Tagebuch von Victor Dondoya Lucisresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Im Rücken des Königs

Die nächste Reise traf mich, wenn auch völlig in meinem Sinne, doch etwas unerwartet. Also gut, nicht die Reise an sich, aber die Begleitumstände. Ich hatte ja sowieso geplant zum Tsatag meines Patenkindes Miguel-Victor nach Bethana zu fahren, nachdem Fabrizio meine Einladung um das Ereignis gemeinsam zu feiern aus dringenden geschäftlichen Gründen ablehnen musste. Als ich Vater und Mutter schon Anfang Firun davon in Kenntnis setzte, dass ich demnächst wieder eine Reise ins Liebliche Feld plante hatte Mutter schon so einen seltsamen, nachdenklichen Blick aufgesetzt. Warum, erfuhr ich kaum eine Woche später beim Frühstück. „Victor, dein Vater und ich haben beschlossen, dass es Zeit für einen Urlaub wird. Als Familie. Ich dachte mir, Bethana könnte im Frühjahr ganz nett sein.“ Dabei lächelte sie die ganze Zeit, während Liliana den Blick nach unten gewandt in sich hinein gluckste und Vater keine Mine verzog. „Wir haben Fabrizio und Esmeralda mit der letzten Fracht schon eine Nachricht geschickt, dass wir bald kommen werden. Mein lieber Gatte Armando hat über seinen Sekretär schon eine Passage im Tsa gebucht. Wir reisen natürlich standesgemäß. Falls Du keine Lust haben solltest dich wieder in irgendeine Koje zu zwängen und Dich alleine um Nandurin zu kümmern, kannst Du uns natürlich auch gerne begleiten.“ Dabei lächelte sie siegesgewiss, wohl wissend das ich das Angebot kaum ausschlagen konnte. Natürlich hatte sie für mich ebenfalls schon gebucht… Ich war überrascht, aber selbstverständlich erfreut. Die ganze Zeit hatte ich mir schon Gedanken gemacht, wann ich genau aufbrechen sollte, wie ich es mit Nandurin am besten machen könnte, welche Amme ich mitnehmen sollte. Und mit einem Mal zerschlugen sich all die Überlegungen aus heiterem Himmel. Kaum zu glauben! Ich dankte Aves für seine Pfade, die so wunderbar vor mir lagen.

Leider hatte Vater noch einiges für seine Abwesenheit zu regeln, was die nächsten Wochen nicht gerade entspannter für mich machte. Aber es war ja nicht seine erste längere Abwesenheit, seien es Geschäftsreisen oder Sommerfrischen. Seine Sekretäre kannten sich aus, der Majordomus hatte das Haus im Griff und die Geschäfte konnten, ja musste, auch einmal ein paar Wochen ohne die lenkende Hand unseres Familienpatrons auskommen. Und meine Halbgeschwister, die er in manchen Dingen in seinem Namen handeln lies besorgten den Rest.  So verging die Zeit bis zur Abreise wie im Flug. Am Tag vor der Abfahrt kam uns Visaria noch einmal besuchen. Liliana und sie hatten anscheinend noch einiges zu bereden, ich bekam aber nur wenig davon mit. Lediglich bei ihrer Abfahrt hörte ich noch so etwas wie „Und du hast ein Auge auf ihn, ja, nicht das er sich dort oben…“ den Rest verstand ich leider nicht, weil sie Köpfe zusammen steckten, aber sie sahen dabei in meine Richtung. Von mir verabschiedete sich die süße Visaria mit einem flüchtigen Lächeln und einer zarten Berührung ihrer Hand mit der meinen. Lag es daran, dass wir auf dem Hof unter der Beobachtung ihres Kutschers standen? Ich wusste es nicht. Ich hätte sie ja gern in meine Arme gezogen, an mich gedrückt oder ihr einen Kuss gegeben, zumindest war mir danach, aber vor dem Personal wäre so etwas unschicklich gewesen. Also fuhr sie, und ich stand wie ein belämmerter Novize im Hof, die kichernde Liliana neben mir. Was war eigentlich los mit mir? Ich hatte schon Orgien gefeiert (naja, nicht ganz freiwillig), bei denen Levthan selbst neidisch geworden wäre. Und hier stellte ich mich dermaßen unbeholfen an. Ärgerlich… das Problem musste ich angehen, wenn wir wieder da wären.

Mutter hatte mit Sicherheit darauf bestanden, und Vater war diesem Wunsch wohl gerne gefolgt. Auf jeden Fall war die Seereise nach Bethana diesmal deutlich komfortabler und schneller als meine letzten. Wir segelten im Tsa los, und auch wenn das Wetter durchwachsen war und wir auch einige stürmische Tage hatten, war die Reise durch unsere Kabinen und die zuvorkommende Behandlung der Diener recht angenehm. Auch  mussten wir nicht in jedem Hafen anhalten um Proviant und Wasser zu fassen oder Handelswaren zu kaufen oder verkaufen. Die Schivone mit der wir unterwegs waren, die „Prinzessin Efferdane“ war ein wunderbares Schiff, dass primär die Oberschicht für Reisen nutzte und das nur nebenbei die wirklich exquisiten Güter beförderte. Entsprechend gut ausgestattet war der Segler, was Mannschaft aber auch Bewaffnung anging. Sogar einen eigenen Schiffsmagus hatten sie an Bord, mit dem ich während der Überfahrt das ein oder andere sehr erbauliche Fachgespräch führte, wenn er nicht gerade wieder einmal das Wetter beruhigte oder für Wind aus der richtigen Richtung sorgte. Sehr beeindruckend! Absolvent unseres Jahrgangs von 1009, schon ein älterer und gestandener Mann, aber umso kompetenter bei dem was er tat. Im Übrigen aber war von der Überfahrt wenig zu erzählen. Wir konnten auch nicht die ganze Strecke mit dem Schiff zurücklegen, sondern legten zuletzt in Kuslik an, das als Handelsmetropole doch um einiges bedeutender als Bethana war, und nahmen von dort dann noch einen Küstensegler, der uns innerhalb von eineinhalb Tagen nach Bethana schipperte, so dass wir rechtzeitig vor Miguel-Victors Tsatag eintrafen.

Unnötig zu sagen, das Fabrizio und Esmeralda schon alles für unsere Ankunft vorbereitet hatten und sich freuten wie die Könige, dass wir kamen. Ihr Anwesen bot ja mittlerweile genug Platz um uns alle unterzubringen, und ich kam nicht umhin Esmeraldas glückliches Händchen zu bewundern, was die Inneneinrichtung anging. Sehr geschmackvoll, aber ohne den oft bei Neureichen anzutreffenden übermäßigen Protz und Pomp. Wir beschlossen, da wir für Nandurin ja dann schlecht daheim feiern konnten, die Tsatage der beiden Kinder einfach gemeinsam zu begehen. Das passte ja auch, immerhin waren so seine Paten ebenfalls gleich dabei. Ich könnte mir vorstellen, dass wir daraus eine jährliche Tradition wachsen ließen. Aber das würden wir sehen. Bis es aber soweit war verbrachten wir einige sehr schöne Tage zusammen, die meist daraus bestanden, das Vater mit Fabrizio und den Nivians weitere Geschäfte plante (der alte Fuchs konnte es einfach nicht lassen…) und Mutter und Liliana mit Esmeralda und allen drei Kindern (Victor-Miguel, Armando d.J. und Nandurin) sich die Zeit in der Stadt vertrieben, kleinere Ausflüge machten oder im Salon schwätzend beisammen saßen, wobei sie die Knaben natürlich immer dabei hatten. Ich wechselte mich damit ab Vater und Fabrizio oder die Damen zu begleiten, wobei ich mich sowohl bei dem einen als auch dem anderen irgendwie immer fehl am Platz fühlte, auch wenn ich ja überall willkommen war. Aber weder das eine noch andere waren wirklich meine Welt. Liliana musste wohl auch einmal von ihrer besten Freundin erzählt haben, denn als ich abends mit Vater und Fabrizio zurück kam knuffte mich Esmeralda freundschaftlich in die Seite und meinte mit einem zwinkern, ich hätte Visaria doch ruhig mitbringen können, das wäre überhaupt kein Problem gewesen. Leider erfuhr ich nie, was Liliana und Mutter da schon wieder zu Esmeralda getratscht hatten, aber ich hatte so einen leisen Verdacht…

Die Geburtstagsfeier war wirklich etwas Besonderes. Esmeralda und Mutter hatten den Kindern sogar bei einem Schneider gleich aussehende kleine Anzüge machen lassen, so dass sie, wenn sie so nebeneinander saßen, wirklich als Geschwister durchgegangen wären. Gut, mein Nandurin war etwas dunkler und zierlicher als Miguel-Victor, aber sie passten einfach zuckersüß zusammen und hatten sich auch schnell wieder aneinander gewöhnt, spielten die meiste Zeit zusammen und waren beinah unzertrennlich. Und Armando d.J. hatte es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, als „großer Bruder“ über die beiden zu wachen und bespaßte die beiden, wohl auch mangels anderer Spielgefährten, die meiste Zeit. Auch wenn der obligatorische Streit um das ein oder andere Spielzeug, an dem es in Fabrizios Haus wahrlich nicht mangelte, dazugehörte, insgesamt war es wunderbar. Die Feier fand im Beisein aller Familien statt, so dass auch alle noch vorhandenen Großeltern anwesend sein konnten, und wurde mit einem wahren Regen an Geschenken eingeleitet. Ich hatte für Nandurin eine kleine, geschnitzte Hesthot-Figur aus Mohagoni anfertigen lassen. Bei ihm durfte ich das. Wenn ich das nächste Mal in Brabak war würde ich unbedingt lernen müssen, wie man diese Dinger an Gegenstände band. Dann würde ich einen Wächter direkt an die Figur binden, um für seine Sicherheit zu sorgen, aber das würde ich wohl niemandem verraten dürfen. Miguel-Victor musste da mit etwas deutlich konventionellerem vorlieb nehmen – einem geschnitzten Al’Anfaner Tempelraben. Und einer dazu passenden Rabenfeder, die ein ebensolcher im Tempelhof verloren hatte. Dafür hatte ich mir drei Nachmittage am Tempel die Beine in den Bauch gestanden, aber die dämlichen Viecher hatten erst eine Feder gelassen, als ich die Geduld endgültig verloren hatte und sie in einem unbemerkten Augenblick aufscheuchte. Auf der sich anschließende Festtafel dominierten die bethaner Spezialitäten, aber Mutter hatte es sich in weiser Voraussicht nicht nehmen lassen, einige exotische Leckereien aus Al’Anfa mitzubringen, die sie prominent auf der Tafel platzierte und damit das Fest bereicherte. Nur auf Esmeraldas versuch Kochrezepte auszutauschen gingen weder Mutter noch Liliana besonders enthusiastisch ein. Dafür hatten wir ja immerhin die Bediensteten und Sklaven… die Jungen spürten, dass sie im Mittelpunkt standen und genossen sichtlich die Aufmerksamkeit, die heute noch einmal höher ausfiel als sonst eh schon. Nicht gerade das, was wir daheim ein rauschendes Fest genannt hätte, aber eine schöne familiäre Feier in angenehmer Gesellschaft, die den Tag wie im Fluge vergehen ließ. Leider waren meine Künste der Illusionen noch nicht so perfekt, dass ich damit hätte groß zur Unterhaltung beitragen können, aber ich nahm mir vor das bis zur nächsten Feier zu ändern. So kompliziert waren die meisten Formeln ja nicht, dass ich da nicht hätte schnell etwas erreichen können. Ich würde mich erst auf eine konzentrieren, und dann nach und nach die übrigen meistern. Vielleicht den Vocolimbo zuerst, wundersame Geräusche kamen doch immer gut an, oder? Oder lieber den Delicioso, um überraschende Geschmäcker auf das Buffet zu bringen? Das musste ich noch gut überlegen…

Etwas ganz anderes hatte mich aber schon seit wir angekommen waren umgetrieben, bei dem ich noch keine Gelegenheit gehabt hatte, mit Fabrizio unter vier Augen zu sprechen. Nachdem irgendwann alle anderen zu Bett gegangen waren und wir beiden als Letzte bei einem Glas Branntwein am Kamin saßen, kam ich endlich dazu, ihn nach Neuigkeiten unserer Freunde zu Fragen. Aber viel mehr als ich wusste er leider auch nicht. Junasia, soweit ihm bekannt, war wohl wirklich nach Kunchom gereist um dort ihre Studien fortzusetzen. Da wir beide aber sonst nichts von ihr gehört hatten, beschlossen wir spontan einen gemeinsamen Brief aufzusetzen (gesagt, getan), um ein Lebenszeichen an das andere Ende des Kontinents zu senden. Ich hätte ja gehofft, sie hier in Bethana zur Feier zu treffen, aber der Weg war weit, und wer wusste schon, wie intensiv sie gerade studierte. Ich wusste ja, wie einen das fesseln konnte, da vergaß man schon einmal alles andere. Zumindest teilte ich ihr auf diesem Wege mit, dass ich und ihr Patenkind wohl spätestens ab Ingerimm wieder in Al’Anfa anzutreffen wären, falls sie denn einmal zu Besuch kommen wollte. Schwieriger war es da schon bei Azinajida, die wie vom Erdboden verschwunden war (und genau das war ja der Sinn, wie ich wusste). Aber wohin sie sich gewendet haben könnte mit Hagar, entzog sich auch Fabrizio. Nach einigem disputieren nahmen wir beide an, dass die wahrscheinlichste Richtung in die sie gezogen sein könnten wohl tatsächlich Hagars Heimat Andergast sein müsste. Ich hatte dem Brant zu diesem Zeitpunkt wohl etwas mehr zugesprochen, als ich es sonst tat, denn in mir setzte sich eine, im wahrsten Sinne, Schnapsidee fest. Nachdem es nicht möglich war eine Nachricht hinterher zu senden, würde ich wohl selbst nach ihr sehen müssen. Fabrizio fand die Idee ebenfalls fabelhaft, und wir prosteten uns zu.

Am nächsten Tag war ich von der Idee schon gar nicht mehr so sehr überzeugt, zumindest als ich Mutter und Vater davon informierte. Vater sah mich etwas ungehalten an und meinte nur, ich sollte wenn schon dann nicht trödeln, was ich ihm wiederum nicht versprechen konnte. Er hatte die Rückfahrt schon gebucht, und warten würde er nicht auf mich, spätestens Anfang Peraine würde er auf jeden Fall wieder zurück müssen. Mutter hingegen wedelte ein wenig mit Nandurin vor meiner Nase herum und meinte, ich würde ja den Kleinen kaum mit auf eine solche Fahrt nehmen wollen, oder? Ich sah sie verlegen an und meinte nur, natürlich nicht, ob sie denn… woraufhin sie ihn direkt demonstrativ auf den Arm nahm und sein Halbbruder Armando sich putzig vor ihr aufbaute und ein „Wii passen auf auf Nanulin, stimmt, Mama!“ Damit war zumindest das geklärt.

Was die Reiseroute anging, waren Fabrizio und ich uns aber nicht ganz so sicher. Der schnellste Weg nach Andergast, wäre ja über das Meer und dann landeinwärts gewesen, aber wir nahmen eher an, dass Azina und Hagar zu Land unterwegs gewesen sein dürften. Auf der anderen Seite war der direkte Landweg derzeit Kriegsgebiet, seit sich die Nordmarken mit Albernia in den Haaren hatten. Also war auch unwahrscheinlich, dass die beiden sich durch ein von Krieg zerfressenes Land wagten. Am Ende einigten wir uns darauf, dass der Landweg zumindest bessere Möglichkeiten bot Erkundigungen nach den beiden einzuholen, ich aber nach dem Weg über Grangor und Elenvina mich hinter Kyndoch links nach Havena halten sollte. Händler mit einem Passierschein aus dem Horasreich ließ man auf beiden Seiten normal in Ruhe, um diesen Nachbarn nicht zu verärgern. Da traf es sich gut, das am übernächsten Tag eines von Fabrizios angemieteten Gespannen Richtung Havena fahren sollte. Die Fuhrfrau, eine junge Dame namens Binya und Tochter des Eigentümers, der schon früher im Dienste von Fabrizios Familie gefahren und dabei zu einigem Vermögen gekommen war, hätte sicher nichts gegen ein wenig Gesellschaft einzuwenden.

Gesagt getan. Nach einigem Abschiedsgetue machte ich mich auf dem Wagen sitzend auf nach Norden. Binya war ganz angenehme Reisegesellschaft. Nett, aber resolut. Sie wusste sich anscheinend gut selbst zu helfen, was sie wohl auch musste als Frau in diesem Gewerbe. Dabei war sie vom äußeren her ebenfalls eine ganz gefällige Gestalt. Blond, wie in diesen Landen viele Frauen, dabei ein hübsch geschnittenes Gesicht, wenn auch ein wenig zu drall für meinen Geschmack. Und damit meinte ich nicht dick, sondern einfach stabil gebaut, was mich aber nicht wunderte. Eine schlanke Gazelle hätte sich als Fuhrfrau an den eigenen Waren wahrscheinlich einen Bruch gehoben, während Binya durchaus in der Lage war ordentlich anzupacken, wie ich im Lauf der Fahrt mehr als einmal sehen durfte. Ich wäre sogar soweit gegangen zu sagen, im Armdrücken hätte ich gegen dieses Mädel sicherlich den Kürzeren gezogen, was ich aber natürlich nicht ausprobierte. Bis Elenvina geschah nicht viel. Dort schlossen wir uns aber einigen anderen Wagen an, die die Sicherheit der gemeinsamen Reise im Grenzgebiet zwischen Nordmarken und Albernia so wie wir vorzogen. Bei diesen Wagen befand sich auch ein anderes Gespann, dass von Binyas Vater Cordovan gelenkt wurde. Binya erzählte mir, ihr Vater fuhr nur noch selten selbst, das hatte er auch gar nicht mehr nötig. Aber ab und an überkam ihn doch noch die Unrast, und dann hieß er auch einfach einmal einen Kutscher vom Bock zu steigen, um eine Fuhre selbst zu tätigen. Anscheinend war es nun wieder einmal soweit gewesen. Da ich mit Binya schon einige Tage unterwegs gewesen war und wir wenig Neues zu besprechen hatten wechselte ich daraufhin auch immer wieder einmal zu Cordovan. Der war eine wahre Fundgrube an Geschichten aus den vergangenen Jahren die er auf der Straße verbracht hatte und ein ebenso angenehmer Zeitgenosse wie seine Tochter. Ich mochte die beiden irgendwie. Einfache Menschen, aber geradeheraus, ehrlich und von einem erfrischend unkomplizierten Wesen. Anfänglich war er zwar skeptisch mir gegenüber ob meiner Profession, aber das Misstrauen legte sich bald im Gespräch, wir verstanden uns blendend. Bis dahin, dass er mich nach einigen Tagen, wir hatten die halbe Strecke nach Havena schon geschafft, dazu einlud doch hinter Havena zumindest eine kurze Rast auf dem weiteren Weg einzulegen und einen Tag auf seinem Hof zu bleiben, bevor ich weiterziehen wollte. Ich musste kurz überlegen, meine Zeit war ja begrenzt, aber eine solch nette Einladung schlug man in Travias Namen auch nicht einfach aus. Also nahm ich dankend an und war schon gespannt, wie wohl der Hof eines begüterten Fuhrmannes hier im Lande aussehen würde. Die ganze Zeit über hatte ich bei jedem Halt versucht, Erkundigungen über Azina und Hagar einzuholen. Beschreiben konnte ich die beiden ja ziemlich gut, Azina sowohl normal als auch in ihrer Verkleidung. Allein, ich hatte kein Glück. Waren sie am Ende doch mit dem Schiff gefahren? Oder ganz woanders hin gezogen? Niemand, kein Gastwirt, keine Herbergsmutter, kein Fährmann und kein Zollgardist konnten mir einen Hinweis darauf geben, das ein Paar auf das die Beschreibung zutraf hier durchgekommen wäre. Gut, es wäre wohl schon fast ein Jahr her gewesen, aber trotzdem… Es war frustrierend.

Zumindest das Wetter war uns freundlich gesonnen, die meiste Zeit war der Frühling dieses Jahr sehr mild und sonnig, was uns die Laune etwas hob. Nichts schlimmeres, als im nassen Mantel gelangweilt auf einem Kutschbock zu sitzen, während einem das kalte Wasser über die Nase und den Rücken herunter rann. Aber wir hatten Glück, Efferd verschonte uns meist mit seinem Segen, so dass wir schließlich hinter Havena, die Stadt umfuhren wir glücklicherweise, auf Cordovans Hof ankamen. Bis hierhin würden sie mich mitnehmen können, aber nicht weiter. Wobei ich mir mittlerweile gar nicht mehr sicher war, ob es überhaupt Sinn machte, noch weiter zu fahren. Ohne einen einzigen Anhalt bis hier, war es eine Suche ins Blaue hinein und wahrscheinlich sogar verschwendete Zeit. Ich ärgerte mich etwas über mich selbst. Schnapsidee… wirklich. Zumindest stellte mir Cordovan einen warmen Badezuber in Aussicht, was meine Stimmung etwas hob. Und falls ich doch nicht direkt weiter müsste, er hätte nichts dagegen mir ein oder zwei Tage Gastlichkeit zu gewähren, wobei er zu Binya hinüberblickte, die schnell in eine andere Richtung sah. Ich seufzte innerlich, aber über das Angebot würde ich heute Abend wohl ernsthaft nachdenken müssen. Und wenn ich die Reise hier abbrach könnte ich immerhin mit einem Schnellsegler von Havena nach Bethana eilen, um noch mit der Familie die Rückreise anzutreten. Ich würde wohl wirklich noch einen Tag bei den Garsteeners bleiben.

Endlich ein erfrischendes Bad. Ich räkelte mich ein wenig in dem riesigen Holzzuber, streckte die Beine und tauchte kurz meinen Kopf in das warme Wasser, um mir den Staub vom Gesicht zu waschen. Welche ein Tag! Ich tauchte wieder auf und starrte zur Decke. Der gute Cordovan Garsteener, ein Furhmann, Händler  und Bekannter Fabrizios, der wie er erzählte es seit der Eröffnung seines Unternehmens in Havena vor gut zwanzig Jahren zu einigem Besitz gebracht hat, war mit mir den ganzen Tag in der Stadt unterwegs. Und das, obwohl ich mir einst geschworen hatte dieses magophobe Loch ein für alle Mal zu meiden. Trotzdem war es ein beeindruckender Stadtbummel, das war wohl der Unterschied zwischen selsbt erkunden und geführt werden. Die derzeit zerstörte Prinzessin-Emer-Brücke, das alte Immanstadion, der stolze Rondra-Tempel, die großen Kräne im Hafen (aber nicht ganz so groß wie in Al’Anfa!) und natürlich das schmucke Palastviertel werden mir wohl  in Erinnerung bleiben, hatte ich vorher doch eher die Gossen dieser Stadt kennen gelernt. Von dieser Seite hatte ich Havena noch gar nicht betrachtet. Obwohl ich mich vom Marsch bei den sommerlichen Temperatur wie erschlagen fühlte, konnte ich es kaum erwarten, in den nächsten Tagen die Sehenswürdigkeiten noch einmal näher in Augenschein zu nehmen – der Besuch hatte sich wirklich gelohnt! Ich könnte wohl die ganze Nacht in diesem Zuber verbringen, wenn ich doch nur nicht solchen Hunger gehabt hätte. Ich tauchte noch ein letztes Mal unter, dann schwang ich mich aus dem Bottich und hüllte mich in ein weiches Handtuch – so ließe es sich leben! Ich kleidete mich an und verließ das kleine Badehaus durch die Tür zum Hof.

Mit knurrendem Magen öffnete ich die Tür – um sofort meinen Hunger zu vergessen. Vor mir bot sich ein erschreckendes Bild. Wie hatte ich das selbst im Zuber nicht bemerken können, ich hatte doch sonst auch Ohren wie ein Luchs? Der Giebel des Stalls stand in Flammen, die den Hof in ein gespenstisches, rot-goldenes Licht tauchten und tiefe, tanzende Schatten entstehen ließen. Knechte und Mägde rannten aufgeregt hin und her; manche versuchten, die Pferde zu beruhigen, die nervös über den Hof liefen, andere machen sich daran, Wassereimer zum Stall zu tragen. Und inmitten des ganzen Chaos erkannte ich den alten Cordovan. Seine langen, weißen Haare flatterten wie sein dunkelblauer Umhang im Wind. Da er mir den Rücken zuwandte, konnte ich sein wettergegerbtes Gesicht und die buschigen, weißen Augenbrauen nicht sehen, doch seine raue Stimme war nicht zu verkennen. Seine Tochter Binya, eine hübsche, wohlgeformte Blondine mit schulterlangen Haaren und einem nur selten verblassenden Lächeln stand neben ihm. Die beiden wechselten ein paar Worte, dann nickt sie kurz, schwang sich auf eines der Pferde und galoppiert vom Gehöft. Vermutlich sollte sie Hilfe holen, was aufgrund der abgeschiedenen Lage ein Weilchen dauern konnte. Doch darüber konnte ich mir später Gedanken machen. Auch wenn ich hier Gast war – oder gerade deswegen –, ein wenig helfen konnte ich sicherlich. Ich sah mich erneut um, es war höchste Zeit eine Entscheidung zu treffen. Das Feuer breitete sich langsam aus. Zwar könnte es kaum auf andere Gebäude überspringen, dafür stand der Holzbau viel zu isoliert inmitten der Pferdekoppel, doch sollte man auch nicht warten, bis das Feuer das Gras in Brand steckte. Aber dieses Problems hatten sich schon einige Knechte und Mägde angenommen.  Im Stall konnte ich zumindest noch ein Pferd wiehern hören, dass offensichtlich noch in seiner Box gefangen war. Aber jetzt in das brennende Gebäude zu stürmen schien mir doch etwas zu gewagt. Das wäre eher etwas für Junasia gewesen, die rannte ja gerne in brennende Gebäude. Es bleiben aber noch genügend andere Pferde, um die ich mich kümmern konnte. Die Tiere waren durch die Flammen überaus nervös und gefährdeten die Helfer bei ihrem Kampf gegen das Feuer.

Überall auf dem Hof liefen die flüchtenden Tiere umher. Einige Burschen und Mägde versuchen bereits, die Tiere zu beruhigen und zu einer kleineren, etwas abseits gelegenen Koppel zu führen. Plötzlich hörte ich einen lauten Ruf: “Habt acht, das Pferd!” Ich drehte mich um und entdeckte sofort das verängstigte Tier. Es tänzelt nervös zwischen den Helfern hin und her. Noch wurde niemand verletzt, aber es würde wohl nicht ausbleiben, dass jemand Schaden nahm wenn das Pferd nicht beruhigt würde. Entschlossen näherte ich mich dem Tier. Zwar war meine Erfahrung mit Pferden bisher bis auf die wenigen Reitstunden die ich gehabt hatte begrenzt, aber irgendwer musste ja etwas tun. Und über eine profunde zumindest theoretische Tierkunde verfügte ich ja schon von der Ausbildung her. Ich glaubte, man sollte einem aufgeregten Tier beruhigend die Hand auf die Stirn legen, oder so. Zumindest, solange es kein Fleischfresser war. Hatte ich einmal gelesen.


Ich versuchte verzweifelt, das Tier zu beruhigen, doch das Pferd wurde immer nervöser. Alles gute Zureden schien vergebens. Es bäumte sich auf, dann erwischte mich ein Huf an der Schulter und schleuderte mich zu Boden. Verdammt, das tat weh! Dann stürmte das Tier los, galoppierte quer über den Hof und verschwand durch das große, doppelflügelige Tor. Ich hingegen blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen, bis die letzten Flammen erloschen. Das war nicht gerade die Heldentat die ich erhofft hatte zu erbringen…

“Bist du verletzt, mein Freund?” Ich blickte auf und erkannte den alten Cordovan, der sich hinter mir aufgebaut hatte. “Kommst du mit ins Haus? Dort werden die Wunden versorgt und ich denke, dass wir uns alle eine kräftige Brühe und einen Schluck Wein verdient haben.” Er war der Herr auf diesem Gut, natürlich, aber an seine joviale Art mir gegenüber hatte ich mich immer noch nicht ganz gewöhnt. Ich rappelte mich auf und machte mich auf den Weg zum Hauptgebäude. Im Licht der letzten Flammen erzeugten die großen Säulen, die die Treppe zum Eingang flankierten, mächtige Schatten auf dem Fachwerk. In fast jedem Zimmer schien Licht zu brennen und leises Stöhnen drang durch das mächtige Eichenholz-Portal. Die Haupthalle war mit den Verletzten gefüllt. Überall lagen Burschen und Mägde auf dem Boden, sichtlich darum bemüht, ihre Brandwunden zu behandeln oder wenigstens so zu liegen, dass die Schmerzen erträglich blieben. Mein Angebot, für die schlimmsten Fälle mit einem kleinen Zauber behilflich zu sein wurde aber durchweg mit einem gewischten Praioszeichen abgelehnt. Abergläubisches Volk! Die dickliche Haushälterin, die bisher für das vorzügliche Essen zuständig gewesen war, verteilte Brote und kleine Krüge mit Wein oder Wasser. Ein älterer Bursche, der offensichtlich etwas vom Handwerk des Medicus zu verstehen meinte, rannte ebenfalls zwischen den Verletzten umher, obwohl er selbst eine große und unversorgte Wunde am Oberschenkel hatte. Ich hatte noch nie alle knapp zwei Dutzend Hofbewohner versammelt gesehen, aber unter diesen Umständen könnten ich glatt darauf verzichtet haben. Cordovan wollte gerade den sichtlich überforderten Medicus zu mir rufen, als mir plötzlich ein merkwürdiger Gedanke in den Sinn kam. “Warum sind hier nur Arbeiter von Eurem Hof zu sehen und wo bleibt Binya?”, fragte ich den plötzlich sehr beunruhigten Cordovan.  Eine Antwort erhielt ich aber nicht. Sollte ich direkt meine Kraft nutzen um diesen lästigen blauen Fleck zu beseitigen? Miestvieh! Pferde können wahre Mordinstrumente sein. Nein. Ich biss die Zähne zusammen. Sollte der Heiler erst einmal sein Werk tun, korrigierend eingreifen konnte ich danach immer noch. So schlimm war es nun auch wieder nicht.

Ich suchte mir einen Platz auf der breiten Treppe zum oberen Stockwerk und lies erst einmal meine Wunde behandeln. Der Medicus war äußerst bemüht und schien zumindest bei solch leichten Verletzungen sein Handwerk zu verstehen. Währenddessen versuchte ich immer wieder, den alten Cordovan zu beruhigen. Ich wollte gerade einen neuen Versuch starten, als die Eingangstür mit einem lauten Krachen aufsprang. Eine junge Frau stolperte in die Halle und brach dann zitternd zusammen. Ihre durchnässten Kleider waren an vielen Stellen zerrissen und an ihrem Körper hatten sich zahlreiche Blutergüsse gebildet. Jetzt erkannte ich auch das Gesicht unter dem weiten Umhang – es war Binya! Ich sprang auf, eilte zu der jungen Frau, stützte Sie beim Aufstehen und half ihr hoch. Aber sie signalisierte sofort, dass sie in den hinteren Teil des Hauses wollte.

Am Ende eines langen Flures betraten wir die gemütliche Küche des Landhauses. Mehrere große Töpfe und Kessel ließen deutlich erkennen, dass hier für alle gut zwei Dutzend Hofbewohner gekocht wurde. Doch trotz der Größe des Raumes vermittelte die stellenweise recht niedrige Decke und die liebevolle Einrichtung einen eher gemütlichen Eindruck. Am deutlichsten wurde dies an der großzügigen Sitzecke, die wohl einem Dutzend Menschen Platz bot, aber gleichzeitig durch die tiefen Regale, die zahlreichen Lämpchen und die von der niedrigen Decke hängenden Kräuter sehr viel kleiner wirkte. Cordovan winkte uns auch schon, wir sollten uns zu ihm zu setzen. Neben ihm saß der junge Mann, der sich vorher um die Verwundeten gekümmert hatte und an einem Tisch in der Mitte des Raumes füllte die rundliche Haushälterin namens Ingla gerade ein paar Tassen mit Tee. “Vielen Dank mein Freunde. Den Göttern sei Dank, dass es euch und Binya den Umständen entsprechend gut geht. Sie hat sich nur ein Bein geprellt und einen Ellbogen aufgeschlagen.” Ich bekundete meine Erleichterung und versicherte mich selbst, dass ihr nichts fehlte, bevor ich den Alten weiterreden ließ. “Doch leider habe ich auch beunruhigende Neuigkeiten. Wie ihr vielleicht schon wisst, wurde auf Goldkörnchen, Binyas Stute, geschossen. Ich habe ein paar Knechte geschickt, um den Kadaver zu holen. Der Schuss in den Hals war tödlich. Dazu kam noch der Brand – sollte Travia etwa aus irgendeinem Grund ihre schützende Hand von diesem Haus genommen haben?” Wären wir daheim im Süden gewesen, ich hätte gesagt da hatte jemand eine offene Rechnung begleichen wollen. Aber ob hier die Sitten genauso waren? Ich unterhielt mich noch kurz mit Cordovan und dem Medicus, dann beschloss ich, müde wie ich war, auf meine Stube zu gehen. “Warte, mein Freund”, rief mir Cordovan noch hinterher. “Ich lasse dich morgen Vormittag wecken, dann kannst du die Stadt auf eigene Faust erkunden. Nur leider wirst du alleine gehen müssen, ich möchte Binya nicht alleine lassen. Aber den Weg in die Stadt kennst du ja und jemand wie du wird sich doch dort gewiss nicht langweilen.” Da würde er wohl Recht haben. In Havena schien es mehr zu entdecken zu geben, als ich je vermutet hatte. Ich wünschte allen eine gute Nacht und kehrte in die Halle zurück, die vor wenigen Stunden noch als Lazarett diente, und folgte der Treppe nach oben, dann dem langen Gang und erreichte schließlich mein Zimmer. Kurze Zeit später entschlummerte ich auch schon.

Ein kurzes Pochen riss mich aus dem Schlaf. Verschlafen rieb ich mir die Augen, dann ging ich zum Fenster, um die Läden zur Seite zu schieben. Es war bereits helllichter Tag –was erklärte, warum ich mich so gut erholt fühlte-, und auf dem Hof herrschte das zu erwartende Treiben. Ein schwerer Ochsenkarren rollte gerade schwerbeladen durch das Tor, ein zweiter wurde bereits abgeladen. Große Holzstapel türmten sich unweit der ausgebrannten Scheune, zwei Pferde wurden vor eine verkohlte Lattenwand gespannt, um diese einzureißen. Einige Gesellen schnitten auch schon die ersten Balken für einen Neubau zurecht. Über der ganzen Szenerie erstrahlte die goldene Scheibe des Herren Praios, ein paar Vögel zwitscherten und über allem hallten die Rufe der Handwerker. Erstaunlich, dass ich nicht früher wachgeworden war, eigentlich hatte ich einen recht leichten Schlaf. Nur wenig später hatte ich mich auch schon angezogen – so eine Robe war einfach praktisch - und ein reichhaltiges Frühstück förmlich in mich hineingeschlungen. Diese albernische Landmannskost war wirklich besser als der Ruf, den sie bei uns daheim genoss. Ja, es war schwer und deftig, aber der Geschmack… diese Köchin verstand ihr Handwerk. Es wurde Zeit, die Stadt zu erkunden. Ich packte ein paar Sachen ein und stand kurze Zeit darauf neben dem Tor, von wo aus ich einen letzten Blick auf die Baustelle warf. Die Luft war angenehm warm und auf der gepflasterten Straße kam ich zügig voran. Etwa eine Stunde sollte der Weg bis zum Stadttor zu Fuß dauern und ich konnte auch schon die Silhouette der Stadt erkennen. Dahinter erstreckten sich die Sümpfe, die das Delta des Großen Flusses bildeten wie ich wusste, und dahinter schimmerte das Meer der Sieben Winde bis zum Horizont. Die Luft war wahrlich klar heute und nur ein paar Wölkchen über dem Ozean bildeten einen angenehmen Kontrast zum Blau des Himmels. Es war einfach ein herrlicher Tag für einen Ausflug. Recht häufig kamen mir Reisende entgegen, etwa ein Botenreiter im stürmischen Ritt, eine berittene Viererstreife Gardisten, ein Feldscher, der mir sofort seine Dienste anbiedern wollte, oder ein Korbmacher, der mich nur mit einem mürrischen Brummen bedachte. Links und rechts vom Weg zeigten sich immer mehr Gehöfte und auch das eine oder andere Gasthaus lud Reisende durch ein schmuckes Äußeres zum Verweilen ein. Schließlich erreichte ich das Nostrianer Tor. Zwei runde, dreigeschossige Türme mit schiefergedeckten, spitz zulaufenden Dächern flankierten das breite, doppelflügelige Tor. Zwei Soldaten lehnten gelangweilt davor, nahmen aber sofort Haltung an, als sie mich auf sich zukommen sehen. Recht so, faules Pack! Die blankpolierten Hellebarden und die silberglänzenden Armschienen, die unter dem blauen Wappenrock ansetzten, boten aber einen imposanten Eindruck. Ich näherte mich den beiden in gemächlichem Tempo, um ein freundliches Lächeln bemüht. “Heida, unser Herr Praios mit Euch”, grüßte mich einer der beiden Gardisten. Ich grüßte freundlich zurück, doch die beiden wichen nicht von der Stelle, während ich mich auf Armlänge näherte. Ich ahnte schon, was gleich kommen würde…

Aber wieder einmal überraschte mich das Leben. Die beiden musterten mich kurz, dann traten Sie ein wenig verunsichert zur Seite. “Ihr wisst, dass es unter Strafe steht, Magie innerhalb der Stadtmauern anzuwenden? Falls nicht – lasst es Euch gesagt sein.” Was war denn nun los? Ich blickte an mir herab, ob ich die falsche Robe angezogen hatte? Nein, alles so wie es sein sollte. Das war ein ganz anderer Empfang als die Feindseligkeit, die mir das letzte Mal entgegen geschlagen hatte. Anscheinend war meine Ausstrahlung in den letzten Jahren deutlich imposanter geworden. Verblüfft aber positiv überrascht betrat ich die Stadt.

Unmittelbar an die Stadtmauer grenzte ein schmaler Park, in dem ein paar prachtvolle Buchen Schatten spendeten. Bis zur ersten Kreuzung waren es nur wenige Schritte. Zur Rechten erkannte ich die kleine Holzbaracke, in der – wenn ich mich recht an Cordovans Worte erinnerte – ein kleines Lager und ein paar Betten der Gardisten untergebracht sein sollten. Nach wenigen Schritten hatte ich auch schon die erste Kreuzung erreicht. Ein weißgetünchtes Gasthaus wurde hier erbaut. Über dem aus dunklem Holz gefertigten Eingang befand sich ein liebevoll bemaltes Holzschildchen, auf dem in kunstvollen Lettern der Name des Wirtshauses geschrieben wurde: “Zum Nord-Gardisten”. Gestern hatte ich hier mit Cordovan zu Mittag gegessen und mich auch noch über die kleinen Schildchen mit der blauen Schrift gewundert, die an den Häuserecken der größeren Straßen angebracht wurden. Inzwischen wusste ich aber, dass die Schilder dem Ortsunkundigen die Straßennamen verraten sollten. Gar keine dumme Idee, die die Albernier da hatten. Das machte es einem deutlich leichter, sein Ziel zu finden. Ich streunte ziellos einige Zeit durch die Stadt und war mir der zum Teil abweisenden Blicke der örtlichen Bevölkerung durchaus bewusst. Ohne einen ortskundigen Führer war es einfach nicht dasselbe. Nachdem ich einige Stunden mit müßigem Gebummel verbracht hatte langte es mir auch wieder.

Den ganzen sonnigen Tag in der Stadt zu verbringen, schien nicht nur ich für  eine schlechte Idee zu halten. Mehr als eine nobel-ausstaffierte Kutsche überholte mich auf dem Weg zum Tor. Hinter den teilweise verhangenen Fenstern konnte ich teuer gewandete Damen und Herren erkennen, die sich auf Ihrem Weg ins Umland der großen Metropole angeregt unterhielten oder gelangweilt aus dem Fenster schauten. “Heida, den Zwölfen zum Gruße! Hoo, mein Großer.” Ich drehte mich aus meinen Träumen gerissen herum. Ein in schwarz und grau gekleideter Mann, dessen harte Gesichtszüge vom kurzen, dunklen Haupthaar und einem dünnen Bart umrahmt wurden und ihrerseits eine riesige Nase in Szene setzten, bremste einen offenen Einspänner. Der “Große” war offenbar der gemütlich trabende Schimmel. Der Gruß galt aber mir, wie sein freundliches Winken erkennbar machte. “Verzeiht, dass ich störe, aber mir wurde aufgetragen, Euch eine Einladung zu überbringen und Euch auch gleich abzuholen.” Die Stimme, mit der mein Gegenüber sein Anliegen vortrug, passte nicht so ganz zum Inhalt seiner Worte, da ihm jegliche Verlegenheit fehlte und durch eine schneidige Sicherheit ersetzt wurde. Was sollte ich tun? Einerseits riet mir meine angeborene Vorsicht, nicht zu leichtfertig auf solch eine Einladung zu reagieren und zu Fremden in die Kutsche zu steigen (genau das würde ich wohl Nandurin beizeiten auch einbläuen müssen). Andererseits… meine natürliche Neugier gewann wie so oft die Oberhand. Was mochte der Bursche wohl für einen Grund haben ausgerechnet mich auf offener Straße anzusprechen, bzw. sein Herr mich holen zu lassen? Ich kannte hier ja niemanden. Ein gutdotierter Auftrag vielleicht für den einzigen Magus weit und breit der seinem Herrn beim Gang durch die Straßen aufgefallen war? Ich rieb mir in Gedanken schon die Hände.

Ich stieg in die Kutsche und machte es mir auf der Rückbank bequem. Der dunkelgekleidete Mann wendete geschwind das Fuhrwerk und preschte dann über die Nostrische Landstraße in Richtung Fürstenpalast. Auf Höhe des Palastes bog er aber  - zu meiner Enttäuschung - in Richtung Süden ab, um am Stadthaus vorbei den Halplatz zu erreichen. Er lenkte das Gefährt auf ein zweigeschossiges Fachwerkhaus zu, vor dem er schließlich die Fahrt beendete. “Bitte, mein Freund (schon wieder so eine Ansprache ohne den nötigen Respekt), tretet ein. Ihr seid schließlich eingeladen.” Dabei deutete er auf die Haustür. Nachdem ich die Kutsche verlassen hatte, setzte sich das Gefährt auch schon wieder in Bewegung. Jetzt war ich wirklich Neugierig. Eine Edeldame vielleicht, die mich von ihrer Kutsche aus hatte spazieren sehen und meinem unwiderstehlichen äußeren verfallen war und mich zu einem Techtelmechtel bitten wollte?

Das Fachwerkhaus besaß eine schmale Tür im Erdgeschoss, im darüber liegenden Stockwerk erkannte ich zwei Fenster, die schweren Fensterläden davor waren allerdings verschlossen. Das Haus machte leider einen ziemlich abweisenden weil unbelebten Eindruck, doch ließ sich die Tür einfach öffnen, so dass ich durch einen kleinen Vorraum schließlich einen großen, dunklen Raum erreichte.

Ich trat in die dunkle Halle ein. Jetzt erkannte ich auch jeweils zwei schwach beleuchtete Nischen zu meiner Linken und Rechten. Zur Linken standen in der ersten Nische, komplett erstarrt, der verschollene Kaiser Hal, sein Sohn Brin, die  Reichsregentin Emer Ni Bennain und die kaiserlichen Zwillinge Rohaja und Yppolita. Dem gegenüber standen, ebenfalls erstarrt, Raidri Conchobair, Waldemar von Weiden, König Cuanu ui Bennain und Amazonenkönigin Yppolita, wie mir kleine Messingschild verrieten, welche im Zwielicht der indirekten Beleuchtung blinktee, denn natürlich kannte ich diese edlen Damen und Herren leider nicht persönlich, waren doch einige davon bereits lange verstorben. Außerdem war dort der Name Helme Haffax zu lesen, doch war dieser nicht bei der Gruppe vertreten. Stattdessen erkannte ich eine große Lücke zwischen Waldemar von Weiden und Raidri Conchobair. Neben dieser illusteren Truppe hatten sich Hetmann Tronde Torbensson, Kaiserin Amene, Seekönig Palamydas, König Kasimir von Nostria und König Efferdan I. von Andergast aufstellen lassen. Dieser Gruppe gegenüber, direkt neben der Familie von Gareth, waren in einem großen Regal zahlreiche Köpfe mehr oder weniger bekannter Persönlichkeiten aufgereiht. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde durch einen schweren Vorhang ein weiterer Raum oder ein Gangstück abgetrennt. Langsam schlich ich durch die Reihen der Erstarrten. Die meisten schienen mit ihrem Blick meinem Weg zu folgen, bis ich schließlich den Vorhang erreicht hatte. Das ganze hatte etwas Unheimliches, Unwirkliches. Vorsichtig schob ich ihn zur Seite und schaute direkt in das Antlitz Dämonenkaiser Galottas. Ich schreckte vor Ehrfurcht zusammen, doch regte sich mein Gegenüber nicht – natürlich, leider. Was wäre es für eine Freude gewesen, diesen Meister unserer Zunft hier wieder zu treffen, wo mir doch gesagt wurde er sei bereits verstorben. Was ja bei so einer mächtigen Person wie Galotta noch gar nichts heißen musste. Ich schob den Vorhang gänzlich zur Seite. Vor mir standen wiederum fünf erstarrte Figuren. Neben dem Dämonenkaiser standen Moghuli Dimiona, die Hexe Glorana, der Verräter Helme Haffax und der verrückte Xeraan. Was für eine illustre, mächtige Runde! Langsam erholte ich mich von meinem freudigen Schrecken, da zuckte ich auch schon wieder zusammen. Plötzlich lösten sich Galottas starre Gesichtszüge, das Lächeln wich einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck. Mit einer unpassenden, heiseren Frauenstimme wandte er sich an mich: “Du bist mir nicht wichtig, deine Freunde sind mir nicht wichtig – aber das Land ist von Bedeutung. Sag deinem Bekannten, er soll verkaufen. Es ist besser für euch, das Geld zu nehmen. Und jetzt verschwinde!”

Ich schlug so schnell zu, wie es meine Arme zuließen. Und tatsächlich, ohne dass Galotta versuchte, Deckung zu suchen oder auszuweichen, trennte der Hieb meines Dolches den Kopf sauber vom Rumpf.

Ich  wollte gerade noch einmal ausholen und den Kopf aufspießen. Was tat ich denn da? Meinen Meister angreifen? Sofort bedauerte ich meine Handlung. Aber wo war das Blut? Ich schaute mir den Schnitt kurz an, doch tropfte nirgendwo Blut. Stattdessen lagen überall kleine Wachssplitter herum. Ich hielt in meinem Stich inne, drehte mich um und wand mich ab. Ein Kabinett für Wachsfiguren? Und die Stimme musste dann, ich beherrschte die Kunst ja selbst, von einem Vocolimbo gekommen sein, die sich bewegenden Gesichtszüge wahrscheinlich von einem AurisNasusOculus. Sehr faszinierend, aber wo war der wirkende Magus? Ich sah mich prüfend um, entdeckte aber nichts.

Schnellen Schrittes erreichte ich die Tür zum Halplatz und stürmte hinaus. Die helle Sonne zwang mich zu einem langen Blinzeln, wobei ich kurz mein weiteres Tun überdachte. Auf einen weiteren den Stadtbummel war mir erst einmal die Lust vergangen, also beschloss ich, Cordovan aufzusuchen, um ihm von dem Gespräch mit dem ‘Dämonenkaiser’ zu unterrichten. Am Königspalast vorbei und der Nostriastraße folgend, erreichte ich schon nach kurzer Zeit das Nostrianer Tor.

Ich ließ das Tor hinter mir und folgte der Landstraße in Richtung Garsteener Hof. Kurz nach der Mittagsstunde brannte die warme Sommersonne vom Himmel. Die Landstraße war immer noch gut gefüllt, wenn nicht gar noch voller als vor wenigen Stunden. Ich kam zügig voran und ich war auch nicht mehr weit vom Hof entfernt, als mir eine innere Stimme riet, auf der Hut zu sein.

Ich verfolgte den Flug eines hellblauen Schmetterlings, der meinen Kopf in verspielten Bahnen umkreiste und dann hinter mir auf die Wiese zusteuerte. Ich drehte mich um, um das Spiel weiterverfolgen zu können – und entdeckte dabei in der Ferne eine dunkle Gestalt. Der in Schwarz und Dunkelgrau gekleidete Mann kam mir irgendwie bekannt vor. Einen Augenblick später duckte er sich aber schon hinter einen hohen Strauch und war aus meinem Blickfeld verschwunden. An einen Zufall wollte ich nicht mehr glauben. Hier geschahen seltsame Dinge. Zeit, diesen auf den Grund zu gehen.

Schnellen Schrittes lief ich die Straße zurück und erreichte schließlich den hohen Strauch. Zu beiden Seiten der Straße schlossen sich weite Felder an, doch war der Mann nirgendwo zu entdecken. Eine weitere Suche würde vermutlich auch nichts bringen, schließlich könnte er in jede beliebige Richtung gelaufen sein und dürfte inzwischen auch einen nicht einzuholenden Vorsprung haben. Und als Fährtenleser, das wusste ich leider, würde ich keine allzu gute Figur machen, auch wenn ich es natürlich versuchte.  Etwas enttäuscht wandte ich mich wieder meinem ursprünglichen Ziel zu.

 Schließlich erreichte ich den Hof und fragte eine junge Magd, die gerade Werkzeug für den Neubau der Scheune über den Hof trug, wo ich Cordovan treffen könnte. Ich wurde an einen jungen Burschen verwiesen, der meinen Bekannten gerade in seiner Schreibstube aufgesucht haben sollte. Ohne den Jungen zu fragen, versuchte ich mein Glück in dem großen Raum und fand Cordovan tatsächlich über einen Haufen Landkarten und Bücher gebeugt. Nach einer kurzen Begrüßung erzählte ich von meinem Ausflug, der Begegnung mit dem Dämonenkaiser und der Warnung, die ich überbringen sollte. Cordovan reagierte darauf anfangs besorgt, dann aber ziemlich ungehalten. Er fluchte, dass die “alte Blutsaugerin ihre Krallen nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken” solle, er “der Schlange” mal zeigen müsse, wozu ein Garsteener fähig ist und ihm “dieser Drache gerade noch gefehlt” habe. Ich hatte große Probleme, dem guten Mann zu folgen oder irgendwelche Informationen aus dem Gefluche herauszuhören. Es war wohl im Moment das Beste, den Mann alleine zu lassen. Ich schlich mich nach draußen und schloss behutsam die Tür. “Was ist passiert?” Erschrocken zuckte ich zusammen, wirbelte herum und blickte in zwei große, braune Augen, die mich fragend anschauten. Nach einem kurzen Moment der Stille wiederholte Binya die Frage. Ich setzte mich auf eine schmale Bank vor dem großen Flurfenster und bot Binya den Platz neben mir an. Dann erzählte ich meine Geschichte erneut und Cordovans Reaktion darauf. “Mein Vater regt sich selten so auf, das solltest du wissen, aber wenn es um diese Frau geht, ist er in letzter Zeit öfter sehr ungehalten. Ich kenne ihren Namen nicht und ich kenne auch keinen, der ihn kennt. Sie kommt auch nicht aus dieser Gegend, jedenfalls denke ich das. Ich habe sie vor fünf oder sechs Wochen das erste Mal hier gesehen. Mein Vater und ich haben sie auf einer Auktion im Ratssaal entdeckt. Ihr müsst wissen, dass Tsafried Rundarek, ein mit Vater befreundeter Großgrundbesitzer und Händler, ein recht großes Stück Land veräußern wollte. Das Land eignet sich für den Landbau, ist aber relativ weit weg im Nordosten gelegen, so dass die Bestellung etwas schwierig ist. Vater hat aber auch andere Felder in der Nähe, also haben wir das Stück Land ersteigert. Der Preis war angemessen, trotzdem hat die Frau nicht mitgeboten. Ich habe sie auch nur kurz in der Nähe des Ausgangs gesehen. Mir fiel ihre teure und dezente Kleidung auf ...” Binya geriet dabei leicht ins Schwärmen, erzählte die Geschichte aber weiter, nachdem sie mein Desinteresse an Modefragen bemerkte. “Nun ja, auf jeden Fall verschwand sie, nachdem das Land Vater zugesprochen wurde. Zwei Wochen später tauchte sie auf unserem Hof auf. Sie wollte Vater sprechen, aber wir waren beide in Winhall. Nach unserer Rückkehr wurde uns berichtet, dass sie nur mit Vater sprechen wollte und niemandem gesagt habe, was sie hergeführt hat. Vor drei Tagen kam dann ein Bote zu Pferd und wurde bei Vater vorstellig. Er empfahl uns, das Angebot anzunehmen, und bat um eine Unterredung: seine Auftraggeberin wolle mit Vater sprechen. Er wurde aber weggeschickt, wie mir später erzählt wurde. Seitdem ist die Frau nicht aufgetaucht, aber so wie Ihr die Stimme des Dämonenkaisers beschrieben habt, muss sie mit der Sache zu tun haben.” Nachdem Binya mit ihren Ausführungen zu Ende gekommen war, stellte sich mir die Frage, was ich nun unternehmen wollte. Binya schaute mich wieder fragend an, signalisierte aber durchaus Interesse, mir helfen zu wollen.  Ein liebes Mädel, zweifellos, aber wohl nicht gerade die Hilfe, die ich jetzt benötigen würde. Azinajida wäre mir jetzt wirklich recht gewesen, oder auch gern Junasia.

Ich hätte Binya bitten können, mir den Weg zu dem besagten Grundstück zu zeigen, um dieses in Augenschein zu nehmen oder aber auch Tsafried Rundarek besuchen, um Informationen über das Stück Land zu erhalten. Stattdessen tat ich aber das naheliegendste. Ich wollte mich über die Frau mit der heiseren Stimme informieren; sie hatte schließlich den Hof besucht und irgendjemand würde sich bestimmt daran erinnern.

Ich fragte ein paar an der Scheune arbeitende Burschen, ob sich jemand an die Frau erinnern könne. Daraufhin entbrannte eine lebhafte Diskussion unter den Arbeitern, die mit vielen Spekulationen angereichert wurde. Schließlich erhielt ich aber eine Beschreibung der Dame, die von allen bestätigt wurde. Die Frau sei von zierlicher Gestalt, habe sich aber in teure Kleider gewandet, die ihre Figur verborgen hatten. Die harmlose Gestalt stünde aber im deutlichen Gegensatz zu ihren harten und strengen Gesichtszügen. Von langen, feuerroten Haaren umrandet sei das Antlitz durchaus schön und anziehend, aber, in diesem Punkt waren sich alle einig, auch irgendwie abschreckend und beängstigend. Ich bedankte mich nochmals bei den Burschen und überlegte wie ich weiter vorgehen wollte. Mich hatte dieses Kribbeln im Bauch gepackt, ein Jagdeifer, den ich immer dann spürte wenn ich einem Geheimnis auf der Fährte war. Es war wohl an der Zeit, dem Verkäufer des Grundstücks auf den Zahn zu fühlen, vielleicht hatte es ja einen ganz anderen Grund, warum er sich des Landes entledigen wollte?

Ich überprüfte noch einmal meine wenige Ausrüstung, während Binya zwei Pferde von der Koppel holte und eine Magd anwies, die beiden zu satteln. Schon nach kurzer Zeit saßen wir im Sattel und galoppierten vom Hof. Nun ja, ich hielt mich zumindest auf dem Pferd. Zum Glück hatte ich damals in Honingen die Reitstunden genommen…  Die Sonne strahlte noch immer vom Himmel, auch wenn vom Meer her düstere Wolken aufzogen. Wir folgten der Straße in nordöstlicher Richtung, verließen sie aber schon zwei oder drei Meilen später wieder, um einem staubigen Weg in westlicher Richtung zu folgen. Die Strecke war jetzt von engen Kehren und Kurven gekennzeichnet, während sich der Weg durch ein kleineres Waldstück zog. Trotzdem kamen wir gut voran. Schließlich wand sich die Straße zwischen ein paar riesigen Felsen hindurch, die mir die Sicht auf den weiteren Streckenverlauf versperrten. So erkannte ich den Schatten vor mir auch erst, nachdem ich ihn fast überritten hätte. In letzter Sekunde konnte ich mein Pferd noch stoppen, um mir einen Überblick über die Situation zu verschaffen.

Binya wich mir geschickt aus und kam dann ebenfalls zum Halt. Sie war eine hervorragende Reiterin wie ich einsah, deutlich besser mit dem Pferd als ich. Wir schauten indes auf das Hindernis zurück. Ein ängstlich dreinblickender, alter Mann stand mitten auf dem Weg und starrte in den Wald. Ich wollte ihn gerade anfahrenund zusammenstauchen, als ich ein leises Rascheln aus dem Wald vernahm. Ich hielt mich zurück und folgte stattdessen dem Blick des Mannes. Keine zehn Schritt von mir entfernt, erkannte ich drei riesige Wildschweine, die uns neugierig und aufmerksam beobachten. Dahinter glaubte ich noch ein paar kleinere zu erkennen, vielleicht ein gutes Dutzend Frischlinge. In diesem Augenblick preschte auch schon das erste Schwein nach vorne.

Was war ich für ein Held! Ich preschte davon, dicht gefolgt von Binya. Hinter mir hörte ich nur noch einen entsetzten Schrei, dann verstummte der Mann plötzlich. Erschrocken folgte ich dem Weg weiter. Natürlich könnte ich nun einfach versuchen ausreden zu finden. Vom Pferd aus konnte ich nicht kämpfen, wer weiß wie viele Schweine da noch gewesen wären, der alte Mann wäre das Risiko nicht wert gewesen, ich wollte ja nur die arme Binya schützen… die Wahrheit war, ich hatte einfach die Nerven verloren. Armselig! Feigheit mi Angesicht von Wildschweinen. Ich hoffe nur, das wird mir niemand in den Lebenslauf schreiben… diesen Teil konnte ich bei der nächsten Erzählung daheim auf jeden Fall auslassen. Ich schämte mich vor mir selber.

Der Wald lichtete sich plötzlich und vor uns erstreckte sich eine weite Wiesenlandschaft. Etwa eine halbe Meile vor uns erhob sich ein kleiner Hügel, auf dem ein großes Gehöft errichtet worden war. Daran drängten sich ein halbes Dutzend Bauernkaten. Um diesen Kern markierten Holzzäune verschiedene Weiden und Felder. Der Weg schlängelte sich durch das Land und führte zu der kleinen Ansammlung von Häusern. “Das ist der Rundarek-Hof”, erklärte Binya. Dann trieb sie ihr Pferd auch schon wieder voran. Ich folgte ihr und erreichte schließlich den Hof. Zu meiner Linken befand sich ein schmales Fachwerkhaus, vor dem zwei Mägde die Wäsche aufhängten und sich dabei laut lachend unterhielten. Zur Rechten war eine große Scheune errichtet, in der Feldfrüchte gelagert wurden, und uns gegenüber erhob sich das Haupthaus. Das Erdgeschoss bestand aus einer soliden Steinmauer, darüber erhoben sich ein aus Fachwerk errichtetes Stockwerk und das schindelgedeckte Dach. Ein kleiner Junge und ein noch kleineres Mädchen spielten davor mit einer Katze, eine ältere Frau saß auf einer Bank im Schatten und beobachtete die beiden. Von uns nahm niemand richtig Notiz. Erst als wir vom Pferd sprangen und Binya eine der Mägde bat, den Hofherrn von Ihrer Ankunft zu unterrichten und die Pferde zu versorgen, kam Bewegung in die Szenerie. Schließlich wurden wir von einem gebeugt gehenden Mann, der uns an der Tür zum Haupthaus begrüßte, in die Küche geführt. Er entschuldigte sich vielmals, dass er uns nur diesen Platz anbieten könne, aber man habe nicht mit Besuch gerechnet und in der Stube werde gerade noch aufgeräumt. Bevor sich der Hausherr zu uns gesellte, hatte man uns bereits etwas Gebäck angeboten und eine Karaffe mit frischem Wasser gebracht. Nachdem er Binya herzlich begrüßt hatte und sich mir zurückhaltend als der Herr des Hofes, Tsafried Rundarek, vorgestellt hatte, nahm er an dem großen Tisch Platz. Die blonden Locken, die sein faltiges Gesicht mit den warmen Augen umrandeten, wiesen an vielen Stellen schon eine mehr oder weniger kräftige Schattierung ins Graue auf und auch der Bart hellte sich merklich auf. Das speckige Lederwams und die ausgewaschenen Leinenhosen wiesen ebenfalls ein beachtliches Alter auf. Lediglich die polierten Stiefel schienen neueren Datums zu sein. Binya und Tsafried unterhielten sich über ein paar alltägliche Probleme, die steigenden Hafer- und die sinkenden Apfel-Preise, den Pferdehandel und das jahreszeittypische Wetter. Schließlich berichtete sie von den Wildschweinen und plauderte ein wenig über die letzten Tage, wobei sie das Gespräch langsam in die gewünschte Richtung lenkte. “Jaja, ich denke, ich weiß, wen Ihr da meint. Lasst mich kurz, hmm... das muss wohl zwei Monate ... als das kranke Kalb ... oh, verzeiht einem alten Mann. Also vor zwei Monaten, da besuchte mich eine Frau, auf die Eure Beschreibung passt. Sie wurde von einem hageren Mann begleitet, der wohl der Kutscher war. Jedenfalls lenkte er ihre Kutsche – ein schönes Gefährt, wisst Ihr? Oh, nun ... Der Mann stellte sie als Rowena Rodensen vor. Sie hat nicht geredet, aber der Kutscher wollte mit mir handeln. Er wollte ein Stück Land kaufen, draußen bei den Hollbeerfeldern. Ich sagte also zu den beiden, dass ich das Land gerne verkaufen würde, aber dass ich es den beiden nicht verkaufen könne.” Eifrig fragte ich dazwischen, wieso er das Land nicht verkaufen konnte. “Das ist eine recht einfache Geschichte. Ich wollte das Land schon vor drei oder vier Monaten loswerden. Die Felder sind zu weit weg und so lohnt sich die Bestellung nicht, da ich nicht genügend Leute habe, um die Erträge einzufahren. Um einen Käufer zu finden und einen möglichst hohen Preis für mein Land zu erzielen, bot ich es zur halbjährigen Versteigerung im Ballsaal des Rathauses an. Per Erlass darf ein ins Versteigerungsregister eingetragenes Grundstück aber nur gelöscht werden, wenn eine hohe Gebühr gezahlt wird. Um dieses Geld zu sparen und einen vielleicht noch höheren Preis zu erzielen, habe ich das Angebot der beiden abgelehnt und sie auf die Versteigerung verwiesen. Eine Woche später habe ich die beiden dann wiedergesehen ... im Rathaus. Dort fiel mir auf, dass die beiden nicht mitgeboten haben. Wenn Ihr mich fragt, kommen die beiden nicht aus dieser Gegend.” Tsafried überlegte kurz, bestätigte dann aber seine Vermutung für sich selbst und war damit offenbar recht zufrieden. Da er anscheinend nicht so recht wusste, was wir noch hören mochten, fragte ich nach, wie er denn zu seiner Vermutung kam. “Oh, entschuldigt. Ich vergaß, dass auch Ihr nicht im Besitz der Stadtrechte seid. Das ist eigentlich eine recht einfache Sache. Jeder Mann und jede Frau, die seit Geburt innerhalb der Stadtmauern wohnen, haben die Grundstadtrechte und die Grundstadtpflichten. Jeder Bürger, der ein gewisses Einkommen hat, erhält zusätzliche Rechte und Pflichten. Dazu kommen die Zunftrechte, die Zunftpflichten, ein Wehrrecht und noch einiges mehr. Wichtig dabei ist jedoch, dass nur die Stadtgeborenen diese Rechte haben. Einen Teil dieser Rechte und Pflichten, etwa die Abgaben-Pflichten, aber auch das Handels- und Klagerecht, erhält jeder Mann und jede Frau, die im Umland der Stadt Grund und Boden besitzen und somit auf dem zur Stadt gehörenden Land wohnen. Hinten am Waldrand endet diese Linie, womit ich diese Rechte besitze. Daher habe ich auch die Möglichkeit, Land zu versteigern oder bei einer Versteigerung zu erwerben. Würde ich diese Rechte nicht besitzen, weil ich nicht in oder nahe der Stadt wohne, dürfte ich zwar Land erwerben – und damit die Stadtrechte, aber eben nur durch direkten Kauf. Und da die beiden nicht mitgeboten haben, denke ich, dass sie die Stadtrechte nicht haben.” Ich musste zugeben, der Mann hatte eine bestechende Logik. An diesem Punkt schaltete sich Binya wieder ins Gespräch ein. Das Thema Handelsrecht schien ihr zu gefallen und so entbrannte eine lebhafte, aber für mich langweilige,  Diskussion darüber, ob Zolltarife ausgewogen sind oder nicht. Ich mühte mich redlich, aber erst eine halbe Stunde später schaffte ich es, diese öde Diskussion zu beenden, indem ich Binya überzeugte, dass es Zeit war zurückzukehren. So verließen wir schließlich das Haus, um die versorgten Pferde in Empfang zu nehmen. Die dunklen Wolken waren inzwischen ein ganzes Stück landeinwärts gezogen, so dass Binya zur Eile gemahnte. Wir sprangen auf die Pferde und preschten vom Hof. Erneut folgten wir dem kleinen Weg in Richtung Wald.

Wir erreichten die Stelle, an der die Wildschweine den älteren Mann angegriffen hatten. Gleich neben dem Weg erkannte ich eine blutüberströmte Leiche. Fetzen der Kleidung des alten Mannes lagen überall verteilt, sein Körper hingegen war fast nackt. Schnell wandten wir den Blick ab. Ich war wirklich nicht stolz auf mich…

Nachdem wir den Wald verlassen hatten, erreichten wir die Straße, der wir in südöstlicher Richtung folgten. Die Wolken zogen unentwegt näher, bis ich schließlich etwa drei oder vier Meilen vor dem Garsteener Hof die ersten Regentropfen auf meinem Gesicht spürte. Es dauerte nicht lange, dann setzte ein warmer Nieselregen ein, der mit der Zeit an Intensität zunahm. Bevor wir total durchnässt waren, verließen wir aber auch schon die Straße und passierten das große Tor.

Vor der kleinen Treppe zum Eingang des Haupthauses stand eine vierspännige Kutsche. Die schwarz gestrichene Kabine mochte vielleicht vier Leuten Platz bieten, der Blick ins Innere wurde allerdings von schweren, dunkelroten Vorhängen versperrt. Zwei Öllampen an den Enden der Kutscherbank beleuchteten die Kutsche und warfen ein gespenstisches Licht durch die Fäden des Regens auf die vier schwarzen Pferde, die mit stoischer Ruhe in ihren Geschirren vor der Kutsche warteten. Zwei Knechte kamen aus einem Nebenhaus und nahmen uns die Pferde ab, um sie zu versorgen. Dann liefen wir hinüber zum Haupthaus. Gerade als ich die Kutsche passiert hatte, öffnete sich die Tür zum Haus. Helles Licht fiel nach draußen und leuchtete das kurze Stück zur Kutsche aus. Ein großgewachsener, hagerer Mann in dunkler Kleidung öffnete die Tür für eine zierlich wirkende Frau. Sie war in teure Stoffe in dunklen Rot- und Brauntönen gehüllt. Ihr Gesicht trug schadenfreudige, fast schon grausame Züge und wurde von langen, feuerroten Haaren eingerahmt. Sie schritt gemächlich voran und wartete kurz unter dem Vorbau, um dem Mann Zeit zu geben, zur Kutsche zu eilen und die Tür zu öffnen.

Ich trat an die Frau heran und begrüßte sie mit ein paar entschuldigenden Worten. Ich erhielt keine Reaktion und wollte noch einmal meine Worte neu wählen, da ergriff Binya auch schon die Initiative.

Laut schimpfend stürmte Binya los, die Fäuste in die Hüften gestützt. Die Frau ließ sich davon aber augenscheinlich nicht beeindrucken, sondern setzte ihren Weg fort, bis sich die beiden direkt gegenüberstanden.

Die beiden Frauen waren nur noch eine Armlänge voneinander entfernt. Binya lehnte sich drohend nach vorne, die Fremde blieb angespannt vor ihr stehen, murmelt ein paar Worte und schlug die Faust in ihre rechte Hand. Ich vernahm kein Wort, aber die Geste war eindeutig – Paralys! Klassische Verteidigung. Wer war dieses Weib? Die Zeit schien kurz still zu stehen und ich wollte mich gerade bereit machen ebenfalls magisch einzugreifen, doch dann zeichnete sich ein schwaches Leuchten unter Binyas Bluse ab, das langsam in ein gleißendes Licht überging, um danach wieder zu verblassen. Binya reagierte mit einer ungewöhnlichen Gelassenheit, ich meinte sogar, einen zuversichtlichen Gesichtsausdruck zu erkennen. Die Fremde wirkte ebenso wenig überrascht wie Binya, auch wenn sich in ihrem Gesicht mit den zusammengekniffenen Augen und dem durchdringenden Blick nur Ärger und Verachtung ablesen ließen. Was hatte das zu bedeuten? Die beiden starrten sich noch kurz an wie zwei Katzen die sich vor dem angriff abschätzten, dann trat die Fremde an Binya vorbei und ließ sich von dem hageren Mann in die Kutsche helfen. Nachdem er die Tür verschlossen hatte, stieg er auf den Kutschbock und lenkte den Wagen in rasanter Fahrt vom Hofe. Ich schaute dem Gefährt noch kurze Zeit nach, bis das Leuchten der Lampen in östlicher Richtung verschwunden war.  Erschöpft vom Ritt des Tages ließ ich mich auf den oberen Teil der Treppe sinken, der durch das hölzerne Vordach vor dem Regen schützte. Auch Binya setzte sich neben mich, tief durchatmend und sich Wasser aus dem Gesicht wischend. Da waren einige Fragen, die ich Binya gerade stellen wollte, die mir auf der Zunge brannten, während wir zuerst schweigend nebeneinander saßen.

Zuerst natürlich dieses Leuchten, das sofort meine Neugier geweckt hatte. Binya überlegte kurz, dann verneinte sie meine Frage: “Ich habe mein Amulett noch nie leuchten gesehen, aber es war ein angenehmes Gefühl dabei – ein Gefühl von Zuversicht und Geborgenheit.”  “Mein Vater hat mir das Amulett geschenkt”, beantwortete Binya meine Frage. “Er hat eine Warenladung teuren Marmors durch das Mittelreich transportiert, damals, als ich noch klein war und er die Wagen selbst begleitet hat. Der Marmor wurde verwendet, um den hiesigen Praios-Tempel zu schmücken. Eine Geweihte des Götterfürsten hat es ihm geschenkt. Sie sagte, es würde den Schutz des Herrn in sich tragen. Er hat es mir gegeben, als er entschieden hatte, seine Wagen nicht mehr ständig zu begleiten – und seitdem trage ich es. Vater erzählte mir, dass es ihn einmal geschützt habe, als er in der Nähe Greifenfurts mit einer alten Einsiedlerin handeln wollte. Er hat nicht erzählt, was genau passierte, aber ein Kutscher sei gestorben, als sich die Frau dunkler Mächte bediente, um ihn zu hintergehen.”

„und diese Frau war…?“ fragte ich, meinte aber die antwort schon zu kennen. “Das war sie. Sie wollte Vater das Land abkaufen, das er vom guten Herrn Rundarek gekauft hatte. Mit Sicherheit war sie wieder hier, um das Land zu erstehen. Hoffentlich hat Vater nicht zugestimmt. Das Land ist gut und könnte uns reiche Erträge bringen. Oh, diese, diese ...” An dieser Stelle murmelte Binya leise vor sich hin und ich entschied für mich, dass ich vermutlich gar nicht wissen wollte, was sie da sagt. Um ihren Zorn nicht weiter anzustacheln, gab ich die Fragerei vorerst auf, auch wenn ich noch die eine oder Andere Frage gehabt hätte.

Trotz des warmen Sommertages wurde es langsam kühl in den durchnässten Kleidern. Auch Binya schien zu frieren. Wir erhoben uns und liefen gemeinsam ins warme Haus. Dort folgten wir der Treppe nach oben, wo ich mich von Binya verabschieden wollte, von dieser jedoch gebeten wurde, sie noch kurz zu ihrem Vater zu begleiten. Wir folgten dem Korridor zum Schlafzimmer des alten Cordovan. Binya klopfte zweimal kräftig gegen die Tür. Als sie keine Reaktion erhielt, lugte sie kurz in den Raum, um festzustellen, dass das Zimmer leer war. Daraufhin eilte sie in Richtung Arbeitszimmer. Schon einige Schritte vor der angelehnten Tür war ein lautes Schnarchen zu vernehmen. Ohne anzuklopfen stürmte Binya in das Zimmer und zog mich dabei hinter sich her. Der alte Cordovan lag in seinen Sessel zurückgelehnt, die Hände über dem Bauch gefaltet, den Kopf in den Nacken gelegt. Ein ruhiges Schnarchen drang aus seinem Rachen. Vor ihm auf dem Schreibtisch standen zwei schwere Weinpokale, dazwischen lagen einige Bögen teuren Papiers, eine Feder und ein Fässchen, das in einem großen Tintenfleck stand. Eine flackernde Öllampe beleuchtete den Schreibtisch und die beiden Stühle vor diesem, von denen einer umgestoßen war. Binya blieb erstarrt stehen, betrachtete besorgt ihren Vater, beruhigte sich aber schnell. Anschließend ließ sie ihren Blick über die Szenerie schweifen. Langsam kniffen sich ihre Augen zusammen, eine unübersehbare Wut trieb Tränen in ihre Augen und ihr Körper spannte sich an. Mit einer Mischung aus Verbitterung und Ärger presste sie ein “Er hat unterschrieben!” heraus, dann drehte sie sich um und stapfte den Flur hinunter. Ich hörte eine Tür zuschlagen, dann herrschte Ruhe. Ich zuckte mit den Schultern. Jetzt wo ich eh schon einmal hier war und allein… ein kurzer Blick auf das alles konnte nicht schaden, die Umstände waren einfach zu seltsam. Und, um ehrlich zu sein, kam mir die Situation nur zu Vertraut vor. Ich hatte Vater nicht umsonst mehr als einmal bei seinen Verhandlungen begleitet um ihm magischen Beistand zu leisten oder in seinem Sinne positiv auf die Verhandlungen einzuwirken. Sollte dieses Zauberweib sich den Alten hier mit einem Cantus gefügig gemacht haben? Wobei, und das war der rechtliche Aspekt, ja solche Geschäfte die unter magischen Einfluss stattfanden gar nicht bindend waren, zumindest wenn man dies glaubhaft belegen konnte. Damit würde ich Binya vielleicht beruhigen können.

Zuerst schaute ich kurz nach Cordovan. Er schlief offenbar tief und fest, seine Körperhaltung wirkte dabei allerdings ein wenig unbequem. Ich ließ ihn schlafen, unterdrückte das eigene Müdigkeitsgefühl und widmete mich dem Schreibtisch, nachdem ich den umgefallenen Stuhl aufgehoben hatte. Wie ich bereits vermutet hatte, befand sich in dem kleinen Fässchen Tinte, ebenso an der Spitze des Federkiels. Gut, das war jetzt kein Wunder.  Die Papierbögen lagen ordentlich auf einem kleinen Stapel, lediglich die oberen Blätter waren ein wenig zur Seite gezogen. Die beiden Weinpokale waren zwar schlicht gehalten, wiesen aber dezente Gravuren im Silber auf, die Weinreben und einzelne Weintrauben zeigten. Ein Pokal war leergetrunken, der andere, auf Cordovans Seite, nur zur Hälfte. Außerdem hatte sich auf der Oberfläche eine feine, weiße Schicht gebildet. Offenbar war er nicht ganz ohne fremde Hilfe eingeschlafen. Während ich darüber nachdachte, wurde mir meine eigene Müdigkeit erneut bewusst, und so beschloss ich, zu Bett zu gehen.

Leise verschloss ich die Tür, dann folgte ich dem Gang zum anderen Ende, an dem meine Stube lag. Nach etwa 20 Schritten machte der Gang einen Knick nach links, der sich dunkel im schwachen Kerzenlicht abzeichnete. Direkt vor meiner Tür erkannte ich eine Gestalt, die in der linken Hand eine kleine Laterne trug und mit der rechten nach der Klinke griff. Ich ließ die Gestalt vorerst ungestört gewähren, machte aber zur Sicherheit schon einmal einen Armatrutz bereit, falls es gleich zu einer Schlägerei kommen sollte. Was machte sich dieser Geselle klammheimlich an meiner Kammer zu schaffen?

Ich erkannte einen jungen Burschen in der Kleidung der Feldarbeiter. Er hatte lange blonde Haare und machte sich offenbar an meiner Tür zu schaffen, aber warum? Erst öffnete er sie einen Spalt breit, schaute dann kurz in den Raum und stieß die Tür weiter auf. Anschließend schlüpfte er hinein, spähte noch einmal kurz hinaus und erstarrte, als er in meine Richtung blickte. Flink sprang er aus der Tür heraus, zog einen langen Dolch und stürzt auf mich zu.

Zum Glück hatte ich mich gewappnet, aber mit dem Dolch hatte ich nicht gerechnet, höchstens mit ein paar blanken Fäusten. Den Armatrutz hatte ich gerade so noch fertig, bevor er bei mir ankam, und den Stab hatte ich ja eh stets in der Hand, so dass ich ihn damit auf Abstand halten konnte. Ha! Sein mickriger Dolch hatte gegen die Länge meines Stabes nicht den Hauch einer Chance zu treffen. Zumindest zuerst. Dann rutschte ich auf einer Diele aus, und es gelang ihm näher an mich heran zu rücken, während ich nicht so recht von ihm weg kam. Trotzdem musste er sich noch ganz schön strecken, um mich erreichen zu können. Einmal hätte er es tatsächlich geschafft, seinen Dolch in mein Fleisch zu bohren, aber Armatrutz sei Dank blieb ich unverletzt. Es war eben doch nur ein mickriger Dolch und Hesinde sei Dank kein Schwert. Mir hingegen gelang gerade einmal ein schwacher Treffer gegen seine Brust, der den Burschen auch nicht sonderlich beeindruckte.

Der Junge erwies sich zwar nicht als besonders geübter Kämpfer, aber als ausgesprochen hartnäckiger Gegner. Erst als hinter mir Binya mit einem Gefolge aus Bediensteten erschien, der Lärm den wir verursacht hatten war wohl nicht unbemerkt geblieben, gab er aber schließlich auf und ließ die Waffe fallen. Binya ordnete an, den Burschen in einen Verschlag im Keller zu sperren und am nächsten Morgen zu beratschlagen, was mit ihm zu tun sei. Derweil begab ich mich auf meine Stube, auch wenn ich gerne direkt selbst eine sicherlich erfolgversprechendere Befragung im Sinn  gehabt hätte. Aber ich würde den Namenlosen tun und den Wunsch der Hausherrin, die trotz ihrer Jugend das alles erstaunlich gut und resolut  im Griff hatte, missachten. Mein Schlaf war dafür wunderbar erholsam.

Binya führte mich am nächsten Morgen in den Keller. In einer Ecke war ein kleiner Verschlag errichtet, in dem zwischen allerlei Gerümpel der blonde Bursche hockte. Nicht gerade ein ausbruchsicherer Kerker, aber naja… Er starrte abwesend auf den Boden und hob erst den Kopf, als er von Binya angestoßen wurde. Durch das Licht geblendet blinzelte er eine Weile mit den Augen, dann wendete er beschämt den Kopf zur Seite. Von dem hartnäckigen Attentäter war nicht mehr viel zu erkennen. Binya schaute mich fragend an und auch der schulterzuckende Cordovan wollte mir offenbar den Vortritt lassen. Ich überlegte noch, ob ich den Jungen besser sanft oder lieber hart angehen sollte, da schossen ihm auch schon die Tränen in die Augen und er erzählte mit zitternder Stimme wie von selbst: “Da kam diese Frau, gestern Abend. Eine wunderschöne Frau mit roten Haaren. Sie flüsterte mir, ich sollte Euch umbringen – und das wollte ich dann auch tun! Oh verzeiht mir. Es tut mir so leid. Welch’ Glück, dass ich ein so schlechter Kämpfer bin – hehe. Oder?”  Also tatsächlich eine Kollega? Welche Schlüsse ließen sich aus den verwendeten Formeln ziehen? Paralys, Vocolimbo, AurisNasus  und was… ein Imperavi Animus? Nein, der benötigte doch eine Berührung, oder? Und davon hatte der Bursche nichts erwähnt. Meisterhafter Banbaladin vielleicht? Auch auf Cordovan zwecks des Vertrages? Wahrscheinlicher. Aber welche Ausrichtung ließe sich davon herleiten. Das war ein bunt gemischtes Repertoire. Da blieb nur weiterfragen.

Ich redete mit Alveranierszungen auf den Jungen ein, aber er ließ sich noch nicht einmal richtig beruhigen. Ich war kurz davor die Geduld mit diesem Bündel Elend zu verlieren. Aber auf der anderen Seite, er konnte ja auch nichts für seinen schwachen Geist, das konnte ich noch am besten hier beurteilen. Ihn wegen einer aufgezwungenen Tat den Bütteln vorzuwerfen wäre einfach nicht gerecht und für mich auch wenig befriedigend.

Ich unterbreitete ihm mein Angebot und gab ihm eine kurze Bedenkzeit. Als ich mich ihm erneut zuwandte, schien er zwar immer noch sichtlich verlegen zu sein, aber er hatte sich die Tränen aus den Augen gewischt und ein wenig beruhigt. Mit etwas gefassterer Stimme begann er zu erzählen: “Die Frau hat mir gedroht, wenn ich Euch das Folgende erzählen würde. Sie sagte, sie würde mich im Kerker töten lassen. Aber wenn Ihr mich freilasst, kann ich mich vielleicht nach Honingen durchschlagen. Nun ja, ich sollte die Frau treffen, wenn ich Euch getötet hätte. Sie wollte mich beim Immanspiel heute Vormittag treffen. Sie gab mir diesen Silbertaler, damit ich den Eintritt bezahlen kann. Ich sollte sie im sechsten Stadion-Block treffen. Sie will dort in der 23. Reihe auf mich warten, bis das Spiel vorbei sei. Wenn ich mich bis dahin nicht melden würde, würde sie mich jagen lassen, hat sie gesagt.” Ich beruhigte den Burschen noch ein wenig, dann holte Binya einen Beutel mit ein paar nützlichen Sachen, steckte ihm ein paar Taler zu und riet ihm, sich nie wieder in der Nähe des Hofes blicken zu lassen. Ich war erstaunt. Ich hätte ihr ja geraten, den armen Tropf zu behalten, nicht ihn wegzujagen. Aber nun gut… es war ihre Entscheidung. Ich rüstete mich derweil für einen kleinen Ausflug zum Immanspiel. Cordovan wies ein paar Angestellte an, einen Wagen für den Ausflug vorzubereiten. Anscheinend sollte ich den Weg zumindest nicht zu Fuß gehen. Hätte ich vorher schon nicht einfach so Interesse an der ganzen Sache gehabt, warum eine Kollega sich für das Land des alten Cordovan interessierte, war es jetzt etwas Persönliches. Ihm einen Schlaftrunk zu verpassen und womöglich mit Magie zur Unterschrift zu zwingen war das eine. Aber mir einen wenn auch dilettantischen Attentäter auf den Hals zu hetzen, obwohl ich ihr überhaupt nichts getan hatte,  das war einfach nur eine Dummheit. Fühlte sie sich schon von meiner reinen Anwesenheit  als anderem Magier auf dem Gut so bedroht? Hier gab es ein Geheimnis zu ergründen, und vielleicht galt es auch ein ganz klein wenig, etwas gute alte Rache zu nehmen. Das Imam-Stadion von Havena, diese barbarische Volkssportart hier oben… ich lernte immer neue Seiten dieser Stadt kenne…

Wir trafen uns vor dem Hauptgebäude. Glücklicherweise hatte es aufgehört zu regnen, auch wenn nach wie vor dichte Wolken am Himmel hingen. Ich nahm hinten unter einer aufgespannten Plane Platz, Cordovan und Binya setzten sich auf den Kutschbock des zweispännigen Planwagens. Die Fahrt dauerte eine knappe halbe Stunde lang, während derer wir uns wenig über das heute beginnende Viernationen-Turnier unterhielten. Binya war anscheinend ein begeisterter Imman-Fan. Sie schwärmte geradezu für die Havena-Bullen, besonders für einen Spieler namens Finried Gardelstein. Schließlich erreichten wir das Stadttor. Eine große Menschenmenge hatte sich davor versammelt, zahlreiche Imman-Anhänger hatten sich offenbar auf den Weg gemacht. Dementsprechend oberflächlich wurden wir von einer jungen Gardistin abgefertigt, die uns nach einem kurzen Gespräch passieren ließ. Der Wagen setzte sich erneut in Bewegung, folgte der Straße in Richtung Königspalast, bog dann aber zum Stadion hin ab.

Unter den dunklen Wolken erhob sich das steinerne Immanstadion. Zwar regnete es nicht, aber die schwüle Luft ließ mir die Kleidung schnell am Körper kleben, als ich mit meinen Begleitern in die Menschentraube drängte, die sich langsam unter die mächtigen Rundbögen des Bauwerkes schob. Eigentlich gar nicht so sehr anders als daheim an der Arena, dachte ich bei mir.  Nur dasich dort natürlich nicht den Eingang für den Pöbel nehmen würde. Über uns flatterten Wimpel und Banner im Wind, die für das Haus Bennain, die Stadt Havena, das Königreich Albernia und auch die Mannschaft der Bullen standen. Nach einer Weile bildeten sich kleine Schlangen, die zu bunt bemalten Tischen führten, hinter denen der Eintritt kassiert wurde. Vier Gardisten beobachteten dabei alles misstrauisch. Cordovan bezahlte den Eintritt, während Binya mich auf einen Stand hinter den Tischen hinwies, an dem man bunte Hemden kaufen konnte, auf deren Vorderseite ein wutschnaubender Bulle gestickt war. Ziemlich hässlich, hätte man mich gefragt, aber den Kommentar verkniff ich mir natürlich. Aber vielleicht konnte ich Binya mit so einem Ding ja wirklich eine Freude machen, auch wenn sie mit dem Vieh auf der Brust wohl höchst seltsam aussehen würde.

Ich schob Binya sanft weiter, Cordovan folgte uns. Vor dem Stand hatte sich eine kleine Gruppe laut schreiender Bullen-Anhänger versammelt, die derbe Sprüche mit einer Horde junger Burschen austauschten, die eine Fahne mit dem Schriftzug “Ruhmreich” auf der einen und dem Wort “Nostria” auf der anderen Seite schwenkten. Auf einer Tafel las ich, dass ein Hemd zwei Dukaten kostete. Meine treu, ich schluckte. So viel Geld für so einen fetzen? Auf der anderen Seite, Gold konnte den schmachtenden Blick einer jungen Frau auch nicht aufwiegen, und das ar wohl tatsächlich eine meiner Schwächen… ich  griff zu meiner Geldbörse.

War da nicht eine Hand? Und zwar weder meine, noch Binyas, die ich mir durchaus hätte gefallen lassen. Blitzartig drehte ich mich herum, um gerade noch zu erkennen, wie kleine verdreckte Finger zurückgezogen wurden. Erschrocken stand ein junges Mädchen vor mir. Ich packte das dürre Handgelenk, dann überlegte ich, ob ich einen Büttel rufen  oder dem verängstigten Kind lieber ein paar ermahnende Worte mit auf den Weg geben sollte. Irgendwie tat mir das arme Ding leid. In Al’Anfa hätte es sich der Fana zweimal überlegt, einen Magus zu bestehlen. Hier kannte man diese Scheu anscheinend weniger, vielleicht weil es in Havena einfach keine Magier gab? Ich sah mich kurz um, die nächsten Büttel standen ein gutes Stück weg. Eigentlich war es den Aufwand gar nicht wert…

Ich ermahnte das Mädchen kurz, ließ das Handgelenk dann aber los. Ich glaube, seit Nandurins Geburt wurde ich gefühlsduselig, insbesondere was Kinder anging. Wenn ich mir überlegte, das mein Kleiner so Elend… nein, das ging gar nicht. Das Mädchen schaute mich fassungslos an, bedankte sich dann aber überschwänglich bei mir. Bevor es sich umdrehte, steckte ich ihm in einem kaum nachvollziehbaren Anfall von Großmut sogar noch drei Silbertaler zu, anscheinend hatte Mütterchen Travia kurzzeitig mein Hirn verwirrt, dann verschwand das Mädchen auch schon. Ich wurde anscheinend wirklich langsam weich. Binya, die das Ganze mitbekommen hatte lächelte mich an, und hatte den Gedanken an das Hemd anscheinend auch schon wieder vergessen.

Wir passierten einen breiten Gang, der bereits nach wenigen Schritten von einem weiteren gekreuzt wurde. Kleine Bögen überspannten ihn in regelmäßigen Abschnitten. Kleinere Gänge führten weiter nach innen, einem hellen Licht entgegen. Große Holztafeln wiesen auf die Blöcke hin, zu denen die Gänge führten. Durch die Gänge drängten sich große Scharen treuer Fans aller vier Mannschaften, auch wenn die Edelmut- und die Bullen-Anhänger bei weitem in der Überzahl waren. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich, auch wenn es immer wieder zu kleineren Pöbelein und Beschimpfungen zwischen den Getreuen zweier Mannschaften kam. Von überall her drangen Sprechchöre an mein Ohr, dazwischen war lautes Gegröle oder heiteres Lachen gemischt. Wir passierten einen Bierausschank, einen Stand mit Brezeln und einen weiteren, an dem Zuckerwerk angeboten wurde. Aus dem Inneren schwoll der Lärm stetig an: Es wurde Zeit, sich einen Platz zu suchen. Block 6, Reihe 23… ich hatte ein klares Ziel.

Wir hatten gerade erst Platz genommen, da sprangen alle um uns herum auch schon wieder auf und zwangen mich somit, mich ebenfalls zu erheben, um etwas erblicken zu können. Lautes Jubelgeschrei setzte ein, Fahnen wurden geschwenkt. Zwei kräftige Burschen führten einen friedlich trabenden Stier in Mitte der Arena, mitten auf das Feld. Dahinter folgten zwei ebenso kräftige Männer. An einer Leine angebunden folgte ihnen ein nostrischer Auerhahn. Die Tiere wurden in gegenläufiger Runde an den gut gefüllten Blöcken vorbei geführt und je nach Block mit lautem Jubel oder protestierenden Buh-Rufen empfangen. Das Schauspiel wirkte auf mich insgesamt höchst lächerlich. Schließlich erreichten die Tiere jeweils eine lange Bank. Eine Bank, an der gerade das Huhn festgebunden wurde, wurde genau vor unseren Block gestellt. Die Andre, neben der der Stier an einem Pflock befestigt wurde, stand ein Stück von der anderen entfernt zu unserer Linken. Das Geschrei der Besucher steigerte sich weiter, als die Mannschaften schließlich den Rasen betraten. Artig reihten sich die Spieler links und rechts der Mittellinie auf, sich dabei herausfordernd anschauend. Plötzlich kehrte Ruhe ein, nur um vom schlagartig einsetzende Gesang der rechten Mannschaft wieder gestört zu werden. Die Rotgekleideten stimmten stolz das “Nostria, oh stolzes Land” an, woraufhin auch die Anhänger mit einsetzten. Es war eine Schande für meine Ohren! Aus den Blöcken, die von den Anhängern der Bullen besetzt wurden, drangen vereinzelte Pfiffe, insgesamt verhielten sie sich aber doch erstaunlich ruhig. Nachdem das Gegröle um mich herum abgeklungen war, begann die Mannschaft in den dunkelblauen Hemden, das “Treu’ Albernia” anzustimmen. Auch diesmal unterstützten die Bullen-Anhänger ihre Mannschaft lautstark, während aus den Nostria-Blöcken ein wahres Pfeifkonzert erklang. Schließlich trabten die Auswechselspieler zu den Bänken, Betreuer rollten kleine Fässer heran, fünf schwarz-gekleidete Schiedsrichter betraten das Feld, das gleichmäßige Gejohle aus den Rängen setzte wieder ein. Beide Mannschaften begannen das Spiel verhalten, wie mir Binya erklärte, da ich wohl recht verständnislos dreingeguckt hatte. Ein recht defensives Geplänkel begann, das beiden Mannschaften einen verletzten Spieler verschaffte. Ein langweiliges Spiel drohte sich abzuzeichnen, bis plötzlich ein als Ultaf bejubelter Nostria-Stürmer punktete. Die Bullen verstärkten daraufhin die Offensive und gingen nach zwei erfolgreichen Angriffen schließlich in Führung. Trotzdem, ich verstand nicht so richtig, was dort unten auf dem Platz geschah. Da war mir ein ehrliches Gladiatorengefecht, bei dem ordentlich Blut floss wirklich lieber.

Die Bullen bauten ihre Führung langsam aus, auch wenn die Edelmut-Spieler nach dem Einsetzen dicker Regentropfen deutlich zulegen konnten. Offenbar kamen sie mit dem Regen besser zurecht, schafften es aber nicht, zu den Bullen aufzuschließen, die durch erhöhten Körpereinsatz versuchten, die flinkeren Edelmut-Stürmer zu stoppen. Die Schiedsrichter unterbrachen das Spiel immer häufiger, eine dickliche Frau im Edelmut-Hemd musste gar mit einem verdrehten Bein vom Platz getragen werden. Ich nutzte die Pausen, um mir das Stadion und das darin befindliche Publikum anzuschauen, schließlich suchte ich ja jemanden. Die Euphorie der Anhänger stieg langsam, auf der gegenüberliegenden Seite kam es bereits zu einer kurzen Prügelei und jetzt erkannte ich gar noch zwei bekannte Gesichter. Ein dunkelgekleideter Mann mit einer großen Hakennase begleitete eine rothaarige Frau, die sich einen Weg durch die Menschen bahnte. Auch diese beiden schauten angestrengt in die Menge und wandten sich schlagartig um, als sie mich erblicken. Ich sprang auf, um den beiden zu folgen, schließlich wollte ich mit ihnen noch mindestens ein Wörtchen wechseln.

Die beiden bahnten sich einen Weg durch die Zuschauer, erst langsam, dann immer schneller. Anfangs konnte ich problemlos aufholen, dann geriet ich jedoch an wütend schimpfenden Edelmut-Anhänger, denen gerade ein Ellbogen in den Bauch und ein Knie gegen den Oberschenkel gedrückt worden war. Die Distanz vergrößerte sich daraufhin wieder etwas, so dass gut 40 Schritt zwischen den beiden und mir lagen. Schließlich erreichten die zwei eine der breiten Haupttreppen und folgten ihr nach oben, wie ich aus der Ferne sehen konnte. Offenbar wollten sie einen überbauten Eingang erreichen, der ins Innere des Stadions führte. Um den Sichtkontakt nicht zu verlieren, legte ich ein wenig an Tempo zu, musste dabei jedoch erkennen, dass sich die Treppe aufgrund des Regens in eine rutschige Strecke verwandelt hatte, die ich nicht ganz so flott erklimmen konnte, wie ich mir das gewünscht hätte. Nun hat mir Phex ja wirklich eine natürliche Anmut mitgegeben und meine Bewegungen recht geschmeidig gemacht, aber die rutschigen Stufen hätten wohl einen Akrobaten erfordert, und ein solcher war ich eben nicht.

Ich  folgte der Treppe so schnell ich konnte nach oben, rutschte aber immer wieder aus und stürzte dabei auch einmal beinahe nach hinten, was mich wertvolle Zeit kostete. Die breite Treppe endete unter einem schlichten Holzdach, das den Zugang zum Inneren ein wenig vor dem Wetter schützte. Der Regen tropfte von den schweren Holzbalken in meinen Kragen, während das Tageslicht das Innere erhellte. Ein wenig tiefer führten zwei Steintreppen links und rechts nach unten. Sehen konnte ich die Geflüchteten nicht mehr, also blieb mir nur zu raten. Ich beschloss, wie schon so oft im Leben, den linken Pfad zu nehmen.

Ich stolperte die linke Treppe nach unten. Drei Schritt tiefer schloss sich ein Absatz an. In entgegengesetzter Richtung folgte wiederum eine Treppe nach unten, drei Schritt tiefer folgt dann das nächste Stockwerk. Einen Absatz tiefer befand sich eine eisenbeschlagene Tür, aber auch hier führte die Treppe über zwei weitere Abschnitte noch weiter in die Tiefe.

Die Treppe mündete in einen breiten Säulengang. Gegenüber schloss sich die zweite Treppe an, die offenbar parallel verlief, es wäre also egal gewesen, wie rum ich gegangen wäre. Alle acht Schritt überspannte ein kunstvoll herausgearbeiteter Bogen die Steinkacheln. Der Gang wurde von zahlreichen Öllampen erhellt, dazwischen hingen verschiedene Wappen und Gemälde mit Darstellungen wahrscheinlich berühmter Spieler, die mir alle unbekannt waren. Das Gangstück war nicht so sehr mit Menschen gefüllt wie das, durch das ich das Stadion betreten hatte. Zu meiner Linken befand sich ein kleiner Stand, an dem eine ältere Frau gerade einem kleinen Jungen eine Brezel verkaufte. Zu meiner Rechten, ein gutes Stück entfernt, brüllten ein paar stämmige Kerle wüste Beschimpfungen in den Gang. Dass diese nicht erwidert wurden, schien die Truppe aber nicht sonderlich zu beruhigen, sondern eher weiter anzustacheln. Ich wand mich nach rechts, woher das Geschrei kam. Es waren nicht die üblichen Tiraden gegen den vermeintlichen Feind. Eher Gebrüll , das man einem unliebsamen Schubser hinterherschrie.

Ich stürmte an der laut tönenden Gruppe vorbei, was auch mir die eine oder andere wüste Beschimpfung einbrachte. Dem Gang folgend, erreichte ich nach kurzer Zeit eine große Halle, deren Decke von acht mit Bannern behangenen Säulen getragen wurde. Dazwischen drängten sich Anhänger beider Mannschaften, lauthals diskutierend, wieso die Bullen führen und gewinnen müssten und warum man daher nicht mehr im Regen stehen brauchte. Ich hielt nach den beiden Gesuchten Ausschau, konnte aber nichts entdecken. Plötzlich stand das kleine Mädchen wieder vor mir, dem ich vorhin Gnade erwiesen hatte. Es wirkte ein wenig schüchtern und verlegen, zeigte dann aber mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf einen breiten Durchgang in südlicher Richtung und dokumentierte diese Geste mit erstaunlich kräftiger Stimme: “Sie sind da lang gelaufen, ich habe sie gesehen.” Bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte sich das Kind auch schon wieder umgedreht und war zwischen den zahlreichen Leibern der Umstehenden verschwunden. Phex, deine Wege und deine Kinder sind wirklich unergründlich. Aber was sollte ich mich beschweren?

Ich drängelte mich durch die Menschenmenge in Richtung Durchgang. Die Halle war genauso breit wie die vorherige, jedoch mindestens doppelt so lang. Die Südmauer war zwischen jedem zweiten Bogenpaar durchbrochen worden. Breite Tore versperrten die meisten Durchgänge, jeweils zwei am Ende der Halle waren aber geöffnet. Zwischen den zahlreichen Säulen waren verschiedene Kutschen abgestellt. Vom sportlichen Vierspanner bis hin zum riesigen Ochsenkarren für schwere Lasten war alles vertreten. In einer langen Reihe an der Nordwand waren Boxen für Reitpferde angebracht, die dem Gewieher nach ebenfalls reichlich genutzt wurden. Ich blickte mich kurz nach den Gesuchten um. Ein lauter Pfiff ließ mich zusammenzucken, hastiges Hufgetrappel drang an mein Ohr. Zu meiner Linken setzte sich eine schwarze Kutsche, gezogen von vier schwarzen Pferden, in Bewegung. Diesen Anblick kannte ich. Auf dem Kutschbock saß der hagere Kerl, die Frau war nicht zu sehen, saß aber vielleicht hinter den Vorhängen, die die Sicht ins Innere versperrten. Das Gefährt preschte in vollem Tempo heran, vermutlich steuerte der dunkel gekleidete Kutscher den Ausgang zu meiner Rechten an. Ich hatte zwar noch keine Ahnung, wie ich die Kutsche stoppen wollte, aber vielleicht bremsten die Pferde ja Ihren Galopp, wenn ich mich mitten auf den Weg stellte? Nein, das war Wunschdenken, eher würde mich dieser rücksichtlose Kerl auf dem Kutschbock einfach überfahren. Auf die Kutsche in voller Fahrt aufzuspringen würde mir wohl kaum gelingen und auch ein Pferd ‘leihen’, um das Gefährt im Gallop durch die Stadt zu verfolgen hätte meine bescheidenen Reitkünste wohl überfordert. Und um  mich herum waren einfach zu viele Menschen als Zeugen. Ein kleiner BlitzDichFind gegen die Pferde, ein Fuliminictus um den Kerl vom Bock zu holen… aber dann würde man mich statt dieser Verbrecher in dieser vermaledeiten magophoben Stadt einsperren und wahrscheinlich gleich verbrennen oder sowas. Verdammt, so nah dran, und dann doch gescheitert… es war frustrierend.

 

Laut fluchend ließ ich die Kutsche passieren. Mit großem Geschick, das mir die Richtigkeit meiner Entscheidung verdeutlichte, jagte der Kutscher das Gefährt durch das enge Tor, bevor es aus meinem Blickfeld verschwand. Enttäuscht lief ich zurück in die kleinere Halle. Solche Mühen und welcher Lohn? Wenigstens war ich unverletzt geblieben.

Enttäuscht setzte ich mich auf eine der vielen Steinbänke, die die Säulen der Innenhallen umfassten. Wie gerne hätte ich mit der Frau ein paar Worte gewechselt oder gar ein paar Zauber sprechen lassen (über Fäuste hätten sie wahrscheinlich in meinem Fall nur gelacht). Wie lange sollten mir die beiden denn noch das Leben schwer machen – und vor allem: Wieso taten sie das? Nach kurzer Zeit gesellten sich auch Cordovan und Binya dazu. Die Lust auf den Rest des Spiels oder einen gemütlichen Stadtbummel war mir vergangen und auch die beiden hatten keine Lust, weiter im Regen zu sitzen. Kurze Zeit später wurden überall kleine Glöckchen geschlagen. Die Massen machten sich daraufhin wieder auf den Weg zu den Tribünen. Offenbar begann die zweite Halbzeit, so dass wir in Ruhe mit Cordovans Gefährt das Stadion verlassen konnten. Der Regen hatte leider kaum nachgelassen, unermüdlich zogen düstere Wolken über den Himmel. Im gemächlichen Tempo fuhren wir durch die Straßen, die trotz der dicken Regentropfen von unzähligen Passanten gesäumt waren. Schließlich passierten wir das mir inzwischen wohlbekannte Stadttor und folgten der Landstraße durch die weiten Felder vor der Stadtmauer, bis wir nach einiger Zeit ein kleines Wäldchen rreichten.

Schon ein ganzes Stück von Havena entfernt, lösten die ersten kleineren Baumgruppen und Wälder das Ackerland zusehends ab. Vor uns erstreckte sich ein solches Wäldchen, welches ein gutes Drittel auf dem Weg zu Cordovans Anwesen markierte. Noch immer leicht niedergeschlagen folgten wir der Landstraße in den schattigen Wald. Der Weg beschrieb einen weiten Linksbogen, von dessen Ende ein unheilvoller Lichtschein drang. Wenig Schritte später erkannten wir dann auch die Ursache der gespenstischen Schattenspiele: Ein gutes Stück abseits der Straße lag das brennende Wrack der Kutsche auf dem Dach, kleine brennende Trümmerstücke waren über ein weites Gebiet verteilt, und mitten in der Schneise, die das Gefährt durch die Bäume gezogen hatte, zeichnete sich die schwarze Silhouette eines liegenden Pferdes ab. Das musste ich mir näher ansehen.

Das Wrack lag auf den Resten des Dachs, große Teile des Wagens brannten. Dichter Rauch stieg nach oben, ein paar brennende Holzspäne wurden vom Wind durch die Luft getragen. Die vordere Achse war abgerissen und lag etwas abseits, die hintere gebrochen, so dass die großen Räder leicht zur Seite hingen. Die Inneneinrichtung war komplett verbrannt, ebenso der Kutschbock. Doch was lag dort? Vor mir im Schlamm entdeckte ich ein einzelnes Pergamentblatt, das vermutlich beim Überschlagen der Kutsche herausgeschleudert wurde.

Folgend die Ergebnisse der Recherche über den Ort des IrionGrabes: Aus den uns zur Verfügung gestellten Quellen lässt sich der Ort, an dem Irion von Wylgenhain begraben wurde, wie folgt bestimmen: Hollbeerwiesen am Muurensee Weitere Recherchen dazu ergaben: Muurensee: ein in Albernia gelegener See nahe der Stadt Havena Hollbeerwiesen: ein in der betreffenden Gegend bekanntes Gebiet von etwa einer Rechtmeile, größtenteils landwirtschaftlich bebaut

Ich nahm das Blatt vorsichtig an mich, schließlich wollte ich das durchnässte Pergament nicht zerreißen. Vielleicht waren der Hagere und die Rothaarige dort oder sie wollten dort noch hin. Grübelnd wand ich mich ab um weiterzusehen.

Mitten auf der Landstraße entdeckte ich ein paar größere Äste, die wohl vom Wind herabgerissen worden waren. Dahinter begannen ein paar tiefe Spuren der schweren Wagenräder und unregelmäßige Hufspuren, die zunächst in den Straßengraben, aber dann in einem harten Bogen zurück auf die Straße führten. Schließlich begann eine breite Schleifspur, die in der Waldschneise mündete. Offenbar war die Kutsche sehr zügig unterwegs gewesen. Von den größeren Ästen aus der Spur gebracht, war der Wagen wohl  vom Weg abgekommen und hart zurückgelenkt worden – so hart, dass der Wagen umkippte. Die Pferde hatten sich – bis auf ein einziges – anscheinend sehr früh losgerissen und waren allem Anschein nach verschwunden. Aber alles deutete auf einen Unfall, keinen geplanten Angriff hin.

Während Binya fassungslos auf das Pferd starrte, hielt sich Cordovan bei seinem Wagen auf und beobachtete die Szenerie von der erhöhten Position des Kutschbocks aus: “Weißt du, mein Freund, was mich stutzig macht?” Erwartungsvoll zog ich mich auf einem der schweren Wagenräder zu ihm hinauf, die vertrauliche Anrede wie immer ignorierend. “Wo sind die Menschen, die Opfer oder Täter? Sieht man von dem Pferd einmal ab, gibt es keine Leichen und auch keine Verletzten. Hier sind aber auch keine Wegelagerer oder zwielichtiges Gesindel, welches der Kutsche aufgelauert haben könnte. Nicht einmal Spuren!” Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander und ließen die Trümmerlandschaft auf uns wirken, dann stieg ich wieder vom Kutschbock herab. Er hatte ja Recht. Bei so einem Unfall hätte sich der Fahrer oder die Insassen den Hals brechen müssen, oder wären zumindest schwer verletzt gewesen. Wo waren die beiden? Sehr seltsam.

Binya hockte schweigend neben dem Pferd. Aufgrund des Regens konnte ich nicht sagen, ob Tränen oder Regentropfen ihre Wangen hinunterliefen. Ich setzte mich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern. Sie ließ es zu. Eine Weile blieben wir im Regen sitzen, ohne dass Binya ein Wort sagte und eine seltsame Ruhe erfasste mich, angesichts des traurigen Mädchens.

Nachdem ich meine Sachen wieder auf dem Wagen verstaut hatte, gab ich Binya und Cordovan ein Zeichen, nach Hause fahren zu wollen. Binya stieg zu Cordovan auf den Kutschbock. Als ich es ihr gleich tun wollte, richteten sich meine Nackenhaare auf. Ein mulmiges Gefühl überkam mich.

Hesinde sei Dank für meine durch zahllose Abenteuer geschärften Sinne! Ich  ließ mich fallen und sprang zurück auf die Landstraße. Im Augenwinkel sah ich eine Gestalt aus dem Wald hervortreten, die ohne zu zögern etwas in meine Richtung warf. Ich warf mich erneut zur Seite, um dem heranfliegenden, brennenden Holzscheit auszuweichen. Zwar blieb ich dabei unverletzt, doch ein plötzlicher Ruck der Kutsche und der enorme Antritt der Pferde ließ mich vermuten, dass die Gestalt zumindest einen Teil Ihres Ziels erreicht hatte.

“Bastard!” Mit einem lauten Schrei löste sich der Schatten vom Waldrand. Der Mann war groß gewachsen, vielleicht ein wenig zu dünn, aber überall dort, wo seine dunkle Kleidung zerrissen war, erkannte man, dass er sehnig und trainiert war. Von einem Augenblick auf den nächsten hatte er einen Khunchomer gezogen. Noch immer schritt er entschlossen auf mich zu, auch wenn ich inzwischen zahlreiche Kratzer und auch zwei tiefere Wunden am Waffenarm erkennen konnte. Diskutieren schien sinnlos zu sein, dieser Kerl wollte Blut sehen. Warum auch immer. Mein Blut! Dazu würde es nicht kommen. Noch während er auf mich zuging nahm ich den Stab zur Hand, deutete mit dem Ende auf ihn und brüllte ihm ein „Fulminictus Donnerkeil“ entgegen. Es war nicht der beste Fulminictus, den ich je zusammengebracht hatte, aber anhand des Kraftaufwandes dessen es bedurfte konnte ich zumindest sicher sagen, dass er vorher schon ziemlich geschwächt gewesen sein musste, so leicht wie er wenige Schritt vor mir tot zu Boden sank. Den Kunchomer nahm ich an mich. Zwar konnte ich ihn nicht führen, aber irgendwo versilbern ließ sich die Waffe auf jeden Fall, oder würde im schlimmsten Fall meine Passage nach Bethana bezahlen.

Es dauerte eine kurze Zeit, bis sich mein Atem wieder beruhigte, der sich im Eifer des Gefechts wohl beschleunigt hatte. In der Zwischenzeit waren auch Binya und Cordovan zurückgekehrt. Die beiden halfen mir auf den Wagen, wo Binya in Ruhe meine Wunden verbinden wollte, aber ich hatte ja keine. Aus großen Augen sah mich das Mädel zweifelnd an. Ich vermute, sie hatte noch nie das Werk eines Magus miterlebt. Dann setzte sich der Wagen wieder in Bewegung.

Noch immer regnete es in Strömen, ein steter Wind wehte vom Meer über das Land. Cordovan saß mir gegenüber auf der Sitzbank in der großen Küche, Binya brachte gerade ein Tablett zum Tisch, auf dem drei bauchige Tassen mit dampfendem Tee standen. Ich streckte mich und spürte dabei meine ausgekühlten Muskeln und Knochen. Binya reichte mir lächelnd eine Tasse, ihrem Vater eine zweite und stellte schließlich die letzte an den Platz am Tisch, auf dem sie sich niederlies. Der Tee wirkte belebend, neue Kraft erfüllte meinen Körper. Auch Binya und Cordovan gönnten sich einen tiefen Schluck, dann schauten die beiden fragend in meine Richtung. Dabei waren sie doch die Hausherren und Opfer dieser Geschichte. Aber so war es nun einmal. In Krisensituationen übernahm es automatisch die geborene Führernatur eines Magiers, den Weg zu bestimmen und Entscheidungen zu treffen. Noch einmal ließ ich die Ereignisse der letzten Tage Revue passieren: den Brand in der Scheune, Binyas kurzes Verschwinden, meinen Ausflug nach Havena, den Ausritt zum Hof Tsafried Rundareks, den nächtlichen Überfall, das Spiel der Bullen und die verunglückte Kutsche. Ich dachte ein paar Minuten nach, dann erklärte ich den beiden, was ich zu tun gedachte. Das Weib und der Dunkelhaarige waren noch da draußen, dass die Gefahr gebannt war, konnte ich den Beiden also kaum guten Gewissens mitteilen. Und die reine Verteidigung seines Hofes würde Cordovan und Binya nichts bringen, sie mussten ja weiter ihren Geschäften nachgehen und wären dabei auch in Zukunft angreifbar. Es war jetzt die Zeit gekommen, das Heft in die Hand zu nehmen, das Warten und die Ungewissheit waren mir zuwider geworden. Diese Übel musste man wie Unkraut von der Wurzel ab vernichten. Nur was sollte ich tun? Erneut nach Havena aufbrechen? Das ergab keinen Sinn. Der Rundarek-Hof war zwar in der Nähe, aber dort waren wir ja schon gewesen, etwas Neues würden wir dort sicher nicht erfahren. Einzig einen Hinweis hatte ich von dem Stück Pergament, auf diese ominösen Holbeerwiesen. Ich war mir im Klaren, dass meine Gegner in der Vergangenheit stets schnell und im Verborgenen gehandelt hatten und ich dementsprechend konsequent einen Plan umsetzen müsste. Und da ich die Situation eh schon persönlich nahm… dieses Problem würde ich noch lösen, bevor ich, und das hatte ich gerade eben beschlossen, zurück nach Bethana fuhr. Aber das naheliegende zuerst. Ich erkundigte mich bei Binya und Cordovan nach dieser Wiese, und wieder überraschte mich das Mädel. Anstatt  mir nur den Weg zu weisen straffte sie sich, und teilte mir unumwunden mit, dass sie mich begleiten würde.

Binya ließ zwei Pferde satteln, packte ein paar Dinge wie Wasser, Proviant und ihre schlichte Skraja, eine Art kurzstieliger Axt,  ein und machte sich dann abmarschbereit. Ich hatte den Eindruck, als lägen ihre Reisesachen eh immer Griffbereit, so zügig ging alles. Schnell hatten wir  den Hof hinter uns gelassen. Trotz des Regens kamen wir gut voran. Der Ritt zu den Hollbeerwiesen dauerte trotzdem gute sechs Stunden.  Ich fragte mich daher, wie Cordovan dieses Land Sinnvoll bewirtschaften wollte? Eine Plantage, ähnlich wie wir es im Süden machten vielleicht? Erst mit Hereinbrechen der Dunkelheit und inzwischen bis auf die Haut durchnässt, kamen wir in die Nähe der Felder. Auf einer kleinen Anhöhe machten wir Halt. Vor uns erstreckte sich weites Wiesenland, das an einigen Stellen von Weideflächen oder Äckern unterbrochen war. Ein ganzes Stück weiter weg entdeckte ich eine größere Wasserfläche, den Muurensee, wie mir Binya verriet. Entlang der Landstraße säumten zahlreiche Laubbäume den Wegesrand. Der langgezogene Wald war zwar mit Ausnahme zweier Stellen nicht sonderlich breit, dafür aber relativ dicht und zog sich immerhin bis zum See. Kurz vor dem Gewässer zweigte ein kleinerer Pfad nach Süden ab. Auch er wurde von zahlreichen Bäumen flankiert und verlief in einigem Abstand parallel zum Flussufer. Ich ließ meinen Blick nach rechts schweifen, bis der Weg zwischen weiten Feldern zum Vorschein kam. Ein unbeleuchtetes Bauernhaus stand am Waldrand, ansonsten waren keine Bauwerke zu erkennen. “Das ist das einzige Haus in dieser Gegend”, erklärte mir Binya, “aber es wurde schon vor Jahrzehnten verlassen. Dort, weiter in Richtung Süden, liegen die eigentlichen Hollbeerwiesen. Sie werden durch den See und die kleine Straße begrenzt.” Binya zeigte dabei auf eine Stelle rechts des Hauses. Hatte dort nicht gerade etwas aufgeleuchtet? Und dann ein Stück weiter links in der Bauernkate? Ich schaute noch einmal angestrengt, sah aber nichts. Mit einem leicht mulmigen Gefühl ritten wir weiter, der Straße folgend durch den Wald, bis wir schließlich eine Weggabelung erreichten. Binya wies auf den rechten Weg: “Da lang, dann kommen wir zur Kate.” Ich versuchte, sie aufmunternd anzulächeln, dann sprang ich vom Pferd, band es an einem der zahlreichen Bäume fest und gab Binya ein Zeichen, es mir gleich zu tun. Schließlich griff ich nach dem Stab und folgte dem Pfad.

Die sandige Piste war vom Regen aufgeweicht und dadurch nur schwer begehbar. Das Laufen war anstrengend und die Nässe zermürbend. Wenigstens war es noch angenehm warm, auch wenn die Sonne schon fast zur Gänze hinter dem Horizont untergegangen war. Nach etwa zehn Minuten Fußmarsch lichtete sich der Wald vor uns. Vorsichtig schlichen wir an den Waldrand heran und hockten uns hinter einen großen Hollbeerbusch. Kurz war ich abgelenkt. Das erste Mal, dass ich so einen Busch aus der Nähe und in echt sah. Ich erinnerte mich daran, dass er im Folianth der Kreutherkunde erwähnt wurde, aber mir wollte partout gerade nicht einfallen, welchen Nutzen er hatte. Schätzungsweise fünfzig Schritt vom Busch entfernt, entdeckte ich die Kate. Ein Teil des Daches fehlte, die linke Ecke des Hauses ebenso. Dafür waren alle Fensteröffnungen mit Holzbalken vernagelt worden. Aus dem Inneren drang ein schwaches Leuchten, ab und an trug der Wind einzelne Laute heran. Ein gutes Stück hinter dem Haus, mitten auf dem Acker, entdeckte ich eine vielleicht zwei Schritt hohe Erhebung, auf der ein größerer Stein oder etwas Ähnliches stand. Daneben steckten zwei Fackeln im Boden, die ihr Licht auf drei Gestalten warfen, von denen zwei mit kurzen Schaufeln ein Loch aushoben. Die dritte stand daneben, die Hände in die Hüften gestützt und in das Loch schauend. Wir beobachten die Szenerie einige Minuten, bis plötzlich eine vierte Gestalt durch das Loch in der Hauswand trat. Sie trug einen Eimer und kam auf den Waldrand zu, steuerte aber ein Plätzchen etwa vierzig Schritt neben uns an. Als sie näher kam, erkannte ich einen jungen Burschen. Das Tragen des Eimers bereitete ihm offenbar Mühen. Ich folgte mit dem Blick seinem Weg und entdeckte schließlich sein Ziel: zwei Esel, die neben zwei Pferden müde im Gras lagen. Derweil überlegte ich, was zu tun war. Blank ziehen und uns zu zweit den 4 Gesellen stellen schied schon einmal aus. Gut, ich hätte da schon eine Variante gehabt, die mir das möglich gemacht hätte. Flux einen Hesthoth beschworen, Zeit genug hatte ich anscheinend, und das Problem wäre gelöst gewesen. Aber ich wollte Binya jetzt nicht auch noch erschrecken. Und soweit ich wusste stand auf Beschwörerei in diesen Landen auch eine ziemlich empfindliche Strafe. Ich konnte Binya jetzt schlecht weg schicken. Den Burschen ansprechen wollte ich auch nicht einfach. Wenn er Alarm schrie hätten wir das gleiche Problem, nur schlimmer. Aber ihn bei den Maultieren abpassen und in Borons Traumland schicken konnte vielleicht gelingen.

Kurze Zeit später hatte der Bursche sein Ziel erreicht. Er stellte den Eimer ab und schaute  nach den Tieren. Im Schatten der Bäume sollte man vom Haus aus nichts sehen können, dachte ich bei mir. Schnell sprang ich auf und schlug mit dem Stab auf den Kopf des jungen Mannes, welcher, ein wenig zu meinem Erstaunen, sofort zu Boden ging. Im Kampf wäre er wohl eher keien große Bedrohung gewesen.  Sicherheitshalber zogen wir ihn ein Stück tiefer in den Wald, wo ihn Binya mit einem Strick fesselte, den sie aus ihrer Tasche zauberte. Wenige Augenblicke später hockten wir wieder hinter dem dichten Busch am Waldrand. Am Haus tat sich nichts weiter, und die 3 anderen waren anscheinend noch beschäftigt. Trotzdem, ein frontaler Angriff schien mir immer noch zu gewagt. Also wollte ich mir nur einmal kurz die Hütte ansehen.

Mit einer knappen Geste wies ich Binya an, in der Deckung zu verharren. Ich kauerte mich dicht auf den Boden und robbte vorsichtig auf das Haus zu. Immer wieder hielt ich inne, zwang mich zum ruhigen Atmen und achtete auf die Gestalten hinter dem Haus. Schließlich hatte ich die Kate erreicht. Ich drückte mich gegen die Wand und lauschte angestrengt. Süßer Rosenduft drang aus dem Haus, dann vernahm ich eine leise Stimme: “Ilvidoch, wir kommen. Ha, jetzt, wo wir den Schlüssel haben, kann mich nichts mehr aufhalten.” Dann verstummte die unbekannte Frauenstimme. Nun ja, ich konnte mir eigentlich denken, zu wem sie gehören mochte. Kurze Zeit später entdeckte ich die Rothaarige, die das Haus verließ und auf die drei grabenden Gestalten zulief. Ich beobachtete ein kurzes Gespräch, dann griff einer der Männer nach einem Bündel und lief gemeinsam mit der Frau zu den Tieren am Waldrand. Er half der Frau auf ein Pferd, verstaute dann das Bündel am Sattel und schwang sich in denselben. Anschließend trieb er seinen Schimmel voran und die beiden verschwanden mit ihren Tieren hinter dem Wäldchen. “Schau mal, Broc! Da sucht wohl jemand Ärger. Haha!” Erschrocken fuhr ich zusammen. Keine zehn Schritt von mir entfernt stiegen die beiden Gestalten aus dem Loch und zogen Ihre Waffen. Einer der beiden war etwas kleiner als der andere, dafür aber über und über mit einem dichten, schwarzen Fell bedeckt. Der vorgezogene Unterkiefer trug zwei kurze Hauer, die Haltung war gedrungen und aufmerksam. Vor mir stand tatsächlich ein Ork! Wäre es gerade nicht so bedrohlich gewesen, ich wäre fasziniert gewesen. Er trug eine einfache Lederrüstung, bewaffnet war er mit einer krummen, gewellten Klingenwaffe, das musste ein Arbach sein dachte ich mir. Ein Gladiator in der Arena hatte so ein Stück einmal anstatt eines Sklaventods als besonders exotische klinge geführt und war damit recht erfolgreich gewesen, falls ich mich recht erinnerte. Links neben ihm hatte sich ein schmutziger Kerl aufgebaut, der den Ork um einen Kopf an Höhe überragte und seinen muskulösen Körper kaum bedeckt hatte. Trotz des Regens trug er nur ein kurzes Hemd, dazu halblange Hosen und in seiner Rechten eine einfache, aber nicht minder eindrucksvolle Axt. Ich war kaum aufgesprungen, da stürmten die beiden auf mich zu.

Für einen schützenden Armatrutz fehlte mir die Zeit, also tat ich das erstbeste, was sich schon öfter bewährt hatte. Fulminictus Donnerkeil! Fragt mich nicht warum, aber irgendwie schien mir der Ork bedrohlicher, deswegen erkor ich ihn zum Ziel. Es muss wohl das fremdartige gewesen sein, diese Unsicherheit, nicht abschätzen zu können was ein Ork als Gegner bedeuten mochte. Der Pelzbursche schrie auf klappte wie ein Stuhl der unter einem zu fetten Kerl zerbrach zusammen, taumelte noch ein Stück vorwärts und rannte mir dabei mehr als das ich ihn richtig schlug in den Stab, der ihn endgültig zu Boden schickte. Irgendwie hatte ich mir einen Ork zäher vorgestellt. Dafür brüllte der andere Kerl wutentbrannt auf und begann, mich mit seiner Axt zu bedrängen. Ich hatte alle Mühe, mir den verbissen zuschlagenden Kerl vom Leib zu halten. Wieder kam mir die Länge meines Stabes zu Gute, aber es dauerte nur Sekunden, bis der verschwitzte Geselle näher an mich heran rückte und nach mir zu schlagen begann. Wobei, und das musste ich in aller laienhafter Art feststellen, ein professioneller Kämpfer war er wohl nicht. Er führte seine Axt zwar mit großer Kraft, aber mit wenig Finesse. Die Bewegungen wirkten plump, fast so als hieb er normal auf stehende Ziele ein und nicht auf etwas das sich bewegte. Ein Holzfäller vielleicht? Erstaunlich welche Gedanken einem in wenigen Herzschlägen durchs Hirn schießen konnten. Nichtsdestotrotz war der Schlag gegen mein Bein, den er mir verpasste schmerzhaft und blutig. Ich stöhnte auf und wollte gerade noch einmal meine Kraft sammeln,  da fegte ein harter Tritt meine Beine um und ließ mich auf dem Rücken aufschlagen. Bevor die Waffe meines Gegners die Stelle erreichte, an der gerade eben noch mein Kopf im nassen Gras lag, rollte ich mich zur Seite und ging in die Hocke. Ein weiterer verzweifelter Sprung, um einem erneuten Hieb auszuweichen, und dann stand ich wieder meinem Gegner gegenüber. Laut keuchend wunderte ich mich über die erschreckende Ausdauer, die dieser an den Tag legte. Ich hob erschöpft den Stab, da wurde der auch schon wieder zur Seite geschlagen. Meine Deckung war offen, ich ahnte schon, dass gleich eine Axt meinen Brustkorb öffnen würde wie ein Koch das Hühnchen, da  sackte der Kerl wie vom Blitz getroffen vor mir plötzlich zusammen, bevor er seinen finalen Schlag führen konnte. Hinter ihm stand Binya, die Süße, die Goldige, die Holde, die entschlossen ihre blutige Skraja anstarrte die in seinem Rücken steckte. Ich  atmete ein paar Mal tief durch, dann redete ich beruhigend auf Binya ein, nicht ganz sicher ob ich jetzt sie oder doch mich selbst beruhigen wollte, bevor wir im Haus Schutz vor dem Regen suchten. Den Arbach und die Axt nahm ich mit, nicht ohne dem Ork noch kurz seinen eigenen Stahl, nur zur Sicherheit, in die Brust zu stoßen.  Einer Sache war ich mir jetzt auf jeden Fall sicher. Sobald ich wieder daheim war würde ich mir noch einmal die Magie des Stabes vornehmen, das Buch von meinem ersten Besuch in Bethana. Und zwar den Teil mit den praktischen Übungen im Stabfechten, nicht das theoretische Zeugs. Bisher hatte ich das absichtlich ausgelassen, ich war der Meinung ein wacher Geist würde so profane Dinge nicht brauchen. Aber ein wacher Geist konnte nicht immer eine blanke Axt aufhalten wie mir schien. Nein, das würde ich unbedingt noch nachholen müssen, so viel Zeit würde ich mir nehmen.

Müde hockte ich in einer Ecke des Hauses. Das halbe Dach fehlte, ebenso wie die gegenüberliegende Wand. Die Kate besaß früher einmal zwei Räume, doch waren von der Trennwand nur noch wenige Steine übrig geblieben. Die Mauern waren rußgeschwärzt, Asche lag in den Fugen, die vom Wind unberührt geblieben waren. Der Regen prasselte auf die Holzdecke, sammelte sich und tropfte schließlich im Nebenraum zu Boden, wo sich eine riesige Pfütze gebildet hatte. Dort lagen fünf inzwischen durchnässte Schlafsäcke und Decken, eine kleine, erloschene Feuerstelle war auch noch zu erkennen. Zwei Rucksäcke lehnten an der Wand. In dem Zimmer, in dem wir gerade saßen, stand lediglich eine zum Tisch umfunktionierte Kiste, auf der ein paar Bögen Pergament unter einer Sturmlaterne lagen. Auch wenn die Ereignisse der letzten Stunde anscheinend etwas zu viel für Binya waren, erholte sie sich doch erstaunlich schnell. Nach einigen Minuten schlug sie mir sogar vor, die Pferde zu holen, ein Spaziergang würde ihr sicherlich gut tun. Bevor ich etwas dazu sagen konnte, war sie auch schon aufgesprungen und schwang sich ihr Cape über den Rücken. Nun, zumindest würde ich, da wir ja Pferde hatten, die noch zu gebrauchenden Dinge hier am Ort einsammeln. Also wanderte zu der Axt und dem Arbach noch die Sturmlaterne, ich entleerte den saubereren der beiden Rucksäcke von seinem Inhalt und strich die noch trockenen Pergamentbögen glatt, um sie meinem Vorrat zuzufügen. Leider waren diese schon beschrieben worden, also begann ich neugierig zu lesen.

3. Rondra 989 BF: Der Angeklagte ist nicht willens, ein Geständnis abzulegen. Zur Klärung der Angelegenheit werde ich morgen Eboreus Dragenmut aufsuchen und ihn um Rat und Hilfe in der Angelegenheit bitten. Ich werde alleine reisen, die Befehlsgewalt geht damit auf meine Stellvertreterin Heldana Guerentraub über. Anmerkung zu diesem Zitat: Eintragungen dieser Art sind mehrfach zu finden. Offensichtlicht suchte Irion den Magier meist nur alleine auf.

Ein wenig irritiert schob ich den Bogen nach unten und las, was auf dem nächsten stand.

Kameraden Irions und Eboreus äußerten sich über den Magier wie folgt: Charakterattribute wie Mut und Weisheit wurden häufig erwähnt. Erfahrene, magisch begabte oder anderweitig in diesem Gebiet bewanderte Zeitgenossen schilderten Eboreus durchweg als sehr talentierten Magier mit Abschluss an der Schule in Andergast.

Keine Informationen über einen möglichen Wohnort außer allgemeinen Aussagen, daraus aber folgend: nordöstlich von Havena, südwestlich vom Schleiensee. In diesem Zusammenhang interessant: Eboreus erwähnte niemals, wo sein Heim zu finden sei, warnte seine Kameraden jedoch oft und ausdrücklich vor der Suche, würden sie sich doch in große Gefahr begeben, wenn ihnen ein Schlüssel fehle. Welche Schlüssel er meint, lässt sich aus den zur Verfügung stehenden Quellen allerdings nicht rekonstruieren.

Der nächste Bogen war größtenteils mit einer anderen Handschrift versehen.

Ich verbrachte die Nacht in Ilvidoch, einem kleinen Ort am Schleiensee. Die Bewohner achteten die Gebote der Herrin Travia, doch ließen sie jegliche darüber hinausgehende Gastfreundschaft vermissen. Lediglich zwei Gespräche könnten sich als nützlich erweisen: Die meisten Ortskundigen warnten mich vor einem kleinen See etwas südlich der Stadt, es spuke dort und man nehme leicht Schaden an Leib und Seele. Des weiteren machte ich die Bekanntschaft mit einem Säufer, der sich als ehemaliger Soldat ausgab. Seinen Aussagen nach habe er unter einem Ilirion (oder ähnlich) gedient, welcher öfter in Richtung See unterwegs war, um einen Freund abzuholen. Mein Auftrag verbot mir eine nähere Untersuchung des Sees, doch möchte ich den Ort schon jetzt als gute Rückzugsmöglichkeit für zukünftige Operationen empfehlen. Anmerkung zu diesem Zitat: Vermutlich ist mit Ilirion Irion gemeint. Dann ist der Säufer entweder ein Aufschneider oder er war Soldat unter Irion.

Die nächsten beiden Bögen waren offensichtlich wieder von der Person verfasst worden, die auch die anderen Zettel beschrieben hatte.

Zum Wohle unseres ruhmreichen Landes und zur Mehrung seines Ansehens jenseits des Horizonts, ergeht hiermit der Auftrag zur Operation “Im Rücken des Königs”: Nach ausführlicher Recherche muss davon ausgegangen werden, dass die im Anhang angeführten Dokumente zu weiten Teilen der Wahrheit entsprechen. Demnach befindet sich auf albernischem Gebiet eine Anlage, die von einem gewissen Eboreus Dragenmut dem Fremden erbaut oder zumindest bewohnt wurde. Über die Anlage lassen sich keine Informationen gewinnen, so dass – mit besonderem Blick auf die zur Verfügung stehenden Quellen – davon ausgegangen werden muss, dass der Ort schwer erreichbar und bisher unentdeckt ist. Somit kann des weiteren davon ausgegangen werden, dass die Anlage – entsprechend aufgeklärt, notfalls geräumt und schließlich eingerichtet – als vorgeschobener Operationsstützpunkt genutzt werden kann. Daraus ergibt sich folgende Zielsetzung: Weitere Information sind gegebenenfalls zu sammeln (Auszüge aus den Chroniken Havenas, Tagebuch-Eintragungen Irion von Wylgenhains, eine Zusammenfassung von Erlebnisberichten und die darauf basierenden Analyseberichte sind beigefügt). Die Anlage ist zu lokalisieren, zu klassifizieren, aufzuklären, gegebenenfalls zu räumen, in Operationsbereitschaft zu versetzen. Der in den Berichten erwähnte Schlüssel ist ausfindig zu machen (vermutlich befindet er sich im oder am Grabe des Eboreus). Dem folgend ist das Grab zu lokalisieren, zu analysieren und der Schlüssel gegebenenfalls zu bergen.

Aber noch ein weiteres trauriges Ereignis sollte sich im Phex des Jahres 3 v.H. ereignen. Als hätte der harte und lange Winter nicht schon genug Menschenleben gekostet, brachte er nun noch weiteres Übel mit sich: den Ork. Eine Gruppe von wohl knapp fünfzig Schwarzpelzen zog aus den weiten Steppen des Nordens gen Süden, durch das an Tieren und damit Fleisch reiche Seenland bis in die Nähe der großen Straßen vor unserer herrlichen Stadt. Um dem Orken Einhalt zu gebieten, machte sich Hauptmann Irion vom Wylgenhain mit zwanzig tapferen Streitern auf, gen Nordosten zu ziehen. Ob der schieren Zahl an Gegnern und dem gotteslästerlichen Kulte der Orken, ritt er einsam gen Norden, seinen Gefährten Eboreus den Fremden zu finden, ihm auf seiner Queste behilflich zu sein. Doch als Irion am Abend mit Eboreus zu den verbliebenen zwanzig Leuten stoßen wollten, fielen die Orken über das Lager auf den Hollbeerwiesen am Muurensee her. Der Schwarzpelz konnte trotz List und Tücke im ehrlichen Kampfe gestellt und besiegt werden, doch war der Preis hoch. Irion und Eboreus fielen, und nur fünf der tapferen Soldaten erreichten die Stadtmauern, nachdem sie die Gefallenen auf dem Schlachtfelde begraben hatten. Die Leiber der Orken aber haben sie verbrannt. Somit sollte Heldana Guerentraub das Amt des Gardehauptmanns besetzen und auf viele Jahre hin mit treuer Pflicht erfüllen.

Ich las mir die Texte noch einmal in Ruhe durch, dann legte ich sie vorsichtig beiseite. In der Truhe fand sich schließlich neben allerlei Schreibzeug sogar eine stabförmige, lederne Rolle, in der ich die Pergamentbögen vor Wind und Wetter geschützt transportieren konnte und ließ alles in meinen neuen Rucksack wandern.

Die Decken und Schlafsäcke waren so durchnässt (und grundsätzlich recht widerlich), dass sie zumindest in dieser Nacht und vor einer ordentlichen Reinigung unbrauchbar waren. Die Rucksäcke trotzten dem Regenwasser aber recht gut. In dem einen befand sich Proviant für etwa eine Woche, wenn man alleine war, im anderen war einfache aber trockene Kleidung zu finden. Ich sammelte den Fund zusammen, wobei mich lediglich der Proviant interessierte. Mit der Bauernkleidung konnte ich beim besten Willen nichts anfangen. Dann lieber in nasser Robe herumlaufen… Binya war immer noch nicht zurück, also sah ich mich weiter um

Das Loch in der Wiese maß etwa fünf auf fünf Schritt und war etwa einen Schritt tief. Daneben befand sich ringsum ein Erdwall. Der Boden der Grube war vom lockeren Sand und dem Regen aufgeweicht; ich sank bis zu den Knöcheln ein. Ich lief ein wenig im Loch umher und trat dabei immer wieder auf harte Gegenstände. Als ich an einer Stelle den Sand zur Seite schob, entdeckte ich eine skelettierte Hand. Ein Stück weiter weg fand ich einen Schädel. Ich stand in einem Grab! Stichprobenartig untersuchte ich noch ein paar weitere Stellen und stieß dabei immer wieder auf Knochen, Rüstungsteile, abgebrochene Klingen und dergleichen mehr. Da ich das Massengrab nicht schänden wollte, immerhin konnte ich mir nicht sicher sein ob nicht doch einst ein Boroni seinen Segen darauf gelegt hatte, bedeckte ich anschließend alle Stellen wieder mit Erde, schaufelte noch eine dünne Schicht Sand darüber und richtete schließlich das umgestürzte Boronrad, das ich neben dem Erdwall entdeckte, wieder auf.

Müde und erschöpft ließ ich mich erneut in die trockene Ecke fallen. Binya war inzwischen zurückgekehrt, hatte die Pferde zu den Eseln gebunden und einen Teil Ihrer Ausrüstung herübergebracht. Gemeinsam richteten wir ein trockenes Nachtlager her, entzündeten ein kleines Feuer und aßen uns satt. Binya erhitzte anschließend etwas Wasser, gab ein paar Kräuter und ein angenehm riechendes Öl hinzu und ließ das Gebräu, sie nannte es Hollbeertee, ein wenig kochen. Ihre Mutter hatte ihr das Rezept beigebracht. Ich nahm einen kräftigen Schluck von dem bitteren Getränk, war von seiner belebenden Wirkung aber begeistert. Bevor ich friedlich einschlummerte, wurde mir auf einmal auch klar, wieso der alte Cordovan diese abgelegenen Wiesen ersteigert hatte. Natürlich, Hollbeeren, ein Volksheilmittel gegen allerlei Leiden und Verletzungen des Alltags, nicht so potent wie die vierblätrige Einbeere, aber verkauft an einen Apothekarius in Havena wohl durchaus ihr Gold wert. Morgen früh würde ich sehen, ob es auch gegen den schmerzenden Schnitt an meinem Bein seine Wirkung zeigte. Aber zuvor, als Binya schon schlief, meditierte ich noch ein wenig um den Brunnen meiner Astralmacht wieder aufzufrischen. Immerhin würde ich mich bald einer Kollega stellen wollen, da half nur Kraft,Kraft und noch einmal Kraft. Als ich erwachte fühlte ich mich sowohl geistig als auch körperlich ausgesprochen erholt, der Tee zeigte also durchaus seine Wirkung.

Früh wurde wir vom kehligen Rufen eines Knospenpflückers und dem hellen Gesang einer Eichenamsel geweckt. Die ersten Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht, vom Meer her wehte eine leichte Brise und trieb die letzten Wolken dem östlichen Horizont entgegen. Ich erfrischte mich am nahegelegenen Seeufer, wusch mich kurz und frühstückte dann zusammen mit Binya. Dabei überlegte ich, ob ich mit Binya nach Hause reiten wollte oder ob ich sie alleine schicken sollte, um mich einmal in Ilvidoch umzusehen, jenem Ort, zu dem die beiden Reiter offenbar aufgebrochen waren. Aber eigentlich war die Entscheidung klar. Ich würde gegen eine Magierin antreten, wenn ich fündig werden sollte. Und dieser Gefahr durfte ich das tapfere Mädel nicht aussetzen. Und gleichzeitig auf sie aufpassen und sie schützen müssen, würde mich im Zweifel wohl nur behindern, auch wenn ihre Axt eine willkommene Ergänzung gegen profane Bedrohungen war.

Nachdem wir alle Sachen zusammengepackt und die Pferde gesattelt hatten, sprach ich mich mit Binya ab. Ich schilderte Ihr mein Vorhaben, nach Ilvidoch aufzubrechen, und wies Binya dann an, die Esel zu nehmen und nach Hause zu reiten. Zwar machte sie anfangs keinen besonders erfreuten Eindruck, freundete sich dann aber mit dem Gedanken an. Die Überzeugungsarbeit hatte ich mir ehrlich gesagt schwerer vorgestellt, aber bei der Erwähnung gefährlicher Magie schien es der guten Binya doch mulmig zu werden. Gemeinsam folgten wir dem Weg in den Wald hinein, bis wir schließlich die Weggabelung erreichten, an der wir in der letzten Nacht die Pferde festgebunden hatten. Bevor wir uns endgültig trennten, wies mir Binya den Weg nach Nordosten und trat noch einmal an mich heran. Wortlos drückte sie mir ihr Amulett in die Hand, dann stieg sie auf ihr Pferd und ritt in Richtung Südwesten. Ich legte mir das Amulett um. Ihr Zwölfe, eure Weg waren verschlungen und seltsam. Nun stelle ich, der Schwarzmagier, mein Leben wie schon auf den Zyklopeninseln unter den Schutz des Praios, um mich gegen üble Zauberei zu wehren, die ich vielleicht sogar selbst vollbringen würde. Es war paradox und ich hätte gelacht, hätte ich nicht meine Zweifel gehabt ob der Herr Praios sich nicht daran gestoßen hätte, er galt ja im Allgemeinen als recht humorlos. Nichtsdestotrotz würde ich ihr das Stück zurückgeben, wenn die ganze Angelegenheit ausgestanden war. Daheim wollte ich mich damit nicht erwischen lassen. Die Kollegen an der Akademie würden mich verlachen und die Boroni zuhause… ich wollte gar nicht dran denken.

Ich folgte der Straße durch den Wald am See entlang, bis ich schließlich wieder auf die Landstraße in Richtung Nostria stieß. Die Bäume warfen lange Schatten, die immer kürzer wurden, je höher die Praiosscheibe stieg. Es waren an diesem Tage auch viele Leute auf der Straße unterwegs. Ich stieß auf eine Jagdgesellschaft, einen Straftrupp Gefangener, viele Gefährte und noch mehr Bauern, Krämer, Handwerker und andere Reisende. Das Wetter blieb den Tag über ausgesprochen gut, es war warm und wolkenlos, aber vom Meer wehte eine angenehme Brise herüber, die das Reiten erträglicher machte. Gegen Mittag erreichte ich schließlich eine Weggabelung kurz vor Nordhag, an der ein Schild den Weg nach Ilvidoch zeigte. Etwas abseits standen vier schwere Wagen, deren Kutscher damit beschäftigt waren, Brote zu verteilen, ein Krüglein kreisen zu lassen und herzhaft die Gaumenfreuden zu genießen. Auch mein Magen knurrte, so dass auch ich beschloss, eine kurze Rast einzulegen. Die vier Kutscher erwiesen sich dabei als überaus lustige Gesellen, die viele Geschichten über das Seenland zu erzählen hatten und dabei immer wieder witzige Sprüche über die Bewohner des Landstriches parat hatten. So tat es mir auch fast leid, die Runde nach einer knappen Stunde schon wieder verlassen zu müssen. Die schmalere Straße erwies sich als nicht annähernd so gut wie die Hauptstraße zuvor. Sie beschrieb viele Bögen und Kurven, zog sich durch weite Wiesen, aber auch immer wieder durch kleine, dafür umso dichtere Wälder und wand sich oft durch Hügel- oder Seenlandschaften. Auch waren hier bedeutend weniger Reisende unterwegs, so dass ich froh war, gegen Abend schließlich ein kleines Dorf zu erreichen, an dessen Eingang ein Schild stand, das die Aufschrift “Ilvidoch am Schleiensee” trug. Die Sonne stand noch recht hoch über dem Horizont, kleine Wolken hingen am Himmel. Weite Felder umgaben den Ort, dahinter lag ein großes Gewässer. Ich betrachtete die Landschaft von einem kleinen Hügel aus, der steil zu den ersten Häusern hinabführte. Im Norden entdeckte ich saftige Wiesen, auf denen Nordländer Bunte und Unmengen an Schafen grasten, etwas weiter im Süden entdeckte ich ein Waldgebiet, welches ebenfalls von Grasland umgeben war. Der Ort bestand aus einem knappen Dutzend Bauernkaten, zwei Fischerhütten mit einem weit in den See hineinreichenden Steg, einer Schmiede, einem größeren Holzhaus, das als Lager und Krämerladen diente, und einer kleinen Schenke, in der vermutlich auch noch eine Unterkunft für die Nacht zu bekommen war.

Das Gasthaus war neben der Schmiede das zweite Steingebäude im Dorf. Der zweistöckige, schmale Bau stand am Dorfplatz, ein Anbau beherbergte einen kleinen Stall und vermutlich ein Lager. Das steile Dach ragte weit auf die Straße hinaus, dunkle Fensterläden bildeten einen hübschen Kontrast zum weißen Putz der Wand. Die ebenfalls aus dunklem Holz gefertigte Tür stand offen, neben ihr hing ein metallenes Schild in der Form eines Bierkruges. Vor der Schenke entdeckte ich eine breite Holzklappe im Boden, vermutlich ein Zugang zum Keller. Lärm drang aus dem Inneren heraus, als ich mich dem Haus näherte, doch vernahm ich weder fröhlichen Gesang noch zotige Sprüche, sondern eine leises Raunen, in dem deutlich eine brüllende Stimme zu vernehmen war: “Wohin führt der Weg, wenn ich mich links von dieser verdammten Brücke halte, du Bastard? Soll ich dir erst die Seele aus dem Leib prügeln?” Es herrschte kurz Ruhe, dann schien jemand leise wimmernd zu antworten. Ich trat ein wenig näher heran, dann erhob sich auch wieder die schreiende Stimme: “Ein See? Dort soll der Turm sein? Ich werde nachsehen, und wenn du mich belogen hast ...” Kurze Zeit herrschte Ruhe dann vernahm ich einen Schrei, als sei jemand in die Niederhöllen gefahren, das Gemurmel wurde kurz lauter, dann verstummte es plötzlich. “Wagt es ja nicht, mir zu folgen oder mir gar in die Quere zu kommen, feiges Pack. Und was dich betrifft: Wenn du gelogen hast, schneide ich dir nicht nur die Zunge heraus!” Fassungslos blieb ich stehen, zögerte einen kurzen Moment. Ein leises Wispern, ein Klatschen, als schlüge jemand mit der Faust in die Hand, und von einem Augenblick zum anderen fühlte ich mich, als sei meine Seele in meinem Körper gefangen. Kein Laut drang an mein Ohr, keinen Luftzug spürte ich auf der Haut, kein Duft erreichte meine Nase. Meine Muskeln nahm ich nicht wahr, als seien sie nicht belastet. Lediglich ein starrer Blick nach vorne wies darauf hin, dass es noch eine Welt außerhalb meines Körpers gab. Verdammtniederhöllenundeins. Schon wieder! Paralüs. Das Weib musste sich an mich herangeschlichen haben, als ich mich auf die Taverne konzentrierte. Und Praios am Arsch… dieses Amulett wirkte überhaupt nicht! So ein Humbug. Aber bei Binya hatte es doch… war ich dem feinen Herrn Praios nicht gut genug um zu helfen oder was? Ich starrte auf die Tür, erkannte den Hünen von den Hollbeerwiesen, wie er durch die Tür schritt, ein blutiges Messer abwischend. Unfähig, seinem Weg mit meinem Blick zu folgen, blieb er am Rande meines Blickfeldes stehen, zeigte in meine Richtung, scheinbar laut lachend und eine Statue imitierend. Kurz darauf gesellte sich die Rothaarige dazu, hakte sich unter den Arm des Mannes und schritt mit ihm ruhigen Schrittes davon. Ein paar Minuten später sammelten sich die Dorfbewohner um mich herum. Man starrte auf meinen Körper, diskutierte wild gestikulierend, ohne dass ich ein Wort verstanden hätte. Wie gern hätte ich diesen Tölpeln gesagt, sie müssten nur warten, das ging vorüber. Ich wusste es nicht nur theoretisch. Ich hatte es im lieblichen Feld ja schon einmal erlebt. Nur die Zeit wollte nicht verstreichen während ich innerlich Rache schwor. Jetzt erst recht!

Die Zeit schien endlos, doch mit einem Male drängte das Leben wieder zu mir. Meine Seele schien mit meinem Körper zu verschmelzen, eine Unmenge an Sinneseindrücken drang in mein Bewusstsein. Meine Muskeln hielten der plötzlichen Belastung nicht Stand, mein Kopf schien schier zu platzen. Mit einem dumpfen Klatschen schlug ich auf den Boden. Die Dorfbewohner halfen mir auf, zwei griffen mir unter die Arme und trugen mich in das Wirtshaus, wo ein leergeräumter Tisch als Liege diente. Wasser wurde mir gereicht, die Stirn von einer jungen Frau gereinigt, während ein stämmiger Kerl meine Knochen drückte und nach Wunden suchte. Wie sich herausstellte, war ich unverletzt, aber das hätte ja auch anders nicht sein können, als quasi-Statue,  und wurde schnell wieder munter. Ein anderer Mann hatte offenbar mehr Pech gehabt. In unruhigem Schlaf wälzte er sich auf einem anderen Tisch hin und her. Eine alte Frau redete beruhigend auf ihn ein. Es handelte sich wohl um den armen Kerl, dem der Hüne die Zunge herausgeschnitten hatte.

An einem Tisch in der Nähe des Tresens nahm ich Platz. Der kleine Schankraum war liebevoll eingerichtet. Kleine Landschaftsbilder hingen an den Wänden, ein schlichter, aber reichlich mit Blumen geschmückter Leuchter hing an der Decke, vor den Fenstern flatterten dunkelrote Stoffvorhänge und alles war sauber und gepflegt, wenn man von den vielen Blutflecken vor der Theke absah. Mit einem freundlichen Lächeln winkte ich die Wirtin heran, eine dickliche Mittfünfzigerin, die genauso ratlos und eingeschüchtert dreinschaute wie alle anderen auch. Sie erwiderte mein Lächeln knapp, dann setzte sie sich mir gegenüber rittlings an den Tisch und reichte mir einen Krug mit Wein. Verlegen fragte sie nach meinem Befinden, bevor ich sie auffordern konnte, zu berichten, was geschehen sei. Nach wenigen Minuten hatte sie mir das Notwendigste erzählt. Wie ich ihren Worten entnahm, war der bullige Kerl, den ich bereits auf den Hollbeerwiesen gesehen hatte, wenige Minuten vor mir in die Wirtsstube gekommen. Er war zielstrebig auf die Wirtin zugegangen und hatte nach jemandem gefragt, der behauptete, einen Ilirion oder Irion zu kennen. Der einzige, der ab und an von jemandem mit diesem Namen erzählte, soll der dumpfe Jarel gewesen sein, wobei die Wirtin auf den Mann deutete, der mit blutigem Mund in der Ecke des Raumes lag. Dies hatte die Frau dem Hünen im guten Glauben mitgeteilt, woraufhin dieser sich sofort an diesen gewandt habe. Die beiden hätten leise miteinander gesprochen, bis der riesige Mann wütend wurde und den schmächtigen Jarel in die Höhe gerissen hatte. Er wollte den Weg zu Irions Turm wissen, woraufhin Jarel den Mann auf den Wald im Süden verwiesen habe. Den Rest des Gespräches konnte ich ja mitverfolgen, das blutige Finale war mir aber zum Glück erspart geblieben, wie die Wirtin immer wieder feststellte. Die verängstigten Bauern hätten sich anfangs nicht aus dem Haus getraut, hatten sich aber sofort um den Verletzten gekümmert. Schließlich wollten die ersten das Haus verlassen und hatten dabei die Statue vor dem Gasthaus entdeckt, welche sich nach über einer Stunde plötzlich auflöste. Und dann habe ich auf der Straße gelegen. Hatte ich schon erwähnt, dass die ganze Angelegenheit schon persönliche Dimensionen angenommen hatte? Nun, auf jeden Fall kostete es mich keinen Augenblick des Nachdenkens mehr. Ich würde die beiden Verfolgen, Stellen und entweder vor den Richter oder gleich zu Boron befördern. Oder noch besser, in die Niederhöllen. Welcher Dämon wäre wohl am besten geeignet, jetzt wo Binya aus dem Weg war? Ich hatte noch nie versucht einen Shruuf zu beschwören, aber für kalte Rache war eigentlich Hesthod als Diener Blakharaz zuständig. Mhhhh…. Um das Amulett musste ich mir ja augenscheinlich keine Sorgen machen…

Kurz wog ich ab, ob ich den beiden sofort folgen sollte oder lieber die Nacht in dem kleinen Gasthaus verbringen und den Wald am nächsten Tag in aller Ruhe durchsuchen. Mein Pferd sollte sich inzwischen ein wenig erholt haben, zumal der Weg in den Wald nicht allzu weit war und mir dieser als in ein oder zwei Stunden passierbar geschildert wurde. Auf der anderen Seite sollte ich meine Gegner aber auch nicht unterschätzen und eine Konfrontation mitten in der Nacht – und erschöpft wie ich war  – konnte gefährliche Folgen haben. Zumal mir auch der Wald an sich als Ort allerlei Merkwürdigkeiten geschildert wurde.

Die Wirtin wies mir ein gemütliches Zimmer im ersten Stock zu. Da ich am nächsten Morgen schon früh aufbrechen wollte, zahlte ich schon jetzt einen Silbertaler und erhielt statt des Frühstücks einen Beutel mit Brot, ein Krüglein Wein und einen kleinen Topf mit Honig. Dankbar verstaute ich die Sachen und legte mich auf die mit Stroh gestopfte Matratze. Schnell hatte mich Boron in seine sanfte Umarmung geschlossen. Lange schlief ich tief und fest und träumte nur kurz. Eine kleine Steinbrücke führte über einen Fluss. Ich sah mich selbst, das Pferd am Zügel, wie ich mit einem Wesen sprach. Um was für ein Wesen es sich handelte, wusste ich nicht, ich konnte es nicht einmal erkennen. Ich gab dem Wesen etwas, dann verschwand es und ich folgte weiter dem Weg über die Brücke. Als ich mitten über dem Fluss war, verschwamm alles und ich wachte auf. Zumindest hatte der Schlaf mir Erholung gebracht, ich fühlte mich wie neu geboren. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das schmale Fenster, es war Zeit zum Aufbruch. Schnell sammelte ich meine gepackten Sachen zusammen, lief zum Stall und holte mein Pferd, auf dessen Rücken ich kurze Zeit später gen Süden durch die Felder vor dem Dorf ritt. Die Luft war angenehm kühl, ohne mich frieren zu lassen. Der sanfte Wind wogte das Korn und die Blumen ruhig hin und her, die ersten Vogelstimmen trällerten über die Wiesen. Nach einer guten halben Stunde gemütlichen Rittes erreichte ich schließlich das Waldgebiet, von dem mir berichtet worden war. Auch hier kam ich gut voran. Nur selten musste ich mich unter einem Ast hinwegducken, der Weg war schmal, aber fast gänzlich frei von Wurzeln und Schlaglöchern. Laub- und Nadelbäume wechselten sich rege ab, Büsche mit den verschiedensten Beeren säumten den Pfad. Dazwischen wuchsen Moose, Pilze und bunte Blumen. Die Vögel zwitscherten laut ihre fröhlichen Lieder, ein Dachs streifte umher, oft war leises Knacken im Gebüsch zu hören und manchmal konnte ich gar einen kurzen Blick auf ein scheues Reh erhaschen. Schließlich gesellte sich ein munteres Bächlein zur Rechten des Weges dazu. Rotgoldene Fische jagten durch das klare Wasser, Farne wiegten sich im Spiel der Wellen. Nach einigen Minuten entdeckte ich einen schmalen Pfad, der zu meiner Linken in den Wald hineinführt.

Ich warf einen kurzen Blick auf den Waldboden, um vielleicht mit etwas Glück noch Spuren im weichen Boden zu finden.  Aber natürlich war das nicht von Erfolg gekrönt, alles andere hätte mich auch überrascht. Nun ja, was sollte es… der erste Weg war immer der Linke, dachte ich bei mir.

Der Weg führte eine Viertelstunde lang durch dichte Büsche, eng beieinander stehende Bäume und kleine Lichtungen. Hin und wieder hatte ich Mühe, den Pfad im Auge zu behalten, doch hinter einigen Blaubeersträuchern glaubte ich mich am Ziel: Vor mir lag ein See mitten im Wald. Die aufgehende Sonne spiegelte sich auf dem Wasser, sanfte Wellen spiegelten die vereinzelten Schäfchenwolken. Etwa hundert Meter vor mir entdeckte ich eine kleine Insel im See, auf der eine einzelne große Trauerweide stand, die ihre Blätter traurig in das Wasser tauchte, und ein Stück neben dem Stamm eine Statue mit großen Fledermausflügeln und einem kleinen Kopf, der zwei kurze Hörner trug. Das Ufer fiel flach zum Wasser hin ab, ein langer Steg führte in den See, auch wenn nirgends ein Boot zu erkennen war.

Vorsichtig lief ich hinaus auf den Steg. Plötzlich breitete die Statue auf der Insel die Schwingen aus, stieß sich mit den beiden kräftigen Beinen ab und schwang sich in die Lüfte. Schnell kam die Kreatur näher. Ich erkannte klauenbewehrte Arme und einen langen, dünnen Schwanz. Obwohl das Wesen den Steg zum Bersten bringen müsste, landete es fast lautlos. Mit tief grollender Stimme wendete sich das Wesen an mich: “Wie ich sehe, habt Ihr kein Pfand meines Herrn bei Euch. Ihr dürft nicht passieren, darum kehrt um und geht!” Ein prüfender Blick auf die Kreatur sagte mir, dass es besser wäre umzukehren.

Ohne mich umzuschauen, wendete ich mich ab und lief in den Wald hinein. Die Kreatur belästigte mich nicht weiter; trotzdem pochte mein Herz spürbar. Gargyl. Hier, mitten im nirgendwo! Hätte ich die Zeit gehabt, ich hätte das Wesen zu gerne erforscht.

Nachdem ich mich tiefer in den Wald zurückgezogen hatte, folgte ich erneut dem engen Weg durch Büsche, Sträucher und Bäume. Der Wald strahlte noch immer einen unglaublichen Frieden aus, immer mehr Vögel sangen ihre Lieder und kleine Tiere wie Feldmäuse, Igel und ein frecher Marder tobten durch das Geäst. Nach kurzer Zeit hatte ich die Weggabelung am Bach erreicht und folgte diesmal dem anderen Weg.

Munter sprangen die Fische durch die Wellen, zwei Rotpüschel beobachteten mich von der anderen Seite des Baches. Die langsam höher steigende Sonne zauberte ein buntes Funkeln auf das Wasser, Schmetterlinge und Libellen sorgten für bunte Farbtupfer im Grün des Waldes.

 Nach gar nicht langer Zeit kreuzte der Weg den Bach, doch statt einer kleinen Furt oder ein paar schmalen Holzplanken erstreckte sich eine reichgeschmückte Steinbrücke über den gerade einmal zwei Schritt breiten Bach. Kleine Figuren schmückten das gemauerte Geländer, zwei große, steinerne Töpfe zu jeder Seite waren mit bunten Blumen geschmückt. Der Steinbau beschrieb einen steilen Bogen, auf gerade einmal zwölf Schritt Länge kam eine Mittelhöhe von gut drei Schritt. Von der Breite her würde ein Fuhrwerk sicher gut über die Brücke passen, auch wenn die Zugtiere mit der Steigung arg zu kämpfen hätten. Auf dem höchsten Punkt der Steinbrücke saß eine riesige, annähernd menschliche Gestalt im Schneidersitz. Stehend mochte sie wohl an die vier Schritt messen. Die Haut war graubraun und ledrig, ein mächtiger Bart und lange Haare umrahmten das Gesicht. Das Wesen war in grobe, dunkelbraune Lederkleidung gehüllt, eine große Streitaxt war auf den Rücken geschnallt. Ich erinnerte mich an die alten Märchen von Brückentrollen, die Reisende schikanierten und Frevler aus den Wäldern jagten, doch hätte ich nie gedacht, einem solchen Wesen zu begegnen. Der Troll musterte mich mit seinen wachen Augen, er wartete, bis ich näher kam. Offenbar wollte er mir nichts Böses. Wie angewurzelt blieb ich dennoch am Fuße der Brücke stehen, als der Troll mich mit einer angenehmen, tiefen Stimme ansprach: “In eurer Sprache nennt man mich Katathmarr. Ich habe auf dich gewartet. Du hast dir einen schönen Tag für deine Reise ausgesucht und ich will dir gerne bei deiner Suche helfen. Doch will ich dich nicht über diese Brücke lassen, solange du mir keinen angemessenen Wegzoll gibst.”

Einen Moment lang ließ ich die Worte des Trolls auf mich wirken, dann überlegte ich, was ich ihm anbieten könnte. Blinkende Dukaten waren vermutlich nicht gerade etwas, mit dem ein Troll etwas anfangen konnte, und mein Stab kam ja nicht in Frage. Aber Süßigkeiten freuen könnten ihn freuen, zumindest wenn man den alten Geschichten glaubte. Leider hatte ich kein Al’Anfaner Naschwerk und keine liebfeldischen Zuckerpastillen dabei. Aber halt! Hatte die Wirtin mir nicht einen Pot Honig eingepackt gestern Abend?

Der Troll streckte mir seine riesige Hand entgegen. Aus einem Beutel hatte ich den Topf mit Honig geholt und ließ ihn nun in die Pranke fallen. Mein Gegenüber führte das Gefäß zur knolligen Nase, roch prüfend daran, nickte mir mit einem Funken Dankbarkeit in den Augen zu und stand auf. Er musterte mich noch einmal eindringlich, dann beugte er sich vor: “Hab Dank! Folge deinem Pfad, Mensch, doch verlasse deinen Weg nicht und blicke auch nicht zurück, wenn dich die Dunkelheit vorandrängt. Und lasse dein Pferd hier, ihm wird es im Wald an nichts mangeln und du kannst es nicht mitnehmen.” Daraufhin drehte sich der Troll um und stiefelte mit riesigen Schritten davon. Kurze Zeit später war er verschwunden. Ein wenig im Grübeln verharrend blieb ich stehen. In welch’ mysteriösen Wald war ich nur geraten? Nicht wirklich in Sorge, aber zumindest nachdenklich überquerte ich die Brücke. Ich hatte gerade den höchsten Punkt erreicht, da drehten sich Sonne, Mond und Sterne über mir, als fingen ein Dutzend Tage an und gingen vorüber. Schließlich blieb die Sonne am höchsten Punkt des Himmels stehen. Der Wind hatte merklich aufgefrischt und die Luft flimmerte. Ich wand meinen Blick von oben nach unten in Richtung Horizont – und erkannte, dass ich auf einem Bergpass stand. Die Steinbrücke überbrückte einen kleinen Spalt, vermutlich durch ein Abrutschen des Gerölls entstanden, links und rechts des sandigen, zwei Schritt breiten Weges fiel der Fels steil ab. Zu Ihrer Linken und Rechten entdeckte ich weit unter mir weite Wiesen, ausgedehnte Wälder, breite Flüsse, klare Seen und jeweils ein riesiges Schloss zu beiden Seiten. Die Schlösser besaßen zahllose, schlanke Türme, große Prachtbauten, hohe Mauern in pastellenen Tönen und breite Tore. Die Gebäude mussten schier unbegreifliche Ausmaßen haben, entdeckte ich doch nirgends einen Bewohner. Gebannt schaute ich in die Weiten der Landschaft. Immer wieder fesselten neue Entdeckungen meinen Blick: ein wohl mehr als 200 Schritt hoher Baum, ein Steinkreis aus rötlich schimmernden Monolithen oder ein zu Stein gewordenes Schiff auf einem See, der kaum größer war als der Kiel. Mein Blick wanderte zurück auf die Brücke, die ich aber nirgends finden konnte. Stand sie nicht noch vor wenigen Augenblicken hinter mir und hatte den Spalt in der Erde überbrückt? Ich verweilte noch eine ganze Weile und schaute in die Ferne, dann entschloss ich mich dazu, auf die Worte des Trolls zu hören und dem Weg zu folgen.

Endlos schien der Weg, unvergänglich die Zeit. Der Staub brannte in meiner Kehle, die Kiesel drückten gegen meine Sohlen. Ob ich eine halbe, eine ganze Stunde oder zwei Stunden unterwegs war, vermochte ich nicht einzuschätzen – denn auch die Sonne bewegte sich während der Wanderung kein Stück am Himmel voran. Plötzlich stieg der Weg steiler empor. Das Laufen wurde anstrengender, schnell gewann ich an Höhe. Kleine Wolken zogen vorbei, ein stolzer Adler kreiste über mir. Dann endete der Weg an einem kleinen Platz vor einer steil aufragenden Felswand. Das Gestein war schroff, Sand wehte immer wieder über die offene Fläche. Etwa zwei Dutzend glatt polierte, hüfthohe Steine säumten das Gelände, eine mannshohe Öffnung im Fels lag dem Pfad gegenüber. Mangels Alternativen und meiner wenig großartigen Kletterkünste im Angesicht der Felswand wandte ich mich der Spalte zu.

Auch wenn der Spalt schmal und eng wirkte, konnte ich mich doch ohne große Probleme hineinzwängen. Nach knapp drei Schritt weitete sich der enge Fels zu einer kleinen Höhle aus, die vielleicht zwanzig Schritt im Durchmesser maß und an der höchsten Stelle der Kuppel acht Schritt hoch war. Diese Schätzungen fielen mir insofern recht leicht, da die Halle von einem knappen Dutzend leise knisternder Fackeln erhellt wurde. Ein leichter Windzug brachte die Flammen immer wieder zum Flackern, dunkle Schatten tanzten an den Wänden und auf der gewaltigen Säule in der Hallenmitte. Eine schmale Wendeltreppe war in den Stein geschlagen, ein schlankes, eisernes Geländer bot Halt. Vorsichtig erkundete ich die Höhle, fand aber außer kleinen Steinen und Sand nichts. Mir blieb wohl nur, der Treppe zu folgen. Mit einer Hand am Geländer, die andere am Stab, wagte ich mich vor. Schritt für Schritt gewann ich an Höhe, bis die Treppe schließlich die Höhle verließ und durch einen engen Schacht führte. Nach wenigen Stufen wechselten Wand und Geländer von der Innenseite auf die Außenseite, als würde die Treppe einen Turm empor führen, in dessen Mitte ein Sturz unweigerlich im Erdgeschoss enden würde. Die Stufen wurden nur von einem schwachen Leuchten weit über mir erhellt, so dass ich dem Geländer folgend die Treppe ertasten musste. Nach einer Weile legte ich eine Pause ein. Das Klettern strengte an und ein Ende war immer noch nicht in Sicht. Während ich zu Atem kam, fragte ich mich, ob ich mich auf dem richtigen Weg befand. Nun ja…  umkehren war auf Grund des langen bereits zurück gelegten Weges nun eh keine Option mehr.

Nach der kurzen Pause stieg ich weiter nach oben. Das Leuchten über mir gewann langsam an Intensität, eine helle Frauenstimme drang leise an mein Ohr. Ich verlangsamte meinen Schritt, wollte ich msich doch nicht durch unnötige Geräusche verraten. Weiter oben passierte ich dann die ersten Stützpfeiler einer mächtigen Holzkonstruktion, die eine hölzerne Plattform über dem Schacht hielt. Nachdem ich einen ersten Blick erhaschen konnte, duckte ich mich schnell in den Schatten der Treppe zurück. Über mir lag ein kreisförmiger Raum von knapp zwei Dutzend Schritt Durchmesser. Zwischen dem Rand des Abgrundes und der Treppe befanden sich lediglich zwei Schritt Steinboden, doch führten an zwei gegenüberliegenden Stellen schmale Holzbrücken auf die Plattform. Die gemauerten Wände machten einen massiven Eindruck, die aus dunklen Hölzern gefertigte Decke sechs Schritt über dem Boden nicht ganz so sehr. Zwischen hohen Bücherregalen, vollgestellt mit Schriftrollen und alten Folianten –mein Herz schlug unwillkürlich schneller -, erhellten Fackeln entlang der Wände den Raum und erinnerten mich unweigerlich an die Höhle weit unter mir. Von oben dangen zwei Stimmen an mein Ohr. Meistens war eine helle, spöttische Frauenstimme zu hören, ab und an der tiefe Bass eines Mannes. Offenbar hatte ich die beiden Gesuchten gefunden. Dennoch war der Verlauf ihres Gespräches recht überraschend: “Ha, hast du im Ernst geglaubt, ich würde die Mühen auf mich nehmen, damit ihr mich mit den paar Münzen entlohnt? Oder dachtest du, ich würde an deine Ideale glauben? Dein Staat ist schwach! Ein paar Andergaster Bauern überfallen Albernia, und dann Gareth, und dann endlich einmal erfolgreich Nostria?” “Pah. Mein Staat ist groß. Sieh doch, welche Macht uns dieser Ort gibt: einen Ausgangspunkt, einen guten Tagesmarsch von Havena entfernt, im Rücken des albernischen Königs.” “Haha. Dein Staat ist groß? So groß, dass ihr Söldner braucht, um ein Feld umzugraben, einen Wald zu durchqueren und dann diesen Ort zu besetzen. Wenn ihr so groß wärt, hättest du dir genommen, was du wolltest. Aber du musstest den Alten kaufen, um den Schein zu wahren. Pah! Ohne mich hättest du längst alles verloren. Und jetzt verlierst du alles, was dir geblieben ist, und zwar durch mich!” Verzweifelt stammelte der Mann, ein Schleifen auf dem Boden war zu hören, während die Frau leise Worte vor sich hin murmelte. Plötzlich breitete sich ein helles Glosen über den Rand der Holzkonstruktion aus, Flammen schossen über mich hinweg, ein erstickter Schrei war zu hören, dann der dumpfe Aufprall eines schweren Körpers. Ich würde, ausgehend von dem elementaren Sekundäreffekt einen Ignifaxius-Cantus vermuten. Das würde die Frau Kraft gekostet haben, ich war im Vollbesitz meiner Kräfte. Das sollte sich zu meinem Vorteil nutzen lassen. Stille kehrte ein, kein Laut war zu hören. Ich spürte das Pochen meines Herzens in Erwartung der Konfrontation, wartete, wie die Sekunden verstrichen. Dann war ein leises Knacken zu hören, ein heiseres Kichern, das sich zu einem gellenden Lachen steigerte. Das Schreien drang in meinen Kopf, klingelte in meinen Ohren, jagte mir kalte Schauder über den Rücken. Die Frau war ein Fall für die Noioniten. Und dennoch wusste ich, dass die Zeit zum Handeln gekommen war.

 

Den Stab kampfbereit hervorgestreckt, stürmte ich die Treppe empor, nachdem ich mich vorher bereits auf meinen Eröffnungszug konzentriert hatte. Ich durfte ihr so wenig Zeit zu reagieren geben wie möglich. Entschlossen sprang ich aus dem Schatten des Treppenaufganges. Auf der hölzernen Plattform vor mir stand eine zierliche Gestalt, in teure, schwarze Kleider gewandet, einen langen, kunstvoll verzierten Stab in ihrer Hand. Wallende, rote Locken fielen auf ihre Schultern, ein schönes, aber auch unglaublich hartes und beängstigendes Gesicht einrahmend. Wie oft war mir diese Frau einen Schritt voraus, wie oft hatte sie mich zum Reagieren gezwungen? Und jetzt stand sie hier, laut lachend, triumphierend. Ein paar Schritt von ihr entfernt stand ein niedriger Tisch, auf dem zwei Bücher lagen, daneben war ein bequemer Sessel aufgestellt. Zwei Kerzenhalter links und rechts erhellten den Leseplatz und mit ihm eine düstere Szene. Auf dem Boden vor dem Sitzmöbel saß, in sich zusammengesunken, die verbrannte Leiche eines riesigen Mannes. Eine kochende Blutlache tropfte vom Stuhl hinunter, es roch nach verbranntem Fleisch und verkokelten Haaren. Plötzlich erstickt das Lachen. Überrascht betrachteten mich die dunklen Augen der rothaarigen Frau: “Ihr seid hier? Wie ist das möglich?” Ohne auf ihre Fragen einzugehen, nutzte ich den Moment für mich. FULMINICTUS! Ich stieß meine Hand auf sie deutend nach vorne. Sie schrie auf. Sie hatte nicht mit mir gerechnet und keine Zeit gehabt ein Schutzschild zu erheben. Dafür  hob ich den Stab, der erste Schlag ging auf die zierliche Gestalt nieder. Wieselflink duckte sie sich hinweg, zog selbst den Stab vor den Körper und hielt mit überraschender Kraft meinem Hieb stand.  Einen Reichweitenvorteil hatte ich diesmal nicht. Aber die Frau schien im Stabfechten ähnlich wenig kompetent zu sein wie ich, so dass dies wenig ausmachte. Immer wieder versucht sie, sich aus dem Nahkampf zu lösen, doch immer wieder konnte ich nachsetzen, da ihr auf der Plattform einfach der Platz fehlte um sich effektiv zurückzuziehen. Mein Fulminictus hatte sie schon schwer getroffen und ich spürte, dass sie schneller die Kräfte verließen als mich.

Kraftvoll schlug ich siegesgewiss ihren Stab zur Seite und  ließ dann meinen eigenen auf die Schulter der Frau niedersausen. Der Schlag brachte meine Gegnerin ins Wanken, laut schrie sie den Schmerz hinaus. Die Rothaarige taumelte nach hinten und ließ dabei ihre Waffe fallen. Ungestüm wollte ich angesichts des sicheren Sieges nachsetzen, trat aber auf den Stab und geriet ins Stolpern. Ich konnte mich gerade so fangen, einem möglichen Sturz entgehen, doch hatte mein Missgeschick ein wenig Distanz zwischen der Frau und mir geschaffen. Die Chance nutzend, sprang die Rothaarige soweit es ging zurück. Sie landete am Rand der Holzkonstruktion, hinter ihr ein Abgrund, der erst drei oder vier Schritt tiefer von Treppenstufen gesäumt wurde. Mit einem weiten Satz überbrückte ich die Entfernung zwischen mir und Ihr, brachte mich so wieder in unmittelbare Schlagdistanz zu der jetzt unbewaffneten. Inzwischen stand die Frau regungslos vor mir, die Augen geschlossen, die rechte Hand an der linken Schulter. Das war eindeutig, ich wusste, was gleich geschehen würde. Ohne Ihr eine weitere Chance zum Handeln zu geben, wollte ich sie mit einem Tritt gegen die Knie von den Beinen holen. Ich hatte das einmal bei einem Gladiator in der Arena gesehen, ein sehr elegantes Manöver!

Geschmeidig wollte ich mich nach unten wegducken, mein Bein vorschnellen und die  Rothaarige am Knie treffen. In Wahrheit sackte ich recht schwerfällig nach unten. Trat ihr, statt die Beine wegzufegen, einfach gegen das Schienbein. Dennoch, ihr Bein knickte ein, sie rutschte zur Seite, wohl mehr aus Überraschungen als von der Wucht meines Tritts. Erschrocken riss sie die Augen auf und schleuderte den Arm nach vorne, doch suchte sie offenbar nicht nach Halt. Stattdessen schossen die erwarteten Flammen aus ihrer Handfläche. Nur stand ich nicht mehr dort.

Die Feuerlanze schoss an meinem Kopf vorbei und fand schließlich ein Ziel in einem mit Pergamentrollen vollgestellten Regal. Die Blätter fingen sofort an zu brennen, hohe Flammen loderten auf. Ich stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Das durfte nicht sein! Ein Kreischen zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Rothaarige ruderte mit den Armen in der Luft, keuchte vor Verzweiflung und stürzte schließlich nach hinten von der Plattform. Mein Blick folgte dem Leib in die Tiefe, bis ihn die Dunkelheit verschluckte. Das verzweifelte Schreien wurde leiser, bis es, fast unhörbar, plötzlich abriss. Entsetzt schaute ich in den Abgrund. Die trockene Wärme sich ausbreitender Flammen ließ mich aufschrecken. Die Flammen hatten sich schnell ausgebreitet, die meisten Regale standen inzwischen in Flammen. Wie viele Bücher verzehrte das Feuer, welches Wissen fiel ihm zum Opfer? Verzweiflung machte sich in meiner Brust breit, ich hatte keine Möglichkeit die Flammen einzudämmen. Wenn doch nur Junasia jetzt da gewesen wäre! Aber dafür hatte ich jetzt keine Zeit. Viel mehr musste mich interessieren wo ich einen möglichen Fluchtweg fand. Der Schacht böte sich zwar an, doch breiteten sich die Flammen schnell aus und wenn die Holzkonstruktion erst einmal brannte, würde es nicht mehr lange dauern, bis brennende Trümmer in die Tiefe stürzten. Ich würde unweigerlich in der Falle sitzen. Zum Glück entdeckte ich zwischen den wenige Regalen, die noch nicht brannten, eine schmale Holzleiter, die steil nach oben führte. Fest entschlossen, diese Chance zur Flucht zu nutzen, sprang ich über den Spalt und kletterte die Sprossen so schnell ich konnte hinauf.

Schnell erreichte ich das höher gelegene Stockwerk. Schon züngelten kleine Flammen über den Holzboden. Die Einrichtung war sehr spartanisch, ein großes Bett, ein hoher Schrank, ein paar Öllampen, ein Tisch mit zwei Stühlen. Eine hölzerne Wendeltreppe führte weiter empor. Ich passierte ein flaches Stockwerk, in dem ein kleiner Abtritt, eine geräumige Küche und zwei Kammern untergebracht waren. Auch wenn die Mauern aus massiven Steinen erbaut waren, so brannte das verwendete Holz doch lichterloh. Die Hitze breitete sich enorm schnell aus, dichter Rauch stieg langsam auf, füllt meine Lunge und brannte in den Augen. Ich stürmte weiter nach oben, bis sich plötzlich ein unüberwindbares Hindernis vor mir auftat. Eine gewaltige Steinplatte lag über der Treppe. So sehr ich mich auch bemühte, die Platte nach oben zu stemmen, sie bewegte sich keinen Fingerbreit. Meine Kräfte schwanden, der schmale Gang war vom beißenden Rauch erfüllt. Verzweiflung machte sich in mir breit, Todesängste umklammerten mein Herz. Gerade wollte ich zu einem letzten, rettenden Transversalis ansetzen. Da ging auf einmal ein Ruck durch die Platte, Licht fiel durch einen anfangs schmalen Spalt, der schnell größer wurde. Das Licht blendete mich von oben, der Rauch von unten nahm mir die Sicht. Und dennoch erkannte ich die Umrisse einer riesigen Gestalt mit großen, fledermausähnlichen Schwingen, einem kleinen Kopf mit zwei kurzen Hörnern und zwei klauenbewehrten Armen, die sich langsam auf mich zu bewegte, um mich an den Schultern zu packen. Dann versagten meine Beine, Schwärze erfüllte meine Augen, Ruhe drängte in meinen Geist.

Entspannt lehnte ich mich zurück, tauchte bis zum Hals in den großen Holzzuber. Ich streckte die Arme von mir, ließ meine müden Beine im warmen Wasser treiben. Welch’ friedlicher Ort! Noch einmal dankte ich den Zwölfen für dieses Bad. Nachdem ich auf einem langen Holzsteg an einem See im Wald aufgewacht war und mich ein wenig erholt hatte, wollte ich meinem Retter danken. Leider konnte ich ihn nirgends entdecken, aber vielleicht sollte ich einfach der Statue danken, die reglos mitten auf der kleinen Insel hundert Schritt von mir entfernt stand? Ich hatte mich ein wenig erholt, sammelte meine Sachen zusammen und ging zurück in den Wald. An einer Weggabelung, die an einem kleinen Bach lag, fand ich mein Pferd wieder, gut versorgt und aufgeregt schnaubend, als ich näher kam. Über Ilvidoch war ich nach Havena zurückgekehrt. Nach zwei Tagen hatte ich dann schließlich den Garsteener Hof erreicht, wo ich nach kurzen Berichten von dieser Reise endlich entspannen konnte. Ich streckte alle Viere von mir, tauchte unter und goss mir vergnügt das Wasser über den Rücken. Das war nun wieder eine Geschichte, die ich gut daheim zum Besten geben konnte. Auch wenn mir der Zusammenhang noch nicht ganz klar war.  Wieso wollten die Andergaster den Alberniern in den Rücken fallen? Und woher kam diese unheimliche Kollega? Diese Geheimnisse hatte sie wohl mit ins Grab genommen. Sehr bedauerlich.

Ich genoss noch einige Tage lang die Gastfreundschaft der Familie Garsteener. Oft ritt ich mit Binya, der ich dankend ihr Amulett wiedergab,  aus, besuchte mit ihr die Stadt, das Hafenviertel und machte sogar einen kurzen Ausflug in das Delta des Großen Flusses. Sie war wirklich eine angenehme Gesellschaft, aber, zumindest hoffte ich das, daheim würde ja Visaria auf mich warten. Und dieser Gedanke lies es mir ganz warm ums Herz werden. Und ich wusste ja, dass dies nicht von Dauer sein würde, ich wurde erwartet. Spuren von Azinajida und Hagar, da war ich mir mittlerweile sicher, würde ich hier nicht mehr finden. So verabschiedete ich mich schließlich. Cordovan wollte mir das Pferd schenken, mit dem ich mit Binya ausgezogen war. Aber das konnte ich natürlich nicht annehmen – abgesehen davon, dass ich mit dem Schiff weiterreisen wollte, da war ein Pferd einfach hinderlich. Die 30 Dukaten, die er mir dann stattdessen aufdrängte konnte ich allerdings nichts ausschlagen. Er half mir sogar dabei, die Waffen die ich gefunden hatte in Havena zu verkaufen. Mit dem Kunchomer bezahlte ich die Schiffspassage zurück nach Bethana. Für die Axt und die Orkwaffe hingegen bekam ich nicht wirklich viel. Die eine war zu gebraucht, die andere zu „orkisch“ für die Geschmäcker der Havener. Und bis nach Al’Anfa als Trophäe wollte ich den Stahl auch nicht mitschleppen, weswegen ich mich mit weiteren 5 Dukaten zufriedengab die mir ein Krämer dafür bot.

Mit einem kleinen Küstenhüpfer war die Strecke nach Bethana in 3 Tagen geschafft. Kein Vergleich zu der Wochenlangen Kutschfahrt auf dem Weg hier herauf. Hatte Azina doch diesen Weg gewählt? Ich würde es so schnell wohl nicht erfahren. In Bethana wartete man schon ungeduldig auf mich. Victor-Miguel und Nandurin als erste, die mir begeistert am Hals hingen, nachdem ich endlich wieder da war. Aber natürlich auch der Rest der Familie(n). Fabrizio und Esmeralda, weil sie gehofft hatten mich noch einmal wiederzusehen, bevor ich wieder in den Süden abreisen würde. Und meine Familie, weil unser Schiff schon in 3 Tagen gehen würde und man einfach gehofft hatte, dass ich es rechtzeitig schaffen würde. So blieb es mir nur noch kurze Zeit vergönnt, mit allen und insbesondere meinem Patenkind ein paar Stunden zu verbringen, bevor wir weiter mussten. Fabrizio teilte ich in einer ruhigen Minute das Ergebnis meiner Suche mit, er war genauso ratlos wie ich. Aber wir vereinbarten, wer auch immer als erster etwas von Azinajida hören würde, und ich war mir fast sicher dass ich dies sein würde, weil sie ja jetzt inkognito reiste, würde den anderen informieren. Und ich  musste natürlich die Geschichte meiner Fahrt zum Besten geben, was für einen spannenden Abend am Kamin herhielt.

Als der Tag des Abschieds gekommen war, lagen wir uns alle noch einmal in den Armen. Esmeralda, Mutter und Liliana schworen sich, den nächsten Besuch nicht so lange hinauszuzögern. Und Vater, Fabrizio und der alte Nivian hatten in meiner Abwesenheit schon die nächsten Handelscoups geplant, so dass damit zu rechnen war, das eine Abordnung früher oder später nach Al’Anfa kommen würde. Die politischen Wirren dieser Tage zwischen dem Horasreich und der schwarzen Perle waren uns allen derzeit reichlich egal. Sollten die hohen Herren doch tun was sie dachten, für einen guten Handel und echte Freundschaft machte das keinen Unterschied.

Die Rückreise war genauso komfortabel wie der Hinweg. Ich sollte häufiger so reisen. Als ich Vater nach den Kosten der Passage fragte und er mir lächelnd die Summer nannte, nahm ich davon jedoch sofort wieder Abstand. Bei Phex, davon konnte ich mir ja bald ein neues Buch kaufen! Apropos Buch… endlich zurück daheim setzte ich das Vorhaben, das ich mir im Angesicht des nahen Todes genommen hatte, in die Tat um. Ich studierte die Magie des Stabes noch einmal gründlichst. Diesmal zuerst das Kapitel, das ich bisher ausgelassen hatte. Stockfechten. Mir graute schon davor, hatte ich doch auch an der Universität in dieser Disziplin eine erbärmliche Figur gemacht. Mir hallten noch die gehässigen Kommentare unserer Ausbilder und das Gelächter meiner Kommilitonen in den Ohren. Ich war für die anderen immer ein gern gesehener Trainingspartner – weil egal wer dann gegen mich stand, eine gute Figur machte. Ich war ein leichtes Opfer gewesen.  Und dieses Gefühl hatte mich wohl auch daran gehindert, mich in dieser Disziplin weiterzuentwickeln. Das musste ich überwinden, mit eiserner Willenskraft. Diesmal würde mich niemand auslachen. Ich studierte die Zeichnungen und Beschreibungen der Manöver, bis ich sie quasi auswendig konnte. Das machte mich zwar noch nicht zu einem guten Kämpfer, aber ich wusste zumindest schon einmal wie es aussehen sollte. Dann nahm ich mir einen der Sklaven zum üben. Nein, ich habe ihn nicht ständig verprügelt. Sagen wir einfach, er durfte als eine Art beweglicher Attrappe herhalten, der es sogar erlaubt war, zu parieren. – er machte das übrigens gar nicht so schlecht und kam daher relativ glimpflich davon. Und natürlich wagte er es nicht, mich auszulachen. Aber etwas fehlte noch. Dieses entscheidende Quäntchen, das den Unterschied beim Üben machte. Ich konnte aber einem Sklaven nicht erlauben, nach mir zu schlagen um das parieren zu üben. Wo wären wir denn dahin gekommen? Aber mein Halbbruder Tar hatte mittlerweile die Ausbildung als Gardist durchlaufen. Wir waren zwar nie die engsten Freunde gewesen, aber zumindest  den gefallen tat er mir. Gerne anscheinend sogar, wie ich den zahllosen Hieben mit dem Stock, die ich nicht parieren konnte, entnahm. Und er lachte auch nicht dabei, aber dieses schadenfrohe Grinsen war fast genauso schlimm. Umso verbissener trainierte ich diesmal. Überhaupt lag mir weniger daran, meinen Gegner zu treffen. Meine beste Waffe war immer noch mein Geist. Aber das würde mir wenig nützen, wenn ich aufgeschlitzt würde. Deswegen legte ich den Schwerpunkt meiner Übungen darauf, mich möglichst effektiv zu verteidigen. Und es zahlte sich aus. 4 schmerzhafte Wochen später waren meine Reflexe deutlich schneller, mein Griff am Stab sicherer und ich musste bei weitem nicht mehr so viele Schläge einstecken wie am Anfang, selbst wenn sich mein Bruder mühe gab mich zu erwischen. Die Schinderei hatte sich gelohnt.

Und nachdem ich das Buch eh in der Hand hatte… las ich einfach noch weiter darin. Der Stab war immerhin nicht nur Standessymbol eines Magus sondern auch sein wichtigstes Werkzeug. Dem sollte ich ebenfalls Tribut zollen. Für besonders komplexe Taten hatte ich zwar keine Muße, aber ein wenig Mühe wollte ich dann doch in meinen Stecken stecken. Die Magie des Stabes vermittelte mir alles was ich dahingehend benötigte. Sowohl das theoretische Wissen um die Rituale die es in gildenmagischer Repräsentation gab, als auch die möglichen Verzauberungen. Nachdem ich einige Zeit überlegt hatte was ich tun sollte hatte ich mich entschieden. Den Stab auf Reisen entweder ständig in der Hand zu halten oder, falls das nicht möglich war, auf dem Rücken geschnallt zu transportieren war immer ein wenig unpraktisch. Aber es gab einen Stabzauber der den Stab für solche Fälle einfach auf die Hälfte seiner Länge schrumpfte und bei Bedarf auf sein ursprüngliches Maß wieder wachsen ließ. Mit der nächsten vollen Mada vollzog ich das Ritual, das auch noch recht einfach zu erlernen gewesen war. Gut, es war auch nicht besonders mächtig, es gab ja weit praktischeres. Aber es ging wenigstens schnell von der Hand.

Die Monde vergingen dabei ansonsten wie sonst auch. Erst als sich die Namenlosen Tage ankündigten wurde mein Leben erneut durcheinander gewürfelt.

Schon den ganzen Tag schoben sich bedrohliche, tiefschwarze Wolken über Al’Anfa hinweg. Die anfängliche Geschwindigkeit mit der die Wolkenberge von der Seeseite her über das Land hereinbrachen und mit der die Erwartung eines gewaltigen Rondrikan mitschwang, kam nach und nach zum Erliegen, so dass Al`Anfa zusehends unter einer von oben herab drückenden Wolkendecke verschwand. Viktor Dondoya d`Pelisario versuchte die kostbare Zeit in der er einmal frei, von Aufträgen seines Vaters oder sonstigen Verpflichtungen war, zu nutzen indem er sich in seinem Studierzimmer niederlies um dort in eine seiner Erwerbungen aus Bethana einzutauchen. Zu seinem Leidwesen wollte ihm dies nicht Recht gelingen, da sich zum einen die selbst für Al’Anfanische Verhältnisse drückende Schwüle, auf seine Konzentrationsfähigkeit auswirkte und zum anderen die jüngsten Ereignisse immer wieder seine Gedanken auf seinen Sohn Nandurin lenkten.

Anfänglich empfand Viktor das ganze Drumherum, dass der Säugling mit sich brachte, als starken Einschnitt in sein Leben und seine Bewegungsfreiheit. Allerdings stellte er schnell fest, dass es wie so oft im Leben lediglich einer guten Organisation bedarf um die Dinge im Fluss zu halten. Sowohl er als auch sein Sohn Nandurin genossen das Privileg nicht in irgendeiner Baracke, beim Pöbel in der Gosse zu leben, sondern aus wohlhabendem Hause zu entstammen. Hinzu kam noch der Umstand, dass sowohl Mutter als auch Schwester ganz vernarrt in seinen Sprössling waren und ihn wann immer möglich durch die Gegend zogen. Beide waren es auch, die für klein Nandurin gutes und verlässliches Personal anstellten. Der junge wissbegierige Magus nutzte diese Verkettung von Umständen so geschickt, dass es ihm tatsächlich gelang, neben der Zeit die er für die Erfüllung der Aufträge seines Vaters und für die Besuche bei seinem Sohn benötigte, seine heißgeliebten Studien voranzutreiben.

Noch vor vier Madaläufen liefen Viktors Besuche bei seinem Filius relativ routiniert ab. Auf den Austausch mit dem Personal hinsichtlich der Frage, ob denn Alles in Ordnung und der Junge bei guter Gesundheit sei, teilte die Amme regelmäßig mit, wer sich zu Besuch eingefunden hatte (interessanterweise ließ sich auch ab und an der Großvater des Jungen sehen), welche Konsistenz das Gelege jeweils hatte und ob der Junge schon wieder etwas Neues kann. Als Viktor vor vier Tagen klein Nandurin wieder einmal einen Besuch abstattete traf er diesen schlafend an. Er legte die aus Mohagoni gefertigte kleine Figur eines Heshthod sanft neben ihn ins Bettchen und verlies nach kurzem Gespräch mit der Amme das Zimmer wieder. Viktor musste zwangsläufig lächeln, als er den Blick der Amme wieder vor Augen hatte, als diese die Holzfigur zum ersten Mal sah. Sein Lächeln wich einem Grinsen und Stolz machte sich in seiner Brust breit als er sich die seinem Besuch folgenden Ereignisse in Erinnerung rief.

Er verließ seinen schlafenden Sohn und suchte das Studierzimmer auf. Etwa ein halbes Stundenglas hatte er über einer interessanten Niederschrift zu einer Abwandlung einer ihm bekannten Thesis gebrütet, als ein Diener, in angemessen unterwürfiger Pose, eintrat und ihm mitteilte, dass er in Nandurins Zimmer gebraucht würde. Da der Diener sehr aufgewühlt schien, allerdings nicht auf Viktors Frage, was den passiert sei, einging, eilte Viktor hinter ihm her. Schon bevor Sie in den Gang einbogen an dessen Ende Nandurins Zimmer lag, konnte Viktor seinen Sohn schreien hören. So laut hatte dieser noch nie getobt. Der junge Vater betrat das Schlimmste befürchtend das Zimmer und sah die verängstigte Amme in einiger Entfernung von Nandurins Bettchen stehen. Der Kleine schrie und tobte ohne Unterlass mit hochrotem Kopf in seiner Bettstatt.

Als Viktor gerade an das Bett seines Sohnes herantreten wollte, schrie die Amme auf: „Nicht Herr …, er  … er lässt Euch in seinem Zorn zerfallen!!“. „Was redest Du Weib?“ wollte Viktor wissen. Sie stammelte etwas von „Wollte ihn wickeln, … hässliche Figur genommen …, Wutanfall und dann … Stab am Holzbett zerfallen lassen …“. Der letzte Halbsatz lenkte den Blick des Magus auf das Bett und in der Tat, es fehlte eine der Stangen die in kurzen Abständen gesetzt die Liegefläche wie ein Käfig umgaben.  In Viktors Gedanken manifestierte sich eine Vermutung und er rief einen Odem Arcanum auf um eine möglicherweise noch bestehende Reststrahlung magischen Wirkens zu analysieren. Als sich dort wo die Stange einst ihren Platz hatte tatsächlich ein leicht goldfarbener Schleier ersehen ließ, kam es über ihn und er stieß einen Freudenschrei aus. In den Gesichtern der Amme und des Dieners zeichnete sich Verwirrung ab. Er konnte sich angesichts Ihrer belämmerten Blicke ein lautes Lachen nicht mehr verkneifen, fing sich aber relativ rasch wieder. Im nächsten Moment schalt er sich schon dafür, dass er sich hatte so gehen lassen. Ein guter Magus sollte jederzeit seine Gedanken und Gefühle unter Kontrolle haben. Unverrichteter Dinge befahl er beide aus dem Raum, nicht ohne ihnen mit Nachdruck zu verbieten über das Geschehene zu erzählen. Er drohte ihnen an, dass Ihnen ein Fluch ihre Zungen im Maul verdorren lassen würde, wenn Sie den Mund nicht halten könnten.

Nachdem er die Tür geschlossen hatte, nahm er den Mohagoni-Dämon den die Amme auf einer der im Raum befindlichen Kommoden abgestellt hatte und wandte sich seinem Sohn zu. Als er diesen seinem noch immer schreienden Sohn in die Hand gab, beruhigte sich Nandurin augenblicklich und sein Zorn wich einem zufriedenem Glucksen. Viktor zog sich einen Stuhl heran und beobachtete mit zufriedenem Lächeln seinen Filius.

„Mein Sohn – Dein erster Desintegratus –, Du bist wahrlich das Kind zweier Magier!“.

Als er so da saß und Nandurin versonnen beobachtete, kam ihm ein Gedanke. Er griff blitzschnell in das Bett, nahm seinem Sohn die Holzfigur wieder ab und trat einen Schritt zurück. Der Kleine blickte ihn kurz verdutzt an, dann wich der überraschte Gesichtsausdruck einem zornigen Funkeln in seinen Augen das sich über das ganze Gesicht ausbreitete. Als Nandurin lautstark ein jähzorniges Weinen anstimmte, riss die Aufhängung des über dem Bett angebrachten Mobile und es flog Viktor mit einem Klatschen ins Gesicht. Der junge Vater schrie kurz erschrocken auf nur um gleich anschließend erstaunt „ein Motoricus“ verlauten zu lassen. Er legte die Holzfigur wieder zu Nandurin, worauf dieser sich sofort wieder beruhigte. Viktor beschloss es dabei zu belassen beorderte die Amme wieder zurück und erklärte ihr, sie solle dem Jungen künftig sein Spielzeug nur nehmen, wenn er es gerade nicht nutzen würde. In den Tagen nach dem Vorkommnis passierte nichts weiter und die Amme ließ sich relativ schnell wieder von Nandurins gewinnendem Wesen einnehmen.

Zurückdenkend stellte Viktor mit einem Lächeln fest, dass die scheinbar bereits rudimentär vorhandenen magischen Fähigkeiten auch noch durch einen Schlag bei den Frauen komplettiert wurden. „Ganz der Vater, … den übertriebenen Jähzorn allerdings“, so dachte er, „…musste wohl Donata beigesteuert haben!“ Wie sehr die Zeit während dem Revuepassieren der Ereignisse verstrich, wurde Viktor erst gewahr, als er durch ein lautes Donnergrollen aus seinen Gedanken wurde und durch das Fenster seines Studierzimmers in den Himmel blickte. Dem Donner folgte Blitz und das trübe Dämmerlicht des anbrechenden Abends nahm für Sekundenbruchteile eine intensive violette Färbung an. „Wie passend um die Namenlosen Tage einzuläuten“ dachte Viktor und der nächste Donner vibrierte durch die Luft.

 

Der nächste Tag begann fast typisch. In den Namenlosen ging natürlich auch bei uns niemand außer Haus, es sei denn er musste. Und von den wichtigen Personen war das niemand. Wir hielten uns im Haus auf, meist jeder für sich, wussten wir doch, dass man dieser Tage auch schnell einmal etwas tat oder sagte, dass man später bereute. Am besten war es, wenn man für sich allein blieb soweit möglich. Ich wollte die Zeit noch einmal nutzen um im Liber Methelesae weiterzuschmökern. Aber die drückende Schwüle störte mich ständig in der Konzentration und mich trieb eine rastlose Unruhe um, die ich mir nicht erklären konnte. Immer wieder legte ich das Buch beiseite, um nach Nandurin zu sehen.  Meine ersten drei Besuche an diesem Tag waren völlig gewöhnlich. Die Amme versicherte mir, wenn auch etwas gereizt, dass alles in bester Ordnung sei, ich solle mir mal keine Sorgen machen. Beim vierten Besuch, der Kleine lag schlummernd in seinem Bettchen, schickte ich die Amme fort. Ihr giftiger Blick ging mir heute einfach nur auf die Nerven. Also setzte ich mich selbst in den bequemen Lehnsessel in Nandurins Zimmer und beobachtete meinen kleinen Prinzen, wie er friedlich schlummerte.

Ich muss wohl für Sekunden eingenickt sein, denn das nächste was mir bewusst wurde war die schwere Wickelkomode, die im Tiefflug auf mich zusteuerte. Ich warf mich gerade noch zur Seite aus dem Stuhl heraus, bevor das massige Objekt mit einem Krachen an der Stelle zerschellte, wo ich gerade noch gesessen war. Hastig blickte ich mich um, aber natürlich blieb mein Auge an Nandurin hängen. Der Fratz hatte sich am Gitter seines Bettes hochgezogen (guter Junge, dachte ich stolz), aber irgendetwas stimmte nicht. Seine Augen. Es waren die Augen, die einen unheimlichen violetten Schimmer aufwiesen. Aus Nandurins normalem Babygequäke war eine tiefe, grollende Stimme geworden, die gar nicht zu seinem zarten Körperchen passte. „Komme näher, wir müssen reden“. Ich grübelte kurz, ob ich es tun sollte, aber im Zweifel würde ich ja ohnehin zu Nandurin gehen um ihn zu schützen, also tat ich wie geheißen. „Mein Meister hat ein Angebot für Dich. Wir werden dich Lehren.“ Die  Neugier gewann die Oberhand und ich riskierte einen kurzen „Odem Arcanum“! Eindeutig dämonisch, so viel war klar. Aber wirklich Namenlos, oder vielleicht doch eine andere Domäne? Amazeroth vielleicht? Aber das Rätsel sollte sich gleich auflösen. Mit einem höhnischen Lachen vibrierte die Stimme wieder: „Dein Schutz ist nutzlos, das Kind war meinem Herren versprochen, lange bevor du den Segen Deiner schwachen Götzen auf ihn gelegt hast. Es wird immer Tage geben, in denen er uns gehört.“ Also doch, der Namenlose… schon wieder. Langsam wurde es wirklich lästig mit diesen Kerlen.

Aber sei es drum, ich war immerhin Magier, da hieß es einen kühlen Kopf zu wahren. „Wer bist Du?“ fragte ich also, kaum eine Antwort erwartend. Aber das Wesen fühlte sich anscheinend ziemlich sicher. „Man kennt mich unter dem Namen Atesh'Seruhn, Mensch. Und mein Herr hat eine Botschaft für dich. Gehe morgen in das Haus, in dem du normal Freude suchst. Dort wird jemand auf dich warten und dir weitere Anweisungen geben. Und wage es nicht, eine Dummheit zu versuchen, sonst wird das Kind es Büsen.“ Mit diesen Worten ließ er Nandurin auf seinen bewindelten Hintern plumpsen und mein Kleiner bekam einen heftigen Krampfanfall, so dass ihm der Schaum vor den Mund trat und das Zucken gar nicht mehr aufhören wollte. „Du siehst, ich meine es ernst. Wir erwarten dich.“ Damit verschwand die unheimliche Präsenz aus dem Zimmer, und Nandurin blieb geschwächt und wimmernd liegen. Der Name sagte mir nichts, wie mächtig war dieses Wesen? Jetzt war guter Rat teuer, was sollte ich tun? Sofort schossen mir mehrere Gedanken und Alternativen durch den Kopf.

Praioti waren in Al’Anfa Mangelware, die hätten sich zwar ausgekannt, aber würden mir nicht unbedingt helfen oder gleich irgendwelchen Unfug mit Nandurin treiben, im schlimmsten Fall sogar seine Magie ausbrennen wollen. Fiel also aus. Das Hesindepriester bei Besessenheit durchaus etwas auszurichten vermochten hatte ich ja am eigenen Leib erfahren, das wäre dann schon eher ein gangbarer Weg, und die hatten auch kein Problem mit meiner Profession. Oder doch eher die Boroni? Immerhin die mächtigste Kirche am Ort, und wenn Nandurin dort im Tempel wäre, würde sicher kein namenloser Einfluss nach ihm greifen können. Wobei bei allen Varianten der normale Weg durch die Stadt ausfiel. Zu lange, zu unsicher. Und der Dämon könnte es bemerken und wer weiß was anstellen. Aber mit einem Transversalis würde sich zumindest dieses Problem bis zu einem gewissen Grad lösen lassen. Oder doch vorerst mitspielen und gute Miene zum bösen Spiel machen? Allein schon weil es ein Affront gegen mich persönlich war, meine Familie zu bedrohen musste ich mir eigentlich die Hintermänner zunächst vorknöpfen. Aber das wollte alles wohl überlegt sein… allein würde es schwer werden. Wären nur Junasia und Azinajida hier, ich könnte sie jetzt wirklich gebrauchen! Aber, und da war ich mir sicher, es würde wohl bald der dritte Zirkel dieser Ratten auf mein Konto gehen.

Dieser Eintrag wurde am 5.08.2019 (13:39) verfasst und 572 mal aufgerufen.
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