Tagebuch von Cileham Curtius
Nebelmeer

Der Kriegsrat mit Prinz Arlan und seiner Mutter Walpurga von Weiden war für uns noch einmal eine gute Gelegenheit das Erfahrene und Gelernte zu rekapitulieren, auch wenn wir schon wussten, wohin unsere nächsten Schritte führen würden. Der Stern des Westens, wie ich ihn einfach einmal prosaisch nennen würde, war mit Kunde der dortigen Gräfin verbunden. Arlan zeigte uns auf einer Karte des Landes den Weg und was uns erwarten würde. Ausgangspunkt unserer Suche sollte das Dorf Orlat sein. Von der dort herrschenden Gräfin Valderia von Löwenhaupt, eine seiner Tanten, war Nachricht von seltsamen Ereignissen geschickt worden. Ein Räuberlager, wohl bestehend aus Orks und Menschen, sei niedergemacht worden. Dem weinte man natürlich nicht nach, aber die mit Pfeilen gespickten Kadaver, die Vermutung das es Elfen gewesen sein mussten lag nahe, hatte die Gräfin dazu veranlasst die Nebelbrücke zu sperren, die bei Orlat den Zugang zum Knüppeldamm bildete der den Weg nach Donnerbach darstellte. Und das war natürlich eine erhebliche Behinderung des Verkehrs. Außerdem war der Kontakt zu einer dort am Finsterbach ansässigen Auelfensippe, den „Nebelrufer“ auf einmal abgebrochen. Der Finsterbach bildete dort auch die natürliche Grenze zwischen dem Nebelmoor und Weiden. Eigentlich hatte die Gräfin wohl geplant ihre Ritter auf eine Expedition in den Sumpf zu schicken, das Vorhaben aber noch einmal verschoben, weil Herzogin Walpurga ihr in Aussicht gestellt hatte uns als „Experten“ zu ihr zu senden.

Damit wir uns um so wenig anderes nebensächliches wie möglich kümmern mussten stellte Arlan uns, ein wenig gegen meinen Willen, einen kleinen Tross zusammen der uns zumindest bis Orlat begleiten sollte. Damit wir schneller vorankommen würden, zumindest MaLuf und Alari, die ja beide nicht richtig Reiten konnten, bekamen wir eine herzögliche Kutsche, ein respektabler Sechsspänner. Dazu natürlich den Kutscher, einen Schmied für alle Fälle, den pickeligen Pagen Linnert den ich schon kannte, eine Zofe, die Köchin Danja und zuguterletzt noch 2 Soldaten der herzöglichen Garde.  Das war eine mehr als ordentliche Reisegesellschaft, aber in das Nebelmoor würde ich diese Horde mit Sicherheit nicht mitschleppen wollen. Das wären, vielleicht bis auf die Soldaten, nur Klötze am Bein, auf die ich zusätzlich würde achten müssen. Dabei hatten wir auch so schon genug Probleme mit den Elfen. Auf der anderen Seite hatte Magister Uhlenheide von Donnerbach freundlicherweise an uns Gedacht und für jeden noch einmal ein silbern glänzendes Fläschchen Heiltrank hinterlassen, den wir sicher würden gebrauchen können. Nur auf Aknason würden wir anscheinend diesmal verzichten müssen. Der arme hatte sich anscheinend auf den Bergen eine ziemlich böße Erkältung eingehandelt und lag mit Dumpfschädel, Rotznase und Fieber im Bett, so dass er sich kaum rühren konnte.

Unser Auszug aus Trallop sorgte dann für ein wenig aufsehen. Mit der herzöglichen Kutsche und den Bannern daran reckte das Volk die Hälse um zu sehen, welcher hohe Herr oder Dame denn nun wieder Auszog. Aber es waren ja nur wir… Der Weg nach Orlat südlich am Neunaugensee entlag war eigentlich gar nicht so weit. Länger als 2 Tage sollten wir dafür nicht brauchen und die Reise verging im Wesentlichen ruhig und ohne nennenswerte Vorkommnisse. Am ersten Abendlager stimmte die Zofe einen sanften Gesang an und ich versuchte, sie dazu auf der Flöte zu begleiten. Naja, ihr Gesang war deutlich gefälliger als mein getute, so dass ich es bald wieder lies. Alari begann dann auch zu singen, und wir lauschten Andächtig ihrer getragenen Stimme, auch wenn ich selbst nur einen Bruchteil des Liedes und die anderen wohl gar nichts verstanden. Wachen wollten wir trotzdem aufstellen und es entspann sich da eine kleine Diskussion wer warum und mit wem. An sich nur, weil MaLuf unbedingt auch wachen wollte. Aus seinem beständigen Geschnatter hatte ich auch etwas herausgehört, dass er für seinen Meister von dieser Reise Kairanrohr mitbringen sollte, er aber keine Ahnung hatte was das war oder wie das Aussah. Ich versuchte ihm das zu erklären, was gar nicht so einfach war. Sindaja meldete rechtliche Bedenken an, da das ernten von Kairan wohl nur bestimmten Personen erlaubt war. Elfen, also Alari auch, aber hätten wohl immer das Recht dazu, weswegen MaLuf versuchte sie erfolglos zu überreden im das Kraut zu pflücken. Ihm war anscheinend nicht klar, dass selbst wenn sie ihm da helfen würde sein Meister ihm da eine echt böße Aufgabe gestellt hatte. Das ernten musste, soweit ich wusste, mit einem speziellen Messer erfolgen. Und der Kairan würde sich, ohne besondere Vorkehrungen, innerhalb weniger Tage zersetzen. Selbst im Seewasser aufbewahrt hielt er kaum mehrere Wochen. Und der Weg ins Bornland zurück war ja nicht gerade der kürzeste. Selbst auf einem Pferd würde er wohl mindestens einem Mond bis nach Hause benötigen. Aber das war ja nicht mein Problem. Armer Kerl…

Die Nacht verlief, bis auf einen Fehlalarm von MaLuf, der sich anscheinend vor ziemlich weit entferntem Wolfsgeheul ängstigte, ruhig. Ich wusste schon, warum ich ihn keine Wache machen lassen wollte… am nächsten Morgen überredete ich ihn dazu, eine kleine Morgenrunde im kalten Neunaugensee zu schwimmen. Unsere Begleiter aus Trallop sahen uns da zwar seltsam an und begannen etwas von den Gefahren des Sees zu erzählten, aber wir würden ja nicht weit hinaus schwimmen. Das Wasser war kalt, aber sehr erfrischend. Ich genoss das Bad, bis MaLuf auf einmal einen spitzen Schrei ausstieß. Als ich mich umdrehte und schon auf das schlimmste gefasst war riss ich die Augen auf. An mir schwamm ein orangener, platter Fisch vorbei, hob dabei die Flosse und ließ klar und vernehmlich ein „Guten Morgen“ erklingen. Ich war so perplex, dass ich außer einem „Ebenfalls“ zu kaum einer Erwiderung im Stande war. Wohl ein Biestinger, wie wir später erfuhren, den See sollten allerlei seltsame Wesen bewohnen, weswegen auch kaum jemand wagte ihn mit Schiffen zu befahren, außer vielleicht in Ufernähe.

Gegen Mittag des Tages erwartete uns dann bei einer der Schutzhütten am Wegrand eine weitere Überraschung. Eine in Pelz gehüllte und mit Zahnketten behängte, wohl alte Gestalt, schien auf uns zu warten. Unter der Kapuze kam das faltige Gesicht eines Nivesen hervor der sich als Barnuk vorstellte und uns von Sari grüßen sollte, die eines Nachts einfach verschwunden war. So wie er Aussah stellte ich mir einen Schamanen dieses Volkes vor, aber sicher war ich mir natürlich nicht. Er eröffnete uns dann eine Art Orakelspruch, der in etwa so ging. Im Sumpf vor uns lauern 3 alte Mächte. Die eine weist den Weg, die zweite beansprucht diesen und die letzte hat ihre Seite noch nicht gewählt. Achtet den Pfad des Wolfes, aber hütet euch vor dem Vollmond und meidet geschlossene Häuser. Wobei letzteres typisch für Sari war, die kleine mochte ja generell keine Gebäude. Nun gut, wir würden es im Hinterkopf behalten. Beim gemeinsamen Mittagsmahl zu dem wir Barnuk dann einluden kam die Sprache auch auf das Wolfsgeheul von heute Nacht und er meinte, das wären Sari und er gewesen, die sich unterhalten hätten. Nach dem Essen verabschiedeten wir uns und jeder Zog seiner Wege. Aber ich war froh zu wissen, dass es der kleinen Nivesin anscheinend gut ging.

Um nur ein weiteres Beispiel zu geben, dass der Moha MaLuf sich mit seinem unablässigen Geschnatter nur in Schwierigkeiten brachte will ich noch dieses erzählen. Er stritt sich die ganze Zeit mit Sindaja wegen des Einsatzes seines Blasrohrs. Da so ein Blasrohrpfeil an sich ja nicht gefährlicher als ein Mückenstich war prahlte er damit, einem Gegner auch ins Auge schießen zu können. Den Beweis mit einem vergleichbar großen Silbertaler blieb er uns aber bis zuletzt schuldig… auf jeden Fall brachte so ein Pfeilchen nur etwas, wenn es vergiftet war, was Sindaia als Ritterin aber nie dulden würde. Da mir MaLuf aber auch nicht vorkam, als hätte er das Geld um sich Gift leisten zu können trat ich ihm eine Portion Eitrigen Krötenschemels ab. Nicht das gefährlichste Gift, aber besser als nichts, und ich schleppte es ja eh nur herum ohne darauf zurück zu greifen. Ich bläute ihm noch ein nichts davon zu Sindaia zu sagen, aber das hätte ich mir genauso gut schenken können. Der Schwätzer schaffte es nicht einmal ein halbes Stundenglas das Geheimnis für sich zu behalten mit der Konsequenz, dass Sindaia ihm das Gift unter Androhung von Strafe abnahm um zu prüfen ob er nun in den Kerker gehöre. Würde sich die Gute nur etwas mehr mit Pflanzen, Giften oder der Rechtskunde auskennen! Natürlich stand Krötenschemel nicht auf dem Index Werheimium der verbotenten Substanzen. Ich war ja nicht dumm und schleppte irgendetwas mit mir herum, dass mich den Kopf kosten könnte! Aber sie wusste es nicht, und mich fragte keiner, deswegen hielt ich mich lieber heraus. Kurz, später musste sie ihm das Gift zurück geben, aber ich wusste wieder einmal, diesem Burschen würde ich kein Geheimnis anvertrauen!

Am zweiten Tag kamen wir dann nach Olat. Etwas außerhalb des eigentlichen Dorfes, das gut geschützt hinter einer Palisade lag, fand sich auf einem Hügel die trutzige Burg der Gräfin Valderia. Keine große Festung, aber eine respektable Grenzburg mit mehreren Schritt dicken Mauern für die man schon schweres Gerät benötigen würde um sie einzunehmen. Den Hügel hinauf fuhren wir nicht mit der Kutsche, da uns der Kutscher aufklärte, dort oben ginge es recht beengt zu. Also näherten wir uns den mit Fahnen in den Farben der Gräfin geschmückten Türmen, ein Schwarzer Luchs auf goldenem Grund, zu Fuß und Pferd. Natürlich hatte man uns bereits von weitem gesehen und wartete schon. Die Frau Gräfin, eine große, dünne und sehnige Frau von wohl um die 50 Götterläufe hatte die grauen Haare zu einem strengen Knoten gebunden, aber aus ihrer Körpersprache war keine Schwäche zu lesen. Im Gegenteil sah man ihr schon auf den ersten Blick die gestandene Kriegerin an, die ihr Land zu schützen wusste. Die Mauern der Burg waren noch dicker als ich vermutet hatte, sicherlich um die 6 Schritt, aber entsprechend eng ging es im inneren zu. Die Häuser waren alt, der Platz spärlich und finster. Im Haupthaus wurden wir, nachdem wir uns kurz vorgestellt hatten, in den „großen“ Saal geführt. An der langen Tafel speisten üblicherweise die Gräfin und ihre Ritter, nun diente sie uns als Besprechungsraum. Die Gräfin konnte allerdings nur wenig ergänzen, was wir noch nicht wussten. Lediglich das im Dorf der verschwundenen Auelfensippe wohl kein Kampf stattgefunden hatte war noch neu.  Und die Gräfin schien hoch erfreut, dass wir die Aufgabe übernehmen würden nach dem Rechten zu sehen. Verständlich, der Einsatz von Rittern im Sumpf war wohl einfach keine sinnvolle Alternative. Dafür durften wir uns mit allem notwendigen für diesen im Kramladen des Dorfes ausstatten und würden auch einen Ortskundigen Führer mitbekommen.

Diesen bat sie kurz darauf herein. Ein hochgewachsener, vollbärtiger Bursche dem man nur bei wirklich ganz genauem Hinsehen den Hauch Elfenblut ansah der durch seine Adern floss. Er stellte sich als Eichbart Blaustein vor und bei Hesinde, ich bereue meine Unzulänglichkeit! Ausversehen nannte ich den Guten in einem unachtsamen Moment stattdessen versehentlich Blaubart. Das passierte mir nur einmal, danach achtete ich genau darauf, ihn nicht noch einmal zu verunglimpfen. Aber Alari und MaLuf machten sich dann in einem Fort einen Spaß daraus in absichtlich Blaubart, Kapitän Blaubär und ähnliches zu nennen. Ich bewundere die Geduld dieses Mannes. Ich hätte die beiden wahrscheinlich einfach irgendwann im Sumpf stehen lassen dafür… Das Dörfchen verfügte leider nur über einen Traviatempel. Ein Rondratempel mit Korschrein wäre mir allenthalben lieber gewesen, aber das hatte ich ja auch nicht erwarten könnten. Also bat ich Mütterchen Travia in meinem und Sindaias Namen um einen Segen für die Reise und warf für jeden von uns 2 Silberlinge in den Opferstock. Sindaia selber hatte leider keine Zeit, denn Alari wollte unbedingt noch zu dem Elfendorf um dort nach Spuren ihres Bruders zu suchen. Und da wir die doch ein wenig hilflose Elfe nicht ohne Schutz gehen lassen wollten erbarmte sich Sindaia ihrer. Ich erfuhr später, dass sie wohl tatsächlich auf Zeichen dafür gestoßen waren das Alaris Bruder hier gewesen war. Irgendwelche Schnitzereien, die Alari ihm meinte zuordnen zu können oder so.

Meine Ausrüstung war ja nun über lange Jahre bewährt und schon recht umfangreich. Ich hatte so gut wie alles von dem unser Führer meinte dass wir es brauchen würden. Lediglich einen zweiten Wasserschlauch, etwas Verbandszeug und noch einige Portionen Egelschreck musste ich ergänzen. Alari hatte, wie kaum anders zu erwarten bei einer Elfe, allerdings ein echtes Problem mit dem Egelschreck. Also lieh ich ihr meinen treuen Mückenschleier von Maraskan, der mir schon so viele gute Dienste geleistet hatte. Ich hatte eigentlich kein Problem damit ein Stinktier zu sein, es war anders einfach nur bequemer.  Sindaja gab mir ihren dritten Ersatzschild, einen einfachen Holzschild da meiner ja zuletzt kaputt gegangen war und ich vergessen hatte ihn bei Arlan zu ersetzen. Sie selbst nahm ihren großen Lederschild mit und packte MaLuf noch einen verstärkten Holzschild auf den Rücken. An sich hätte ich nun noch rein der Vorsicht wegen einen Zauberklinge auf meinen Brabakbengel gelegt, der Streitkolben lag noch unter dem Segen Rondras dank Aknason, so dass ich diese Vorsichtsmaßnahme diesmal sein lies und den Brabakbengel sogar auf der Burg zurück ließ. Im Sumpf wollte ich nicht alles an Gepäck mitschleppen müssen.

Der Morgen begann mit einem frühen Rondradienst, auch wenn auf der Burg kein Geweihter anwesend war. Die Burgherrin ließ es sich nicht nehmen diesen selber zu halten, den Traditionen war man hier anscheinend ziemlich verhaftet, aber ich finde das ja eher positiv. Nichts gibt den Menschen mehr Halt in unruhigen Zeiten, als feste Rituale die der Welt Struktur geben. Das Frühstück nahmen wir gemeinsam mit den Rittern der Gräfin ein, auch wenn es dadurch im Saal schon ziemlich beengt zuging. Auf viele Gäste war man hier wirklich nicht ausgelegt. Unser Aufbruch war dann auch deutlich weniger aufsehenerregend als unsere Ankunft. Wir gingen ins Dorf und mit dem Führer Eichbart zum Tor am Fluss, das extra für uns geöffnet wurde. Die Bogenbrücke dahinter war eine stabile und für diese Gegend wie ich finde imposante Steinkonstruktion. Sicher für die Landesherrin auch nicht billig zu unterhalten. Wir waren noch nicht weit auf der anderen Seite, da begann sie Sicht auch schon schlechter zu werden. Woher das Nebelmoor seinen Namen hatte war nicht überraschend. Die Sichtweite sank rasch auf etwa ein Dutzend Schritt. Wenn man sich hier aus den Augen verlor mochte es sogar für Ortskundige unmöglich sein sich gegenseitig,  geschweige denn wieder herauszufinden. Wir waren gut beraten einen Ortskundigen Führer zu haben. Der Nebel schluckte die Geräusche, dämpfte alles um uns herum und die Luft war deutlich kühler als außerhalb des Sumpfes, dafür aber ständig klamm und feucht. Das würden einige unangenehme Tage werden. Lediglich das Summen der Mücken und ein konstantes Zirpen begleiteten unseren Weg, ansonsten war es nahezu gespenstisch Still in dieser unwirklichen Landschaft. Dazu gesellte sich bald ein dauerhafter Gestank nach Fäulnis der aus den Sumpflöchern und Tümpeln aufstieg. Hätten wir selbst nicht so nach Egelschreck gerochen, uns wäre wohl zu Anfang zumindest recht flau im Magen gewesen. So aber rochen wir selbst kaum besser. Nur Alari hatte sichtlich Mühe in dieser Umgebung an sich zu halten.

Zu Anfang kamen wir gut Vorwärts. Fast konnte man den Weg sogar noch eine Straße nennen. Wie unser Führer uns erzählte war es der direkte Weg vom Süden nach Donnerbach, wenn man die deutlich längere Westroute aus Eile  nicht nehmen wollte. Die Leute aus Donnerbach und Olat richteten jedes Jahr unter großen Mühen den Pfad her, da sich die Strecke hier im Sumpf auch immer wieder einmal ändern konnte. Aber es gab trotzdem genug Reisende, die bereit waren die Unannehmlichkeiten dieses Weges für die Zeitersparnis in Kauf zu nehmen. Nach 2 Stunden Marsch aber merkte man deutlich, dass wir schon tiefer im Moor waren. Der Pfad wurde zusehends schlechter und nun begann die Wärme des Mittag selbst durch den dichten Nebel zu dringen. Wir begannen zu schwitzen, aber das kühlte uns kein bisschen da unsere Haut vom Nebel schon feucht und klebrig war. Ein widerliches Klima! Hätte ich es nicht besser gewusst, wir hätten genausogut in den Echsensümpfen sein können, zumindest gefühlt. Das wir aber noch auf einem gut begangenen Weg waren merkten wir auch daran, dass immer wieder einmal Lagerplätze an trockeneren Stellen am Wegrand eingerichtet waren. An einer davon machten wir Mittag, überquerten irgendwann mal wieder eine Holzbrücke – jedesmal an einem Gewässer nahm die Mückenplage noch einmal deutlich zu, ohne den Egelschreck wären wir wahrscheinlich am ersten Tag schon gefressen worden – und erreichten schließlich eine Kreuzung und beschlossen kurz nach dieser zu Lagern. Diesmal war es keine Frage, natürlich musste jeder Wachen. Die erste Wache würde noch alleine bleiben, die übrigen aber sollten Doppelwachen werden. Ich glaube, keinem von uns war dieses Moor wirklich geheuer. In der Dämmerung setzte ein nahezu infernalisches Quaken ein. Der Lärm war so laut, dass man sogar Mühe hatte sich zu unterhalten. MaLuf begann, von giftigen Fröschen aus seiner Heimat zu erzählen. Mit dem Blasrohr verschoss man dort das Gift dieser Tiere auf seine Gegner. Und irgendwie schaukelten wir uns dabei soweit gegenseitig hoch, dass ich kurzentschlossen losging und mir einen der Frösche fing. Eine ganz gewöhnliche Sumpfkröte. Aber MaLuf bekam schier erst einmal einen Anfall, als ich ihm das Tier in die Hand drücken wollte. In meinem Kopf hatte sich die Vorstellung festgesetzt wie es aussehen würde wenn Alari die Kröte mit einem Pfeil verschiesen würde, ohne genau sagen zu können ob vorn angebunden oder aufgespießt. Alari nahm das Ding sogar, aber MaLuf schlug es ihr angsterfüllt aus der Hand, so dass der glitschige Geselle schnell im Sumpf das Weite suchen konnte. Bis auf das Quakkonzert blieb die Nacht aber erstaunlich friedlich.

Als wir am nächsten Tag weitergingen meinte Alari, wir würden von einer Gestalt im Nebel verfolgt, aber mehr als diese wage Aussage war erst einmal nicht zu ermitteln. Zwar waren wir nun Aufmerksam, aber wer auch immer uns folgen mochte, falls das überhaupt so war, verschmolz dann wohl regelrecht mit der Umgebung.  Gegen Mittag erreichten wir eine Hütte, und von hier ab ging es gefühlt erst einmal abwärts. Unser Führer wunderte sich, denn diese Hütte kannte er nicht. Was wiederum nur bedeuten konnte, dass wir uns verlaufen hatten, auch wenn er Stein und Bein schwor, das wir keine Abzweigung verpasst oder falsch genommen hätten. Super! Ich konnte selbst noch nicht einmal sagen, ob überhaupt die Richtung noch stimmte. Da war sich Eichbart aber zumindest noch sicher. Die Hütte war teilweise im Boden eingesunken, das Dach verzogen, die Tür im Boden verklemmt. Sindaja und dann auch MaLuf mühten sich redlich die Tür zu öffnen, aber gegen den Widerstand des Bodens war es anscheinend ein vergebliches Unterfangen. Ich ging auf die Rückseite wo die Hütte noch etwas niedriger war und half MaLuf hinauf an eine Stelle, wo das Dach etwas eingefallen war. Aber der kleine Angsthase weigerte sich, ins Innere zu steigen. Also machte ich das selbst. Wobei es drinnen nicht viel zu sehen gab. Der Raum war leer, etwa 20 Rechtschritt groß und das einzige was es gab waren zwei Eisenstanten mit Ketten im Boden die sehr stabil verankert waren. Der Boden war gestampft aber auch ein wenig weich von der ständigen Feuchtigkeit. Ich grub an einer Stange entlang um zu sehen wie sie befestigt war, anscheinend eine Art Kreuz die sie im Boden hielt. Sehr seltsam. Vielleicht eine Hütte für Gefangene einer Räuberbande? Hinweise gab es leider überhaupt keine, wer diese Hütte gebaut oder genutzt haben mochte, deswegen gingen wir dann irgendwann weiter, mit mehr Fragen als Antworten im Kopf.

Wir merkten bald, dass wir immer tiefer in den Sumpf vordrangen und nicht mehr auf dem eigentlichen Weg Richtung Donnerbach waren. Der Pfad wurde immer schmaler und war mehr und mehr von stinkenden Brackwasserseen und verkrüppelten Bäumen umstanden. Eigentlich hätte man in dieser Umgebung dauerhaft aufmerksam sein müssen, aber die eintönige Nebelwand um uns herum lullte uns mehr und mehr ein. Auch mich, obwohl ich mir der Gefahr dieses Ortes an sich bewusst war. Aber irgendwann verlässt jeden einmal die Konzentration. Der Pfad war mittlerweile so schmal, das wir nur noch hintereinander gehen konnten und am besten um sicher zu sein in die Fußstapfen von Eichbart traten, als mit plötzlich etwas an den Beinen packte und ruckartig nach hinten zog. Platschend landete ich im Schmodder und schaffte es gerade so, mich auf die Knie aufzurichten. Um meine Beine hatte sich ein Saugnapfbewehrter Tentakel geschlungen und neben mir begannen mehr und mehr dieser Dinger um sich zu peitschen und nach uns zu schlagen. Wir setzten uns nach Kräften zur Wehr, aber das Vieh war zäh. Mich zog es näher und näher an sich heran, wohl um mich mit dem auf dem Moor auftauchenden Schnabel zu beißen. Aber da hatte es die Rechnung ohne mich gemacht. Solange ich meine Arme noch nutzen konnte war ich nicht wehrlos, und das ließ ich die Kreatur mit einem krachenden Schlag spüren, der ihr das garstige Beißwerkzeug zerschmetterte. Leblos versank der Krakenmolch gluckernd im Sumpf. An sich war mir auch  nicht viel passiert, aber die erschrockenen Blicke meiner Begleiter ließen nichts Gutes ahnen. Natürlich, im Sumpf war das irgendwann zu erwarten gewesen… 3 fette, ziemlich große Egel hingen an mir, hatten wohl die Gelegenheit genutzt als mich dieser Elende Molch geschnappt und ins Wasser befördert hatte. Eichbart meinte, man müsse sie eben vorsichtig mit einem Messer entfernen, was wir dann auch taten. Aber das war dann sogar schmerzhafter als die Prügelei mit dem Kraken. Mit ein wenig Egelschreckpasste stillte ich, mangels Alkohol, zumindest die Blutungen, eine Entzündung wollte ich dann doch nicht riskieren.

Je weiter wir vordrangen umso mehr verschwand auch der Weg. Wo mochten wir nur sein? Alari meinte, wir würden auch weiterhin verfolgt, aber auf meinen Vorschlag, MaLuf könne ja jetzt sein Blasrohr sinnvoll einsetzen und sich dadurch atmend neben dem Weg auf die Lauer legen und unseren Verfolger von hinten überraschen sprang der Angsthase so gar nicht an. Im Gegenteil fand er mannigfache Ausflüchte, warum das auf gar keinen Fall ging. Egel, kaltes Wasser und die Angst, der Verfolger könne ihm das Rohr zuhalten und er dann ertrinken waren da nur einige… was für einen Jammerlappen sich dieser Herr Espenhain da als Schüler ausgesucht hatte. Am Ende des Tages fanden wir dann auch nur einen mäßig schönen Lagerplatz der kaum genug Raum für alle bot um sich am qualmenden Feuer zur Ruhe zu legen. Aber außer den obligatorischen Fröschen geschah erst einmal nicht viel. Die letzte Wache hatten dann Alari und MaLuf zusammen. Und am Morgen berichteten beide uns sehr überzeugt, dass unser Verfolger wohl ein Elf sein musste den sie im Dunkeln immerhin erkennen hatten können.

Am nächsten Tag begann das Gelände etwas anzusteigen und trockener zu werden. Wir waren doch nicht etwa unbemerkt aus dem Sumpf heraus gelaufen? Ich hatte gedacht, der würde sich hier über viele Meilen erstrecken. Dafür war das Vorwärtskommen aber auch nicht einfacher, da hier der Boden ordentlich zu gewuchert war. Sindaia hatte einen Arbach dabei, einen dieser geflammten Orksäbel, den wir uns abwechselnd als Machete missbrauchten. Ich hatte mein treues Haumesser leider in Kunchom zurück gelassen. Sie hackte sich gerade kräftig vorwärts, als sie uns wieder einmal bewies dass sie kein Kind der Wildnis war. Stur geradeaus schien ihr Motto, dabei überquerte sie einfach einen wunderschönen Wildwechsel der ihren Weg kreuzte und eine leichte Möglichkeit bot weiter zu gehen. Natürlich machten wir sie darauf Aufmerksam und nahmen dann diesen Pfad, auch wenn er nur schmal war. Alari konnte uns sogar verraten, dass es sich hier wahrscheinlich um einen Wolfspfad handelte. War da nicht etwas gewesen? Richtig, Barnuks Prophezeiung! Folgt dem Pfad des Wolfes… noch ein Grund mehr, hier entlang zu gehen. Grob ging es nach Norden, was ja nicht unpassend war, als sich unter das beständige Summen und Zirpen ein neues Geräusch mischte. TOK. TOK. TOK. Der Schall von Stahl auf Holz. Wir gingen dem Geräusch nach und standen bald auf einer kleinen Lichtung wo ein Holzfäller mit entblößtem Oberkörper schwungvoll seine Axt in einen Baum trieb. Der Mann war stark behaart, sowohl im Gesicht als auch am Körper und mochte vielleicht um die 40 Götterläufe zählen, auch wenn das schwer zu sagen war. Ein echter Hüne, die kräftigen Muskeln spannten sich bei jedem Schlag. Ich war ja auch kein Schwächling, aber mit diesem Burschen wollte ich kein Armdrücken machen… Wir steckten unsere Waffen weg und näherten uns ihm mit freien Händen, ihn im Namen der Götter laut grüßend damit er uns auch kommen hören würde.

Der Holzfäller stellte sich uns als Gallwyn vor und erzählte uns, sein Dorf läge etwas 3 Stunden von hier. Aber soweit müsse man hier schon mal gehen um vernünftiges Holz zu finden. Auch ihnen sei aufgefallen das es in letzter Zeit ziemlich viele Elfen im Sumpf gab, was ungewöhnlich war. Normal würden sich die Spitzohren, er blickte entschuldigend zu Alari, sich wegen des Geruchs eigentlich nicht in den Sumpf verirren. Sogar sein Dorf hatten sie angegriffen, aber dabei hätten die Bewohner 3 der Elfen erschlagen. Erschlagen? Holla die Waldfee, das musste ein ziemlich wehrhaftes Dorf sein! Auffällig war, so Gallwyn, das nur die Hälfte der Elfen so ausgesehen hatte wie man es in diesen Landen erwartete. Die andere Hälfte war nämlich bis auf ihre Waffen und ein paar Blätter um die Leibesmitte nackt! Das war in der Tat sehr ungewöhnlich. Da eine Rast im Dorf aber jedem Aufenthalt im Sumpf vorzuziehen war machten wir uns auf und folgten ihm. Ich bot sogar an beim ziehen des Baumstamms zu helfen. Aber ich hatte den Eindruck, dass was ich neben Gallwyn dazu beitragen konnte den Stamm zu befördern war eher mäßig.

Aber der Weg zum Dorf blieb nicht ohne Hindernisse. Wir hatten vielleicht die Hälfte des Weges geschafft, als sich uns auf einmal eine Horde wildgewordener Elfen in den Weg stellte. Nicht solche, wie wir sie aus der Wacht kannten oder diese tigerreitenden Kriegselfen, sondern einfach nur Elfen, wie ich sie aus den Auen und Wäldern kannte.  Nur das diese nicht friedlich waren sondern uns direkt mit einem Pfeilhagel und vorgehaltenen Speeren begrüßten. Bei Hesinde, das waren wirklich viele, ich würde schätzen mindestens eineinhalb bis zwei Dutzend! Der frontale Angriff würde uns wie gespickte Igel aussehen lassen, weswegen ich statt loszupreschen erst einmal ein „Sanyasala. Feyama mei Cileham Curtius“ hervor stieß. Aber nach Reden war diesen Elfen anscheinend nicht zumute, denn der Beschuss ging munter weiter und die übrigen, es gab dann doch anscheinend auch welche nur mit Blättern und Waffen angetan, drangen mit Speeren auf uns ein. Mit unserer Gesundheit ging es rapide Bergab! Es muss so etwa die dritte oder vierte Salve gewesen sein, Sindaia befand sich schon im Nahkampf und ich machte mich auch gerade fertig nun doch einen Elfenschädel einzuschlagen, da ertönte eine tragende, kalte Stimme und befahl auf Isdira ein „Halt“. Ein Elf, ähnlich bleich und hochgewachsen wie Alari trat hervor, und die war auch gleich hocherfreut. Anscheinend hatte sie endlich ihren verlorenen Bruder gefunden. Aber das was folgte war kein frohes Familienwiedersehen. Kalendri, so nannte sich der Elf unterhielt sich kurz mit ihr, und zwar nur mit ihr, und ließ uns dann ziehen. Aber nur dieses eine Mal wie er betonte. Anstatt mit seiner Schwester zurück zu kehren meinte er etwas, wie, er habe hier seine Bestimmung gefunden und müsse das Land befreien.  Anscheinend war er der aufrührerische Kopf hinter diesem Tumult im Sumpf! Hatte er schon Kontakt zu diesem Hauptmann Artiel gehabt und sich von diesem den Kopf verwirren lassen? Es schien fast so. Und genauso schnell wie sie aufgetaucht waren, verschwanden die Spitzohren wieder im Gestrüpp. Wir blieben blutend und pfeilgespickt zurück.

Bevor wir den Weg fortsetzten machten wir uns daran, die spitzen Gegenstände aus uns herauszuziehen. MaLuf stellte sich dabei gar nicht so ungeschickt an muss ich sagen, etwas hatte er dann anscheinend doch gelernt. Ihm viel dabei auf, dass Gallwyns wunden, obwohl er keine Rüstung trug, erstaunlich schnell zu heilen schienen, auch wenn er wie wir alle ordentlich geblutet hatte, aber der Strom an Lebenssaft war deutlich schneller verebbt als bei uns anderen. Wir hätten nun ja so schnell wie möglich ins Dorf gewollt, aber Gallwyn bestand darauf, seinen Baum auch noch den Rest des Weges mitzunehmen. Sindaia wollte ihm diesmal helfen, aber ihr ging es anscheinend kaum besser als mir was die Hilfe anging. Nach weiteren gut 2 Stunden Weg erreichten wir endlich das Dorf. Umgeben von einer ordentlichen, hohen Palisade sah man die Dächer von einem guten Dutzend im Rund angeordneten Häusern darüber ragen. Ein hoher Baum  stand in der Mitte, das lies auf einen Dorfplatz schließen. Alles wirkte irgendwie alt, aber gut gepflegt und ordentlich. Gallwyn meinte, wir könnten das Dorf „Sumpfloch“ nennen. Man habe hier keine Probleme mit der Obrigkeit, solange diese nicht kam um Steuern einzutreiben. Insgeheim bezweifelte ich, dass Arlan überhaupt wusste, dass es hier etwas einzutreiben gab. Zumindest hatte ich noch nie von einem Dorf im Nebelmoor gehört. Und man schien hier auch bedacht darauf, dass es so blieb. Wie uns gesagt wurde versorgte sich die Gemeinschaft autark und trieb wenig bis gar keinen Handel mit den Städten am Rande des Sumpfes, sondern blieb lieber unter sich. Räuber waren es wohl auch nicht, sonst hätte die Herzogin oder die Gräfin sicher schon einmal ihre Fährtenleser und Ritter ausgeschickt um die Lage zu klären. Eine obskure Sekte vielleicht?

Ein wild aussehendes Komitee von bärtigen, kräftigen Männern wie Gallwyn und zwei Frauen die aber auch kaum weniger stattlich waren empfing uns am Tor, alle so etwa um die 40 Götterläufe. Vielleicht stammten diese Burschen ja von Thorwalern ab und hatten sich hierher verirrt? Ich hatte den Eindruck die Leute sahen Gallwyn vorwurfsvoll an, Gäste mochte man hier anscheinend nicht unbedingt. Aber wir wurden trotzdem ins Dorf gebeten. Der Eindruck das alles zwar alt aber sehr gut gepflegt war verstärkte sich zwischen den Häusern noch einmal. Auffällig waren auch die vielen herumstreunenden Hunde, aber ich sah weder Alte noch Kinder. Sehr seltsam. Bei so einer Siedlung hätte es eigentlich ganze Familienverbände geben müssen. Man bat uns in ein Haus und bot uns erst einmal ein Strohlager an, während eine der Frauen sich um unsere Wunden kümmerte. Auch das Innere des Hauses war sehr ordentlich. Alte, wuchtige Möbel standen in den Räumen, Eiche rustikal sozusagen, aber alles sauber, so als würden diese Menschen viel Zeit darauf verwenden ihr Heim in gutem Zustand zu halten. Das wäre für irgendwelche Gesetzlosen ziemlich untypisch. Die Frau reinigte und nähte meine Wunden und bestrich sie mit einer guten Wirselkrautsalbe. Sie wusste offensichtlich was sie tat, da würde es mir bald wieder besser gehen. Natürlich wollten diese Leute wissen wer wir waren und was wir hier im Nirgendwo wollten. Das war ihr gutes Recht und wir waren gut beraten ihnen klar zu machen, dass wir ihnen nichts Böses wollten und natürlich keine herzoglichen Steuereintreiber waren. Als wir unsere Suche nach den Sternentrümmern erwähnten und fragten, ob sie vielleicht gesehen hatten wo dieser heruntergekommen sein könnte, meinte Gallwyn , er hätte da so eine Vermutung. Den Krach den das Ding beim Einschlag gemacht haben musste hätte man wohl auch kaum verpassen können. Je nachdem wie schnell man zu Fuß war sei der Ort etwa 1 bis 2 Tagesmärsche entfernt.  Aber heute würden wir wohl kaum noch aufbrechen können, wir mussten ja auch Ruhen und unsere Wunden ein wenig pflegen. Ich hatte den Eindruck, zwischen den anwesenden Männern und Frauen lief eine Art stiller Kommunikation, als sie sich anblickten. Zumindest waren es keine Gedankenbilder, die hätte ich ja auch empfangen. Aber sie schienen zu einer Einigkeit zu kommen und boten an, uns einen Ort außerhalb des Dorfes zu zeigen an dem wir nächtigen könnten. Die Lichtung auf der ihr Dorf stand wäre gefährlich, ein Fluch liege darauf, der die Bewohner manchmal dazu trieb Freund und Feind nicht unterscheiden zu können, aber er würde mit der Zeit schwächer werden, man gewöhne sich quasi daran. Das erinnerte mich an die thorwalsche Walwut, was den Verdacht von vorhin erhärten würde. Ein Dorf ausgestoßener Thorwaler? Zumindest begänne der Fluch in der Nacht, weswegen wir nun eilig das Dorf verlassen sollten. Und hatte nicht Barnuk gemeint, wie sollten geschlossene Häuser meiden?

Wir verliesen ds Dorf Richtung Norden und merkten direkt, das es dabei auch etwas hügelabwärts ging. Anscheinend hatten diese Leute ihr Dorf auf dem einzigen etwas erhöhten Fleckchen in diesem Moor errichtet, was auch erklärte warum der allgegenwärtige Nebel hier deutlich lichter war als sonst überall. Ich war mir ziemlich sicher, dass uns diese Leute nichts Böses wollten, aber irgendetwas hatten sie zu verbergen. Und ich war nun einmal ein von Natur aus sehr neugieriger Mensch…

Ich hatte mich mit Sindaia auf die letzte Wache verständigt. Während sie aufs Lager achten sollte, würde ich mich vor dem Morgen noch in den letzten stunden der  Dunkelheit dem Dorf nähern. Die Orientierung ging vergleichsweise gut. Hier am Hügel war der Nebel so Licht, dass ich sogar schwach einige Sterne und das volle Madamal am Himmel sehen konnte. Als ich mich dem Sumpfloch näherte hörte ich bereits aus der Ferne das Jaulen und Kläffen der Hunde. Ja, es würde nicht einfach werden bei all diese Kötern unbemerkt Hinein zu  kommen. Aber irgendetwas an dem Bellen war ungewöhnlich. Vom Rand der Lichtung beobachtete ich erst einmal, aber das Dorf lag in völliger Dunkelheit. Kein Wächter, keine Fackel, nicht ein Lichtschein war zu sehen. Und zwischen dem Heulen der Hunde hörte ich noch etwas anderes. Eine Art gedämpftes, tieferes Brüllen. Da die Hunde eh schon Lärm machten war kaum damit zu rechnen, dass man mich hören würde, also schlich ich näher und erkletterte die Palisade. Der erste Blick über die Befestigung offenbarte den Grund des Lärms. Die Hunde waren alle an Leinen vor den Häusern angebunden. Aber statt zu Wachen stand die blanke Furcht den Tieren an die Körper geschrieben. Die Schwänze eingezogen warfen sie sich in die Leinen, strebten fort von den Häusern und kamen doch nicht weg. Und das Bellen und Jaulen war ein reines Angstkläffen. Das war es, was mich gestört hatte! Eigentlich hätten mich die Hunde längst wittern müssen, aber sie ignorierten mich völlig. Also stieg ich über die Palisade hinein. Ein kurzer Blick zum Toreingang zeigte mir, das er gut mit einem schweren Holzbalken verschlossen, zusätzlich aber noch mit einer stabilen Kette gesichert war. Durch dieses Tor würde mit Sicherheit niemand herein kommen ohne Belagerungsgerät. Aber so schnell auch nicht hinaus… Als ich ich dem nächstgelegenen Haus näherte hörte ich lautes, mehrstimmiges Gebrüll, das ohrenscheinlich aus dem Keller kam. Einen Abgang hinunter außerhalb des Hauses gab es aber nicht. Die Fenster waren, das fand ich eher ungewöhnlich, von außen verriegelt. So, als würde man Fremde nicht draußen, sondern was auch immer das Getöse veranstaltete drinnen halten wollen. Demnach war es ein leichtes einen der Fensterläden zu öffnen und ins Haus einzusteigen. Die Luke zum Keller befand sich, ganz klassisch, in der Küche. Und nun war es nicht mehr zu überhören, der Lärm kam eindeutig von da unten! Allerding verstummte er in dem Augenblick, als ich die Luke einen Spalt weit anhob. Im Keller war es stockfinster. Ich lauschte hinunter, meinte aber nur etwas wie ein Schnaufen oder Hecheln zu hören. Eigentlich hätte ich jetzt gerne eine FlimFlam-Kugel hinunter geschickt um zu sehen was dort vor sich ging, aber wieder einmal zeigte sich, dass ich kein echter Magier war. Selbst diesen einfachsten aller Zauber vergeigte ich, den meine Schüler zum Teil schon im zweiten Ausbildungsjahr beherrschten als Übung um ihre Kraft zu formen. Ich hatte ein wenig Angst davor, was mich nun erwarten würde, aber erstens siegte die Neugier und zweitens musste ich wissen ob hier Dämonenwirken stattfand. Wobei die typische niederhöllische Kälte und der Gestank fehlten. Ich hob die Luke halbhoch an und lehnte sie an einen Stuhl, so dass sie nicht hinten über fiel und ich sie im Zweifel schnell wieder zuschlagen konnte. Mit der anderen Hand griff ich meinen Stab, entzündete an seiner Spitze die Fackel des Magus  und hielt sie in die Öffnung. Der Boden war nur etwa 1,5 Schritt entfernt, der Keller also sehr niedrig. Ich hörte ein drohendes Knurren wie von einem großen Hund und schnüffeln, das sich näherte. Dann schoss ein aufgerissenes Maul voll spitzer Zähne in mein Blickfeld und biss nach dem Stab, den ich gerade noch wegziehen konnte. Das klirren einer Kette ertönte und die lange Schnauze wurde zurückgehalten. Die Puzzelteile fielen zusammen und ergaben ein Bild, das ich vorher schon vermutet, aber nicht gewagt hatte auszusprechen. Das war ein Werwolf! Und anscheinend nicht nur einer, sondern ein ganzes Dorf davon! Wie konnte so etwas sein? Waren diese Wesen nicht brutale Einzelgänger? Und erinnerten sie sich an das, was sie nachts in der Wergestalt taten oder sahen? Hatte mich das Ding erkannt? Ich schloss die Luke, verließ das Haus und verwischte auf dem Rückweg alle meine Spuren, auch wenn sie mich vielleicht am Geruch erkennen mochten. Sicher war sicher. Eine gruselige Entdeckung, aber zumindest waren sie uns gegenüber am Tag nicht feindselig gewesen. Aber Steuereintreiber wollte ich hier nicht sein… das würden wir Arlan vielleicht besser nicht berichten. Zurück im Lager erzählte ich Sindaia das Erlebte und wir waren uns schnell einig, dass wir weder MaLuf der Plaudertasche noch Alari diese Erklärung geben wollten. Die beiden konnten ein Geheimnis einfach nicht für sich behalten. Der eine aus reiner Schwatzhaftigkeit, die andere aus blanker Naivität.

Am nächsten Tag merkten wir Gallwyn zumindest nichts an. Er bot sich uns als Führer an und lotste uns zurück in den Sumpf. Da wir so bald wie möglich ankommen wollten legten wir einen regelrechten Eilmarsch hin, der uns aber in diesem Gelände alles abverlangte und unglaublich viel Kraft kostete. Bis Nachmittag hielten wir das Tempo durch und machten dabei nur zweimal Pause. Dann mussten wir das Tempo deutlich drosseln, kamen aber nochmal ein gutes Stück voran. Gallwyn wirkte fahrig und blickte immer wieder nervös zum Himmel. Jetzt wo ich sein Geheimnis kannte, und der Sternkunde war ich ja ein wenig mächtig, wunderte mich das kaum. Die volle Mada war ja nicht nur eine Nacht, sondern eine ganze Phase. Konnte es sein, dass seine Wergestalt sich heute erneut zeigen würde? Dann sollte er vielleicht nicht in unserer Nähe sein… Am Abend erreichten wir einen Trichter im Boden, der von einem regelrechten Nebelsee gefüllt war.  Gallwyn verkündete, er würde die nähere Umgebung erkunden – und war dann für den Rest der Nacht verschwunden. Ich stellte seinen Verbleib gar nicht erst in Frage, da er früh pünktlich wieder da war. Lieber so, als sich des nächstens mit einem rasenden Wolfsmann schlagen zu müssen, von dem unsere Orientierung und vielleicht unser Überleben im Sumpf abhing.

Dann stiegen wir in das Loch ab. Der Nebel wurde mit jedem Schritt dichter, bis wir bei gestrecktem Arm kaum noch unsere Finger erkennen konnten. Um uns nicht in dieser Suppe zu verlieren holten wir die Seile heraus und banden uns aneinander. Orientieren konnten wir uns eigentlich nur noch durch das Gefälle am Boden. Hier, unterhalb der Sumpflinie hätte ich eigentlich gedacht das wir schnell im Brackwasser verschwinden würden, aber das Gegenteil war der Fall. Der Boden war zwar feucht, aber von einer taunassen Wiese bestanden und einige Zeit später, wir mussten den Grund erreicht haben, standen wir am Ufer eines Gewässers. Da Keiner Lust verspürte hier Baden zu gehen gingen wir rechts am Ufer entlang. Geschlagene 2 Stunden! Wie groß waren dieser Krater und der darin befindliche See? Oder waren wir schon wieder durch den Limbus in eine Globule getreten. Das Grau des Limbus hätten wir im Grau des Nebels wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Aber als wir schon fast wieder umkehren wollten stießen wir doch noch auf etwas. Spuren! Nicht mehr ganz frisch, also nicht unsere eigenen, aber eindeutig Fußspuren, die laut Alari und MaLuf sowohl in den Krater und an den See, als auch wieder heraus führten, etwa 10 an der Zahl ohne Schuhe. Am Ufer jedoch endeten, als wären diese Leute in das Wasser gestiegen. Und wer außer Elfen und uns trieb sich hier noch herum? Eben, niemand. Also stieg ich, da niemand sonst Anstalten machte, eben selbst ins Wasser, auch wenn ich nur ein mäßiger Schwimmer war. Zumindest folgte mir dann Alari. Der Einstieg war flach, aber das Wasser ziemlich kühl. Kein Wunder, hier herunter kam ja auch kein einziger Sonnenstrahl. Alari zitterte im kalten Nass deutlich weniger als ich, da kam ihr ihre Herkunft aus dem ewigen Eis sichtlich zugute. So Flach der Einstieg auch war, irgendwann mussten wir schwimmen. War der Himmelsstein in dieses Gewässer gefallen? Ich steckte den Kopf unter Wasser – und war völlig überrascht. Das Wasser war nicht nur kalt, sondern auch Glasklar, kein Vergleich mit dem Modder außerhalb des Trichters. Im Gegenteil war die Sicht unter Wasser sogar um ein vielfaches besser als darüber im Nebel. Mehrere Dutzend Schritt waren kein Problem, ich sah hinter mir sogar in der Entfernung die Füße der Anderen im Wasser stehen und Alari neben mir plantschen. 50 Schritt vor uns war im Wasser eine dunkle Kante zu sehen, wo der Grund des Sees noch einmal abrupt abfiel. Wie in einen Krater? Ich schwamm mit Alari dort hin und in der tiefe sahen wir den Seeboden, als wäre er verbrannt. War das unter Wasser überhaupt möglich? Anscheinend… Aber für meine begrenzten Schwimmkünste war das definitiv zu tief. Fragend blickte ich zu Alari hinüber, die aber nur nickte. Sie blies sacht über das Wasser, fasste sich mit der Hand ins Gesicht und verschwand dann ohne ein weiteres Wort in der Tiefe. Im klaren Wasser sah ich ihrer schlanken Gestalt hinterher. War das einer dieser vielgerühmten Elfenzauber? Zumindest machte sie selbst nach zwei Minuten noch keine Anstalt wieder nach Luft schnappend aufzutauchen. Sie zog Kreise am Kraterboden, und kam einige Zeit später, deutlich länger als jeder Mensch die Luft hätte anhalten können, wieder herauf. Kein Stein, diesen hatten wohl andere vor uns heraufgeholt. Was für eine Enttäuschung. Waren die Spitzohren eigentlich immer schneller als wir?

Also blieb uns nichts anderes übrig, als den Spuren zu folgen. Dies erwies sich zwar als schwierig, aber nicht unmöglich. Unsere Wildniskundigen fanden immer wieder Hinweise darauf, wo die Elfen lang gegangen sein mochten. Zumindest hatten sie sich keine Mühe gegeben, ihre Spuren zu verbergen. Aber warum hätten sie auch sollen, mit Verfolgern war hier sonst ja auch nicht zu rechnen. Es dauerte einige Stunden, die wir uns Mühsam auf schmalen Pfaden durch den Sumpf quälten. Selbst Gallwyn meinte, in diesem Teil des Moores sei er noch nie gewesen. Die Eintönigkeit wurde jäh durch ein kreischen und keckern unterbrochen, begleitet von einem Hagel aus Ästen und Steinen der auf uns Niederging. Sumpfrantzen! Diese Pest aller nördlichen Moore! Links und rechts von uns, anscheinend auf weiteren Streifen festen Landes, war eine ganze Horde dieser Biester in Stellung gegangen. Die ersten Geschosse konnte ich noch mit dem Schild abwehren, aber los wurden wir das Viehzeug dadurch auch nicht, während meine Begleiter ein um den anderen Treffer einsteckten. Es waren zwar immer nur kleine Treffer, aber ewig würde das für unsere Gesundheit auch nicht gut gehen. Wir wollten los eilen, um dem Beschuss zu entkommen. Und dann geschah es. Ich rutschte auf dem Morast aus und knallte der Länge nach in den Dreck. Besudelt von oben bis unten kochte der Zorn in mir hoch. Ich würde mich doch von einer vermaledeiten Rotte Rantzen hier nicht zum Depp machen lassen! Schlammtriefend richtete ich mich auf und griff den kleinen, silbernen Ring an meinem Finger. H’rch-Z. Ein dreh. Und dann stürmte ich, den Schild in Vorhalte und den Streitkolben in der Faust über das Wasser hinweg auf die Affen zu.

Ein Fehler. Nicht für mich, ich hatte kein Problem damit mitten die Biester hineinzurennen, zudem mein Leib dann auf dem Weg noch schnell einen schützenden Armatrutz verpasst bekam. Aber hinter mir hörte ich den unglückseligen MaLuf noch schreihen: „Ihr kommen, Cileham Weg gefunden“ mit dem Ergebnis, dass kurz darauf alle die mit dem Bogen schießende Alari bis zur Brust im Moor steckten (der kleine MaLuf eher bis zum Kinn…). Zu ihrem Glück war das aber anscheinend der tiefste Punkt an dieser Stelle, so dass es sie eben nur mehr Mühe und Zeit kostete, da auch wieder heraus zu kommen und sie nicht komplett versanken. Das hätte auch schief gehen können… Der Rest war ein kurzes und schnelles Gemetzel, an dessen Ende das Blut einiger Rantzen den Boden tränkte und die Übrigen ihr Heil in der Flucht suchten. Ich hatte keinen Kratzer abbekommen, aber sah aus wie das Ding aus dem Sumpf persönlich. Und auch die anderen bis auf Alari machten da kaum ein besseres Bild. Da die einzige Möglichkeit uns ordentlich zu reinigen wohl der See hinter uns war, gingen wir noch einmal zurück um uns zu waschen. Was für eine Sauerei!

Es war eine Wohltat, wieder frei von Schlamm und Dreck zu sein! Erneut machten wir uns daran, den Spuren zu folgen, diesmal ohne unerfreuliche Zwischenfälle, als unversehens vor uns im Nebel eine weiße Mauer auftauchte. Fast wären wir dagegen gelaufen, so gut passte sie in den Nebel und überrascht waren wir. 4 Schritt hoch erstreckte sich die Wand, an den meisten stellen schon von Pflanzen überwuchert. Wir blickten links und rechts, aber das Ende verschwand im Nebel, es musste sich also um ein größeres Bauwerk handeln. Erst ein unbekanntes Dorf, nun eine unbekannte Festung im Moor? Oder war es gar die Elfenfestung? Wobei es auf den ersten Blick nicht elfisch wirkte. Wir folgten dem Verlauf rechts herum und nach 30 Schritt etwa machte die Mauer einen Knick, nicht im rechten Winkel, aber merklich. Das Eck war gekrönt von einem Zwiebeltürmchen in altertümlichen Stil, die Öffnungen mit meist zerborstenen Bundglasfenstern bestückt. So ging es weiter. Die dritte Seite war beschädigt, der nächste Turm demoliert und  nach der 4. Ecke fanden wir endlich ein Tor. Von den Winkeln her würde ich schätzen das es sich um eine mindestens 5, wenn nicht sogar 6-seitige Grundfläche handeln musste. Das Tor stand offen und was wir darin sahen verschlug uns allen die Sprache. Im Innenhof lagen ein Dutzend tote Elfen. Bekleidete und Nackte, erstochen, erdolcht, erschossen und mit abgerissenen Gliedmaßen, die Waffen blutverschmiert, aber keine menschlichen Opfer. Waren die Elfen hier wie die Tiere im Streit übereinander her gefallen? Aber kein Elf konnte dem anderen wohl Körperteile ausgerissen haben. Was war hier geschehen?

Hinter dem Gemetzel lagen dann die eigentlichen Gebäude.  Der Boden war leicht feucht nach innen und die Mauer durch einen wohl einstmals prächtigen Torbogen unterbrochen. Auf diesem Stand, in noch gut lesbaren Lettern in Bosparano, „Academia Mentis Virtus et Clarobservantia“, Akademie der Geisteskraft und Hellseherei.  Waren wir hier über eine versunkene Magierakademie gestolpert? Das war ein Fund, der die Kunchomer Magister und allen voran den alten Okharim sicher brennend interessieren und meine Abwesenheit kompensieren würde! In das linke Gebäude führte eine Blutspur, so als habe sich jemand vor dem Massaker dorthin gerettet. Ich folgte der roten Schmiere am Boden und gelangte in eine Art Wohngebäude und dort in einen vergammelt wirkenden Salon. In einer Blutlache lag dort ein Elf und bei diesem der Himmelsstein. Und bei Hesinde, der Elf atmete noch. Schwach, aber noch am Leben, strömte weiter Blut aus seinen Wunden. Zuerst Alari, dann ich versuchten mit dem Elf zu sprechen, aber entweder war er zu schwach und konnte oder wollte nicht mit uns reden. Alari versuchte sich daran, den offensichtlich schwer verwundeten zu heilen, immerhin war er quasi von ihrem Volk, aber offensichtlich fehlte ihr die Erfahrung im Balsamsalabunde, die angesichts der Schwere der Wunden erforderlich gewesen wäre. Ich meinte dann zu ihr noch etwas überheblich, sie solle da einmal jemanden heran lassen, der sowas beherrschte (also mich), versagte aber ebenfalls. Dieser Elf war seinem Äquivalent zu Borons Hallen näher als dem Leben, und es dauerte auch nicht mehr lange, bevor er seinen letzten Atemzug tat. Bedauerlich, er hätte uns sicher erklären können was hier vorgefallen war. Ich unterlies es tunlichst, den Stein zu berühren, das überlies ich dann diesmal doch lieber Sindaia.

Sindaia bestand auch darauf, die Leichen zu verbrennen. Das war das nächste an einer ordentlichen Bestattung, das wir hier zustande bekommen würden. Ich machte mich derweil daran, die anderen Gebäude zu inspizieren. Als da waren ein weiteres Wohngebäude in dem die Räume deutlich großzügiger geschnitten waren als die Kammern im letzten. Wahrscheinlich also die Unterkünfte von Lehrern und Schülern getrennt.  Beide jedoch ordentlich ausgeräumt, so dass es nicht nach überstürzter Flucht, sondern einem geplanten Auszug wirkte. Ein Stall, bei dem das Dach weitestgehend eingefallen war, ein Turm zu dem es keinerlei ersichtlichen Zugang gab und ein Haupthaus mit einer geschlossenen, üppigen Flügeltür. Hätten wir es nur geschafft den Elf zu retten, dann hätte uns das nächste Ereignis nicht unvorbereitet getroffen. Oder wäre ich etwas vorsichtiger gewesen. Immerhin ja eine ehemalige Magierakademie, da hätte man auch mit Fallen rechnen können. Aber weder das eine noch das andere war der Fall. Ich berührte den Türknauf und schlagartig wurde es dunkel um mich, ein scharfer Schwefelgeruch lag in der Luft. Ich sprang zurück. Diese Kombination konnte für mich nur eins bedeuten. Dämon! Vermutlich Hesthot, der kam oft in Verbindung mit Dunkelheit daher um seine Opfer wehrlos zu machen. Hätte ich nur mal recht gehabt, es wäre alles viel weniger Schlimm gewesen. Aber nun erfuhren wir am eigenen Leib, was den Elfen widerfahren war. Die Dunkelheit ballte sich im Hof zusammen, ein grausamer, kreischender Schrei ertönte, und aus dem Schwarz trat: Ein Shruuf! Der Schrei gelte in unseren Ohren, Hass und Tot verheißend. Über meine Augen senkte sich wie ein rotes Tuch die blanke Wut auf Alles und Jeden. Ich würde diese Bestie aufhalten, vernichten… und danach jeden Anderen der hier noch wagte die Ruhe dieser Stätte zu stören! Später, bei genauerem darüber nachdenken verglich ich die Wirkung am ehensten mit einem Karnifilio, zumindest soweit ich dies ohne den Zauber zu beherrschen beurteilen konnte. Ich wechselte vom Streitkolben in meiner Hand zu Sphärenschlag, nur um danach, anscheinend in einem kurzen Moment der Klarheit, wieder den Streitkolben zur Hand zu nehmen. Danke, Aknason von Thorwal! Dein Segen lag ja nach wie vor auf dieser Waffe. Eine Rondrageweihte Waffen gegen eine Kreatur Belhalars! Hätte es etwas Passenderes geben können? Wir sürzten uns in die Schlacht, den peitschenden Tentakeln des hühnerbeinigen Monsters ausweichend. Am Ende war es mein Hieb, der den Dämon in die Niederhöllen zurück schickte, aus denen er gekommen war. Aber da waren noch mehr Gegner. Anstatt dass mit dem Verschwinden des Dämons die Wut verflog, richtete sie sich nun nur gegen andere Ziele, meine Gefährten. Und diesen ging es augenscheinlich nicht besser, zumindest diejenigen, die noch standen. Gallwyn, Eichbart und Sindaia waren noch auf den Beinen. MaLuf und Alari lagen längst am Boden. Und wir begannen, uns gegenseitig die Waffen in die Leiber zu hauen. Zuerst fiel Eichbart, dann Gallwyn. Am Ende hieben Sindaia und ich aufeinander ein und zum Schluss stand ich als einziger, blutend aber aufrecht, zwischen den Leibern der Niedergestreckten und meine Wut verflog.

Ich mochte es kaum glaube, dass mich niederhöllische Einflüsterungen derart hatten die Beherrschung verlieren lassen. Nun war auf jeden Fall klar, was den armen Elfen geschehen war. Zwar Wesen der Magie war ihnen ein solcher Gegner vielleicht noch nie begegnet und sie dementsprechend hilflos dem Grauen gegenüber. Wir hingegen konnten, treu im Glauben an die Zwölfe aber bestehen. Da würde im Tempel in Donnerbach, so wir denn demnächst dort vorbei kommen sollten was fast sicher war, eine größere Spende fällig werden. Aber nun war es erst einmal Zeit uns um unsere geschundenen Leiber zu kümmern. Dem edlen Spender sei Dank, nahmen Sindaia und MaLuf erst einmal einen Heiltrank zu sich der äußerst potent wirkte. Man merkte gleich, das die Heiler aus Donnerbach ihr Handwerk verstanden. Zusätzlich bewiesen Alari und MaLuf ihren Wert und begannen mittels Balsam nützlich zu sein. Von der Elfe hätte ich auch nichts anderes erwartet. Und offensichtlich hatte der Meister dieses Schnattermoha dann irgendwann in der Ausbildung doch etwas richtig gemacht, denn danach ging es uns allen deutlich besser. Das profane Verbinden mit Tüchern und Salben war dann fast schon nur noch die Kür obendrauf. Wieder fiel auf das Gallwyms wunden, die ziemlich schwer gewesen waren, ich hatte sie ihm zum Teil ja selbst geschlagen, rascher verheilten, als es hätte sein sollen. Aber ich wusste ja mittlerweile, woran ich war…

Da der Turm keinen Eingang hatte war der Zugang sicherlich durchs Haupthaus. Aber unvorbereitet wollte ich den Türknauf nicht noch einmal berühren. Ob der Moha noch mehr gelernt hatte. Ich wies ihn an zu prüfen ob da noch Magie war, was er dann auch zähneknirschend tat. Natürlich hätte ich es auch selbst tun können, aber warum wertvolle Kraft verschwenden die später vielleicht noch im Kampf gebraucht würde oder Leben retten konnte? Zumindest meinte MaLuf, der Zauber sei verflogen, und auf diese Aussage lies ich es ankommen. Auf ein falsche Aussage hätte er hier sicher sein Leben nicht verwettet. Wir öffneten die Tür, was sich als schwieriger gestaltete als Gedacht. Nicht weil sie verschlossen gewesen wäre oder so etwas. Nein, es war einfach der Unrat ungezählter Jahrzehnte dahinter, der die Pforte blockierte und es mühsam machte sie aufzuschieben. Im Inneren war es düster, die Fenster entweder verdreckt oder zerstört. Offensichtlich war dies das Lehr- und Aufenthaltsgebäude der Akademie. Die Räume im Erdgeschoss, das wir zuerst durchsuchten, waren weitestgehend leer, wenn man von den fast in jedem Zimmer zu findenden massiven Steintischen absah. Der Rest der Einrichtung war, soweit überhaupt nach dem Auszug noch vorhanden, Satinavs Hörnern zum Opfer gefallen. Im Obergeschoss wurde es dann schon etwas interessanter. Hinter einer verschlossenen, aber morschen Tür die wir kurzerhand eintraten fand sich das, was wohl einmal eine Bibliothek gewesen war. Leider waren die Regalreihen samt und sonders leergeräumt. Aber in einem der Lesepulte fanden sich, was für ein Wunder Rahjas, drei Flaschen echten Bosparaners Jahrgang 234. Der war mit Sicherheit nach 800 Jahren ungenießbar, aber trotzdem… eine solche Rarität dürfte jedem Sammler trotzdem die Tränen in die Augen treiben. Vorsichtig packte ich die Flaschen ein. Dann gab es noch größere und kleinere Lehrsäle, alle mit den anscheinend damals obligatorischen Steintischen. Und, der bemerkenswerteste Raum, das Büro der Spektabilität. Ein schwerer Schreibtisch aus Holz mit Schubladen war das einzige erhaltene Möbelstück. Die erste Schublade spuckte eine kleine Stichflamme und verbrannte mir ein wenig die Hand, aber nichts Schlimmes. Hatte ich da gerade wertvolle Unterlagen vernichtet, weil ich wieder zu sorglos war? In einer zweiten Schublade, diesmal prüfte ich vorher ob diese irgendwie versiegelt war, fand sich eine kleine verschlossene Schatulle, die ich erst einmal einsteckte. Dafür musste später Zeit sein.

Der Dachboden, auf den man über eine Luke gelangte, bot nichts außer Fledermäusen und deren über Jahrhunderte hinweg angesammelte Hinterlassenschaft. Vielleicht gut zum Düngen, aber für uns nicht relevant. Wo war der Zugang zum Turm? Und gab es keinen Keller? Zumindest hatten wir im Erdgeschoss keine weitere Treppe gesehen. Ich ging hinaus um einmal auf der Rückseite zu prüfen ob sich dort ein Abgang befand, als mich Sindaias Ruf ereilte. Tatsächlich hatten die Magier in der Eingangshalle den Abgang mit Zauberei versteckt. Anscheinend so eine Art Widerwille Ungemach, der uns dazu gebracht hatte ihn zu übersehen. Es kostete uns zwar alle etwas Überwindung, aber schließlich konnten wir gemeinsam nach unten gehen. Wenig aufregend waren die Küche, Vorratskammer und der Speisesaal der immer noch von einem großen Leuchter geziert wurde. Aber in Richtung des Turms gab es einen durch ein schweres Gitter gesicherten Gang. Diesem würden wir wohl folgen müssen. Aber erst morgen, denn wir hatten nach diesem Tag alle etwas Ruhe nötig. Die erste Wache sollte MaLuf übernehmen, der Rest in bewährter Manier aufgeteilt. Nur das von uns niemand zur Wache dran kam. MaLuf behauptete steif und fest er habe für uns durchgewacht um uns Ruhe zu gönnen, aber irgendwie glaubte ich dem verschlagenen Kerlchen nicht. Schauspielerei war ihm, außer dem allgegenwärtigen Gejammer, nicht unbedingt gegeben. Aber gut, es war nichts passiert und ich hatte im Augenblick auch keine Lust ihn zu Maßregeln. Hesinde schenke seinem Meister Gleichmut, ich hätte den Burschen wahrscheinlich schon längst mit dem Rohrstock Disziplin eingebläut.

Am Morgen verbrannten wir dann auch endlich die Leichen. Gestern hatte uns ja der Shruuf unschön unterbrochen. Dann machten wir uns an den Turm. Das leichteste Hindernis war da noch das Gitter. Einen Schlüssel hatten wir leider nicht, oder doch? Ich schüttelte die Schatulle aus dem Schreibtisch. Es klapperte. Aber kein Risiko… MaLuf durfte wieder einen Blick werfen, aber weder Kästchen noch Gitter schienen Magieanhaftungen zu haben. Also brach ich das Kästchen einfach auf in der Hoffnung darin den erforderlichen Schlüssel zu finden. Aber da war kein Schlüssel, auch nicht auf den zweiten und dritten Blick. Nur ein kleiner Silberring (eine spätere Analyse ergab einen alten, relativ simplen singulären Zauberspeicher mit einer Psychostabilis-Applikation). Aber das Gitter versperrte nach wie vor den Weg. Mein Versuch das Schloss mittels Foramen zu öffnen scheiterte – wieder so ein simpler Zauber, den ich nach all den Jahren noch nicht richtig beherrschte. Ich knirschte mit den Zähnen. Dann doch die altbewährte aber weniger subtile Variante – Hartes Schmelze! Mit einem Ruck riss ich das wachsweiche Schloss heraus…  Vorsichtig gingen wir in den Gang hinein, diesmal auf Gefahren achtend, als Alari auf einmal stocksteif stehen blieb und kurz abwesend wirkte. Als sie wieder ansprechbar war meinte sie, um sie herum wäre gerade überall Meer gewesen und sie hätte sich dermaßen gefürchtet, dass sie zurückgegangen war. Eine weitere magische Falle? Es schien fast so. Decke und Boden waren hier zumindest mit verschlungenen Symbolen bedeckt, wie eine schnelle Untersuchung ergab. Ich will es gar nicht beschönigen, wir alle mussten uns dieser Angst ein Meer zu überqueren stellen. Und es war fast schon absurd, wie schwer wir uns dabei taten. Sindaia wäre fast imaginär dabei ertrunken, Alari versuchte es mehrmals, zuckte, sabberte und paddelte wie ein Hund um trockenen. Am schlimmsten traf es MaLuf, dessen Angst diese Falle anscheinend aufgenommen und verstärkt hatte. Er war nicht dazu zu bewegen sich seiner Furcht zu stellen. Nicht durch gutes Zureden, nicht durch Freundlichkeit, gar nicht. Dann eben auf die harte Tour… ich schlang ihm in einem abgelenkten Augenblick ein Seil um die Beine, warf das Ende zu Alari die endlich das „Meer“ überquert hatte und gab MaLuf einen Stoß, der ihn möglichst weit befördern sollte um Alaris ziehen zu unterstützen. Der Schrei den er ausstieß verhieß nichts Gutes und als er „drüben“ war, war er nur noch ein zitterndes Häuflein Elend das zitterte wie ein Baby. Dann versuchte ich Sindaia davon zu überzeugen sich nicht ebenso anzustellen, nahm sie sogar bei der Hand um mit ihr gemeinsam das Wasser zu überqueren. Aber während ich mich zusammenriss und das Wasser durchschwamm entzog sie mir ihre Hand und blieb zurück. Die arme hatte heute anscheinend keinen guten Tag. Sie hatte noch einen Gürtel an, an dem würde ich sie rüberziehen können, hoffentlich verkraftete sie das besser als MaLuf. Mein Stab verwandelte sich in ein schlängelndes Seil das sich in Windeseile an ihrem Gürtel festknotete und ich begann zu ziehen. Aber Sindaia war einfach reaktionsschneller als der kleine Moha und schnitt sich ihren Gürtel einfach mit dem Dolch durch! Hätte sie es nur am Seil versucht, da wäre ihr schneiden vergeblich gewesen… aber sie war einfach schon zu erfahren um darauf hereinzufallen denke ich. Dafür war sie kreativ! Sie schnappte sich einen der Tische aus dem Speisesaal, drehte ihn um, band Seile an den Beinen fest und lies sich von uns wie auf einem Floß über das Meer ziehen. Das half ihr anscheinend ausreichend gegen die Angst… schlaues Mädchen!

Am Ende fehlte nur Eichbart, der eigentlich gar keine rechte Lust hatte auch herüber zu kommen. Und wir hatten den Stein bei der toten Elfe liegen lassen! Verdammich, warum hatte Sindaia den nicht eingepackt wie ich es ihr gesagt hatte? Eicchbart ging zurück um ihn zu holen, er würde ihn ja auch einfach durch den Gang rollen können wie eine Kugel. Und war mir dann doch zu lange weg. Ich ging noch einmal zurück um nach unserem Führer zu sehen. Gallwyn, der für die Nacht wieder verschwunden war, war wieder aufgetaucht und war anscheinend auch von den Auswirkungen des Steins betroffen, konnte diesen auch nicht wirklich berühren. Aber eher wie Alari, nicht wie ich. Also ließ ich Eichbart den Stein herunter bringen und überquerte dann erneut das Meer. Diesmal war es schon einfacher, anscheinend gewöhnte man sich an diesen Effekt. Am Ende des Ganges standen wir unterhalb des Turms in einem runden Raum an dessen Wand sich eine Treppe nach oben wendelte. Also hinauf! In den Zwischengeschossen standen wieder leere Bücherregale. Zu schade, was für ein Wissen sie wohl vor Jahrhunderten beinhaltet haben mochten? Dann versperrte uns eine grob gehauene Steinstatue den Weg. Sie stand direkt vor einer Tür die weiter führte, ganz offensichtlich ein Wächter. Und unangenehm! An so einem Steingolem konnte man sich wunderbar die Waffen kaputt hauen. Oder die Schilde zerhauen lassen. Nichts, worauf wir jetzt erpicht waren, auch wenn ich mit sicher war das Sindaia und ich diesen Wächter ohne größere Probleme hätten zu Kieseln zerschlagen können. Die schnellsten sind die Dinger ja normal nicht, nur unglaublich zäh, respektive hart. Hatten ich den Zettel mit dem Losungswort für die Kreatur im Büro der Spektabilität etwa in Flammen aufgehen lassen? Das wäre wirklich zu ärgerlich gewesen… Unwillig uns dem Gegner zu stellen begannen wir wild drauf los zu raten. Alles erst einmal recht erfolglos, bis ich den anderen erklärte, wir müssten es wohl auf Bosparano versuchen, immerhin war dies eine 800 Jahre alte Magierakademie, da haben die unser heutiges Garethi noch gar  nicht so gesprochen. Das war der erste Schritt zur Lösung. Leider war ich der einzige, der diese Sprache zumindest ein wenig beherrschte. Aber nun war es MaLufs Stunde. Auch kleine Leute können bisweilen große Geistesblitze haben. Er meinte, ich solle den Namen des Institus probieren. Und ich tat es, zu verlieren war ja nichts. Als ich „mentis virtus“ aussprach schlug der Golem die Augen auf… und trat zur Seite. Das war fast schon zu einfach gewesen… dahinter führte eine schlichte Treppe in die höchste Kammer des Turms.

Was wir dort fanden verschlug mir regelrecht die Sprache. Der Raum war weitestgehend dunkel, das Dach des Turms intakt. In einer Vorrichtung aus Ketten hing, ich wage es kaum zu sagen, ein schwarzer Stein der im Schein unserer Fackel schimmerte. Konnte das sein? Als Sindaia mit dem Himmelsstein den Raum betrat begann dieser zu vibrieren und dann begann der Stein in der Kette Bilder zu zeigen. Das musste eines der legendären schwarzen Augen sein. Diese unglaublichen Instrumente der Macht, die einem bei richtiger Anwendung jeden Ort und jede Person zeigen konnten. Ich hatte in einigen Vorlesungen in Kunchom – Magietheorie, Legenden der Zauberei und Artefaktzauberei – davon gehört. Aber den wenigsten war es überhaupt je vergönnt auch nur einen Blick auf solch ein Objekt zu erhaschen. Und hier lag einfach eines mitten im Sumpf herum? Nicht nur der Standort einer verschollenen Akademie, auch dieses Objekt würde die Kunchomer derart in Ekstase versetzen, dass mit Sicherheit irgendwann eine Expedition hierher aufbrechen würde! Und ich wäre mit dieser Entdeckung meine Verpflichtung gegenüber der Akademie, so ich denn wollte, sicher für immer los. Die klaren Bilder die erschienen zeigten in rascher Abfolge Szenen, die sich nach ihrem Ende immer wieder wiederholten. Beim zweiten Durchgang war ich mir sicher, es war eine Art magischer Landkarte, eine Wegbeschreibung. Wir „flogen“ von hier sozusagen über einen See, wohl der Neunaugensee, zu einer Stadt an einem Wasserfall. Das musste Donnerbach sein. Von dort über Bäume jenseits der Stadt, wahrscheinlich der Wald zwischen Donnerbach und den Salamandersteinen, zu einem faustförmigen Berg. Von dort scharf nach Westen bis an einen Fluß und darüber hinaus, erneut kurz über Bäume bis an eine Bergflanke, deren Gipfel, gezackt wie der Stachelrücken eines Drachen,  aufsteigende Bergkämme bildeten bis zum höchsten Gipfel. Dort verharrte das Bild auf einer Lichtung auf der ein Steinkreis war, bevor er es erlosch und von vorne begann. Anhand der Standorte die wir identifiziert hatten war ich mir sicher, das war keine der Elfenwachten. Aber was dann? Wollte der Stein, dass wir ihn dorthin brachten? Ein Rätsel, aber auch dieses würden wir lösen. Und zwei der Sternteile waren ja in die Salamandersteine gefallen, also würden wir dort früher oder später ohnehin noch hingehen müssen. Eins nach dem anderen.

Und dann konnte ich mich nicht länger beherrschen – zu groß war, neben der Ehrfurcht die mich ergriffen hatte, meine Neugier und das verlangen, selbst einmal eines dieser legendärsten aller Artefakte zu nutzen. Ich streckte meine Hand aus, berührte den Stein und er zeigte mir, ohne mein besonderes zutun, klar und deutlich Bilder aus meiner Vergangenheit. Die Dinge, die mein Leben und mein Wesen am meisten geprägt hatten. Mein alter Lehrmeister, die Flucht aus Tobrien. Die ersten Kämpfe gegen die Schergen der schwarzen Lande. Mich, als ich die kaiserlichen Zwillinge Rohaja und Ypollita aus dem Tal der Schatten und Galottas klauen rettete und von der Kaiserinmutter entlohnt wurde. Fuldigor, der meinen Geist auf den Zinnen des ehernen Schwertes erleuchtete und mir die Gestalt Deres offenbarte. Trolle und Drachen, an deren Seite ich in die Schlacht zog, der Fall Pardonas. Die dampfenden Dschungel Maraskans, Fahrten auf zahllosen Schiffen. Eine finstere Echsenpyramide. Ritte auf dem Rücken von Wellenglanz. Dämonen die ich gebannt hatte, Schurken die durch mich ihre gerechte Strafe erhielten. Und ich lebte nach diesem bewegten und gefahrvollen Leben immer noch. Hesinde und Kor, ich danke Euch! Aber konnte ich auch kontrollieren was dieses schwarze Auge zeigte? Ich konzentrierte mich auf Sari, in der Hoffnung zu sehen wo sie war und wie es ihr ging. Aber alles was es zeigte war unser Aufstieg zum Klippenwindhof. Nachdem ich damit begonnen hatte versuchten es auch die anderen und waren fasziniert. Und nicht nur Bilder, auch Töne konnten wir dem wundervollen Objekt entlocken. Aber irgendwann war es dann trotzdem Zeit, diesen Ort zu verlassen. Mehr würden wir hier wohl nicht mehr finden, wobei das schon mehr war, als ich mir je zu träumen gewagt hatte.

Auf dem Weg hinaus sprachen wir uns mit Gallwyn aus, der uns wohl nicht nur begleitet hatte um uns zu führen, sondern auch um unsere Absichten zu prüfen. Natürlich hatte er mitbekommen, dass ich mich ins Dorf geschlichen hatte. Und offensichtlich waren wir bei der Prüfung gut weggekommen. Wir mussten versprechen, diesmal ließ es sich leider nicht vermeiden das MaLuf und Alari alles mitbekamen, dass Geheimnis seines Dorfes zu wahren, ja, seine Existenz gar nicht erst zu erwähnen. Alle dort unterlagen dem Fluch der Lykranthropie, zum Teil schon seit ewigen Zeiten. Er selbst sei nun, nachdem wir ihm gesagt hatten welches Jahr wir schrieben, 350 Jahre alt. Aber mit etwa 40 Jahren hörten sie auf zu altern. Was erklärte, warum wir weder Kinder noch Alte im Dorf gesehen hatten. Das Dorf war eine Art Zuflucht für Werwölfe, die hier zusammen kamen und in Frieden leben konnten. Und so sollte es auch bleiben. An mir würde es nicht liegen. Für mich waren diese Menschen – oder Wölfe – wertvolle Verbündete gegen die Bedrohung durch die alten Elfen. Sie würden Wache halten im Moor gegen die Bedrohung und uns jederzeit so erforderlich, als Führer dienen. Sie würden ein Auge auf die Straße am Rande des Sumpfes haben, und so wir sie bräuchten sollten wir dort nach ihnen Rufen und Suchen. Dann würden sie uns auch gerne erneut hierher bringen – außer an Vollmond, wenn sie für sich und andere eine Gefahr darstellen würden.

Es dauerte 1,5 Tage, bis wir zurück in ihrem Dorf waren, in dem wir nun da die volle Mada vorbei war sogar bleiben durften. Zuerst einmal erholten wir uns einige Tage, bevor wir erneut zu dem Krater im Sumpf aufbrachen. Die Wacht der Elfen hatten wir ja noch nicht gefunden. Den Stein ließen wir im Dorf zurück, dort sollte er bis zu unserer Rückkehr ausreichend sicher sein. Gallwyn führte uns erneut, und am See begannen wir zu suchen. Im See selbst mochte die Festung kaum liegen, denn die Spuren führten ja an den See heran und wieder weg. Trotzdem wollten wir wissen, wie groß dieses Gewässer eigentlich war und gingen diesmal links herum. Es dauerte kein Viertel eines Stundenglases, da hatten wir schon die Spuren gefunden. Wir waren also tatsächlich schon fast herum gewesen! Da wir den See als Standort der Festung ausschlossen folgte MaLuf den Spuren, auch wenn dies mittlerweile anscheinend nicht mehr ganz einfach war. Aber der Weg war nur kurz. Er führte uns auf eine fremdartige Lichtung zwischen 5 ausladenden Eichen die eine Art grüner Kuppel bildeten. Kein Nebel versperrte dort den Blick, im Gegenteil war es dort regelrecht friedlich und lieblich. Dächer in den Bäumen bildeten eine Art Wandelgang um die Lichtung, in deren Mitte eine Art kleiner Brunnen, eher ein flaches Becken, stand. Wir fanden die Schlafplätze von einem Dutzend Personen. Es erinnerte mich entfernt an die Siedlung der Waldelfen in Gerasim, die ich vor langer Zeit besucht hatte. Hinter dem Brunnen lag ein Hügel mit Dornengestrüpp, das irgendwie fehl am Platz wirkte. MaLuf zwängte sich hindurch und fand dort das Skelett einer Elfe, an ihrer Seite noch eine Flöte. Wenn das die Wächterin dieser Feste gewesen war, dann war sie schon lange tot. Aber was mochte es für die übrigen Elfen bedeutet haben, wenn ihre Träumerin weg war? Waren sie Jahrhunderte, gar Jahrtausende lang in dieser Festung gefangen gewesen?  Hatte der Stein sie aus ihrem Gefängnis befreit? Was hatten sie in der Welt draußen gesucht mit dem Stein? Vielleicht einen Weg nach Hause? Fragen, die uns leider niemand mehr würde beantworten können. Aber diese Elfen waren anders, als die der übrigen Wachten die wir gesehen hatten. Wilder, ursprünglicher, einfacher. Wo die Elfen Nyosils wie Zauberweber oder Elementaristen gewirkt hatten, schienen die des Hauptmann Artiel eher Krieger zu sein. Unterschiedliche Stämme von Elfen, die sich in den langen Jahrtausenden weiter auseinander entwickelt hatten? Das würden wir prüfen müssen. Aber dann bestand Hoffnung, dass sie nicht alle auf dem Kriegspfad waren…

Wir ließen uns von Gallwyn zurück ins Dorf bringen und holten unseren Stein ab. Da wir ihn aber kaum dauerhaft mitschleppen konnten würden wir ihn wohl zunächst in Sicherheit, nach Donnerbach in den Rondratempel, bringen. Und von dort, das beschloss ich einfach, würden wir erneut in die Rote Sichel gehen. Nur zur Sicherheit, denn dort hatten wir zwar einen Stein, aber noch nicht die Wacht gefunden. War es Artiels Wacht, war sie jetzt wahrscheinlich verlassen. Aber wenn nicht, wer weiß was und dort erwarten würde? Hesinde, schenke uns Erkenntnis. Kor, stärke meinen Arm und schütze uns. Aves, lenke unsere Schritte, auf das wir nicht fehl gehen mögen.

Abenteuer: Nebelmeer
Dieser Eintrag wurde am 3.08.2020 (10:03) verfasst und 338 mal aufgerufen.
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