffen an der Garderobe abzugeben. Offensichtlich hatte ich das beste Haus am Platz erwischt. Mit traurigem Blick auf meine wenige Barschaft machte ich kehrt, um mein Glück woanders zu versuchen. Das Geldproblem musste ich dringend angehen…

 

Meine nächste Station war ein Seitensträßchen und dort, schon vielversprechender, die „Hafenschenke“. Das Gasthaus befand sich im Erdgeschoss des flachen Steinbaus. Drinnen war es zwar relativ gemütlich, aber gut gefüllt. Die Wände mit allerlei präparierten Fischen geschmückt, so wie man sich das eben vorstellt bei einer Hafenkneipe. Zunächst war es schwierig einen freien Platz zu finden, jedesmal wenn ich mich in meinem Gewand an einen Tisch setzen wollte rückten die bereits Anwesenden etwas zusammen, so dass ich nicht mehr hin passte. Vielleicht hätte ich das dunkle Gewand mit dem ich hier ziemlich auffiel doch gegen die Reiserobe tauschen sollen. Lediglich in einer abgelegenen Ecke hatte ich Glück. An dem Tisch saßen bereits drei Männer die ein angeregtes Gespräch führten, aber verstummten als ich hinzutrat und mich setzte. Die drei waren erst ein wenig zurückhaltend, aber nachdem ich einige Runden geworfen hatte, was mich leider zwei weitere meiner spärlichen Silbertaler kostete, lockerten sich ihre Zungen. Im Lauf des Nachmittags erfuhr ich von dem Mann namens Bakkalurion, der anscheinend der Wortführer war, mit etwas schwerer Zunge von einem Schatz, den er mit seinen beiden Kameraden zu heben gedachte. Er hatte sich sogar schon ein kleines Segelboot organisiert, ihm fehlte aber noch der vierte Mann für seine Unternehmung – als Helfer oder als Taucher. Selbst ohne Tauchen böte er, und dabei sah er mich prüfend an – 50 Silbertaler, falls man fündig würde. Das mochte alles Seemansbosparano sein, oder eine Falle der bärtigen Priester... aber auf der anderen Seite… meine Barschaft war fast aufgebraucht und ich würde für die weiteren Recherchen wahrscheinlich schon dringend etwas Geld benötigen. Daher bot ich mich spontan und hilfsbereit wie ich bin als vierter Mann an.

 

Mit gemischten Gefühlen trottete ich neben Bakkalurion her zum Hafen. Dieser erzählte mir, er sei vor Monaten auf der „Hesperus“ zur See gefahren, einem Kauffahrer, der zwischen Teremon auf Pailos und Rethis pendelte. Durch einen Sturm sei die Hesperus vom Kurs abgekommen und vor der Westküste Hylpias auf ein Riff gelaufen und gesunken. Er allerdings vermutete Verrat, da beim Untergang des Schiffes das Rettungsboot und einige Passagiere – seltsame Prediger oder Priester mit Bärten ohne Haare auf dem Kopf – gefehlt hätten. Das kam mir nun wieder seltsam vor. Er sei der einzige Überlebende und kenne auch als einziger die Unglücksstelle. Im Wrack der Hesperus müsse sich noch die Geldkiste des Kapitäns befinden, die auch einige Schmuckstücke enthalten dürfte. Während Bakkalurion seine Geschichte erzählte waren wir bei seinem Boot angekommen, das im Hafenbecken vertäut lag. Telisar und Luske, so hießen die anderen beiden, hatten während des Weges häufig leise miteinander getuschelt und waren mir nicht ganz geheuer, aber nun gab es kein Zurück mehr. Und wer weiß, vielleicht war die Hesperus sogar trotz der etwas abweichenden Angaben das Boot der Praioti gewesen und das ganze nur eine Tarngeschichte? Mit diesen Gedanken verbrachte ich den Rest der Nacht unter Segeltuch auf den harten Planken des Schiffes, bevor wir im Morgengrauen in See stachen. Bakkalurions Boot sah mit seinem orangenen Segel zwar imposant aus, aber schnell war es nicht. Erst am späten Nachmittag umschifften wir die Nordwestspitze von Hylpia, als Bakkalurion ganz aufgeregt wurde. „Dort muss es sein“ rief er“ ich erkenne die Küstenlinie genau! Seht ihr die Schatten unter Wasser – das Riff!“ Und richtig, unter uns erkannte ich Felsen im Wasser und nach einiger Zeit entdeckte Luske das Wrack der Hesperus in kaum 10 Schritt tiefe. Wegen des nahenden Abends drängte Bakkalurion zum sofortigen Tauchen. „Jeder kann behalten, was er heraufholt!“ Und damit sprangen die drei auch schon ins Wasser, die Gier in den Augen. Ich überlegte kurz, ob ich mich mit den 50 Silberlingen begnügen sollte, die mir geboten worden waren. Meine Schwimmkünste waren ja bestenfalls miserabel zu nennen…  aber was hatte ich zu verlieren? Auf einen Versuch konnte ich es ruhig ankommen lassen, solange ich in der Nähe des Bootes blieb. Also entkleidete ich mich bis auf den Lendenschutz, hielt mir die Nase zu und sprang ebenfalls ins Wasser. Es spritzte, als ich klatschend ins Wasser eintauchte und verzweifelt mit Armen und Beinen ruderte, um nach unten zu kommen.  Ich mühte mich redlich, aber ich schaffte es einfach nicht, mehr als meinen Kopf unter Wasser zu bekommen, während mein Hintern wie bei einer gründelnden Ente über das Wasser ragte, geschweige denn in 10 Schritt tiefe zu tauchen. Nachdem ich dann auch noch salziges Wasser geschluckt hatte und husten musste gab ich enttäuscht auf.  Für mich würde wohl kein Teil des Schatzes abfallen dachte ich, während ich erschöpft an Deck lag…

 

Nachdenklich musterte ich, was die anderen nach und nach so herauf tauchten. Und in der Abendsonne konnten sie ihre Schätze zählen, während ich nichts vorzuweisen hatte.  Nun ja, dachte ich bei mir, die 50 Silbertaler für ein wenig Bootfahren und schwimmen gehen sind auch nicht schlecht. Leider erfüllte die Ausbeute anscheinend nicht die hohen Erwartungen der Anderen. Ihre Laune war nicht eben die beste, und als ich Bakkalurion nach dem versprochenen Lohn fragte wollte der Lump doch tatsächlich nichts mehr von unserer Vereinbarung wissen. Zu allem Überfluss warfen mir die anderen beiden Halsabschneider auch noch ziemlich misstrauische Blicke zu. „Ich habe keinen Taler gesehen. Der Kerl hat das Kistchen bestimmt doch gefunden und ausgeräumt,“ meinte Luske in meine Richtung. „Durchsuchen wir ihn doch!“. So wie die Dinge sich zu entwickeln schienen wollten die beiden Strolche sich auch noch an meinen Habseligkeiten schadlos halten. Bakkalurion unternahm immerhin den Versuch zu vermitteln, wurde aber fast sofort von Luske unterbrochen. „Na gut du Narr, dann springst du eben gleich mit über die Klinge. Dein Boot können wir gut gebrauchen.“ So fanden sich also Bakkalurion, der ebenso überrascht schien wie ich, und meine Wenigkeit den anderen Beiden gegenüber, das alles auch noch auf dem recht beengten Raum des Segelbootes. Bakalurion wehrte sich mit einem Dolch gegen Telisar, der einen Belegnagel schwang, während ich es mit Luske und seinem Entermesser aufnehmen musste. Da konnte ich mir keine falsche Bescheidenheit erlauben und auch kein Zaudern. Den Kampf eröffnete ich mit einem schnellen Blitz dich Find um Luske etwas von seiner Gefährlichkeit zu nehmen. Bakkalurion und Telisar waren sich quasi ebenbürtig und hielten sich im Kampf die Waage. Der geblendete Luske fuchtelte wild mit seinem Entermesser vor mir herum, war aber anscheinend ausreichend irritiert um mir nur selten gefährlich zu werden. Trotzdem ging ich kein Risiko ein und schleuderte ihm zwei Fulminicti um die Ohren, die ihn an den Rand des Zusammenbruchs brachten, auch wenn sie mich ordentlich Kraft kosteten.  Den Rest bewältigte ich dann mit 2 glücklichen Schlägen meines Stabes und der Hund brach vor mir in die Knie. Leider war es noch nicht vorbei, den Bakkalurion und Telisar hatten sich gegenseitig schon kräftig verletzt, auch wenn Bakkalurion dabei den Kürzeren zu ziehen schien. Im letzten Augenblick gelang es mir, ihn aus dem gröbsten heraus zu hauen. Von meinem Auftreten anscheinend irritiert rammte sich Telisar dann am Ende sogar seinen eigenen Belegnagel ins Bein als das Boot einmal besonders starkschwankte und ging dann schreiend über Bord. Das war knapp gewesen. Bakkalurion war kaum noch in der Lage das Boot zu steuern so dass wir die Nacht auf dem Selbigen verbringen mussten bis er wieder etwas zu Kräften gekommen war, aber wir hatten die ruchlosen Kerle überwunden. Die würden niemanden mehr überfallen oder hintergehen. Im Morgenrauen steuerten wir dann zurück nach Rethis, wo wir die Halunken ablieferten. Die Lust darauf in weiteren Kneipen oder Tavernen nach Hinweisen zu suchen war mir dadurch aber ordentlich vergangen.

 

Auf der anderen Seite war ich dankbar, diese erste Konfrontation auf den Zyklopeninseln so glimpflich überstanden zu haben, dass ich mich sogar dazu herablies einem der Bettler eine Münze in seine Schale zu werfen. „Meinen ergebensten Dank“ rief dieser überrascht aus, nachdem er das Geldstück mit den wenigen Zähnen die er noch hatte prüfte. „Mögen die Zwölfgötter immer mit Euch sein. Und hütet Euch vor den Soldaten des Seekönigs. Sie zwingen Fremde in seine Dienste, denn er braucht im Kampf gegen die Schmuggler und Piraten aus dem Norden jeden Mann.“ Dann stand er unbeholfen auf, stützte sich auf seinen Stock  und verschwand in einer Seitengasse. Aber auch um meine eigenen Bedürfnisse würde ich mich kümmern müssen. Mein Magen knurrte! Aber für eine Taverne war mir das verbliebene Geld zu schade. Ich fand eine holprige Straße hinunter einen Händler, bei dem ich hoffte mich günstig versorgen zu können. Abu Daq, offensichtlich ein Fremdländer hier, hatte im Kellergeschoss eines windschiefen Eckhauses seinen Laden eingerichtet. Neben Proviant fand sich dort allerlei Kram, wie man ihn für längere Reisen brauchte. Von Kleidung über einfache Waffen und Rüstungen, Decken, Seile, Fackeln und dergleichen konnte man, wenn man natürlich das nötige Geld besaß, hier einiges nützliche finden. Leider musste ich mich auf ein wenig Essen und billigen Wein für den Tag begnügen. Der dickliche verschnitt eines Novadis mit seiner schwitzenden Stirnglatze zwinkerte mir als ich gerade gehen wollte sogar noch zu, ich solle mir doch noch seine „Spezialitäten“ ansehen. Grundsätzlich wäre das natürlich allein schon interessant um zu sehen, was der schäbige Krämer darunter verstand. Aber da ich mit meiner stetig schrumpfenden Barschaft so oder so keine Möglichkeit hatte mir etwas davon zu kaufen, egal um was es sich dabei handeln mochte, winkte ich dankend ab und ging meiner Wege. Dieser Zustand war deprimierend! Vielleicht würden mir ja die örtlichen Praioten unter die Arme greifen? Immerhin war ich im Auftrag ihres Herrn unterwegs, da wäre ja wohl ein bisschen Unterstützung nicht Zuviel verlangt.

 

Daher war der Praiostempel von Rethis meine nächste Anlaufstelle. Dieser war kreisrund und stand auf einem kleinen Hügel etwas außerhalb der Stadt. Als ich Einlass begehrte und dabei den Namen Horas, des obersten Geweihten von Neetha erwähnte, führte man mich direkt zum örtlichen Tempelvorsteher, der sich mir als Palmidros vorstellte. Ich erzählte ihm in groben Zügen von meiner Mission und sofort war der Gute Diener des Sonnengottes bereit mir zu helfen. Leider nur mit Worten statt klingender Münze, aber immerhin. „Großes Unheil zieht herauf. Meine Brüder haben mir berichtet, der unselige Kult des Gottes  ohne Namen stehe hier auf den Zyklopeninseln in voller Blüte. Irgendwo auf einer der westlichen Inseln befindet sich das Hauptquartier  dieses Kultes – von dort versuchen sie ihre Macht auf die ganzen Inseln auszudehnen. Sputet Euch, diese Söhne der Finsternis haben viele Spione und Agenten und schon mehrere Amulette in ihren Besitz gebracht. Selbst der Seekönig ist eine ihrer Marionetten. Er trägt ein Amulett, das ihr unbedingt in Euren Besitz bringen müsst. Aber entschuldigt meine Unhöflichkeit, ihr seid sicher hungrig. Meine Brüder werden uns ein Mahl bereiten. Seid so gut und nehmt meine Einladung an.“  Da war doch etwas faul… hatte nicht der Priester in Neetha extra sogar betont, dass außer ihm sonst niemand in diese Sache bisher eingeweiht war? Woher wusste dieser Priester hier also so genau Bescheid? Und sogar, das die Geweihten des Namenlosen mehrere Amulette besäßen? Das er wusste wo deren Hauptsitz war mochte ja noch angehen, sowas konnte sich ja herumsprechen. Aber das der Seekönig selbst ein Amulett besitzen sollte? Wir hatten uns gerade zu Tisch gesetzt, als ich ihn auf diese Dinge die mir gerade noch durch den Kopf gingen ansprach, worauf sein Blick ausdruckslos ins Leere ging. Diesen Gesichtsausdruck kannte ich! Was sollte das? Genau so sah ein Magus aus der sich auf eine schwere arkane Anstrengung konzentrierte! In einem Praiostempel? Ein Priester? Hier stimmte etwas nicht. Ich stieß meinen Stuhl zurück, riss verteidigend meinen Stab hoch und machte einen Schritt zurück. Der Kerl stieß eine Verwünschung aus und riss seinerseits einen Dolch unter den Schichten seiner Robe hervor, dann stürzte er sich auf mich.

 

Anscheinend war dieser Mann mehr Schauspieler oder ein ähnlich schmieriger Mime als Kämpfer. Mit seinem Dolch stocherte er ähnlich kompetent in der Gegend herum wie ich mit meinem Stab. Für einen Zuschauer, so wir denn welche gehabt hätten, wäre es wohl ein recht armseliger Anblick gewesen. Zu Anfang konnte ich mich noch recht gut erwehren, hatte ich doch mit meinen Stab eine deutlich größere Reichweite als der Stecher mit seinem Dölchlein. Es gelang mir sogar gelegentlich, einen leichten Treffer zu landen, aber ein Stab ist nun einmal kein Zweihänder und das beeindruckte den falschen Geweihten nicht wirklich. Ich begann ins Hintertreffen zu geraten, als mir der Platz zum Zurückweichen ausging. Dahin war es mit meinem Reichweitenvorteil, und bald stand der schwitzende und nach saurem Wein aus dem Mund riechende Bursche vor mir, den Dolch immer wieder nach mir stoßend. Mir blieb keine andere Wahl, auch wenn ich Angst hatte hier im Tempel würde es überhaupt nicht gehen. Mit einem zwischen zusammengepressten Zähnen hervorgezwungenen Fulminictus, der erstaunlicherweise gelang aber weit weniger kräftig ausfiel als mir lieb war, nötigte ich dem Mann ein gequältes stöhnen ab. Dann war dieser Tempel hier zumindest nicht mehr ganz so heilig, wie ich angenommen hatte! Da ich bereits aus zwei Schnitten blutete und noch eine dritte Verletzung hinnehmen musste nahm ich noch einmal meine Konzentration zusammen, und der zweite Fulminictus streckte den Möchtegernpriester zu Boden. Meine Überraschung war groß, als sich vor meinen Augen die Erscheinung des Praiospriesters wandelte und auf einmal ein kahlköpfiger Kerl mit langem schwarzen Bart vor mir lag. Waren die hier schon sooo weit unterwandert? Kein Wunder, dass der Tempel anscheinend nicht mehr geweiht war und auf seinem Boden sogar Magie funktionierte. Ich durchsuchte rasch das Gewand des falschen Geweihten und förderte tatsächlich ein golden schimmerndes, rundes Amulett zutage auf dem in feinen Linien eine Löwin eingraviert war. Das musste das Amulett der Rondra sein! Mein erster Fund! Ich war so stolz auf mich! Als ich es an mich nahm spürte ich, wie mich der Mut der Leuin und ihre Stärke durchflutete. Wahrlich, das war ein echter Schatz. Ich meinte sogar zu spüren, wie meine Bewegungen an Geschmeidigkeit gewannen, meine Reflexe etwas schneller wurden und ich den Stab etwas gekonnter schwang als sonst. Ich hieß einen der Diener kommen und nach kurzer Rücksprache und einer Durchsuchung des Tempels und seines Kellers fanden wir den echte Palmidros, der mir für seine Rettung ehrlich dankbar war, den ich aber nicht auch noch ins Vertrauen ziehen wollte nach der gerade gemachten Erfahrung. Dann kehrte ich nach Rethis zurück, jetzt sicher, auf der richtigen Spur zu sein und den Anfang gemacht zu haben.

 

Wieder befand ich mich im Hafen von Rethis. In einer Hafenstadt auf einer Insel einfach der natürliche Dreh- und Angelpunkt aller Geschehnisse. Es war später Abend und ich überlegte, wie ich weiter vorgehen sollte. Aber die Entscheidung wurde mir abgenommen. Als ich an einem dunklen Hauseingang vorbei kam huschte hinter mir plötzlich eine Gestalt aus dem Schatten. Ich wollte mich noch reaktionsschnell umwenden, war aber zu langsam und erhielt einen Schlag auf den Kopf, dann verlor ich das Bewusstsein. Kühle Morgenluft weckte mich wieder auf. Ich fasste mir stöhnend an den Hinterkopf, den nun eine große Beule zierte. Trotz meiner pochenden Kopfschmerzen wurde mir schnell bewusst was geschehen war. Die Soldaten des Seekönigs hatten mich gebrabackt. „Na, endlich aufgewacht?“ rief ein großgewachsener Offizier. „Wie geht es denn unseren neuen Rekruten?“ Ich sah mich um und stellte fest, dass ich mit einem Dutzend anderer an Bord eines unscheinbaren Seglers war, der gerade aus dem Hafen von Rethis auslief. Natürlich hätte ich mich jetzt so nah am Hafen einfach ins Wasser werfen können um zwischen den Fischerbooten zu verschwinden, aber ich erinnerte mich noch an meine letzten mäßig begeisternden Schwimmversuche. Und um mich auf einen schnellen Transversalis zu konzentrieren waren meine Kopfschmerzen jetzt einfach zu stark. So musste ich der Dinge harren die da kommen mochten.

 

Schon wenige Stunden später erreichten wir die Südküste von Mylamas, einer der kleineren Inseln. Unterwegs hatte uns der Kapitän instruiert, dass es gegen eine Bande Schmuggler gehen sollte, die für die Ebbe in des Seekönigs Staatskasse verantwortlich seien. Ein Spitzel hatte das Schmugglerlager entdeckt, das nun ausgehoben werden sollte. Da aber die Seesoldaten des Königs bekannt wie bunte Hunde seien, sollten wir als zwangsverpflichtete Rekruten helfen. Wir ankerten in einer kleinen Bucht. Der Kapitän schickte fünf Mann, darunter auch mich, zu einer Höhle in der Steilküste, die sich etwa 30 Schritt über dem Meeressspiegel befand. Als ich mit den anderen armen Kerlen in die Höhle eindrang überraschten wir drei schlafende Schmuggler. Zwei davon griffen zu ihren Waffen, der dritte flüchtete in den hinteren Teil der Höhle. Während sich die 4 anderen der offensichtlichen Bedrohung durch die bewaffneten zuwandten setzte ich dem Flüchtenden nach. Allerdings war der plötzlich im Halbdunkel der Höhle, das meine Sicht doch stark behinderte, verschwunden. Ich ging vorsichtig ein Stück weiter bis ich von oben einen schwachen Lichtschein sah, aber gleichzeitig unter meinen Füßen einen hohlen Ton vernahm. Leiter oder Falltür? Ich entschied mich für letztere. Wenn der Kerl nach oben wäre müsste ich gegen das Licht eigentlich seine Bewegung oder zumindest einen Schatten sehen, aber da war nichts. Unter mir begann eine steile, in den Fels gehauene Treppe. Die Falltür lies ich offen stehen, man konnte ja nicht wissen ob nicht doch ein schneller Rückzug vonnöten wäre, und stieg hinab. Trotz aller Vorsicht übersah ich das straff gespannte Seil in der Dunkelheit. Phex verdamm meine schwachen Augen! Ich stolperte und stieß mir an der Wand leicht die Schulter an, wobei ich ob des Schmerzes einen Fluch unterdrücken musste. Trotzdem holte ich den geflohenen Schmuggler zwei Biegungen weiter ein. Anscheinend hatte er sich mit etwas aufgehalten, war gar abgelenkt weil er am Boden herumnestelte. Noch eine Falle? Das war mir jetzt egal. Der Kerl hatte in seiner Eile anscheinend keine Waffe zu greifen bekommen und nur einen Dolch im Gürtel, also versuchte ich mein Glück erst einmal mit dem Stab. Ich spürte wie die Macht Rondras mich durchströmte und mein Geschickt mit der Waffe förderte. Ein Hieb zur Überraschung, dann noch einer. Das hatte gesessen! Der Kerl riss den Dolch vom Gürtel, stand auf um sich zu stellen, während ich weiter auf ihn Einschlug. Dank meines Stabes war ich außerhalb seiner kurzen Reichweite mit dem Dolch. Zwar war ich selbst mit Rondras Hilfe noch kein begnadeter Kämpfer und das Gefecht  war zäh und langwierig, aber am Ende triumphierte ich durch die Gnade der kriegerischen Leuin und der längeren Reichweite meines Stabes, diesmal sogar ohne auf Zauberei angewiesen sein zu müssen und hatte dabei nur ein paar Kratzer abbekommen. Ich war regelrecht euphorisch! Es wäre wunderbar, dieses eine Amulett behalten zu können! Verdammter Schwur…

 

Am Ende der Treppe bot sich mir als ich weiterging ein imposanter Anblick. Ich stand in einer geräumigen Höhle die von Fackeln erleuchtet wurde. Überall um mich herum sah ich Waren aufgetürmt. Fässer, Stoffballen und Kisten. Vor mir befand sich ein Anlegesteg, dennn der größte Teil der Höhle stand unter Wasser und hatte eine direkte Verbindung zum offenen Meer, wo ich auf dem Wasser ein Segelboot davonstaken sah in dem sich drei Männer befanden. Was für ein grandioses Versteck. Kein Wunder das diese Schmuggler bisher so schwer zu finden waren.  Aber wenn ich schon einmal allein hier war ohne Aufpasser… ein kurzer Blick konnte sicher nicht schaden, im Gegenteil… meine Kasse war immer noch recht leer. Und eine Chance die drei einzuholen hatte ich ohne Boot eh nicht. Also begann ich eilig das Schmuggelgut in Augenschein zu nehmen. Ich richtete mein Augenmerk zuerst auf die Kisten, da die Fässer „nur“ Branntwein zu enthalten schienen. Stoffballen, edle Tuche und Perlmutt interessierten mich aber nicht. Wo hatten diese Schurken die wahren Schätze versteckt? Die Kisten beinhalteten verschiedenste Waren. Getrockneter Fisch, Gewürze und andere Lebensmittel. Dann fand ich eine Kiste mit kleinen Götzenstatuen. Es wurde langsam wärmer. Und dann fand ich es. Eine Kiste war gefüllt mit Schmuck und Geschmeide, darunter auch ein kleiner Lederbeutel. Als ich dessen Inhalt auf meine Handfläche schüttete konnte ich mein Glück kaum fassen. Zwei der von mir gesuchten Amulette purzelten heraus, eines mit einem Delfin darauf, eines mit dem eingeprägten Storch und Ähren. Efferd und Peraine, die Zwölfe seien gepriesen! Ich überlegte kurz, ob ich mich auch an dem Schmuck schadlos halten sollte, entschied mich aber dagegen. Das wäre vielleicht doch zu auffällig, falls die Soldaten auf die Idee kommen sollten mich am Ende unseres Einsatzes zu durchsuchen. Nur ein paar Münzen für die Reisekasse. Und die Amulette hingegen mochten noch als persönliche Gegenstände eines Gläubigen durchgehen, von denen wusste hier ja außer mir niemand. Bedauernd ließ ich meine Hand noch einmal durch die Kiste gleiten, bevor ich zurück zu meinem „Vorgesetzten“ eilte. Da wäre noch mehr drin gewesen, aber Gier war ja bekanntlich des Zwergen Tot… Ich simulierte ein wenig Anstrengung und berichtete atemlos von den Vorkommnissen im Schlupfwinkel, als auch schon ein Posten angerannt kam, den der Kapitän aufgestellt hatte. Ein kleiner Segler versuchte mit West-Kurs zu entkommen, berichtete dieser. Unverzüglich wurde uns die Verfolgung befohlen und wir setzten Segel. Da Schmugglerschiff war schnell und konnte seinen Vorsprung in der Meerenge zwischen Mylamas und Baltrea sogar vergrößern. Dann verschwand sein Segel am Horizont und Richtung der Vulkaninsel Kutaki, auf die der Kapitän zuhalten ließ. Gegen Abend tauchte der Vulkankegel auf über dem eine große Rauchwolke stand. Ein Zeichen Ingerimms an mich oder der Zorn des Gottes? Die meisten der Soldaten sahen es als böses Omen an, denn der Vulkan war nie ganz erloschen. Aber dem ehrgeizigen Kapitän war das einerlei und er befahl die Insel zu umrunden. Nördlich von kutaki geschah dann tatsächlich das Unwahrscheinliche. Der Vulkan brach tatsächlich aus! Junasia wäre sicher begeistert gewesen. Ich hingegen fand das weniger wunderbar. Asche und Gesteinsbrocken wurden hoch in den Himmel geschleudert, auch wenn wir glücklicherweise schon ein gutes Stück entfernt waren und die direkten Auswirkungen nicht zu spüren bekamen. Viel schlimmer war aber das einhergehende Seebeben und die mehrere Schritt hohe Flutwelle, die auf unser kleines Schiff zuraste.

 

Verzweifelt versuchte ich mich irgendwo festzuhalten, aber die Wassermassen spülten mich mit Gewalt von unserem nun kieloben treibenden Boot fort. War das Efferds Dank dafür, dass ich sein Amulett gerettet hatte? Ich bekam gerade noch ein Ruder zu fassen, an das ich mich verzweifelt klammerte. Meine Chancen die anbrechende Nacht zu überstehen waren wohl eher gering. Ich begann mit sachten Bewegungen Wasser zu treten, nachdem ich mich von meiner schwerer und schwerer werdenden Robe getrennt hatte. Das, so hoffte ich zumindest, mochte mir ein wenig Zeit kaufen bis ich in Efferds nasses Grab eingehen würde. Im Dunkel verlor ich langsam mein Gefühl für die Zeit, war ich doch im Wesentlichen darauf konzentriert, dass mein langsam auskühlender Körper nicht unterging. Nur gelegentlich erlaubte ich mir einen Blick zu den Sternen um die Zeit zu schätzen. Es mochten an die 5 Stunden vergangen sein. Und ich konnte es kaum glauben! Durch das finstere Wasser glitt ein Schiff auf mich zu. Ich schrie mir die Lunge aus dem Leib, ansonsten hätten sie mich im Dunkel wohl sicher übersehen. Erst im letzten Augenblick gewahrte ich die Drachenfratze, die den Bug zierte. Erst hatte ich gedacht Glück im Unglück zu haben, aber da war ich mir jetzt nicht mehr so sicher. Ein Thorwaler Langboot! Piraten aus dem Norden! Wenn diese Barbaren erkennen würden woher ich kam war es aus mit mir. Man fischte mich wie einen Hering aus dem Wasser, und unversehens befand ich mich in der Gesellschaft von gut zwei Dutzend verwegen aussehenden Nordländern . Ihr Anführer, ein Kerl mit Zöpfen wie ein Weib im Haupthaar und Bart drückte mich im Dunkel freundschaftlich brutal an die Brust. „Glück gehabt mein Freund! Das ausgerechnet wir hier dein Leben retten… als Gegenleistung wirst Du uns die Küstendörfer nennen, wo wir am meisten Beute machen können.“ Bei der rauen Liebkosung fiel mir sofort das Amulett auf, das der Bursche um den Hals trug. Praios! Wie konnte es ein Pirat wagen, ein Praiosamulett zu tragen? Aber blieb mir eine Wahl. Wohl oder übel richtete ich mich darauf ein diesem kleinen Raubzug beizuwohnen, weg konnte ich ja nicht. Drei Tage lang machten wir die Küste von Putras unsicher, wobei ich vermied mich in das Rauben und Plündern einzumischen und damit begnügte auf die Ortschaften an der Küste hinzuweisen, die ich von meinem letzten Besuch auf den Zyklopeninseln kannte. Immerhin schien man mir das soweit abzunehmen – diese Thorwaler konnten wirklich einen Zyklopäer nicht von einem AlAnfaner unterscheiden – dass ich keine weiteren Schwierigkeiten hatte. Dann setzten wir Kurs auf Phrygaios, wo es weiter gehen sollte bis der Frachtraum voll wäre. Und ich hatte mich soweit von all den Strapazen erholt, dass ich auch wieder an Flucht denken konnte. Phrygaios, die südlichste der Zyklopeninseln ist nicht nur reich. Sie ist auch gefährlich, zumindest wenn man sich nicht in den Gewässern auskannte. Untiefen, Klippen, Riffe und Strudel vor der Insel wurden schon vielen Schiffen zum Verhängnis. Mir war das durchaus bekannt von meinem letzten Aufenthalt auf den Zyklopeninseln, DeVeCa hatte uns ein wenig davon erzählt als wir die Seekarten der Region betrachtet hatten. Die Thorwaler hingegen mochten zwar gute Seeleute sein, gingen hier aber recht unbedarft vor. Vielleicht waren diese Barbaren von ihren erfolgreichen Beutezügen verblendet, wollte doch der Anführer bei schwerem Seegang eine Bucht der Insel anlaufen. Ich bestärkte ihn bei dem Vorhaben, witterte ich doch eine Chance zur Flucht. Und so kam es, wie es kommen musste: Das Langboot lief auf Grund und wurde von den Brechern zerschlagen. Die Küste war nur gut 300 Schritt entfernt, die ich mit Not und Mühe überwand, auch wenn ich dabei reichlich Salzwasser schluckte. Kaum hatte ich den Strand erreicht und hatte etwas Luft schnappen können, sah ich den wütenden Nordmann auf mich zukommen. Mit einem wutentbrannten „Du Hund, hast uns ins Verderben geführt!“  begann er mit gezogenem Wurfbeil auf mich zuzustürmen. Angesichts dieses wütenden Berserkers wollte ich kein Risiko eingehen, im Nahkampf wäre ich ihm wohl hoffnungslos unterlegen. Noch während er durch den Sand des Strandes anrannte konzentrierte ich mich. Fulminictus! Noch einmal, Fulminictus! Mit dem Stab verteidigt, Treffer kassiert, Blitz Dich Find! Autsch! Nochmal, autsch! Fulminictus! Dann lag der Kerl röchelnd am Boden und ich gab ihm mit meinem Dolch den Rest. Zähe Kerle, diese Thorwaler, das hatte mich ordentlich Kraft gekostet. Aber den hatte ich zu seinem Plattfischgott geschickt. Ich nahm mir die Zeit und rastete erst einmal die nächsten Stunden am Rande des Strandes.

 

Zuerst kümmerte ich mich mit einigen Stofffetzen um die blutenden Wunden, die vom Salzwasser brannten das noch aus meiner Kleidung tropfte. Ich bin sicher, Azinajida oder Jazinda hätten das besser gekonnt als ich, aber auch so musste es reichen. Dann nahm ich sein Amulett an mich und selbiges näher in Augenschein. Praios. Ich lächelte und steckte es ein. Da würden sich die Priester in Neetha, selbst falls ich nicht alle finden sollte, wohl besonders freuen. Nach der Rast untersuchte ich die Umgebung. Von der Bucht führte ein schmaler Pfad weg vom Meer zwischen grasbewachsenen Sanddünen hindurch in ein Kiefernwäldchen. Nach einigen hundert Schritt wurde das Wäldchen dichter, ungewöhnlich für die hiesige Vegetation, die ja sonst eher licht war. Dort, zwischen den Stämmen, sah ich eine riedgedeckte Hütte. Hier mochte man einem Schiffbrüchigen wie mir sicher gern helfen. Froh endlich wieder auf vernünftige Menschen, oder zumindest vielleicht einen einfachen Hirten zu treffen, ging ich auf die Tür zu um anzuklopfen. Das gebührte schließlich die Höflichkeit.

 

Als ich vor der Tür stand und gerade zum freundlichen Klopfen ansetzen wollte vernahm ich von drinnen laute Stimmen. Ein Streit schien im Gange. Vielleicht machte seine Alte dem Hirten gerade die Niederhöllen heiß? Augenblicke später wurde die Tür aufgerissen,  und es war mehr ein Reflex als eine bewusste Reaktion der mich dazu brachte mich mit einem blitzschnellen Sprung hinter einem dicken Baum in Deckung zu bringen. Zwei Männer, und sie sahen nicht aus wie Hirten, zerrten ein sich heftig sträubendes Mädchen aus der Hütte. Ein bärtiger, kahlköpfiger Bursche (AHA! Diesmal wusste ich Bescheid!) und ein buntgekleideter Geck, von dem ich glaubte ihn schon einmal in Rethis gesehen zu haben. Aus meinem Versteck heraus konzentrierte ich mich, lies mir Zeit und nahm noch einmal meine Kraft zusammen. Mit einem donnernden: Fulminictus auf den Lippen trat ich den beiden in den Weg und lies die Macht meines Zaubers auf den Geck hernieder fahren der einen Rapier trug und mir der gefährlichere Schien. Mit einem Schmerzensschrei auf den Lippen nahm der feige Hund reis aus, während mir der Schweiß auf die Stirn trat. Das war einfach zu viel nach dem Thorwaler, meine Kraft war nahezu erschöpft. Zumindest musste ich mich nun nur dem Geweihten stellen, der immer noch versuchte mit einer Hand das zappelnde Mädel unter Kontrolle zu halten und mit der anderen einen Dolch zog. Rondra hilf, immerhin würde ich auch Dein Amulett retten! Und war nicht die Rettung einer holden Maid aus Not eine heldenhafte Tat in deinen Augen? Ich stellte mich mit dem Stab in der Hand dem namenlosen Schurken. Drei Dinge, davon war ich am Ende überzeugt, schenkten mir den Sieg in diesem Kampf. Zum einen die Herrin Rondra, die mein Stoßgebet wohl erhörte hatte, denn zumindest stellte ich mich diesmal weit weniger dämlich im Kampf an als ich es sonst tat. Dazu das strampelnde Mädel, das einen guten Teil der Aufmerksamkeit des Priesters band. Und nicht zuletzt meine höhere Reichweite und die Tatsache, dass mir hier nichts den Weg nach hinten versperrte, so dass ich immer wieder die Distanz zu meinen Gunsten nutzen konnte.  Nach dem fünften Treffer den ich dem Geweihten verpasste ohne das er mich nennenswert erwischen konnte, gab dieser Fersengeld, stieß mir dabei das Mädchen entgegen damit ich ihn wohl nicht verfolgen würde und rannte davon.

 

Ich hatte Kopfschmerzen, das war jedesmal so wenn ich den Born meiner arkanen Reserven fast vollständig aufgezehrt hatte. Trotzdem befreite ich erst einmal das junge Ding, das unter einem schweren Schock stand. „Rettet meinen Vater“ reif sie immer wieder. Als sie sich ein wenig beruhigt hatte erzählte sie mir unter Weinkrämpfen weitere Einzelheiten und langsam klärte sich das Bild. Sie hieß Amanda und war die Tochter des Leuchtturmwärters. Die Geweihten des Gottes ohne Namen hatte sie verschleppt und drohten sie zu foltern, um ihren Vater unter Druck zu setzen. Zum Gehen war sie noch zu schwach, und auch meine Kopfschmerzen rieten mir dazu, uns ein Lager zurecht zu machen und erst noch einmal zu ruhen, bevor ich weitergehen konnte. Zudem wurde es langsam Dunkel und eine weitere Konfrontation wollte ich jetzt gerade auch nicht unbedingt riskieren. Aber ich versprach ihr, am nächsten Morgen zu gehen und ihrem Vater zu helfen. Am Morgen fiel es mir schwer das Mädel zurück zu lassen, aber sie war wirklich ziemlich schwach, wohingegen ich mich schon deutlich erholter fühlte und sogar noch kurz meditierte um Kraft zu sammeln bevor ich ging. Das würde zwar meine physische Widerstandskraft in einer kommenden Konfrontation schwächen, aber die dabei entstehenden astralen Reserven mochte ich umso dringlicher brauchen. Der Weg war eindeutig zu erkennen und nicht schwer zu finden. Auf einer Landzunge erhob sich der Leuchtturm und ich ging geradewegs darauf zu. Als ich davor stand war ich von seinem baufälligen äußeren entsetzt. Ein Leuchtturm war eine wichtige Einrichtung der Daseinsvorsorge für Seeleute! Was für ein pflichtvergessener Leuchtturmwärter würde das Bauwerk so verkommen lassen! Eine Schande! Aber sei es drum, ich musste ihn ja trotzdem retten, das hatte ich versprochen. Angesichts der unangenehmen Überraschung die mich das letzte Mal erwartet hatte als ich an eine Tür klopfen wollte entschied ich mich diesmal für das Fenster, welches sich wenige Schritt über mir befand. Ich war zwar kein Moosaffe wie Azinajida, aber beim zweiten Versuch – beim ersten schürfte ich mir schmerzhaft das Knie auf – gelang es mir durch die Öffnung ins Innere zu klettern. Ich stand auf einer Wendeltreppe.  Von da wo ich stand konnte ich im unteren Teil des Turms nichts Besonderes sehen, daher stieg ich die Stufen hinauf und kam nach etwa 20 Schritt in die Höhe vor einer Tür an die nicht versperrt war. Sie öffnete sich in eine kreisförmige Kammer, bei einem runden Turm ja kein Wunder, die mit allerlei Inventar vollgestopft war, das ich so in einem Leuchtturm nicht erwartet hatte. Natürlich, die große Laterne schon, die brauchte man ja für das Leuchtfeuer. Aber die vielen Pülverchen und Flüssigkeiten in Phiolen, die Fläschchen und Glaskolben bestimmt nicht. An einem mit Kleinkram übersäten Tisch saß ein schrullig aussehender Mann mit wirrem langem Haar der an einer schwarzschimmernden Kugel herumhantierte. Er sah auf, verzog das Gesicht und schrie mich an „Aha, noch einer dieser Schurken! Und diesmal allein! Heizt ihm ein, Freunde!“ Ich riss meinen Stab hoch und sah mich hektisch um, erwartete ich doch einen Hinterhalt und von irgendwoher kräftige Burschen auf mich zu springen zu sehen.

 

Die Schranktür sprang auf und ein Besen mit einem Eimer, gefolgt von einem Staubwedel kamen auf mich zu, Kehrbleche als Schilde nutzend – und fielen vor mir zu Boden, während das Amulett der Hesinde heiß auf meiner Brust brannte. Der komische Kauz schrak sichtlich zusammen als seine Diener, ich nenne sie jetzt mangels besserer Alternativen Golems, leblos zusammenfielen. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, ich aber zugegebenermaßen auch nicht. Hesinde sei gepriesen für Deine Macht! Dann versuchte der Kauz sich mich mit allerlei magischen Gesten und Brimborium vom Leib zu halten, aber natürlich erkannte ich sofort, dass das alles nur gespielt war. Ein Scharlatan anscheinend, aber wie kam er dann an belebtes Putzgerät? Nun, diese Fragen mussten warten…Als ich dann, statt ihn anzugreifen, das Wort ergriff und ihn fragte ob er der Leuchtturmwärter sei dessen Töchterchen verschleppt worden war wurde er ganz kleinlaut und danach regelrecht reumütig als ich ihm berichtete, dass ich Amanda aus den Klauen der Geweihten des Gottes ohne Namen befreit hatte. Dann erzählte er mir sogar, ohne dass ich dies gewollt oder mich dafür interessiert hätte, von seinem Schicksal. Er, Wischwugul – was für ein bescheuerter Name! – sei früher Magier niederen Ranges gewesen, wäre aber aus den Kreisen der Zauberkundigen ausgeschlossen worden, weil er zu viel Zeit mit Alchimistischen Experimenten vertan hätte. Die Kollegen in den anderen Gilden waren da wirklich engstirnig, zum Glück durfte ich die Gnade genießen der schwarzen Zunft anzugehören. Die Einsamkeit hier im Leuchtturm sei ihm bei seiner Arbeit zugutegekommen, bis vor kurzem die bärtigen geweihten von ihm erfahren hätten. Sie hatten ihm ein Schwarzes Auge gebracht, mit dem er eine Reihe von Amuletten hätte aufspüren sollen, welche die Geweihten unbedingt in ihren Besitz bringen wollten. Unglücklicherweise sei es ihm trotz seiner bescheidenen magischen Fähigkeiten nicht gleich gelungen, in dem Schwarzen Auge ein Amulett zu erkennen. Erst heute hätte ihm die magische Kugel ein Bild gezeigt: einen großen, halbnackten Mann mit nur einem Auge mitten auf der Stirn. Das war dann wohl eindeutig ein Zyklop. Die Geweihten hätten ihm jedoch nicht geglaubt, seine Tochter entführt und ihn erpresst. Es beschämte ihn wohl zutiefst seine Hausgehilfen auf mich, den Retter seiner Tochter, gehetzt zu haben. Deswegen drängte er mir geradezu ein Geschenk auf. Eine Option, nämlich ihn selbst zum Schwiegervater zu bekommen, konnte ich von vornherein ausschließen. Die zwei Heiltränke die er mir anbot waren dann auf Grund der vergangenen Tage schon deutlich verlockender. Aber am meisten interessierte ich mich für die letzten Gegenstände die er mir offerierte. Drei Feuerwerkskörper wie sie die Alchymisten des Horasreichs als eifersüchtig gehütetes Berufsgeheimnis herzustellen wussten und dazu passende Luzifers um sie zu entzünden, also eine Art selbstentflammende Hölzer. Das war faszinierend. Wenn ich das hier erledigt hatte würde ich mich dem Studium dieser Objekte widmen müssen. Vielleicht konnte ich ja hinter das Geheimnis kommen und so etwas selbst in AlAnfa herstellen? Dann wäre ich ein gemachter Mann und würde damit sicher ungeheure Reichtümer verdienen! Ich nahm das Feuerwerk an mich, bevor ich mich nach Pailos aufmachte, wo hin mich Wischwugul mit dem Hinweis schickte, die Geweihten seien von dort gekommen.

 

Ein Schiff brachte mich von Phrygaios nach Teremon auf Pailos nachdem ich mich noch etwas erholt hatte. Da ich mich hier nicht übermäßig auskannte fragte ich einfach nach bärtigen Männern mit Glatzen, aber egal wen ich fragte, ich rief nur Ablehnung und Feindseligkeit hervor. Aber schließlich fand ich einen Straßenhändler, der meinte mir weiterhelfen zu können. Er brachte mich aus Teremon hinaus nach Norden, wo der Tempel des Gottes ohne Namen sein sollte. Ich war zwar vorsichtig, hatte ich doch gerade in letzter Zeit genug Bößartigkeiten dieser Kerle erlebt, aber trotzdem wurde ich übel überrascht. In einer Schlucht lauerten uns ein paar Straßenräuber auf. Zwar kein Hinterhalt der Priester, aber trotzdem…Während der Händler sich wie ein Wiesel absetzte blieb ich einen Augenblick zu lang verwundert stehen, als sich vor mir auch schon die Klingen kreuzten und ich vorerst gefangen war. Die Räuber schienen sich einen Spaß aus dem ganzen machen zu wollen statt mich direkt abzustechen, denn einer sagte: „Bursche, du sagst jetzt etwas, und wenn es wahr ist, was du sagst, dann schneiden wir dir die Kehle durch; wenn es aber nicht wahr ist, hängen wir dich auf!“ Dabei grinste mir die Bande höhnisch ins Gesicht, anscheinend hatten sie sich diesen Spaß schon mit mehreren Reisenden gemacht und erwarteten jetzt von mir, meine Todesart zu bestimmen. Ich muss wohl recht verdutzt dreingeschaut haben, weil die Grinser in ihren Gesichtern immer breiter wurden. Gerade wollte mir einer ungeduldig den Dolch an den Hals setzen, da huschte ein Lächeln über mein Lippen, was ihn dazu brachte selbst ein wenig verwirrt zurück zu treten. Erst ein leises, dann ein immer lauter werdendes Lachen entrang sich meiner Brust, bis ich mich vor Erheiterung kaum noch auf den Beinen halten konnte. Diese Narren! Ich hatte ja bei Magistra Sylidia wirklich nicht immer aufgepasst, aber das hier, so etwas Einfaches und simples! Die alte Dame hatte uns in der Philosophie unterrichtet. Manchmal war es wirklich schwer gewesen ihr zu folgen mit all dem theoretischen Geschwurbel. Aber eine der Sachen die ich behalten hatte fand ich doch genau hier, mitten auf diesen Inseln bei ein paar idiotischen Räubern wieder. Lügenparadoxon hatte sie das damals genannt. Ein Leitsatz, der seine eigene Falschheit behauptet. War der Satz selbst wahr, so folgte durch ihn selbst das er falsch sei und natürlich umgekehrt. Genau so war es hier. Also sagte ich: „Ihr werdet mich hängen,“ als ich mich wieder etwas beruhigt hatte. Hätten sie das jetzt nämlich getan, hätte ich die Wahrheit gesagt und sie müssten mir die Kehle aufschneiden. Aber würden sie genau das tun, hätte ich ja gelogen und müsste gehängt werden. Die verdutzten Gesichter der Räuber, die jetzt begannen zu überlegen wogen den Ärger fast schon wieder auf. Der mit dem Seil wurde von dem mit dem Dolch zurückgehalten, da der jeweils andere sein Werk tun wollte, aber wieder vom anderen aufgehalten wurde, da ja er an der Reihe sei. Als dem Anführer dämmerte, dass sie so keine ihrer Drohungen wahr machen konnten, ließen mich die Kerle tatsächlich ziehen, während sie miteinander diskutierten was da schief gelaufen war. Die logische Erklärung blieb ich ihnen schuldig, aber meine Stimmung war für den Rest des Weges tatsächlich die Allerbeste.

 

Am Ende des Weges stand ich vor einem unheimlichen Gebäude, das die Einheimischen den Tempel des Gottes ohne Namen nannten, wie mir der Händler beim Loslaufen noch erklärt hatte. Diese Zyklopäer… wenn sie doch schon wussten, dass es hier so etwas gibt, warum taten sie nichts dagegen? Faules Pack! Immer blieb alles an mir hängen… Dreizehn Stufen führten eine breite Treppe hinauf zu einer Säulenvorhalle. Ich stieg die Stufen empor, da ich niemanden sah. Jetzt wollte ich es wissen. Die Eingangshalle war gut 20 Schritt breit und 5 Schritt lang. Sie wurde von 4 Säulen gestützt, zwischen deren mittleren ein Portal in der Nordwand der Vorhalle in den Tempel führte. Dahinter führte ein L-förmiger Gang in Nord-Süd-Richtung, der ebenfalls beeindruckende 5 Schritt breit war. Mit großen Bauten hatten es diese Priester anscheinend. Nach einem Dutzend Schritt knickte der Gang nach Rahja ab, während sich mitten in der Efferdwand eine geschlossene Tür, eher ein Tor, von 3 Schritt breite befand. Ich öffnete erst die Tür, damit mir von dort nichts in den Rücken fallen konnte falls ich weitergehen musste. Aber ich versagte, das schwere Holzportal ließ sich einfach nicht öffnen. Nun gut, wenn es so verschlossen war mochte mir davon zumindest keine unmittelbare Gefahr drohen.  Um die Ecke am Ende des Ganges biegend stand ich unmittelbar vor einer etwa 2 Schritt hohen Statue. Ich blickte nach Osten und bemerkte an der Nordwand des Ganges noch zwei weitere Statuen in gleichmäßigen Abständen. Der Gang Maß hier bis zur Ostwand weitere 18 Schritt und hatte in der Südwand eine 2 Schritt breite Tür. Langsam näherten wir uns normalen Proportionen…

 

Die Tür ließ sich ohne Schwierigkeiten öffnen. Bei dem Raum schien es sich um den Schlaf- und Aufenthaltsraum der Geweihten zu handeln. Wände und Decke des Raums waren dunkel angestrichen und mit fünfzackigen Sternabbildungen verziert. Wie kitschig! Man könnte meinen, man sei in einem Heim für arbeitslose Nachwuchsbeschwörer…  An der Decke sah ich Bilder von Praiosscheibe und Madamal. Eine schwermütige Stimmung ging von diesem Zimmer aus. Orgien wurden hier wohl eher nicht gefeiert. Dann begannen die Muster in der Decke und der Wand zu pulsieren und setzten sich zu immer neuen Formen zusammen. Faszinierend. Fast könnte man meinen, diese Muster sollten einem gezielt den Geist verwirren, aber gegen einen gestählten Intellekt und Willen wie den meinen blieb das natürlich ohne Erfolg. Vor meinen Augen setzten sich die Formen und Farben zu Worten zusammen. „Hüte Dich vor Holz und Kristall, Geweihter.“  Das war dann wohl als Hinweis zu deuten, daher ging ich zurück in den Gang zu den Statuen. Diese waren tatsächlich aus Holz an der Nordwand, in der Mitte aus Obsidian und rechterhand aus Kristall wie ich nach einer schnellen Untersuchung herausfand. Das war ja regelrecht einfach… Die Figuren waren undefinierbar menschenähnlich aber mit Köpfen mythischer Wesen versehen. Alle Statuen hatten den Arm ausgestreckt und schienen auf ihrem Sockel drehbar gelagert zu sein. Nun ja, ich wusste ja was zu tun war und packte die Obsidianstatue am Arm. Eine kurze Drehung, und schon zeigte sich in der Nordwand vor mir ein Spalt, der sich zu einem Durchgang verbreiterte. Dahinter befand sich ein leerstehender Raum von 10 auf 7 Schritt. Unheimlich waren da schon eher  die purpurfarbenen Wände und der schwarze Boden, der von drei glimmenden Kohlebecken erhellt wurde. Zwei Türen waren in dem halbdunkel auszumachen, eine im Osten, eine im Westen.

 

Meine Entscheidung fiel auf die östliche Tür. Die Tür klemmte. Phexverdammt. Ich zog und zerrte an dem Holz, aber das Ding gab keinen Finger breit nach. Nach einigen erfolglosen Versuchen gab ich es auf und wandte mich der westlichen Tür zu. Diese war deutlich leichter zu öffnen und ich konnte einen Blick in einen luxuriös ausgestatteten Raum werfen, offenbar das Zimmer des höchsten Geweihten. Das für einen Wohnraum riesige Zimmer von sicher 70 Rechtschritt war anscheinend von einem Fluch des Namenlosen geschützt, denn die Amulette die ich bei mir trug wurden regelrecht kalt und der Mut der Herrin Rondra der mich bisher erfüllt hatte verlies mich schlagartig. Hier konnte ich wohl  auf keine karmale Hilfe hoffen. Lange Zeit darüber nachzudenken hatte ich allerdings nicht, da mich von der anderen Seite des Raums ein Knurren empfing. Dort stand ein Kerl mit Knüppel und einem wild aussehenden Hund an der Leine, den er gerade im Begriff war loszulassen. Ich riss die Hand zum Fulminictus hoch, und noch ehe der Köter zum Sprung ansetzen konnte sackte er bereits tot zu Boden. Der Wächter heulte auf, riss seinen Knüppel hoch und stürmte auf mich zu, während ich noch den Stab verteidigend in Vorhalte nahm. Um seinen wütenden Hieben etwas die Gefährlichkeit zu nehmen eröffnete ich nun unseren Schlagabtausch mit einem kleinen Blitz Dich find, der seine so schon nicht sonderlich genauen Hiebe noch ungezielter werden ließ. Dem folgte ein längeres Geplänkel mit dem Stab, aber nachdem ich doch zweimal leicht von seiner Keule getroffen worden war verging mir ernsthaft die Lust an dem Ganzen und ich beendete den Kampf mit einem erneuten Fulminictus. Viel Zeit meinen Triumph zu genießen blieb mir aber nicht, denn durch eine Tür in der Westwand vernahm, ich einen monotonen, vielkehligen Gesang. Vorsichtig öffnete ich die Tür, nur einen kleinen Spalt breit um hindurch zu spähen. Das erste was mir in die Augen fiel war eine große, kauernde Statue des Gottes ohne nahmen, ein ausgesprochen hässliches Ding.  Die Statue wurde von unten durch ein Feuer beleuchtet, in dessen Schein um den Hals der Statue fünf Amulette funkelten. So nah, und doch so fern… denn zwischen mir und den Amuletten befanden sich 10 bärtige, kahlgeschorene Männer in Purpurroben, die gerade eine Messe hielten die jedem anderen Gott Deres spotten würde. Ich war sowas von angewidert! Die meisten dieser Männer waren unbewaffnet, lediglich 3 huldigten dem Götzen mit Opferdolchen. Aber allein die schiere Masse an Gegnern würde mir auch so binnen kürzester Zeit den Gar ausmachen. Ein Frontalangriff kam gar nicht in Frage, ein Plan musste her. Aber welcher? Die wahrhaft zündende Idee kam mir beim Durchsehen meiner wenigen vorhandenen Habseligkeiten. Besiegen würde ich die Kerle wohl kaum, aber vielleicht konnte ich sie ablenken um ungesehen an die Amulette zu kommen und dann schnell zu verschwinden!  Ich hatte ja noch das Feuerwerk des wirren Leuchtturmwärters! Ich kauerte mich hin, brachte alles in Position, zündete die kurzen Lunten an und machte mich bereit loszurennen.

 

Es zischte und qualmte. Die alchimistischen Pülverchen brannten ab und ergossen eine Kaskade aus Funken über die verdutzten Geweihten. Warum sie so reagierten wie sie es taten war mir unklar, vielleicht hielten sie das unerwartete Spektakel für den Unwillen und Zorn ihres Götzen. Dichter Rauch erfüllte die Halle und verbarg die Statue vor meinen Blicken. Mit so viel Effekt hatte ich nicht gerechnet, da würde der Alchimist wohl noch an seiner Formel arbeiten müssen. Das hätte viel mehr leuchten und weniger rauchen sollen! Damit konnte doch niemand etwas anfangen! Die Priester rannten jedenfalls recht panisch auf eine große Tür in der Ostwand der Halle zu, während ich aus meinem Versteck schlüpfte und mich zur Statue hinüber tastete.  An der Statue angekommen musste ich mit aller Kraft an den Amuletten zerren, denn irgendeine seltsame Kraft hielt sie wie festgeklebt an der Statue. Nachdem ich mehrmals kräftig an den Stücken gerissen hatte konnte ich auch das letzte vom Hals des Götzen lösen und verließ den unheimlichen Tempel mit meiner so wichtigen Beute. Ingerimm, Tsa, Travia, Boron und Firun hatte ich also auch retten können. Der Rückweg nach Teremon war da fast schon ein Kinderspiel.

 

Ich war mittlerweile doch recht erfolgreich, viele Amulette fehlten gar nicht mehr. Eigentlich hätte ich jetzt auch zurückgehen und mir die versprochene Belohnung aushändigen lassen können, aber es fühlte sich einfach noch nicht so an als hätte ich meine Aufgabe wirklich erledigt. Daher begann ich in Teremon wieder Augen und Ohren offen zu halten und schwor mir, diesmal vorsichtiger zu sein. Ich will gar nicht die unzähligen Gerüchte und das Geschwätz aufzählen, dass man mir hier erzählte. Einiges davon wusste ich schon – böse Geweihte, Seekönig, Schmugler und so – anderes war Schlicht unglaubwürdig, aber am Ende lies ich mich nach Phenos übersetzen. Die Passage auf dem kleinen Segler musste ich mir mit Heilerdiensten verdienen, da mein Vorrat an Geld mittlerweile ziemlich aufgebraucht war. Der Alchimist hatte ja gemeint, er hätte in dem schwarzen Auge Zyklopen gesehen, und von denen hatte mir eine geschwätzige Frau auf dem Markt erzählt würde es dort welche geben. Man setze mich an der Südküste ab und ich begann meine Suche. Phenos war zwar nicht sehr groß, dafür aber zerklüftet und mit dichten Wäldern bedeckt. Mit anderen Worten, völlig unzugänglich. Es dauerte einige Zeit, ich musste sogar mehrmals im freien übernachten was aber dank der lauen Nächte kein Problem war, bis ich in einen seltsamen Wald gelangte. Die Stimmung die ich hier spürte war fast dieselbe, die ich auf der Lichtung der Faune bei meinem letzten Besuch auf den Zyklopeninseln gespürt hatte.  Die Bäume warfen eigenartige Schatten  und von Zeit zu Zeit erhaschte ich einen Blick auf mythisch anmutende Kreaturen. Geschöpfe halb Mensch halb Pferd, winzige Flugwesen die aussahen wie Blütenfeen, Hybriden aus Tier und Pflanze, sogar einen Menschen mit dem Haupt eines Stiers. Erwähnte ich schon einmal, dass ich dieses Feengesocks eigentlich gar nicht mochte? Viel zu flatterhaft und unberechenbar! Trotzdem bezauberte mich die Vielfalt und entrückende Stimmung, ich vergaß fast warum ich eigentlich hergekommen war, als plötzlich ein Einhorn angaloppiert kam das einen Wichtel auf seinem Rücken trug und kurz vor mir auf die Hinterhand stieg. „Was sucht ihr hier in unserem Wald?“ wollte das kleine Männchen wissen? Was sollte ich den kleinen Wicht anlügen? Ich antwortete wahrheitsgemäß „Die Amulette der Zwölfgötter.“

 

Der Wichtel schien ehrlich verblüfft zu sein. „Wie ich an Eurer Ausstrahlung erkenne besitzt ihr schon Amulette der Zwölfgötter, wollt ihr etwa noch mehr haben?“  Dabei stieß er einen schrillen Pfiff aus und aus einer Ruine am Waldrand kamen mit Riesenschritten zwei Zyklopen heran. „Holt sie euch doch von den Wächtern des Dryadenwaldes“ spöttelte der Wichtel. Auf einen Kampf konnte ich es da natürlich nicht ankommen lassen, die beiden Giganten würden mich binnen Herzschlägen zu Brei schlagen. Leider konnten die beiden auch schneller laufen als ich… noch während die Distanz zwischen uns rapide Abnahm konzentrierte ich mich und wusste, ich würde nur einen Versuch haben. Ich kreuzte die Arme vor der Brust, schloss kurz verzweifelt die Augen, nickte und rief „Transversalis“. Von einem Augenblick auf den anderen war ich mehrere hundert Schritt den Waldweg den ich hergekommen war zurück. In der Ferne konnte ich noch die beiden Riesen sehen, die sich suchend mit ihren kurzsichtigen Glubschaugen umsahen, mich aber nicht entdeckten. Dafür schien der Wichtel umso schärfere Sinne zu haben, denn er kam schon wieder auf dem Einhorn heran geritten. Diesmal sah er aber deutlich weniger grimmig aus. „Um der Götter willen“ entschuldigte er sich „ fast hätte ich einen fürchterlichen Fehler gemacht. Ich hatte doch wirklich angenommen ihr wärt ein Abgesandter des Bösen. Bitte entschuldigt meine Dummheit, aber auch ein Kobold kann sich mal irren. Wir hier im Dryadenwald müssen uns ständig gegen Eindringlinge wehren. Einst waren wir viele und lebten auf allen Inseln, aber nun sind wir dank der Habgier mächtiger Fürsten und Könige nur noch wenige. Hier auf Phenos sind die letzten Reste unserer alten Kultur zu finden und wir wollen nicht als Schaustücke auf Jahrmärkten enden oder zur Belustigung dekadenter Hofschranzen dienen. Wir werden nicht erlauben, dass unsere letzte Bastion zerstört wird.“ Damit übergab er mir, ich werde dieses Feenvolk nie verstehen, zwei Amulette von denen er erzählte, sie hätten sie einem kahlköpfigen Priester entrissen.  Mit Phex und Rahja war die Kette nun fast wieder vollständig.

 

Für mich war dies endgültig genug. Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit  trat ich die Rückfahrt nach Neetha an. Dort angekommen sprach ich wieder im Praiostempel vor, wo ich für meinen selbstlosen Einsatz für die Zwölfgötter und alle denkenden Wesen Aventuriens  von Hohepriester belobigt wurde. Das in aller Öffentlichkeit zu tun verkniff er sich aber auf Grund meines Berufsstandes. Eines war aber trotzdem gewiss: In die Chroniken des Tempels würde ich zumindest eingehen. Auch wenn es mir nicht gelungen war alle Teile der Kette zu finden, so hatte ich doch verhindert das der Gott ohne Namen die geballte Kraft des Artefakts für sich nutzen konnte um Einfluss über das Inselreich zu erhalten. Mehr noch, durch meine Informationen waren die genauen Absichten der Geweihten nun klar und die Praioti schworen Stein und Bein, Maßnahmen ergreifen zu wollen. Man händigte mir die versprochene Belohnung sowie meine eigene Habe aus. Immerhin 110 Dukaten war den Praioti meine Mühe wert.

 

 

 

Nachdem ich, ausgestattet mit der Belohnung die der Praioti mir ausgezahlt hatte und sogar seinem expliziten Segen und Dank den Tempel des Götterfürsten wieder verlassen und meine Habe wieder an mich genommen hatte, wäre es eigentlich an der Zeit gewesen direkt nach Bethana weiter zu fahren. Leider verzögerte sich mein Aufbruch aber noch weiter. Das Schiff, mit dem ich bis Neetha gekommen war, hatte die Reparaturen während meiner Abwesenheit abgeschlossen und war ohne auf mich zu warten direkt weitergefahren. Gut, das konnte man dem Kapitän nicht verdenken, auch er hatte seine Verpflichtungen einzuhalten und meine Abwesenheit war ja von unbestimmter Dauer gewesen. Aber bis die nächste, passende Reisemöglichkeit dann kam verging noch einmal etwas mehr als eine Woche. Nicht, dass es jetzt an Schiffen Richtung Bethana gemangelt hätte, da wären schon welche gewesen, aber ich wollte explizit mit einem Schiff der Garangors oder zumindest mit einem ihrer Kontraktanten die Fahrt fortsetzen. Außerdem tat mir die Erholung durchaus gut. Und eine Kleinigkeit wollte ich sowieso noch erledigen. Hatte ich als ich in Neetha angekommen war ja noch den Eindruck, Efferd hätte mir gezürnt, wusste ich es nun besser. Trotzdem, oder gerade deshalb, wollte ich den Zwölfen ihren Anteil am Erlös dieser Queste nicht vorenthalten. Ja mehr noch, ich dachte, die Gunst der Götter würde ich sicherlich die nächsten Wochen besonders benötigen, falls Azinajida mit ihren Nachforschungen Erfolg gehabt haben sollte. Denn was ich meinem Vater nicht gesagt hatte war, dass ich nicht nur nach Bethana ziehen wollte um meinem Patenkind die Ehre zu erweisen. In den letzten Monden war in mir die Überzeugung gereift, dass die Sicherheit des kleinen Victors nur gegeben sein würde, wenn es mir gelang dieses vermaledeite Gelichter von La Facia Seconda endgültig auszuschalten. Und das mochte durchaus etwas länger dauern, als nur ein kurzer Besuch. Wer konnte schon wissen, aus welchen Löchern ich diese Schlangen zerren musste? Die Zeit würde ich mir nehmen, und da kam mir sowohl das Gold der Praioti als auch der Segen der Götter durchaus zu pass.

 

Anstatt also nur den Zehnt an den Tempel der Hesinde abzuführen, wie ich es sonst tun würde, besuchte ich im Laufe der nächsten Tage alle sieben Tempel der Zwölfgötter, die es in Neetha gab. Nur den Tempel des Horas (was sollte das eigentlich für ein Gott sein?) ließ ich aus. In jedem der Tempel besuchte ich den Gottesdienst, dankte den Göttern für ihre Gnade, bat um Schutz und Segen für mich und die mir Anvertrauten, nahm mir die Zeit für stille Kontemplation und spendete in jedem der Häuser am Ende dann 5 Dukaten. Das schmälerte meinen Goldbeutel zwar beträchtlich, aber das war es mir Wert. Die Rieten in manchen der Tempeln waren für mich zum Teil recht befremdlich, insbesondre dort wo ich zum ersten Mal zu Gast war. Einen Rondratempel sah ich so zum ersten Mal von Innen und fühlte mich in meiner neu erworbenen Robe (den Ersatz für die im Wasser der Zyklopensee verlorene hatte ich mir gegönnt) wie ein Fremdkörper zwischen all den Bewaffneten. Auch einen Tsatempel hatte ich erst einmal besucht, als meine Schwester Liliana geboren wurde und Vater und Mutter dort zum Dank für das neue Leben ein Opfer gebracht hatten. Der Praiostempel, nun ja, da hatte hier ja alles seinen Anfang genommen. Und Hesinde und Phex waren mir dafür umso geläufiger. Der launische Efferd fand meine besondere Aufmerksamkeit, aber am meisten Freude machte mir der Besuch im Rahjatempel. Dort verbrachte ich sogar etwas mehr Zeit als nur einen Vormittag.

 

Die restliche Zeit die ich zu warten hatte sah ich mir nach und nach die Sehenswürdigkeiten der Stadt an. Die Thalionmelfurth, wo der Legende nach die Heilige sich allein einer ganzen Horde Novadis gestellt hatte. Heute fanden sich dort aber für meinen Geschmack zu viele Krämer die versuchten, die Pilger mit kleinen Devotionalien um ihr Gold zu bringen. Die Ordensburg der grauen Stäbe, in die man mich als Kollege, wenn auch von der falschen Ausrichtung, eintreten ließ, auch wenn ich mich vorher einer recht nervigen Befragung stellen musste. Ansonsten fand ich aber war Neetha eine wenig spektakuläre Stadt. Als ich endlich eine Passage nach Bethana fand war ich froh, weiterziehen zu könne. Wäre dieses Schiff nicht gekommen, ich hätte wohl aus lauter Ungeduld tatsächlich mit einer Kutsche den Landweg genommen.

 

 

 

Die weitere Fahrt nach Bethana verlief schon wieder durch die Ausläufer der Zyklopeninseln. Aber diesmal blieben wir von Sturm, Piraten und anderem Unbill verschont. Ich hatte mich bei Fabrizio nicht extra angekündigt, da ich ja selbst nicht wusste wann und mit welchem Schiff ich eintreffen würde. Aber das war kein Problem, denn ich kannte ja sowohl den Kontor als auch die Stadt und auch sein Heim mittlerweile gut genug um mich in Bethana zurecht zu finden. Die Zollformalitäten waren beim Lotsen der am Bord gekommen war schnell erledigt, hatte ich doch wenig Gepäck und keine Handelsware dabei, die der Erwähnung wert gewesen wäre. Als Grund meines Aufenthalts gab ich an auf Besuch bei einem Freund zu sein. Der Lotse der die Registrierung vornahm sah kurz von seinem Schreiben auf, mich an, zurück auf das Papier vor ihm wo mein Name stand und dann erhellte sich sein Gesicht. Offenbar hatte man mich in den letzten Monden nicht vergessen, mein Name hatte anscheinend immer noch einen guten Klang in der Stadt nach all den Ereignissen. Er hieß mich regelrecht überschwänglich willkommen zurück in Bethana, kürzte das ganze Prozedere sichtlich ab und wünschte mir einen angenehmen Aufenthalt. So freundlich hatte man mich noch selten irgendwo begrüßt und ich fühlte mich gleich wieder irgendwie wohl hier. Eine echte Vorfreude packte mich, als unser Schiff langsam auf den Kai zuglitt.

Dieser Eintrag wurde am 21.10.2018 (23:21) verfasst und 7656 mal aufgerufen.
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